Beiträge zur Geschichte des Stiftes Werden [10 - 12]


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Zehntes Heft. ...
Die Anfänge der Stadt Werden. ...
den über zweitauſend Städten, die es um den Beginn ...
am Orte des heiligen Erlösers vollzogen,') am ...
die Hauptverkehrsstraße im Norden von Duisburg nach dem Hell- ...
Lage, deren die geistliche Herrschaft sich erfreute, ihren ...
weitere Beobachtung lehrt, daß dies in der Tat der ...
der Abtei ein besonderes Marktmaß,¹) ein Malder ...
Beilagen. ...
die vors. brocke sall syn drie schillinge, des ...
g. Einkünfte zur Spende bei der Hagelprozession. ...
29 Domus des Selters huss am marckte. ...
Nachtrag ...
Das Gericht Werden im späteren Mittelalter und ...
Desgleichen als Amt Werden. Vgl. v. Biebahn...
der Privilegien spricht allerdings dagegen, und Analogieſchlüſſe aus ...
am 23. Mai 1098') ein altes Recht, ...
- ...
ind, wirklich gehandhabt haben; erst 1317 hat sich ...
Beilagen. ...
verswegen, so moet he dem richter instat myns gnedigen ...
41 Item van enen noetgerichte binnen der stat gehalden behort ...
Die älteste Landkarte ...
geschriebene Bände zur Klarstellung der Besitzverhältnisse seines ...
1 ...
Inhalts-Verzeichnis. ...
Das eheliche Güterrecht ...
Beilage I. ...
Beilage II. ...
Ergänzungen und Berichtigungen zur Geschichte ...
...
1 ...
Miscellen. ...
II. ...
Inhalts-Verzeichnis. ...
Zur Rechtsgeschichte und Topographie ...
den lässt sich nachweisen, dass sie ursprünglich parochialen Cha- ...
Quartalschrift 20 S. 105,2). Wir haben hier näher ...
Auch in Werden mögen schon seit der Reform des Klosters ...
Ueber die Schicksale des Müller'schen Werkes, ...
Rechtsgeschichtliche Studien ...
Beilagen. ...
Die Krankenpflege in Werden und Kettwig ...
Rudolf Kötzschkes I. Band der Werdener Urbare.” ...
Miscellen. ...
Chronik des historischen Vereins ...
Inhaltsverzeichnis. ...
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Beiträge zur Geschichte des Stiftes Werden [10 - 12]

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Beiträge zur

Geſchichte des Stiftes Werden .

Herausgegeben

von dem Historischen Verein für das Gebiet des ehemaligen Stiftes Werden.

Zehntes Heft.

1904. Druck von f. flothmann, G. m. b. H., Kettwig und Kupferdreh.

1311 .

Ger 49.8

Harram College Librar AUG

7

1913

Hohenzollern Collection Gift of A.

Contiage

Die

Anfänge

der

Stadt

Werden.

Von Dr. phil. Rüdölf Köy schke.

Werdens geschichtliche Größe beruht auf St. Ludgers Stift und seiner Großgrundherrschaft ; im Hochmittelalter ein Ausstrahlungspunkt nordwestdeutschen Kultur- und Verfaſſungslebens hat die Abtei auch nach den Tagen ihres Glanzes sich bis in die lezten Zeiten des alten Reiches eine Bedeutung bewahrt, die über das , was sie noch an wirklicher Macht besaß , hinausging .

Ganz natürlich, daß

ſich vornehmlich den kirchlichen Verhältnissen Werdens und seinem Güterbesitz die geschichtliche Forschung gern und mit Eifer zugewandt hat, geſtüßt auf eine Quellenüberlieferung, die, an sich nicht reich, doch in mancher Hinsicht von seltener Gunst ist.

In geringerem

Maße nur hat sie der Stadt Werden ihre Aufmerksamkeit geschenkt. Durch Jahrhunderte hindurch ist Werden Kleinstadt geblieben ; noch furz vor 1800 hatte sie eine Bevölkerung von nur 2108 Einwohnern, ¹) und erst in der zweiten Hälfte des 19.

Jahrhunderts erreichte sie

eine Volkszahl, wie sie gegen Ausgang des Mittelalters Frankfurt am Main, der deutschen Könige Krönungsstadt, gehabt hatte.

Aber

den älteren und zumal den mittelalterlichen Zeiten ist ein geringerer Unterschied im Größenmaß der städtischen Siedelungen eigen : unter 1) Ohne das zur Abtei gehörige Personal ; s. W. Fabricius , Erläuterungen zum geſchichtlichen Atlas der Rheinprovinz II, S. 340. Hier ist als Jahr bei der Bevölkerungstabelle 1802 angegeben , das mutmaßliche Jahr des Erscheinens von P. F. Müllers Schrift über die Geschichte der Abtei Werden. Die dort S. 393 , Anl. 7 mitgeteilte Tabelle bezieht sich aber auf eine etwas weiter zurückliegende Zeit (1796); v. Vicbahn, Statistik und Topographie des Regierungsbezirkes Düſſeldorf S. 57 gibt für 1798 3519 Einwohner in der Stadtgemeinde, ( 1802 : 333 Feuerstellen), 8390 im ganzen Stift an . -- Unter den Akten von Cleve Mark im Königi. Staatsarchiv zu Düsseldorf XVIII 134 vol. X. findet sich eine, der Bearbeitung wohl werte „ Specialaufnahme der Personenzahl der Stadt Werden “ für 1803 ; ſie gibt an in der Stadt 546 Familien, 116 einzelne Bewohner, im ganzen 2454, Ausländer : 41 .

1*

den über zweitauſend Städten, die es um den Beginn der Neuzeit in Deutschland gegeben haben mag, ragten nur ganz wenige mit 20-30000 und mehr Bewohnern stattlich hervor ; eine Mittelstadt mit 5000 Einwohnern war schon weithin bekannt ;

bei

der viel gleichmäßigeren

Verteilung städtischer Kulturwirkungen auf deutschem Boden zu jener Zeit war auch eine Kleinstadt, wie Werden, nicht so unbedeutend, wie es dem an das Augenmaß der Gegenwart gewöhnten leicht erscheinen mag.

Ja, der eigenartige Reiz, den die Beschäftigung mit

dem mannigfaltigen Leben einer größeren Stadt bietet, findet bei der einer solchen Kleinstadt dem Bewußtsein, daß Typus handelt,

gewidmeten Arbeit

seinen Ersay in

es sich um das Beispiel

eines städtischen

der durch sein häufiges Vorkommen das an Be-

deutung für unsere Erkenntnis erseßt, was ihm an Größe abgeht. So verdient denn auch die Geschichte der Stadt Werden gebührende Beachtung ; und wenn auch die älteste uns darüber vorliegende Ueberlieferung im Vergleich zu der berühmterer Städte des Mittelalters ziemlich dürftig ist, so bietet sie doch die Möglichkeit, einige Fragen von Wichtigkeit für die allgemeine deutsche Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte scharf zu beleuchten . Eine der ersten und wichtigsten Fragen, die der Historiker an die Vergangenheit zu richten pflegt, ist die nach dem Ursprung einer Erscheinung. Klargestellt ?

Sind die Anfänge der Stadt Werden ſchon hinreichend Werdens

Erhebung zur

1317 verlegt zu werden.¹ )

Stadt pflegt in das Jahr

Es geschicht dies im Hinblick auf ein

urkundlich bezeugtes Abkommen vom 24. Juli dieses

Jahres,

wo-

nach Abt Wilhelm von Werden und der Vogt, Graf Engelbert von der Mark, super fundatione et constructione civitatis Werdinensis sich geeinigt haben .

Indes dieser Ausdruck an sich kann als durch-

schlagender Beweis für eine

damals

erfolgte

Stadtgründung nicht

gelten, nur für Bautätigkeit ist er ein Zeugnis , wie es denn auch in der deutschen Uebertragung op bowinge und tymmeringe heißt ; ) aus der Urkunde selbst aber geht nicht klar hervor, ob die darin erwähnten städtiſchen Einrichtungen

unmittelbar

vorher,

etwa

auf

1) Lacomblet, Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins III Nr 162. A. Schunden, Geſchichte der Reichsabtei Werden , S. 116. Flügge, Chronik der Stadt Werden, S. 15 ; u. a., so auch W. Effmann , die karolingiſch- ottonischen Bauten zu Werden, I. S. 5. 2) Copiar der Stadt Werden 15. Jhs., Düſſeldorf, St.-A. B. 223 , Vl . 6a ; f. darüber Beilage I. Vorbemerkung.

5

Grund einer zwischen Abt und Vogt getroffenen Vereinbarung neu geschaffen worden sind

oder schon länger Beſtand gehabt haben.

Vorsichtiger und richtiger ist deshalb die Ausdrucksweise von G. Kranz, der in seinem Aufsaße über Werdens Gilden und Aemter schreibt :¹)

städtische Rechte besaß die Bürgerschaft, wie urkundlich

feststeht, im Jahre 1317."

Er selbst bringt in einer Anlage eine

Urkunde von 12562) zur Veröffentlichung, die es nahe legt, das Dasein einer nehmen.

Stadt " Werden schon für

eine weit frühere Zeit anzu-

Indes ist bisher gegen die ältere Ansicht nicht entschieden .

Stellung genommen worden . Das Problem der städtischen Anfänge Werdens ist somit noch nicht

genügend geklärt, und

es ist in der Tat auch, nach dem

Quellenbefund, weder einfach noch leicht zu lösen. Zusehen faltet es sich uns in mehrere

Bei schärferem.

Fragen auseinander : wir

werden die Fragen nach dem Aufkommen städtischer Wirtschaftsweise, nach dem Bau der des städtischen

Gerichts

Stadtbefestigung,

und

endlich nach der Ausstattung

der städtischen

nach der Entstehung Gemeindeverfaſſung ,

der Bürgerschaft mit Vorrechten zu

scheiden haben ; 3) die Grundlegung des ganzen Problems aber wird in historisch-topographischer Untersuchung zu gewinnen sein. Führt somit der Versuch, die Anfänge der Stadt Werden in

zeitlicher Hinsicht klarzustellen, in tiefere Zusammenhänge hinein, so bedarf auch die Frage nach Art und Anlaß der Entstehung der Stadt erneuter Prüfung. Schon längst, ehe von neueren Gelehrten die

hofrechtliche

Theorie" von der Entstehung des deutschen Städtewesens begründet worden iſt, iſt für Werden von P. Fr. Müller, Lehen- und Land1) Beiträge zur Geschichte des Stiftes Werden , Heft I. S. 5 . 2) a. a. . S. 21 Anlage II. *) In einer für weitere Kreise bestimmten Schrift über " das ältere Städtewesen und Bürgertum “ (Monographien zur Weltgeschichte VI, S. 3 f. ) , hat einmal G. v. Below die Merkmale einer mittelalterlichen Stadt, wie folgt, zusammengefaßt : „ Die Stadt hat einen Markt ; . . ſie ist von einer Befestigung umgeben ; sie bildet einen besonderen Gerichtsbezirk; . . sie besitzt größere Unab hängigkeit in Gemeindeangelegenheiten und einen größeren Reichtum der Gemeindeeinrichtungen, namentlich der Gemeindeorgane, als die Landgemeinde ; . . sie ist endlich in Bezug auf die öffentlichen, die militärischen und finanziellen Leistungen und Pflichten vor dem platten Lande bevorzugt Wenn ein Ort diese Eine einzelne von Eigenschaften auf sich vereinigt, so gilt er als Stadt. den genannten Eigenschaften kann die Stadt auch wohl entbehren. Namentlich bis zum Ende des 12. Jahrhunderts, wo die Dinge ſich noch im Fluß befinden, ist noch nicht alles so scharf ausgebildet. “

6

richter des Stiftes furz vor dessen Säcularisation,

eine ganz ent-

sprechende Anschauung, wie folgt, geäußert worden : 1) aus dem Hose Werden entstand die Stadt ; so wie der Abt Hofesherr war, also ist er auch Herr der jezigen Stadt und des aus den Unterhöfen zusammengesetzten Stiftes , Landesherr. “ Diese Auffaſſung entſprach überhaupt verbreiteten Ansichten von älterer Zeit her ; wurde doch auch der Ursprung der Dörfer und Honnschaften aus Höfen verUnd auch noch Crecelius3 ) hat von einem Hose Werden

mutet. )

gesprochen.

Indes der Hinweis darauf, daß Werden in den Traditionen villa genannt werde, vermag die Behauptung von dem Dasein eines Hofes Werden und damit den hofrechtlichen Ursprung der Stadt nicht ausreichend zu rechtfertigen ; die Frage bedarf einer eingehenden und bei der Beschaffenheit der Ueberlieferung etwas umständlichen Untersuchung ; gilt es dabei die Entstehung der freien städtischen Bürgerschaft aufzuhellen, so wird daneben auch einer besonders wichtigen Einzelfrage fassungsgeschichtlichen

der städtischen wirtschafts- und ver-

Entwicklung,

der Begründung Gewerbeverbände, Aufmerksamkeit zu schenken sein.

bürgerlicher

1. Die Entstehung der Ortſchaft Werden in der Karolingerzeit. Der alte Stadtkern von Werden, wie er sich uns auf dem Stiche in Braun u. Hogenbergs

Städtebuch um

1570

darstellt*)

liegt am östlichen Abhang einer Ausweitung des unteren Ruhrtals, an den Viehauser und den Borner Berg gelehnt, zwischen denen eine tiefe Einsenkung der Anlage einer sanft ansteigenden Straße Raum bot.

Seit frühester Zeit gehörte der Grund und Boden, auf

dem die Stadt Werden entstand, dem Benediktinerkloster.

Schon in

den Jahren, wo Liudger die Klostergründung vorbereitete , von 799-801 , noch vor der Weihe der ältesten Kirche, erwarb er durch Kauf und Schenkung

ein zusammenhängendes

Landgebiet, in dem

' ) Geſchichte der Abtei Werden , S. 62 f.; ſ. auch die Anm. 1. Ausführlicher legt Müller den Vorgang, wie er ihn auffaßt, S. 3 ff. dar. 2) z . B. W. Grevel, Statistik des Landkreises Effen, S. 22, S. 23 für Kettwig, S. 24 für die Honnſchaften. 3 ) Traditiones Werdinenses Nr. 12. Gegenbemerkung bei P. Jacobs, Geschichte der Pfarreien S. 15 , Anm . 3 . *) s. u. a . W. Effmann, die karolingisch- ottonischen Bauten zu Werden, S. 13.

7

das gesamte Area! der alten Stadtanlage einbeſchloſſen war.¹ ) Zweifel,

nicht

nur an einzelnen städtischen Parzellen stand

Kein dem

Kloster das Grundeigentum zu ; es besaß die Grundherrschaft über die ganze Stadt, und ganz folgerichtig ist auch später der Abt von der Bürgerschaft als Erb- und Grundherr anerkannt worden.2 ) Als Liudger dies Land erhielt, auf dem später die Ortschaft Werden aufwuchs, trug es Waldbäume und Gehölz , oder diente der Acker- und Weidenuzung ; eine Niederlassung von Menschen fand sich nicht vor ; der Name Werethinum war, wie wir sagen würden, ein Flurname, nach der natürlichen Beschaffenheit dieses Stückes Erdboden gewählt . land gegründet.

So wurde Werden als Klostersiedlung auf Neu-

Den Kern der Ansiedlung bildete die von Liudger selbst erbaute Stephanskirche ) nebst den ältesten Klostergebäuden ; daneben erhob sich im Laufe von zwei Menſchenaltern der stolzere Bau der Salvatorskirche, ) die 875

geweiht und zur Pfarrkirche eines nörd-

lich und südlich der Ruhr sich ausdehnenden Pfarreibezirks beſtimmt Wie aber sah der Ort Werden neben Kirche und Kloster aus? Die älteste Baugeschichte Werdens vermögen wir in den Urfunden deutlich zu verfolgen.

Wird der Ort

in den Jahren 799

und 800 nur nach dem Tiefenbach und dem Werde ) benannt, so finden wir am 1. Mai 801 der Ortsbezeichnung die Angabe zu den Reliquien des heiligen Erlösers und der heiligen Maria " 6) bei = gefügt. Im Jahre 811 wird eine Tradition in der villa Werden 1) S. die Urkunden von 799 Jan. 18 und Febr. 14, 801 Mai 1 , sowie 796 Febr. 25 ( u . März 31 ) und 800 Sept. 17 (Lacomblet U. B. I. 11–13, 19 ; 6 f., 17 ; = Crecelius Traditiones 12-13 , 21 ; 7 f., 17) . Das Ergebnis meiner von neuem selbständig vorgenommenen Untersuchung des Landerwerbs Liudgers stimmt, was Werden und seine Umgebung betrifft, zu dem , was P. Jacobs , Ge schichte der Pfarreien im Gebiete des ehemaligen Stiftes Werden a . d . Ruhr, I. S. 15, dargelegt hat. 2) In der Urkunde vom 24. Juli 1317 heißt es allerdings in der deutschen Uebertragung (im Copiar, f. Beilage I, Vorbem . ) nur die raitlude und die schepene der stad soelen dem abbte hulden als erme heren ; doch lautet die Huldigungsformel 1520 ( Düsseldorf St.-A. C. 48 , Bl . 126a) : Bürgermeister, Schöffen, Rat und Gemeinde geloben dem Abte truw und hoult to sijn, als wy unsem rechten erf und grontheren schuldich sijn to doen. Vgl. die bei P. J. F. Müller, Gesch . der Abtei W., S. 181 f . angeführten Belegstellen. 3) f. W. Effmann, a. a. D. , S. 7 ff. *) a. a. D. , S 29 ff. 5 ) in loco nuncupante Diapanbeci sive Werithina ; in loco qui dicitur Diapanbeci. ") in loco qui dicitur Diapanbeci in ripa Rure ad reliquias sancti salvatoris et sancte Marie.

am Orte des heiligen Erlösers vollzogen, ' ) am 18. Oftober 812 vor der Kirche des heiligen Erlösers ,2) am 22. Januar 815 endlich im Kloster Werden ; 3 ) seitdem wird fast ausnahmslos bei Traditionen in Werdens Umgebung als Handlungsort das Kloster Werden ge= nannt.4) Nur einmal, am 5. Mai 841 , bei einem vom Vogte des Klosters vorgenommenen Tausch, wird Werden als Ort bezeichnet.5) Am wichtigsten für

die

Entstehungsgeschichte

der

Ortschaft

Werden ist die Angabe der Urkunde vom 26. September 811.6) Das Kaufgeschäft zwischen Bischof Hildigrim und Willeburg,

von

dem sie handelt, ist vollzogen, wie die Stelle, leider mit einer unsicheren Lesart, lautet : in villa, que vocatur Weridina ad locum sancti salvatoris ) super fluvio Rura.

Nur hier, nie wieder später

wird Werden villa genannt . Was besagt diese Bezeichnung ? Villa bedeutet in der ältesten Werdener Ueberlieferung nicht ausschließlich den Einzelhos, sondern die ländliche Siedelung mit ihrem Nutland : 8) bei der Streusiedelung, wie sie der Gegend heute eigen ist und schon in karolingiſcher Zeit in charakteriſtiſchen Anfängen vorhanden gewesen sein muß, ist dabei zumeist an eine dichter beisammenliegende Höfegruppe zu denken ; in selteneren Fällen mag auch nur ein Hof mit seinem Zubehör darunter zu verstehen sein. Für Werden soll vermutlich mit diesem Ausdruck der Charakter einer ländlichen

Siedelung

mit

einer Mehrheit von Baulichkeiten

und Anwesen und zugehörigem Landbereich wiedergegeben sein, noch bevor der Kloſterbau vollendet war. Jedenfalls vermag er für eine jüngere Zeit das Dasein eines klösterlichen Salhofes Werden mit vollem Landwirtſchaftsbetrieb , einer curtis Werethina, in feiner Weise zu bezeugen. Läßt sich nun vielleicht aus anderen Nachrichten der Siedelungsund Wirtſchaftscharakter Werdens erſchließen ? Nur ſpärlich und ¹) s. den lateinischen Worlaut weiter unten. ) ad Rura ante basilica sancti salvatoris . 3) in Werthina monasterio. ') Lac. U. B. I. 39. 45- 47. 49-54. 56-58. 60-64. - Zu 32 (v . J. 816/817) vgl . 30. 5) a . D. 55 ; in loco qui dicitur Werthina . *) Im Drucke bei Lacomblet U. B. I Nr. 29 findet sich in der Datumsangabe eine Lücke ; wahrscheinlich ist nach sub die VI kal. oct." zu lesen . 7) So ist wahrscheinlich an Stelle der Lücke bei Lacomblet zu lesen. 9) Vgl. darüber die Ausführungen in meinem Aufſaße : „ Zur Wirtſchaftsund Verfassungsgeschichte des Niederrheins in karolingischer Zeit“ . Westdeutsche Zeitschrift XXIII, 1905.

9

unsicher deutbar liegen sie uns vor.

Gewiß ist, daß Werden lange

Zeit klein geblieben ist, obschon es sich als Grabstätte Liudgers und wegen wunderbarer Heilwirkungen eines weiten Rufes erfreute. Noch um 890 wird das Kloſter zu den geringeren gezählt ; ' ) und aus den ersten Jahren nach des Heiligen Heimgang lesen wir, 2) daß einer der vornehmen Freunde mehrtägigem Besuch, wie

des Klosters, Dindo, wenn er zu

er jährlich tat, nach Werden kam, seine

Leute mit den nötigen Lebensmitteln für sich und die Seinen vorauszuschicken

pflegte.

Wundererzählung

Vielleicht

aus der

könnte

man

Zeit, bevor die

geneigt sein,

Feier von

eine

Liudgers

Todestag allgemein eingeführt war, zu einem Schlusse auf Werdens Ortſchaftscharakter nuzbar zu machen.3 )

Wir hören, daß die Brüder

mit ihren Leuten die Feier hielten und auch die meisten von den Nachbarn dem sich anschlossen ; einige aber schirrten

die Ochsen an

und begannen das Pflugwerk, freilich ohne Erfolg . Indes wir dürfen diese Klosterleute und ihre Nachbarn nicht schlechthin als Bewohner der Siedelung Werden ansehen.

Deutlich können wir

beobachten, wie sie auf getrennten Feldern, in Waldesnähe wenigstens einer von ihnen, ackerten ; so darf man an Siedler auch in etwas weiterer Umgebung von Werden denken.4 )

Um eine Vorstellung von Werdens Ortſchaftscharakter zu ge= winnen, würde

man gern einen Einblick in die Gestaltung des flöſterlichen Landwirtſchaftsbetriebes tun. Indes wir erhalten ein Bild davon erst durch Nachrichten aus viel jüngerer Zeit. Jm 12. Jahrhundert finden wir in Werdens Nähe zwei Wirtschaftshöfe : der eine den Abteihöfen zugezählt, Barkhof,4a) auf der Höhe des Borner Berges hinter der Klosteranlage gelegen, völlig getrennt von der Siedelung Werden, nach Süden zu knapp 1 km von ihr ent= fernt ;

und auf dem gegenüberliegenden Berge den Propsteihof Viehausen ) im Nordosten der Ortschaft, in nur wenig geringerer 1 ) s. die Bemerkung in meinen Studien zur Verwaltungsgeschichte der Großgrundherrschaft Werden “, S. 2 Anm . 2 . 2) Vita ( 1 ) s. Liudgeri, lib. 11 9, hrsg . von Diekamp , S. 117 f. ³) a. D. II, 10. S. 118 f . (fratribus nostris visum est, ut cum nostris hominibus feriaretur ; . . plurimi ex vicinis nostrorum exemplum secuti .. *) Vgl. dazu die Auffaſſung in der vita rythmica ( hrg . von Diekamp S.213) : advenit dominica, qua ut consueverunt, Werthinam venerunt. 4a) Urbare Vil § 3, Regiſter der Villikation in Barkhove. 5) Urbare Vlll § 5, 31 (Viahus) ; vgl . dazu Urk. Ende 11. Beg. 12. Jbs. (Lac. 1 266) : Fiuhuson . - Erstes Register der Villikation in Vihus aus dem 13. Jh., Urbare IX § 6.

10

Entfernung von ihr gelegen, beide außerhalb der heutigen Stadtge= markung .

Die frühesten Nachrichten führen allerdings noch in ältere

Zeiten zurück. Um die Wende des 10/11 . Jahrhunderts begegnet uns der ſpätere Oberhof aller Werdener Sadelhöfe als Gut Barghus ; ¹) und es kann nicht zweifelhaft sein, daß er damals schon Hof des Abtes war,

Viehausen demnach

neben ihm bestand .

als

Propsteizubehör

selbständig

Damit sind unsere Nachrichten dicht an die

Zeit gerückt, wo eine Scheidung des Abtei- und Konventsgutes vorgenommen ward.2)

Wie aber waren sie beschaffen zur Zeit der

einheitlichen Güterverwaltung ?

Zeugnisse liegen uns nicht vor ;

wohl aber reden die Namen eine deutliche Sprache.3) triebe

dienten

der ländlichen

Eigenwirtschaft

des

Hof mit dem barghus nach der Aufspeicherung des

Zwei Be-

Klosters,

der

Getreides, der

andere nach der Viehhaltung benannt, mag auch hier die Ackernutzung und dort das Spann- und Milch- sowie Kleinvieh nicht ge= fehlt haben ; beide von einander und von dem Kloster nebst seinem Siedelungszubehör Nähe.

räumlich

fahren nichts darüber. an.

getrennt,

aber in

rasch

erreichbarer

Wann ist nun diese Anlage geschaffen worden ?

Wir er-

Aber sicher gehört sie schon sehr früher Zeit

Ja, der Umstand , daß wahrscheinlich schon Liudger in den

allerersten Jahren das Areal für beide Höfe erworben hat,4) legt die Deutung nahe, daß schon ihm der Plan dazu entstammt ; das Ge= lände, das sich vom Kloster nach der Ruhraue zu senkt, auf beiden Seiten von dicht zum Flusse vorspringenden Berghängen eingefaßt, bot für einen großen Landwirtschaftsbetrieb keinen günstigen Raum, während die ebenen oder nur sanftwelligen Flächen auf der Höhe um Barkhoven wie um Viehauſen dafür recht geeignet waren . Wie nun dem auch sein mag, für die Annahme eines vor Aussonderung des abteilichen Tafelgutes von Werden aus einheitlich geleiteten, klösterlichen Wirtſchaftsbetriebes auf Barkhof und Viehausen 1 ) Urbar 11 § 26. 2 ) s. meine „ Studien “ , S. 114 ff . 3) Wie der Name Barghus mit Barkhoven wechselt, so auch Vihus mit Vehove. ) Der am 1. Mai 801 von Hildirad überwiesene Bifang zwischen Borbeck und der Westseite des Widuberges schloß, nach der Ortsbeschreibung in den Urkunden von 799-801 zu urteilen, das Land, wo Barkhoven entstand, ein ; und wenn Liudger am 14. Febr. 799 sich Wald und Bifangstand der zu Fischlaken gehörenden Alfgodinchove zurückbehielt, so liegt die Vermutung nicht fern, daß Viehausen, später zur Gemarkung von Fischlafen gehörig, auf diesem Grund und Boden entstanden ist.

11

spricht auch der Umstand, daß die schon von frühester Zeit her zu beiden Höfen

gehörigen

fronpflichtigen Güter,

in der jüngeren

Ueberlieferung Hufen (mansi ) genannt, im Osten, um Heisingen und Rodberg, in auffälligem Gemenge liegen ; ') und noch sehr spät iſt in Werden das Paradies vor dem Westbau der Abteikirche, der soge= nannten Peterskirche, für Barkhof wie auch für Viehausen Stätte des Hofgerichtes gewesen.2) Wie stellt sich uns demnach Werdens Ortschaftscharakter in jener Frühzeit dar ?

Gewiß fehlte

es

dort an klösterlichen Wirt-

schaftsgebäuden und Wirtschaftsanlagen nicht ; nordöstlich vom Kloſter mag schon in früher Zeit das Bachwasser durch Stauung zur Anlage

eines Weihers

scheint

genutzt worden sein ;

und südwestlich davon.

ein großer, später aufgeteilter Garten des Klosters gelegen

zu haben,

an den noch heute die Vungertstraße erinnert.

In dem

anscheinend ältesten Teile der Ortschaft, da wo die Bornstraße dicht neben der Abtei nach dem Borner Berge zu ansteigt, in der Richtung auf Barkhof zu, und noch heute abteiliche Dekonomiegebäude sichtbar sind, wird Gesinde des Klosters ansässig gewesen sein, das nicht in vorwiegend bäuerlicher Tätigkeit, sondern in Rohstoffverarbeitung beschäftigt war. Auch auf der anderen Seite mag um die Pfarrkirche eine Anzahl von Wohnstätten mit Wirtschaftsland sich gruppiert haben. Große Bauernhöfe können es nicht gewesen sein, sondern, zumeist wenigstens, nur kleinere Anwesen, mögen deren Bewohner mun ländlicher Arbeit sich gewidmet oder bei der von Liudgers

Zeiten bis

über die Mitte des 10. Jahrhunderts fast ununterbrochenen firchlichen Bautätigkeit mitgewirkt, 3) oder es sich zu nutze gemacht haben, daß der Ort als Ziel und Ausgangspunkt mannigfachen Verkehrs in wirtschaftlicher und kirchlicher Hinsicht, bei Heilung von Krankheit, wie bei

Uebereignung

von

Grundbesig,4 ) Anlaß zu Tauſch und

Handel bei günstiger Gelegenheit bot. Soviel ist demnach

klar : in jener Zeit, wo Werdens Ent-

wicklung zur Stadt begann, war Werden kein Fronhof; zwar auf

1 ) f. die Register in der Ausgabe der Urbare, nebst Einleitung, 11. 2) Urbare, Anh. B. (Hofrechte .) 3) bis 875 die Salvatorskirche ; bis 943 die ſpäter sog . Peterskirche ; bis 957 die Borner (Klemens-) Kirche ; ſ . W. Effmann , a. a . D., S. 5 ff., 29, 170 ff . *) f. die Traditionsnachrichten und die vitae s. Liudgeri ; 3. B. wird hier am 13. Juli 883 von Bischof Wolfhelm von Münster eine Schenkung coram omni populo et congregatione monachorum ausgeführt .

12

flösterlich-grundherrlichem Boden, aber nicht

auf Fronhofsareal ist

die Stadt Werden erwachsen ; nicht ein Fronhofsverband fand damals dort seinen Mittelpunkt ; nicht von einer Fronhofsgenoſſenſchaft war Werden bevölkert. Das schmale

Gebiet

aber zwischen den

Anhöhen und der

Ruhr, das ſpäter als Stadtgemarkung abgegrenzt worden ist, war nur teilweise angebaut : im Süden des alten Stadtkerns ist dies erst in allerneuster Zeit geschehen, und auch im Osten und Norden sind die Ausbauten erst jungen Ursprungs . manches

Stück Landes

zu Acker-

und

Gewiß aber ist damals Weidenuzung

verwertet

worden, ſei es im Eigenbetrieb des Kloſters, ſei es von Bewohnern der Ortschaft Werden oder von Ansiedlern am Viehauser Berg und in der Flußaue. 2. Die Marktgründung und ihr Einfluß auf Werdens Siedelungscharakter. Landesausbau und Volksmenge waren im Pfarreibezirke von Werden im 10. Jahrhundert in Zunahme begriffen.

Dafür zeugt

die Herstellung eines pfarrkirchlichen Zwecken gewidmeten Westbaus der Salvatorskirche, des 943 geweihten Turmes der heiligen Maria, der später Peterskirche genannt worden ist,') und mehr noch der unmittelbar danach vollendete Bau der Klemenskirche am Borner Berg, die, 955 eingeweiht, vor allem die gottesdienstliche Fürsorge des südlichen Teiles der Pfarrei erleichterte.2 )

Ein Beweis für das

Wachstum Werdens selbst ist die Schöpfung dieser Kirchenbauten nicht ; sie

erklären sich

zur

Genüge

aus

der

Entwicklung

der

Pfarrei; in der Tat mögen sie freilich auch jenem Bedürfnis entsprochen haben. Sehr bald danach ist aber der Schritt getan worden, der für die Weiterentwicklung der Ortschaft Werden von entscheidendster Bedeutung war : Abt Folkmar

erwarb

am 19. Auguſt 974 von

Kaiser Otto II. auf Fürbitte seiner Gemahlin Theophanu das Recht, einen Markt und öffentliche Münze, wie in Lüdinghausen, so auch im Orte Werden einzurichten.³)

In der Tat iſt danach das Recht

1) W. Effmann, a. a. D. , S. 170 ff. 2) Dies ergibt sich aus jüngeren Nachrichten über das Borner Kirchspiel. 3) Mon. Germ. Diplomata Otto II, nr . 88 : der Kaiser gewährt die Bitte, ut in duobus suis locis (man beachte diese Bezeichnung ! ) id est Liudinghus Werdina , forum et monetam sibi liceret aptare et facere, und schenkt, quicquid in eodem foro vel moneta publica ad ius nostrum pertinet.

13

der Münzprägung von Werdener Aebten

ausgeübt worden ; ') und

wir beobachten, wie der Geldverkehr der Abtei im 11. Jahrhundert nicht gering gewesen ist.2) Für die örtliche Entwicklung Werdens bedeutsamer war aber die Verleihung des Marktrechtes .

Was sind deren Folgen in räum-

licher und wirtschaftlicher Hinsicht gewesen? Austausch von Wirtschaftserzeugnissen und geldmäßiger Verkehr wird Werdens Bewohnern auch vordem nicht völlig unbekannt geblieben sein. Gütertauſches

Jezt ward auf

eine

gewisse

Regelmäßigkeit

abgezielt ; eine Ordnung ward eingeführt,

die

des auf

einem dem Abt übertragenen staatlichen Hoheitsrechte beruhte.³) Werden ward Marktort. Ein Raum wurde bestimmt, wo man des Marktverkehrs pflegen sollte ; nicht Tag für Tag, das war bei den Wirtschaftszuständen der Zeit nicht üblich ; auch nicht bloß einmal im Jahre, darauf war es bei gewöhnlichen Marktrechtsverleihungen nicht abgesehen ; Werdens Jahrmarkt muß jüngeren Urſprungs ſein. * )

Nach sonstigen Gewohnheiten zu schließen, wird ein Wochenmarkt eingerichtet worden sein ; aus viel jüngeren Quellen³) erfahren wir, daß ein solcher, freilich als Verleihung der Vorfahren des Herzogs von Cleve und Grafen allen Sonnabenden

von der Mark angesehen, an

abgehalten worden ist.

An Markttagen aber galt ein besonderer Marktfriede ; in Marktsachen ward Marktgericht gehalten und Bußen wurden verhängt ; Recht und Brauch des Marktes

bildeten sich

aus , und Marktabgaben waren an den Inhaber des

Marktes fällig.

Alles dies war darin enthalten, daß der König all sein Recht an dem Markte vergab : der Abt war Marktherr ; und zugleich war er der Grundherr des Marktplates. 1) S. Daunenberg, die deutschen Münzen der sächsischen und fränkischen Kaiserzeit, S. 297 nebst Taf. 2) Dies ergibt sich aus verschiedenen Geschäften, wie sie aus den Tra ditionen (f. bei Crecelius) zu ersehen sind . *) Vgl. zum folgenden von Arbeiten zur allgemeinen deutschen Wirtschaftsund Rechtsgeschichte besonders S. Rietschel, Markt und Stadt S. 39 ff. 1896. 1) In Werden ward der Jahrmarkt nicht auf eines der Ludgerifefte ge= legt, sondern ward am Nikolaitage abgehalten ; s. die Bemerkung von G. Kranz in den Beiträgen " I S. 24 ; vgl. die Angabe über die Jahrmärkte im Stiftsge gebiet und die Feier der Umtragung des heiligen Ludger in der Urk. vom 24 . Juli 1317. Lac. U. B. III 162. Die Nikolaikapelle aber am Markte Werdens ift 1042-47 gebaut. 5) ſ. die fünfte Urkunde ( 1574 Dez. 1 ) in dem Copiar der Stadt Werden, in den Vorbemerkungen zu Beilage I.

14

Die Schaffung eines solchen Playes war an ſich ſchon geeignet, das Bild der Ortschaft Werden

zu verändern .

Waren die Folgen

für den Siedelungscharakter Werdens vielleicht noch bedeutender ? Wir wissen, daß in jenen Jahrhunderten eine ganze Anzahl von Niederlassungen entstanden sind, die man in treffender Weise als Marktansiedlungen

bezeichnet

hat.

In

den

östlicheren

Gegenden

Deutschlands finden wir sie nach einem sehr regelmäßigen Bauplan begründet, der noch heute auf einer topographischen Karte und deutlicher auf alten und neuen Stadtplänen sichtlich ist auf einem freisförmigen Raume mit einem Turchmesser von 5-600 m oder auch auf einem ovalen nach dem Verhältnis von 600-400 : 500-300 in ist die Siedelung angelegt : etwa in der Mitte liegt der Marktplay, quadratisch oder rechteckig gestaltet, darauf das Rathaus und bisweilen auch die Stadtkirche ; ringsherum aber regelrecht ange= ordnete Straßen und Gassen, mit einander parallel laufend oder rechtwinkelig ſich kreuzend .

Eine ähnliche Regelmäßigkeit der An-

lage, wenn auch meist in kleineren Verhältnissen, zeigen auch in Westdeutschland manche städtischen Siedelungen, die auf planvolle Gründung zurückzuführen sind. ') Wirst man nun einen prüfenden Blick auf Werdens Grundriß,2) so fällt uns inmitten des jezigen Gesamtbildes ein Lval auf,

das von der Bungertstraße nach dem

Flachsmarkt zu und von der Grabenstraße und ihrer Fortſegung umrandet ist: es ist genau nach den vier Himmelsgegenden orientiert ; die Durchmesser betragen ungefähr 350 : 300 m ; dem Mittelpunkt nahe ist der Marktplatz gelegen ; die Abteikirche und die Klosterbaulichkeiten sind in den Bering eingeſchloſſen und bilden das füdöstliche Viertel des Ganzen . Nicht die regelrechte Gestalt des Normalschemas weist dieser innerste Stadtfern auf : der Markt hat in seiner jezigen Gestalt eine unregelmäßige Form, die Straßen verlaufen nur teilweise gradlinig, ein gewiffer Parallelismus zeigt 1) I. Fritz, Deutsche Stadtanlagen, Programmabhandlung, Straßburg 1894 ; s. besonders die Darlegungen über die Gründungsstädte des deutschen Westens. 2 ) Am besten ist der Flügges Chronik der Stadt Werden beigegebene, von Gebhardt 1886 gezeichnete Stadtplan ; s. auch den von Fr. Schmidt (1899) in 1 : 2500. Doch ist die Anlage auf den Karten im Maßstabe 1 : 25000 zu er kennen, auf den Hofacker'ſchen Karten der Kreiſe Eſſen und Mettmann und auf den sog. Mehtischblättern ( Sektion Velbert. nr. 2650), ja selbst noch auf der Generalstabskarte in 1 : 100 000 (Sektion Elberfeld 379). Einen Plan in 1 : 10000 enthält ein „ Jauſtrierter Führer durch das untere Rubrial". - Vgl. auch die Zeichnung auf der diesem Hefte der „Beiträge“ beigegebenen Karte des Stiftes von 1582.

15

sich nur im Nordwesten. ')

Aber in Anbetracht der Kleinheit des Aus-

maßes, das die Schaffung eines Systems sich regelrecht schneidender Wege gar nicht gestattete, wird von einer gewissen Planmäßigkeit der Anlage gesprochen werden müssen : nicht den aus Dorfſiedelungen erwachsenen , sondern den kleinen Gründungsstädten Weſtdeutſchlands ist Werden zu vergleichen. Welcher Zeit aber gehört diese Anlage an ? Man könnte geneigt sein, an die "! Erbauung der Stadt Werden“ zu denken, von der bei dem

Vertragsabschluß

zwischen Abt Wilhelm und

Grafen Engelbert von der Mark

dem

im Jahre 1317 die Rede ist ;

dann würde man in der Tat von einer damals geschehenen Stadtgründung sprechen dürfen.

Indes, nach der Lagebeschreibung der

vier Stadttore sowie der Erwähnung der Borner Vorstadt zu urteilen, handelt es sich dabei um jene bis in neuere Zeiten nur wenig oder gar nicht veränderte Stadtumwallung, deren Verlauf nach spärlichen Resten der

Ringmauer

und Angaben älterer Personen noch vor

furzem bestimmt werden konnte.2 )

Diese Befestigung fällt aber mit

jener Umrandung des inneren Ovals nur an einer bezeichnenden Stelle, an der Grabenstraße, zusammen ; im übrigen ist sie ein Stück weiter nach außen zu in nicht abgerundeter Linie geführt worden. Schon vor deren Entstehung muß also jener innere Siedelungsteil vorhanden gewesen sein, der, regelmäßiger geformt, als das Stadtbild von 1317 , nicht planlosem Werden, sondern einem Gründungsafte zuzuschreiben sein wird.

Auch die Nachrichten aus der Mitte

des 12. und dem 13. Jahrhundert lassen es nicht zweifelhaft erscheinen, daß jene oben beschriebene Anlage einer noch früheren Zeit entstammt. Demnach ist der Schluß unabweisbar, daß auch in Werden, wie wir dies aus einer großen Zahl anderer Beispiele kennen, nach Erteilung

des

worden ist,

Marktrechtes

noch

vor

Nicolaikapelle ( 1042–47 ) . entstanden.

eine

Marktansiedelung

Freilich ist nur eine der kleinen hier

Nur in geringer Menge haben die

niedergelassen ;

ihre

begründet

dem Bau der Werdener Marktkirche, der

Marktansiedler" sich

Berufsgruppierung hat sich im Siedelungs -

¹ ) Vgl . die Skizze zur Baugeschichte Werdens, unten im Abschnitt 4 dieses Aufsatzes . 2 ) W Effmann, die im 19. Jahrhundert zerstörten Baudenkmale Werdens, in den Beiträgen" Heft IV S. 12 ff.

16

charakter nicht

auszuprägen

vermocht ; ¹)

und

ländlicher

Nuzung

dienende, nicht städtisch ausgebaute Grundstücke hat es in Werdens innerem Ring, wenigstens Wege

in

den beiden des

Parallelismus der

entbehrenden Vierteln, im nordöstlichen und südwestlichen,

noch auf lange Zeit hinaus gegeben.2)

Was ist nun die Veranlassung zu solcher Marktgründung gewesen?

Ohne Zweifel hat dabei die Absicht mitgewirkt, die Einfünfte der Abtei zu vermehren : eine Steigerung der Grundrente in des Klosters Nähe konnte erzielt werden ; ³) Marktgefälle und andere

Abgaben standen in Aussicht. Judes der Umstand daß allem Anscheine nach Abt Folkmar, derselbe, der das Marktprivileg erwarb, eine reichere Hofhaltung einrichtete, ¹ ) deutet noch auf ein anderes hin. Mit einem solchen Hofhalt, mit dem Aus- und Eingehen zahlreicher Dienstmannen, wie wir sie seit jener Zeit in den Urkunden als Zeugen finden, wuchs der Bedarf an wirtschaftlichen Gütern, den es zu decken galt, nicht nur zu des Lebens Notdurft, sondern auch zur Bereicherung und Verbesserung der Lebenshaltung, wuchs die Zahl derjenigen, die Gebrauchsgegenstände, die sie nicht selbst herstellten, erstehen konnten, und damit die Möglichkeit eines Absages . Es ist nur ein Merkmal der Zeit, daß die Befriedigung solchen Bedürfnisses nicht durch Vermehrung der im Kloſterhaushalt beschäftigten, sondern durch eine Marktgründung angestrebt ward . Nicht auf große Verhältnisse ist die Marktansiedelung Werden berechnet gewesen ; aber in dem bescheidenen Maße, das man ihrem Plane zu Grunde legte, hat sie Erfolg gehabt.

Um die Mitte des

11. Jahrhunderts³ ) war eine Werdener Ruhrbrücke vorhanden, und es führte von da eine Straße gewiß schon damals, wie in jüngeren Zeiten,

den Borner Weg aufwärts nach Köln, während allerdings

¹ ) Vgl. unten Abſchnitt 3. 2) Nachweise für das 12. und 13. Jh. f. unten in Abschnitt 3 - Noch auf dem " Grundriß der 1783 neuerbauten Prälatur und des Convents zu Werden" (Beilage zu Flügge's Chronik, S. 494 ; fast dasselbe s. auch W. Effmann , farol.-ottonische Bauten zu Werden, S 334, Fig 251 : Lageplan von Kirche, Abteigebäuden und nächster Umgebung im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts . ) ist neben dem „ Kirchhof“ (nördlich davon), da, wo heute die Pfarrei und die Baulichkeiten in der Umgebung liegen, ein Propsteigarten eingezeichnet. 3) s. darüber unten, Abschnitt 3. 4) Vgl. in meinen „ Studien " S. 116 , S. 120 . 5) Urk. König Heinrichs IV., 1065 , Okt. 16 ; Lacomblet, U. B. I 205. ") s. die einschlägige Stelle in der Urkunde vom 24. Juli 1317 .

17

die Hauptverkehrsstraße im Norden von Duisburg nach dem Hellweg Werden nicht unmittelbar berührt hat.¹ ) Die Bedeutung der Ruhrschiffahrt zeigt sich darin, daß die Mönche von Kaiser Konrad 1033 , Apr. 28,2) sich das Recht freier Beſchiffung bis zum Kloster erwirkten; und in nicht viel späterer Zeit standen mindeſtens 6-7 in Werden angesiedelte Schiffer in ihrem Dienste.3) 1047 geweihten Nicolaikapelle am Markte

Der Bau der

aber ist

nicht nur als

ein Zeichen frommen Sinnes, sondern auch als Beweis für religiöskirchliche Bedürfnisse einer angewachsenen Bevölkerung des Marktortes Werden aufzufaſſen ;

und

gewiß ist die Wahl des Heiligen

kein Zufall, dessen Verehrung in Deutschland gerade seit Ottos II. Heirat mit der griechischen Fürstentochter sich verbreitete, deren Fürsprache Werden seine Bewidmung mit Marktrecht verdankte . War nun aber der Marktort Werden auch befestigt ? Eine beſtimmte Nachricht darüber liegt aus jener Zeit nicht vor. Die Tatsache, daß im Jahre 978 Bischof Heinrich von Augsburg dem Abte von Werden zu sorgsamer Bewachung anvertraut ward , 4 ) vermag als Beweis

von Kaiser Otto II .

dafür nicht zu gelten ; und

wenn Uffing ein Lobgedicht zum Preise Werdens und des Heiligen, den es in seinen Mauern birgt,

anhebt,5) so

ist

an Kirche und

Kloster gedacht. Die Regelmäßigkeit jener Umrandung des innerſten Stadtkerns führt aber zu der Annahme, daß schon in frühester Zeit ein Graben um die Marktansiedelung gezogen worden ist, dem es an einer Erdaufschüttung nicht

gefehlt haben wird .

Eine gewiſſe

Befestigung muß also schon damals vorhanden gewesen sein, wenn vielleicht auch nur eine solche, die sich von den bei Dörfern üblichen. nicht wesentlich unterschied .

Werden war also ein befestigter Markt-

ort ; war es schon im 11. Jahrhundert „ Burg " Stadt ?

mit Marktverkehr,

Ein Zeugnis dafür würde in einer Nachricht Gregor

Overhams vorliegen,

wenn sie wirklich alter Ueberlieferung ent-

1) Vgl. u. a. die Ausführungen K. Rübels, Reichshöfe im Lippe-, Ruhrund Diemelgebiete und am Hellwege. (Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark, Heft 10). 2) Lacomblet U. B. I 168 . 3) Urbare III § 47 . Die Ansäſſigkeit ist daraus zu schließen, daß sie an jedem Mittwoch in Werden Dienst zu leiſten hatten. *) Mon. Germ. SS . IV, 417, Gerhardi vita s. Udalrici episcopi . 5 ) vitae s. Liudgeri, hrg . von Diekamp , S. 223. 2

18

nommen wäre ; er sagt in seinen Annalen, ¹) daß unter Abt Gero die Luciuskirche, die sogenannte Neue Kirche, in suburbio Werthinensi gebaut und geweiht worden ſei ( 1053, bezw . 1062) .

Wirklich

liegt sie innerhalb der städtischen Gemarkung in einer Art Unteroder Vorstadt von Werden, noch bis in die Neuzeit hinein von der eigentlichen

Stadt räumlich getrennt.

Overham wählte, kann aus gebildet, ſein.

Indes

der

Ausdruck, den

den Anschauungen seiner eigenen Zeit

braucht nicht dem Text

einer alten Vorlage entlehnt zu

Das Dasein einer Stadt Werden tritt uns erst deutlich in

der Ueberlieferung des 12. und 13. Jahrhunderts entgegen, freilich ohne daß die frühesten Quellenzeugnisse auf eine unmittelbar vorher eingeführte Neuerung schließen lassen. 3. Werden und seine Bevölkerung in der Stauferzeit. In der Zeitspanne vom legten Drittel des 11. Jahrhunderts bis um die Mitte des 12. , in drei Menschenaltern erbitterten Kampfes mit geistlichen und weltlichen Waffen auf deutschem Boden, in denen. der ritterliche Adel seine machtvolle Stellung in der Gesellschaftsverfassung und der Kultur Deutschlands sich gewann, führte die Abtei Werden ein wenn auch nicht ununterbrochen gedeihliches Daſein. Zwar große firchliche Neubauten entstanden damals am Orte nicht nur der Neubau des Paradieses vor der Peterskirche um 1150 wäre zu erwähnen ; 2) aber ansehnliche Werke

der bildenden Kunst

und des Glockengusses wurden geschaffen, Wissenschaft und Buchmalerei fanden im Kloster ihre Pflege ; gemünztes und ungeprägtes Edelmetall war in der

Schatzkammer

der Abtei zur Verfügung .

Die Höhezeit der Großgrundherrschaft ward freilich mit dem Ende dieses

Zeitraumes

überschritten :

die

große

Urbaraufnahme

der

früheren Stauferzeit zeigt uns die Abtei schon in Verteidigungszustand gegen Uebergriffe mächtig gewordener Dienſtmannen. Die Ortschaft Werden, die wir schon vordem in der Entwicklung zur Stadt beobachten konnten, mag an dieser Gunst der 1 ) Manuskript im Hauptlandesarchiv zu Wolfenbüttel, S. 223 f. im Abschnitt 294 : hic abbas ( Gero ) ecclesiam s. Lucii vulgo novam in suburbio Werthinensi ad Rhuram a suis praedecessoribus Werinberto , Ratbrando, Heidenrico, Bardone atque Geroldo abbatibus constructum anno MLIII consummavit ; ferner im Abschnitt 298 : ecclesiam prope suburbium Werthinense ... 8. Lucii . . s. Anno Coloniensis archiepiscopus consecravit, am Rde. MLXII. 2) s. W. Effmann, a. a. D. S. 312 ff.

19

Lage, deren die geistliche Herrschaft sich erfreute, ihren Anteil gehabt haben.

Freilich einen sonderlichen Fortschritt zu größerer Bedeutung

erlangte sie nicht.

Kaum ein besonderes, auf ihre Verhältnisse sich

beziehendes Rechtsdenkmal hat sie aufzuweisen ; ¹ ) nur aus der Urbarüberlieferung einiges Licht.

der

Abtei

fällt

auch

auf sie

erfreulicherweise

Entwerfen wir uns zunächſt ein Bild der gesamten Siedelung Werden, zwischen dem Laufe der Ruhr mit ihrer Flußaue und den ziemlich steilen Hängen der Berge, die von beiden Seiten her und im

Hintergrund

jenkendes

ein

nach der Niederung zu sich öffnendes und

Tal einschließen.

Zwischen der Klosteranlage und der

Niederlassung um den Markt, gegen tausend Schritt vom Ruhrufer entfernt, erhob sich weithin sichtbar Werdens Wahrzeichen, neben der Salvatorskirche der Westturm in den Formen frühromanischen Stils als Hauptpfarrkirche mit der Vorhalle des Paradieses, daneben als ältester firchlicher Bau die Lehne des Borner

kleine

Stephanskirche .

Nach der

Berges zu lag der Klosterbereich mit seinen

Wohn- und Wirtschaftsgebäuden : 2) der

„Hof"

des Abtes³ )

mit

seiner Kemnate und der abteilichen „Kammer " , dazu Speicher, Küche, Keller, Brauhaus und Bäckerei, der Marstall und auch ein Wirtshaus ; ferner der Wohnbau der Mönche, ein Haus des Propstes, Speicher, Küche und Keller der Brüder, Mühle und Backhaus, Brauhaus, Baderaum, ein Haus für die Kranken, ein solches für Aufnahme der Fremden und endlich auch ein Wirtshaus .

Der Bau-

charakter dieser Wohn- und Wirtschaftsräume bleibt freilich unbestimmt; manche waren gewiß nur Teile großer Baulichkeiten ; einzelne mögen außerhalb der Klausur gelegen schlossen sich daran an.

haben . *)

Gartenanlagen

Neben Kirche und Kloster nach der breiteren Talöffnung zu lag nun die civitas, wie

es in dem Heberegister des Abteigutes

') Die Urt. von 1160 ( Lacomblet U. B. I 402 , dazu Crecelius Trad. 134) bezicht ſich auf ein zur Bewidmung der Nicolaikapelle gehöriges Gut außerhalb Werdens in Barnſcheid. 2) f. in meinen „ Studien“, S. 118. Zu ergänzen sind die dort gemachten Angaben noch durch Urbare Vll § 3, 69 ( d. i. B 59 , Bl. 52a). - Vgl . die Skizze der alten Klosteranlagen in Flügge's Chronik, S. 495 ; dazu den oben S. 16 Anm. 2 erwähnten Lageplan. 3) Urbare Vll § 3, 68 ( u . ſonſt) : curia abbatis. ') So der Marstall (Urbare Vll § 2,1 ) . 2*

20

um 1150 heißt. ')

Auch

eine Mauer wird

erwähnt, als Ortsbe=

zeichnung eines in ihr gelegenen Grundstücks (iuxta murum) ; vermutlich ist dabei nicht an die Klosterumfassungsmauer, sondern an einen Teil der Befestigung des Marktorts zu denken. Wie aber sah es nun in der " Stadt " Werden, wie wir jetzt schon sagen dürfen, aus ?

Das

einfache Abbild

einer Kauf- und

Gewerbeſiedelung im kleinen, wie wir sie in zahlreichen Gründungsstädten des deutschen Mittelalters kennen und wie sie schon Thomas von Aquino beschrieben hat,1a ) bot Werden nicht.

Straßen oder

Gassen, die nach Händlern oder Handwerkern, die dort beiſammen. wohnten, benannt worden wären, hat

es hier nicht gegeben.

Die

Straßennamen, wie sie bis in die Gegenwart erhalten sind²) — als die ältesten Beispiele begegnen die Bornstraße und die Heckstraße in der Ueberlieferung des 13. Jahrhunderts3) — und die Namen der sechs Nachbarschaften, in die Werden später nachweisbar eingeteilt ward,4) weisen mit einziger Ausnahme der Marktstraße, keine Beziehung zu städtiſcher Wirtſchaftsweise auf, und ein gleiches gilt für die ältesten Dertlichkeitsbezeichnungen in der Stadt ;5) neben der Angabe ,,am Markte" lauten sie : hinter dem Garten, unter dem Berge, an der Mauer und besonders häufig nahe der Ruhr ; drei Grundstücke liegen innerhalb der Zäune ihres

Inhabers .

Ein ge=

wisses Maß von Ländlichkeit ist also Werden selbst innerhalb seines geringen Umfangs eigen gewesen . Glücklich trifft es sich nun, daß der Stadt aus dem Heberegister

wir über die Grundstücke in

der Abtei einigen Aufschluß er-

langen .

73 werden uns aufgeführt ; 62 ( oder 60 ) davon sind als bewohnt, mit einem Hause bebaut anzusehen,6) bei zweien ist der frühere Inhaber genannt, bei 9 (oder 11 ) fehlt eine diesbezügliche Angabe.

21 von den Grundstücken sind an die Abtei zinspflichtig,

1) Urbare Vll § 2. 1a) f. darüber M. Maurenbrecher, Thomas von Aquinos Stellung zum Wirtschaftsleben seiner Zeit, bes. S. 42. 2) Brück- oder Ruhrstraße, Grabenstraße, Marktstraße, Bungertstraße, Bornstraße ; Hufergaſſe, Eiergaſſe ; außerhalb der Umwallung die Heďſtraße. 3) Urbare IX § 6 , 25 f. *) f. den Aufſaß von G. Kranz in den „ Beiträgen“ Heft IV S. 46 ff. 5) Urbare VII § 2 : super forum, post hortum, sub monte, iuxta murum, iuxta Ruram ; infra septa sua. Urbare IX § 6 : retro ortum vana area. Vgl. auch die Bezeichnung der Häuser unten Beilage III. 6) Nicht bei allen heißt es ausdrücklich inhabitat ; doch kann die Angabe tenet in den meisten Fällen gar nicht anders verſtanden werden.

21

52 ſind als Dienſtmannslehen vergeben. diese Stelle des Heberegisters

P. J. Müller, der schon

in seiner Geschichte der Abtei zum

Abdruck gebracht hat, ¹ ) bemerkt dazu, daß bis auf seine Zeit ,,noch wirklich die Erbzins - Pacht- Behandigungs oder Lehn- Eigenschaft auf einem ganzen Drittel der Stadt “ hafte, außer den in dem Umkreiſe der Stadt liegenden Grundstücken, sowie allen Häusern der Bongart= straße. gleichen

Er schließt daraus, daß die Häuser, auf welchen keine derbesondere

Eigenschaft haftet ,

unstreitig zu der Zeit noch,

als die Stadt städtische Rechte erhielt, leere Zwischenräume waren und erst später ausgebaut worden sind. Nun stimmt Müllers Angabe

von

dem zur

Abtei

in einem Abhängigkeitsverhältnis

ſtehenden Drittel der Stadt auf den ersten Blick auffällig zur Zahl jener um 1150 nachweisbaren 73 Grundstücke ; denn nach einem Magiſtratsprotokoll vom 6. März 17622) waren in Werden 224 Häuser vorhanden, und ein Drittel davon beträgt genau 74-75. Indes find die beiderlei Ziffern nicht in unmittelbaren Vergleich zu setzen. In

der

blieben.

Zwischenzeit ist der Bestand

keineswegs

Zwei einander ergänzende Verzeichnisse

Jahrhunderts ) ergeben einen solchen von

sich gleich ge=

des

15. und 16 .

50 Häusern,

( die Zahl

ist freilich nicht verläßlich) ; man wird daher in der Annahme nicht fehlgehen, daß

von den Hausgrundstücken des

12.

Jahrhunderts

manche aus ihrem Rechtsverhältnis zu der Abtei später ausgeschieden sind, während sich die Zahl der

abhängigen Häuser im weiteren

Ausbau der Stadt auch wieder vermehrte.

Daraus folgt aber die

Möglichkeit, daß auch in dem Verzeichnis

um 1150 nur ein Teil

der städtischen Grundſtücke enthalten ist .

Für das 13. Jahrhundert

ſind nun 1-2 der Propstei gehörige Grundstücke zeichnung ) bezeugt.

Noch später

durch Urbarauf-

werden 12 der Küsterei zins-

pflichtige Häuser namhaft gemacht ;") aus der entsprechenden niedrigen Zinshöhe ist zu schließen, daß ihre Entstehung in annähernd dieſelbe Zeit fällt, wie bei denen des Abteigutes ; geringe Abweichungen in dieser Hinsicht machen es aber wahrscheinlich, daß aus dem Beſtande jener 73 des 12. Jahrhunderts doch höchstens vereinzelte erworben 1) Anlage I , S. 353 ff .; vgl. dazu S. 5. Anm. 2) mitgeteilt in Flügges Chronik, 2. Ergänzungsheft S. 535. 3) f. unten Beilage 111. ' ) Urbare IX § 6, 26 und ? 24 ; die 4 in der Heckstraße werden der VorRadt zuzurechnen ſein. Heberegister der Küsterei von 1431 , Zuſaß ; ſ. Urbare XLIX 139 ff.

22

worden sind . Die zum Sondervermögen der Kellnerei gehörigen, ¹) um die Mitte des 15. Jahrhunderts gab es deren 8 find hingegen jüngeren Ursprungs, drei davon entstanden, und

auf dem Kellnereigarten

gegen beträchtlich höheren

Zins ausgetan .

Hält

man sich nun klar, daß sich Müllers erwähnte Angabe auf die ihm bekannte Stadt bezieht, deren Fläche, nach dem Stadtplan zu urteilen, annähernd faſt noch einmal so groß war, als der oben beschriebene älteste Stadtkern, so bleibt die Zahl der von der Abteiverwaltung im 12. Jh.

gebuchten Grundstücke

unter Zurechnung

einiger den

übrigen Kloſterämtern schon damals gehörigen gar nicht so erheblich hinter der für das 18. Jh .

anzunehmenden

alten Bering befindlichen Häuser zurück,

Ziffer der im engen

daß

nicht der Unterschied

sich durch die fortgeschrittene Bebauung der schon von alters abge= grenzten Grundstücke erklärte. Schätzt man nämlich die Flächengröße des hier verfügbaren Areals ab, so ergibt sich für etwa 80 Grundstücke ein Raum von durchschnittlich 5-6 Ar, bei der noch vielfach

vorhandenen

Bodennugung

werden doch noch im 14. Häusern erwähnt?.) liche

Vorstellung

eine

Wir können uns

von

dem

ganz

Jahrhundert Höfe also

Gesamtbestande

passende als

Größe ;

Zubehör von

eine hinreichend deutan Grundstücken im

Werdener Stadtbereich in der Stauferzeit bilden. Was ist nun über das Leiherecht Grundstücke

ausgetan waren 22a)

zu

ermitteln,

zu

In dem Verzeichnis

dem die um

1150

werden sie fundi genannt, mit einem Ausdruck, der in dem Urbar, deſſen Teilstück jenes

Verzeichnis

ist, sonst fehlt ; 3)

21 von ihnen

ſind mit einer Geldabgabe, zumeist 4 d ., vereinzelt 2 , 6 oder 7 d . belastet ; 52 aber haben Dienstmannen ohne Zinsleistung inne.

Im

13. Jahrhundert findet sich zwar nicht für dieselben, aber für ganz 1) Heberegister Ende 14. Jhs. nebst Rechnung 1454/55 ; 1. Urbare XLII nebst Beilage. *) Lebenregister 14. Jhs ., Urbare XXVII, 25 : cum domo in der Helle et curia ibidem ; vgl. auch 18 : honergulde de casis , mansis et curiis in Werdena (nicht ausschließlich in der Stadt). 2a) vgl. darüber F. Keutgen, Aemter und Zünfte ( 1903) S. 72 f. Anm. 173a. - K., der sich nur auf die Quellenbelege 12. Jbs . stüßt, macht gegen eine Aeußerung in meinen „ Studien“ S. 121 mit Recht geltend, daß nicht von einer Bergabung der Häuser „zu besonderem Gebrauche" zu sprechen sei. ſondern von freier städtischer Leihe . Doch bedarf K.'s Darlegung aus der Kenntnis der weiteren Ueberlieferung der Ergänzung und teilweise auch der Richtigstellung . *) Im 11. Jh. (Urbare IV § 1 ) kommt er einmal für zwei Haupthöfe der Abtei vor.

23

entsprechende die Bezeichnung area ; ¹ ) im späteren Mittelalter heißt es dafür domus , buis, oder auch wortstad.2)

Die Abgabe

wird

ſpäter Zins genannt, in Dudens Pachtbuch von 15893) Zins oder Erbzins, Grundgeld und auch Erbgrundgeld ; noch zu Müllers Zeit wurde so

aus den ältesten Häusern der Stadt Word- oder Grund-

geld, census arealis jährlich auf St. Martin in den Hof Barkhoven entrichtet."4) Diese Verhältnisse stimmen

nun

auffällig zu dem , was wir

aus dem 12. Jh. für Münster, für Kaiserswert, für Weglar³ ) und sonst über Niederlaſſung im städtischen Weichbild wiſſen. Die wichtigsten Merkmale dieses

Leiherechtes sind die folgenden : feine

Minderung persönlicher Freiheit, Erblichkeit des Rechtes am Grundstück und Fähigkeit der Veräußerung, wenn auch nicht behalte seitens des Grundherrn, beim Todesfall Entrichtung einer Handänderungsgebühr Zinses

ohne

Nachlaß) .

andere Ansprüche

des

oder

ohne Vor-

oder Besigwechsel auch des doppelten

Grundherrn

(z . B.

auf den

Auch für Werden muß damals dies Besitzrecht Geltungs-

kraft gehabt haben ;

deutlich zeigen die jüngeren

ein freies Erbzinsrecht,

und

Nachrichten uns

auch der Umstand spricht dafür, daß

eine Anzahl von Witwen und Frauen

im

Besize solcher

Grund-

stücke schon seit dem 12. Jh. in allen einschlägigen Regiſtern nachweisbar sich finden.

Klar

ist jezt der Vorgang

der Marktrechtsverleihung, nachdem

erkennbar : nach

ein Raum für die

Gründung

einer Marktansiedelung in länglich-runder Form umfriedet worden war, ist, wenn vielleicht auch erſt allmählich, deſſen Aufteilung in Grundstücke, die nach freier Erbleihe zu vergeben waren , vorgenommen worden : das sind die fundi im Urbar der Stauferzeit. Unter diesen sind nun aber, wie schon oben angedeutet wurde, zweierlei nach der Art der Vergabung zu scheiden.

Für

die mit

Zinspflicht eingetragenen 21 Grundstücke ist Zugehörigkeit zu Barkhoven bezeugt (de fundis, qui infra civitatem . sunt ad

') Urbare IX § 6, 23 ff. *) f. besonders Urbare Lllla (Schades Regiſter) ; auch sonst in Heberegiftern und Urkunden. ") Urbare LXIX. *) Geschichte der Abtei, S. 5. 5) f. diese Beispiele bei F. Keutgen, Urkunden zur städtischen Verfaſſungsgeschichte I S. 57 ff.

24

Barchoven pertinentes) . ' ) hofshörigen

Von

dem Verzeichnis der dahin fron-

Güter sind sie im Urbar

des Hofes werden sie nicht gerechnet. artet?

abgetrennt ; 2 ) zur familia

Wie war das Verhältnis ge-

Deutlich äußert sich nun eine Quelle 15. bezw . 16. Jahr-

hunderts über diejenigen Häuser, die vom alten Bestande bis dahin noch in gleichem Verhältnis geblieben waren :

in Schades Register

der Pacht- und Rentengüter ( 1477) heißt es , ³) daß sie ihren Zins auf St. Cunibert in den Hof Barkhoven bezahlen und

keine Hof-

güter sind , und Duden fügt bei : ſondern einläufige Güter, die hier zu Gericht hören . ) Danach ist das Verhältnis klar : nicht das Hofrecht galt für diese in

der

Stadt gelegenen Grundstücke, auch

nicht mit seinen leiherechtlichen Bestimmungen,

wohl aber war das

Gericht des Hofes Barkhoven, natürlich nur in Angelegenheiten von Grund und Grundſchuld , zuſtändig, wie auch die Zinse gemeinfant mit Barkhovener Hofgütern am gleichen Zahltage entrichtet wurden. 52 von den Grundstücken aber waren nach Ausweis des Urbars an Dienstmannen zu Lehen vergeben.5) Bei diesen ist die Gerichtszuständigkeit Barkhovens als ausgeschlossen anzusehen. Ein Teil von ihnen war von den Dienstmannen selbst bewohnt und genugt ; hier liegt also eine lehnrechtliche Vergabung des Grundstücks vor. Ein Teil aber war im tatsächlichen Besize von Gewerbetreibenden und deren Hinterbliebenen, die sie gewiß ebenfalls nach einem freien Erbzinsrecht inne gehabt haben, während die Dienstmannen den Zinsgenuß

davon hatten .

So sind in der Tat in

Werden Verhältnisse vorhanden gewesen,

wie sie von anderen und

größeren Marktansiedelungen her bekannt sind . Die Angaben

über

eine andere Beobachtung. Werdens, wie er oben folche Grundstücke und

das

Grundgeld führen jedoch noch auf

Das Areal, welches im inneren Beringe

geschildert

worden ist,

zur Einteilung in

deren Verleihung zur Verfügung stand,

auf etwa 4-5 ha einzuschätzen,

d. h.

also

iſt

auf knapp eine halbe

1) Die Stelle ist in der Handschrift so geſchrieben, daß man sie als Ueberschrift des ganzen Abschnittes einschließlich der Dienstmannslehen fassen würde ; doch ist die Angabe nur auf die im ersten Teile genannten, d . h. die zinsenden mit Sicherheit zu beziehen. 2 ) Urbare VII § 3. 3) Urbare Lllla. § 1 , 4 ; f. auch S. 455 ff. * ) unde sint nene hovesguder, (D :) dan eynlopige guder, die alhyr to gerichte hoeren. ") hos fundos pro beneficio tenent ministeriales.

25

Hufe

eines

am Nieder-Rhein weit verbreiteten Maßes.

Als rein

geldmäßiger Hufenzins begegnen nun aber in jenem Zeitraum am häufigsten Säge von 3-5 s. (Schillingen) . ') Der halbe Hufenzins wäre demnach annähernd 2-3 s. Von jenen 21 Grundstücken aber, die noch nicht ein Drittel aller verzeichneten und einen noch geringeren aller vorhandenen ausmachen, waren, außer zwei Hühnern, 89 d . , d . i . 7 s. 5 d . fällig . Bei einem Normalſage von 4 d. würde für alle 73 ein Betrag von 24 s . 4 d . zahlbar geweſen ſein. Dies ist aber reine Grundrente ; es ist ersichtlich, daß sie unver gleichlich viel höher ist, als zu bäuerlichem Zinsgut.2) Welche

Aufschlüsse

bei Vergabung

gewinnen

eines gleichen Areals

wir nun über

Werdens

Be

völkerung? Gerade in dieser Hinsicht ist die Ueberlieferung besonders glücklich und bietet uns ein Beispiel, wie wir es sonst in der deutschen Städtegeschichte jener Zeit nicht leicht wieder finden. Wir müssen den ganzen Siedelungsbereich Werdens ins Auge faſſen . Die Klostergeistlichkeit läßt sich nur sehr unsicher schäßen . Außer dem Abte und seinen Kaplänen wird sie um die Mitte des 12. Jahrhunderts gegen 40 Brüder betragen haben ; 3 ) im Jahre 1209,4) furz vor einer dringlich gewordenen Klosterreform,5) waren 20 Konventsmitglieder vorhanden. Der Weltgeistlichkeit gehörten im 12 . Jahrhundert die Priester an der Klemens- und Luciuskirche an. Ueber die Laienbevölkerung liegen uns zweierlei Nachrichten vor ; wir werden sie ihrem Ursprung nach auseinanderzuhalten, aber doch in geeigneter Weise in Beziehung zu einander zu sehen haben. Zunächst erfahren wir in Aufzeichnungen über die Verteilung von Kerzen näheres über die im Klosterdienst beschäftigten.6) Es

¹) ſ. Urbare V.; vgl. K. Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben, 11. S. 587 ff., bes. 593 f. ) Auch wenn man Zinse für Land , das nach Morgenmaß ausgetan ist, vergleicht - in der Werdener Ueberlieferung finden sich dafür keine passenden Beiſpiele - ergibt sich nichts wesentlich anderes. Der Morgenzins beträgt ge= wöhnlich 1-3 d. In Werden würden ungefähr 15 Morgen zur Verfügung gestanden haben, deren Grundzins danach 1 s. 3 d .— 3 s . 9 d . betragen haben würde. 3) Darauf laſſen die Angaben über die Reichungen an Fischen (je 2 frusta) an Festtagen schließen ; s. Urbare V11 §§ 3 u. 4. 4) P. W. Behrends, Diplomatarium monasterii s . Liudgeri prope Helmstede nr. 15 f. (In den neuen Mitteilungen a. d . Gebiete hist.-antiquarischer Forschungen (des thüringisch sächsischen Vereins ] 11). 5) Westfälisches u. B. V. nr. 272 ( 1218 Dez. 4). * ) Urbare VIII § 6, s. auch IX § 17.

26

find dies, angeordnet mit Rücksicht

auf die

Gliederung nach der

damaligen Verwaltung, die folgenden :

dem unter Drosten

bei der Abtei : 4

Köche : Küchenknecht : Bierbrauer :

bei der Propſtei : 4

1

1

4

4

4

4 u . ihr Meister

1 4 u. ihr Meister 1

132

Kellerknecht :

unter Marschall dem

zum holen der Fische : Bäcker :

dem Schenken

tätig im Dienst : Fischer:

Weinschröter

3

Sattler, Schuster ')

2

Kürschner : (Huf-)Schmied )

1

Pferdeknecht : Boten :

13) 4reitende

Läufer :

1

unbekannten Berufes:

2

5

9 u . ihr Meister

Schmiede : Bauarbeiter :

6 u . ihr Meister

4 u.ihr Meister

2421

im Dienste der Kammer :

2

Bader :

4

Gärtner :

2

zum Bereiten der Kerzen : Glöckner :

Mägde :

1 6+1 59

40

Es waren somit im Dienste des Abtes außer dem Drosten, dem Schenken und dem Marschall, denen sich um die Mitte 12 . Ihs . nach urkundlichem Zeugnis der Kämmerer geſellte, 52 männliche und 7 weibliche Personen, im Dienste des Konvents 40 männliche, im ganzen also 99 Personen nachweislich tätig .

Nach einigen Nach-

¹) sutores : der dem Marschall unterstellte war gewiß ein Sattler. 2) Jm Texte : fabro. 3) Bei dem im Texte erwähnten marscalco ist nicht an den Inhaber des Hofamtes eines Marschalls zu denken ; dieser wird vielmehr mit Namen genannt und erhält mehr Kerzen.

27

richten über die Beköstigung Personal, zum Klosteranlage

an Feſttagen¹) zu schließen, lebte dies

größten Teil einſchließlich

wenigstens , in den Baulichkeiten der

der

etwa

mauer nach dem Borner Berg zu

vor

der Klosterumfaſſungs-

gelegenen Wirtschaftsgebäude .

Daraus folgt auch, daß sie alle in eine große Arbeitsorganisation eingestellt waren ; und die Meister, die erwähnt werden, sind nicht Häupter eines Verbandes selbständiger, Gewerbetreibender , sondern

im Kleinbetrieb stehender

Vorgesezte einer

einem hauswirtschaftlichen Großbetrieb,

bei

Arbeitsabteilung in

der

mehrere

Gehilfen

werktätig waren.2)

Auch der Umstand, daß wir keinen Inhaber

der Hofämter

Grundbesitz

mit

in

Werden

ausgestattet finden, ³)

während dies bei einigen auswärtigen Dienstmannen der Abtei der Fall war, paßt gut zu dieſer Auffaſſung. Auch über die Bewohnerschaft der Stadt Werden gewinnen wir nun Aufſchlüſſe, und zwar aus dem schon öfter erwähnten Verzeichnis im Abteiurbar um 1150.

Von den angeführten 73 Haus-

grundstücken werden fast alle bewohnt gewesen sein, wenn dies auch nur für einen großen Teil ausdrücklich bezeugt ist.4) uns demnach ein Mittel dar,

die Bevölkerung,

Es bietet sich

wenn auch nur in

rohem Ueberschlag, zu schäßen . Gegen Ende des 18. Jahrhunderts ist ein Haus in Werden durchschnittlich von etwa 7 Personen bewohnt gewesen. In der Stauferzeit war aber der Durchschnittssag entschieden niedriger. Nur geringe Häuser waren es, aus Fachwerk oder Holz, und sie pflegten nicht mehr als

einer Familie

Raum zu bieten ; nur in 2 Fällen (bei 62 Grundstücken) werden zwei Wohnparteien erwähnt, und wir dürfen, wie aus den näheren Angaben über die Inhaber hervorgeht, nicht einmal auch nur für die ganz überwiegende Mehrzahl Daſein eines Familienhaushalts voraussehen. In spätmittelalterlichen Verhältnissen ist auf die Haushaltung, bez . Wohnung Kinder, zu rechnen. )

eine Kopfzahl von 4-5, einschließlich der

Für Werden im 12. Jahrhundert ist darüber

1) Urbare VI § 3, 69 ; § 4, 61. 3) Zu beachten ist, daß überall da, wo das Vorhandensein der Hofämter erkennbar ist, Meister nicht erwähnt werden. 3) Die Angabe in meinen " Studien" S. 121 Anm. betreffs des Drosten ift zu berichtigen. *) Vgl. darüber oben S. 6. 5) s. K. Bücher, die Bevölkerung von Frankfurt a. Main, S. 34 ff.; W. Reisner, die Einwohnerzahl deutscher Städte in früheren Jahrhunderten, bef. S. 60 ff.; u. a.

28

teinesfalls hinauszugehen.

Die städtiſche Bevölkerung ist mit 300

Einwohnern eher zu hoch, als

zu

niedrig eingeschäßt.

dem die Bewohnerzahl der Klosteranlage mit

Fügen wir

gegen 40

Mönchen

und über 100 Laien

in Wirklichkeit ist diese den Urbarangaben so ergibt entnommene Ziffer gewiß noch überschritten worden,

sich uns, da nur ein kleiner Teil der Diensthörigen des Klosters in der Stadt ansässig gewesen sein kann, eine Gesamtbevölkerung Werdens von knapp 500 Bewohnern in der

Zeit,

wo

die geistliche Groß-

grundherrschaft zur vollen Ausbildung gelangt war und schon Anzeichen drohenden Niedergangs sich bemerkbar machten.

Zugleich

erhellt die vergleichsweise große Stärke des klösterlichen Bevölkerungsanteils im Verhältnis zum städtischen. Was nun die soziale und wirtſchaftliche Gliederung der Stadteinwohnerschaft betrifft, so tritt uns zunächst greifbar die Bedeutung der

abteilichen Ministerialität entgegen.

Etwa

zwei

Drittel

der

städtischen Hausgrundstücke waren als Lehen an Dienstmannen des geistlichen Herrn vergeben, darunter auch die am Markte. 7, wahrscheinlich aber 12

der

Dienstmannen

Mindeſtens

waren in der Stadt

wohnhaft, einige allerdings , die mit der Verwaltung von Abteihöfen in Westfalen oder westlich des Niederrheins betraut waren, nicht zu dauerndem Aufenthalt ; einer von ihnen¹) hat sogar seinen Namen nach dem „ Marfte " erhalten (de foro), und

es ist bemerkenswert,

daß später eine angesehene Bürgerfamilie so heißt. Koch, Dzze Schmied ) genannt.

Ubbo wird

Im übrigen werden nun 33 Männer bürgerlichen Gewerbes oder ohne Berufsangabe sowie 15 Witwen und Frauen als ansässig verzeichnet ;

genannt sind

darunter :

4 Bäcker,

1 Koch, die Frau

eines Fischers, 2 Schuster ( oder Sattler), der Sohn eines Schuſters, 1 Kürschner, 2 Weber, 1 Zimmermann, 1 Schmied, 1 Silberschmied, 1 Münzer,

1

Kaufmann,

1

Gärtner,

1 Wirt.

Auffallenderweise

fehlen gerade wichtige Gewerbe, wie die der Fleischer und Schneider ; doch mögen sie unter den ohne Berufsbezeichnung genannten sich befinden.

Zur Bestimmung der sozialen Verhältnisse dieser Volks-

gruppe ist es nun nicht

unwichtig,

darauf zu verweisen, daß um

dieselbe Zeit in einem Verzeichnis der zu den Propsteihöfen Nord¹ ) Vgl. die Urkunde von 1165 bei Crecelius, Trad. 135. 2) nicht im Urbar VII § 2, sondern VIII § 6 ; aus dieser Stelle geht auch hervor, daß er unter den Schmieden des Abtes eine Sonderstellung einnimmt.

29

firchen-Eichholt gehörigen Kopfzinspflichtigen auch 2

Weber, die je

1 s. zahlen, bei (oder in) Werden aufgeführt werden.¹) Gewiß stammt ein Teil der nach Werden eingewanderten aus Hörigen des geistlichen Herrn, und wohl nicht nur ein verhältnismäßig geringer. Hielt aber die Abtei noch im 14. Jahrhundert daran fest, daß ihre nach Werden ziehenden Hörigen

nicht durch

eigenschaft nach Jahr und Tag von ihrer lösung frei wurden, 12) so recht so gewesen sein .

wird

Gewinn der BürgerSchuldigkeit ohne Ab-

dies im früheren Mittelalter erst

Von jenen näher bezeichneten Gewerbtreibenden

nun stand der Wirt dem Wirtshaus vor, das in Konventsbesitz war; auch ein abteiliches hat es gegeben, und der Abt wird ebenfalls seinen Wirt gehabt haben . werden genannt, einem sollen.

und

wirklichen

es ist

angestellt

"Väcker der Brüder"

abzusehen, warum fie nicht in

Dienstverhältnis zum

Daß der Münzer nicht

vertrages

Auch zwei

nicht

Konvent

gestanden haben.

auf Grund eines freien Arbeits-

gewesen ist , sondern in einem strengeren Ab=

hängigkeitsverhältnis dienstrechtlicher Art zur Abtei stand , ist nicht nur nach den Zuständen der Zeit vorauszusehen, sondern auch urkundlich bezeugt ; 2)

noch 1317

übrigens

behielt sich der Abt die

Gerichtsbarkeit über Münzer und Wechsler bis zur Verhängung der Todesstrafe vor.³) Daß der Koch bei den bescheidenen Verhältnissen Werdens in den Bürgerhäusern sein „Handwerk "

gesucht

und gefunden habe, ist nicht recht glaublich ; und auch bei dem Gärtner ist es gar nicht unwahrscheinlich, daß er in klösterlichem Dienste

tätig

war. )

Sonach bleibt

die

Zahl der ihrem Berufe

nach angegebenen, mutmaßlich ganz freien Handwerker recht dürftig ; wir müſſen ſolche schon unter den beruflich nicht bezeichneten Grundstücksinhabern suchen ; aber das darf als sicher gelten, daß es deren im Hochmittelalter in Werden eine Anzahl gegeben hat. heit der Verhältnisse zeigt sich übrigens

auch darin,

Kaufmann (mercator) im Orte vorhanden war, der später hier ansässigen Familie Kopman

Die Kleindaß nur ein

der Stammvater

nach der wirklichen

¹) Urbare VIII § 3, S. 264 : iuxta Werthinam ; es wird vielleicht an die Vorstadt zu denken sein. 1a) f. darüber Abschnitt 4 gegen Ende. ) Alabrandus monetarius unter den als Zeugen genannten Ministerialen 1165, s. Crecelius, Trad. 135. 3) Lacomblet U. B. I. nr. 162. *) An Gartengrundstücken ſind in der Stadt aus jüngeren Zeiten bekannt : der Abtsgarten, der Propsteigarten , der Kellnereigarten und der des Bungertamtes .

30

Geschlechtsfolge oder wenigstens dessen Vorgänger. Dies aber steht fest: ein persönliches dienstrechtliches Verhältnis zur Abtei war, wie wohl auch gewisse aus der Hörigkeit stammende Pflichten, zumal die Zahlung eines Kopfzinses, mit dem Besitz eines städtischen Hausgrundstückes zu Erbzinsleiherecht wohl vereinbar . So tritt uns also im Werden des 12. Jahrhunderts eine aus freien bürgerlichen Gewerbtreibenden und solchen, die von Abt und Konvent dienstrechtlich abhängig waren, gemischte Bevölkerung ent= gegen. Fronhofsrecht galt in der Stadt nicht ; nur insoweit reichte es hinein, als Barkhoven für etwa ein

Viertel

der

Grundstücke

gerichtszuständig war und für einzelne Personen Fronhofshörigkeit von beschränkter Wirksamkeit rechtliches Verhältnis, wie

es

gegolten haben wird .

Ein hofamts-

genannt werden darf,

bestand aber

für viele Stadtangesessene . Der Abt war nicht nur Grund- und Marktherr; er herrschte auch durch die von ihm dienstrechtlich abhängigen in der Stadt. Hat nun dies eben geschilderte Verhältnis auch in der städtiſchen Verfassung und Verwaltung seinen Ausdruck gefunden ?

Uns

liegt

darüber kein Zeugnis vor ; aber es läßt sich doch eine Spur auffinden, die uns zu einem hinreichenden Einblick in die Lage führt. Unter den Zeugen in den Urkunden begegnen uns

im

12. und in

der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts einige Vögte, die nicht in die Reihe der bekannten Kirchenvögte, die damals dem Hause der Grafen von Berg und

von Altena-Mark entstammten, gehören.

Miniſterialen des Abtes .

Sie ſind

Das Hofamt des Droſten pflegt im 12 .

Jahrhundert mit dem dieses Vogtes verbunden zu sein. ') Unter diesen aber wird 1203 Wezelin Vogt von Werden genannt ; und Ritter Wezel, der 1239 sein Haus in Werden dem Kölner Erz1 ) Unter Abt Bernhard , etwa 1125-41 : Everhardus advocatus et dapifer. 1150 : Wezelinus subadvocatus . 1160 : Wezelinus dapifer. 1165 : Wezzelinus advocatus. Unter Abt Wolfram (um 1173/74-83 ) : Wicelinus advocatus. Unter Abt Heribert I. (um 1183-1197 ) : Wecelinus advocatus. 1203 : Wecelinus advocatus de Werdina. Unter Abt Heribert 11. (? 1209) : Wezelinus advocatus (der erſte unter den ministeriales in Werthina) ; daneben Erenfridus dapifer, Gerlacus, Reinherus fratres sui. 1231 März 9 : Gosvinus frater advocati. 1239 Apr. 14 : Wezelo miles advocatus Werdinensis. 1240 : Wecelinus advocatus ; daneben Wecelinus dapifer et fratres sui. 1265 Mai 29 : Philippus filius advocati. f. Crecelius Traditiones 128, 133-136 , 139, 144 ; Westfälisches U. B. III nr. 18 ( 1203 ) ; Lacomblet U. B. II nr. 239 ; Urbare VII § 19b ; Xl.

31

bischof zum Offenhaus aufträgt, wird ebenfalls als Werdener Vogt bezeichnet. Danach ist es klar : es sind Stadtvögte, Miniſterialen des Abtes, die die Verwaltung der Stadt und wohl auch die Ausübung einiger, wie immer gearteter Gerichtsbarkeit, in der Hand Einmal wird nun ein solcher als Untervogt bezeichnet ; man wird nicht an einen Unterbeamten des Stadtvogtes zu denken

hatten.

haben, sondern die Benennung aus dem Gegensatz zum Kirchenvogt verstehen. Möglich auch, daß darin eine Mitwirkung des Kirchenvogtes

bei der

Besetzung dieses

Postens zum Ausdruck kommt ;

wenigstens würden sich die folgenden Ereigniſſe aus einem ſolchen Verhältnis am leichtesten erklären laſſen.

4. Die Herausbildung ftädtiſcher Freiheit und Verfaſſung.

Das

13. Jahrhundert oder weiter umgrenzt

die Zeit vom

Ende Friedrichs des Rotbarts und seines Sohnes bis in die Jahrzehnte Ludwigs, des ersten Wittelsbachers auf deutſchem Thron, iſt eine Periode tiefgehender und heftiger Wandelungen in der Gesellſchaftsverfassung und Wirtschaft des deutschen Volkes .

Nichts aber

ist bedeutsamer in dieser Hinsicht, als das Vordringen des Bürgertums mit der vollen Ausbildung städtischer Verfassungseinrichtungen und die Ausübung landesherrlicher Gewalt in räumlich geschlossenen Territorien.

Hat auch Werden seinen Anteil an diesen Verfaſſungs-

änderungen gehabt ? Aus Helmstedt, mit seinem Werden so engverbundenen Ludgerifloster hören wir im 13. Jahrhundert so manches von Kampf und Streit der Bürgerschaft gegen den geistlichen Stadtherrn ; ward doch sogar Abt Otto bei solchem Anlaß im Jahre 1288 erschlagen . Für Werden ist bisher nichts derartiges erzählt worden. Hielt der Abt die Zügel des Regiments so straff ? Oder waren die Werdener des 13. Jahrhunderts so friedsame Leute, die mit ihrem Stadtherrn immer aufs beste verfamen ? Nur eine einschlägige Urkunde liegt uns

aus jenem Zeit-

raum vor ; aber sie erhellt wie mit grellem Lichte das Dunkel, das über politisch-sozialem Ringen in dieser kleinen Abteistadt an der Ruhr gebreitet liegt .

Graf

Otto

von Altena bestätigte am 18.

32

September 12561) den Bürgern

von

Werden

die Freiheit, die sie

unter ihm und seinen Vorfahren in ruhigem Besitz gehabt haben ; er verpflichtete sich, wenn sie gegen Gefangennahme oder ungerechte Belästigung sich mit gewaffneter Hand erheben oft sie seines Beistandes

bedürften,

würden, ihnen, so

wirksame Hilfe zu

bringen ;

wenn sie aber bei einer Erhebung verletzt würden und aus Werden flichen müßten, sollten sie in seinen nahme finden,

bis

die

dieses

Giltigkeit

Städten

und

Gerichten Auf-

er ihnen den Frieden wiederherstellen werde ; Versprechens und ihres Rechtes

ward

mit

Siegel bekräftigt. Was lehrt uns nun dieses merkwürdige Dokument ? ist eins flar : Werden, nannt,

besaß

im

Zunächſt

in einer Urkunde von 12312) opidum ge=

Jahre

1256

stadtbürgerliche

Welcher Art sie waren, ist nicht gesagt.

Freiheitsrechte.

Man wird an Begünstigung

in Bezug auf die dem Grafen zukommenden Abgaben denken können , wie sie tempore collecte³) es nun, daß Erhebung

von den

Bürgern gezahlt wurden, sei

deren Höhe festgelegt, sei es, daß in der Art ihrer

ihnen Zugeständnisse gemacht

auch um Recht und

Indes

worden waren.

Gericht kann es sich gehandelt haben .

dem Vergleich von 1317 war das

wedde

genannte

Nach

Strafgeld für

die Landleute auf 4 s . , für die Bürger aber nur auf 1 s. festgesezt ; und in dem ältesten geschriebenen Stadtrecht von 13714) sind Bestimmungen über

verschiedene

Straffälle

enthalten,

die

geeignet

waren, die Bürger nebst Weib und Kind zu schützen ; auch ist geordnet, daß aus dem Nachlaß nicht Herwede oder Gerade „hinausgereicht" werden soll, außer wenn ein Bürger Dienstmannsgut hat. Solche

gute Gewohnheiten " können, wenn auch erst nach Menschen-

altern schriftlich beglaubigt, sehr wohl altes Recht sein. der Gerichtsverfassung und damit den

Bürgern

eine freiere

auch

Stellung

Auch in

in der Verwaltung könnte gewährt

worden sein ; eine

¹) Veröffentlicht von G. Kranz, in den „ Beiträgen " 1 , Ant . 11, S. 21 f.; jezt auch im Westfälischen U. B. Vll nr. 924. Die Bemerkung von Kranz, daß aus dem Worte cives nach mittelalterlichem Sprachgebrauch auf bürgerliche Verhältnisse nicht geschlossen werden darf, ist an sich richtig. trifft aber für Werden nicht zu, da Werdens Stadteigenschaft aus anderen Nachrichten erwiesen ist. (Bestätigung der libertas ! ) 2) Urbare VII § 19 , b .; ſ . auch Urk. 1277 Juni 8 (Werdener Annalen, hrg. von P. Jacobs , S. 63) : infra oppidum Werdinense. 3) so in der Urk. vom 24. Juli 1317. 1) s. unten Beilage 1.

33

weitere Beobachtung lehrt, daß dies in der

Tat der Fall gewesen

ſein muß.

der

Es wird nämlich ein Vertreter

Stadtvogtei, deren

Verwaltung übrigens damals von dem Hofamt des Drosten ge= trennt war, Wezelin, zum legten Male in einer Urkunde von 1240 erwähnt ; ¹) später ( 1265 )

begegnet zwar noch Philipp , der

Sohn des Vogtes, aber kein Vogt mehr.2 ) hat es schon einen Werden gegeben,

Gerichtsbezirk und an dem,

wie

in

etwas jüngerer Zeit

wird, städtiſche Bürger Schöffen waren . Ottos Schußversprechen den Werdener

Kurz vor 12653)

aber

demnach auch ein Gericht deutlich

Um jene Zeit, wo Graf Bürgern erteilt wurde , ist

also die ältere Stadtvogtei beseitigt und die im späteren Mittelalter eine folgenschwere bestehende Gerichtsverfassung geschaffen worden und für Werdens Freiheit höchst bedeutsame Entscheidung. Nun wird

es

besonderen Schußes

auch verständlich, weshalb die Werdener des durch einen Mächtigen

bedurften ;

denn von

wem hätten sie wohl Verfolgung befürchten müssen, wenn nicht von dem Stadtherrn und seiner reisigen Dienstmannschaft?

Der Graf

von der Mark ist es , der den Werdenern die bürgerliche Freiheit verliehen hat,

der Vogt der Kirche Werden,

dessen Nachfolgern

die Werdener Bürger als ihrem Vogte Treue gelobten, ) nicht der Abt ; jene Neuerung, die um eben diese Zeit eingeführt sein muß, bedeutete den Sturz des ministerialiſchen Stadtregiments und darum auch eine Einschränkung der Herrschaft des geistlichen Stadtherrn . Wir kennen die Einzelheiten der Vorgänge nicht ; mögen sie mehr oder minder dramatisch gewesen sein, dies zu wissen ist ja nicht so sehr belangreich ; aber die politische Lage ist klar : der Vogt, ein weltlicher Landesfürst in der Nachbarschaft, hat mit der Bürgerschaft die Neuerung durchgesetzt.

1) Crecelius , Traditiones 144 . 2) 1265 Mai 29 ; Westfälisches U. B. Vll nr. 1188 (die Urk. vollständig gedruckt : Urbare X1) . ³) 1265 Nov. 15, Westfälisches U. B. Vll. nr . 1201 . -- ſ. darüber ge= naueres in dem zweiten Aufsatz dieses Heftes der „Beiträge“ über das Gericht Werden, Abschnitt 1 . *) ſo beſtimmt in der Urk. vom 24. Juli 1317. - Im Jahre 1520 lautet die Huldigungsformel ( Düſſeldorf, St.-A. C. 48 , Bl . 126a) : dem Herzog Johann von Cleve als eynem graven to der Marcke geloben wir Treue als unsem gnedigen erfvaegt und schermheren. Vgl . die Formel, die Schunden, Geschichte der Reichsabtei, S. 119 f. Aum. , anführt : dem Herrn von Cleve wird Treue gelobt als dem Erbvogt. 3

34

Indes

noch ein wenig deutlicher vermögen

spielt sich doch dies Aufsteigen Werdens

zu

wir zu sehen :

größerer Freiheit auf

einem Schauplatz ab, deſſen Hintergrund die Kämpfe niederrheinischer Territorialherren im 13. Jahrhundert bilden. Wichtig ist nun, daß Ritter Wezelo, der letzte Stadtvogt, 1239¹) ſein Haus in Werden dem Erzbischof von Köln als Offenhaus auftrug und dessen Lehnsmann ward , mit der Verpflichtung, gegen jedermann , ausgenommen das Reich und die Kirche Werden, deren Ministerial er war, dem Erzbischof beizu= stehen ; und Abt Gerhard, der 1248 die Burg Jsenberg bei Werden, wenn auch unter Vorbehalt eines Mitbesetzungsrechtes, an das Erzstift Köln abtrat, stellte damals sich und die Seinen unter den Schutz des Erzbischofs , der ihnen Hilfe gegen ihre Bedränger versprach.2)

Die Grafen von Altena-Mark aber ſtanden , zumal nach

der Verständigung Adolfs mit seinem Vetter Dietrich von Isenberg im

Frühjahr

1243 und wieder seit

zum Kampfe führenden deren ausgreifende

1262

in einem

wiederholt

Gegensatz zu den Erzbischöfen von Köln,

Territorialpolitik, namentlich auch im südwest-

lichen Westfalen, sie, wie auch andere Landesherren bedrohte ; 1249 allerdings ward Graf Otto von Altena nach Empfang der Kölner Lehen Ledigmann des Erzbischofs,2a) wie schon sein Vater Adolf vor 1243 auf Kölner Seite gestanden hatte. Gerade aus dieser politischen Lage heraus, insbesondere aus den Verhältnissen um 1243,3) iſt aber jene Neuordnung in der Verfassung und Verwaltung Werdens am ehesten zu verstehen. Wir würden danach den Grafen Adolf (I. ) von der Mark als den Begründer der städtischen Freiheit Werdens anzusehen haben. Und in der Tat ist dieser kraft- und einsichtsvolle Fürst als ein Förderer und Schüßer städtischen Wesens bekannt ; verdanken ihm doch vermutlich, wie er schon 1226 die Stadt Hamm begründet hatte, gerade um

die

Zeit nach 1243 Bochum, Hattingen, Schwerte und Unna Fortschritte in ihrer städtischen Entwicklung . )

Auch noch ein, an sich vielleicht

unscheinbarer Einzelzug dient zur Bestätigung des hier behaupteten . Um die Mitte des 13. Jahrhunderts begegnet in den Heberegistern

1 ) Urf. 1239 Apr. 14, Lacomblet U. B. 11. 239. 2) Westfälisches U. B. Vll nr. 677 und 678. a) a. a. . nr. 691 ( 1249 Aug. 13 ) . ) Vgl. darüber die Ausführungen in dem zweiten Aufsatz dieses Heftes über das Gericht Werden (Abſchnitt 3). ) s. Darpe, Geschichte der Stadt Bochum, S. 33.

35

der Abtei ein besonderes Marktmaß, ¹ ) ein Malder zu vier Scheffeln.2) Dieses Werdener Stadtmaß, aber gleich dem Maße

wie wir es

von Hattingen

nennen können, ist nun

gewesen, ³)

ein Verhältnis,

das sich daraus erklären wird , daß von dem gleichen Herrn, von dem Grafen von der Mark, zu eben der Zeit, wo die eine wie die andere Stadt ihre Selbständigkeit erhielt,

auch

ein gleiches Stadt-

maß eingeführt worden ist. Jezt erst blicken wir tiefer in den ganzen Zuſammenhang der Ereigniſſe hinein, die in Werden zu einer Beseitigung der im Dienſte des geistlichen Großgrundherrn stehenden ministerialiſchen Stadtver= waltung durch ein Zusammengehen der zwei im deutschen Volke kräftig emporstrebenden Mächte,

des Landesfürstentums

und des

städtischen Bürgertums , geführt haben. Indes nicht nur in der Verwaltung ist dies geschehen. Auch in den Besitzverhältnissen innerhalb der Stadt, wenn uns auch darüber in Urkunden und Akten feine unmittelbaren Zeugnisse vorliegen, muß um jene Zeit eine Wandlung vor sich gegangen sein, die den Brauch, städtische Grundstücke zu Lehen an Dienstmannen zu vergeben, einschränkte ; nur in beträchtlich verminderter Zahl sind solche Lehensvergabungen¹) -Lehenhäuser, wie man zuletzt sagte³) in jüngeren Zeiten noch nachweisbar.

Und überhaupt kann es nicht zweifelhaft sein, daß

jene reiche, auf dienstrechtlichen Verhältnissen höherer und niederer Ordnung beruhende Arbeitsorganisation des Klosters, wie wir sie für die frühe Stauferzeit aus den Urbaraufzeichnungen ſo anſchaulich und lebensvoll fennen lernen , in jener Periode wirtschaftlichen und sozialen Umschwungs im 13. Jahrhundert allmählich zu Grunde gegangen ist . Als Stadtvogt finden wir zuletzt einen Angehörigen des Ritterstandes ; wir sahen schon, wie er unter die Lehensmann-

1) Eine Haferabgabe von gerodetem Lande ist nach maldera forensis mensure beſtimmi ; Urbare 1X § 6, 2. Vgl. die Summierungen am Schluß der Abschnitte von jüngerer Hand. 2) Diese Einteilung nachweisbar Urbare XVI, § 1 , 1f., f. auch XL1, 33. 3) so angegeben in Cleve'schen Rechnungen (Kgl. Staatsarchiv zu Düſſeldorf). 4) Urbare XXVII (Lehengüterverzeichnis aus der Zeit Abt Adolfs von Spiegelberg) : domus Robeneters, domus in der Monte, domus Butzes, domus in Lantesbergh in Werdena, domus an der Heggen, domus des Gruters , domus Frederici des vronen, domus in der Helle , domus des Zelters , 3 domus in Werdena : opper Trappen, oppen Werde und Tuckebudels . Vgl. Beilage 111b. 5) domus feudales ; so in einer Heberolle des Stifts Werden aus dem Beginne 17. Jhs . (Abt Konrads Zeit) . 3*

36

schaft des Kölner Erzbischofs Aufnahme fand ; es ist sehr wahrscheinlich, daß die Familie, der er entstammte,

die von Werden " ,

Schloßherrn von Landsberg unter Kölnischer Lehenshoheit geworden sind. Die Inhaber der Hauptämter der miniſterialiſchen Hofverwaltung haben zwar ihren Dienst bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts wirklich verrichtet, wenn auch schon

als

vornehme

Herren und nicht ohne mancherlei Streit mit den Aebten. ')

Indes

sie wurden mit Grundbesitz ausgestattet, 2) und ihre Familien sind in den ritterlichen Adel in Werdens Umgebung aufgegangen ; ihre Nachkommen waren Inhaber der im Stiftsgebiet belegenen Rittersize, die sie als Lehen von der Abtei inne hatten.3) Das in der Klösterlichen Hauswirtschaft arbeitende Gesinde aber ward an Zahl bedeutend verringert ; minderte sich doch ebenso das höfifche Gefolge des Abtes, wie auch die Zahl der „Kapitelsherren ", die es zu verſorgen galt.

Wie klein war die Hausgenossenschaft

der

Dienſt-

pflichtigen verschiedenerlei Art im späten Mittelalter und im Beginn der Neuzeit ! 4)

Auch diese Erscheinung aber steht in engem Zu-

ſammenhang mit dem Aufsteigen des Bürgertums in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht.

War es schon um 1150 nichts ungewöhnliches,

daß einige im Dienste des Abtes oder Konvents beschäftigte in der Stadt ansässig wurden und sich dort auch außerdem eine Nahrung suchten und schaffen konnten,5) so hat dergleichen später offenbar sich öfter zugetragen . Wie es 1231 nach dem, was eines Streites mit dem Drosten erfahren,6) etwas

wir anläßlich übliches war,

daß der Abt gelegentlich in der Stadt auf eigene Kosten speiste, so ist die Deckung des Bedarfs an wirtschaftlichen Gütern im Einkauf von den Bürgern und die Beschaffung von Arbeitsleistungen gegen . Geldlohn, je länger je mehr, zur Alltagsgewohnheit geworden. Die freie bürgerliche Arbeit hat die am Hofe des Abtes, wie beim Konvent hausherrschaftlich organisierte

an

einen

nebengeordneten

1) Urbare VII § 19. Vgl. in meinen 2) f. die Lehenregister; ferner Urbare Llll b, Beilage b. ,,Studien" S. 129. *) Haus Baldenei, Haus Scheppen . Vgl . den Auffaß über das Gericht Werden, Abschnitt 1, Tabelle. * ) s. die Rechnungen der Abtei, sowie die Bestallungen, Urbare Anhang B und C. 5) In dieser Fassung ist die in meinen „ Studien " S. 121 niedergelegte Ansicht festzuhalten. 6) Urbare VII § 19, b.

37

Plag im Wirtschaftsleben

der

wie auch die Bewohnerschaft

Gesamtsiedelung

Werden

gedrängt,

des Stiftes St. Ludgers und seines

Gebäudezubehörs auf der „Immunität “ ¹) jezt nur noch einen recht bescheidenen Teil der gesamten Ortsbevölkerung ausmacht. So darf also

in

einem gewissen Sinne von einem Heraus-

wachsen Werdens aus hofrechtlichen Zuständen die Rede sein ; nur freilich nicht aus fronhöfsrechtlicher Gebundenheit, denn die hat es auf städtischem Boden überhaupt nur in sehr beschränktem Maße gegeben, und sie ist auch in der einmal vorhandenen Art bis in die Neuzeit von Dauer gewesen ;

vielmehr handelt es sich um Be-

seitigung dienstrechtlicher Abhängigkeit von der stadtherrschaftlichen Hofhaltung, und auch diese war nur für einen Teil der Ortsbewohner unmittelbar wirksam gewesen, während für andere nur die in den Händen von Dienstmannen befindliche Ortsverwaltung sowie Grundstücksleihe

und

Zinsverhältnisse

eine

Unterordnung

unter

solche, die nach hösischem Dienstrecht der Abtei unterworfen waren, mit sich brachten.

Die klösterlich-grundherrlichen Rechte

aber sind

erhalten geblieben bis in neueſte Zeiten hinein, nur daß freilich ihr Ertragswert, der in den Zeiten

der

Aufteilung des zur Markt-

ſiedelung bestimmten Grund und Bodens ein wirkliches Entgelt für die gewährte Nugung

gewissenhaft die

wenigen

Weißpfennige und Heller Erbzins gebucht und eingehoben nur eine recht dürftige Grundrente darstellte .

war,

später, so

wurden,

Um die Mitte des 13. Jahrhunderts, zur Zeit jener Urkunde mit dem Schußversprechen des Grafen Otto für gab es also

eine

Werdens Bürger,

Stadtgemeinde Werden,2) von den Bauerschaften

der Umgebung durch Freiheitsrechte unterschieden, die nicht ohne Kampf mit dem Abte und den Seinen errungen oder behauptet worden waren . Aber noch keineswegs war die Gemeindeverfassung voll ausgebildet ; erst ein ganzes Jahrhundert später sind alle Drgane der städtischen Selbstverwaltung vorhanden.

Die Einrichtung

wird zunächst die gewesen sein, daß der vom Grafen von der Mark eingesezte Richter und die Schöffen die Verwaltungsangelegenheiten der Stadt besorgten ; seit 1291 finden sich Reihen von ihnen ur¹) f. darüber Bemerkungen in dem zweiten Aufsatz dieses Heftes Ab= ſchnitt 2. *) Man beachte die Form concives , die für die Bürgerschaft gebraucht wird.

38

kundlich genannt. ')

Sehr bald danach aber sehen wir neben den

Schöffen, die nach wie vor ihre Stelle in der Stadtverfassung einnehmen, Ratmannen (consules) als Vertreter der Stadt an der Spitze der Geschäfte tätig. Zum ersten Male begegnen sie uns in der Urkunde über den Vergleich zwischen Abt Wilhelm und dem Grafen Engelbert von der Mark vom

24.

Juli

1317 , die den Anlaß geboten hat, wie eingangs erwähnt wurde, von einer damals geschehenen Erhebung Werdens zur Stadt zu sprechen. Deutlich

sse

stra

Heck

ist nun aber nach dem ganzen Zusammenhang dieser Tarlegungen, N. n ause nach Vieh

Padberg

W

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M mmun

MONSTER Kloster Anlage

Kastell

S. Aeltester Stadtkern Stadt (1150 civitas) u . erweiterung von 1317. Klosteranlage. Skizze zur Baugeschichte der Stadt Werden. Nach einem Stadtplan von 1893 in 1 : 10000. M.: Markt; R.: Rathaus ; BT.: Borntor ; WT.: Wigtor ; HT.; Hedtor ; BT.; Brücktor. Fl. M.: Flachsmarkt. daß von einer

Stadtgründung in jener Zeit

nicht die Rede sein

kann ; und auch um Verleihung des Stadtrechts kann es sich nicht gehandelt haben.

Das bedeutsame Neue in städtischen Angelegen=

heiten, worüber Abt und Vogt nach dem flaren Wortlaut der Urfunde eine Bauwerks .

Vereinbarung getroffen haben, ist die Errichtung eines Das kann, nach der sich anschließenden Beschreibung,

nichts anderes sein, als die Anlage der Stadtbefestigung, der Ring1 ) f. Beilage IV zu dem zweiten Aufsatz dieses Heftes .

39

mauer mit den vier

Toren in dem Verlauf,

wie er bis in den

Beginn des 19. Jahrhunderts erhalten geblieben ist.¹ ) ist noch nicht alles .

der Umfassung des ältesten Stadtferns zeigt, gestellt wurde, worden ist.

daß

Indes das

Ein Vergleich dieser Stadtummauerung mit

die Umwallung

weiter

wie schon oben fest= nach

außen

verlegt

Der Vorgang von 1317 stellt sich uns somit als eine

Stadterweiterung dar, die mit der Herstellung

eines

beſſeren

Befestigungswerkes verbunden war und zugleich Anlaß bot, die Rechte von Abt, Vogt und Bürgerschaft neu zu regeln. Was jene Urkunde über die städtische Verfassung enthält, läßt nun leider kein bestimmtes Urteil darüber zu, ob es sich um Einführung einer Neuerung handelt, zu welcher der Abt in den vorausgegangenen

Verhandlungen unter gewissem Vorbehalt seine Aus inneren und äußeren Gründen?) iſt

Zustimmung erteilt hat.

dies aber durchaus wahrscheinlich. Wir werden also die Ereignisse von 1317 so zu verstehen haben, daß in diesem Jahre oder kurz zuvor die Ratsverfassung in Werden eingeführt worden ist, sehr verständlich, da mit der Stadterweiterung und der Ausführung der Stadtbefestigung die Verwaltungsgeschäfte sich so mehrten, daß das Schöffenkollegium ohne ein besonderes Organ für städtische Verwaltungsangelegenheiten der Geschäftslaſt nicht mehr gewachſen war. Die Stellung zu Abt und Vogt aber ward so geordnet, daß Rat und Schöffen dem Abte Hulde leisten, solchem Treue geloben sollten.

Auch ward

dem Vogte aber als ausbedungen,

daß die

Anwendung des Stadtſiegels als eines öffentlichen Beglaubigungsmittels insofern einzuschränken sei,

als

bei Privilegien zu deren

Rechtsgiltigkeit die Beifügung der Siegel des Abtes und des Vogtes erforderlich sein solle . Zwei Menschenalter später finden wir nun noch zwei Neuerungen vollzogen, durch

welche

die

Verwaltungseinrichtungen

der Stadt zu noch reicherer Gliederung gebracht wurden und nunmehr die Gemeindeverfassung

zu ihrem Abschluß kam.

In einem

Privileg des Grafen Engelbert von der Mark vom 25. Nov. 1371 , das als das älteste geschriebene Stadtrecht Werdens

zu bezeichnen .

1 ) Vgl. darüber das oben im zweiten Abschnitt gesagte. Ueber neuen Mauerbau im 15. Jh. erfahren wir aus einer Urt. vom 23. April 1452, ſ . Urbare 2ng . A. nr 70. *) Die Schöffen von 1292 werden nicht in einer Gerichtsurkunde genannt, " sondern als Zeugen eines vor Abt und Konvent gemachten Testaments .

40

ist, ')

an der Spize des Rates , 2)

mit

diesem Titel, aber Ende 14. Jhs . auch als proconsules bezeichnet.

treffen wir

Bürgermeister

Ob

es sich dabei um eine damals

erst

ganz

neu ins Leben getretene

Einrichtung handelt, vermag - nach den mir bekannt gewordenen Urkunden - nicht entschieden zu werden ; schwerlich aber kann sie viel älter sein, und es ist ein Merkmal der Zeit, daß damals auch ein besonderer Amtmann neben dem Richter von dem Grafen von der Mark eingesetzt worden zu sein scheint.3)

Als

die ersten mit

Namen nachweisbaren Bürgermeister begegnen uns 1383 Johannes Gruter und Johannes Robeneter (ebenso 1399 ) , 1386 Joh . Gruter und Gerhard in der Munte (in Moneta). 4) Uleber ihren Geschäftskreis läßt sich für jene Frühzeit ihrer Tätigkeit nur

weniges

aus den Urkunden ermitteln . Der Abt bedient sich der Bürgermeister und des Rates, um um den Bürgern Gebote bei Strafandrohung zu tun, und sie haben zupfänden

und

zu

richten.

Strafgefälle

aus-

Auch in Gildeangelegenheiten

dann die

steht

ihnen eine gewisse richterliche Tätigkeit zu : sie wirken bei Strafverhängung wegen falschen Maßes und Gewichtes in den Gilden mit.5)

In dem allgemeinen öffentlichen Gericht Werden haben sie

freilich keinen Play gehabt.

Hingegen ist, wenn darüber auch ur-

kundlich wenig verlautet, ihre Hauptwirksamkeit in der Verwaltung zu suchen.

Die Stadt hatte das Recht, Schoß für

Gemeindezwecke

zu erheben und die Schuldigkeit auspfänden zu laſſen.6) es auch in einem Schreiben 15. Jahrhunderts heißt,

Und wenn

daß sie keine

Renten habe, so lehrt doch ein kleines Heberegister aus etwa jener Zeit, daß ihr ein freilich geringes Einkommen an Zins von Häuſern und Grundstücken zustand.7) Die getroffene Ordnung iſt dabei an= scheinend die gewesen, daß jeweils nur ein Bürgermeister von den zweien, die es gab, im Amte tätig war.8) 1) f. unten Beilage 1. 2) Vgl. auch Urf. 1372 Sept. 17, Lacomblet U. B. III nr. 731. 3) s. darüber in dem zweiten Aufsatz dieses Heftes Abschnitt 4 nebst zuge= höriger Beilage IV. 1) f. Beilage 11 und in den Lehenregistern ; (Urbare XXVII, 12). 5) Im Privileg von 1371 heißt es ; sie, d . i . die Gilden, sollen dergleichen Vergehen richten unter ihren Gildemeistern na rade der burgermestere. 6) a. a. D. , 21. 1) f. Beilage IIc. 8) Nach der Urkunde vom 18. Sept. 1372 mach die borghermester myt den rade uthpenden ind richten ... . . . d . h. der Bürgermeister nimmt die Pfändung vor.

41

noch

Als eine zweite wichtige Neuerung

aus jener Zeit ist endlich

die Entstehung

zu nennen, gleichsam der

des

Gildewesens

Schlußstein des Gemeindeverfassungsbaues .

Ein glücklicher Umſtand

hat es gefügt, daß über deren Ursprung gar kein Zweifel obwalten. fann : sie sind im Jahre 1371

als

etwas ganz Neues entstanden ;

die Anregung dazu mag von der Bürgerschaft ausgegangen sein, ¹) der Vogt von Werden aber, der Graf von der Mark, hat die Genehmigung erteilt in einem Privileg, das

bezeichnenderweiſe ſpäter

von der Abtei nicht als echt angesehen worden ist.2)

Von irgend-

welcher Beziehung zu jener Arbeitsorganiſation des abteilichen und des flöſterlichen Haushalts in der Stauferzeit kann in feiner Weise die Rede sein ; jene ruhte

auf

ganz anderer wirtſchaftlich-ſozialer

Grundlage und war längst der Auflösung

anheimgefallen , als die

Gilden neu

aber

eingerichtet wurden.

Es sind

auch keine freien

Erwerbsgenossenschaften, zu denen sich die Angehörigen gleichen oder ähnlichen gewerblichen Berufes zuſammenſchloſſen .

Vielmehr sind

es von Obrigkeitswegen gebildete Zwangsverbände zu dem Zwecke, die Marktordnung im weiteren

Sinne des

Wortes zu handhaben.

Die erste Gilde³) sollen Kaufleute, Weinverzapfer, Gewandschneider (das sind Tuchhändler im bilden ;

die zweite :

Einzelverkauf), Krämer und Kürschner

Bäcker,

Mälzer,

Schneider und

Weber ; die

dritte : Fleischer, Gerber, Schuhmacher, Schmiede,4 ) Dachdecker und Tuchscheerer.

Aufnahmefähig waren Fremde wie Bürgersfinder, nur

daß diese in Bezug auf die beim Eintritt zu leistende Zahlung begünstigt waren.

Ihre Wirksamkeit aber entfalteten die Gilden, so-

viel wir sehen können, darin, daß in ihnen Aufsicht über Maß und Gewicht geübt wurde.")

Kirchlich-religiösen Zwecken

dienten sie

nicht eigentlich, doch ward den Gewohnheiten des Zeitalters gemäß die fällige Wachsabgabe für den Gottesdienst verwendet. An der Spize standen Gildemeister, die mit den Bürgermeistern zusammen1) Der Graf sagt : so mogen sij yn der vurs. stat drij gilden maken . 2) s. darüber die Vorbemerkung zur Beilage I. Diese später bezeugte Auffassung der Abtei ist natürlich kein Beweis dafür, daß sie schon 1371 geltend gemacht worden ist. Tatsächlich hat sie sich jedenfalls mit den damals geschaffenen Zuständen abgefunden. Es wird kein Zufall sein, daß sie sich im Jahre darauf eine Urkunde des Grafen v . der Mark über ſeine Rechte im Stiftsgebiet hat ausstellen laſſen. 3) Nach einer Gildeordnung¦ - 15. Jahrhunderts ; s. G. Kranz, die Gilden u. Aemter der Stadt Werden, Anlage 6, in den „ Beiträgen “ , Heft I S. 27. *) In der Handschrift (bei Kranz nicht ganz richtig gedruckt) : alle die gene, die sich des hamers generen. 5) so im Stadtrecht von 1371 (unten Beilage I , 3) und in einem Zusat zur Gildeordnung ( bei Kranz, a . a. D.)

42

wirkend in Handels- und

Gewerbesachen Aufsicht führten ') und

eine mit der Verhängung von

Strafgeldern

verbundene

Gerichts-

barkeit ausübten, 1 ) auch über die der Stadt erteilten Privilegien wachten. ) Die Zünfte aber, oder, wie es in Werden hieß, die Aemter, sind viel jüngeren Ursprungs . Erst im 16. Jahrhundert, im Beginne der Neuzeit, treten sie auf, zu einer Zeit, wo jene 1371 geschaffene Handels- und Gewerbeordnung der Gilden außer Ulebung gekommen war.3) Der großen Bedeutung entsprechend, die in der Entwicklung städtischer Wirtschaft in bei den Völkern des abendländischen überhaupt Deutschland, ja

die

Wollweberei

Kulturkreises

gehabt hat, finden wir

am frühesten unter

diesen

Werdener Aemtern zünstlerischer Art das Wollenamt' organisiert, dessen Sagungen aus dem Jahre 1528 vorliegen ; ) obrigkeitliche Einwirkung zeigte sich dabei nicht ; das Amt scheint freigenoſſen= schaftlichen Ursprungs zu sein. Die jüngeren Aemter aber (ſeit 1585) erhalten die Erneuerung oder Genehmigung ihrer Rollen wieder von Herrschaftswegen ; nur ist es, der Entwicklung gemäß, den die Ausübung landes- und stadtherrlicher Gewalt in Werden in den neueren Zeiten nahm, zunächst der Abt, welcher die Amtsordnungen in Bestätigung oder auch Abänderung ihm vorgebrachter Satzungen erließ ; in dem ersten bekannten Falle

charakteristischer

„ Erbgrundherr, “ 5) später in Gemeinschaft mit Bürgermeiſter, Rat und Gilden,6) bis dann dieſe allein sie zu verleihen begannen.7)

Weise

als

¹) f. die Eintragung auf dem letzten Blatte der in der Beilage II beschrie benen und großenteils abgedruckten Pergamenthandschrift (schwer leserlich, von Hand 15. Jhs .) : Toe weten, dat die burgermeyster, raet ind gyldemeister synt overkoemen, dat alle diegene, die die vleyschhouwgylde hebn, moeggen vleysch slachten ind dat vleyssch apenbair in oren huyse up oren vynsteren veyle hebn, ind soellen banckgelt dairaff geven ind dat hie oick des jairs nicht meer dan eyns en slachtede. Vgl . dazu die Ordnung der Fleischhalle, bei G. Kranz, a. a D. Anl. 7, S. 28. Die Schrift dieses Stückes gehört aber zweifellos nicht dem 15., sondern erst dem 16. Jh. an, und zwar nicht vor dem 2. Drittel ; die Ordnung selbst kann allerdings älter ſein. 1a) f. oben S. 40 Anm. 5. 2) i. G. Kranz a. a . D. S. 7 f. *) Die Gilden erscheinen allerdings noch in den Urkunden 17. Jhs . (f. bei G. Kranz, Anlagen 18 ff. , beſ. 21 ) ; doch ist von einem Daſein der alten Verbände nach ihrer einstigen Gruppierung nichts wahrzunehmen. Die Gildemeister wirken hauptsächlich zur Ueberwachung der Banngerechtsame der Bürgerſchaft. ) bei G. Kranz , Anl. 10 . 5) Schusteramt, 1585 Jan. 20 (Abt Heinrich Duden) ; a . a. O. Anl. 15. Schmiedeamt 1609 Febr. 28 (? 1610), Bombasein-(Baumwoll-)wirkeramt 1611 Oft. 29, beide unter Abt Konrad II .; a . a. O. Ant. 16-18. 7) Schuhmacheramt 1632 Juli 1 , Schneideramt 1643 Juni 6 ; a. a. O. , Anl. 20, 23 ; danach Ordnungen der Aemter ohne Erwähnung obrigkeitlicher Mitwirkung.

43

Im 14. Jahrhundert aber hat Werdens städtische Verfaſſung noch in einer anderen Hinsicht, nach der wirtschaftlichen Seite hin, ihren Abschluß

gefunden .

Werden erhielt

ebenfalls , wie damals seine

ein Bannmeilenrecht,

übrigen Privilegien, vom Vogte, vom

Grafen von der Mark, ¹ ) allerdings

in

Nebereinstimmung

mit der

Willensmeinung des Abtes . Als Geltungsbereich ward das Stiftsgebiet, wenig über eine Quadratmeile groß, genommen : innerhalb seiner Grenzen sollte außerhalb des

Stadtgrabens , so ward 1372

bestimmt, niemand durch Wein- und Bierverzapfen oder feilen Verkauf und Verschleiß den Bürgern ihre „ Nahrung “ schmälern , ausgenommen im

Dorf Kettwig und zu Bredenei

selbst zu Hochzeiten,

Kirchweih

auf der Straße ;

und Kindtaufschmäufen sollte das

Bier zu Werden im Faß geholt werden ; nur für rein hauswirtschaftliche Zwecke sollte es gestattet sein, Malz zu bereiten und zu brauen.

Indes

auch der Vorteile,

freier Handelsverkehr

bot ,

wie sie ein außerordentlicher,

sollte sich Werden erfreuen .

Nicht nur

ward allen, die auf dem hier, sowie in Kettwig und Bredenei, schon aus der Zeit vor 1317 bestehenden Jahrmarkte aus- und eingingen, ein besonderer Friede, drei Tage zuvor und danach, zugesichert.2) Auch einen zweiten Jahrmarkt sollten die Werdener Bürger einrichten dürfen, so gestattete es Graf Engelbert von der Mark 1371 , mit demselben

Freiheitsrechte,

wie

es für den älteren Jahrmarkt

galt ; so entstand in Werden die Ludgerikirmeß.3) Mit den Verleihungen von 1371 und 1372 war Werdens Entwicklung zur Stadt zu ihrer Vollendung gekommen. Werden war jest Stadt in des Wortes ausgiebigster Bedeutung : städtiſcher Marktverkehr und städtische Gewerbeordnung , eine Stadtbefestigung mit Mauer und Toren, eine Gemeindeverfassung mit Bürgermeister,

Rat und Schöffen, städtisches

stücken,

freiheitliche

Rechte

in

Leiherecht

Bezug

auf

an den

Grund-

Steuerwesen

und

Gericht, wirtschaftliche Zwangsgewalt über das platte Land auf eine Meile ringsum -fein bedeutsamer Zug städtischen Daseins in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht fehlt, und auch in dem Werdegang dieses kleinen, „ armen es

in

einem

Bittschreiben

15.

Städtchens " an der Ruhr, wie

Jahrhunderts ) heißt,

kommt die

Geschichte des deutschen Städtewesens getreu zur Erscheinung. ') Urt. vom 18. Sept. 1372. 2 ) Urk. vom 24. Juli 1317. 3) s. G. Kranz , a. a . D. Ant. 3, Anm. S. 24. *) a. a. D. Ant. 8.

44

Sind

nun, so

fragen wir zum

Schluß,

die

Vorteile, die

Werden zu bieten vermochte, lockend genug geweſen, um eine stärkere Anziehungskraft auf die Bevölkerung in der Nachbarschaft oder gar in weiterer Ferne auszuüben ?

Ein Verzeichnis von Neubürgern¹)

gibt uns darüber einigen Aufschluß, das nicht lange nach 1372 angelegt und bis 1430, wenn vielleicht fortgeführt worden ist. Bürger

in

einem

auch

nicht ununterbrochen,

Im ganzen sind 186 neu

Zeitraum

von

aufgenommene

gegen 56 Jahren eingetragen

worden ; in der genau abgrenzbaren Zeit von 52 Jahren, 1379— 1430, waren es deren 169,

d. h.

durchschnittlich in jedem Jahre

3,25, bezw . in jedem der Jahre, für ist, 2) 5,12 .

die Bürgeraufnahme bezeugt

Ob in allen den Jahren, wo

Eintragungen fehlen,

wirklich keine Bürger aufgenommen worden sind, muß dahingestellt bleiben. Bei der Kleinheit der Verhältnisse , ist es nicht ausge= schlossen, daß einzelne Jahre ohne irgend welche Bürgeraufnahmen dahingingen ; indes ist es immerhin wahrscheinlich, daß sich einige größere Lücken des Verzeichniſſes (ſo 1424-28 ) aus einem Mangel der Aufzeichnung, nicht aus dem Fehlen jeglichen Zuwachses an Bürgern erklären. Einem Versuche, aus diesen Angaben einen Schluß auf die Stärke der bürgerlichen Bevölkerung und überhaupt der Einwohnerschaft Werdens zu ziehen, stellen sich freilich mancherlei Schwierigfeiten entgegen :

wir kennen die Aufnahmebedingungen nicht ; wir

erfahren nichts näheres über Lebensalter und Familienstand, selten. nur etwas über den Beruf; das

Verhältnis

gesamten Bewohnerſchaft ist unbekannt.

der

Bürgerzahl zur

Sind demnach für Werden

im späteren Mittelalter genauere Ermittelungen bevölkerungsſtatiſtiſcher Art nicht durchführbar, so ist man doch berechtigt, nach den Ergebnissen

der für

andere

mittelalterliche Städte vorgenommenen

Untersuchungen eine einigermaßen verläßliche Schätzung der Volkszahl anzustellen, die uns eine von der Wahrheit nicht allzu ferne Vorstellung ermöglicht . Hält man sich an die für das „ Menschenalter" und die durchschnittliche Lebensdauer schon vor alters be= rechnete Ziffer von 35 Jahren, 3 ) so wird die Zahl der von etwa ¹ ) ſ. unten Beilage IIa. * ) 1381 ist hier mit eingerechnet ; s. die Bemerkung a. a. D. 3) K. Bücher, die Bevölkerung von Frankfurt am Main, S. 26. Vgl. auch W. Reisner, die Einwohnerzahl deutscher Städte in früheren Jahrhunderten ; die dort für Lübeck begründete Beranschlagung der nichtbürgerlichen Bevölkerung auf ¾½ (66 % ) der Gesamtbevölkerung trage ich Bedenken auf Werden anzuwenden.

45

1375-1409

aufgenommenen

113 Bürger¹ ) annähernd

samtzahl der 1410 lebenden Bürger entsprechen ;

der Ge-

mögen

manche

der in diesem Zeitraume aufgenommenen durch den Tod oder Abwanderung wieder ausgeschieden sein, so waren doch auch aus der Zeit

vor dem bezeichneten Anfangstermin einige noch am Leben.

Veranſchlagt man nun das Verhältnis der Bürger zu der gesamten im Bürgerverband stehenden Bevölkerung nach dem Beispiele von Frankfurt am Main, 2) so ergibt sich für dieſe in Werden eine Ziffer von gegen 530 Personen .

Die Bewohner der im Besize von Frauen

befindlichen Hausgrundstücke ") werden dabei großenteils als eingeschlossen zu betrachten sein ; denn gewiß waren sie zumeist von Unter den nicht der Bürgerschaft Bürgern hinterlassene Witwen . zugewandten" Bewohnern sind für uns zwei Gruppen erkennbar ; die der Abtei und ihres Zubehörs und die zur Amtsverwaltung des Grafen von der Mark gehörigen .

Die Zahl der Kapitelsherren

betrug im Jahre 1330 25 ; 4) bis in die Jahrzehnte um 1400 aber ist sie, wie kaum zu bezweifeln ist, noch weiter gesunken . Schäzung der Hausgenossenschaft des Abtes und des

Für die

Kapitels ,*)

sowie der in Werden ansässigen Dienstmannen ) fehlt es an einem einigermaßen festen Anhalt, zumal auch Bürger darunter waren, z . B. Bürgermeister Dietrich auf dem Markte 1432 ; 7) gewiß aber war deren Zahl gering, im Vergleich zur bürgerlichen Bevölkerung ganz wesentlich geringer, als dies in der Stauferzeit gewesen war. Unter dem Amtmann des Grafen von der Mark, dem die Obhut des Schloſſes an der Ruhr mit seiner Besagung und die Verwaltung des Amtes Werden 1) Der eine auf Bl. 1 gestrichene Name ist nicht mitgezählt. 2) K. Bücher, a. a: D. S. 192, S. 39 f. (nach Nürnberger Verhältnissen berechnet) ; auf den Bürger werden 4,68 dem Bürgerverbande eingegliederte Per: fonen gerechnet. Vgl. S. 64 f., was über den Bevölkerungsaufbau Frankfurts i. J. 1858 im Verhältnis zu dem des mittelalterlichen Frankfurts gesagt ist. PJ. Müllers Angabe für Werden etwa i. J. 1796 ( 1617 Einwohner über 10 Jahr, 491 unter 10 Jahr) läßt wenigſtens in einem Punkte, Berhältnis der Er= wachsenen zu den Kindern, auf ähnliche Zustände ſchließen. * ) f. darüber die Heberegister der Abtei, sowie unten Beilage II d und II f. *) ſ. in meinen „ Studien “ , S. 127 . 5) Vereinzelt finden sich diesbezügliche Erwähnungen in den Abteirechnungen 14. Jbs.; s. Urbare XVI. Vgl. in der Urt. vom 24. Juli 1317 : familia abbatis, prepositi et conventus nostre ecclesie non trahatur ad iudicium forense. ) a. a. D. ministeriales ecclesie ad vigilias nocturnas non comnullam contributionem seu exactionem patientur cum burpellantur • gensibus tempore collecte u. a. 7) Zeuge in Urkunden u. Lehenregistern ; so auch Herman them Horne.

46

anvertraut war, ¹) stand eine allerdings schwerlich große Anzahl von Personen, die nicht zur Bürgerschaft gehört haben . Rechnet man diese beiden Gruppen und, was noch sonst an nichtbürgerlichen Bewohnern vorhanden gewesen sein maz,

zu der

oben

gewonnenen

Ziffer

hinzu, so wird man die Gesamtbevölkerung Werdens um 1410 mit 700-800 Einwohnern faum wesentlich zu niedrig einschätzen. Aber selbst wenn man noch einen Zuschlag an solchen macht , die nur vorübergehend sich in Werden aufgehalten haben, wie z . B. die beim Schloß- und Mauerbau beschäftigten, so würden doch schwerlich die Werdener bei einem ausgebildeteren Sinne für Statistik, als er der Zeit eigen war

im späteren Mittelalter Anlaß gehabt

haben, den tausendsten Bewohner des Städtchens zu feiern. Was nun die Art der

Vermehrung der Bürgerschaft betrifft,

so würde man gern den Anteil der Einwanderung von dem Zuwachs aus der Bürgerschaft selbst scheiden. dies , wenigstens bei dem gegenwärtigen öffentlichung2) nicht festzustellen.

Völlig verläßlich ist

Stande der Quellenver-

Immerhin läßt sich für etwa ein

Drittel der in den Jahren 1379-1394 aufgenommenen 76 Neubürger, nämlich für mindestens 25, Herkunft aus dem Stiftsgebiet, ^) für 4 andere Herkunft aus der daran grenzenden Umgebung (z . B. Eſſen) behaupten ; aus etwas größerer Ferne ist für diese Zeit nur eine Zuwanderung aus

Mettmann

erweisbar.

Im 15.

Jahrhundert

tritt der Zuzug aus dem Stiftsgebiet weniger deutlich hervor ; hingegen finden sich jetzt ein paar Fälle mutmaßlicher Einwanderung von weiter her, so z . B. aus Mörs, Düssern, Wattenscheid. Wieviel von den übrigen neu aufgenommenen Bürgersöhne oder Zugewanderte waren, muß dahingestellt bleiben. Ueber die Niederlassungsbedingungen erfahren wir aus den Bestimmungen von 1317 und 1371 vor allem eins : Hörigen des Abtes und seiner Dienstmannen und ebenso des Vogtes und seiner Burgmannen sollte, wenn sie sich in der Stadt ansiedelten, der Gewinn der Bürgerschaft" gegen ihre

¹) s. den zweiten Aufsatz dieses Heftes, Abschnitt 4. 2) Mit Hilfe der noch nicht veröffentlichten Urkunden, sowie der Urbaraus, gabe wird sich vereinzeltes noch ermitteln lassen ; z. B. die Zugehörigkeit dieſes oder jenes Bürgers zu angesessenen Werdener Familien. Auch vermag die Gliederung der Werdener Bevölkerung aus neuzeitlichem Aktenmaterial noch) aufgehellt zu werden. ³) Aus Aue a . d . Ruhr bei Werden oder Kettwig, Barnſcheid, Harnſcheid, Fischlafen (auch Gut Sonnenschein ) Strathausen, Heidhausen, Kleinumſtand (Kalkofen), Deft, Jdten, Kettwig, Meckenstock, Bredenei und besonders Heisingen.

47

Herren

nicht

zu statten kommen, d.

h.

sie wurden

von

ihrer

Schuldigkeit ihnen gegenüber nicht frei, wenn sie diese nicht besonders ablösten ; im übrigen allerdings galt die sonst bekannte Verjährungsfriſt .

Die Aufnahme von Juden und Kawersinern

in die Stadt

sollte nur mit besonderer Genehmigung des Abtes erlaubt sein.

Es

ist wohl möglich, daß diese Bestimmungen auf die Vermehrung der Bürgerschaft hemmend gewirkt haben ; unter den aus dem Stiftsgebiet zugezogenen finden sich

auffallend

wenige, deren Herkunft

aus fronhofshörigen Verhältnissen anzunehmen ist. Werden ist somit nur ein höchst bescheidenes Städtchen in den legten beiden Jahrhunderten des Mittelalters gewesen ; selbst hinter dem Größenmaße einer Mittelstadt im spätmittelalterlichen Sinne stand es weit zurück, während es vordem in den Zeiten königlicher Regierung des

deutschen Reiches

Grundherrschaften Wie

ist

diese

des

Erscheinung

einer

Deutſchlands

zu erklären ?

Großgrundherrschaft hat, ihren den Anstoß zu

Mittelpunkt

nordwestlichen

Eines

der größten gewesen

war.

ist deutlich : die

eigenen Bedürfnissen gemäß , zwar

Werdens städtischer Entwicklung gegeben ; sie hat

auch an ihrem Teile zur Erhaltung der Stadt beigetragen, dadurch , daß

grundherrschaftliche Einkünfte durch Kaufgewinn und Arbeits-

lohn den Werdenern zufloſſen ; aber sie hat es

nicht vermocht, von

sich aus das Gedeihen der Stadt zur Größe zu bewirken .

Andere

Bedingungen wären dazu von nöten gewesen, als das Daſein einer, wenn auch reichen und bedeutenden Grundherrschaft, deren Renten überdies bei sinkendem Ertragswert immer weniger fähig waren, als Nährquelle bürgerlichen Erwerbs zu dienen .

Als Landesherr-

schaft aber war die Abtei, soweit sie in mittelalterlichen Zeiten überhaupt

als solche bezeichnet werden darf.

der geringsten in Deutschland . ihrer

Hauptstadt, "

unter ihresgleichen eine

Tem entsprach auch die Bedeutung

die nur das kleine

Stiftsgebiet

als Bereich)

stadtwirtschaftlicher Ausnutzung besaß und trotz des Widerspruchs, der aus der Landbevölkerung gelegentlich laut ward, unter landesobrigkeitlichem Schutze auch festhielt. Zwei Gründe aber dafür, daß Werden ein armes Städtchen blieb, haben Rat und Gemeinde im 15. Jahrhundert selbst ausgesprochen : 1) den Mangel an Renten und das Fehlen einer durchgehenden größeren Verkehrsstraße .

Eine

¹ ) f. G. Kranz, Gilden u. Aemter, Anl. 8, in den „ Beiträgen “, Heft I S. 29.

48

Ansammlung von Grundrente hat in Werden weder im Gemeinde,noch in Privatbesig in dem Maße stattgefunden,

daß die städtische

Wirtschaft, sei es durch deren Verausgabung, sei es durch Anlegung in Handel und Gewerbe, hätte die städtische

Gemarkung

kräftig

war klein,

gefördert werden das

Obereigentum

können ; an den

Grundstücken darin großenteils in den Händen der Kloſtergeistlichkeit ; die Zuwanderer entstammten kleinbäuerlichen und kleingewerblichen Kreisen ; die mit

Grundbesig ausgestatteten,

vornehm

gewordenen

Miniſterialen der Abtei zogen es vor, mit ihren Familien auf dem Lande ihren Wohnsitz zu nehmen. Von den Hauptverkehrsstraßen aber ward Werden schon seit karolingischer Zeit umgangen ; die Bodenschätze in der Nähe , die ſein Aufblühen in jüngster Zeit ermöglichten,

waren noch nicht

die Vorbedingungen

eines

entdeckt,

Schafzucht und Flachsbau,

bodenständigen

Textilgewerbes, in der

Umgebung nicht in ergiebigem Maße heimisch, die niederrheiniſche Kleineisenindustrie aber nur in etwas größerer Entfernung in Pflege. . So ist Werden Kleinstadt bis in die neueren Zeiten hinein geblieben ; aber als Reſidenz eines der ersten Prälaten des Niederals Sig eines von alters berühmten Benediktinerklosters

rheins, und

eines

angesehenen

Lehenshofes ,

als

Mittelpunkt eines selb=

ständigen Territoriums , obschon nur von geringem Umfang , erfreute über das ihr nach Volkszahl und wirtschaftlicher

sich die Stadt

Kraft zukommende Maß hinaus immer einer Bedeutung im Staatsund Kulturleben des deutschen Nordwestens .

49

Beilagen.

I.

Das älteste

Stadtrecht von Werden.

Den Bürgern Werdens verliehen vom Grafen Engelbert von der Mark 1371 Nov. 25.

Düsseldorf, Staatsarchiv B. 223. Copiar der Stadt Werden, 10 Pergmtbll. in 4°, geschrieben von Hd . 15. Jhs . Bl . 1-4. In dem Copiar von Werden folgen auf das hier veröffentlichte Privileg Engelberts noch die folgenden Stücke : 2 ) 1385 Nov. 10 bekennt Eng., die Bürger von Werden, seine guten Freunde, in den Frieden, den der römische Kaiser den Herren von Westfalen gegeben hat, genommen zu haben und sie gleich seinen (unsen !) anderen Städten beschirmen zu wollen. 3 ) 1372 Sept. 17. Graf Engelbert von der Mark bekundet seine Rechte über Werden und das Stiftsgebiet, sowie Vorrechte der Bürger, insbesondere in gerichtlicher Hinsicht und bezüglich des Bierbrauens und des feilen Kaufes im Stiftsgebiet. Gedruckt : Lacomblet U. B. III. nr. 731 : Bruchstücke daraus in den Beiträgen zur Gesch . d . Stifts Werden I, S. 26 f. , Anl. V. 4) 1317 Juli 24. Vergleich zwischen Abt Wilhelm und dem Vogte, Grafen Engelbert v. d . Mark in niederdeutscher Sprache 14/15. Jhs. Gedruckt : Lacomblet 11 162 (nach dem Original in lateinischer Sprache ) . 5) Nachtrag von Hand 16. Jhs : 1574 Dez. 1. Herzog Wilhelm von Cleve erneuert den nach einem Brandschaden der Stadt in Abgang gekommenen Wochenmarkt an allen Sonnabenden auf Fürbitten des Abtes, Bürgermeister, Schöffen u . Rat der Stadt. Es ergibt sich daraus, daß ein älteres Stadtrecht in Werden selbst im 15. Jahrhundert nicht bekannt war ; die Niederschrift an erster Stelle zeigt, daß diesem Privileg eine besondere Bedeutung für die Stadt beigemessen wurde , und wir dürfen es daher, wenn auch Verleihung von Vorrechten an Werdens Bürger in allgemeiner Fassung schon vorangegangen war (f. die Urk. vom 18. Sept. 1256, bei G. Kranz a. D. , S. 21 f.) , dennoch als das älteste Stadtrecht in unserer Ueberlieferung bezeichnen. Von Interesse ist darum der Vermerk über dies Dokument in einem Verzeichnis von Urkunden der Herzöge von Cleve n. Grafen von der Mark, das ein a Bei der Wiedergabe der in den Beilagen veröffentlichten Texte werden undeutliche oder vom Herausgeber ergänzte Stellen kursiv, Zusätze in den handschriftlichen Vorlagen petit gedruckt. Zur Bezeichnung jüngerer Hände dienen ganz kleine, hochgeſtellte Ziffern.

50

Angehöriger des Klosters im späteren 17 (? bezw. beg. 18.) Jh. , vielleicht Over: ham, nach einer früher beim liber privilegiorum minor befindlichen Sammlung von Abschriften dieser Urkunden angefertigt hat ; er lautet : Magnum datum civibus privilegium, quod tamen ab abbatia nunquam agnitum est seu verum ; cum repugnet anterioribus et sequentibus contractibus . Gedruckt: [Cocceji] Kurze, jedoch gründliche Vorstellung der Befugnisse Sr. Königl. Majestät in Preuſſen, als Herzogen zu Cleve und Grafen zu der Marc, gegen den vermeyntlichen Abt zu Werden. Im Jahr 1711. Beylage Num. 50. S. 81 ff. Mit Abweichungen in der sprachlichen Form und SchreibDanach Flügge, Chronik art, aber auch einer Anzahl ſinnverdunkelnder Fehler. der Stadt Werden , Ergänzungsheft 1 , S. 396 ff. Einige Stellen daraus gedruckt in Beilage IV zu G. Kranz, die Gilden u . Ämter der Stadt Werden, Beiträge zur Geschichte des Stifts Werden, Heft 1 , S. 24 ff. Wij Engelbert greve van der Marcke doen kunt allen luden, die desen brieff sient of horen lesen und bekennen apenbare, dat wij mit guden willen und mit raede unser frunde hebn gegeven und geven overmitz desen brieve vur uns und vor alle unse erven und nakomelingen greven van der Marcke unsen lieven burgeren to Werdene alsodane recht und vrijheit, als van worden to worden hir nageschreven steit, erfliken und ummerme to duren, und geloeven on die vor uns und vor unse erven vurß . vast und stede to halden to ewigen

dagen

sunder alle

argelist.

1.ª In den

irsten, wert dat enich uytman to Werden queme, die dar de burgerschop winnen wolde, die sall sij winnen umb eyn halve marck weder unse burgere,

die stat dar mede to

beteren , und sall uns

off wie to der tit unse amptman dar is, geven twelff penninge to orkunde. 2. Vortmer so mogen sij yn der vurs. stat drij gilden maken. so welcke uytman die gilden winnen will , die sal sij winnen mit ener halven marck und twen punt wasses ; und eyns burgers kint mach sij winnen mit dren schillingen

und eyn punt

wasses. und des geldes sall uns die derde penninck syn und die twe deill den burgeren syn die stat mede to beteren, und dat was mogen die gildemester keren na erem guetduncken to godes dienste, als gewontlich ys. 3. Vortmer gefelle enich brocke yn den gilden mit enigen saken (sunder valsche waghe, valsche mathe unde valsche elen of sunderlinx, die an dat liff drepen), de brocke mogen sij richten under eren gildemesteren na rade der burgermestere, also dat sij uns of unsen amptmanne dar nicht mede enbrecket, und a. Die Ziffern find überall am Rande von derselben Hand beigefügt.

51

die vors. brocke sall syn drie schillinge, des sall unse syn die derde deil und die twe deil der stat. 4. Vortmer wert dat yn unser vors. stat enige slege viellen mit vuysten

of mit kloppelen sunder

bloetrinninge und oich gemeyne scheltwort, die sich nicht en drepen an liff off an ere, die sollen die burgere beteren mit dren schillingen, des

sall unse syn de derde penninck und twe deil

der stat.

5. Mer wert, dat dar slege vielen, die bloetrenninge makeden sunder ergethagen wapene und wort, de sich drepen an liff und an ere, die sollent die burgere beteren mit seven schillinge ; des sollen unse syn vier schillinge und der stat drie. 6. Wert ever, dat dar slege vielen mit ergethagen

wapenen

sunder doitslach,

eyn burger to Werdene mede gebroeken hebn eyn

dar sall

hant, unde die

hant mach eyn burger loesen mit vijff marken und verbeteren uns of unsen amptmanne de broeke darmede, und eyn gast na unser of uns amptmans genade.

7. und wert, dat enich burger dar

eynen doet slage dede off dat he enige broecke dede, die em an syn lijff drunge, he wurde vorvluchtich

off nicht, dem sal men

richten an syn liff, beheltenisse synen wive, synen erven syns gudes unverbroecken.

synen kynderen und 8. Vortmer wert, dat

enich burgher dar ymande syne schutte neme irde off meyede of tuynde dat mogen sij

off yemande to na

off mit sodanen saken broeke

dede,

under on richten ; und die broeke sall syn drie

schillinge. des sall unse syn de derde penninck und twe deill der stat. 9. Vortmer queme enich man to Werdene, die dar de burgerschop winnen wolde, die unsem heren dem abte van Werdene, syme stichte off synen dienstluden nicht to en hoirden off uns of unsen burchmannen, die dair besete jair und dach sunder irhande rechte bijsprake, den mogen sij vor eren burgher verstaen .

sunder

wer he horich, als vurs. is, so en sall eme die burgerschop tegen syn herschop nicht to staden staen, he en hedde entledighet.

sijch dar van

10. Vortmer wert, dat enich minsche, wiff off man ,

sturve yn unser vors. stat,

dar van

en sall men geyne herwede

of gerade uytreyken. mer we syn neste volger is to syme erve und guede, de sall dat herwede und gerade verstaen , also

vere als die

volger eyn burger dar ys, utgeseght hedde enich burger dynstmanne 11. Vortmer so en guet, dat he to rechte verherweden sold. sall yn unse vurs. stat noch yn ere vredepele geyn vrij ban gaen noch geyn vrij gerichte. 12. und men en sall oich dar en bynnen

4*

52

geynen burger off gast umb generhande scholt, broeke

of recht,

dat eme an syn liff und an syn ere drunge, mit gheyme rechten dar ane verdigen heymelich off apenbar, dan mit dem gerichte van Werdene, und winnen ene dar vor, als des gerichtz recht is. 13. Vortmer so en sall men genen burger to Werdene mit anderen gerichte uyt eisschen also wijt, als unse lande is. mer heft emant icht dar mit enen burghere to schaffen, de mach dar komen und 14. Vortmer nemen dar van eme, dat des gerichtes recht is. wert, dat enich burger to Werdene

mit

enich

saken

brockhaftich

wurde, den burger off syn guet en solen wij noch unse amptman nicht bevronen noch besetten ; mer wij mogen ene gebieden an die banck und nemen dar van eme, dat des gerichtes recht is,

uitge-

scheden broeke, dije an dat liff drepen. und desselven rechtes solen ock gebrucken burger kyndere und burger gesinde also vere, als sij die verantworden wilt. 15. Vortmer queme enich man to Werdene, die dar vurwarde

gesunne, wanner unse amptman

dar

nicht heyme en were, dem mogen die burgermestere eyne vurwarde geven yn de stat und weder dar uyt bijt an unsen amptman ,

uit-

gesproeken alle diegene, de dar vredelos weren of de viande weren des stichtes van Werdene of unses selves of derghener, dar wij yn brieven mede verbunden weren und staen, also dat wij umb unser eyde und ere wegen richten mosten.

16.

Vortmer willen wij

unse vurs. burgere beschermen und behalden yn erer alder gewoinde, dar sij van aldes ynne geseten hebn und vor eyn recht bijt herto gebracht hebt,

als mit namen wat yn der stat of buthen dat to

der stades rechte gelegen ys, dat sij hoff off huyss, lant of garden, und mit on schot und schulde van aldes mit on gegulden heft, dar men wortgelt of tynse jarlix van gevet, wanner dat verstervet, dat dem tynsheren , he sij we he sij , nicht vorder dar van vallen en sall, dan die alde tynse ; uitgesprocken hedde dar enich man guet, dat he uytgedaen hedde to lyve of to jairmailen, dar sich de tynse aff sijden of hogen mochte, behalde, als sich dat eysschet.

dat dar mallick syn recht ane 17. Vortmer wert, dat yn unser

vors. stat enige stede off winckel weren,

die men betymmeren

mochte sunder krot of hindernisse der gemeyner straten und aller malkes erve unbetymmert und unbekroed, de mogen sij betimmeren to der stades behoiff und die mede to beteren . 18. Vortmer wert dat enich burger eynen dieff off eynen misdedigen man be-

53

grepe yn syner gewoelt, wert dat eme die entliepe, dar en sal he 19. Vortmer so weder unse gerichte nicht gebroeken hebben. geven wij unsen vors. burgeren noch eynen jairmarket, den mogen sij leggen up eyn tit, wanner he oen best event, und vriet on den 20. Vortmer so en sal dar gelick eren alden jairmarkeden . geyn man buthen vrien kermissen geynerhande velinge sliten, de he huse off kellere mit wintappen off mit bijertappen off mit sodanen saken, he en sij eyn burger to Werdene, beheltenisse unsen heren dem abte syns banwijns.

21. Vortmer so

mogen

unse vors.

burgere oere schoete setten und penden den uyt mit eren also dicke, als sij unsem amptmanne.

des

baden

behoift und des noit ys, buthen uns und 22. Vortmer so mogen sij der bruggen

tynse heven und boren und

penden die uyt mit eren

boeden

und keren die an die brugge unde anders nyrgen, buthen uns und 23a. Vortunsem amptmanne, dat wij des nicht to schaffen en hebn . mer so willen wij unse vurs.

burgere beschirmen und beholden

yn all erer guder alder gewoinde und vrijheide, der sij mit her to gebruckt hebben, und yn alle dem alden rechte, dat sij mit her to gehat hebn, beheltnisse unsen heren dem abte van Werdene und syme gestichte syns rechtes unde uns selven uns rechten . Alle argelist und nyevunde, die men ummerme hijrop vynden off gedencken mochte, lutterliken uytgescheden yn desen dingen , und up dat alle dese articule unde puncte ewelich und ummerme vast und stede blyven und ungebroeken, so hebn wij unse grote ingesegell mit unser witschap an desen

brieff doen hangen in den jaren na

unses heren gotz gebort, do men schreiff dusent drijehundert und eyn und seventich, up sent Katrinen dach der hilger junfferen .

II.

Werdener Bürgerbuch.

1379-1430 nebst späteren

Zusäßen.

Original in Werden im Stadtarchiv . 16 Pergamentblätter, 13 cm breit, 19 cm hoch, in 2 Lagen, von denen die ältere 12, die erst später hinzugefügte 4 Bil. enthält. Das Ganze beginnt mit einem Verzeichnis neu aufgenommener Bürger; daran schließen sich andere Stücke an. Diese Gliederung des Inhalts wird im folgenden Abdruck wiedergegeben und durch besondere Ueberschriften kenntlich gemacht. a Am Rande von ähnlicher Hand : Memoratu dignum.

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a. Verzeichnis von Neubürgern. 1379-1430 . Bil. 1-7a. Geschrieben von mehreren, mit Jahresschluß, häufig auch während eines Jahres wechselnden Schreibern, die die Eintragungen annähernd gleichzeitig mit der Aufnahme der Bürger bewirkt haben. Es sind Hände darunter, die auch in der Ueberlieferung der Abtei in jener Zeit sich finden : in den Urkunden, in Lebenregistern und Urbaraufzeichnungen, bes. in den Einnahmebuchungen. der Abtei ſeit 1397 ( ſ . Urbarausgabe XXIX Vorbem.) ; ſie ſind demnach auf Persønen zurückzuführen, die in den Quellen zur Geschichte der Abtei als notarii oder auch als schriver kenntlich sind ; vgl. darüber : Werdener Urbare, Einleitung 1, Vorbemerkungen über Archiv und Kanzlei. Wechsel in Schreibart und Tinte ist in folgendem Abdruck mit , bei einem vereinzelten nachträglichen Zusatz mit | , kenntlich gemacht. Damit ist nicht angezeigt, daß die neue Eintragung jeweils von einem anderen Schreiber herrührt ; vielmehr ist es durchaus wahrscheinlich, daß mehrfach die Hand eines Schreibers in späteren Eintragungen wiederkehrt : so hat vermutlich der an erster Stelle begegnende Schreiber Einzeichnungen für 1379 und 1382 und weiter bis in das nächste Jahrzehnt gemacht ; während des 15. Jahrhunderts ist der Wechsel der Hände größer. Auf Aehnlichkeiten der Schriftzüge, die von Belang sind , wird in den Anmerkungen zum Text hingewiesen ; im übrigen aber genügt es , den Beginn einer neuen Eintragung, wie oben angegeben ist, zu kennzeichnen. Der erste datierbare Eintrag, Poſten 18–21 , auf der Rückseite von Bl. 1 , iſt im Anfang des Jahres 1380 für dies und das vorangehende Jahr eingeſchrieben worden ; da aber die Niederschrift auf der Vorderseite des Blattes älter sein dürfte, so wird die Anlage des „ Bürgerbuches " noch dem Ende der 70er Jahre angehören. Als Vorlagen haben kleine Notizzettel (wie bei den Lehenregiſtern) oder sonstige kurze Vermerke gedient, doch werden nach Anlage des Buches auch Eintragungen unmittelbar an dieser Stelle bewirkt worden sein. Personen- und Ortsnamen werden im folgenden , ohne Rücksicht auf die Schreibung in der Handschrift, mit großzen Anfangsbuchstaben abgedruckt. Bei dem Entwicklungsstande der Familiennamen ist es indes im einzelnen Falle nicht sicher zu beurteilen, ob Berufsbezeichnung oder Eigenname den Vornamen und Angaben der Herkunft beigefügt wird . Die lateinischen Gewerbebezeichnungen werden mit kleinen Anfangsbuchstaben gedruckt, wo nicht ein besonderer Anlaß vorhanden ist, einen Eigennamen darin zu sehen . Ausdrücklich aber sei betont, daß auch unter jenen schon Eigennamen ſich finden können .

Isti interima sunt effecti opidani ') . 1 Primo Loese Lasbekes son. 2 Item Arnd Heeftal.

a Ueber t vielleicht ein Abkürzungszeichen. ¹) Die ersten 12 Namen sind anscheinend nach einer schriftlichen Vorlage eingetragen, wie der Schreibfehler nach Posten 5/6 (vgl . 8) zeigt. Nach der durchschnittlichen Zahl der jährlichen Bürgeraufnahme zu schließen, könnte es sich etwa um den Zeitraum von 1375–1378 handeln.

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3 Item Everardus Stoyve . 4 Item Henne Moerd. 5-6 Item Hinricus et Noldo fratres de Blankengevelen . [Item Bernd van Senden] . Item Sure Tilmannus. 8 Item Bernd van Senden. 9 Item iunior Dytmarus Katte.

10 b[Item Noelde Heninchof] . 11 Item Hinricus Raboel. 12 Item Otto van Lymburch. 13 Item Hinricus Telen man der Beselerschen.

14 Item Noldo van Oystem. 15 Item Johannes sartor de Medemen. 16 Tyele lapicida maritus Yrmegardis relicte Philippi fabri. 17 Item Hinrich barbitonsor .

18 Anno domini millesimo CCCLXXIX

post epiphaniam domini

Johannes Cabold est receptus in opidanum. 19 Item Everhardus Vinke. .

20 Item anno LXXXmo sunt recepti Wyneken Cremer. 21 Item Henneken van der Heyde . 22 Item Nicolaus van der Loypen. 23 Item Dytmarus de Calchoeven.

24 Item Rutgherus der Dusterschen man . 25 Item Herman Hamenmeker.

26

Item Tyle Bulk.

Item anno LXXX secundo. 27 Primo .... texter oppen Brinken, dictus Overberch , 28 Jacob van me Sunnenschijne. 29 Item Andreas Cultellifex.¹ ) 30 Item Theodericus op me Roede de Heysincgen. 31 Item Ghijse de Meckenstocke. a Von derselben Hand wieder gestrichen . b (? von anderer Hand ) gestrichen. c Das ff. genau so geschrieben , wie die ersten zwei Eintragungen für 1380. d Lücke in der Handschrift. Die Stelle ist nach einer schriftlichen Vorlage eingetragen ; vielleicht bezog sich diese auf 1381 . 1) Familienname : Mesmeker.

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Anno domini MCCCLXXX secundo. Arnold 32 us Lancgars. 33 Philippus Reter. 34 Item Johannes medicus. 35 Item Johannes textor gener Berenbryi. 3 Item Hinricus lapicida de Heysincgen. 37 Item Herman Mundijs.

38 Item Herman op me Roede van Heysincgen. Anno domini MºCCCLXXXmo tercio sunt accepti in opidanos per Johannem Gruter et Johannem Robeneter tunc proconsules. 39 Primo Johan Beytel de Bredeneye. 40 Item Mijs Reysegerne. 41 Item Hinrich Kralok.

42 Item Gobelinus de Roedbeke. 43 Item Johannes Schymmelrocge. 44 Item Johannes Soltenkoyl . 45 Item Hintze van Heythusen . 46 Item Henneken Pelser opper Oye. 47aItem Johannes Witfleisch. Anno LXXX quarto accepti sunt in opidanos . 48 Primo Theodericus Bower de Coythusen. 4 Item Hintze van me Sunnenschijne lapicida. 50 Item Theodericus ante Pontem.

Anno LXXX quinto accepti sunt in opidanos. 51 Primo Johannes op me Lyeverschede . F2 Item Theodericus sutor de Relinchusen .

Anno LXXX sexto post epiphaniam domini accepti sunt in opidanos per Johannem Gruter et Gerardum in Moneta. 53 Primo Hermannus Hederich sutor. 54 Item Gerlacus Scheper. 55 Item Diderich opper Misten . 56 Item Albertus Heket. 57 Item Symion Barbitonsor. a Dieselbe Tinte und Schreibart in Posten 47 , wie unten Posten 53 ff.

57

58 Item Arnoldus Lancgerbeyn . 59 Item Diderich Zelter. 60 Item Herman Mundijs. 61 Item Winken Tymmerman. 62 Item Johannes Laykman. 63 Item Diderich van Zemelinchusen.

Anno LXXXmo septimo . 64 Johannes Scheper de Bardenscede. 65 Item Tyele Heffen man. 66 Item Lodewijch dye wever under dem Steynweghe. 67 Item Philippus Scheveman . 68 Item Goysswijn Knipstok. 69 Item Coenken Schroder.

70 |Item Lyeverscheyd . Anno LXXXVIII". 71 Tyele in der Oye. 72 Diderich van Hernscede. 73 Rutger ter Galpe. 74 Diderich Pelser. 75 Volmar Sch rod er. 76 Herman Cleynink. " Henneken Trapman. Anno LXXXIX.° 78 Hintze Rude.

79 Hannus achter der Muren. 80-84 Gerad Johans son van Ketwich . Peters son van Vislaken.

Kirstian

Hinrich Walber . Welkener.

meker van Ketwich.

85 Item anno XCmo primo Schumeketel . 86 Item anno XCmo secundo Hintze.

Spykers eydem.

87 Item anno XCmo tercio. Hannus Blote. 88 Item Hannus Hemmerke. 89 Item Tyelken van Tuschen.

Hinrich

Wolter Schoy-

58

90 Item Hinrich Becker de Essendia.

91 Anno XC quarto Godfridus dye vischer. 92 Gerad Myserman .

93

Item Daniel de Coythusen.

94 Item anno XCIX Heyne Drincgenburch. 95 Item anno MCCCCmo primo Herd Strijkinnen son. 96 Item Tonies van der Hoyne.

97 Item Diderich Hennekens eydam van Oyfte. 98 Item Kirstian Vrederune man . 99 Item Rutger to Blankengevele. 100 Item Arnd Scroder. 101 Item Henneken Satersdach . 102 Anno CCCCmo secundo Goedeken Kremer.

103 Item Hinrich van Eykede. 104 Item Hinrich der Hecgen. 105 Item Herman Wever. Anno domini CCCC° quarto. 106 Item Wyneken Bolck. 107 Item Nolde Veltman. 108 Alef ter Broederhus.

109 Herman opper Beke. 110 Frederich Hecgeman. 111 Everhardus Kurneman.b

112 Anno domini MCCCCmo quinto feria sexta post Invocavit receptus est Arnoldus van der Molenawe. 113 Item Everd in der Oye.

114 Item Arnd Wyngerdes soen. 115 Item Rutger van dem Kalenberge. 116 Item Herman Lambert soen op der Mysten . 117 Item Wilhem van Vornholts. 118 Item Wenemar Radewerter. a Dieselbe Hand, wie unten 95 ff. b Danach größerer Zwischenraum leer gelaſſen.

59

119 Jacob van Murse. 120 Item Gerlach op der Mysten . Anno domini MCCCC IX . 121 altem Herman Hoviken .

122 Item Herman oppen Velde. 123 Item Evert Volmers eydem dar nedene. 124 b Item Gobel opper Dunke ind Jutte sin wyff. Anno CCCC

duodecimo.

125 Item Rutger van Borttorpe de scroder. 126 Item Dreis oppen Brincke. 127 Item Hennike Broker.

128 Item Gerret Scroder van Duseren.

Anno MCCCC

tridecimo.

129 Item Hinric van Wattenschede gheheyten Kleynsarge. 130 Item Hennike opper Dunck. Anno domini millesimo CCCCXV. 131 Item Henneken van Walneyge.

132 Item Huge Oesterryck. 133 dItem Hinrich van Rossekaten .

Anno domini MCCCCXVIº.

134 Item Hinric Kayck. 135 Item Herma Smyt. n

Anno domini MCCCCXVIIº. 136 Item Evert Messemeker s.

137 Item Johan Hutteman. 138 Item Coenken Molner. Anno domini MCCCCXIXº. 139 Item Herman Stockman. a Hand , wie unten 125 ff. b Hand, wie unten 159 u. a. c Dieselbe Hand, wie 125 ff. d Wohl dieselbe Hand , wie unten 147 ff. e Diefelbe Hand, wie 159 u . a .

60

140 Item Dreys oppen Stenwege . 141 Item Johan Vrydach. 142 Item Gerard van Hesingen.

143 Item Johan Klopnagel. 144 Item Dyderich Coipman. 145 Item Johan Korneman . 146 Item I Evert Bynnenkney. 147 Item Johan Spyker. 148 bltem Roidbeick.

149 Item de iunge Hane. 150 Item Hans Hoep . 151 Item Hans in der Hornen. 152 Item Dideryc van Egelsteen. 153 Item Lymborch . 154 Item de helmsmyt. 155 Item Dideric tem Nigenhues . 15 Item Willem oppem Dyke. 157 Item Wyllem Koepman. 158 Item Peter tem Horne.

Anno domini MºCCCCXXIº. 159 Item meister Mette. 160 Item Rutger van Schure. 161 Item Wenemer Tymmerman . 162 Item Johan Katte van Straith usen. 163 Item Steven Kyrsboem.

Anno domini MºCCCCXXIIº. 164 Johan van Breda. 165 Hannes Broker.

166 Hannes Vyscher. 167 Herman Kraen.

168 Aleff Schryner. 169 Hinrich Reisgern .

a Von Hand der Posten 147, 149 ff. b Von derselben Hand , wie vorher 139 ff. und 159 , daneben beigefügt. c Dieselbe Hand hat schon vorher die Posten 124, 135, 137 ff. 148 ge= schrieben ; auch 160 ff , mit anderer Tinte geschrieben, rühren augenscheinlich von ihr her.

9

61

170 Leuloe van Langenbogel. 171 Hinrich van Prae.

172 Hannes in der Oye. Anno domini MCCCCXXIII".

173 Hinricus van Crevelt. 174 Hinrich Hoppenbruwer. 175 Coen Schoenmeyker. 176 Peter van Herrenschede.

Anno domini MCCCCXXIX . 177 Johan Kuel scroder vor der Bruggen. 178 Gobel van Hesynghen.

179 Hinrich then Putte. 180 Geret van Hesinghe geheten Stryck. 181 Herman Mesmeker.

182 Everdt Bodeker. 183 Nolde Hyckinck.

Anno domini MCCCCXXX . 184 Hinse Tymmerman .

185 Hinrich van Graschap. 186 Gerhardus Passeman.

b. Einkünfte des Gaſthauſes in Werden. Geschrieben von einer Hand 2. Viertels des 15. Jhs . (nach 1430). --Abgedruckt ist das Stück von G. Kranz, Beiträge zur Geschichte des Stiftes Werden, Heft VI S. 38. (Das Gasthaus und das alte Rathaus zu Werden) . Item dyt is rente und gulde, dat dat gathuyssª hevet.

1 Primo die stat 1 mr. 2 Item die Happenbrouwer 1 malder roggen. 3 Item Johan van Gaelen 2 gulden. 4 Item twe kameren, die men verdoen mach. 5 Item die pastor van Nijenkircken 2 s.

6 Item Mathewijs huyss 4 s. * Item Kirstken van Merenscheit 1 malder roggen, 1 malder gersten.'

a so in Handschrift. b Danach 1 Zeile ausradiert.

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8 |Item Herman Kaeck genant frou

Brust ind Elsken sijn

elyke huys-

mr. van lande gelegen beneden Buytzynchusen.

9 | Item Gijseken Clos 1 gulden . 10 a|| Item de vijer s. uit Poistkens huse, dar Alke Claes nu ter tit yn wont, jarlicher rente synt van Alken Claes wederaff geloest anno XVe unde XIII jair.b c. Einkünfte der Stadt an 3ins von ihren Häusern und Grundstücken und den Fleischbänken.

Heberegister von 1409. Geschrieben von einer Hand, die im Beginne 15. Jhs . auch im Bürgerverzeichnis begegnet, nebst Nachträgen einer Hand² aus den mittleren Jahrzehnten des Jhs. Dit sint der stad tinse in den jaren uns heren MCCCC nono to paeschen. 1 Primo Yrmegard vur der Brucgen van erem hus 2 s. 2 [Item van Burchardes hus 2 s .]

Item Borchartzhus 2 s .

3 Item Hermans gadem opper Beke. [ 1 mr.] 14 s.

[Item Vedelers gadem 1/2 mr. ] Item Else Saterdages 5 Item Evert Cleve van sijme gademe 21 S. 6 Item Alefe Leppers gadem [ mr. 7 s.] 6 s.

½ mr.

7 Item Vedeler van der kameren op den Vleischus 2 s. s. 8 Item Manderscedes gadem 2 9 Item van 4 vleischbenken 5 s.

Dit sijnt dye herfsttinse. 10 Den irsten des Bewers hus 12 mr. 11 Arnd Tymermans hus 1 mr. 12 Item Yrmegard vur der Brucgen 2 s.

13 Item Gobel Smit van eyme garden 12 d., 1 hoyn . 14 Item Pinken hus 6 d. 15 Item dye Gruter van sijnen veer hoeveken 3 alde grote . 16 Item gartengeld 4 d. 17 Item Rutgerken van sijner kameren 2 s. 18 Item van 4 vleischbenken 5 s.

19 Item Stoetersche van dem Leymkleve 1 scepel avene. a Nachtrag von Hand 16. Jhs . b Danach 6 Zeilen ausradiert, ohne Reagentien nicht lesbar. c Gestrichen. d von wenig späterer Hand gestrichen und 6 s . beigefügt.

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20 Item des Boerchers hus 3 s. 21 Item van lande bij Zemelinchusen 1 scepel avene. 22 Item Kurnemans gadem 6 s. 6 d . 23 Item oppen Brinken van eyme garden 2 s. 24 Item van Tyelen to Egelsteyne under dem Steynwege 7 d. 25 Item Buytses gadem 4 s. 26 a a [Item Vedelers gadem ½ mr. ]

27 Item Hurneman solvit van eyme garden 12 d., 1 hoyn . 28 Item dat blek achter der Stoterschen hus 21 d.b d. Abgaben der Stadt an den Grafen von der Mark. Geschrieben von der Hand, die im Bürgerverzeichnis den Eintrag des Jahres 1412 gemacht hat. Item dyt is

de gulde, de wy unsen ghenedighen hern van

der Marke des jars ghevet, hir na ghescreven steet. 1 Item in dat eirste 3 mr.

up sunte Mertyns misse.

2 Item 5 s. des jars up paschen van den vleesbencken . 3 Item 10 s. des jars up sunte Mertyne van braugelde.

e. Ordnung der drei Gilden. Geschrieben von einer, den mittleren Jahrzehnten des 15. Jhs . angehörenden Hand, nebst einem Zusatz von Hand 16. Jhs . , die den Nachtrag oben in b 10 geschrieben hat . Dyt is die ordinancie der drijer gylden. Gedruckt : G. Kranz, die Aemter und Gilden der Stadt Werden, Ant. VI. , in den „Beiträgen", Heft I S. 27. f. Einkünfte der Stadt an 3ins von ihren Häusern und Grundstücken sowie den Fleischbänken. Heberegister aus der Mitte des 15. Jhs . Geschrieben von derselben Hand, wie die Gildeordnung ( oben e) ; fortgesetzt von (? derselben) Hand 1ª und drei wenig jüngeren Händen 2–4. Dyt synt der stat tynse van Werden.

1 Ten irsten Hylle Stevens huyss 8 s. Item der Hoeffkenschen twee gedeme, itlich 3 s . 3 d . 3 Item die hoff toe Cothusen 3 s.

4 Item Hoverscheitz gate 3 s. 5 Item Godertz huyss voir der Brugghen 4 s. 6 Item Hunxsbeken huyss 2 s. a Gestrichen. b Nachtrag auf Rajur.

64

7 Item Francken huyss 2 s. 8 Item Johan Wessels huyss 3 s. 9 Item soe is toe weten,

dat Johan Wessel des Vosses poirte ver-

daen is toe sijnre moeder lijve ind gylt dair des jaers nicht van. 10 Item dat Kleyne Bardenscheit

½ mr.

11 Item eynen garden up ten Grynde, den Kirstken in der Huyrnen underhevet, 8 alb. d. 12 Item eyn plass voir der Bornpoirten, den Gobel toe Straethusen underhevet, 8 d. 13 Item Aebelen huyss 21 d .

14 Item dat huyss toe Ychelsteyn 1 mr. 15 Item Johan Somer van tween woertsteden 8 alb. d. 16 Item der Kaekynnen huyss 2 s. 17 Item Coird Scroeders huyss 2 s. 18 Item Evert Nyevyantz huyss 3

s.

19 Item Fyen huyss toe Borcke in den Bungart 3 s. 20 Item Beele Langerbeens huyss in den Bungart 4 s.

21 Item Hutodages huyss 4 s. 22 Item die doeckscherre van tween woertsteden 5 s. 2 d. 23 Item Hutmans huyss mr. 24 Item Acleff Hynsbeken huyss 18 d.

25 Item Andreas Smyt van syme huyss 2 s. 26 Item Schevemans huyss 3 s. 27 Item 28 Item huyss 29 Item

eynen garden achter Schevemans huyss 3 s. die Klepper van eyner hovestede gelegen beneven Evert Scroders 2 s. Else Somers huyss 18 d.

30 Item Kleynsorghen huyss is vrij gegheven. 31 Item Fye toe Borcke van eynen plesken voir der Bornpoirten under Stockmans hove 6 d . 32 1 Item Henrich ten Putte 1 mr. uit den Ulenbroicke. 33 Item Herman Gueden huyss an der Heggestraten 12 mr. 34 Item Peter Muntza huyss / mr. 25 Item Gobel Pelser 2 alb. d. van lande genant upten Leymkleve gelegen boven Henrichs lant upter Dunck. 36 Item Evert Nyevyant 2 alb. d . van eynen wege. 37 Item van Postkens gadem 3 s. 3 d . 38 Item van der Hovekenschen gaedem, dar Styneke Mandelschieth ynne woent, 3 s. 3 d.

a Der Name ist unsicher.

65

g. Einkünfte zur Spende bei der Hagelprozession. 4 Geschrieben von derselben Hand 15. Jhs. ( etwa 3. Viertels ), die als Hand * Zusäge zu dem jüngeren Heberegister der Stadt (oben f.) gemacht hat. Dyt hevet men toe der spynde in die hagelvijr, wan men dat hyllige sacrament umme die stat dreget.

1 Ten irsten Bele Langerbeens. 2 Item Johannes toe Borcke 1 molder roggen van den Bruynsswyck. 3 Item Henrich ten Bogen van syme huyss 1 molder roggen.

4 Item Mertyns huyss 6 d. 5Item Thomas huyss 12 d. Item Kathrine van Pra 4 d. Item Dyderich Loesken van den hove upter Oye 6 d.

h . Ordnung der Fleischhalle. Geschrieben von Hand 16. Jhs . (2. H.)

Ordinantie der fleyßhallen . Gedruckt: G. Kranz, a. a. O. , Ant. VII . S. 28. Auf der letzten Seite findet sich von Hand 1a des Heberegisters (oben f.) ein auf die Fleischbauer bezüglicher Nachtrag , abgedruckt oben S. 42 Anm. 1 ; danach eine wieder gestrichene Nachricht, daß an Johan Wessel 1 Morgen Landes gelegen upter Hogerheggen horende in unser liever vrouwen gylde ausgethan ist.

III.

Zwei Verzeichnisse von Häusern in Werden. 1477 und 1519 . a. Häuser, die an das Kloster zinspflichtig sind . Aus Volbert Schades Rentgüterregister 1477.

Düsseldorf St. A. Abtei Werden IXa nr. 2. Bl. 188. Die folgende Zusammenstellung iſt dem Inventarium, das ſich am Schluſſe findet, entnommen , und dient insofern auch zur Ergänzung des in der Ausgabe der Werdener Urbare LIIIa mitgeteilten ; es sind hier nur die Namen der Häuser und die Lageangaben ausgezogen ; in ( ) werden die in Schades Regiſter, aber nicht im Inventar Bl. 188, verzeichneten Zinse beigefügt, mit die unter Hof Barkhoven eingetragenen. (K) und (1 ) bedeuten Nachträge von Kruyshaers , bez. Dudens Hand . Domus gnant Spikers hues.

(4 d . )

* Domus, dar Gobbel Pelser inne wonet. ter Porten. (12 s.) .

(K) olim domus dicta

5

66

(K) Johan ter

3 Domus prope aliam gnant Sommers hues. Moelen. (4 s .)

(K) de schoele . 4 Domus gnant dat Porthues prope cimiterium. (K) sita tiegen der Voeyr. (6 d . ) 5 Domus gnant Blankengevels hues (4 d . ) Domus gnant Gronewaldes hues. 7 Domus Gobbel Taenschedes an der Bornstraten . huys, quam inhabitat Johan van Ratingen. 8 Domus gnant Kornemans hues prope forum. Domus gnant Tylman Bulkes hues curia. ( 12 d. ) 10 Domus gnant dat hues in dem broke. (7 d .) 11 Domus gnant Romerberges hues.

(K) by Pelsers

(812 S.) (3 s .)

(K ) iam

eyne wortstad .

(K) by dem Ulen-

Keller.

(K) etiam iam curia.

(12 d. ) (K) Hovekens huss.

12 Domus gnant dat hues vor dem Kerckhove. 13 Domus gnant Hert Mesmeckers hues.

(812 S.)

(K) Wolter

14 Domus gnant Bynnenkneyss hues prope forum. Pastoers. (6 d. )

15Domus gnant dat Ulenbroick.

(*6 d .)

16 Domus dicta Borker hues. 17 Domus dicta Wolves hues up dem Graven . vacua sita prope Cordes Hoppenbruwers hues

(3 d. ) et est [locus] ( K) to Hummel.

18 Domus dicta Lemkens hues vel Coeckhuys . . . dar Knoep nu inne wonet. (3 d .) adhuc habet iam: (K) Gort19 Domum dictam des Wevers hues an der Heggestraten .

fridus huys.

(4 d .)

20 Domus nu gnant Johans hues toe Gruntenschede

(8

s.) .. et

est sita in der Bornstraten cum una wortsta'd gnant Dreas hues under dem Berghe. 21 Domus gnant Johan Hoppenbruwers

hues in der Bornstraten.

(7 s .) 22 Domus prope forum dicta Niggenhuses hues... 23 Domus gnant de Heytesteyn . (2 s.)

(6 d .)

( 2 d.) (D) Rosier Duicker. 25 Domus gnant de Hegghe. (*3 d .) (K) Scholemeisters26 Domus gnant Willemes hues up der Heyde. 24 Domus gnant Stoters hues.

huys. (6 d.) 27 ( K) Domus tem Hummel .

(9 s.)

28 Domus by den Putte an Tomases huse.

(3 s .)

67

29 Domus des Selters huss am marckte.

Tomases huss.

(*4 d .)

30 Domus Volmars huss.

(*4 d .) 31 Domus Langerbeyns an der Bornstraten.

( ½ mr.)

Ferner finden sich im Register selbst noch eingetragen : 32 hus up der Misten . (* 2 d .) 33 Kersteken in der Hurnen van sinen hues. (*7 d.) 34 Wuldrades hues.

(* 2 d.)

b . Häuser, die als Lehen vergeben find. Aus Hermann Hattrops Lehengüterinventar 1519. Düsseldorf C 48 Bl . 25b f. Nur die Häuſer, bei denen am Rande Werden steht, sind in der folgenden Zusammenstellung aufgenommen ; die nach Kettwig ge= hörigen find ausgelaſſen. Bemerkenswerte Angaben in einem entsprechenden Verzeichnis Kruyshaers (Münster St.-A. VII 6707 ) werden in ( ) beigefügt. Sequuntur domus feudales ministeriales etc. in Werdena... 1 Domus des Zelters. (alias to Hoentorp) . 2 Domus Bensem .

3 Domus Lansberges. 4 Domus des Robeneters.

(nunc im Bungart).

5 Domus dicta Hegge. 6 Domus dicta de Voer in Werdena .

Domus Prophetekens . 8 Domus Husmans super Heggestraten . 9 Domus in der Munten . (circa forum). 10 Domus up dem Werde. 11 Domus Tuckebudels.

(circa Ruram ).

12 Domus in der Hellen .

13 Domus dat Gruethuyß.

(vel des Gruyters) .

14 Domus up der Trappen.

((D) by der Bornporten).

15 Domus prope forum (3uja : circa capellam sancti Nicolai). 16 Domus Tielen Eygelsteyns . . foris porte fontis. 17 Domus quondam dicta ter Galpe in Werdena. 18 Domus olim Baermans prope macellum in Werdena. 19 Domus in Werdena olim Prymenhuyß, dar her Herman Boicholt preister inne wonet, cum

attinentiis

achter Borckerhuyß an der

gaten an den Bongart, eyn affspleit van den guderen horende to der heirschap van Oefte. a Hier steht keine Ortsangabe am Rande.

5*

68

Nachtrag zur ältesten Stadtgeschichte Werdens.

Bei der Ausarbeitung der Einleitung zur Ausgabe der Werdener Urbare werde ich auf einige Quellenstellen

aufmerksam,

die zur

Ergänzung des in dem voranstehenden Aufſay ausgeführten hier Play finden mögen.

Zunächst sei darauf hingewiesen, daß die Ansicht

von der Erhebung Werdens

zur Stadt im Jahre

1317 , deren

Richtigstellung ich in meinen obigen Darlegungen versucht habe, schon sehr alten Ursprungs ist . Henning Hagen, der in den beiden letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts in Helmstedt als Mönch und von 1501–4 als Propſt lebte, hat in ſeinem Syllabus abbatum Werthinensium (Scriptorum Brunsvicensia illustrantium to . III. ed. Leibnitz, p . 602) vom Abt Wilhelm von Hardenberg berichtet : idem cum suo advocato comite Markensi Werdenam villam fecit civitatem . . . ; indes wie wir ihm darin nicht beipflichten können, eine derartige Maßregel als frommes Werk zu deuten, so vermag die Nachricht nicht als Stüße für jene Auffassung verwertet zu werden, sondern dient nur als Zeugnis dafür, daß damals die Entstehungsgeschichte der Stadt Werden nicht klar erkannt war; der Grund ist der, daß mit der Stadtbefestigung von 1317 das Werden geschaffen worden ist,

wie

es sich später bis

in neueste Zeiten

erhalten hat und auch dem Kloſterbruder Hagen bekannt war. Für die älteren Zeiten aber bringt Hagen zwei Angaben, die hier erwähnt seien. kapelle

Der Mitteilung von der Gründung der Nicolai-

zwischen dem Kirchhof und dem Markte Werdens ", deren

er allerdings fälschlich erst unter Abt Gero¹) gedenkt, fügt er einen . Hinweis darauf bei, daß am Feste des erwählten Patrons, des heiligen Nikolaus, ein Jahrmarkt abgehalten zu werden pflegte ; man darf wohl diese Stelle zur Bekräftigung der Ansicht verwenden, ¹) Unter diesem Abt ward ein Altar in der Ludgeridenkrypta dem heiligen Nikolaus geweiht ( 1059).

69

daß dieser Jahrmarkt jedenfalls nicht älter als die Mitte 11. Jahrhunderts ist .

Von Abt Bernhard,

er das Fest der Umtragung

(um 1125-41 ) jagt H., daß

des heiligen Ludger cum nundinis

eingerichtet habe, der vielen Kranken wegen, die zu Werden Heilung suchten.

Der angegebene Zweck verbietet, dabei an die Einrichtung

eines Jahrmarktes zu denken ; vielmehr wird die Festzeit gemeint sein, die in dem Privileg vom 24. Juli 1317 auf 8 Tage vorher und nachher beſtimmt wird , von dem Jahrmarkt ganz deutlich unterschieden, der darin ebenfalls erwähnt wird ; ein zweiter Jahrmarkt ist den Werdenern erst 1371 verliehen worden. Wichtiger als diese späten Angaben Hagens ist eine Stelle in der Lebensbeschreibung Vardos, des Abtes von Werden und späteren Erzbischofs von Mainz , die Vulculd nicht lange nach deſſen † ( 1051 ) verfaßt hat. Er sagt von ihm (Mon. Germ . SS . XI p . 318 , cap . 3) : divina disponente gratia in castro Wirdina dicto patri monasterii defuncto in locum abbatis surrogatur beatus Bardo. Lehrreich hier die Bezeichnung Werdens als festen Ortes . Dem Zusammenhange nach ist klar, daß das Kloſter in die Befestigung einbezogen gewesen ſein muß ; dazu ſtimmt, daß auch in der Tat die Umfaſſungslinie des oben (S. 14, bez . 17 ) beschriebenen Ovals Klosteranlage und Marktsiedelungsteil einschließt.

Werden war

also um die

Mitte des

11. Jahrhunderts ein fester Ort, der aus Kloster und Marktsiedelung Nahe liegt es, deren Fortbildung zur civitas, die uns

bestand .

um die Mitte 12. Jhs . bezeugt ist, mit der Entstehung der Stadtvogtei in Verbindung zu bringen, deren erster Vertreter unter Abt Vernhard urkundlich begegnet ; läßt diese doch auf eine gerichtliche Sonderstellung Werdens schließen. Vielleicht darf demnach für die Zeiten dieses Abtes und des Grafen Adolfs ( I. ) von Berg zuerſt das Dasein der civitas Werden angenommen werden . Der

durch die

Unregelmäßigkeit seiner

Gestalt

auffallende

Siedelungsteil an der Südwestseite des Klosters weist die Merkmale allmählicher Entstehung auf.

Das nördlich von der Verlängerung

der Fluchtlinie der Bungertstraße liegende Stück hat wahrscheinlich schon im 12. Jh . zur civitas gehört.

Im übrigen ist er als Vorort,

sei es der burgartigen Kloſteranlage, sei es der Stadt, aufzufaſſen; bei dem Uebereinkommen vom 24. Juli 1317 behielt sich der Abt die Aufsicht über das Borner Tor cum suo preurbio (in niederdeutscher Uebersetzung ; mit erer voirstadt) vor.

70

Das

Gericht Werden

die Ausübung

im späteren Mittelalter

der Landesgewalt

und

im Stiftsgebiet.

Von Dr. phil. Rudolf Kößſch ke.

In den drei legten Menſchenaltern vor Werdens Säculariſation 1802/3 ist mehrfach heftiger Streit zwischen der Krone Preußens und der Reichsabiei um die Rechte der Landeshoheit im Stiftsgebiet gewesen, der uns heute ein wenig altfränkisch anmutet, gerade darum aber auf historisch interessante Fragen führt .

Schon damals

haben Juristen beider Parteien mit Rüstzeug aus dem archivaliſchen Schage der Urkunden und Akten in gelehrten Streitschriften ihren Standpunkt verfochten und die Rechte der weltlichen Macht, sowie der Abtei durch urkundlichen Nachweis von Werdens zeit an geschichtlich zu begründen versucht .

Entstehungs-

Jener Streit hat in-

zwischen durch die Einverleibung des Stifts in das preußische Staatsgebiet in stürmischer Zeit seine praktische

Entscheidung

gefunden.

Indes entbehrt der ihm zu Grunde liegende Rechtsfall noch heute nicht des wissenschaftlichen Interesses ; darf doch die Frage nach Ursprung und Art der landesherrlichen Gewalt in solch einem geiſt= lichen Herrschaftsgebiet bei dem gegenwärtigen Stande der Untersuchungen zur deutschen Verfaſſungsgeschichte ein allgemeineres, über die bloß ortsgeschichtliche Bedeutung hinausgehendes Interesse beanspruchen. In innigem Zusammenhange damit steht nun die Klarlegung der Werdener Gerichtsverhältnisse im späteren Mittelalter. Nicht als ob die Landesherrschaft aus der Gerichtshoheit abzuleiten wäre ;

71

die Befugnisse des Landesherren waren mannigfaltig, und nicht aus einer Quelle nur sind sie entsprungen.

Aber darüber kann kein

Zweifel sein, daß die räumliche Grundlage, auf der die Ausübung landesherrlicher

Befugnisse

ruht,

der

Gerichtsbezirk

Werden

ist.

Darum ist das Problem der Entstehung der Landesherrschaft im Stiftsgebiet aufs engste verknüpft mit der Frage nach der Bildung des Gerichtsbezirkes Werden und der in ihm geltenden Gerichtsverfassung .

Die Behandlung dieser Frage soll den Gegenstand der

folgenden Studie bilden ; zugleich möge sie zur Einführung in das Verständnis der in der Beilage veröffentlichten Gerichtsordnung dienen, die

von mir bei

Gelegenheit meiner

Vorbereitung

der

Werdener Urbarausgabe aufgefunden worden ist und einen gewiß nicht unwillkommenen Beitrag zur Kenntnis Gerichtsverhältnisse zu liefern vermag.

spätmittelalterlicher

1. Der Gerichtsbezirk Werden und seine Abgrenzung. Der vielgestaltigen Bildungskraft deutschen Rechtslebens gemäß ist in den Zeiten vom späteren Mittelalter bis des

alten Reiches

Grenzen des worden.

zur

Auflösung

auch auf dem kleinen Raume innerhalb der

Stiftes Werden

verschiedenerlei

Gericht

abgehalten .

Mehrere Sondergerichte, die für bestimmte Personenkreiſe

oder Güterverbände zuständig waren, haben hier ihre Stätte gehabt. Indes bestand auch ein allgemeines öffentliches Gericht zu Werden, dessen Geltungsbereich das ganze letter

Landrichter

hat

Land Werden" war ; als sein

der bekannte

P. Fr. J. Müller, gewirkt.

Geschichtschreiber der Abtei,

Die Kenntnis dieses „ Gerichtes Werden“

ist für das Verständnis der geſamten Werdener Gerichtsverfaſſung von besonderer Bedeutung ; ihm soll die folgende Tarlegung gewidmet ſein. Untersuchen wir zunächst das Gericht Zuständigkeit besaß.

räumliche Gebiet, wofür dies

Die früheste Nachricht von dem Dasein eines Gerichtsbezirkes Werden enthält die in der Werdener Geschichte so wichtige Urkunde über den Vergleich Abt Wilhelms mit dem Grafen der Mark vom 24. Juli 1317.

Engelbert von

Teutlich tritt uns hier das Gericht

Werden als ein umgrenztes, geſchloſſenes Landgebiet entgegen ; und

72

ganz

klar ist

es auch, daß

der Abt innerhalb desselben gewiſſe

Rechte der Landesgewalt ausüben soll : ein Recht, Gebote und Verbote zu

erlassen, ') soll ihm hier zustehen,

kein Zoll soll zwischen

den Grenzen des Gerichtes Werden²) ohne seine Zustimmung erhoben, feine Befestigung

ohne seinen

Willen

errichtet werden. ")

Kein Zweifel: Gerichtsbezirk Werden und Stiftsgebiet decken sich räumlich -- schon nach dieser ersten Nachricht, wie dies auch später der Fall gewesen ) und geblieben ist bis zum Ausgang der abteilichen Zeit.

Damit bietet sich uns

eine Handhabe zur Bestimmung von

Umfang und Größe des Gerichtsbezirkes Werden im späteren Mittelalter. Hat es nämlich auch an Grenzstreitigkeiten zwischen der Abtei Werden und

ihren

Aenderung des

Nachbarn

Stiftsgebietes

nicht

gefehlt,?) so

als des

ist

doch

keine

Geltungsbereiches landes-

herrlicher Gewalt erkennbar.6) Das Gebiet von 1/4 Quadratmeile, 1) Lacomblet U. B. III. nr. 162. Item et quoddam statutum est, quod vulgariter dicitur cor, et illud pertineat per totum iudicium ad abbatem . 2 ) Item theolonium nullum infra limites iudicii Werdinensis statuetur, nisi sit de abbatis consilio et consensu. 3) Item advocatus nullam munitionem faciet infra limites iudicii Werdinensis, nisi de abbatis fuerit voluntate. 1372 Sept. 17 : bynnen denselven stichte ind gherichte . * ) 1372 : als dat sticht off gherichte wynth ind kiert. — Vom 3. Viertel 15. Jhs. finden sich Auseinandersetzungen zwischen Abt und Vogt über das Recht der Steuererhebung im Stiftsgebiet. 5) s. darüber Düsseldorf, Staatsarchiv, Abtei Werden VI, 2 : Verhandlungen. die Grenzen des Stiftsgebietes betr. aus der Zeit von 1653-1799 . Dieſe Akten betreffen mit einer Ausnahme nicht strittiges Gebiet , sondern einzelne Vorfälle an den Grenzen (Straßen). 6) W. Fabricius, Erläuterungen zum geschichtlichen Atlas der Rheinproving, II S. 328 ſpricht davon, daß die Bauerſchaften Richrath, Rottberg und Bosnacken in früheren Zeiten Bestandteile des Gebietes der Reichsabtei Werden gewesen seien ; von diesen sollen die Honſchaften Richrath und Rottberg bereits im 16. Jahrhundert zur Herrschaft Hardenberg gehört haben ; am 8. Sept. 1621 habe Abt Hugo von Werden auf alle Rechte an dieſen beiden verzichtet und noch die Honſchaft Bosnacken hinzugefügt. Vgl . dazu L. Bender, Geſchichte der vormaligen Herrschaft Hardenberg ( 1879) S. 51 f. u. 35. Worauf sich Benders Angaben stüßen, ist nicht klar ersichtlich . Wahrscheinlich liegt eine Verwechselung von Grundherrschaft und Landesherrschaft vor. Grundherrliche Rechte hat nämlich die Abtei Werden in allen drei Bauerschaften in der Tat von alter Zeit her befeſſen ; in Vosnacken stand dem Abt auch Holzmarkgerechtigkeit und das Holzrichteramt zu (s. Urbare, LIII, a § 1 , 7 und XXXVI , 9 ; Anh. B , 2) . Landesherrliche Befugnisse sind aber nicht nachweisbar, vielmehr ist die Annahme einer Landesherrschaft des Abtes in den drei Ortschaften und damit einer Zugehörigkeit derselben zum Stiftsgebiet mit den in meiner Darstellung oben verwerteten Nachrichten nicht zu vereinen . Der Vergleich zwischen Abt Hugo und Philipp Wilhelm von Bernsau, Herrn zu Hardenberg vom 8. Sept. 1621 (Düſſeldorf, St.-A., Urkt. des Stifts Werden nr. 425 2709 bezicht sich nur auf Bosnacker Holzmark und Holzding und setzt die Ausübung der Landesherrschaft durch den Herrn von Hardenberg in Voknacken als Rechtszustand voraus, führt sie aber nicht erst ein.

73

wie es um 1800 beſtand und in seinen Grenzen genau beſtimmbar ist, ¹ ) wird darum, von etwaigen geringen Grenzverſchiebungen abgesehen, als der Bezirk des Gerichtes

Werden gegen Ausgang des

Mittelalters angesehen werden dürfen. Ein Vergleich der einschlägigen Nachrichten über die Beſtandteile des Gebietes im 16. und 18. Jahrhundert bestätigt diese Annahme. Für die Zeit kurz vor der Aufhebung der Abtei gibt uns jezt W. Fabricius auf ſeiner Karte der politischen und adminiſtra = tiven Einteilung der heutigen preußischen Rheinprovinz für das Jahr 1789 sowie in den

Erläuterungen“2) dazu Auſſchluß .

Für

die weiter zurückliegenden Zeiten lehren uns die Landsteuerregiſter um 1510,3) von 15124) und um 1535,5) sowie eine Stiftsmatrikel von 1640 )

den Bestand des Stiftsgebietes und Amtes Werden

fennen ; führen jene beiden ältesten, von der Abteiverwaltung verfaßten Register

einfach

die Namen

der Pflichtigen,

die freilich

großenteils auch eine Ortsbezeichnung in sich enthalten, nach Bauerschaften geordnet, auf, so sind in dem Register, das cleve-märkische Beamte um 1535 über eine schattung der undersaiten des ampts tot Werden angelegt haben, die buyrschappen myt den hoven und katen des gerichtz tot Werden verzeichnet. Alle diese Nachrichten über folgender

die

Uebersicht“

Bestandteile des zum

Stiftsgebietes sind in bei-

Vergleiche nebeneinandergeſtellt.

1) Die Flächen der eingehörigen, bei Fabricius a. a. D. verzeichneten Gemarkungen ergeben zuſammen ein Areal von 68,18 qkm. v. Viebahn, Statistik und Topographie des Regierungsbezirks Düſſeldorf I ( 1836) S. 57 gibt als Größe des alten Stiftsgebietes und Gerichtsbezirks 1,251 Q.-M. an. 2) Geschichtlicher Atlas der Rheinproving nebst Erläuterungen, hrsg. von der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde. Karte von 1789 , Bl . 2 ; Erl. II S. 339 f. *) Düſſeldorf, St.-A. Cleve-Mark XXIV , Verhältnisse zu Stift Werden, vol. I. nach Bl . 72. Der abteiliche Ursprung dieses Registers ist aus der Schriftart zu erschließen ; Anlage des Registers , sowie die Pflichtigen entsprechen fast völlig dem von 1512. 1) Düsseldorf, St.-A. , Abtei Werden, X (Rechnungen) nr. 15, Bl. 34 ff.; der abteiliche Ursprung ergibt sich aus den Zahlungsvermerken.

5) a. a. D. wie das um 1510 Bl . 72½ ff. Eine Veröffentlichung der Steuerregister, die über das Verhältnis von Landesherrschaft und Grundherrschaft über die ländliche Bevölkerung des Stifts und deren Vermögensverhältnisse lehrreiche Aufschlüsse geben, wird von dem Verfasser dieses Auffages für ein späteres Heft der Beiträge" vorbereitet. 6) Düsseldorf, St.-A. Abtei Werden VI, 7 .

Stadt. Werden Bauerschaft Dorf und. Kettwig Honschaft Umstand.

Stiftsgebietes des Bestandteile die. Uebersicht über

1800. llm

ich. Ketw Dorp

1512.

Ulm 1535. Buyrschappen:

Roßkothen.

Dorf Kettwi g. Umsta ger Kettwindt.

Fischlacken.

Ketwich.

Roskaten.

Hamme.

Honschaft lcten.

Vyslaecken.

Heithausen.

Ickte.

Vislaic burschker ap.

Hamme.

Holsterhausen.

Ketwich, kerspel. dat

Hammer burschap.

Heythuysen.

Stade Haus (). Honschaft Jften Honschaft. Roßkothen Haus Fischlafen Honschaft ( Honschaft Samm.

Heithuser burschap.

Holsterhuisen.

Scheppen ).

Seidhausen Sonichaft.

Holste rhuser bursch ap.

Klein Umbstandt.

Sonschaft. Holsterhausen Umitand. KleinSonschaft

Heisinger burschap.

Meckestocken.

Heyssonghe.

Bredeney.

Heisingen.

Grote Umbstandt.

burschap. Bredenneier

Schuyrer buyrschop.

Honschaft Schüer.

Schuirer. buirschap

Umbstandt.

Umbstant.

Fabricius Kettwiger bezeichnet Bezirk Bei alsa. Regierungsbezirks 57 Düsseldorf S. Topographie Statistik des u Biebahn Vgl. v,. Desgleichen Werden. Amt als Gemeinden. 4()1,, Kettwiger Bezirk 12 Werden Amt

Haus(). Honschaft Schuir

Honschaft. Heisingen Baldeney Honschaft Bredenei Haus)).(

Hinsbeck. Honschaft

Honschaft Rodberg.

74

1640.

75

Es zeigt sich dabei, daß die Bauerschaften des 16. Jahrhunderts den Honschaften 17. und 18. Jahrhunderts entsprechen, nur daß Umstand, südöstlich von Werden, um die Mitte des 17. Jahrhunderts in Groß- und Klein-Umstand abgeteilt erscheint, ſtatt Großumſtand wiederum Ende

18. Jhs . die Honschaften Hinsbeck und

Rodberg

begegnen ; Jckte und Roskotten, in dieser Zusammenstellung zuerſt 1535 genannt, werden 1512 mit unter „Kirchspiel Kettwig “ aufge= führt ; für Bredenei begegnet einmal Meckenstock.

Indes alle diese

Abweichungen sind für die Abgrenzung des Stiftsgebietes belanglos , und es ist nicht einmal daraus ein Schluß auf früher fehlende Selbständigkeit dieser Höfegruppen zu ziehen ; gerade Rodberg und Meckenstock gehören zu den ältesten, die uns überhaupt begegnen.¹) Zu den Quellen über Grenzen und Flächenraum des Stiftes Werden in jener Zeit gehört mun auch die älteste Landkarte, 1582 unter Abt Heinrich Duden angefertigt2) in einem Maßstabe, der dem der „ Topographischen Karte in 1 : 25000 " , den sogenannten Meßtischblättern an Größe annähernd ähnlich ist . Wie die Orientierung, ist hier freilich auch die Grenzzeichnung noch unvollkommen ;

aber

eine wesentliche Abweichung der Grenzen von denen des beginnenden 19. Jahrhunderts ist nicht daraus abzulesen, so leicht die Führung der Grenzlinie dazu Anlaß bieten könnte ; hat doch noch ein Zeichner des ausgehenden

18.

Jahrhunderts

der Grenzlinie jener

älteren.

Karte auf seiner wahren und echten" Darstellung des Stiftsgebietes einfach nachgebildet.³) Aus mittelalterlicher Zeit liegen uns so flare Zeugnisse über Umfang und Bestand des Gerichtsbezirkes und Stiftsgebiets nicht Aus dem Jahre 1488 erfahren wir von einem Zeugenverhör vor dem Gericht Werden, ) bei dem außer der städtischen Einwohnerschaft auch

zehn Honnschaften mit

dem

Umstand"

vorbeschieden

worden sind ; ſichtlich ſtimmt diese Angabe zu denen aus der erſten Hälfte des 16. Jahrhunderts.5)

Für noch

ältere Zeiten aber läßt

sich nur vereinzeltes mittelbar erschließen. Aus den Bestimmungen 1) Schon unter den bei Bildung des Zehutbezirkes 875 genannten villae oder villulae. 2) s. darüber die Mitteilungen in dem dritten Aufsatz dieſes Heftes . 3) a. a. D.; s. auch die Beilage dazu : Stiftslimiten. *) f. Beilage III zu diesem Aufſatz. 5 ) Wahrscheinlich sind gemeint : Kettwig , Jdten , Roßkothen, Schuir, Bredenei, Heisingen, Fischlaken, Hamm, Heidhausen , Holſterhausen nebst Umstand ( einschließlich Rodbergs und Hinsbecks) ; genannt werden je ein Zugehöriger aus Holsterhausen und Hinsbeck.

76

des Vergleiches zwischen Abt und Vogt

vom 24. Juli 1317 geht

hervor, ¹) daß Kettwig und Bredenei zum Stiftsgebiet gehört haben. Demnach wird nach N. und Nw. die Grenze schon damals dieselbe gewesen sein, wie in späterer Zeit .

Zu dem gleichen Ergebnis führt

die Betrachtung der für die Geschichte des Gerichtes Werden besonders wichtigen

Urkunde vom 15. Nov. 1265 über ein Kauf-

geschäft zwischen dem Grafen Engelbert von der Mark und dem Grafen Adolf von Berg ; 2) jener hat nämlich alle seine zur Vogtei der Kirche Werden gehörigen Leute und 44 Hufen im Gerichtsgebiet des Grafen von Berg, ³) mit Ausnahme der zu Hof Kalkofen ge= hörenden Leute und Güter, an diesen, unter Vorbehalt der Rechte der Kirche Werden, zu erblichem Besize verkauft ;

doch sollen die

im Gericht Mülheim jenseit der Ruhr befindlichen Leute und Hufen . der Vogtei4) bei ihrem bisherigen Rechte erhalten bleiben ; geschehen . ist der Kauf zu Werden vor dem Abte und glaubwürdigen Zeugen. Der Zustand, wie er hier geschaffen worden ist, entspricht in der Tat dem, den wir in jüngeren Registern finden :

die Grafen von

der Mark und ihre Rechtsnachfolger haben um 14005) Vogteirechte über die Höfe Barkhoven, Viehausen und Kalkofen und

die einge-

hörigen Güter, sowie auch über Güter in der Honnschaft Saarn (im

Gericht Mülheim links

der Ruhr) inne ; und desgleichen im

16.

Jahrhundert )

im Amt

Vogtgeld

oder Gericht

von Werden

samt den anhangenden Werdenschen im Lande Berg, oder, wie

es

in Steuerregistern heißt, den anhangenden Märkischen, ) aber Vogt= gerechtsame in der Unterherrschaft Broich (Gericht Mülheim ; hier liegt Hof Raadt und Zubehör) oder sonst im Zande Berg stehen ihnen nicht zu.

Somit ist es klar : 1265 sind die Vogteigerechtig=

feiten in den angrenzenden Gerichten des

Landes Berg verkauft

¹ ) f. oben S. 71 ; deutlicher zeigt sich die Zugehörigkeit beider Orte in der Urt. von 1372 Sept. 17. 2) Westfälisches Urkundenbuch VII. nr. 1201 . ) universos nostros homines et quadraginta quator mansus advocatie ecclesie Werdinensis attinentes in iurisdictione nobilis viri Adolphi comitis de Monte . 4) homines et mansus memorate advocatie ecclesie Werdinensis in iudicio Mulhem existentes trans Ruram. 5) f. Urbare nr. LII. ) f. Urbare, LIIIa § 26. 7) Düsseldorf, St.-A. Abtei Werden IXa nr. 27. Bl . 21-24 : Registrum Markensium in terra Montensi für das Jahr 1510. Vgl . a. a. O. Bl . 15ª . Freiengeld im Amt Angermund 1526 ; a. a. O. Bl . 7a : die anhangende Merckschen i. J. 1535. Ferner : Cleve- Mark XXIV, Verhältnis zu Werden, vol. II B. 41 ff.

77

worden ; ') die im Werdener

Gebiet

aber (jowie

die zu

dem auf

Werdener Gebiet gelegenen Hofe Kalkofen) gehörigen Gerechtsame des Grafen von der Mark als Vogts von Werden wurden zurückbehalten.

Die Abgrenzung dieses Gebietes gegen

die benachbarten

• Gerichtsbezirke im Westen und Süden war schon vorhanden, und, wie faum zu bezweifeln ist, in einem Grenzverlaufe, der dem aus jüngerer Zeit uns genauer befannten entspricht.2) Das Vorhandensein. eines eigenen Werdener Gerichtsbezirkes ist damit freilich noch nicht einwandsfrei bewiesen, aber doch in hohem Maße wahrscheinlich, um so mehr, hin, wie

als

gerade die

nachzuweisen

Entstehung gewesen ist.

sein

Bildung der wird,

das

Das früheste

Grenze gegen Berg

entscheidende Zeugnis für

bei seiner das

Dasein

eines Gerichtes Werden ist die Erwähnung Heinrichs von Holthausen, Richters in Werden, in einer Urkunde des der Mark vom

Grafen Everhard von

10. Oft. 1291 ; 3) im folgenden Jahre, 1292 , er-

ſcheinen dann auch in einer vom Abt und Konvent zu Werden aufgestellten Urkunde ) Werdener Schöffen³ ) als Zeugen einer Testaments = anfertigung Gerlachs, des Plebans der Borner Kirche zu Werden . Die

erste Urkunde

des

Gerichtes

Werden aber ist

ein Zeugnis

Arnolds , des Richters, und aller Werdener Schöffen über den Vertauf eines nach städtischem Rechte liegenden, einem Bürger Werdens gehörigen Hauses am 9. Juni 1323.6) 1) Nach Ausweis der Urbare (IX § 5 und 10) kommen, unter Ausscheidung der im späteren Stiftsgebiet Werden, sowie in Essen und Cleve gelegenen Güter, in Betracht : als Zubehör des Hofes Raadt 1 mansus in Eppinghofen, 4 in Winkhausen, 3 in Fullerum, 1 in Merscheid , 1 in Menden, 4 in Raadt, 2 in Saarn (links der Ruhr) ; als Zubehör des Hofes Langenbögel 4 in Hasselbeck, 1 in Selbeck, 3 in Leubec, 2 in Rützkausen, 4 in Isenbögel, 1 in Langenbögel, 2 in Eggerscheid, 1 in Krumbach , 1 an der Anger, 1 in Hetterscheid ; als Zubehör des Hofes Hetterscheid (freilich nur für Mitte 12. Jbs . nachweisbar, Urbare VII § 5) 2 Güter in Hetterscheid, 4 in Leubeck und 1 in Hülsbeck, 2 an der Anger und 1 in ? Isenbügel ; demnach insgesamt 36 mansi und ? 10 Güter (mansi), eine Zahl, die zu den 44 verkauften mansi recht gut ſtimmt. Die Höfe ſelbſt waren nach altcm_Recht dem Vogt gegenüber immun ; ſ. Urk. 1098 Mai 23, Lacomblet 11. B IV 611 . 2) Vgl. die Aussagen von Zengen am 25. Juni 1390 , daß Velbert (villa) und die zur dortigen Kapelle gehörenden im Herzogtum Berg gelegen seien und nicht im Werdener Gebiet (intra fines et limites monasterii Werthinensis, in districtu Werthinensi) ; í. Jacobs, Werdener Annalen S. 212. 3) Westfälisches . B. Vll nr . 1423 ; s. das Verzeichnis der Richter, unten Beilage IVa. ') Düsseldorf St. A. Urk. der Abtei Werden nr. 71 ( 104). 5) f. unten Beilage IVb. 6) Düsseldorf St.-A. Urff. der Abtei Werden nr. 92 ; gedruckt : P. F. J. Müller, Ueber das Güterwesen ( Düſſeldorf 1816 ) Urf. XIV , S. 363 f.

78

Einen mittelbaren Schluß fönnte

man

aus

den

Namen

werden, zu ziehen versuchen. Werdener Bürger erkennbar .

auf den der

Gerichtsbezirk

Schöffen,

die

uns

Werden genannt

Deutlich sind die meiſten von ihnen als Mehrere

Herkunft von Orten aus Werdens

aber werden nach ihrer

Umgebung benannt : so nach

Fulerum, Myntard, Aue (? bei Kettwig ), Wallenei, Heiſingen, Fiſchlafen, Simlinghaus ,

Tüschen ;

diese Orte liegen, von den ersten

zwei (vielleicht auch dem letzten) abgesehen, in dem uns bekannten Gerichtsbezirke Werden.

Judes werden diese Namen nur als Her-

funftsbezeichnung gelten dürfen und zwar einen Schluß

auf die

Entstehung der städtischen Einwohnerschaft, nicht aber auf die Zugehörigkeit jener Orte zum Werdener Gerichtsbezirke erlauben. Die aus dem 14. und 15. Jahrhundert vorhandenen Werdener Gerichtsurkunden¹ ) vermögen wohl die

oben begründete Annahme,

daß der mit dem Stiftsgebiet räumlich sich

deckende Gerichtsbezirk

im wesentlichen unveränderlich geblieben ist,

auch ihrerseits zu be

ſtätigen, würden

aber an sich nicht ausreichen, um Umfang und

Bestand genügend festzustellen . So dürfen wir es denn als Ergebnis dieser Untersuchung be trachten : seit etwa der Mitte des 13. Jahrhunderts (kurz vor 1265 ) ist ein Gericht Werden mit einem zugehörigen Bezirk vorhanden ge= wesen; in diesem hat der Abt, nachweislich seit 1317, gewisse Hoheitsrechte ausgeübt; der Gerichtsbezirk ist also mit dem Stiftsgebiet räumlich gleich und ist, höchst wahrscheinlich von allem Anfang an, bis zur Säcularisation der Abtei in seiner Größe von Quadratmeilen im wesentlichen unverändert erhalten geblieben. Werfen wir aber noch

einen Blick auf seine Lage inmitten

der benachbarten Gerichte und Herrschaftsgebiete. Bei einer größere Räume ins Auge fassenden Betrachtung fällt uns seine Lage zwiſchen Cleve, Mark, Berg und dem fölnischen Westfalen ins Auge . Aber 1) Die ältesten sind die von 1323 Juni 9 (betr. Verkauf eines Hauses bei Neufirchen) , 1335 Juni 19 ( Gut in Jckte) . Aus etwas ſpäterer Zeit : 1372 Apr. 3 vor dem Gericht Werden ein gud to Walney geleghen in dem gerichte van Werdene verkauft ; 1373 Dez. 13 vor Richter und Schöffen 45 Morgen op dem gude to Portingen in Fischlaken verkauft ; 1384 Dez 11 Verzicht auf / mr. Erbgulde aus der Brinchove zu Kettwig ; 1393 Juni 4 ein hoeveken to Meckenstocke verkauft und vor dem Gericht Werden aufgetragen; 1400 Aug. 30 Gut up dem Berghe im Kirchspiel Kettwig verkauft und vor Amtmann, Richter und Schöffen aufgelassen. Gerichtliche Bezeugung auch : 1312 Febr. 14 ( Gut an der Hespec), 1348 Nov. 9 (Gut in Wallenei). Vgl . auch die Zeugenaussage vor dem Gericht Werden, 1471 , daß in diesem Gerichtsbezirk Kalkofen abgabefrei ſei. (Düsseldorf St A. Cleve-Mark Urff. nr. 1513 ).

79

unmittelbar angrenzen sehen wir die bergische Unterherrschaft Broich, die Grafschaft Berg mit den Landgerichten Mintard und Homberg, die bergische Unterherrschaft Hardenberg und das fürstliche Reichsstist Essen mit dem Gericht Rellinghausen und der Herrschaft Byfang . Das Gericht und Stift Werden liegt in einer Gegend, wo zwischen Berg und Mark und dem fölnischen Westfalen eine Anzahl (6-7 ) kleiner Herrschaften und Gerichte entstanden sind, gleichsam Splitterstücke zwischen großen landesfürstlichen Herrschaftsbereichen, — eine Tatsache politischer Raumaufteilung, die auch für die Untersuchung des Ursprunges des Gerichtes von Belang sein wird.

2. Werden vor seiner Löſung aus dem Graffchaftsverband im Ruhrgau . In den frühesten Zeiten, wo ein Licht schriftlich bewahrter Ueberlieferung auf Werden und seine Umgebung fällt, unter der Regierung Karls des Großzen und seiner Nachfolger, gehörte die Gegend zum Ruhrgau ) im ripuarischen Franken, der von dem Krongut Duisburg ,

nahe der Ruhrmündung flußaufwärts bis zu den Wäldern Heissi und Wenaswald sich erstreckte, die den Grenzsaum gegen den westfälischen Brukterergau bildeten. drückliches Zeugnis,

Man wird , auch ohne aus-

anzunehmen haben,

daß hier Grafschaftsver=

fassung bestand ; vielleicht ist uns auch der Name eines Grafen erhalten, der in dem Grafschaftsbezirk gewaltet hat, zu dem Werden gehörte : rodsten, der im Jahre 815 eine Hörige an Werden schenkt und höchſt wahrscheinlich auch am 24. Oft. 834 den Verkauf von zwei Hufen in Laupendahl an Werden bezeugt, wird in dem ältesten Werdener Cartular Graf genannt, ) und ist sehr wahrscheinlich auch in der

Gegend begütert gewesen. ")

Auch ein vicarius wird uns

genannt, Bernger, gegen 8204 ), zu deſſen Amtsbezirk, wenn überhaupt ein solcher abgegrenzt war, Werdens Umgegend gehört haben dürfte. 1) In den Jahren 811-844 ; s. Crecelins Traditiones Werdinenses, 34, 42, 44, 52, 59, 60. 2) Allerdings nicht im Text der Urkunden, sondern nur in der Ueberschrift zur Tradition vom 22. Jan. 815 ; vielleicht ist Hrodsten erst später (nach 834 ! ) Graf gewesen, zur Zeit der Abfassung der im Cartular erhaltenen Urkundenfammlung (? um 848). 3) Rütkausen (Hrotsteninghuson) ist vermutlich nach ihm genannt ; ſCrecelius, Trad. Werd S. 4. *) Lacomblet 1 44 ; vgl. 54.

80

Kloster Werden selbst, das eine Stiftung privaten Charakters war, hat Jahrzehnte lang zur Grafschaft gehört, ohne außerge wöhnlicher Vorrechte sich zu erfreuen . Die Uebereignung von Grundbesig ist allerdings vielfach im Kloster selbst vollzogen worden, Klostergeistliche haben die dazu giltigen Urkunden geschrieben ; aber dies beweist nichts für eine Sonderstellung in gerichtlicher Hinsicht . Auch das Dasein eines Vogies , ¹) dessen Tätigkeit bei einem Tauſch= geschäft von Grundbesig übrigens in eine Zeit bald nach dem Tode eines der Vorsteher Werdens , Bischof Thiadgrims († 840 Febr. 8 ) fällt, zeigt nur die nicht ungewöhnliche Vertretung des Kloſters in einer Rechtshandlung, nicht irgendwelche Lösung aus dem allge= meinen Grafschafts- und Gerichtsverband. Erst ein Menschenalter später, nach Zeiten mannigfacher Bedrohung und Unsicherheit, ist Kloster Werden am 22. Mai 877 in den besonderen Schutz des Königs aufgenommen und ihm Immunität verlichen worden.2)

Bedeutet dies

aber völlige Lösung

aus

der

Grafschaft, Entstehung eines gesonderten Gerichts- und Verwaltungsbezirkes ?

Keineswegs .

Die Urkunde besagt nur, daß die Mönche

der Immunität sich erfreuen sollen und den Klosterleuten (hominibus ) kein öffentlicher Richter vorſtehen noch von ihnen Friedensgelder eintreiben oder Unterhalt fordern dürfe ; vielmehr soll vor dem (vom Abte eingesetzten) 3)

Vogte Rechenschaft geleistet und Strafe

verhängt werden . Erst in einem Privileg König Zwentebolds vom 11. Mai 8984) wird ausdrücklich gesagt, daß niemand an einer öffentlichen Gerichtsstelle Klage gegen einen der Kloſterleute erheben darf, bevor er sich nicht an den Vogt, um Gerechtigkeit zu erlangen, gewendet hat; in der Reihe der Königsprivilegien von dem Arnulfs an, deren Wortlaut im einzelnen freilich nach der Art ihrer Ueberlieferung bis auf Konrad II . nicht als verbürgt echt anzusehen ist,³) wird von „vollster Immunität" gesprochen. Es bleibe dahingestellt, ob nicht vielleicht die Entscheidung gewisser, besonders schwerer Fälle dem Grafengericht vorbehalten geblieben ist ;

der Wortlaut

') 841 Mai 5 , s. Lacomblet 1 55. 2) Lacomblet U. B. 1 70 (nicht fehlerfrei) ; ſ. jetzt v . Sybel und Sickel, Kaiſerurfunden in Abbildungen Lief. VII, Taf. 11 nebst Erläuterungen dazu im Textband. 5) Im Original auf Rasur. f. Lacomblet U. B. 180 ; Mühlbacher, Regesten der Karolinger, nr. 1922. 5) . in meinen „ Studien“ S. 2, Anm 3.

81

der Privilegien spricht allerdings dagegen, und Analogieſchlüſſe aus den Nachrichten über andere Jmmunitäten ' ) sind nicht unbedenklich. Soviel aber ist klar : eine völlige Lösung

aus

dem Grafschaftsver=

band auch nur in gerichtlicher Hinsicht ist mit der Immunität nicht verliehen ; nur bei Rechtsstreit unter Klosterleuten ist der Vogt schlechthin richterliche Instanz ; sonst ist eine Berufung an das gemeine öffentliche Gericht nicht ausgeſchloſſen. Verleihung der

Jedenfalls aber ist mit der

Immunität für Werden nicht die Bildung eines

Werdener Gerichtsbezirkes

von der Art, wie wir ihn, mit festen

Grenzen umschrieben, aus späterer Zeit kennen, verbunden geweſen. Wohl wird auch von einer Wirkung der Immunität für herrschaftlichen Grund und Boden gesprochen werden dürfen : wie sonst das Betreten des jamten)

Grundeigentums (wenn vielleicht auch nicht des ge=

des mit Immunität beliehenen den öffentlichen Richtern.

verboten worden ist, so wird ein solches Verbot Geltungskraft gehabt haben ; ganz

auch für Werden.

ohne Zweifel für das Kloster

selbst und das in unmittelbarer Nähe liegende Gelände, aber wohl auch für die Klosterhöfe,

und

in einer für uns nicht erkennbaren

Weise für Haus und Grundbesig von Klosterleuten. aber hat Kloster Werden in jener Zeit

herrschaftlichen Besitz auch nur von der Größe in seiner unmittelbaren

Keinesfalls

einen geschlossenen grundeiner Quadratmeile

Umgebung gehabt ; nur kleinere und ver-

streute Erwerbungen sind für die

Zeit bis

um

die Mitte

des

9. Jahrhunderts nachweisbar ; 2) und mögen auch größere Bestände von ungerodetem Waldland in den Besitz des Klosters ohne uns erhaltene Erwerbsurkunde gekommen sein, so gab es doch um die Zeit der Immunitätsverleihung in den dem Pfarreibezirk zuge= wiesenen fleinen Ortschaften noch Grundeigentum genug, das vom Kloster unabhängig war ; 3) und auch an ansässigen Freien wird es in der Nachbarschaft nicht gefehlt haben. ) 1 ) Vgl. dazu : G. Seeliger, die soziale und politische Bedeutung der Grundherrschaft im früheren Mittelalter. S. 86 ff. 2) Auf Geschlossenheit des Besitzes zielten allerdings Liudgers erste Erwerbungen ab, doch nur für ein Gebiet um das Kloster herum von geringem Umfang ; f. darüber oben S. 6 f. 3 ) Abgesehen von dem Mangel jeglicher Traditionsnachrichten in mehreren Ortschaften aus jener Zeit folgt dies daraus, daß noch sehr spät eine ganze Anzahl von Gütern nur zehntpflichtig sind , aber nicht Grundabgaben an Werden zahlen ; f . den Nachweis in der Urbarausgabe, insbes. die Pfortamtsregister. *) f . in meinem Aufsatz „ Zur Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte des Niederrheins " in Westdeutscher Zeitschrift XXIV ( 1905) . 6

82

Gelöst war also die Verbindung dieſes Grenzſtrichs im äußersten Osten nach Westfalen hin vom westlicheren Kernland des fränkischen Ruhrgaus mit ſeinen Gerichtsstätten noch nicht .

Freilich infolge

der Entstehung und Ausbildung der auf Immunität gegründeten Werdener Vogteigerichtsbarkeit ward die Tätigkeit der öffentlichen Gerichtsbeamten in jenem Teilstück ihres Amtsbereiches eingeschränkt, und je länger, je mehr.

Noch 1093

Eigentumsübertragung des unmittelbar

wesentlich

aber ward die

bei Werden

am anderen

Ruhrufer gelegenen Hofes Dahl, den Thuring, ein Edelmann und reicher Grundherr, als freies Erbe besaß und an das Kloster übergab, zunächst allerdings

noch nach precarischem Recht zur Nutz=

nießung zurückerhielt, zu Mülheim im Grafengericht vollzogen ; ¹) Graf Dietrich von Cleve nahm die Schenkung an Stelle des Kirchenvogtes, des jungen Adolf von Berg, entgegen.2) Inzwischen

waren

mehrere Sondergerichte

zu

Werden

und in seiner

zur Wirksamkeit gelangt.

Umgebung

Vor allem hat

die Verleihung der Immunität die Entstehung von Fronhofsgerichten zur mittelbaren oder unmittelbaren Folge gehabt. Das früheste Zeugnis für das Dasein eines solchen Sondergerichtes liegt aus Gerolds

Werdens Nähe im Urbar aus der Zeit Abt

um die Mitte

des

11. Jahrhunderts vor :³) das Amt

Renzikos , des damaligen Verwalters des späteren Überhofes Bark= hof, wird als tribunatus bezeichnet,

ein Ausdruck,

auf wirtschaftliche, sondern auch auf gerichtliche läßt.

Tätigkeit schließen

Nicht lange danach aber erfahren wir, daß

in Werdens Umgebung um jene

der nicht bloß

acht Klosterhöfe

Zeit „ vogtfrei " dem Rechte nach

gewesen sind : Kaiser Heinrich IV. bestätigt nämlich und erneuert

1) Lacomblet U. B. 1 247 ; vgl . Crecelius , Trad. Werd . 114. ) 1115 (Lac. U. B. IV 617 ) verfügte Abt Liudbert über den endgiltig überlassenen Hof zu Zweden einer Jahresgedächtnisstiftung, die der Kellner zu verwalten haben sollte ; wenn dies nicht vor öffentlichem Gericht geschehen iſt, ſo erklärt sich dies daraus, daß es sich um eine innere Klosterangelegenheit handelt, und spricht nicht gegen die Fortdauer der früheren gerichtlichen Zustände der Gegend . 3) f. Urbare IV § 2. Aus der Zeit Abt Heithanrichs (1015-1029/30) wird in einer Urk. Kaiser Konrads 11. vom 10. Oft . 1036 , die nicht einwandfrei überliefert ist, ein Vertrag mit dem Vogte Grafen Hermann mitgeteilt, wonach dieser pro servitio, quod ex villicis vel familia exigere solebat, eine Anzahl ausgewählter Hufen erhielt. Der Rechtsinhalt dieser Urkunde findet im wesent lichen eine Stütze in einer Urbareintragung, f. Urb. 1 § 50. Da aber die aufgeführten Besitzungen in Westfalen liegen, ist dies Zeugnis für die Werdener Gegend höchstens mittelbar verwendbar.

83

am 23. Mai 1098 ' ) ein altes Recht, wonach die Höfe Barkhof, Kalkofen, Hetterscheid , Deste, Viehausen, Raadt, Jekten und Langenbögel völlig

immun" in Bezug auf den

Vogt sein sollen : ohne

daß der Abt ihn gerufen hat, darf er sie weder betreten noch bei einer

Gerichtshandlung

den

Vorsiz führen

oder irgend

welche

Leistungen (servicia) fordern ; nur dem Abte sollen jene untergeben . sein, dem Vogte haben Meier und Hofgenossenschaft nicht Rede und Antwort zu stehen. Kaiser abgegebene

Es fann dahingestellt bleiben, ob die von dem Erklärung,

daß nie ein Vogt ohne Geheiß des

Abtes hier den Vorsitz geführt habe, wirklich den Zuständen einer weiter zurück liegenden Zeit entsprochen hat. Die Ausbildung ſelb= ständiger Fronhofsgerichte, auf die der Abt einen unmittelbaren Einfluß ausübte,

wird

aber durch diese Kundgebung des höchsten

deutschen Gerichtsherrn für jene Zeit sicher bezeugt. der Bildung Rede sein.

eines geschlossenen . Gerichtsbezirkes

Indes von

kann dabei keine

Das zu jenen acht Fronhöfen gehörige Klostergut iſt

aus den Urbaren vom 12. Jahrhundert ab genau bekannt; es liegt dicht um Werden herum, aber es ist Streubesig . Einen räumlich geſchloſſenen Bezirk bildet auch das Gesamtzubehör aller jener Höfe nicht ; und was seine Lage zu dem späteren Werdener Gerichtsbezirk betrifft, so liegen fünf ) der Höfe innerhalb,

drei außerhalb seiner

Grenzen und die fronhofshörigen Güter liegen sogar zum größeren Teil jenseit der Umgrenzung .

Ja, selbst auf das Vorhandensein

eines irgendwie nach anderen Gesichtspunkten abgegrenzten Gerichtsbezirkes Werden würde man bei der hier erkenntlichen Art der Vorrechte jener Höfe nicht schließen.

Die nicht fronhofshörigen Hinter-

fassen des Klosters in seiner Umgebung werden übrigens entweder am Hauptorte der Großgrundherrschaft und, soweit der Grundbesig der Fronhofsverwaltung mit unterstand, vor den Fronhofsgerichten, oder unter Vermittlung des Vogtes vor den gewöhnlichen öffentlichen Herichten des Ruhrgaues ihr Recht gesucht und gefunden haben. Galt nun für jene Höfe in des Klosters Nähe eine beſondere Immunität gegenüber

dem Vogte, jo liegt die Vermutung nahe,

daß auch das Kloster selbst sich eines ähnlichen Schutzes gegen die Vogteigewalt erfreut, daß hier eine Immunität im „ engeren“ Sinne 1) Lacomblet U. B. IV. nr . 611. 2) Defte eingeschlossen ; in der Neuzeit ist die Zugehörigkeit von Defte zwischen der Abtei und der Schloßherrschaft ſtrittig gewesen. 6*

84

bestanden habe. Eine Nachricht darüber ist aus jener Zeit allerdings nicht vorhanden ; erst in Urkunden von 1381 und 1438 ist sie bezeugt, ¹ )

am 12. Jan.

1467 wird sie in einem amtlichen Schreiben an den Herzog von Cleve "! Freiheit" genannt, 2) und aus einer Angabe von 1535³) iſt ersichtlich, daß darunter nur der enge Bereich der Klosteranlage selbst und das unmittelbar angrenzende Gelände verstanden werden kann. Indes da wir anderwärts das

Vorhandensein

„ engerer

Immunität“

in den Jahrhunderten

der

deutschen Könige aus sächsischem und ſaliſchem Hause mannigfach bezeugt finden, ) so darf auch für Kloster Werden ein solches Rechtsverhältnis schon in jener Frühzeit angenommen werden, wo wir in den Zeiten König Konrads II . und seiner Nachfolger, ja schon unter Otto III , die Aebte gegen Uebergriffe der Vögte sich wehren sehen. Ein geschlossener Bezirk ist bei der Bildung ſolch engerer Immunität abgegrenzt worden,

aber allerdings nur von allergeringster Aus-

dehnung ; hier hat der Abt über die Hausgenossenschaft eine hausherrschaftliche Gewalt geübt . Neben der Klosteranlage aber erwuchs die Ortschaft Werden; nach Verleihung des Marktrechts an Abt Folfmar im Jahre 974 ward eine Marktansiedlung begründet ) und damit wieder ein Anlaß zu gerichtlicher Sonderbildung gegeben.

Im Marktorte ist nämlich

eine Sondergerichtsbarkeit zur Ausübung gekommen,

die für die

Herausbildung des Gerichtes Werden, wie es im ſpäteren Mittelalter bestand, von besonderer Bedeutung geworden ist. Ist auch in der Urkunde über die Gewährung des Marktrechtes nur ganz allgemein davon die Rede,6) daß

alles zum Rechte des Königs an diesem

Markte gehörige dem Kloster überlassen wird, so ist doch dabei nicht nur an die Schenkung von Einkünften )

aus dem Marktverkehr zu

¹ ) 1381 Juni 26 wird ein Streit über den Gottesdienst an Altären und Kapellen im Kloster et infra emunitatem eiusdem monasterii beigelegt, ſ. Jacobs , Gesch. der Pfarreien, S. 414 ff. Die am 27. Okt. 1438 zur Lehenshuldigung aufgeforderten Vasallen und Dienstmannen sollen in aula nostra emunitatis nostre Werdinensis sita erscheinen ; ( s . Urb . XXVII Beilage B ). 2) Düſſeldorf St.-A. Cleve- Mark XXIV (Verhältniſſe zu Werden) 1 , vol. 1. Bl. nach 296 : von drei Gesellen, die gestohlen haben, ist einer geloepen toe Werden up die vrijheit, dair hie aff gededynght is 3) Vermietung des Hauses St. Ludgers ; s . Urb. Anh. A. nr. 82. *) f. G. Sceliger, Bedeutung der Grundherrschaft im Mittelalter, S. 130 ff.; 1. auch S. 126 f. 5) Vgl. oben im Aufsatz über die Anfänge der Stadt Werden S. 12 ff . 6) f. oben S. 12 Anm . 3. 7) Vgl. in der Urk. für Gandersheim 990 Aug. 4 : habeat mercatum ac monetam atque teloneum deinceps ibi accipiat.

85

denken, sondern auch an die Handhabung der Marktordnung .

Ganz

unerläßlich war sie, sobald ein regelmäßiger Handel im Marktort entſtand, und es kann nicht zweifelhaft ſein, daß sie dem Abte und seinen Beauftragten zufam. Indes nicht nur über Sachen des Marktverkehrs wurde zu Werden rechtlich entschieden.

Der Abt konnte die Gerichtsbarkeit

über den Marktori in Anspruch nehmen.1) einmal der besonderen Verleihung des

Es bedurfte dazu nicht

Gerichtsbannes über einen

räumlich geschlossenen Bezirk ; von den ältesten Zeiten her war der Grund und Boden, auf dem die Marktansiedlung geschaffen ward, Erbe des heiligen Liudger im eigentlichsten Sinne : die Giltigkeit der Immunitätsrechte für den ganzen Marktort Werden war unbestreitbar, sein Betreten konnte dem Grafen und seinen Unterbeamten verboten werden.

Leitet sich aber die allgemeine Gerichtsbarkeit über den

Marktort aus der Immunität her, so muß nach den königlichen Privilegien für die Abtei Werden der wirkliche

Inhaber jener

Gerichtsbarkeit der Vogt gewesen sein, wenn auch ſein diesbezügliches Recht vom Abte, in dessen Auftrag er es ausübte, herrührt .

Aus

dem Hochmittelalter liegen nun dafür keine Zeugnisse vor ; sobald aber überhaupt die Nachrichten über die Gerichtsverhältnisse Werdens beginnen, finden wir den hier angenommenen Zuſtand in Wirklichkeit vor,

und

nur unter dieser Voraussetzung ist

die

ganze spätere

Verfassungsgeschichte Werdens und insbesondere seine Entwicklung zur städtischen Freiheit zu verstehen. nicht

Die Ortschaft Werden war

vogtfrei " , nicht in den Geltungsbereich der „ engeren Immunität “

einbezirft ; der Vogt übte die höchste Gerichtsgewalt in dem Orte Werden aus, soweit nicht etwa nach den Gepflogenheiten der Zeit das Grafengericht des Ruhrgaus angegangen worden ist.

Gewiß

aber hat der Vogt, wenn überhaupt regelmäßig, so doch nur selten zu Werden Gericht gehalten.

Eine Gerichtspflege, die es erforderlich

machte, häufiger im Ding den Vorsiz zu führen, hat er bestimmt nicht in Person geübt.

Schon in den Darlegungen über Werden

und seine Bevölkerung im 12. Jahrhundert2) ist nun aber darauf hingewiesen worden, daß um jene Zeit dort ein Stadtvogt seines Amtes gewaltet hat . Welcher Art seine Befugniſſe geweſen ſind, iſt freilich schwer zu sagen; denn wir finden ihn zumeist nur in der 1) Vgl. zum folgenden : S. Rietschel, Markt und Stadt, S. 153 ff. *) ſ. im ersten Aufſatz diejes Heftes , oben S. 30 f.

86

Reihe der Zeugen in Urkunden genannt, aus denen sich kaum etwas über Werdener Gerichtsverhältnisse im allgemeinen ergibt, geschweige denn über seine Stellung im besonderen.

Da er stets Miniſteriale

der Abtei war, so hat der Abt sicher einen bestimmenden Einfluß auf seine Einsehung gehabt, wie es diesem ja bis ins 12. Jahrhundert hinein gelungen ist, auch die Besetzung der Kirchenvogtei in der Hand zu behalten. ')

Indes ist es nicht unwahrscheinlich, daß

der Kirchenvogt bei der Bestellung eines solchen „ Untervogtes “ so wird er einmal genannt, mitgewirkt hat. Wird somit einiger Aufschluß über die Person dessen gewonnen, der Befugnisse, wie sie später dem Richter zustanden, neben mannigfachen Verwaltungsgeschäften anderer Art in jener älteren Zeit ausübte, so darf auch von der Tätigkeit eines Gerichtes im Ort Werden schon für damals die Rede sein. Mag nämlich auch nicht sofort nach der Marktrechtsverleihung ein Sondergericht mit örtlichem Bezirk geſchaffen worden sein, so ist dies doch jedenfalls mit Werdens Erhebung zur Stadt und der Einsetzung des Stadtvogtes (im frühen 12. Jh.) geschehen. Bezeugt ist uns freilich das Dasein eines " Marktgerichtes " , vor welchem, nach dem Urkundentert zu schließen, Rechtsstreitigkeiten in „ Geldsachen“, d. h . über Geld und Geldeswert, Vermögenswerte in Mobilien, also besonders Handelsangelegenheiten entschieden wurden,

erst in dem Vergleiche

zwischen Abt

Wilhelm

und dem Vogte vom 24. Juli 1317 ; und zugleich ist es das letzte Mal, daß der Ausdruck begegnet, danach hat er sich verloren . Aber es ist die charakteristische Bezeichnung für das Gericht von Marktansiedelungen, iudicium forense ;2) und ohne Bedenken dürfen wir seine Wirksamkeit schon für eine weit ältere Zeit annehmen. Was nun die Fälle betrifft, in denen im

Marktort

eine

gerichtliche Entscheidung angerufen werden konnte, so kommen die Angelegenheiten der Grundstücksleihe innerhalb Werdens nur teilweise in Betracht ; zum Teil galt, wie in anderem Zuſammenhang³ ) ausgeführt worden ist, wahrscheinlich eine, wenn auch eingeschränkte ¹) Dies geht aus der Liste der Vögte hervor ; s. Th. Ilgen, in der Zeitschrift d. Bergischen Geschichtsvereins XXXVI , S. 33 f . S. 35 ; vgl. in der Urbarausgabe, Einleitung, den Abſchnitt über die Gerichtsverfaſſung. 2) Lac. U. B. 1 162 : Item familia abbatis , prepositi et conventus nostre ecclesie non trahatur ad iudicium forense, sed more ministerialium nostre ecclesie in casibus, causis et queremoniis super rebus pecuniariis oriundis coram abbate impetatur. ³) s. darüber im ersten Aufsatze dieses Heftes , Abſchnitt 3 , S. 23 f.

87

Zuständigkeit des Fronhofgerichtes Barkhoven, teilweise auch Entscheidung des Lehnherrn.

In Straffachen sind vielleicht die schwereren

Fälle dem Kirchenvogte vorbehalten gewesen .

So verbleibt, wenn

auch nicht uneingeschränkt, die niedere Gerichtsbarkeit und wohl auch zugleich die Handhabung der Marktordnung.

Ob nun in dergleichen

Angelegenheiten damals mehr oder minder regelmäßig Gericht gehalten worden ist, kann freilich mit Quellenzeugnissen nicht belegt werden ; in der " Stadt " Werden,

indes ist billig nicht zu bezweifeln, daß

die dem platten Lande gegenüber eine rechtliche Sonderstellung einnahm, eine solche Gerichtspraris, wenn vielleicht auch noch nicht in fester Wochenordnung, geübt worden ist. Noch ein anderes Sondergericht aber ist um jene Zeit zur Ausbildung gekommen, das zwar auch anderen Orts innerhalb der flösterlichen

Großgrundherrschaft in Wirksamkeit getreten ist, aber

doch zu Werden selbst am Hofe des Abtes die Hauptstätte seiner Spruchtätigkeit gefunden hat : das Gericht über die Dienstmannen. Ein erstes Zeugnis dafür finden wir in einer Urkunde aus der Zeit Abt Geros ( 1050-63 ) ¹ ) : einer der Dienstmannen, der sich gegen den Abt mehrfach vergangen hat, ist nach dem Spruche von seinesgleichen verurteilt worden, die Gnade des Abtes zu verlieren ; durch eine Landschenkung sucht er sie wieder zu gewinnen ; alles aber iſt in Gegenwart des Kirchenvogtes abgeurteilt worden und geschehen, der die Schenkung entgegennimmt und mit seinem Vanne bekräftigt. Ein besonderes Dienſtmannenrecht ist damals bereits ausgebildet ;²) zumal in Lehensachen wirkten sie als Urteilsfinder mit ; 3) in jüngeren Zeiten hat dann der Marschall den Vorsiz im Lehengericht geführt.4) Alle diese

Sondergerichte aber haben nicht zur

Entstehung

eines Gerichtsbezirkes Werden, der die umliegenden Bauerschaften des platten Landes einschloß , geführt.

Bei den Fronhofsgerichten,

bei dem Gericht über Dienstmannen und dem Lehengericht ist dies völlig ausgeschlossen. Indes auch ein Erwerb der Gerichtsbarkeit über die Ortsumgebung infolge der Marktgründung, der Abtei Siegburg der Bann

wie z . B.

mit Sechzigschillingbuße in einem

urkundlich beschriebenen Umkreis, allerdings ohne Minderung der ¹) f. Crecelius Trad. Werd . nr. 103. 2) a. a. . nr . 105, 116, 122, 124 u. a. 3. B. Urbare, Anh. A. nr. 1 ( 1126 März 31 ). *) Ürbare Llllb, Beilage b ; s. auch P. Jacobs, Werdener Reichskammergerichtsklagen, in den "Beiträgen". Heft-Vill, S. 26.

88

Gerichtsbarkeit und Gewalt des Grafen, vom Könige 1071 ') gewährt ist für

wird, um die Belästigung der Marktbesucher zu hindern,

Werden nicht erkennbar ; allerdings darf betont werden, daß unter Voraussetzung eines entsprechenden Vorgangs die spätere Entwicklung sich am leichtesten und beinahe selbstverständlich erklären

würde.

Von einem „Banne" des Abtes ist in Urkunden aus der zweiten. Hälfte des 12. Jhs. die Rede, einmal in einer Bekräftigungsformel, ein anderes Mal bei einer Erwerbshandlung für den Gabrielenaltar in der Abteikirche ; indes sind diese Erwähnungen für die Frage nach dem Vorhandensein eines Bannkreises um Werden nicht verwertbar.

Auch das in dem Vergleiche von 1317 bezeugte Recht des

Abtes, im Gerichtsbezirke Werden Gebote und Verbote bei Verbüßung von Strafgeld ergehen zu laſſen, gestattet keinen sicheren Rückſchluß . Gewiß handelt es sich dabei, rechtsgeschichtlich gesprochen, um einen Verordnungsbann ; und schwerlich liegt eine Neuerung des Jahres 1317 vor. Indes die Bezeichnung cor läßt einen bestimmten Schluß auf den Ursprung des Rechtes nicht zu ; und eine Angabe über die Höhe der Buße, die ihn vielleicht ermöglichen würde, fehlt und ist aus anderen Quellen nicht zu ersetzen gewesen.2) Ist somit damals irgend eine , das platte Land um Werden umfassende Abgrenzung von rechtlicher Bedeutung quellenmäßig nicht zu erweisen, so liegt uns dafür aus den Jahren 1145/47 ein unzweideutiges Zeugnis darüber vor, daß Werden noch zum Grafschaftsbezirk gehörte.³)

Am 17. Oftober bestätigte König Konrad III. von

neuem dem Kloster Werden die vollste Immunität und das Recht der freien Ruhrſchiffahrt bis zum Kloster, ja er erweiterte dieses noch flußaufwärts darüber hinaus ; zugleich befahl er dem Grafen Hermann,

zu

dessen Grafschaft es gehört", ) alle Hindernisse zu

beseitigen und das gewährte Vorrecht unverlegt zu bewahren ; unter den Zeugen wird auch der Vogt der Kirche, Adolf, genannt.

Diese

fönigliche Anordnung ist für die Ausübung gräflicher Landesgewalt in Werdens Umgebung, für die Zugehörigkeit zur Grafschaft troh 1) Lacomblet Ul . B. 1 nr. 214. 2) Im Vergleich von Goch 1647 Aug. 24 heißt es, daß der Abt „ die Koer, als Jckung, und Frögung der Maaß, Ehlen und Gewicht, wie auch die Sayung wegen verkauffs Wein, Bier und Brodts " u . a. behalten soll. 3) Lacomblet . B. 1 nr. 358. 4 ) .. de cetero liberum esse iter navigii non solum usque ad monasterium, sed et ulterius precepimus et supradicto comiti, ad cuius comitatum pertinet, hoc inviolatum conservare . . iniunximus.

89

Zur Beurteilung des der Immunität unbedingt beweiskräftig. ns Gerichtswese geben nun drei aus den folgenden Jahren erhaltene Urkunden über Grundeigentumserwerbungen Abt Lamberts einigen . Aufschluß : zwei ( von 1148 ) wurden vor dem Grafengericht zu Kreuzberg bewirkt, eine (von 1150 ) vor dem Grafengericht am Horn bei Duisburg

vor den freien zur Grafschaft gehörigen Schöffen'; ¹ ) der nicht innerhalb des späteren

alle drei betreffen Grundbesig ,

Stiftsgebiets von Werden gelegen war und geben somit über die dortigen Gerichtsverhältnisse nicht unmittelbaren Aufschluß . Indes sind sie ein Zeugnis dafür, daß das Grafengericht noch zu Recht bestand und demnach auch in gerichtlicher Hinsicht Werdens Lösung aus dem Grafschaftsverband über die Sonderstellung , die die Jmmunität gewährte, hinaus nicht vollzogen war. Ein Vorgang aus dem Jahre 1160 , der ein Grundstück innerhalb des späteren Gerichtsbezirkes Werden, in Barnſcheid, betrifft, bietet dafür eine freilich ebenfalls nicht völlig durchschlagende Bestätigung :2) dies ward nämlich damals vor dem Abte, vor Geistlichen und Miniſterialen von Werden der dortigen Nicolaikapelle am Markie unter Anerfennung von deren Eigentumsrecht zurückgegeben . Da es sich hier um vermeintlichen Lehenbesitz eines Werdener Ministerialen handelt, so entscheidet zwar das dabei eingeschlagene Verfahren nicht gegen die Möglichkeit, daß es ein Gericht Werden, wie es im späteren Mittelalter bestand, damals schon gegeben haben könne ; immerhin ist darauf hinzuweisen, daß nach der späteren Gerichtspraris eine Urkunde über einen solchen Vorfall vor dem Gericht Werden oder wenigstens unter Mitwirkung der Gerichtspersonen ausgestellt worden wäre. 3.

Der Ursprung des Gerichtes Werden.

Werden und seine Umgebung war nach den bisherigen Darlegungen noch um die Mitte des 12. Jahrhunderts von der Grafschaft, die westwärts zum Rheine hin ſich breitete, nicht völlig gelöst ; ein ganz selbständiger Gerichtsbezirk Werden, so wie wir ihn aus spätmittelalterlicher Zeit kennen, war noch nicht vorhanden ; möglich nur, aber nicht nachweisbar, daß um die Stadt herum ein Bannkreis zur Ausübung ordnungsgewalt

eingeschränkter

Schußgerechtigkeit

abgegrenzt gewesen sein könnte .

und

Ver-

Hundert Jahre

¹ ) Lacomblet U. B. 1. 364, 368 ; Crecelius, Trad. Werd. 131–133 . 2) Lacomblet U. B. 1. 402 : Crecelius, Trad. Werd. 134.

90

später aber, um die Mitte des 13. Jahrhunderts, hat es ein Gericht. Werden mit zugehörigem Bezirk gegeben ; im Jahre 1265 ist es, wie schon oben gezeigt wurde, ' ) urkundlich faßbar : in der Zwiſchenzeit also muß die Neuerung ins Leben getreten sein.

Was läßt ſich

über Zeit und nähere Umstände genauer ermitteln ? Ein paar Vorbemerkungen über die Art des Gerichtes Werden und dessen Inhaber müſſen der Untersuchung dieser Frage vorausgehen. Zunächst sei festgestellt, daß das Gericht, um das es sich hier handelt, in der Urkunde des Grafen Engelbert von der Mark vom 17. September 1372

ganz unzweideutig das „ Grafengericht “

genannt wird ; ) aus den ganz entsprechenden Belehnungen seiner Nachfolger³) geht klar hervor,

daß

nicht ein besonderes höheres

Gericht des Grafen, etwa als Berufungsinstanz , sondern eben das „Gericht . Werden"

mit seinem Bezirk darunter zu

verstehen ist .

Wohl ist es nun möglich, daß jener Name von seinem Inhaber, dem Grafen von der Mark herrührt, wie dies offenbar bei der Grafenmühle der Fall ist ; mag demnach auch der Ursprung jener Gerichtsgewalt aus der gräflichen Gerichtsbarkeit durch den bei der ältesten Erwähnung gebrauchten Namen nicht hinreichend bewiesen sein, so wird es doch durch Art und Inhalt der Gerichtsbarkeit selbst, 4) wie sie aus Bestimmungen des ältesten Werdener Stadtrechts, ) aus der Gerichtsordnung des 15. Jahrhunderts6) und auch aus Verwaltungsaften ) hervorgehen, ganz sicher gestellt, daß die vollen Befugnisse des Grafengerichts unter Ausschluß der Zuständigkeit entsprechender Gerichte der Nachbarlande im Gebiete des ehemaligen Ruhrgaus dem Gerichte Werden und seinem Inhaber zustanden. Es ist demnach, mag auch eine Anlehnung an frühere Verhältniſſe stattgefunden haben, etwas Neues geschaffen worden : ein Gericht, dem die Befugniſſe grafſchaftlicher Gerichtsgewalt voll zukamen, ſoweit ') i. oben im Abschnitt 1 , S. 76 f. 2) Lacomblet U. B. Il nr. 731 ; dat gherichte ghenant des greven gherichte. ³) 1401 Dez. 20 ( f. Urbare XXVll 13) wird nur die Vogtei Werden genannt, fein Gericht daneben ; 1481 Nov. 25 ( Urb . Anh . A nr . 78 ) aber geschieht dies, ebenso in den Lehenreversen der Herzöge von Cleve und Grafen von der Mark von 1579 Febr. 5, 1594 Mai 8 , 1605 (f. bei Cocceji, Anl. 44 ff.) ) s. darüber Abschnitt 4 dieses Aufsatzes. 5) Beilage 1 zu dem Aufsatz über die Anfänge der Stadt Werden oben S. 49 ff. 6) f. unten Beilage 1 zu diesem Aufſay . 7) Düſſeldorf St.-A. Cleve Mark XXIV. Verhältniſſe zu Werden, 1 vol. I.; s. auch unten Beilage 111.

91

diese nicht durch die schon früher entstandenen, mit ihrer Geltungsfraft fortbestehenden Werden und

Sondergerichte eingeengt war, zuständig für

ein Landgebiet

ringsum,

das

aus dem

Verbande

mit der nach Westen sich erstreckenden Grafschaft gänzlich gelöst war. Ist damit die Art des

Gerichtes

Werden, soweit dies im

Zusammenhang dieser Erörterungen nötig ist, klargestellt, so muß weiter betont werden, daß es im späteren Mittelalter bis ins 17.

Jahrhundert hinein stets

die Kirchenvögte, die

„ Erbvögte " ,

gewesen sind, die im tatsächlichen Besitze dieses Gerichtes sich befanden : im Jahre 1317 Graf Engelbert von der Mark, später seine Rechtsnachfolger bis auf die Zeiten des Jülich -Cleviſchen Erbfolgeſtreites . Aber auch schon 1265 muß dies der Fall gewesen sein ; denn wenn Graf Engelbert von der Mark (der Großvater jenes Engelbert von 1317 ) damals die

zu

seiner Werdener Kirchenvogtei gehörenden

Leute und Hufen unter der

Gerichtsbarkeit des Grafen von Berg

diesem verkauft, ') aber die im Gerichte Werden befindlichen - was freilich in der Urkunde nach der Art jenes Kaufgeschäftes nicht ge= sagt, aber zu erschließen ist,2) - sich zurückbehielt, so ist der Grund eben der, weil er selbst das Gericht Werden innehatte. Finden wir demnach das Gericht Werden als selbständiges kleines Landgebiet, getrennt von den gräflich Bergischen Gerichten . im Westen und Süden, schon um jene Zeit im Besize des Grafen von der Mark als des Werdener Kirchenvogtes, so wird es vielleicht gelingen, aus der Geschichte der Vogtei in dem in Betracht kommenden Zeitraum die Anfänge des Gerichtes aufzuhellen . Zum Verſtändnis des Sachverhalts ſei zunächſt bemerkt, daß die Aebte, die es offenbar verstanden haben, die Vogtei nicht übermächtig werden zu lassen, innerhalb der Großgrundherrschaft mehrere Vögte zu bestellen und später mit Vogteirechten zu belehnen pflegten.³) Geschehen ist dies fast ausnahmslos für Haupthöfe der Abtei und ihr Zubehör ; Vogtei über vereinzelte Güter ist selten und deutet auf jüngeren Erwerb

oder Splissen

aus

Fronhofszubehör ;

auch

lauten die Vogtbederegister ) auf fronhofshörige Güter ; daneben aber ſteht als etwas besonderes die Vogtei Werden im engeren Sinne, 1) Westfälisches U. B. Vll. nr. 1201 . 2) i. darüber oben S. 76 f. Vgl. dazu Urbarausgabe, Anh. B. nebst Bemerkung in der Einleitung, Abschnitt über die Gerichtsverfassung ; s. auch die Nachweise in den Lehenregistern. ) Urbare LII und LIII a § 26.

92

die eigentliche Kirchenvogtei und damit verbunden die Vogtei über den Ort, die Stadt Werden. Nun aber zeigt sich bei der Vergabung dieser Werdener Vogtei¹) schon seit dem 11. Jahrhundert eine wenn auch anfangs nicht rechtliche, so doch tatsächliche Erblichkeit im Hauſe der Grafen von Berg.

Da liegt nun die Vermutung sehr nahe, daß

die Entstehung eines ſelbſtändigen, von den angrenzenden Bergiſchen Gerichten getrennten Gerichtsbezirkes Werden nicht zu einer Zeit erfolgt sei, wo

ein Graf von Berg Kirchenvogt war, sondern erst

dann, als die Vogtei schon

einer Seitenlinie zugefallen war,

der das Haus der Grafen von der Mark hervorgegangen ist .

aus Noch

um die Mitte des 12. Jahrhunderts aber, bis 1160, d . h . bis zu jenem ſchon oben gewonnenen Termin,

wo das Vorhandensein des

Gerichtes Werden und seines Bezirkes in Abrede zu stellen ist, war Adolf von Berg Kirchenvogt . )

Nach seinem Tode kam die Vogtei

an Eberhard von Altena³,) von dem die Linien der Grafen von Isenberg und die der Grafen von Altena -Mart abstammen.

Einem

Brauche zufolge, den wir mehrfach beobachten können, ging nun die Werdener Vogtei auf die jüngere Linie über, während die Isenberger zwar die Vogtei über mehrere Haupthöfe, ) aber nicht die über Kirche und Ortschaft Werden erhielten.

Von den Söhnen Eberhards wird

uns feiner als Vogt Werdens urkundlich genannt, wohl aber Graf Adolf (I.) , der Erbauer des Schlosses Mark und der Begründer der Grafschaft Mark und somit auch der eigentliche Ahnherr des danach, benannten fürstlichen Hauses.5)

Frühestens

würde

also die Ent-

stehung des Gerichtes Werden in der Zeit seines Vaters Friedrich) von Altena (1173-99 ) , wahrscheinlicher aber erst in seiner eigenen Zeit ( 1199-1249 ) anzunehmen ſein. Dieser spätere Ansatz gewinnt nun eine weitere

Stüze in

Aus einem Privileg König Ottos IV. für ist zu ersehen, daß unter den Kaisern 11986) Juli 13. vom Werden Friedrich dem Rotbart und Heinrich VI . eine Jahressteuer von der

folgender Beobachtung .

1) s. auch Th. Ilgen, die ältesten Grafen von Berg, in der Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins XXXVI, S. 33 ff . nebst der Tabelle am Schlusse dieses Aufsages . 2) Erwähnt im Urbar jener Zeit ; s. Ausgabe VII § 4, 63. 3) 1166 Febr. 19. Lacomblet U. B. I nr. 413 ; s. auch R. Knipping, die Regesten der Erzbischöfe von Köln , 11 nr. 831 . *) ſ. das Verzeichnis bei A. Schuncken, Geſch . der Abtei, S. 227 Ant. III . 5) 1215 ; s. Weſtfälisches U. B. Il 93 ; VII 114. *) Lacomblet U. B. I nr . 563.

93

Abtei erhoben, das Vorrecht der Münzausgabe aber ihr entzogen¹) worden war.

Die Herrscher haben

gegenüber wieder geltend gemacht,

also staatliche Ansprüche ihr

und

es

ist

durchaus

unwahr-

scheinlich, daß gerade unter ihnen die völlige Ausscheidung aus dem staatlichen Verwaltungsbezirk vorgenommen worden sein sollte , dem sie noch unter Friedrichs I. Vorgänger angehört hat. Gerade die wirre Zeit des Toppelfönigtums fönnte nun aber von dem Abte genugt worden sein, um durch den Erwerb gerichtlicher Rechte in einem Bezirke um Werden seine Macht zu erhöhen und sein Kloster zu sichern, wie es ja einer seiner Nachfolger 1317 in ähnlicher politischer Lage verstanden hat, sich die Ausübung landesherrlicher Rechte im Gerichtsbezirk Werden zu sichern. Eifrig iſt Abt Heribert II . für König Otto IV. tätig gewesen ; jezt zum ersten Male bezeichnet.

als Fürst (princeps) wird er

Indes die Schaffung eines ſelb-

ständigen Gerichts- und Landesverwaltungsbezirkes Werden iſt für jene Zeit nicht wahrscheinlich : in der Urkunde von 1198 wird dem Abte auf sein Bitten zwar Steuererlaß und von neuem das Münzrecht gewährt ; aber von der Uebertragung irgendwelcher Gerichtsbarkeit ist nicht die Rede ; ebensowenig später in einer vergleichsweise reichen Ueberlieferung . Ueberblickt man nun die niederrheinische Geschichte der nächſten Jahrzehnte, so stellt sich uns

in der Ermordung des Erzbischofs

Engelbert von Köln durch den Grafen Friedrich von Isenberg am 7. Nov. 1225 und ihren Folgen ein Ereignis dar, das auch auf die Gestaltung der Gerichtsverhältnisse der Abtei Werden zurückwirfte; die Vogteien über fünf Höfe ) wurden dem Grafen reichsrechtlich abgesprochen und fielen an die Abtei heim. Nun war allerdings die Vogtei über Werden selbst keines der Lehen Friedrichs gewesen; in deren ungestörtem Besitz hat sich die ganze Zeit über Graf Adolf von der Mark befunden .

Aber

von den Kämpfen

niederrheinischer Territorialfürsten,

jenem

Ereignisse folgten,

die

mußte doch auch Werden berührt werden, obgleich sich vermutlich der Abt bemüht hat, möglichst die Neutralität zu bewahren. Die politische Lage war nun die , daß Graf Adolf, um einen Teil aus dem

Erbe Friedrichs

von

Isenberg für

sein Haus

zu

retten,

1) Dies ist aus der Wendung : monetam quoque ipsius in Werdina . regali benivolentia restituimus. 2) Westfälisches 1. B. Vll. nr. 268, 272.

94

zusammen mit dem Erzbischof von Köln, von dem er Lehen des Geächteten erhielt, im Kampje gegen den Grafen Heinrich von Berg und den Sohn Friedrichs, Dietrich von Isenberg, stand, bis die Fehde mit seinen Verwandten durch einen Vergleich vom 1. Mai 1243 ' ) beigelegt ward , wonach ihm Tietrich unter anderem alle Gerichte an der Seite der Ruhr, wo Hattingen gelegen ist,2 ) überließ .

Es iſt alſo

damals ein unmittelbarer Anlaß gewesen, um den Besitz von Gerichten in Werdens Nähe zunächst Streit zu führen und danach diese Gerichtsverhältnisse zu ordnen . Die Vogtei Werden selbst gehörte nun freilich nicht zu den strittigen Kölner Lehen.

Judes die unmittelbare Nachbarschaft der

Vogtei Essen, die ja im besonderen Anlaß des Unfriedens und Streitgegenstand gewesen war, mußte dazu führen, daß auch Werden in die Händel verstrickt ward ; und in der Tat suchte der Kölner hier einen Stützpunkt für friegerische Maßnahmen zu gewinnen, indem der Vogt von Werden, Ritter Wezelo, 1239 sein Lehensmann ward und sein Haus in Werden ihm als Offenhaus auftrug ; 3) und wiederum

erbaute Graf Dietrich innerhalb

des später bekannten

Stiftsgebietes und Gerichtsbezirkes, ganz nahe der Grenze gegen Essen hin, das feste Schloßz Neu-Isenberg .

Steht es somit fest, daß Werden

damals in gewisser Weise in die Kämpfe hineingezogen und demnach auch von der neugeschaffenen Ordnung der Gerichtsverhältnisse jener Gegend berührt ward, so läst gerade die damalige Parteiſtellung des Grafen von der Mark gegen den Grafen von Berg es besonders glaublich erscheinen, daß Werden und seine Umgebung, unter völliger Lösung seiner Beziehungen zu dem westwärts gelegenen Bergischen Lande, ein selbständiger Gerichtsbezirk unter dem Grafen von der Marf als wirklichem Gerichtsherrn geworden ist. Uebrigens zeigt sich die damalige Auflösung der älteren Gerichts- und Verwaltungsordnung in den Gegenden an der unteren Ruhr auch darin, daß jeit jener Zeit der Name Ruhrgau gänzlich aus der urkundlichen Ueberlieferung am Niederrhein ) verschwindet.

¹ ) Westfälisches U. B. VII nr . 546. 2) . . . Theodericus de Isenberg quaedam bona quiete possidenda : videlicet . . parte Rurae, qua parte Hatneke est situm . 3) Lacomblet U. B. II nr. 239. Lacomblet U. B. II nr . 59 : Gerhard advocatiam curtium nostrarum in Rurekoue a. a. D. nr. 262 ( 1241 ) Anm . 2.

Nun aber iſt, wie

comiti Adolpho recognovit . . et omnia iudicia ex ea

von Randenrath verpfändet cum appenditiis suis ; vgl .

95

schon in den Darlegungen zur städtischen Verfassungsgeschichte Werdens ausgeführt wurde,' )

nicht lange nach 1240 die Stadtvogtei

(die

Untervogtei) in Werden beseitigt und damit Play für die Wirksamkeit eines Richters geschaffen worden.2)

Man wird sonach mit großer

Wahrscheinlichkeit die Neuerung, die als Entstehung des Gerichtes Werden mit seinem Gerichtsbezirk oben gekennzeichnet worden ist, um jene Zeit ansegen dürfen ; und wenn in dem mehrfach erwähnten Kaufe von 1265 Graf Adolf von Berg der Werdener Vogtei vordem zugehörige Leute und Hufen in seinen Gerichten erwirbt, in dem sichtlichen Streben, räumliche Geschlossenheit der Gerichtsherrschaft in seinen Landen an Stelle des Streubesiges gerichtlicher Rechte zu schaffen, so deutet auch diese Maßregel der Abrundungspolitik darauf hin, daß einem einer nicht

Bedürfnis

abgeholfen werden sollte, das infolge

allzu lange zuvor eingeführten

Ordnung

der Tinge

empfunden ward . Fassen wir das joeben Dargelegte zusammen, so stellt sich uns die Entstehung des Gerichts Werden als ein Vorgang dar, in welchem ein aus der Jumunität hervorgegangenes, dem Vogte unterstehendes Gericht in eine Art

Landgericht " mit Geltungskraft in einem räumlich

geschlossenen Bezirk ringsum unter

Ausschluß

der

Zuständigkeit

aller benachbarten landesfürstlichen Gerichte ungewandelt worden ist. Bedeutete dies also eine Sicherung der Gerichtsgewalt des gräflichen Vogtes und fam vor allem der Bürgerschaft Werdens zu gute, so war die Neuerung für den Abt und die Seinen neben Vorteilen, die sie bot, doch nicht ganz unbedenklich .

Indes hat der Vogt- das

Gericht als Lehen der Abtei anerkannt, wie er ja auch die Vogtgewalt als Lehen empfing ; und es war die Stellung des Abtes bei solchem Verhältnis wenigstens in rechtlicher Hinsicht gewahrt.3) Ist damit die Entstehung des Gerichtes Werden zeitlich und auch in seiner politischen Verurfachung bestimmt, wenigstens soweit dies bei dem gegenwärtigen Stande der Kenntnis niederrheinischer Verfassungsgeschichte möglich ist, so bliebe noch zu erörtern, wie die Abgrenzung des Gerichtsbezirkes sich erklärt.

Deutlich ist, daß eine

Anzahl von Honnschaften oder Bauerschaften mit ihren Gemarkungen

1) s. oben S. 33. 2 ) Vgl. dazu die Nachweise in dem Namensverzeichnis unten Beilage IVa. 3) gl. unten Abschnitt 4.

96

dem Gericht Werden zugewiesen worden sind, ' ) die noch bis in die jüngsten Zeiten hinein selbständige Landgemeinden unter

Hunnen

gebildet haben.2) Auch mehrere Rittersize sind später im Stiftsgebiet Werden nachweisbar, 3) deren Zubehör an Bauerngütern zwar zu den Honnschaften gehörte, die aber selbst der Honnſchaftsverwaltung nicht unterstanden ; ihr Verhältnis zur Abtei war nach ministerialiſchem Lehenrecht bestimmt.4)

Warum aber sind nun gerade jene 10 oder

125) Gemarkungen um Werden als Bezirk des Gerichtes abgegrenzt worden ? An einen Hundertschaftsbezirk von uralter Zeit her zu denken, ist sicher ungerechtfertigt ; auch die Bezeichnung „Honnschaften“ darf nicht zu dieſer Annahme verleiten. Denn in früh-karolingiſcher Zeit ist dieser Bezirk feinesfalls als Hundertschaft abgegrenzt gewesen ;6) und in späterer Zeit kann er als solche nicht entstanden sein : schon der geringe Gebietsumfang spricht dagegen ; die Zahl der bäuerlichen Güter weicht zwar im Ausgang des Mittelalters und im Beginne der Neuzeit von dem Großhundert ( 120) nicht erheblich ab, 7) indes es sind nur zu einem Teile Güter sehr alten Bestandes, viele sind erst in jüngeren Rodungsperioden hinzugekommen ;8) auch der Umstand, daß

Landschöffen am Gericht Werden nicht tätig gewesen.

sind, spricht gegen eine solche Erklärung. Der worden ist,

Pfarrei

und

Sendgerichtsbezirk ,

der

875

umgrenzt

greift im Süden ein ganzes Stück über den Bezirk

des Gerichts Werden hinaus, während im Nordwesten Kettwig und seine Umgebung in jenem fehlt ; auch nach ihm ist also der Zuständigkeitsbereich des Werdener Gerichtes nicht bestimmt worden. 1) f. darüber oben S. 73 f. nebst der Tabelle. 2) P. Fr. Müller, Gesch. der Abtei Werden S. 8 f. 3) s. oben Tabelle S. 74 ; dazu die diesem Hefte beigegebene Karte von 1582 nebst den Erläuterungen dazu. *) s. darüber die Lehenregister ; auch die Aufzeichnung von 1519 über die Erbämter und ihren Grundbesitz, Urbarausgabe LIII b. Beilage b. 5) so nach den jüngeren Nachrichten ; es können aber sehr wohl die erst in diesen als selbständig erwähnten Gemeinden schon von alters her Gemeindeselbständigkeit gehabt haben (vgl. oben S. 75). 6) Dies lehren die Urkunden von 796-848. 7. die oben S. 73 Aum . 3 ff. erwähnten Steuerregister. 8) f. den Nachweis in der Einleitung zur Urbarausgabe. 9) Crecelius , Trad . Werd. nr. 70 ; P. Jacobs , Gesch. der Pfarreien im Stift Werden S. 28 ff.; vgl . die Karte der „Kirchlichen Organiſation und Verteilung der Konfeſſionen im Bereich der heutigen Rheinprovinz um das Jahr 1610", hrg . von W. Fabricius, Geschichtlicher Atlas der Rheinprovinz, Blatt I.

97

Ist dies nun mit Rücksicht auf grundherrschaftliche Rechte der Abtei geschehen ?

P. Fr. Müller hat den „ hofrechtlichen “ Ursprung

nicht bloß der Stadt Werden, sondern

auch der Landesherrschaft

behauptet ; im Hinblick auf den Oberhof Barkhoven sagt er, ¹ ) daß der Abt Herr „ des aus den Unterhöfen zusammengesezten Stiftes , Landesherr" geworden ist.

Indes, will man auch die „ Unterhöfe “

in des Wortes weitester Bedeutung verstehen, wie sie strengerer rechtlicher Auffassung nicht entspricht, - Haupthöfe der Abtei, die dem Oberhof Barkhoven nur als Berufungsinstanz unterstehen, hofhörige Hufengüter und Kothen, einläufige Güter, Höfe, die als Lehen vergeben sind und deren Zubehör, der Abtei gehörende nicht_hofhörige Zinsgüter und Grundstücke, so ist es selbst dann unwahrscheinlich, daß

die Abtei die lückenlose Grundherrschaft über den

gesamten Grund und Boden im Gerichtsbezirk innegehabt hat.

Denn

wir treffen in den Heberegistern der Klosterämter des späteren Mittelalters in Heisingen und um Rodberg Güter an, die nur zehnte, aber nicht grundzinspflichtig

gewesen sind ; )

wir finden in den

Steuerregistern des 16. Jahrhunderts ) Personen, auch Grundstücksinhaber,4) zumal in Kettwig, Bredenei und Heisingen, die nicht der Abtei grundhöriges Gut besaßen ;5) und in der Werdener Gerichtsordnung ist ausdrücklich gesagt, 6) daß in gewissen Fällen außerhalb der Stadt auf dem Grund und Boden des Grafen von der Mark Gericht abgehalten werden soll .

Andererseits lag Kloſtergut unmittel-

bar jenseit der Grenzen des Werdener Gerichtsbezirkes und Stiftsgebietes im Westen und Süden, auch nach Südosten zu, kaum weniger dicht, als diesseit derselben. Das Dasein eines räumlich geschlossenen Gebietes grundherrschaftlicher Rechte hat demnach den Anlaß zur Abgrenzung des Gerichtsbezirkes Werden nicht geboten, so wenig wie der Vollkreis der gerichtlichen Befugnisse Grundherrschaft abzuleiten ist .

aus der

') f. oben S. 6. 2) f. die Pförtnereiregister Urbarausgabe XXV , XLVIII , dazu Schades Register LIIIa, Tab. J. 3) f. die Angaben oben S. 73, Anm. 3 f.; in einem späteren Aufsatze, der eine Veröffentlichung dieser Register bringen soll, wird dies nachzuweisen sein. *) Dies ist aus Namen und den Steuerbeträgen zu schließen. 5) Es ergibt sich dies aus einem Vergleich mit den gleichzeitigen Rechnungen und z. T. auch Urbaren . ®) s. unten Beilage I, 44. 7

98

Man könnte nun vermuten, daß die Errichtung von Schutzund Wehrbauten, welche zur Beherrschung des Landes rings um Werden und zur Friedenswahrung dienten, die Bildung eines umgrenzten Raumes von der Art des Werdener Gerichtsbezirks hätte. verursachen können .

Beruht dieser vielleicht auf einem Burgbezirk ?

Aehnliche Fälle sind in Deutschland mannigfach nachweisbar : der Burgbann von Korvey, von Gandersheim, ' ) die Burgfrieden im bayerischösterreichischen Rechtsgebiet ; 2) auch an die Burgwarde des östlichen Sachsens könnte man erinnern.3)

Für Werden aber sehlen für die

Annahme einer derartigen Entstehung

die

urkundlichen Beweise.

Eine königliche Verleihung liegt nicht ausgesprochen vor ;4) Burgwerk, Wachdienste,5) Burgkorn sind von den Landbewohnern rings. um Werden, nach der Ueberlieferung zu urteilen, nicht worden ;

im

Gegenteil betrachtete

die

städtische

geleistet

Bürgerschaft

im

15. Jahrhundert ) die Erhaltung von Mauern, Türmen und Wachhäusern als städtische Last und als Entgelt dafür das Vorrecht des Brauens und Backwarenverkaufs im Stiftsgebiet,

und in der Tat

ist die Ausführung von Mauerbauten ohne Beihilfe der „Hausleute " im Lande Werden um jene Zeit nachweisbar.7)

Der Umstand aber,

daß 1239 der Erzbischof von Köln sich in Werden ein festes Haus sicherte und wiederum Graf Dietrich von Isenberg in der Nähe auf Grund und Boden der Abtei eine Burg erbaute, die dann nach ihrer Einnahme durch seine Gegner von Abt Gerhard von Werden dem Kölner, unter Vorbehalt gewisser Rechte des Mitbesizes , überlassen ward, ) zeigt deutlich, daß weder der Abt noch sein Vogt den Burgbann in den Grenzen des Stiftsgebietes, wie sie uns später bekannt

1 ) Urkunden zur städtischen Verfassungsgeschichte, hrsg. von F. Keutgen, nr. 27 f. 2 ) H. von Voltelini hat auf dem Salzburger Historikertage 1904 dies in einem Vortrag behandelt. 3) Der Ursprung der Burgwarde im Koloniſationsgebiet (deutsch oder slavisch) ist zur Zeit nicht sicher festgestellt. 4 ) Von einer Befreiung vom Hecresdienste ist in den Privilegien die Rede. 5) Im Jahre 1471 (Düſſeldorf St.-A. Cleve-Mark Urkk. nr. 1504) findet sich ein Zeugnis des Gerichtes Werden über die von den drei Hounſchaften Krähwinkel, Meiersberg und Homberg bisher geleisteten Wachtdienste, desgl. 1480 ; es ist dies aber außerhalb des Stiftsgebietes . 6) ſ. G. Kranz, Gilden und Aemter, Anl . 8 , in den „ Beiträgen “ Heft I €. 29. 7) Urbare , 2ình . A nr . 70 ( 1452 2[pr. 23 ) . *) Westfälisches U. B. VII nr. 677-679.

99

ind, wirklich gehandhabt haben;

erst 1317 hat sich der Abt seine

Rechte in dieser Hinsicht nachdrücklich gesichert, also zu einer Zeit, wo der Gerichtsbezirk Werden bereits Bestand hatte. Den einzigen, in der Werdener Ueberlieferung selbst auffindbaren Anhalt zu einer Vermutung über den Ursprung des Gerichtsbezirkes Werden bietet die Tatsache, daß

wir

Bürger als Schöffen tätig finden.

Zwar könnte man geneigt sein,

am Gericht nur städtische

aus den Namen der im Jahre 1292 und im nächsten Menschenalter genannten Schöffen auf eine aufängliche Mitwirkung auch von Landschöffen zu schließen ; ') in jüngerer Zeit ist dies dann sicher nicht mehr der Fall, und

die Gerichtsordnung des 15. Jahrhunderts²)

enthält die ausdrückliche Angabe, daß die neuen Schöffen aus den Bürgern gewählt werden sollen. Indes auch in den ältesten Zeugnissen darf die Benennung von Schöffen nach ländlichen Orten nicht als Beweis ländlichen Wohnsitzes

gelten ; 3)

die Reihenfolge,

in der die Schöffen in den Urkunden angeführt werden, läßt auf einen Unterschied von Stadt- und Landschöffen nicht schließen, und es ist auch kein Grund abzusehen, warum im Verlaufe des 14. Jahrhunderts die Landschöffen beseitigt sein sollten.

Demnach ist das

Gericht Werden den Stadtgerichten mit einem Geltungsbereich auf dem platten Lande ringsum zu vergleichen, wie wir sie in jener Gegend öfter, bisweilen als „ Freiheit “ bezeichnet, antreffen : Duisburg , Barmen, Lennep, Ronsdorf, Ratingen, Angermund u . a.

Auch die Tatsache,

daß das Gericht auf dem Werdener Markt abgehalten wurde, in in diesem Zuſammenhange zu erwähnen; und es ſtimmt dazu auch der

Ausdruck in einer Randbemerkung 15. Jahrhunderts zu der

Urkunde vom 24. Juli 1317 , wo als das Zubehör der Stadt das „Gericht" bezeichnet wird.4 )

Gerade diese

Stelle zeigt aber, wie

sich schon um der Stadt und ihres Marktes willen die Ausübung einer Gewalt auch außerhalb ihres Weichbildes nötig machen konnte ; wird doch denen, die an den Sonnabenden, d . i. am Markttag, und an den Sonn- und Festtagen die Stadt aufſuchten, ein beſonderer

') f. Beilage IV b zu dieſem Aufſay. 2) f. Beilage I, 5. 3) Mehrere sind nach Orten außerhalb des Gerichtsbezirkes benannt ; es find also nach ihrer Herkunft benannte Bürger Werdens. ) Jm liber privilegiorum minor ( Düsseldorf St.A B. 59 ) : Item nota de pace et securitate intrantium civitatem cum suis adherentiis, scilicet iudicio. 7*

100

Friedensschuß gewährt, ebenso auch den Besuchern der drei Jahrmärkte im Stiftsgebiet zu Werden, Kettwig und Bredenei . Der Ursprung des Gerichtes Werden ist demnach so zu erklären. Nach Verleihung des Marktrechtes 974 ist neben der Klosteranlage ein Marktort Werden entstanden. Infolge der dem Kloster verliehenen Jmmunität war auch im Marktort die Vornahme gerichtlicher Handlungen den Grafen und ihren Unterbeamten verboten. Die Gerichtsherrschaft war im legten Grunde Recht des Abtes ; auch die Marktgerichtsbarkeit stand ihm zu . Auszuüben war sie den föniglichen Privilegien gemäß von dem vom Abte einzusehenden Vogt.

Ueber

Dienstmannen und klöſterliche Hausgenoſſenſchaft bildete sich nun eine Sondergerichtsbarkeit aus, die der Abt, wenn des Vogies , auszuüben sich vorbehielt.

auch unter Beiſtand

Unter den freien Ansiedlern

des Marktortes jedoch oder wie wir, sobald eine Ummauerung ausgeführt war, sagen dürfen, der Stadt Werden entstand eine Gerichtspraxis

eigener Art.

Abtes in Marktsachen

Mögen auch

einseitig

darüber nichts ), so trat doch

anfänglich Beamte des

entschieden haben

(wir

erfahren .

ein Gericht in Tätigkeit, bei dem

ohne Zweifel Urteilsfinder aus der Mitte der Marktansiedler und Bürger mitwirkten. Zwar ist nur eine Rechtsprechung in

Geldsachen “

für dies Gericht bezeugt und auch dies erſt in ſpäterer Ueberlieferung, doch muß die Ausübung einer allgemeinen öffentlichen Gerichtsbarkeit über den ganzen ummauerten Marktort, die Stadt, angenommen werden, wobei vielleicht in Fällen der peinlichen Gerichtsbarkeit ein persönliches Eingreifen des Kirchenvogtes üblich gewesen ist, während im übrigen unter ministerialischem Vorsitz Recht

gesprochen wurde.

In den

mittleren Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts nun hat dieses unter dem Kirchenvogt stehende Bürger-

oder

Stadtgericht

einen fest=

abgegrenzten, über die Umfriedigung der städtischen Siedelung hinausreichenden Bezirk erlangt und ist so seinem Geltungsbereich nach zu einem Landgericht geworden.

Möglich ist es, daß um des Marktes

oder der Friedenssicherung willen schon vorher ein passend ab= gerundeter Bannkreis um Werden von der Größe einer Quadratmeile. und etwas darüber abgegrenzt gewesen ist.

Mehr Wahrscheinlichkeit

aber hat es, daß der Gerichtsbezirk Werden zugleich mit der Ordnung der Gerichtsverhältnisse in den mittleren Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts aus den um die Gerichtsstätte liegenden Honnschaften ganz neu gebildet worden ist,

im wesentlichen dann freilich ein Gebiet,

101

dessen Aussonderung durch vorherrschende Rechte des Abtes von Werden und seines Vogtes gleichsam schon vorgebildet war.

4.

Die Verfassung des Gerichts Werden im 14. und 15. Jahrhundert.

Ist in den bisherigen Darlegungen der Ursprung des Gerichtes Werden und die räumliche Grundlage seiner Wirksamkeit behandelt worden, so

bleibt noch übrig, die Grundzüge seiner

Verfassung

im späteren Mittelalter kurz aufzuzeigen. Die Gerichtshoheit im Stiftsgebiet stand dem Abte zu ; in der Praris ward aber die Gerichtsbarkeit teils von ihm selbst oder in seinem Namen ausgeübt, teils war sie

als Lehen vergeben .

Nach

dem Uebereinkommen zwischen Abt und Vogt vom 24. Juli 1317 war der Wirkungsfreis des Abtes in gerichtlicher Hinsicht bedeutend genug; nicht unwichtige Rechtssachen waren ganz seiner Entscheidung vorbehalten, in anderen besaß er neben dem Gerichte des „weltlichen Richters " , des Vogtes, eine fonkurrierende Münzer und Wechsler sollte dem Abte,

Gerichtsbarkeit.

Neber

dem ja durch königliche

Verleihung das Hoheitsrecht der Münze zugefallen war, die Rechtsprechung im vollen Umfang gebühren, mochte nun dabei auf bloße Geldbuße oder selbst auf Todesstrafe zu erkennen sein. Wahrscheinlich griff der Abt mit dieser Gerichtsbarkeit in die Reihen der städtischen Einwohnerschaft Werdens hinein ; wenigstens ersehen wir aus einer Urkunde des

15. Jahrhunderts, ') daß Münzer

auf Grund eines

freien Vertrages, nicht nach dem Rechte der Dienstmannen oder des Hausgesindes der Abtei angenommen worden sind .

Eine weitgehende

Befreiung vom Gerichte des Vogtes und Grafen kam den abteilichen Miniſterialen zu ; gegen sie sollten alle Klagen vor dem Abte vorgebracht werden, und wenn sie selbst Klage

erheben wollten, so

ſollte es ihnen freistehen, dies vor dem Abte oder vor dem Gerichte des Vogtes zu tun.

Ueber Akte der freiwilligen

Gerichtsbarkeit

wird nichts beſtimmt ; zweifellos ist es später vorgekommen, daß auch Dienstmannen sich dabei an das allgemeine Gericht Werden gewandt haben ; eigentliche Lehenfachen gehörten natürlich vor den abteilichen Lehenhof . Was die Vaſallen betrifft, — gegen die Anklagen

1 ) 1439 Dai 1 , i. 11rbaraugabe 2ính . A nr. 66 .

102

wohl ausnahmslos vor einem auswärtigen Gerichte vorzubringen . waren, so ist nur gesagt, daß sie als Kläger nach eigener Wahl vor dem Abte oder dem Gerichte des Vogtes auftreten durften ; ein gleiches sollte auch für die übrigen gelten ,

die flagen wollten,

so daß also in Fällen der „streitenden Gerichtsbarkeit " ganz allgemein die Zuständigkeit des Abtes Rechtens war, wofern nur der Ankläger es vorzog, sich an ihn zu wenden. Unter unmittelbarem Einfluß des Abtes standen endlich auch die Fronhofsgerichte, deren es gegen Ausgang des

Mittelalters im Stiftsgebiet zwei, Barkhoven und

Viehausen, gab mit einer auf grundherrliche Angelegenheiten ein= geschränkten Gerichtsbarkeit. Daneben stand nun das Gericht Werden,

dessen Verfassung

insbesondere aus Gerichtsurkunden, aus dem Stadtrecht von 1371 ') und einer Gerichtsordnung des 15. Jahrhunderts ) zu erkennen ist, im wesentlichen also

aus etwas jüngeren Quellen,

abteilichen Gerichtsbarkeit ;

als bei der

es ist möglich, daß sich die Befugnisse

dieses Gerichts inzwischen noch geklärt, gefestigt,

vielleicht auch, in

der Praris wenigstens, noch etwas erweitert haben.

Von dem Abte

empfingen die Vögte, die Grafen von der Mark und ihre Rechtsnachfolger, die Herzöge von Cleve,

das Gericht nach Lehenrecht, 3)

und zwar als Mannlehen,4) zugleich mit der Vogtei, aber doch als etwas besonderes von ihr deutlich unterschieden; so oft ein neuer Abt geforen ward, sollte eine Neubelehnung nachgesucht werden. Tatsächlich war also das Gericht im erblichen Besitze der Grafen von der Mark ; sie waren die wirklichen Gerichtsherren. Natürlich nicht in Person haben die Grafen und Herzöge der Gerichtspraris vorgestanden ; wiewohl es auch an persönlichem Eingreifen in wichtigen Fällen nicht gefehlt hat : über Totschlag,³) über

¹ ) f. Beilage I zu dem ersten Aufſaß dieses Heftes , oben S. 49 . 2) s. unten Beilage I zu diesem Aufſaße. 3) Urf. vom 17. Sept. 1372 , Lacomblet U. B. Il nr. 731 ( als sick gheboirt to leenrecht, soe dicke als dair eyn nye abt ghekoren woirt ; s. auch die Lehenreverse. *) so in Lehenbüchern. *) Düſſeldorf St. A. Cleve-Mark XXIV ( Verhältniſſe zu Werden ) 1. vol.1. Bl. 293 : 1461 , Dienstag nach Ostern, (April 7) schreibt Roprecht Stail van Houlsteyn an den Herzog von Cleve und übersendet einen beigelegten Bericht über einen Totschlag, der am letzten Fastabendstage in dem gerichte van Werden geschehen ist ; die Täter sind zu dem Totschlag mit ganzer Not gedrungen worden, die Parteien haben sich geschieden ; der Verfasser des Schreibens hat den Tätern, die lantrumych geworden sind , bis Datum dieſes Briefes Geleit gegeben .

103

einen Herenprozeß, ') über entkommene Diebe2 ) wird an sie Bericht erstattet und ihre Willenskundgebung

erwartet.

Seit

den letzten

Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts war in Werden ein Amtmann tätig, der in Vertretung des Grafen und Herzogs auch in Gerichtshändeln mitwirkte. 3) Gewöhnlich aber lag die Leitung der Rechtsprechung in den Händen des Richters .

Deutlich sehen wir im 15. und 16. Jahr-

hundert, daß diese Stelle nach Amtsrecht vergeben ward ; ) eingesetzt ward der Richter von dem Herzog ; Erblichkeit ist in feiner Weise bemerkbar, auch nicht eine bloß tatsächliche Bevorzugung von Söhnen früherer Richter;

Absetzung

ist mehrfach bezeugt ,

einmal wegen

Ungehorsams. Einer der Richter um die Mitte des 15. Jhs ., Aleff Strave, wird in Akten der Abtei ) als Erbmann des Abtes , seines Erbherrn, bezeichnet ;

es ist nicht unwahrscheinlich, daß der

Richter als solcher dem Abte hat Huldigung leisten müssen, wie ja auch die Schöffen dem Abte und dem Vogte verpflichtet wurden ; die Erwähnung an jener Stelle würde allerdings auch eine Erflärung aus rein persönlichen Verhältnissen zulaſſen. Die Anstellung Urkunde ;

des

Richters

erfolgte

Geldzahlungen

in jüngerer Zeit mit versiegelter

dabei werden erwähnt,

einmal auch ein

Anstellungsversprechen vor dem Abgang eines Richters .

Daß die

Einsetzung von Anfang an Sache des Grafen von der Mark gewesen ift, liegt an sich in den Verhältnissen begründet ;

wird doch in der

Urkunde von 1317 vom Richter des Vogtes " ) gesprochen; es wird dies aber dadurch besonders beſtätigt, daß ein Richter von Werden zuerst in Urkunden des Grafen

als Zeuge

der Richter betrifft, so waren sie,

erscheint .

Was die Herkunft

wenn vielleicht

auch nicht ohne

Ausnahme, bürgerlichen Standes ; mehrfach sind es Werdener Einheimische und Bürger gewesen; öfter ist aber auch Abstammung aus den westfälischen Gebieten der Grafen von der Mark erkennbar.7)

1) s. unten Beilage III. ) Düsseldorf, St.-A. a . a. O. Bl . nach 296 . *) s. unten Beilage IVa und III ; vgl . im Vogtbederegiſter Urbarausgabe LII, 36 . 1) s. unten Beilage IVa. 5) Urbare L , 41 . 6) siquid ex huiusmodi statuto ( d . i. cor) fuerit derivatum , id extorquetur per iudicem advocati. 7) Vielleicht läßt sich aus Universitätsmatrifeln in dem einen oder anderen Falle Zugehörigkeit zum gelehrten Richtertum“ erweisen.

104

Bei seinem

Amtsantritt hatte

der Richter seinem gnädigen.

Herrn und dem Gerichte den Eid zu leisten. liegenheiten läßt sich, wie folgt, bestimmen.

Der Kreis seiner ObSeine Aufgabe war es,

an den Spruchtagen im Gerichte den Vorsitz zu führen, nachdem es in herkömmlich formelhafter Weise gehegt war ;

er ist es geweſen,

der die Vereidigungen vorgenommen hat ; die Annahme der „ Bürgschaft", die beide Parteien in peinlichen Sachen zu setzen hatten, war seine Sache ; auch die Verkündung des Urteils muß ihm zugekommen sein, wenn dies auch nicht ausdrücklich in der Gerichtsordnung bezeugt. ist.

Die Ausstellung eigentlicher Gerichtsurfunden oder, wie es in

der Sprache der Zeit selbst heißt, „ Gerichtsscheine " , lag ihm gemeinsam mit den Schöffen ob, doch sollte er zuerst sein Siegel anhängen ; stellte der Abt selbst oder auch einer der Kapitelsherren eine Urkunde über eine Rechtshandlung aus,

bei der die

Gerichtspersonen mit

zugezogen waren, so ward ihrer darin gedacht, und sie fügten wohl auch ihr Siegel bei .

Außer im gehegten Gericht war der Richter

mit einer geringeren Zahl von Schöffen bei Pfändung, bei außer= gerichtlicher Veräußerung des Pfandes auf dem Markte , bei Beschlag = nahme, bei Einſetzung eines Mundwaltz zur Vertretung in gerichtlichen Sachen tätig.

Daß

er ferner die

Einnahme

an Strafgeldern zu

überwachen und sie auch nach Auftrag oder für gewöhnliche Ausgaben zu verwenden hatte, ersehen wir aus Rechnungen, die von einem der Richter ausgestellt sind ; ¹ ) die Rechenschaftsablage fand bisweilen in Gegenwart des Herrn Herzogs selbst oder sonst vor seinen Räten. und Beauftragten statt.

Auch Aufgaben der Polizei und Verwaltung

werden, dem Brauche älterer Zeiten gemäß, dem Richter obgelegen haben ; doch war sein Geschäftskreis offenbar weniger vielseitig, den Forderungen neuester Zeit nach einer Sonderung der Gewalten schon mehr angenähert, gewesen war.

als dies vordem bei dem Stadtvogt b

der Fall

er eine feste Besoldung und einige beſtimmte

Naturallicferungen bezog, geht aus den von mir benutten Quellen nicht hervor.

Aus der Gerichtsordnung aber ist ersichtlich, daß ihm

für seine Amtshandlungen Gebühren in festgesetzter Höhe zuerfannt waren, unter Umständen auch angemessene Verköstigung . Auch erfahren wir aus einem Register, 2) daß einer der Richter um die Mitte 14. Jahrhunderts eine Haferabgabe von vogtbedepflichtigen

1) 1417/19 f unten Beilage II . 2) Urbare, LII, 36.

105

Gütern innerhalb des Gerichtes Werden zur Fütterung seiner Pferde unrechtmäßig, wie dort gesagt wird,

neu aufgebracht habe.

Ein Jahrhundert später begegnet uns in dem Richter Strave ein vermögender Mann, der dem damals

in Verfall geratenen Kloster

große Summen, 800 Gld . und mehr, vorschießen konnte, die Finanzverwaltung mehrerer Klosterämter unter sich brachte und deren Heberegister pfändete und dem Stifte zu dessen großem Schaden vorenthielt. ') Neben dem Richter bestand das Gericht Werden aus einer Anzahl Schöffen. zwölf,2 )

doch

Es waren deren im 14. und 15. Jahrhundert

war nur die Anwesenheit von sieben bei schweren.

Fällen erforderlich,

um ein recht gehegtes Gericht zu halten ; in

jüngeren Zeiten war die Zahl der Schöffen auf acht eingeschränkt, sowohl im Landgericht, 3 ) als auch im städtischen Magistrat.4)

Die

Berufung zum Amte eines Schöffen erfolgte nach der Gerichtsordnung des 15. Jahrhunderts durch Wahl des Schöffenkollegiums, und zwar auf Lebenszeit.

Entnommen wurden sie den Bürgern Werdens ;

dem Richter aber kam es zu, vor Gericht ſie im Namen des Gerichtsherrn des Grafen von der Mark und Herzogs von Cleve als Schöffen anzunehmen und den Eid schwören zu lassen. )

Jm

Gericht selbst waren sie als Urteilsfinder tätig ; sie erscheinen auch in Urkunden über Grundeigentumsveränderungen, die nicht eigentliche Gerichtsurkunden sind , als Zeugen und bedienten sich zur Beglaubigung von

Gerichtsscheinen

eines

eigenen

Schöffensiegels ;

bei

gewiſſen

außergerichtlichen Amtshandlungen des Richters, z . B. Verkauf von Pfändern, war die Mitwirkung einiger Schöffen erforderlich.

Als

Entgelt für die Mühewaltung der Schöffen waren bestimmte Gebühren vorgeschrieben. Als Gerichtsbote war dem Gericht Werden ein Fron oder auch zwei Fronen beigegeben, die für ihre Botengänge innerhalb und

¹ ) Urbare L, 32, 35 ff.; XLVIC ff. 2) i. unten Beilage I. 3) P. Jacobs, Reichskammergerichtsklagen, in den „ Beiträgen “ , Heft VIII, S. 26. *) P. J. Müller, Gesch. des Stifts Werden, § 12, S. 17 ; s. auch G. Kranz, Gilden u. Aemter, in den " Beiträgen “ Heft 1 , S. 7. 5) Müller teilt a. a. D. in Anlage 6 Formeln für Hegung des Gerichts und Annahme neuer Schöffen mit ; doch sind in neueren Zeiten die Verhältniſſe betreffs der Landesherrschaft geändert worden ; s. darüber die Bemerkungen am Schlusse dieses Aufsatzes .

106

außerhalb des Gerichtsbezirks verschieden hoch bemessene Gebühren. empfingen ; ihre

Anwesenheit

bei

Gerichtshandlungen

war_not-

wendig. Auch ein Gerichtsschreiber ') wird in der Gerichtsordnung erwähnt. Alle vierzehn Tage trat das

Gericht Werden am Mittwoch

zuſammen. Gerichtsstätte war der Markt, bei Notgerichten außerhalb der Stadt ein Platz auf Grund und Boden des Gerichtsherrn . Die Zuständigkeit des Gerichts

war allgemeiner Art für den ganzen

eingehörigen Bezirk in Stadt und Land, ſoweit nicht einzelne Rechtssachen Sondergerichten vorbehalten waren oder diesen wenigstens cine fonkurrierende Gerichtsbarkeit zukam. ) Gericht die Berechtigung, über Leib

Vor

allem hatte das

und Leben zu richten ;

als

Wahrzeichen dafür erhob sich der Galgen auf einem Berge in dem nördlich der Ruhr gelegenen Teile des Stiftsgebietes , an der Straße zwischen Kettwig und Essen, sorgsam auf der Landkarte aus Abt Dudens Zeit eingetragen ; 3 ) noch Ende des 19. Jahrhunderts ward der dahin führende Weg im Volksmund der Galgenweg genannt. " ) Insbesondere hatte also cbenso war zuständig.

es

bei

das

Gericht über Totschlag zu urteilen ;

Zauberei und Hexenverdacht,5) bei Diebstahl

Dazu kam die Gerichtsbarkeit über Verwundung, Schläge ,

Waffenziehen, Scheltworte und dergleichen. Erbe und Gut zu richten ;

Ebenso hatte es

über

daß Pfändung und Beschlagnahme zu

den Gerichtsbefugnissen gehörten, geht schon aus dem oben über Richter und Schöffen gesagten hervor. Auch Atte der freiwilligen Gerichtsbarkeit wurden vor dem Gerichte vollzogen : Veränderungen, die das Grundeigentum betrafen, wurden vor Gericht vorgenommen, Verzicht und gerichtliche Auflaſſung ; die erhaltenen Gerichtsurfunden ) beziehen sich fait ausschließlich auf solche Vorgänge, und auch bei abteilichem Dienstmannengut wurde es dafür in Anspruch genommen, wenn auch nicht regelmäßig . haben das Gericht beschäftigt.

Auch Vormundschaftsangelegenheiten

1 ) In einer Urkunde über eine Handlung vor dem Gerichte Lüdinghausen vom 5. Jan. 1270 begegnet Hildebrandus notarius presencium de Werdina als Zenge; doch ist dieser nicht als Schreiber des Gerichtes Werden aufzufaffen . 2 ) f. zum folgenden die Gerichtsordnung unten in Beilage 1, sowie mehrere Bestimmungen des Stadtrechtes von 1371 . 3) Kartenbeilage zu diesem Heft. Flügge, Chronik der Stadt Werden, zweites Ergänzungsheft, S. 577 Aum. 5) Vgl . oben S. 103 Anm. 1 . 6) Vgl. oben S. 78, Anm. 1 .

107

Ueber das Prozeßverfahren ergeben sich mehrere Einzelheiten aus der in der Beilage abgedruckten Gerichtsordnung ; es darf hier einfach darauf verwiesen werden.

Bei der Strafbemessung galten für

Werdener Bürger mancherlei Begünstigungen, über die das Stadtrecht von 1371 Aufschluß gibt ; zumal in Straffachen waren Bußsäge normiert, 3. B. für die Lösung der „Hand " (wenn unbefugterweise die Waffe gezogen war)

5 Mark, während deren Festsetzung

einem Fremden gegenüber dem Gerichtsherrn oder seinem Amtmann vorbehalten blieb . Auch war beſtimmt, daß nur ein Drittel der Einnahme aus

verschiedenen Strafgeldern dem Vogte, zwei Drittel

aber der Stadt zufließen sollten .

Das „ Wedde" genannte Strafgeld

war 1317 für die Bürger auf 1 s . festgesezt worden, während für die außerhalb der Stadtmauern wohnenden 4 s . betrug.

es

So tritt uns das Gericht Werden im späteren Mittelalter als ein allgemeines öffentliches Gericht erster Instanz entgegen.

im Stiftsgebiet

In Schuldsachen, Bußgeldern und Rechtsangelegenheiten,

die an den Leib und die Ehre gehen, sollte über Bürger und Fremde nur vor diesem Gerichte verhandelt werden . Hingegen fam im übrigen daneben, mehrfach mit ihm fonfurrierend, in der oben geschilderten Weise die Gerichtsbarkeit des Abtes in Betracht ; eine untergeordnete Gerichtsbarkeit in Gildesachen übten die Gildemeister mit dem Rechte

der Verhängung von kleinen Strafgeldern.

Die

Berufung von dem Gericht Werden ging an den Grafen von der Mark und Herzog von Eleve und sein Hofgericht oder auch, so z . B. bei Angelegenheiten, die Lehengut betrafen, an den Abt ; in letter Instanz

aber seit dem Ausgang des Mittelalters an das Reichs-

kammergericht.

Doch sollte nach den Bestimmungen des Privilegs

von 1371 die Ausforderung von Werdener Bürgern nach auswärts vor die Gerichte in den Landen ſtatthaben ; und

des Grafen von der Mark nicht

ebenso sollte die Wirksamkeit der Freigerichte in

der Stadt Werden ausgeschlossen bleiben.

Der Gerichtsbezirk Werden ist das Stiftsgebiet ; von der Feststellung dieser Tatsache haben unsere Erörterungen über die Verhältnisse des Gerichtes Werden ihren Ausgang genommen . Sind nunmehr die Grundzüge seiner Verfassung zur Darstellung gekommen, io sei es zur Ergänzung dieser Ausführungen gestattet, auf die in

108

so engem Zusammenhang damit stehende Frage nach der Ausübung der Landesgewalt im Stiftsgebiet noch kurz einzugehen, ohne den Anspruch, den Gegenstand erschöpfend behandeln zu wollen. Hat innerhalb der

Grenzen des Werdener Gerichtsbezirkes ,

wie wir gesehen haben, seit dem Ausgang der Stauferzeit eine ordentliche öffentliche Rechtsprechung vor dem Gericht Werden stattgehabt, so ist doch damit die Ausübung landesherrschaftlicher Gewalt in diesem Bezirk noch nicht geordnet gewesen. Zwar die Vorbedingung dazu, die Lösung aus dem Grafschaftsverband, war schon erfüllt ; aber eine Ordnung von Dauer finden wir doch erst nach den wirrvollen und kampfesreichen Jahrzehnten . niederrheinischer Geschichte, deren bekanntestes Ereignis die Schlacht bei Worringen 1288 war in dem oft genannten Vergleich zwischen Abt Wilhelm und

dem

Vogte

Grafen

der Mark vom

24. Juli 1317 geschaffen :

fassungsurkunde

des

Dokument bezeichnen .

Landes

als

Werden dürfen

Engelbert die

wir

von

älteste Verdies

wichtige Politisch betrachtet ist dabei zu beobachten,

daß der Abt von Werden, gleich wie es seine Vorgänger im 13 . Jahrhundert verstanden hatten, inmitten der stärkeren aufstrebenden Territorialgewalten am Niederrhein und im benachbarten Westfalen, die Selbständigkeit der Abtei zu behaupten und ihr einen herrſchaft= lichen Einfluß auf das unmittelbar sie umgebende Landgebiet zu sichern, jezt in einer günstigen Lage von dem Vogte, der infolge des Thronstreits durch königlichen Spruch seiner Rechte verlustig zu gehen befürchten fonnte, Zugeständnisse erreichte, ¹ ) die ihm die Wahrung von Hoheitsrechten im Stiftsgebiet verbürgten. In rechtwie es sich um eine Summe von Rechten.

licher Hinsicht zeigt sich,

landesherrschaftlicher Art handelt, die zu einem einheitlichen Begriffe der Landesgewalt noch nicht verschmolzen waren. Noch um die Mitte des 13.

Jahrhunderts war der Burgenbau im Werdener Bezirk fein wirklich geübtes Hoheitsrecht des Abtes ; nach der Vereinbarung von 1317 aber hat sich der Abt das Recht, über die Anlage von Befestigungen im Stiftsgebiet zu entſcheiden, vorbehalten ; tatsächlich freilich war auch in der Folge stets der Vogt Inhaber des festen Schlosses Werden, das Stadt und Fluß und das Land

1) Darauf hat schon A. Schunden in der Geschichte der Abtei S. 120 aufmerksam gemacht.

109

ringsum beherrschte, und übte in der Wirklichkeit im Stiftsgebiet aus .

die Schuggewalt

Die Ordnung von Zoll und Münze hat der

Abt als sein Recht behauptet, ebenso das Recht, Gebote und Verbote im Stiftsgebiet zu erlaſſen, d . h . eine Verordnungsgewalt polizeilicher Art ; zur Strafvollstreckung allerdings bedurfte er wiederum des Vogtes und seiner Beamten. dann eine wirkliche

In neueren Zeiten ist dem Abte

Gesetzgebung möglich

der Besteuerung der Insassen in Anspruch und der

Tat

haben

anerkannt,

daß

hat die ihnen

des

geworden.

Stiftsgebietes

es, nachweisbar seit Grafen die

und

Herzöge

Erhebung

einer

Das Recht

nahm der Abt

1512 ,

ausgeübt ; in

wiederholt Steuer

schriftlich nicht

von

Rechtswegen zustehe, sondern nur im einzelnen Falle durch Gunſt * der Aebte bewilligt worden sei ; ihre Goldgulden und Weißpfennige Steuer haben sie aber doch bekommen, und oft genug war ein solcher herzoglicher Revers nur eine nachträglich erfüllte Formalie und in den Händen der Aebte nur ein papierenes Dokument.

Zur

Ausübung all dieser Gerechtsame des Vogtes war nun zu Werden eine Amtsverwaltung waren zugleich

eingerichtet : Stiftsgebiet und Gerichtsbezirk

ein gräflich-märkisches Amt

Werden¹) mit einem.

Amtmann oder Drosten an der Spitze, der, von seinem fürstlichen Herrn bestellt, über Schloß, Stadt und Land wehrtüchtig und herrschaftsbeslissen waltete. So waren in der Wirklichkeit die Befugnisse der Landesgewalt zwischen Abt und Vogt geteilt ; es hat auch an Schwankungen in dieser Hinsicht nicht gefehlt , und es begreift sich leicht, daß die Landeshoheit in jüngeren Zeiten, wo man ihren Begriff fest fassen wollte, von den Juristen der Abtei und der Erbvögte auf Grund uralter Rechtsdenkmale der einen, wie auch der anderen Partei zugeschrieben worden ist .

In neueren geschichtlichen Arbeiten pflegt

der Abt als Landesherr bezeichnet zu werden .

Nun ist es allerdings

richtig, daß auch für die erblich von den Vögten besessenen Rechte die Lehensherrlichkeit des Abtes stets anerkannt worden ist und dieser darüber hinaus Hoheitsrechte für sich innehatte.

Indes jene

Auffaſſung gründet sich auf die Zustände einer sehr späten Zeit ; für die älteren Zeiten trifft sie nicht ganz zu.

Im späteren Mittel-

1) Später versteht man darunter das Stiftsgebiet mit Ausnahme des Kettwiger Bezirles ; aber in jener älteren Zeit ist dieser in Bezug auf das Gericht feineswegs ausgesondert.

110

alter bis weit in die Neuzeit hinein hat

der Abt sich nicht im

Vollbesig der Landesherrschaft befunden .

In den Lehenregiſtern

des 16. Jahrhunderts , in denen die Lehengüter der Abtei nach den landesfürstlichen Territorien verzeichnet sind, erscheint der Lehenbesitz im Stiftsgebiet, in Werden und den Kirchspielen Born, Neukirchen und Kettwig unter der Ueberschrift Zubehör. )

„ Grafschaft Mark"

als deren

Noch in dem vom Abte Duden gegen Ende des Jahr-

hunderts geschriebenen Lehenbuch ) ist dies der Fall ; aber bezeichnenderweise sind die beiden Stellen, wo dies gestanden hat, durch Rasur getilgt, man hat später daran Anstoß genommen. Und in der Tat war das Streben der Aebte darauf gerichtet, die Landesgewalt ausschließlich in die Hand zu nehmen und geltend zu machen.

Zeigt

sich dies schon darin, daß sie Ordnungen, die das Wirtschaftsleben der Stadt regeln, jezt ohne den Vogt erlassen oder bestätigen, so ist es ihnen vor allem gelungen, nach dem Aussterben des Hauses JülichCleve und dem Anfall der Erbvogtei an Kurbrandenburg, durch den Vertrag mit dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. vom 3. Juli 16493) die Jurisdiktion pfandweise an sich zu bringen. Erst jezt waren sie wirklich Herren in Stadt und Land ; und es ist gewiß fein Zufall, daß größere Akte der Gesetzgebung erst

aus so später

Zeit, zumal das Werdener Landesſtatut vom 26. Aug. 1734, vorliegen.

Die volle Ausübung abteilicher Landesgewalt im Reichsstift

Werden ist erst eine Erscheinung der Neuzeit, und ist sehr bald, nachdem sie ins Leben getreten war, in gelehrter Fehde und durch tätliche Eingriffe bestritten worden, bis sie in einer stürmischen Zeit, die so vieles eingewurzeltes gang des alten Reiches

Recht brach, zugleich mit dem Unter-

ihr Ende fand,

um neuen, zeitgemäßen

Bildungen auf diesem Stück niederrheiniſchen Bodens Raum zu schaffen. ¹ ) ſ. Urbare LIIIb Aufzeichnungen des Johannes Kruishaar (Cincinnius). 2) Düsseldorf St. A. C. 50b : in dem Index seu registrum nominum bonorum feudalium huius abbatie im Anfang : In comitatu Marckensi ( com ausradiert), es folgt Werdene sub parochiis . . Ketwich parochia. In dem selben Bande weiter vorn unter Nomenclatura parochiarum, in quibus abbatie Werthinensis feudalia bona sita sunt im Anfang : In Marckensi confinio (radiert, wohl hergestellt aus comitatu) ; es folgt Werdenensis ecclesia. 3) Flügge, Chronik der Stadt Werden, erstes Ergänzungsheft, S. 437 ff.

111

Beilagen.

I.

Ordnung des Gerichts Werden aus dem 15. Jahrhundert.

Düſſeldorf, Staats- Archiv , Cleve-Mark XXIV, Verhältnisse zum Stift Werden 1 vol. 1 Bt . 72 ff. Geschrieben von einer Hand 15. Jhs. , die mehrfach selbst am Rande oder im Texte Zusätze gemacht hat ; im folgenden Abdruck werden. diese in [ ] geschlossen. Aehnlich ist die Schreibart einer Urk. von 1471 Sept. 7 ; Urk. der Abtei Werden nr. 124. (677). Die Potenziffern der einzelnen Abschnitte sind vom Herausgeber zur besseren. Uebersicht eingefügt. Ordinantie des gerichtz to Werden. 1 ¹ [Item up alle guesdach, so ver id geyn hillich avent en is, richt men van 14 dagen tot 14 dagen . Item hindert de hillich avent daran, so richt men des nesten guesdags darna. 2 Item yn der quater temper und wanner het hijr vrij is, en richtet men nyet ; ock yn der bow nyet. ] 3 Item dar synt 12 geswarene schepen mit enen richter, die mynen genedigsten heren und dem gerichte vereidt syn. 4 [Item mit seven schepen mach de richter richten over erve

und guet, over hals und over buck, unde beneden seven en richtet men nyet.]

schepen

5 Item wanner der scepen eyn, twe, drie myn off mer versterven, so kiesen die levendige, up dat die stoel wederomb voll wert, andere burger darto bequem echt und recht, als sich dat gebort, yn der doden steden. Item wanner men dan richtet, presenteirt men dieselve nye gekaren scepen dan vor dem gehegeden gerichte, begerende van dem richter, die selven gekaren van wegen myns gnedigen heren vor scepen antonemen und den eydt to doen laten, als gewontlich is, dar die richter de steveler van syn moet.

112

7 Item dan wanner sije den eydt gedaen hebn, als gewontlich is, heit se de richter yn dat gerichte by de andere schepen sitten . 8 Item na alder gewonten so wert dan dat gerichte upgenamen, sunder ymantz clagt off ordel antonemen, und gaen tosamen to win off byer und maken sich tosamen vrolich. 9 Item ider gekaren scepen schenckt dan to gelage 18 alb. 10 Item hijrentegen schencken ock die andere alde scepen dan enen penninck ynt gelage na orer beliefden und guetduncken. 11 Item we enen mit den geswaren vronen ant gerichte leth

gebaden ten irsten mael , ten

anderen

mael und to derden mael,

van yder sodaen geboth behort dem vronen 3 hl., und des sal men irst dem richter umb den vronen bidden . so wanner men dan die irste clagt gerichtlich inbrengt, so wijsen die schepen , ist sake die wederpart ten irsten geyn antwort en gift, dat dan to verclagen ten anderen mael . gift de beclagede man tem anderen mael ock geyn antwort, dat he doch ten irsten off tem anderen mael doen mochte , so leth men denselven vermitz den geswaren vronen an dat neiste gerichte gebaden tem derden mael . 12 Item van yder gebade yn to scriven laten gift men dem schriver 3 hl. 13 Item tem derden gerichte leth die cleger dem beclageden mit den geswaren vronen

ant gerichte

eyschen und ropen umb

antwort to geven, he will em schuldigen. 14 Item so moet die cleger syn clagt und sprake

gerichtlich

updoen und luden laten, dar die antworder dan up antworden off syn 14 dage upnemen mach tot synen koer, der men em gunnen moet. 15 Item dat yn to setten, und belonen .

dat moet die ansprecker laten doen

16 Item van yder gewesen ordel behort dem richter und scepen tosamen 2 alb. [wat darvan kompt, hort half dem richter und die andere helfte den schepen .] 17 Item werden twe ordelen van beiden

parthien angestalt

ontscheiden, de moeten beyde parthien ock beleggen itlich 2 alb . 18 Item nemen de scepen eyns off twier ordelen or 14 dage, dat en darf men dem gerichte dem schriver insetten.

nyet beleggen,

dan

men leth

dat

19 Item we van beiden parthien des gerichtz undergeit unde verluyslich wordt, heft die dan die drije wedden verseten eder

113

verswegen, so moet he dem richter instat myns gnedigen heren [wedden unde] geven 1½ gld .

[ ist eyn pinlicke sake, so moet he

darto mynen gnedigen hern de brocke gelden] . 20 Item eyn wedde off clagt is eyn dinck, und so is eyn wed off clagt

½ gld ., twe wed off clagt 1 gld. etc. ind wo lange men

ant gerichte hengt, so en behort dem richter doch upt hogeste van sulchen vors. saken nyet mer dan 1½ gld. und dem, de des gerichtz baven blift, synen bewislichen gerichtlichen schaden . 21 Item wanner die vroen ymantz gift eyn pandt, em aff 1 alb.

dar

behort

22 Item vor unbekande schult gift de richter geyn pande, de schult moet men na gerichtz rechten ynforderen, as recht is, also dat men up dat pant clagen moet, dat gerichtlich yntobrengen ten irsten mael, tem anderen mael bijs tem derden mael to, dar vortdan mit umme to gaende, als vors. steit, [doch up dat derde verfolch eder clagt pande off kummer angaende wisen die scepen den rechten erven sulx kunt to doen mit den geswaren vronen .] 23 Item wanner dat pant dan gerichtlich verkoft, as recht is, begert de gewunnen man dan ban und vrede over dat guet eder gewin to doen, so sall em de richter van wegen myns genedigen heren dar ban und vrede over . doen, doch beheltlich und uytbehalden dar uyt off daran ydermann syns vorrechten . 24 Item wanner men ymantz ban und vrede

over guet eder

renten doet, so is men dem gerichte schuldich by schinender sunnen dat gerichte afftoleggen, in anderen saken bynnen 14 dagen.

25 Item so behort dem richter darvan nyet mer dan 1 gld. und den schepen 1/2 gld., dat die gewunnen man myt synen bewislichen gerichtlichen schaden up eyn reckenen sall, dar em richter und schepen dan sunder syn vorder uytgevende gelt eyn gerichtzschyn up geven moten, off he des begert. 26 Item van enem kummer, toslach eder verboth [to doen] behort den vronen ock 1 alb. 27 Item van dem kummer behort dem richter 1/2 gld.

28 Item

de richter

[heft]

syn

egen segel und die gemeyne

schepen hebn ock tosamen enen gemeynen schependomps segel, dar sije mit tosamen erfbrieve und andere brieve besegelen, des moet de richter syn segel irst an hangen und dan dar na die schepen or segel und van yder segel moet men geven 3 alb. up gewontlichen tijden .

8

114

29 Item begert ymantz der schepen segel buthen gewontlicher tijt, de moet geven ½ gld. 30 Item dar syn 3 scepen, yder eyn

heft eyn bisunder slotel

to dem stock eder kisten, dar dat segel yn is, dar men alle saterdach yn der quatertemper up dem raethuse yn bywesen der gemeyner schepen darto van den burgermester vermitz der stat knecht verbadet alle erfkopsbrieve eder andere gerichtzbrieve mit besegelt. 31 Item doet ymantz eyn

vertichnisse van

erftael vor richter

und schepen, dar moeten 3 schepen over und ane syn. 32 Item doet ymantz vertichnisse van gulden, renten eder van erftaele up eyn loze off wederkoep, dar moeten de richter und 21 scepen by syn. 38 Item so behort dem richter vor syn gewontliche orkunde der vertichnisse und uplatinge 2 alb. und ider scepen 1 alb. 34 Item die scepen, die dan by der uplatinge und vertichnisse also syn gewest, brengen dat den anderen schepen upt raethuss an, dat sij umb des segels bidden, dar over und ane syn gewest, und up alsulch anbrengen hangen sij dan oren gemeynen schependomps segel an den brief. 25 Item dem vronen behort vor eyn witschop to doen bynnen dem gerichte 1 alb.

36 Item buthen gerichte so mannige mill weges, so manniche 2 alb. vor eyn weet to doen to komen ant verantworden syn guet.

neste

gerichte

und

37 Item de vroen sall buthen de pelen des gerichtz de wittinge mit enen apenen placaet under des richters ingedruckten segel doen . und brengen den brief an des mans plichtige wonstat, heft de man geyn egen woninge, asdan an syn gewontliche herberge. 38 Item wanner ymantz eyn gicht eder eyn bekentnisse an de gemeyne schepen ynt gehegeden gerichte tuet, wanner die entrichtinge [darover] van den schepen geschiet, so behort dem gerichte darvan 1½ gld.

[to orkunde].

39 Item so mannich eydt, als yn dem gerichte gedaen wert, also mannige halven gulden is dem gerichte verfallen . 40 [ Item wanner de sunne under is, entfenckt men geyn ede ock nyet in der beslaten tit in der vasten noch tuschen paeschen und pinxten ock nyet] .

115

41 Item van enen noetgerichte binnen der stat gehalden behort dem richter 1½ gld. und yder scepen, der twelf is, 3 alb., ma ckt ock 1½ gld.; und buthen der stat ist dubbelt. 42 Item dem richter und schepen hijrto eyn

erlike

kost ge-

saden und gebraden, win und byer eyns, wanner dat gerichte yn der stat gehalden wert, und buthen der stat 2 kosten to doen, wo vors. steit. 43 Item wanner men dat laecken van der tafelen up nempt, sal men yder syn gelt, wo vors., geven]. 44 Item buthen der stat sal men dat noetgerichte up erde unde grunt myns genedigen heren und up nymantz anders grunt halden. und becleden laten. 45 Item beyde parthien

moeten

gelaven dem gerichte genoch

to doen und dar, ofs van noden were, verwissinge vor doen .

46 Item in pinlicken saken

sall de richter van wegen myns

gnedigen hern ock van beyden parthien vor de sake burge und gelove vor dem gerichte laten setten, de bijs ter uytdracht der saken. sullen bliven staen, hentertit, dat mynen gnedigen hern uyt beiden parthien eynen schuldigen gewesen werde. 47 Item men mach tem irsten gerichte up enen verfolgen umb verdienst loen und vor verzist guet. 48 Item eyn itlich, so ver he dat irst mit ordel und recht verwart, mach enen anderen anlangen gerichtlich mit dren anspraicken nest der meisten darna,

und

de minste de leste ind wije der drier spraicke undergeit, en

und brengen de meste spraeck vor,

darf

vor die drie alsodane sprake

dem richter nyet mer wedden , dan

1½ gld. gelix men van eyn sprake doet. 49 Item we enen yn syner saken mummer will maicken,

dat

mach eyn doen yn dem sittenden gerichte und beorkunden dat yn den gerichte mit 2 alb. off eyn mach dat doen buthen dem gerichte vor dem richter und twen

schepen ,

dar behort dem richter to

orkunde van 2 alb. und yder schepen 1 alb. 50 Item we syn mummer vor richter und schepen settet, de sall denselven ock darvor entsetten und geven darvan dem richter und schepen ock ter gewontlicher orkunde, als vors. steit. 51 Item wanner men buthen dem gerichte up dem marckte eyn pant verkopt, dar sullen by syn de richter, twe schepen und de vroen, und den vronen behort ock alle wege by dem sittenden

8*

116

gerichte to staen der verbadinge, der verwittinge und der pandegevinge dar half, dat gerichte an lecht, to gestaen. und wanner dan dat pant van dem

richter na wisinge der schepen verkoft is,

behort em darvan

½ gld. und yderen schepen 1 alb.

52 Item dit moet uytgeven und verleggen pant verkoft is worden, und

diegene,

reckenen den schaden,

so

dem dat

ist levendige

haeve, de attinge up der herbergen all up dat selve pant, ock den gerichtlichen schaden, den de richter em mit verkopt, als

recht is. 53 Item bynnen jerige renten, pacht eder anders, der men

in

heven und boren is off gewest is, dat bewislich were, as recht, dat pant sall de richter mit twen schepen up den derden dach buthen gerichte up dem marckte verkopen ind die restanden sal men sliten ant vollgerichte van gerichte tot gerichte,

als des gerichtz recht is.

Daromb en sall de richter up renten, pacht eder tynsen off der geliken, der men nicht yn restlicher besit off boringe en is, geyn pande geven up den derden dach to verkopen, sunder he mach vor verdane rente, pacht, tynse

off der geliken up eyn recht pande

geven, de men dan van gerichte to gerichte upbieden sall laten und sliten dat pant, also as des gerichtz recht is. 54 Item wie buthen

orloff und will des gerichtz

und

des

clegers eyns anderen pantschop off kummer enwech vort off antast, dem ist umb die meiste broicke. 55 Item

wanner sich

myns genedigen

eyn umb eyns lehengudes willen van

heren gerichte affberopt an den lehenheren, so

ver he die affberopinge dan doet bynnen

geborlichen tijden und

die spracke mit 14 dagen to nemen off anders

nyet entfangen

heb, so wisen die schepen over dat leenguet to wisen an den lehenheren und an den mannen van lehene, dar men dan dem gerichte syn gewontliche orkunde van geven moet. 56 Item off dan die ansprecker eyns rechten begert to besijen , nadem syn wederpart sich des gudes van myns gnedigen heren gerichte affberopen heb an myns heren des abtz mangericht, wer he dan ock nicht den

heren willigen

sulle,

die

sacken

mitter

mantschop antonemen. darup behort den schepen to wisen, he sulle den lehenheren willigen, und men sall dem wederpart den angesatten mandach kunt doen und wittigen laten na lehenrechte.

117

57 Item off he dan vortdan begerde to

weten,

wat tijt und

wanner he den leenheren willigen sulle, darup behort to wisen bynnen sess wecken und drie dage. 59 Item off he dan vortdan eyns ordels begerde, off he bynnen der tit dem leenheren nyet en willigeden die sacke mit der mantschop to verhoren, off he dan nyet wederomb an myns genedigen heren gerichte syn recht vortdan vorderen und sliten moge, dar he dat amlasten gelaten hed na vermogen des gerichtz

signaetz, dar

behort up to wisen : de richter sulle em van wegen myns gnedigen heren dan dat recht wederomb apenen, syn sake vortdan an myns genedigen heren gerichte to verfolgen, as des gerichtz recht is . 59 Item wat he dan also an myns gnedigen heren gericht yn wint, dar moet em dat gerichte van wegen myns gnedigen by behalden und hanthaven .

heren

60 Item desgeliken ock, off ymantz syn guet, dat to leen rorden, liet an myns gnedigen heren gerichte sliten und vorderen und sich des to geborlicken tijden nyet aff en beriepe an den lehenheren , wes dan dar mit rechte over erclert und gewesen wert, sall und moet gewesen blyven, dar em dan dat gerichte ock bybehalden und hanthaven moet van wegen myns gnedigen heren . 61 Item wanner eyn die spraecke entfangen und syn 14 dage darup entfangen heft und sich dan tem nesten gerichte der anspraecke etlich leenguetz halven an den leenheren

beropen wolde, sall de

richter van wegen myns gnedigen heren nyet laten gestaden noch tolaten, dan die sacke vortdan an myns gnedigen heren gerichte uyt to veruteren und to sliten laten, as des gerichtz recht is. 62 Doch beheltlich und uytbehalden in desen vors. saken und puncten den burgeren und ynwoners to Werden all ors rechten na vermoge ore privilegien, plebesiten und guden gewonten, die men helt so guet, als bescreven recht.

II .

Einnahme an Strafgelderu im Gericht Werden. 1417/18.

Düsseldorf, Staatsarchiv. Cleve- Mark XXIV, Berhältnisse zu Stift Werden 1, vol. 11. Bl. 12'2. 1 Abrechnung vom 13.

ft. 1417 des Johan Colner van deme

gerichte to Werden ind Molhem auf zwei Jahre Sept. 21 1415--1417 a Am Rande : Quid vel quale ?

118

in Gegenwart des gnädigen Herrn van Cleve ind van der Marke ind synre vrende als myt namen her Herman van der Reke, her Pelgerim van der Leyten ritter, Diderich van Swansbele, Johan van Lemegoy, Wynandus, Wylhelmus, Everhardus scriver. 2 Synt der tijd heb ich opgeboirt, also hir na gescreven steit. Item Peter van Barchaven twe wede kundich em selven 4 s. desgl . Flypes

van Strathusen eyn wed .. 2 s.

in dem Huxhale ein wed .. 3 s. wed .. 4 s.

Diderich van Semelinchusen twe wede ...

Everd in dem Jansberge eyn wed .. 2 s. eynen wedde .. 3 s.

3 s.

Herman then Borken

deij visger van Hamme eynen wed... 2 s.

Gobel ter Lynden twe wed .. 3 s. wed .. 2 s.

dey schulte

Arnd van Semelynchusen twe

Gateman dey hevet eyn

Fye Netters

Staleyckman eynen wedde .. 2 s.

eyn wed, dat is eyn borghersche, kundich er selver, 12 d.

dey

Armborstscheir eyn wed, dat is ein borger, .. 12 d . dey Loissynne eyn wed, dat ys eyn borgersche, .. 12 d. Wolter Schoumeker twe wed, ein borger, .. 2 s.

Bynnenkney twe wed, dat ys ein

borger, .. 2 s. Else Saterdages twe wed, eyn borgersche, .. Hinrich 2 s. Arnd Lusge eyn wed, dat is ein borger, .. 12 d . Scroder eyn wed, dat is ein borger, .. 12 d.

Everd ter Porten

Houaff op der Deydelen ein wed, dat is ein borger, .. 12 d. ein wed .. 2 s. Styne van Rade twe wed .. 6 s. 3 Summa van dem gerichte to Werden van wedden 4 mr. 2 s. 4 Es folgt die Einnahme aus dem Gerichte Mülheim : 3 mr. Summa summarum van gerichtes wed to Werden 4 s. 6 d. ind Mollem 7 mr. 6 s. 6 d. breve dey

des geit aff na inhalden des drosten

10. d . , facit 9 s . 1/2 d .

So blyvet der blyvender

summe 6 mr. 9 s. 52 d. 5 Es folgt die Ausgabe. Summe totales der utgevenge 29 mr. 23½ d. 6 Toe weten,

dat in den jaren van 18nen op sunte Cecilien

dach rekenden Johan Coilner tot Unna van den gerichte toe Werden van allen opboeren ind uitgeven

des

voirg.

ampts na uitwijsinge

sijnre rekeningen voirs. in tgegenwordicheit hern Evertz van Lymborg, hern Hermans ind hern Gaidertz van der Reke, hern Pelgerim van der Lieten, hern Diderichs van Rodenberg ritteren , Johans van Galen, Johans van Lemego, Lambertus Poep ind Wilhelmus dat myn lieve gnedige here Johan Coilner voirs. 22 mr. 4 s. 11/2 d.

scrijver, also

schuldich

blijvet

119

III. vor dem

Zeugenverhör

Gericht Werden über Zauberei. 1488 Aug. 20 .

Düsseldorf Staats- Archiv . Cleve- Mark XXIV, Verhältniſſe zu Stift Werden 1, vol. 1. B. 292-294.

a. Aufzeichnung über die Gerichtsverhandlung. [Bl . 293 ] Dit gericht is gesetten ind gheheget om getuege to verhoren nae bevele ind schriften onses gnedegen lieven heren hertoch van Cleve ind greve van der Marke op geusdach na onser lieven vrowen dage assumpcionis anno etc. LXXXVIII berorende Hermen Huefken richter ind Diderich Loskens huesfrowe van sulher famen nae luede toeverije etc., die richter upgebraicht suelle heben over Diderichs huesfrowe vurs. 1 Item primo heft bekant die rait ind ghildemester deir stait Werden int gericht ind oick lieflick over die hillegen geswaren mit gestaveden eden primo Diderick Kremer, item Johannes Koster, Godert de Koickenbicker, Hert Smyt, Bernt Langerbein, Johan opter Donck; dese bekanten, dat sie

dey fame van der personen mit

stratengerüchte gehort heben wal 5 off 6 jairlanck myn ader mir ind oer ouck van yslicken over gesaicht sij , dar sie binen

an den

gerichte to Werden mit den gewest sij , so vere die selven oir des vurlaten sullen heben ; boeven dat en wetten sie van der personen anders nyet, dan van eyner berven vrowen . 2 Oick heben bekant dese hir naebescreven gestaveden

eden

lieflick

over

die

ind

dat

mit

hilgen geswaren myt namen

Hinrich Solmek, Aleff in der Monten, Wilhem op ten Blecke, Johan Gans, Hinrich Tymmerman, Johan

Rypbroick,

Luetenscheit, Johan

Baersch, Hermen Hoverscheit, Hinrik op ten Hove, Evert Nyevient, Anthonies in den Hagen. dese hebn bekant ind

dat behalden, as

vurs., dat sie die fame van der personen wail gehoert heden 8 off 9 jarlanck, die ene myn, de andere mer ; anders en wetten dese vurs. van der personen nijet dan van eyner berven frowen. 3 Item soe sint gekomen int gericht vurs. die semelicke gemeynt, burger ind inwonners, der stat Werden ind heben bekant ind lieflicken myt opgerichtden fingern

over die hilgen geswaren, dat sie

120

die fame van der personen mit straeten gereichte wail gehort heben, soe die ene 4 jarlanck, die ander 5 off 6 jar ind oick endeijl die ene myn , die ander mer, 8 ofte 9 jarlanck ;

anders

aen dat so en

heben sie nyet gehort van oer dan van eyner berven vrowen.

4 Item soe sint noich gekomen int gerichte thein hontschope myt dem umestande wail umbtrent over twe hondert manne ind yder hontschop bisunder vurhoert, so heben sie bekant ind myt opgerichteden vyngern, gestaveder ede liflicken over die hilgen geswaren, dat sie die fame van der vrowen wail gehoert heben , so die ene myn ader mer, wall 8 off 9 jarlanck. myt desen vurs. mannen sint twe manne, die ene die junge Rüsche to Holsterhuesen , die andere des Provestz sone to Hinxbecke, die en heben van der famen nicht lenger gehort de ene 8 wecken, die ander eyn half jarlanck.

boeven

dat en wetten

dese semelicken anders van der

vrowen nicht, dan van eyner berven vrowen.

b. Amtmann, Bürgermeister und Schöffen der Stadt Werden übersenden das auf das Verhör bezügliche Schriftftück an Herzog Johann von Cleve, Grafen von der Mark. Auf der Rückseite Kanzleivermerf: Amptman ind stat Werden schrijven van der kontschap der toverijen van Loeskens huysfrowen. hijr in leegt oick supplicacie des richters. [ Bl . 294] 1488 Sept. 7.

Jorien Aschebruck, burgermeister,

scepen der stait Werden schreiben an Herzog Johann von Eleve, Grafen v . d . Mark : Ta Eure Fürstl. Gnaden an uns geschrieben antreffende ure gnaiden richter toe Werden und Diderick Loeskens huesfrowen wegen der undelopende reeden

aen toeverije, darmede

des vurg. Diderichs huesfrowe berucht sulde wesen, . . mit ernst bevelende darom ene gemeyne richtlicke waerheyt in Werden ind oick daer bueten in dem ampte laeten gaen . . . , so laſſen wir Euch wissen, dat suelhen onparthielieken bevele ure gnaeden famen

van eynen

gerichte

nae

inhailt ind

schrift gegain is ind die kontschop van der

ydermanne

voirhoert heben

gerichtlicken

gestaeveden eden, lieflick over die hillegen geswaren,

die wy

mit dan

nae ure fuerstlicher gnaiden bevele ind schryften ure gnaeden hir ingelaicht over senden und geven dit alsus, wie vurs., ure fuerstlieker gnaiden in allen guden tkennen . .

121

c. Hermann Hueffken , der Richter von Werden , schreibt zu seiner Rechtfertigung an den Herzog. [BI . 292 ] 1488 Sept. 9.

Herman Hueffken, richter, schreibt

an den Herzog : Da Eure Fürstl. Gnaden kurz nach Aug. 29 an uwer gnaden amptman to Warden haben schreiben lassen, dat hij Jasper van Gommersbach eynen eyde stade sulle umb uwer gnaden gericht aldair to besitten in der saken tegen my Herman Hueffken uwer gnaden richter ind Derick Loesken, als van der famen, daer des vurs. Derix huysfrowe mede befaempt is ind ick oer avergesacht sulle hebn etc., so bid ick richter vurs. uwer furstlicken gnaden to weten, dat ick des vurs. Derix huysfrowe nyet befaempt heb, dan want sulke gemeyne lantfame aver oer geet nae vermoegen kontschappen hijrbij getoent, heb ick der famen alsoe vur uwer gnaden vrunde van rade alhier to Cleve in uwer gnaden raitkamer in degenwoirdicheit des vurs. Derick Loesken bekant, dat ick oick alsoe van amptz wegen schuldich sij geweist sulke fame uwer gnaden. ind uwer gnaden frunden an to

brengen, up dat gheyn voeder

quaet dairaff en kome, und bitte, daß E. F. Gn . alsulcke besteillinge geschehen lassen, dat sich des vurs. Derix huysfrowe der fame vurs. na gerichtz rechten bynnen uwer gnaden stat Warden ontlegge, eir dat ick myt oer dairomb to gerichte gae. Die Angabe D's. in seiner supplicacien, . . dat hij Henrick ten Putte ind den Kentenbrouwer umb deser vurs. famen an

den gerichte gehadt heb ind

dat sij sijne vrouwe van der famen vurs. ontschuldiget solden hebn , ist unwahr. ind want dan des vurs. Derix huysfrowe noch huyden disdaiges die vurs.

fame avergeet,

dair uwe gnaden wael eynen

merkelicken penningh an verschenen ind verfallen is, soe veer uwe gnaden des nyet anders richten willen, bid ick deshalven dienstlicken, dat uwe furstlicke gnaden mij tot uwer gnaden gericht to Warden in deser saiken bijstant doen willen, dat uwer gnaden gericht sijnen geboirlicken ganck behalde ind dat die ontschuldinge des vurs. Derix huysfrowe alsoe geschije, als vurs. steyt. . .`

122

IV.

Verzeichnis von Namen zur

Geschichte des

Gerichts Werden. a. Amtleute, Richter und Gerichtsfronen. Die folgende Zusammenstellung beruht auf zweierlei Quellen : 1. Erwähnung der Namen in (größtenteils ungedruckten ) Urkunden ; es ist zu bemerken, daß nicht der gesamte Werdener Urkundenbestand eigens für dies Verzeichnis durchgesehen worden ist, demnach noch Ergänzungen möglich sind ; im folgenden sind nur die für die Zeitgrenzen der Amtsverwaltung maßgebenden Urkunden angeführt. 2. In dem Bande : Düsseldorf St. A. Cleve- Mark, Verhältniſſe zu Werden vol. 1. findet sich Bl. 213 f. mit der Ueberschrift Amptluyde ind richter tho Werden ein von der Hand eines cleve- märkischen Verwaltungsbeamten bald nach 1565 geschriebenes Verzeichnis, worin nach Urkunden und Akten (Hd . 18. Jhs . schreibt auf der Rückseite von Bl . 214 : Vor einigen seculis ex registris causarum extrahiret) die Reihenfolge der Amtleute und Richter in Werden nebst einigen Fronen von 1393 bis zur Zeit des Verfaſſers zusammengestellt ist, mit mehrfachem Hinweis auf die Akten, denen die Angabe entnommen worden ist. Auf Bl . 211 f. findet sich eine Abſchrift (B) davon von wenig jüngerer Hand, die auch auf Bl. 215 einige Zusätze gemacht hat. Im folgenden sind alle nicht dem Texte der Vorlagen entlehnten Stücke durch Schrägdruck kenntlich gemacht.

Die ältesten urkundlichen Erwähnungen: 1291 Oft. 10 : Hinricus de Holthusen iudex in Werdine. 1312 Febr. 14 : Heino de Heithusen iudex Werdinensis. 1323 Juni 9 : Arnoldus iudex. 1336 März 25 : Arnoldus de Hoerle iudex. derselbe.

1337

Mai

14

1347 Sept. 26 : Hinricus de Blankensteyn iudex Werdinensis . 1359 Dec. 6, 1368 Nov. 25, 1372 Apr. 3, 1373 Dec. 13 , 1374 Aug. 24. ? um 1380 Aug. 14 : ¹ ) Hinrich Duyker amptman to Werdene, Vrederich richter und vrone to Werdene.

1384 Dec. 11 : Johan

van

Kuykelshem

eyn

amptman

to

Werdene, Frederich richter und vrone. 1393 Apr. 3 : Hinrich van Oyfte zur Zeit amptman to Werdene ; derselbe 1394. ¹) Die Jahreszahl der Urkunde im Werdener Pfarrarchiv (MCCCL . ist undeutlich.

.)

123

1393 Apr. 3 und Juni 4 : Gerad in der Munte Richter; derselbe 1394, 1395.a 1397 Apr. 16 : Johan van Kukelsem amptman, Gerad in der Munte Richter. 1400 Aug. 30 : Johann van Kukelsheym Amtmann zu Werden, Diderik up dem Markede Richter.

Derselbe Zeuge 1409 Juli 17

(Diderik de richter ; auch 1410 Nov. 23) .

Amptluyde ind richter tho Werden. Das folgende ist dem oben erwähnten Verzeichnis in den Akten von Cleve= Mark entnommen ; doch sind die Zeitangaben überall aufgelöſt- und vorangestellt, auch die wenigen Abweichungen von der laufenden zeitlichen Reihenfolge berichtigt worden. Zusäße aus B (ſ . oben) find mit dieser Bezeichnung , urkundliche Nachweise mit dem Vermerk Urk. in ( ) beigefügt. [Henrick van Ofte ambtman tho Werden . anno 1393.] 1412 März 20 : Johan van Hoemberch geheten Coelner richter tho Werden gemaekt anno XIIII XII up sonnendach Judica.

(Zeuge

1418 Juni 20. Urf.: 1424 Jan. 13 , 1426 Aug. 22 , 1428 Apr. 26 . Zeuge : 1438 Apr. 5) . 1419 Juli 31 : her Pilgrim van der Liete ritter wirt amptman tho Werden ind tho Mulhem up der Rhoir ind hij mach mit myns g. hern will geheite ind bevele den richter tho Werden setten ind ontsetten. datum 1419 up sente Peters avent ad vincula. 1425 März 8 : Wessel van den Loe wirt amptman tho Werden. 1431 Febr. 24 : Henrick van der Heggen wirt amptman aver di stadt borgh vestunghe ind ampt van Werden. (Zeuge 1430 Nov. 6 : Hinrick an der Heggen droste.) 1434 Jan. 22 : Johan van Aldenbouckem voer eyn amptman tho Werden verkundicht. Urf. 1437 Juni 27 : Johan van den Gryntberghe geheiten van Aldenboyckhem . . amptman to Werden. 1444 Febr. 26 (? ) : Robert Staill amptman tho Werden . [slait, stat und alinge ampt] .

(Urf. 1452, Schreiben an den Herzog : 1461

Apr. 7) . a) 1396 Febr. 4 : Hinric van Osterwic to der tijt amptman der edelen heren van Werdene. b) Bon anderer Hand darübergeschrieben. Von anderer Hand darübergeschrieben. Ein dem Rupert Staill erteilter Amtsbrief für Schloß, Stadt und Amt von Werden und die Hälfte von Bochum vom 31. März 1444 findet sich Düſſeldorf St.-A. Cleve-Mark Urff. nr. 1116 .

124

1447

ft. 11 : Alef Strave Richter ; 1449 Aug. 24 : Aleff van

Vochlynchusen geheyten 1465 Juli 4.

Strave

Richter ;

derselbe

1463 Juli 14,

1448 Apr. 20 : Ameldonck sall den kost tho Werden doin 3 ment lanck. 1462 Febr. 9 : Lutter Staill placat upt ampt tho Werden ind tho Bouckum . 1463 Aug. 10 :

Arndt van

den Vytinckhave genant Schele

amptman tho Werden angestalt per placatum.

In einem Schreiben

von 1465 Juni 27 droste, ebenso 1467 Jan. 13. 1471 Apr. 23 : ein placait up Georgen Asschenbrock van den ampt Werden; . . amptbreff (1471 Apr. 22. - Ders. in Schreiben von 1471 Dec. 26 : Jorijen Aschebrouck van Oesthusen droste to Werden, 1472 Jan. 27 droste. In einem Schreiben 1467 Jan. 13 : Johan van Tytz richter toe Werden. Apr. 9).

Urf. 1471 Sept. 7 : Johan van Tytz Richter.

1481

Ders. 1475

ft. 15 : Evert Thomas froen tho Werden per placatum .

1484 Jan. 12 : Herman Hueffken richter tho Werden post mortem Johan Titz per litteras sigillatas. (B.: hefft darup'gedain 100 goltgulden ) . 1502 Mai 18 : Coirt Assenbroick amptman tho Werden dorch vergifft Joeries Assenbrocks syns vaders. 1506 : Henrick van Herefelt vroen tho Werden. 1508 März 26 : Claeß Titz dat richterampt tho Werden toegesacht post mortem Herman Heuffkens (B : a . a . C. steit, wie dat unser gnediger her Claes van Titz nae doede Herman Hueffkens mittem richterampt tho Werden in stat synes vaders Jan van Tytz weder begnedigen will). ft. 3 : Hermannen Hueffken wirt dat richterampt tho 1508 Werden upgeschreven ind Johan van der Lip weder daran gestalt : (B : 1508 Oft. 3 : hefft der hertough van Cleve Herman Hueffken umb ursachen, hie dair tho unnutte was und syn gnaden bevelhen nit gehorsamt, dat richterampt tho Werden upgeschreven und dairmit weder versien Johan van der Lip, burger tho Werden ) . 1511 Sept. 9 : Johan

van

der Lip richter tho Werden (B :

wirdt Johan van der Lip dat richterampt fur 62 Herman

goltgld. , so hie

Hueffken uytgericht hefft, und dairtoe noch gelacht 40

Horns gulden, verschreven) .

125

1513 Febr. 28 : Bernt Scheel amptman tho Werden . 1518 Jan. 2 : Johan Schryver richter tho Werden (B : Johan van der Lip van dem richterampt tho Werden

entsat und in syn

platz Johan Schryver angestalt) . 1535 März 8: Wenemar van der Reck amptman tho Blankensteyn ind Werden. 1540 März 22 : Johan Keteler richter tho Werden (B : Johan Ketteler fur ein richter und rentmeister tho Werden angestalt) . 1540 Juni 24 : Johan van der Schuyren amptman tho Werden. 1559 Juni 24 :

Henrick Tegeder richter tho Werden (B:

Johan Tegeder) . 1565 März 31 : Alexander Kockenbecker richter tho Werden (B: durch affsterven Johans Tegeder . . angestalt). Johan van der Reck itziger amptman tho Werden . b. Die Namen der am frühesten nachweisbaren Schöffen. Die folgenden Namen sind meist ungedruckten Uckunden entnommen. 1292 : Antonius de foro ,

Bruno

Andreas vinitores, Arnoldus

et Johannes de Vulramen, Helmericus, Hermannus Richardi, Gerlacus de Oye, Henricus de Tuschen, Arnoldus dictus Reme scabini Werdinenses. 1312 Febr. 14 : )Henricus dictus Poderbeck, Hermannus dictus Bodenbandt, Conradus upm Steinwege, Hinricus faber scabini Werdenenses.

Johannes

1323 Juni 9 : Johannes ante forum,

dictus

Henricus

de

Dyant,

Cornu,

Berterammus de Steynwege, Godfridus upper Dunch, Someroldus, Adolphus de Hegga, Johannes de Walnoye, Huse, Hermannus de Watervallen, Henricus faber, Hermannus dictus Bodenbanch, Tylo de foro, Henricus dictus Pyper et Hermannus precones. 1336

März

25 : Johannes

Fermentarius,

Henricus

Sartor,

Henricus de Hesingen, Adolphus an der Hegge, Johannes de Vyslaken , Johannes dictus Langerben, Godfridus dictus upper Dunc, Philippus Erenfridi, Petrus de Myntart et Arnoldus de Hudel scabini, Hermannus et Gerhardus precones Werdinenses. 1337 Mai 14 : Henricus Sartor,

Hinricus

de

Heysingen,

Johannes Lancgerbeen, Johannes Ledersnider. a) Die Namen nach einem Drucke der Urkunde in Müllers Geschichte der Abtei, (die Formen nicht zuverlässig) .

126

1355 Juni 19 :

Henricus de Heysingen,

Bertrammus

super

viam lapideam scabini et Hermannus preco in Werdina. 1368 Nov. 25 : Dietmar to Pelgrymeshus und Diderich van Zemelinchusen, Vrederich die vroyne to Werdene. 1372 Apr. 3 : Steynweghe, Werdene.

Dytmar dye leyedecker ind

dye schepene to der tijd .

Bertram

op me

Vrederich dye vroyne van

1424 Jan. 13 : Diderich oppen Markede, Johan them Nyenhuss, Herman them Horne, Herman Hoveken, Coen Vridach, Teil van Egelsteyne, Evert Volmer schepene. 1447 Oft. 11 : Herman tem Horne, Herman Hoyfken, Everdt Volmer, Bernt Buyt scheffen. 1449 Aug. 24 : Herman then Horne, Hoeveken, Evert Volmer scheppen . . 1467 Apr. 29 : Bernt Buth, Herdt van Gruntenscheyt, Dyderich Klepper, Gotschalck Kuyrneman, Herman ymme Kelre scheppen .

127

Die des

älteste

Stifts Werden

aus

Landkarte

Abt

Heinrich Dudens

Zeit.

Von Dr. phil . Rudolf Köyſ ch k e .

Die niederrheiniſchen Lande haben in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts einen bedeutsamen Anteil an der Ausbildung des Kartenwesens in Deutschland gehabt, in jenem Zeitraum, wo die Führung auf dem Gebiete kartographischer Leistungen von der sogenannten deutschen Schule der Kartographen des Renaissancezeitalters auf die Niederländer

überging : Jülich war Gerhard Mercators

Stammland, des weit berühmten Reformators

der Kartographie,

und Duisburg der Ort, wo seine wichtigsten Werke veröffentlicht worden sind ; und auch Matthias Quad, der in der Geschichte der Kartographie

eines guten Namens sich erfreut, hat während des

Jahrzehntes seiner nachhaltigsten Wirksamkeit in Köln gelebt und geschaffen und in dem un die Herausgabe von Karten verdienten Kölner Buchhändler Johannes Buſſemecher einen verständnisvollen Freund gehabt. Die Fortschritte

der

die Bahn gebrochen hat,

Kartographie,

denen zumal Mercator

betreffen das schwierige

Problem, die

gefrümmte Erdoberfläche auf der ebenen Fläche der Karte in möglichst wirklichkeitsgetreuer, Darstellung zu

aber

bringen.

auch praktischer Projektion bildlich zur Charakteriſtiſch iſt daher diesen Karten

das Gradneh, in das alles übrige, die Linien der Küsten und der Bewässerung, die Örtlichkeitsangaben, die Andeutung des Boden= a.

eingezeichnet wird ; nach geographischer Länge und

Breite sind wenigstens

eine

größere

Zahl von Orten bestimmt ;

Ergebnisse vervollkommneter Messung des Landes sind dafür verwertet. Die Bedeutung dieser Arbeiten beruht also auf der gelungenen

128

Wiedergabe großer Erdräume zu Wasser und zu Lande. Namhafte Spezialfarten einzelner Territorien aber, wie Philipp Apians Bayerische Landtafeln oder die in ihrer Art ganz einzige Landesvermessung Kursachsens unter Kurfürst August und seinen Nachfolgern, sind bisher am Niederrhein aus so früher Zeit nicht bekannt. geworden; was gedruckt vorliegt. man kann sich davon eine gewisse Vorstellung an den Karten bilden, die Abraham Ortelius in seinem Atlas , "! Schauplatz des Erdbodens " (Theatrum orbis, in deutscher Ausgabe 1572), veröffentlicht hat, — alles das ragt über Durchschnittsleistungen jener Zeit nicht hinaus . Das bescheidene Werk,

dessen Herausgabe diese Begleitworte

gelten, eine Karte des Stiftes Werden an der unteren Ruhr vom Jahre 1582, vermag nun freilich den Vergleich mit jenen erwähnten großzen Aufnahmen landesfürstlicher Gebiete nicht entfernt auszuhalten. Es intereffiert vielleicht überhaupt weniger vom fartographischen Standpunkt aus, als von dem kulturhistorischer Betrachtung, wie sie uns With. Heinrich Richl in dem Aufſay über den Homannſchen Atlas in seinen „Kulturstudien" unter der Ueberschrift Historisches Stillleben" so anmutig gelehrt hat, und vor allem als eine mancherlei Aufschlüsse bietende Quelle zur niederrheinischen

Landesgeschichte.

Doch darf betont werden, daß dieser noch dem 16. Jahrhundert angehörenden Darstellung eines wenn auch nur fleinen Territoriums am Niederrhein in so großen Maßverhältnissen, wie sie die hier veröffentlichte Karte aufweist, auch in kartographischer Hinsicht ein Seltenheitswert zugeschrieben werden darf. Die Karte ist von mir bei meinen Vorarbeiten zur Ausgabe der Werdener Urbare auf dem Königl. Staatsarchiv zu Düsseldorf aufgefunden worden ; nicht in der Kartenabteilung des Archivs , ¹) deren Verzeichnis fast nur Karten vom 17. Jahrhundert ab enthält, fondern eingebunden in Verwaltungsakten der Archivabteilung EleveMark, Verhältnisse zu Stift Werden betreffend ; 2) sie ist anscheinend furz vor der Säcularisation der Reichsabtei in den Besitz der CleveMärkischen Regierung gekommen. Ihre Entstehung verdankt die Karte der Anregung des Abtes Heinrich Duden

(1573-1601 ) , von dessen fleißiger Hand so viel

1) Inzwischen ist sie in diese Abteilung übertragen worden unter der Nr. III 98 ; f. den mit Bleistift eingetragenen Vermerk des Archivars Dr. Knipping, auf der Reproduktion links unten. 2) Cleve Mark XXIV 1 , vol. VII zu Bl . 129.

129

geschriebene Bände zur Klarstellung Klosters gefüllt sind .

der

Besitzverhältnisse seines

So hat er auch zum Nugen seiner Nachfahren

die Zeichnung dieser Landkarte veranlaßt, gleichwie manch anderer in der Verwaltung besonders tüchtige Fürst auch für eine Darstellung seines Landes im Kartenbild Sorge getragen hat. Als „sein Territorium " wird in der Aufschrift der Karte das Stiftsgebiet bezeichnet ; ein Denkmal zur Kenntnis des dem Abte als Landesherrn untergebenen Herrschaftsbereiches hat in dieser Karte geschaffen werden sollen, und es ist bemerkenswert, daß auch Defte, dessen Zugehörigkeit strittig war, innerhalb der Grenzen mit eingeschlossen ist.

Wir erfahren nun, daß Abt Heinrich Duden einen Landmesser,

der ihm einen Eid ablegte, angestellt hat ; ) es ist indes

nicht zu

ersehen, ob diesem nur die

oblagen

oder ob ihm

Aufgaben eines Feldmessers

auch die Ausführung einer Landesvermessung überAls Schöpfer der Landkarte aber ist ein Bürger aus

Kalkar genannt, Johannes de Lacu ;

und es wird ihm in der

Aufschrift seines eigenen Werkes große Erfahrung, Genauigkeit und Fleiß nachgerühmt . Betrachten wir nun die Karte selbst.

Jene

oben erwähnten.

Errungenschaften niederrheinischer Kartographie sind bei ihrer Anlage nicht vorbildlich

gewesen :

ein

Gradnez ist nicht vorhanden, jede

astronomiſche Bestimmung fehlt, Länge und Breite der Orte sind nicht berücksichtigt, über die nicht nachgedacht.

Art der Projektion hat der Zeichner

Ohne Zweifel ist eine eigentliche Vermessung des

Landes nicht vorgenommen worden ; zwar findet sich das Instrument des fartographischen Messens auf der Karte links unten hingemalt; aber bezeichnenderweise fehlt die sonst an solcher Stelle übliche Angabe eines Längenmaßſtabes, die Karte beruht eben nicht auf den Ergebniſſen wirklicher Messung. Ganz deutlich ergibt sich uns dies, wenn wir zur Nachprüfung eine Reihe von Messungen vornehmen . Vorausgeschickt sei, daß die zur Darstellung verwendete Fläche, innerhalb des Rahmens einer 1½ cm breiten schwarzen Umrandung, im Original 78

cm breit

und 61 em hoch ist ; die Reproduktion auf der Beilage gibt dasselbe nur in Verkleinerung von etwa 2/3 der Originalgröße (55 %

43 % cm)

¹) P. J. Müller, Geschichte der Abtei Werden, S. 238, Anm . 3 ; die Anlage 48, auf die hier verwiesen iſt, findet sich nicht gedruckt vor, da ja die Vollendung des Buches im Druck verhindert worden ist. 9

130

wieder.

Es empfiehlt sich nun,

die auszumessenden

Strecken mit

denen auf der topographischen Karte des Landkreises Essen von A. Hofacker in 1 : 25000, ¹) d. h. in dem Maßstab der sogenannten Meßtischblätter, 2) zu vergleichen ; als Anfangspunkt der Messungen sei das Ende der Ruhrbrücke Werdens auf dem linken, städtischen Ufer gewählt.

Dann beträgt die Entfernung

von der Werdener

Ruhrbrücke

auf der Karte auf der Karte Hofackers von 1582 (in 1 : 25000) bis zur

Kettwiger Ruhrbrücke : von der

Kettwiger

Ruhrbrücke

bis

21 cm

181 cm (13)³)

16,3 cm

2112 cm (15)

28,2 cm

32 cm (22,9)

15,8 cm

21 cm (14,8)

24 cm

30 cm (21 )

zur

Landesgrenze nach Mülheim zu:

von der Werdener Brücke bis zur Mündung der Roßbeck : von der Werdener

Brücke bis zur Um-

biegung der Nordgrenze in die östliche Richtung, südlich von Wartberg : von der Werdener Brücke bis zum Eintritt der Ruhr in das Stiftsgebiet : von der Werdener Brücke bis zur Grenze von Hardenberg, südlich von Kemper : 20

cm

30 cm (212)

von der Werdener Brücke bis zum Eintritt der Hesper in das Stiftsgebiet südlich von Elingrath : von der Werdener Brücke bis zur Südgrenze bei Waſſerfall:

20 cm

30 cm (21¹½)

18,7 cm

242 cm (17 )

15,2 cm

113/4 cm (8,3)

von der Werdener Brücke bis zur Nordostecke des Einsprungs südlich von Deft :

der

Grenze

1) Topographische Karte des Stadt- und Landkreiſes Eſſen, von Landmeſſer A. Hofacker, 2. Auflage, Düsseldorf 1894 ; ein Teil des ehemaligen Stiftsgebietes findet sich auch auf der Topographischen Karte des Kreises Mettmann, von A. Hof= acer, Geometer in Düsseldorf, 1883. 2) Topographische Spezialkarte in 1 : 25000 , hrsg. von der Plankammer der Kgl . Preußischen Landesaufnahme . In Betracht kommen für das ehemalige Stiftsgebiet 4 Sektionen : Mülheim a. d . Ruhr nr. 2575 , Eſſen 2576, Kettwig 2649, Velbert 2650. 3) Die in ( ) beigefügten Ziffern beziehen sich auf Vermeſſung der dieſem Hefte beigegebenen Reproduktion des Originals .

131

Von dem

ungewöhnlichen Verhältnis bei der ersten, sowie

der letzten gemessenen

Strecke

(ungefähr 7 : 6 ) in der Südwest-

gegend abgesehen, erweist sich die Originalkarte von 1582 durchweg als in größerem Ausmaß gehalten, als die Karte in 1 : 25000 . Freilich schwankt dies außerordentlich ; ergeben sich doch für die bezeichneten Entfernungslängen Verhältnisse 3 : 4, 4 : 5 und 7 : 8.

annähernd wie 2 : 3,

Wollte man ein ziffernmäßiges Durchschnitts-

verhältnis zur Charakteriſtik der Karte berechnen, so würde etwa zu 1 ſagen sein, daß sie das Land Werden ungefähr in 20 000 der natürlichen Größe darstellt.

Toch kann diese Angabe nur dazu dienen,

eine gewisse Vergleichsvorstellung mit Kartenmaßstäben, wie wir ſie aus der Gegenwart fennen, zu ermöglichen; feinesfalls darf sie als ein wirklicher Maßstab angesehen werden; denn nach einem solchen iſt ſie nicht entworfen worden. Immerhin ersehen wir daraus, daß sie über die Größe der Meßtiſchblätter hinaus sich den Größenverhältnissen neuzeitlicher Flurfrofis

oder Gemeindeübersichtskarten

nähert ; und es darf auch erwähnt werden, daß jene furjächſiſche Landesaufnahme, an die oben erinnert wurde, in ähnlichem Verhältnis

ausgeführt worden ist, freilich

mit

dem großen Vorzug,

wenn auch ohne Orientierung nach Länge und Breite, so doch auf genaueſter Meſſung zu beruhen.

Man wird zugeben können,

daß

bei der Kleinheit des Gebietes die Vornahme einer Vermessung für seine Wiedergabe im Kartenbild nicht dringlich erscheinen konnte ; indes ist bei dem Fehlen aller Projektion, das man dem Mangel an richtiger Perspektive in einem Bilde vergleichen könnte, die Gestalt des Landes nicht wirklichkeitsgetren, sondern verschoben ausgefallen. Beruht somit die Karte des Stiftes Werden von 1582 nicht auf einem wissenschaftlich gründlichen Verfahren, wie

es in den

besten kartographischen Leiſtungen ihrer Entstehungszeit schon erreicht war, so weist sie den Charakter der Bildlichkeit, der den Erzeugnissen der frühesten Zeit deutscher Kartographie eigen ist, besonders deutlich und eindrucksvoll auf. Ja, man wird sie am besten verstehen, wenn man sie als ein Abbild des Landes Werden betrachtet, nur nicht in dem Rahmen eines in gewöhnlicher Linearperspektive entworfenen Bildes, sondern gleichsam von der Vogelperspektive aus gesehen. Demgemäß ist nun auch das Original in zarten Aquarellfarben ausgeführt, die in der Reproduktion der unverhältnismäßig hohen Kosten wegen nicht wiedergegeben werden konnten.

Das

Gelände 9*

132

ist in Grün aufgetragen,

die Pflanzendecke

mag

dabei angedeutet

sein, bisweilen ist es die Kulturart „Feld " ; durch die dunklere und hellere Tönung

ist dabei ein plastischer Zug in die Darstellung

gebracht, der das Bodenrelief, freilich nicht im einzelnen wirklichkeitsgetreu, veranschaulicht ;

in der Reproduktion kommt dies übrigens

unserem Empfinden gemäß in dem schwärzlichen Ton weit deutlicher zur Erscheinung, als in dem farbigen Original .

Die steileren Ge-

hänge gegenüber von Scheppen an der Ruhr sind in Grau gemalt ; dieselbe Farbe ist auch bei der Landwehr verwendet.

Die Ruhr

und die Bäche, deren Lauf etwas konventionelle Krümmungen zeigt, sind graublau, die Wege gelbbraun. Die Einzelhöfe sind als kleine Häuser gezeichnet und ebenso wie die

Schlösser in hellrötlichem

Braun, die Dächer in hellem Lila ausgeführt.

Die Stadt Werden

ist in Grundrißzeichnung, freilich ohne topographische Genauigkeit, wiedergegeben, die Straßen gelb, die Häuser der Bürger in roter Federzeichnung; ein gleiches gilt auch für die Darstellung der Stadt Essen.

Die

größeren Baulichkeiten Werdens, Münſter,

Rathaus

und Kaſtell, sind

mit ihren Dächern in den ſonſt dafür üblichen

Farben gehalten.

Die Umgrenzung des Stiftsgebietes ist durch eine

stark angelegte, carmoifinrote Linie kenntlich gemacht, neben der sich ein lichteres, breiteres Band hinzieht ; die Grenze des Stiftes Essen ist

Die

Schrift der Namen und sonstigen

Bemerkungen ist braunschwarz .

gelblich

eingetragen.

Was die Ornamentierungen betrifft,

die um die Aufſchrift und

Inhaltserklärung

auf der linken Seite

angebracht sind , so ist die links unten gelb, die oben in gelb und lila ausgeführt, die Müze des Abtes in rot und blau ; das Wappen zeigt ein gelbes Kreuz auf blauem Felde, die Abtsſtäbe ſind gelblich auf weiß gelassenem Schilde .

Die Windrose ist inmitten gelb, der

Etern darin abwechselnd rot und blau, gelb und grün ; rechts unten der Maßstab mit dem Zirkel hat bräunlichen Ton, wie die Häuſer. Das Ganze bietet somit ein freundliches , gefälliges Bild, das , von wenigen Rissen erhalten ist.

abgesehen, im ganzen in recht gutem

Zustande

Der Inhalt der Karte ist, von den schon erwähnten Mängeln der Projektion abgesehen, günstig zu beurteilen .

Die Bewässerung

erscheint etwas reichlicher, als dies nach der Topographischen Karte in 1 : 25000

der Fall ist.

Es kann dies

aber sehr wohl dem

wirklichen Zustande jener früheren Zeit entsprechen ;

insbesondere

133

mag der aus der Gegend von Velbert herkommende Bach, nach der Gestaltung des

Tales

zu schließen, wirklich seine Quelle früher

südlicher, jenseit der Stiftsgrenze, weiter oben gehabt haben.

Die

Darstellung des Menschenwerks in der Landschaft, der Siedelungen und Wege, bietet dem Historiker manches Lehrreiche . Grenzen von Gemarkungen sind nicht eingezeichnet worden. Stiftsgebietes

weicht

in

den

Formen ihres

Die Grenze Verlaufs

des

von der

auf Kartenwerken neuester Zeit erscheinenden Linie nicht unbeträchtlich ab.

Indes hat dies nicht in Grenzverschiebungen, die höchstens un-

bedeutend, wie vielleicht bei Waſſerfall im

Süden,

gewesen sein

können, ſeinen Grund, sondern lediglich in den mehrfach hervorgehobenen

Mängeln der Grundrißzeichnung.

Dies geht auch aus

der in der Beilage mitgeteilten Grenzbeschreibung des ausgehenden 17. Jahrhunderts hervor ; ist auch der hierin aufgeschriebene genaue Verlauf der Grenze wegen der dabei

erwähnten Flurnamen

und

Dertlichkeitsbezeichnungen nur durch Untersuchung in der Natur an Ort und Stelle sicher zu ermitteln, so ergibt doch schon ein Vergleich jener Angaben mit den in Betracht kommenden Strecken des Grenzzuges der Bürgermeisterei Werden-Land und der Gemeinde Heisingen auf topographischen Karten der Gegenwart eine hinreichende Uebereinstimmung des Verlaufs . Mit der Veröffentlichung dieser Karte von 1582 und den erläuternden Bemerkungen dazu ist die „ Geschichte der Kartographie des Stiftes Werden" , um einmal diese zu volle Redewendung zu ge= brauchen, nahezu erschöpft.

Daß uns hier die älteste Landkarte des

Stiftes vorliegt, ist nicht zweifelhaft ;

denn die Kunst,

Erdräume

auf einer Karte abzubilden, war im 16. Jahrhundert noch so neu, daß schwerlich vordem schon eine Karte des Werdener Gebietes an= gefertigt worden ist .

Aus dem 17. Jahrhundert ist dann noch eine

Karte vorhanden, die nur den westlichen Teil des Stiftsgebietes und angrenzende Landesteile des Herzogtums Berg enthält ; sie hat sich in demselben Aftenbande, wie die hier herausgegebene, befunden¹) und zeichnet sich vor allem durch ein hübsches Stadtbild von Werden, durch Vorzüge des malerischen Aeußeren und durch Angaben über die Rechtsbeschaffenheit der eingetragenen Güter aus. Schon durch eine Beigabe zu Flügges Chronik von Werden²) war nun eine 1) Jetzt in der Kartenabteilung Ill 99. 2) Im ersten Ergänzungsheft, S. 497 f.

134

Karte des Stiftsgebietes von 1783 befannt, die der kaiserliche Regimentschirurg Johannes Andreas Nitribitt entworfen hat . ') Indes iſt ſeine Leiſtung, abgesehen von der zeichneriſchen Mühwaltung, recht gering einzuſchäßen : ſein Werk beruht ganz und gar auf der Karte von 1582 ; die Stiftsgrenzen, der Ruhrlauf, die Bewässerung, zum größten Teil auch die Besiedelung ist aus jener entlehnt, auch die Fehler der älteren Darstellung sind getreulich nachgebildet; sogar die Aufschriften sind, bis auf den Namen des neuen „ Autors " , wörtlich herübergenommen und nur in ein anderes, dem Geschmacke der Zopfzeit entsprechendes Ornament eingefügt.

Von neuer Landes-

aufnahme, von Vermessung und richtiger Projektion ist nichts wahrzunehmen; die bedeutendste Aenderung ist die korrektere Grundrißzeichnung der Stadt Werden, die auch

die vier Tore richtig zeigt,

ohne daß doch die bildliche Art der Darstellung restlos aufgegeben worden wäre ; auch sind einige Dertlichkeiten in anderer Form benannt oder hinzugefügt ;

die

augenfälligste

Zutat

das ganze Stift hingebreitete Waldbedeckung,

aber, die über

ist durchaus

nicht

wirklichkeitsgetreu und beruht vielleicht auf Mißzverſtändnis der grünen Farbe der Originalvorlage. Somit ist bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts ein irgendwie erheblicher Fortschritt in der fartographischen Wiedergabe des Stiftes Werden auf einer selbständigen Karte über die hier zur Veröffentlichung gebrachte Leistung aus Abt Dudens Zeit nicht getan worden .

Ueber

bald danach angestellte Vorarbeiten zu einer auf Vermessung beruhenden Karte des Reichsstiftes erfahren wir aus einem Schreiben. Abt Veda's

an den Königl.

Preußischen Ingenieur Hauptmann

von Engelbrecht vom 30. Jan. 1799 ; 2) der Abt sendet ihm vorläufig eine kleine Charte" und schreibt ; „ Es ist noch eine größere über das ganze Stift vorhanden, welche aber Alters und Gebrechlichkeits wegen sich nicht gut transportieren läßt .

Ich werde die Ehre haben,

dieselbe Ihnen dahier vorzulegen. " Allem Anſcheine nach handelt es sich um jene beiden, von mir in dem Aktenband der EleveMärkischen Regierung

aufgefundenen Karten

hunderts ; eine reichere Kartographie hat aufzuweisen gehabt.

das

16.

und 17. Jahr-

Stift Werden nicht

1) Von demselben rührt eine ganz ähuliche Karte des Territoriums Eſſen her. 2) In den Akten : Düsseldorf St. A. Abtei Werden Vl nr . 2.

135

Beilage.

Grenzbeschreibung des Stiftes Werden, nördlich der Ruhr,

Ausgang des 17. Jahrhunderts.

Düsseldorf, St.-A. Stift Werden VI, 2. Aus den Akten. Geschrieben von Hand des 17. Jhs ., in den Zeiten des Abtes Ferdinand, Freiherrn von Erwitte (1670-1705).

Stiffts Limiten. Rivulus.

Die Roschenbeck langs Mühlenbeckshof, dieser fließet

nordtwerts bey Flaeth vorbey wo im hauße am heerde ein limes befindlich und treibet die dasige öhlmühle, auf den Bensenberg hinter Oberkuhlmann durch den busch auch Roschenbeck genant, auf Raitgen, wo ebenfals am herd ein limes befindlich, von dar auf die Landtwehr, welche krum durch Hobircks busch laufet, ostwerts des hausses Stein, und deßen garten, alwo die garten hecke auf der Landwehr stehet, von dar nacher norden mitten durch das Steiner große feld auf das grouse bäumgen, so mitten auf vorgedachten großen felde

stehet, von dar

auf die Schemmen und

Stollen heyde westwärts vorbey auf die Kreutzbecke, alwo unten im sumpfe ein eichen heister stehet, welcher die scheidung zwischen dem stifte Werden, herlichkeit Mülheim und das stift Eẞen machet, von dar linckerhandt

des Erdelskamp,

welcher die leibzucht von

Ruddenscheidt ist, aber noch im hiesigen stift Werden belegen :(vid. Protocollum sub Rmo Ferdinando): auf die landtstraße bey dem hof zu Ruddenscheidt, wo in einen erhabenen ufer ostwerts der landstraßen ein spitziger limes befindlich, fuhrwege etwas mehr nach osten

ein

und mitten

in den

ziemlich großer limes zu

sehen, welcher aber weil er in kriegszeiten ausgefahren worden bey vorgedachten stein auf dem ufer geleget worden, von dar laufen die gräntzen nordtwerts durch den bey Ruddenscheidt befindlichen. busch auf die Silberkuhle alwo ostwerts am fuhrwege und den daselbsten befindlichen graben ein limes, so aber ebenfals abgebrochen, befindlich . NB. hinter der Silberkuhle westwerts laufet durch das daselbsten befindliche büschgen eine landtwehr und ist

136

daselbst auch ein stein befindlich, diese landtwehrt weißet auf einen spitzigen stein,

so

mitten in der landtstraße befindlich, von dar

nordtwerts durch das Silberkuhler büschgen wo auch eine landtwehr befindlich, und wo im vorigen sæculo auch ein kothen gebauet gewesen, und woraus der herr abt Ferdinand noch einen verblichenen cörper, welchen man attentative nacher

Eßen begraben,

abhohlen.

und alhier begraben laßen. Von dar überzwerg nach nordtost auf die zwey abgehauene eichen bäume, welche auf beyden seiten eines. aufgeworfenen hügels befindlich, welcher hügel ohngefähr 70 schritte von dem schlagbaum

an der Bracht entlegen.

Von dar ostwerts

alwo vor diesen auch eine landtwehr gestanden auf die unterste oder Werdtnische Kleppe,

von

Kirchmans

welcher

graben,

dar auf einen alten baum die

3

apfelbaum

hinter

herschaften Werden,

Eßen und Rellinghausen scheidet, alwo der lange Braem anfanget, auf die zwey

eichene scheidebäume hinter Brandenbusch auf der

landtstraße von

Bredeney

nacher Rellinghausen,

und den

dazu-

gehörigen busch, welcher zu vorgedachten kothen gehoerig, diesen busch linckerhandt vorbey durch den Langen Braem gegen osten, auf den Trügen Pütz, und den platz, alwo vor diesen ein großer gräntzstein gestanden, so zwar dermahlen nicht mehr befindlich, aber noch die stämme von zwey eichenbäumen befindlich sind, von dar auf Wierich im Busch alwo eine wilde hecke undt graben nahe bey dem Pfannkuchen busch bis hinter den Baldeneyer herlaufet,

schafstall

von dar ostwerts auf eine lange hegge, bis an das feld

bey Boldenthael, gegen Boldenthal über sudwerts auf das nunmehro ruinirte hauß in

Boldenthal,

alwo im keller nach außagen der

inwohner des neuen Boldendaels

ein limes im keller befindlich ,

auf Isenberger hof, durch diesen Isenberger hof auf dasiges Isenbergs heck, durch den Kortenbusch, und

daselbst befindlichen siepen in

die krümme auf den Heisinger Rennbaum alwo ebenfals ein limes. befindlich, von dar den siepen nordtwerts hinauf auf den Schellenbergischen teich, alwo die daselbst befindliche dudel, welche mitten . am teiche stehet, durch den teich durch den siepen bis an das todte waßer hinter der glaße hütte, und der Heisinger Mark vorbey bis auf einen scheidebaum, welcher daselbst befindlich, travers durch die Rhur und den siepen ost sudwerts so die scheidung zwischen Werden und den Byfang machet, ost süd auf.

137

Chronik des hiftorischen Vereins für das Gebiet des ehemaligen Stiftes Werden pro 1904.

Hinsichtlich der Zahl der Mitglieder haben in dem lezten Jahre nur unwesentliche Schwankungen stattgefunden.

Der Verein gewann .

7 neue Mitglieder, nämlich ; Herr Bleef, Bürgermeister, Kettwig Frl. Brahm Ch., Lehrerin, Werden Herr Breuer J., Bürgermeister, Werden Engels K., Referendar, Werden Ewald H., Stadtbaumeister, Werden Frl. Schulten G., Hauptlehrerin " Suhrmann E., Lehrerin. Ende 1904 zählte ordentliche

Mitglieder,

der Verein

4 Ehrenmitglieder und 157

darunter 5 Gemeinden des Stiftsgebietes,

welche einen größeren Beitrag zahlten. Die Vereinsversammlungen

beschränkten sich,

abgesehen von

den Vorstandssigungen auf eine Generalversammlung. am 14. Oktober 1904 im Saale

Dieselbe fand

des Herrn Königstein statt und

war von ca. 50 Damen und Herren besucht.

Den Vortrag hielt

Herr Professor Dr. Kötzschke-Leipzig über „ Die Anfänge der Stadt Werden “ und „ Das Gericht Werden im späteren Mittelalter . Der Vortrag, welcher sehr beifällig aufgenommen wurde, ist in erweiterter Form in dem vorliegenden Hefte veröffentlicht.

Dem in der Ver-

ſammlung erstatteten Kassenberichte pro 1903 ist zu entnehmen, daß aus dem Vorjahre ein Beſtand von 808,99 Mk. übernommen wurde und daß die Einnahme 746,76 Mk. betrug , während 87,92 Mf. gestellt war.

in Ausgabe

Dem Schagmeister wurde nach Prüfung

der Rechnungen durch die gewählten Revisoren, die Herren Berger und Flügge, Entlastung erteilt. Durch Beschluß der Versammlung trat der Verein dem Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine als

138

Mitglied bei.

In Ausführung des Beschlusses der letzten General-

versammlung wurde das Werk: „ Die Karolingiſch-Ottonischen Bauten zu Werden “ von Prof. Effmann den Mitgliedern zu einem ermäßigten Preise zur Verfügung gestellt. Für die Vereinsbibliothek wurden erworben : Joſtes , Weſtfäliſches Trachtenbuch, 1904. Hettler , Jahrbuch der deutschen historischen Kommiſſionen, Inſtitute und Vereine. I. Jahrgang, 1903. Ansfeld , Uebersicht

über

die

Bestände

des

Staatsarchivs

in

Coblenz 1904 . Von der Tätigkeit des Vereins ist

zu

erwähnen, daß der

Vorstand dank dem Entgegenkommen der Strafanſtalts -Behörde es hat erwirken können,

ein der

entwickelten romanischen Kunſt an=

gehöriges, hochinteressantes Bildwerk von der Strafanſtalts -Freitreppe, wo es unter der Einwirkung

der Witterung mehr und

mehr der

Zerstörung entgegenging, in die Vorsakristei der Abteikirche, deren ehemaliges Pertinentstück es

wahrscheinlich gebildet hat, zu über-

führen. Das Bildwerkes stellt die Verfolgung eines Hirsches durch einen Löwen dar wurde im Jahre 1856 bei Erdarbeiten im

Strafanstaltsterrain

aufgefunden

(siehe

Abbildung

und

Be-

chreibung bei Effmann „ Die Karolingisch-Ottonischen Bauten zu Werden" Seite 350 ff. )

Da es als Türsturz gedient hat, so fand

es über der Sakriſteitür einen passenden und vor weiterer Zerstörung schützenden Play. Die in dem vorigen Berichte ausgesprochene Hoffnung, bereits in diesem Jahre über die Wiederherstellung

der

Chorpartie der

baugeschichtlich hoch bedeutsamen Luciuskirche, deren Wert durch die in ihr erhaltenen Malereien noch weiter gesteigert wird, berichten zu können, hat sich leider nicht erfüllt.

Der kath . Kirchenvorstand

als Bauherr erachtet, in der Voraussetzung, daß der Ausbau der ganzen Kirche erstrebt werden würde, die zur Verfügung stehenden Gelder nicht als ausreichend und will versuchen, durch eine Geldlotterie die Mittel zu beschaffen.

So sehr die Verzögerung zu be-

dauern ist, so läßt sich anderseits nicht verkennen, daß in der Bürgerschaft das Interesse für die Reſtauration des Bauwerks im Wachsen begriffen ist, was sich auch hoffentlich durch Opferwilligkeit fund geben wird.

139

Verzeichnis der Geschichtsvereine,

mit denen unser

Verein in Verkehr steht,

nebst Bericht über die von denselben durch Austausch im Jahre 1904 erhaltenen Schriften . 1. Aachener Geschichtsverein : Zeitschrift, Bd . XXV 1903 und XXVI 1904. 2. Dortmund, Historischer Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark. 3. Düsseldorfer Geschichtsverein : Beiträge zur Geschichte des Niederheins, Jahrbuch Bd . XVIII 1903. 1. Dr. K. Sallmann, Organisation der Zentralverwaltung

Inhalt :

von Jülich-Berg im 16. Jahrhundert,

2. Dr. E. Baumgarten,

der Kampf des Pfalzgrafen Philipp Wilhelm mit den jülichbergischen Ständen von 1669-1672 . I. Teil, 3. Dr. G. Croon, Ueber das Zunstwesen in Düſſeldorf, 4. Dr. P. Eschbach, Zur Baugeschichte der Hohenstaufenpfalz Kaiſerswerth, 5. Literarisches , 6. Mitteilungen. 4. Elberfeld , Bergischer Geschichtsverein : Zeitschrift Bd . 37 1904 . Inhalt:

1. Die Schiffahrt auf der Ruhr und Lippe im 18. Jahr-

hundert von Walther Kliche,

2. Aus

reformation in Wesel von W. Bösfen,

der Zeit der

Gegen=

3. Johannes Plange,

der Mitbegründer der berg . Synode von W. Wolls,

4. Zur

Volksschulpädagogik Friedrichs des Großen von Dr. Meiners , 5. Zwei Aftenstücke über die Verteidigungsverhältnisse im Erzstiste Köln vor Ausbruch des schmalkadischen Krieges

von Dr.

A. Hajenclever, 6. Quirinus von Eupen, genannt der „Schnapp = hahn " von H. Forst,

7. Urkundliche Beiträge zur Geschichte der

Herzogin Anna von Cleve von Dr. Fr. Küch,

8. Die Hochzeit

des Herzogs Wilhelm IV. von Jülich-Berg mit Markgräfin Sybilla von Brandenburg am 8. Juli 1481 in Köln von Dr. O. Redlich, 9. Bücherbesprechungen, 10. Vereinsnachrichten . 5. Essen, Historischer Verein für Stadt und Stift Essen. 6. Frankfurt a. M. , Verein für Geschichte und Altertumsfunde. 7. Freiburg, deutscher geschichtsforschender Verein des

Kantons Freiburg : Freiburger Geschichtsblätter, Jahrgang X 1903 .

140

8. Gießen, berhessischer Geschichtsverein : Mitteilungen des oberhessischen Geschichtsvereins Bd . XII 1903 . 9. Hannover, Historischer Verein für Niedersachsen : Zeitschrift, Jahrgang 1904 : Heft 1, 2, 3 und 4. 10. Hannover , Verein für Geschichte der Stadt Hannover. 11. Heidelberg , Historisch =- philoſophiſcher Verein : Neue Heidelberger Jahrbücher, XIII Seft 1904. 12. Köln ,

Gesellschaft

für

Jahresbericht über das wir:

Jahrgang

XII Heft 2 1903 ;

Rheinische

Jahr 1903.

und

Geschichtskunde :

Dem Bericht entnehmen.

Herr Privatdozent Dr. Köschte in Leipzig hat den

Druck der Werdener Urbare ununterbrochen gefördert.

Der

erste Band ist bis auf den lezten Bogen und die Einleitung im Druck fertiggestellt. Vom zweiten Bande sind 21 Bogen gesetzt. Das Manuskript dieses Bandes ist bis auf einen kleinen Rest vollständig in der Druckerei .

Auszuarbeiten

Register und eine Uebersichtskarte.

bleibt noch das

Voraussichtlich werden beide

Bände im laufenden Jahre zur Ausgabe gelangen können. " 13. Lemberg , Historischer Verein : Kwartelnik Historzczny Bd . XVII 4 1903 , XVIII 1 , 2, 3, 4, 1904. 14. Mitau ,

Kurländische

Gesellschaft für

Literatur

und

Kunst: Jahrbuch für Genealogie, Heraldik und Sphragiſtik 1902 . 15. Münster

und Paderborn ,

Verein für

vaterländische

Geschichte und Altertumskunde. Das historisch-geographische Register zu Band

1-50 ,

Lieferung 2-3 von Dr. Bömer ;

sowie die Zeitschrift Bd . 61 . Inhalt: 1. Porträtdarstellungen Bischof Sigeberts von Minden von Dr.

Graeven ;

2.

Gleichzeitige Aufzeichnungen über die Be-

lagerung Münsters durch die Alliierten 1759 ;

3.

Rheinische-

westfälische Urkunden des herzoglich von Hazfeld'schen Archivs zu Trachtenberg von Dr. R. Döbner ; 4. Die alten Bruderschaften der Stadt Münster von A. Hüsting ; und Verlust des Münsterer und

5. Wegführung

Paderborner Domſchatzes im

Jahre 1806 von Prof. Dr. Pieper ;

6. Eine Ausgrabung auf

dem Hahnkamp bei Rehme von Prof. Dr. Schuchardt ; 7. Zur ältesten Geschichte Ostbeverns von Dr. E. Müller ; 8. Die Reform des

Volksschulwesens

Dr. F. Naarmann ;

im Herzogtum Westfalen

von

9. Der Dom zu Paderborn von B. Stalte ;

141

10.

Die Alchemisten

in Deutschland von Vüllers ;

11. Zur

Geschichte des Paderborner Tomkapitels von 1800-1830 von L. Steinhauer ;

12. Miszellen ;

16. Osnabrück , Verein für

13. Chronik des Vereins .

Geschichte und Landeskunde :

Mitteilungen Bd . XXVI 1901 und Bd . XXVIII 1903 . 17. Recklinghausen , Verein für Orts- und Heimatskunde : Zeitschrift, Jahrgang 1903 Bd . XIII . Inhalt: Johann von Darl, erzbischöflicher Kommissar und Landdechant im Veste Recklinghausen ; die Wildpferde im Emscherbruch ; Altgermanische Funde bei Herten ; das Muſeum des Vereins für Orts- und

Heimatskunde

in

Dorsten ;

Jahresbericht ;

sowie

Beilage : Eck, Geschichte der Pfarre zum hl . Petrus in Reckling = hausen. 18. Stockholm , Kongl. Vitterhets - Historie - och AntiquitetsAcademien. 19. Witten , Verein für Orts- und Heimatskunde in der Grafschaft Mark, Jahrbuch 16, Jahrgang 1901-1902 . Inhalt: 1. Der Vereins -Vorstand und 2. der Verwaltungsrat für die

Angelegenheiten

des

Märkischen

Museums

3. Ordentliche und außerordentliche Mitglieder ; Vorstandes über das Jahr 1901/1902 ; über

den

Stand

Museums zu

4. Bericht des

5. 16. Jahresbericht

und die Angelegenheiten

Witten;

in Witten;

des

Märkischen

6. Herrmann Müllensiepen von Pott;

7. Gedichte aus dem handschriftlichen literarischen Nachlasse des weiland Oberlehrers von Dr. Fr. A. Giese ;

8. Gesammelte

Urkunden zu den Beiträgen zur Geschichte des Jülich-Clevischen Erbschaftsstreites

von J. H. Born ;

9. Controversen über die

gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse in der Grafschaft Mark von J. H. Born ; 10. Ein Urnenfund beim Schloſſe Steinhausen von Prof. Brandstätter ;

11.

Jahresbericht

der

naturkundlichen Abteilung unseres Vereins von Prof. Dr. Hof; 12. Bücherschau ; 20. Wolfenbüttel ,

13. Gott zum Gruß von Born. Geschichtsverein

für

das

Herzogtum

Braunschweig : Jahrbuch, 2. Jahrgang, 1903 : Braunschweigisches Magazin, Jahrgang 1903 .

142

Der Mitglieder Namen

Stand

A.

Wohnort

Ehrenmitglieder :

Clemen Dr.

Professor !!

Effmann Wilhelm Gottlob Dr.

"

Jostes Dr.

"

Bonn "!

"1 Münster

B. Mitglieder : Albermann Wilhelm

Bildhauer

Cöln

Algermißen Dr. med. Arnst Paul

Arzt Klempnermeister

Kupferdreh Werden

Pfarrer

Schuir Cberdrees

Frau Beer Morih Komm. -Rat

Bellenberg Dr. Pendir Carl vom Berg Robert

Berger Tillmann

Justizrat Rentner

Werden

Kettwig Schuir

Bernhard Johann

Kaufmann Rendant

Bernsan Joh. With. Bertrams Franz

Gutsbesizer Pfarrer

Bertrams Wilh .

Hauptlehrer

Schuir

Bickmann L.

Steinbruchbesizer

Heidhausen

Bleek F. Börk Richard

Bürgermeister

Kettwig Bonn

Bonnenberg Dr. med . Bonnenberg Clemens Brahm Elise

Breuer Josef Brodzina Richard Bruckmann

Bruns Friedrich Bruns A.

Beitelsmann Ludger Claßen Johannes Engels Carl

Gasthofbesitzer Arzt Fabrikant Lehrerin

Bürgermeister Stadtjekretär

Mülheim-Ruhr Bredeney Denklingen

Düsseldorf " Werden

" "

Ehrendomherr u. Pfarrer Rentner

Cöln Werden

Pfarrer u. Definitor Landwirt

Heisingen Heidhausen Aachen Werden

Kaufmann Referendar

143

Der Mitglieder

Namen

Stand

Wohnort

Werden

Engemann Carl

Caplan

Engelhardt Carl Ewald Heinrich

Amtsgerichtsrat Stadtbaumeister

!!

Ferber Clemens

Wirt

"/

"/

Heuser Heinrich

Bäckermeister

von Fromberg Gög Flothmann F.

Postdirektor Rendant

Flügel Heinrich

Kreisrentmeister

Flügge Wilhelm Flügge Elise

Redakteur Lehrerin

Frielingsdorf B. Ww. Fuchte Dr.

Rentnerin

Heidhausen Werden

Schulrat Kaufmann

Essen Werden

Restaurateur

Hügel

Fischer Heinrich

Arzt Landwirt

Coblenz Samm

Gerling Friedrich Gerz L.

Fabrikant

Schuir

Gerichtssekretär

Bochum

Gisbert Lambert

Dechant

Werden

Grewel Wilhelm

Funcke Joh. With. Führfötter Ludger Füth Dr. med .

" Zoppot Kettwig Neuß Werden

Rentner

Düsseldorf

Großkemm Jacob Grüter Leo Dr. med.

Arzt

Breitscheid Werden

Grunewald Alb.

Postmeister

Kettwig

Haniel A.

Großinduſtrieller Rektor

Düsseldorf Kettwig

Rentner

Werden

Hartmann Wilh.

Haverkamp Aug. H. Ww . Heimbach Nicolaus Heinke Edmund

Rentnerin Kaufmann

" "

Hellings Wilhelm

Amtsgerichtsrat Pfarrer

Hicking Albert Dr. med.

Sanitätsrat

Höfer Clemens

Kaufmann

"

Reg. -Präs.

Coblenz

von Hövel Aug. Freiherr

Holzheim Werden

144

Der Mitglieder Namen

Stand

Wohnort

Hopmann Adolf Hofmann Wilhelm

Fabrikbesizer Brauereidirektor

Werden

Hülsmann

Dir. d. Handelsschule

Huffmann Ernst Hülsmann Friz

Fabrikbesitzer Hauptlehrer

Amsterdam Werden Hamm

Humpert Johann

Rentmeister

Kupferdreh

Husmann Josef Hochstädter Ludger

Pfarrer Schriftseter

Wickrath Werden

Hartmann Theodor

Landwirt

Seidhausen

Humann Georg

Rentner

Burtscheid

Jacobs Peter Dr.

Pfarrer

Werden

Jung August Kahmann Ludger

Fabrikant

Fischlafen

Buchhalter

Werden

Professor Kaufmann

Göttingen Werden

Lehrerin Rentner Pfarrer

Fischlaken Bredeney Rebicheid

König Aloys

Rendant

Werden

Königstein Johann Kortemeyer Alb .

Hotelier

Kölzer Peter Kranz Dr. med.

Kaufmann Arzt

Kattenbusch Dr. Kemper Stefan

Kimmeskamp Elise Klane Wilhelm Klein Johann

"

""

Rektor

Rüttenscheid Werden

Frau Krupp F. A. GeheimratErzellenz Kruttge Küppers Peter

Bauinspektor

Hügel Glay

Lehrer

Holsterhausen

Kimmestamp L. Kreislehrer-Bibliothek

Brennereibesizer

Lazz Gustav

Anstreicher

Fischlafen Essen Werden

Luhmann Wilhelmine

Lehrerin

Fischlafen

Mackenberg Dr. Matena Wilhelm

Arzt Kaufmann

Kettwig Werden

145

Ter Mitglieder

Namen

Stand

Maas Ludger

Landwirt

Maas Ludger

"!

11

Mintrop Wilhelm

Mittweg Albert Müller Friedrich

Kaufmann Wirt

Wohnort

Fischlafen Hamm Heidhausen Werden !!

"/

Wilhelm

Fabrik-Beamter

!!

"!

Leo

Hauptlehrer

"!

"1

Hans

Niermann Dr. med. Certgen Ostrop Franz

Oßmann Johann Overhamm Aug. "

Gregor 2. Dr med.

Poerting Ludger Pingsmann W. Dr. Prentenborbeck With.

Steuerinspektor

Arzt Pfarrer Gutsbesitzer Grubenverwalter Rentner

"! Linn Bredeney

Heidhausen Werden

Apotheker Arzt Pfarrer Domkapitular

Landwirt

Rensing Friedrich Dr. Professor Justitiar Rehbein Paul Lehrer Kaufmann Rindstopf Otto

Oberhausen Ormont Cöln Heidhausen

Anholt Hamm Werden

Rötger

Direktor

Essen

Roſauer Scheuvens Alfons

Pfarrer

Kettwig Werden

Schiller Adolf von Schlechtendahl Schmachtenberg J. Frau Scheidt Geheimrat Schmidt Carl

Caplan " Hauptmann Landwirt

" Berlin

Kettwig "!

Grubendirektor

Fischlafen

Schmidtmann $.

Buchhalter

Schmit Friedr. Schneider Dr. med.

Apotheker

Heidhausen Werden

Schulten Gertrud

Hauptlehrerin

General-Oberarzt

Neiße Werden

146

Der Mitglieder

Namen

Stand

Wohnort

Schützdeller Franz

Grubenverwalter

von der Schulenburg 6. Servos Johann

Reichsgraf

Hamm Defte

Hauptlehrer Stadtrentmeister

Fischlafen Werden

Siepenkothen Heinrich Simon Leopold Sonnenschein Wilhelm von Spee Hubertus

Spelten Josef Dr. med . Stockebrand $. L.

Fabrikbesitzer Gewerke Grai

Arzt

"

Linnep Werden

Bäckermeister

"

Strenge Adalbert

Rechtsanwalt

"

Strötgen Paul

Kaffen-Aſſiſtent

Strötgen Theodor Surmann Elise

Winkelier

Heidhausen

Lehrerin

Werden

Tack Peter

Kaufmann

Thomer Josef

Rentner

Ratingen Cöln

Treffurth Gustav

Kaufmann Gerichtsvollzicher

Tillmann Franz Vogelsang Robert Vogelsang Heinrich

Kaufmann Gewerke Gewerke

"

Werden

Recklinghausen

von Waldhausen Alb. Wemhöner Carl

Oberlehrer

Essen Werden

Wiese Mathias

Fabrikbesizer

Bredeney

Wimber Adolf

Hauptlehrer

Heidhausen

Wintgen Johann Wirz Josefa

Kaufmann Lehrerin

Düsseldorf Werden

Wulff Heinrich " Josef

Gewerke Bergw .-Dir.

Wusthoff Julius

Kaufmann

Stadtgemeinde Werden " Kettwig Gemeinde Siebenhonnschaften Bredeney "!

Kupferdreh

" Kray Werden

Inhalts - Verzeichnis . Scite 1--69

1. Die Anfänge der Stadt Werden 2. Das Gericht Werden im späteren Mittelalter und die

Ausübung der Landesgewalt im Stiftsgebiet ..



70-126

3. Die älteste Landkarte des Stifts Werden von 1582 aus Abt Heinrich Dudens Zeit 4. Chronik des Vereins

127--136

137-141 142--146

5. Mitgliederverzeichnis

Beiträge zur

Geschichte

des

Stiftes

Werden.

Herausgegeben

von dem Historischen Verein für das Gebiet des ehemaligen Stiftes Werden .

Elftes

Heft.

1905 .

Druck von W. Flügge in Werden a. d . Ruhr.

Das

eheliche

Güterrecht

nach der Landesordnung des Abtes Benedikt vom

26. August 1734.

Von Joh. Emil Trapp.

Abt Benedikt von

Geismar ( 1725-1757)

zeichnete sich

unter den Werdener Aebten durch kluge und heilsame gesetzgeberische Massnahmen aus, die sich auf das Gebiet sowohl der kirchlichen wie der weltlichen Verwaltung erstreckten. Für das Kirchenwesen war von wohltätiger Wirkung ein Pastoralschreiben, welches er am 23. Januar 1730 erliess ' ) . Die vielen Kompetenzstreitigkeiten

zwischen Abt und

Magistrat

sowie

zwischen Magistrat und Bürgerschaft suchte er zu heben durch die Oekonomie- und Polizeiordnung für die Stadt Werden vom 22. September 17502 ) ; er regelte das Prozessverfahren und endlich gab er auch dem ehelichen Güterrechte eine feste Grundlage in dem Landes- und Statutarrecht vom 26. Aug. 1734, das nach einem von mir in der Generalversammlung des Werdener historischen Vereins im Jahre 1897 gehaltenen Vortrage im folgenden näher besprochen und in der Beilage zum Abdruck gebracht werden soll ) . Das meiste Interesse in dieser Landesordnung beanspruchen zwar die das eheliche Güterrecht betreffenden Bestimmungen, die für die Bewohner des alten Stiftsgebietes sogar noch eine gewisse aktuelle Bedeutung besitzen, wie später dargelegt werden wird, indes sollen der Vollständigkeit halber auch die zur Vereinfachung des Prozessverfahrens getroffenen Anordnungen kurz skizziert werden. 1) Abgedruckt im III. Heft der „ Beiträge “ S. 430 u. f. 2) Behandelt und abgedruckt im VII. Heft der „ Beiträge " S. 7-50. 3) Die Landesordnung ist gedruckt in Kamptz Jahrbüchern für die preussische Gesetzgebung, 29. Bd. Berlin 1827, S. 252 u . f. , sowie die das eheliche Güterrecht betreffenden § 12-20 bei W. Flügge, Werdener Chronik, S. 67 ff.

4

Abt Benedikt beklagt, dass im Prozesswesen sich vielfach Missbräuche eingeschlichen hätten, besonders durch das Auftreten von

Prokuratoren“ , d. i . Prozessbevollmächtigten, wo-

durch die Achtung vor den Justizbeamten verletzt, die Rechtsstreitigkeiten in die Länge gezogen und die Kosten der streitenden Parteien sehr in die Höhe getrieben würden.

Er ordnet des-

halb unter Androhung von Strafen an : 1. Alles ,, ohngebürliche Zanken und Schmählen“ der Parteien untereinander und den Gerichtspersonen gegenüber muss unterbleiben, und die Prokuratoren, denen das Betreten der Gerichtsstuben ohne Anmeldung und Erlaubnis verboten wird, haben bei Sachen summarischen Verfahrens in ihren Schriftsätzen auf 6 Reihen sich zu beschränken. 2. Bei allen Angelegenheiten,

die den ordentlichen Richter angehen, sollen die Prokuratoren sich jeder schriftlichen

Einmischung enthalten. 3. In ihren Schriftsätzen haben die Prozessvertreter alle ,, ་ ་ Anzöpflichkeiten, welche die Hauptsache nicht betreffen", zu vermeiden ; event. sind solche aus den Schriftsätzen zu „ expurgieren". 4. Nur in den ordentlichen Gerichts- und Verhörtagen ist es gestattet, Streitigkeiten zum Protokoll zu bringen. Alles heimliche Verfahren soll ausgeschlossen sein ; in Notfällen ist die Gegenpartei zu verständigen. 5. Die Prokuratoren sollen zeitig vor Gericht erscheinen, damit sie vor 12

Uhr mittags ihre Erklärung abgegeben

haben ; eine spätere Protokollierung soll nicht gestattet sein. 6. Der Richter soll vor 2 Uhr nachmittag nach Anhörung der Schöffen das Protokoll diktieren und es in derselben Sitzung beendigen, um unnötige Berufung der Schöffen zu vermeiden. 7. Dem Gerichtsschreiber ist es verboten, den Parteien mit Rat und Tat zur Hand zu gehen oder die Bescheide nach eigenem Gutdünken anzufertigen beziehungsweise sie dem Richter zu ,,suggerieren" ; lediglich in Formaliensachen soll er Auskunft geben dürfen. 8. Kann wegen Abwesenheit des Richters in seiner Behausung das Gericht nicht abgehalten werden, so soll es in der Woh-

5

nung des Bürgermeisters, als des ersten Schöffen, und bei seiner Verhinderung in dem Hause des ältesten Schöffen gehalten werden . 9. Da zum Nachteil der Parteien das summarische Verfahren vielfach missbräuchlich in Anwendung gebracht worden ist, so dass es fast zu einer ordentlichen Instanz , gediehen“ , so werden die nach summarischem Verfahren zu behandelnden Sachen namentlich aufgeführt.

Hierhin gehören u. a. Kla-

gen, betreffend den Besitz, Lohn, Unterhalt, Sachen, die keinen Aufschub dulden, ferner geringe Schuldforderungen mit der ausdrücklichen Bestimmung jedoch, dass, wenn im Laufe der Verhandlung es sich herausstellen sollte , dass die . Sache vor das Landgericht gehöre,

sie demselben sofort

unter Strafe der Nichtigkeit des Verfahrens zu überweisen sei. 10. In diesen (summarischen) Sachen soll keine Apellation verstattet werden ; nur wenn die Partei sonst hülflos bleibe, soll ihr aus Billigkeitsgründen erlaubt sein, beim gleichen Gerichte Revision zu erwählen oder eine Kommission zur Revision der Akten zu erbitten, und muss es bei dem alsdann ergangenen Urteil sein Bewenden haben. 11. Bei diesem Revisionsverfahren sind den Parteien nur je 2 Schriftsätze gestattet, auch sollen keine neuen adjuncta admittiert werden, es sei denn, dass neue Beweise beigebracht werden könnten. Waren die Bestimmungen des Abtes Benedikt über das Prozessverfahren wohl darnach angetan, durch Beseitigung von Unzuträglichkeiten und Unklarheiten langwierige Prozesse zu verhindern und dadurch das öffentliche Wohl zu fördern, so noch mehr sein Statut über das eheliche Güterrecht, d . i . über die Rechte und Pflichten der Eheleute in Beziehung auf ihr Vermögen, dessen Besitz, Verwaltung und Benutzung sowohl untereinander als ihren Kindern und dritten Personen gegenüber. Das Gesetz des Abtes Benedikt über das eheliche Güterrecht war ein Akt seiner Gewalt als Landesherr, als ,,dero Kaiserlichen und des heiligen Römischen Reichs freyer und exemp ter Stifter Werden und Helmstäden Abt " ; denn wenn auch der Inbegriff der Rechte und Pflichten der Eheleute in Bezug auf

6

ihre Person, das eheliche Personenrecht, seiner innern Natur nach mehr dem Sittengesetze als dem bürgerlichen Recht angehört , und daher im allgemeinen auch als zur Kompetenz der geistlichen Macht gehörig betrachtet wurde, so bewegt sich das eheliche Güterrecht jedoch nicht bloss in dem inneren Familienleben, sondern äussert seine Wirkung hauptsächlich nach aussen hin und gehört eben deshalb recht eigentlich dem Bereiche der bürgerlichen Gesetzgebung an. Die Regulierung der vermögensrechtlichen Seite der Ehe ist demnach Sache des Staates. Die verhältnismässige Kürze und leichte Verständlichkeit, mit welcher Abt Benedikt diese bedeutsame und keineswegs leichte Materie behandelt hat, fällt sofort wohltuend auf. In wenigen, nur 9 Satzungen werden die Rechtsverhältnisse wäh rend, wie nach aufgelöster Ehe, insbesondere auch nach dem Uebergange des überlebenden Ehegatten zur zweiten Ehe geregelt.

1. Die Rechtsverhältnisse

der Ehegatten

während der Ehe. Die Landesordnung enthält darüber, wie es mit dem Vermögen während bestehender Ehe zu halten ist , keine ausdrücklichen Bestimmungen, offenbar weil in dieser Hinsicht keine Zweifel bestanden. Jedoch lässt sich aus den in ihr dargelegten Rechtssätzen in Betreff der Erbfolge in die Güter nach aufgelöster Ehe in Verbindung mit dem unbestrittenen Herkommen das eheliche Güterrechtsverhältnis vollständig fesstellen. Denn Abt Benedikt will kein neues Recht schaffen, sondern nur das bisher geltende, freilich ungeschriebene Recht, das aus dem Volke entsprungen, von Geschlecht zu Geschlecht sich fortgepflanzt hat, ein echtes Volksrecht, gegen Missbrauch und willkürliche Aenderungen durch Gesetz sichern. Auch für das Werdener Recht bestand nämlich mit dem Eindringen der römischen Rechtsbegriffe in das deutsche Familien- und Erbrecht unter dem Einflusse der im ganzen

deutschen Reiche

wuchernden

Doktrin der römischen Rechtsgelehrten die Gefahr, seine ursprüngliche Reinheit zu verlieren.

Freilich trat diese Gefahr

hier so recht erst im 17. Jahrhundert in die Erscheinung, ein Beweis für das starre Festhalten des Volkes an den seinem ureigen-

7

sten Bewusstsein und Rechtsgefühl entstammenden Satzungen. Den Zweifeln und Irrungen, welche das fremde Recht hervorgebracht hatte, ein Ende zu machen, war die Landesordnung des Abtes Benedikt vom 26. August 1734 bestimmt.

Lehnt sie sich

auch an das bergische Landrecht wie an ein Mutterrecht an, so will sie doch nach ihrer eigenen Erklärung nichts anders als das alte Recht des Stiftes wiedergeben unter ausdrücklicher Bestätigung der sonst hergebrachten Rechte, Gewohnheiten und Observanzen¹) . Die Abtei Werden hatte im allgemeinen einen sich dem fränkischen Rechte nähernden und mit den Gewohnheiten des Herzogtums Berg übereinstimmenden Rechtszustand. die betehende

Ehe

waren

folgende

Fir

Rechtsgrundsätze mass-

gebend : 1. Wenn die Eheleute nicht durch einen notariellen Vertrag (Ehepakt) ihren Güterstand geregelt haben, herrscht allgemeine Gütergemeinschaft, d. h. es fliessen die beiderseitigen Vermögensmassen zu einer einzigen zusammen, was für die Vermögens-Aktiven wie für die Schulden gilt. Diese allgemeine Gütergemeinschaft erstreckte sich, da die Landesordnung nicht bloss als Statut, sondern als Landesgesetz publiziert ist, über alle Eheleute mit Ausnahme der Juden Letztere wurden als Ausländer betrachtet, ihr Familienund Erbrecht regelte ihr nationales jüdisches Recht. 2. Der Mann ist während der Ehe alleiniger Verwalter des gesamten Vermögens. Alle seine Verfügungen hierüber sind rechtsverbindlich mit 2 Ausnahmen : a ) Er

darf

unbewegliche

Güter

ohne

Zuziehung

der

Fran weder veräussern noch verpfänden . b) Kapitalien, die auf den Namen der Frau oder beider Eheleute geschrieben sind, kann er nicht einziehen. 3. Hinsichtlich der letztwilligen Verfügung gilt folgendes : a) Ist die Ehe unbeerbt, d . i. kinderlos, so kann jeder Ehegatte über sein eingebrachtes und von ihm angeerbtes Immobilarvermögen sowie die Hälfte der ehelichen Immobilarerrungenschaft frei verfügen. 1 ) Siehe Beilage I § 12 und 20,

Den Niessbrauch

8

an diesem Vermögen, der dem l'eberlebenden bis zu seinem Lebensende statutarisch gebührt, darf er demselben nicht entziehen. b) Ist die Ehe beerbt, so können beide Ehegatten über das Immobilarvermögen, gleichgiltig woher es stammt, ob es in die Ehe eingebracht, ererbt oder erworben ist, nur ge meinschaftlich verfügen. c ) Auch über das Mobilarvermögen können sowohl - bei beerbter wie bei unbeerbter Ehe beide Ehegatten nur gemeinschaftlich letztwillig verordnen. Der Grund für letztere Sätze liegt, wie Welter') ausführt, in der gesetzlichen gütergemeinschaftlichen Erbfolge der Landesordnung, welche die Eheleute für sich und ihre Kinder nur gemeinschaftlich abändern können.

Bei unbeerbter Ehe kennt

die Landesordnung auf den Todesfall bestimmte

Sondergüter

als Eigentum des verstorbenen und des überlebenden Ehegatten. Hierüber muss daher auch jeder gesondert letztwillig verfügen können unter Wahrung der statutarischen Rechte des Ueberlebenden. Die Landesordnung hat nämlich in § 18 das in verschiedenen Rechtsgebieten, so auch in den bergisch-jülichschen Landen herrschende Fallrecht, jus revolutionis, das nach dem Grundsatze : Paterna paternis, materna maternis eine getrennte Beerbung eintreten liess, derart, dass die Verwandten von väterlicher Seite das von dieser herrührende Vermögen oder auch die Hälfte des ganzen Nachlasses, diejenigen von mütterlicher Seite das von daher kommende oder die andere Hälfte erbten²) , aus drücklich beseitigt .

Jedem Eigentümer wird, abgesehen von den

in der Landesordnung ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen, über sein Eigentum freies Verfügungsrecht inter vivos oder mortis causa gewährt. Nur dann lässt die Landesordnung einen gewissen Rückfall eintreten, wenn beide Eltern verstorben und deren hinterlassene Kinder ebenfalls ohne Nachkommen und letztwillige Verfügung aus dem Leben geschieden sind. Alsdann sollen die eingebrachten und ererbten Immobilien an die Linie des Vaters oder der Mutter zurückfallen, woher sie gekommen sind und zwar in dieser wieder an die nächsten Verwandten. 1 ) Welter, das eheliche Güterrecht in Westfalen, 1861 S. 225. 2) Vgl. Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte, Leipzig , 1889 S. 697,

9

Auch hat die Landesverwaltung das Beispruchsrecht der Erben , jus retractus, d . h . den Eintritt des Erben in den seitens des Besitzers vorgenommenen Verkauf von Gütern gegen Entschädigung des Käufers nur bei ererbten Gütern und lediglich dem nächsten Erben gewährt.

Wer das jus retractus daher in Auspruch nahm, musste sich vor allem qualifizieren , dass er a

priño acquirente abstamme ", andernfalls er sofort ,,de plano a , limine judicii" abgewiesen werden sollte¹ ) . II. Die Rechtsverhältnisse der Ehegatten nach aufgelöster Ehe. Bezüglich der Rechtsverhältnisse nach Lösung der Ehe durch den Tod eines der Ehegatten ist zu unterscheiden, ob die Fhe unbeerbt oder beerbt ist. Die Landesordnung erwähnt nicht ausdrücklich des Falles einer unbeerbten Ehe und der bei Ableben eines Ehegatten erfolgenden Auseinandersetzung.

Mangels einer diesbezüglichen

Vorschrift muss die juristische Interpretation helfend eingreifen. Insbesondere aus den $$ 12 und 18 der Landesordnung lässt sich der Rechtszustand herleiten.

§ 12 legt nämlich

im

Eingang dem überlebenden Ehegatten unbedingt die Substanz aller „ gereiden" Güter, d. i . des Mobilarvermögens und ferner die Abnutzung der ,, ohngereiden" Güter, den Niessbrauch des Inmobilarvermögens bei, mit der alleinigen Verpflichtung, wenn Kinder vorhanden, diese aus dem Niessbrauche zu erziehen und ::

unterhalten.

Demnach bleibt der überlebende Ehegatte auch

bei unbeerbter Ehe auf jeden Fall Eigentümer des Mobilar- und Niessbraucher des Immobilarvermögens. Fraglich ist nur, ob er ebenso wie bei beerbter Ehe bezüglich der Immobilien lediglich Niessbraucher ist, das Eigentum an dieser aber den gesetzlichen Erben des Verstorbenen zufällt.

Rücksichtlich seiner eigenen

eingebrachten und ererbten Immobilien kann dies schon aus dem Grunde nicht zutreffen, weil sie schon nach dem ursprünglichen Rückfallsrechte doch nur auf seine Erben zurückfallen könnten, für diese aber noch gar kein Erbfall eingetreten ist.

Zudem ist

dieses Rückfallsrecht durch § 18 beseitigt, dergestalt, dass jeder ¹) Vgl . Beilage I § 19.

10

Eigentümer über seine Stock- und Stammgüter frei verfügen Es konnte also auch der verstorbene Ehegatte hierüber

kann.

auf den Todesfall frei disponieren.

Hat er dies aber nicht ge-

tan, so folgt daraus nicht, dass nun das gesetzliche Erbrecht zwischen seinen zur Erbschaft berufenen Verwandten und dem überlebenden Ehegatten, der vorher kein Erbrecht hatte, geteilt werden sollte, letzterer war und blieb vielmehr immer nur statutarischer Niessbrauchs Erbe, wenn der Verstorbene nicht anders verfügt hatte. In Ermangelung von Verträgen und letztwilligen Verfügungen wurde die Vermögensmasse in folgender Weise vererbt : 1. Der überlebende Ehegatte erhielt das Eigentum an dem gesamten Mobilarvermögen. 2. Er nimmt seine eigenen in die Ehe eingebrachten und in dieser ererbten Immobilien als Sondergut zurück. 3. Von der ehelichen Immobilienerrungenschaft erhält er die Hälfte zu Eigentum , an der anderen Hälfte steht ihm der lebenslängliche Niessbrauch zu. 4. Gleiches Niessbrauchrecht hat der Ueberlebende an den von dem Verstorbenen in die Ehe eingebrachten und während dieser ererbten Immobilien. 5. Die Substanz der eingebrachten und ererbten Immobilien sowie der halben Immobilienerrungenschaft des Verstorbenen geht als dessen Nachlass auf seine gesetzlichen Erben über. Sind beim Tode eines Ehegatten aus der Ehe hervorgegangene Kinder vorhanden, so wird zwischen diesen und dem überlebenden Ehegatten die Gütergemeinschaft nicht in der Art festgesetzt , dass an Stelle des Verstorbenen die Kinder treten, vielmehr lässt die Landesordnung in Ausbildung des fränkischen Verfangenschaftsrechts sofort Teilung der Vermögensmasse eintreten. Nach dem Verfangenschaftsrechte wurde nämlich das beiderseitige Vermögen ohne Rücksicht ob es von dem Manne oder der Frau herrührte, in das Mobilar- (die ,,freien" Güter) und das Immobilarvermögen (die „ verfangenen“ Güter) zerlegt. Die freien Güter werden Eigentum des überlebenden Ehegatten, die verfangenen Eigentum der

Kinder, bleiben jedoch dem

Niessbrauche des überlebenden Ehegatten unterworfen. In ähn-

11

licher Weise trennt auch die Landesordnung das Vermögen in „ gereide“ und „ ohngereide" Güter und bestimmt im Einzelnen folgendes : 1. Das Eigentum an allen ,, ohngereiden " Gütern,,,sie seien vor oder in stehender erster Ehe gewonnen und geworben oder aber ererbt", geht sofort nach gebrochenem Ehebett auf die aus dieser Ehe erzielten Kinder über. 2. An diesem gesamten Immobilarvermögen steht dem überlebenden Ehegatten der lebenslängliche Niessbrauch zu, wo- , für ihm aber die Verpflichtung obliegt , seine Kinder, bis sie selbst dazu im Stande, zu unterhalten und zu erziehen') . 3. Solange der überlebende Ehegatte im Witwenstande verharrt,,,stante viduitate", bleibt er im Besitze der Verwaltung des Immobilarvermögens, ohne den Kindern für dessen Erhaltung zur Sicherheitsstellung verpflichtet zu sein. Ueber die Substanz der Immobilien darf er keine Verfügung treffen, şie insbesondere nicht veräussern , oder versetzen oder verpfänden. Nur in zwei Fällen kanu er darüber mit richterlicher Ermächtigung oder unter Zuziehung und Zustimmung der nächsten Verwandten verfügen, nämlich a) wenn es zu seinem und seiner Kinder Unterhalt notwendig ist, welches Recht ihm jedoch genommen wird, wenn er zur zweiten Ehe schreitet. In diesem Falle darf er b) nur lediglich noch zum Zwecke der Ausstattung seiner Kinder zur Verfügung über die Immobilien ermächtigt werden²). 4. Die ,,gereiden" Güter fallen bei dem Tode eines Ehegatten in das ausschliessliche Eigentum des Ueberlebenden,,,um damit nach Belieben zu disponieren". III. Die Rechtsverhältnisse des zur zweiten Ehe schreitenden Ehegatten. Schreitet der überlebende Ehegatte muss er

zur zweiten Ehe, so

1.sich zunächst mit seinen Kindern auseinandersetzen, und

1) Vgl. Beilage I § 12. 2) Ebendaselbst § 13.

12

zu diesem Zwecke das den Kindern durch den Tod des Verstorbenen angefallene Immobilarvermögen offen legen, um sodann dessen Absonderung von den Immobilien, die er während des Witwenstandes als ein ihm eigentümlich verbleibendes Sondergut erlangt , zu bewirken. Er hat deshalb seinen Kindern Vormünder zu bestellen und hinsichtlich des Niessbrauchs, der ihm an dem den Kindern gehörigen Immobilarvermögen zusteht, Sicherheit dahin zu leisten , dass er ,,besagte Güter in dem Stand unterhalten wolle und solle, in welchem dieselben bei vorgegangenem Sterbefall befunden" ), 2. Sind beim Tode des erst verstorbenen Ehegatten keine Immobilien vorhanden, so kann der überlebende Ehegatte nur die Hälfte der Mobilien in die zweite Ehe mitbringen. Die andere Hälfte muss er, nachdem er ein genaues und voliständiges Inventar errichtet und den Kindern zur Wahrung ihrer Interessen Vormünder bestellt hat, an die Kinder herausgeben, vorbehaltlich des ihm hieran bis zum Lebensende verbleibenden Niessbrauchs") . 3. Sind zwar Immobilien vorhanden, diese aber nach Abzug der darauf haftenden Schulden nicht soviel wert, wie das dem überlebenden Ehegatten zufallende Mobilarverinogen. so ist der zur andern Ehe schreitende Ehegatte verpflichtet, den Kindern aus erster Ehe von dem beweglichen Vermögen soviel zuzulegen, dass sie vom ganzen Vermögen aus erster Ehe die volle Hälfte, eine gerade Halbscheid aller Güter") erhalten. An diesen abgeschichteten Mobilien steht aber dem überlebenden Ehegatten ebenso wie im vorerwähnten Falle der lebenslängliche Niessbrauch zu, in beiden Fällen jedoch gegen die Verpflichtung, die Kinder

davon

nach

Vermögen zu erziehen und sie , bis sie selbst dazu im Stande sind, zu unterhalten. 4. Umgekehrt soll aber auch nach einer späteren durch Abt Johann am 21. Januar 1779 ergangenen Deklaration ) der

1) 2) 3) 4)

Vgl. Beilage I § 12. Ebendort § 16. Ebendort § 17. Vgl. Beilage II.

13

Landesordnung für den Fall, dass die Immobilien das bewegliche Hab und Gut an Wert übersteigen, dem zur zweiten Ehe schreitenden Ehegatten, von dem Werte der Immobilien der Kinder soviel zugelegt werden, dass ihm die gerade Hälfte des ganzen Vermögens, das zur Zeit des Sterbefalles vorhanden, verbleibt. Bei der Feststellung des Werts der Immobilien und Mobilien kommen die jede Vermögensgattung treffenden Schulden it in Anschlag.

Die Landesordnung bestimmt in dieser Hin-

sicht, dass die bei Trennung der Ehe vorhandenen auf den Immobilien haftenden Schulden,

soweit

diese

reichen, den Immobilarerben,

alle übrigen

zur Tilgung hinSchulden dagegen

denjenigen zur Last fallen, welchen das bewegliche Vermögen zufällt, durch welche Verteilungsart jedoch das Recht der Gläu biger, das sie vorher an dem Gesamtgut gehabt, nicht geändert werden, sondern nur die Regresspflicht der Erben untereinander festgesetzt werden soll¹ ). Der zur zweiten Ehe schreitende überlebende Ehegatte war aber zur Sicherstellung der Kinder hinsichtlich des ihm an deren Immobilarvermögen zustehenden Niessbrauchs und zur Abtretung von beweglichen Gütern an diese bei Ueberschuldung oder gänzlichem Mangel der Immobilarmasse, nur dann verpflichter, wenn keine ,,bündige Einkindschaft" getroffen worden,,, defiSeit dem 13. Jahrhundert wurde es ciente unione prolium ) . nämlich insbesondere im Gebiete des fränkischen Rechts üblich, dass beim Güterstande der allgemeinen Gütergenieinschaft die Ehegatten der neuen Ehe mit den Kindern der ersten Ehe (Vorkindern ) einen sogenannten Einkindschaftsvertrag schlossen , der an bestimmte Formen gebunden, insbesondere gerichtlich vollzogen und bestätigt werden musste, damit die „ liberi uniti praecedentis thori" dadurch nicht verkürzt wurden") . In persönlicher Beziehung war sein Zweck dahin gerichtet, bei dem Uebergange des überlebenden Ehegatten zu einer anderen Ehe zwischen ihm und seinen Kindern aus der aufgelösten Ehe einerseits, und zwischen dem anderen Ehegatten beziehungsweise

1) Vgl. Beilage I § 14. 2) Ebendaselbst § 16. 3) Ebendaselbst § 12.

14

dessen Vorkindern und in den in der folgenden Ehe zu erzeugenden Kindern ein Familienverhältnis zu begründen,

durch das zwischen ihnen allerseits die persönlichen Rechte und Pflichten wie zwischen leiblichen Eltern und Geschwistern entstanden. In

vermögensrechtlicher Hinsicht sollten die Vorkinder den aus der neuen Ehe zu erwartenden Kindern gleichgestellt, dadurch die Teilung des bisherigen gemeinschaftlichen Vermögens verhütet und deren Nachteile von dem überlebenden Ehegatten und seinen Kindern abgewandt werden. Die Einkindschaft stellte demnach ein künstliches Verwandtschafts- und Vermögensverhältnis her. Da aber ein solches Verhältnis, das den bisherigen Familien- und Vermögensverband forterhielt, das beste Mittel war, die persönliche Eintracht in der neuen Ehe zu fördern, wurden die Einkindschaftsverträge in den Provinzialgesetzen und Statuten besonders begünstigt.

Auch in der Landesordnung des Abtes Benedikt wird durch häufigen Hinweis auf die Einkindschaft der Abschluss derartiger Verträge befürwortet . Um aber den infolge verschiedener Ehen etwa auftretenden Zweifeln

und Irrtümern vorzubeugen, trifft die Landesordnung hinsichtlich des Erbrechts der Kinder an den Immobilien die positive Bestimmung, dass die sämtlichen ohngereiden Güter beim Absterben eines Ehegatten stets ausschliesslich den Kindern aus der Ehe zufallen, in welche sie eingebracht beziehungsweise in der sie erworben oder ererbt sind. Nur diejenigen Güter, welche die Vorkinder, sei es durch Testament oder als Intestaterben unentgeltlich erworben haben, sind hierbei ausgeschlossen. Diese fallen ungekränkt den Vorkindern zu. Der dem überlebenden Vater oder der Mutter daran gesetzlich zustehende Niessbrauch bleibt indes gewahrt¹ ) . Die Landesordnung des Abtes Benedikt vom 26. August 1734 wurde besonders in formell-rechtlicher Beziehung in etwa berührt durch das Landes- Regulativ vom Jahre 17762) , welches in Art. 10 bestimmt, dass ,,die gerichtliche Aufnahme, Errichtung und Bestätigung der Testamente, E h e pakten und Dotationen in der Stadt, sie mögen von Bürgern oder Fremden nach-

1) Vgl. Beilage I § 15. 2) Das Landes- Regulativ gedruckt bei Schunken, Geschichte der Reichsabtei Werden S. 735 ff.

15

gesucht werden , als ein Actus voluntariae jurisdictionis

ent-

weder bei dem Landgericht oder bei dem Magistrat gebeten und resp. vorgenommen werden können", und Art. 11, der besagt : ,,Wegen Bestellung der Vormundschaften , welche mit sich bringet, dass bei der Anordnung der Vormünder ein Inventarium errichtet und niemand zur zweiten Ehe zugelassen werde, bevor er mit den Kindern erster Ehe seine Richtigkeit gemacht habe, hat es gleichfalls bei der geschenen Vereinigung sein Bewenden, dass solche Vormundschaftsbestellungen in Ansehung der Bürgerschaft und bürgerlichen Personen bei dem Magistrat verbleiben auch dass, da die Beurteilung der zu errichtenden Einkindschaften zu den Vormundschaftssachen gehört , Berechtigung und Bestätigung solcher Einkindschaften mässig zum Magistrat gehören sollen . " Das cheliche Güterrecht selbst,

wie

es

in der

die

eben-

Lan-

desordnung

festgelegt worden, hat auch die Säcularisation des Stiftes Werden überlebt, und noch Giltigkeit benaiten bis auf den heutigen Tag. Die eheliche Gütergemeinschaft in den ,,westphälischen Provinzen" ist , nachdem diese

aus der französischen Herrschaft an Preussen zurückgefallen, durch die Verordnung Friedrich Wilhelms vom 8. Januar 1816 ) in vollem Umfange, wie sie vor der Einführung des französischen Rechts nach Provinzialgesetzen, Statuten und Gewohnheiten bestanden hat , besonders wiederhergestellt worden mit der ausdrücklichen Bestimmung, dass alle seit der Einführung des fremden Rechts geschlossenen Ehen in Ermangelung besonderer Verabredung in Bezug auf die eheliche Gemeinschaft nach den darüber früher bestandenen provinziellen Vorschriften beurteilt. werden sollen. Durch die Deklaration dieser Verordnung in Bezug auf deren Anwendbarkeit in der Grafschaft Werden vom 31. März 18262) ist bestimmt worden, dass zu denjenigen westfälischen Provinzen, für welche die Verordnung zur Herstellung der allgemeinen ehelichen Gütergemeinschaft vom 8. Januar 1816 gegeben worden, auch die Grafschaft Werden ge-

1 ) Vgl. Verordnung in betreff der ehelichen Gütergemeinschaft in den Westphälischen Provinzen etc. vom 8. Januar 1816. Gesetz -Sammlung von 1816 S. 97. 2) Vgl. Deklaration vom 31. März 1826. Gesetz -Sammlung von 1826 S. 23.

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höre dergestalt, dass die Bestimmung dieser Verordnung vomi Tage ihrer Bekanntmachung daselbst verbindliche Kraft gehabt habe. Auch das Gesetz betreffend das eheliche Güterrecht in der Provinz Westfalen etc. vom 16. April 1860¹) und das mit dem 1. Januar 1900 in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch ) beanspruchen bezüglich der bereits bestehenden Ehen keine rückwirkende Kraft, sondern bezeichnen für deren Güterstand die bisherigen Gesetze als massgebend.

Für die vor dem

1. Januar 1861 im Gebiete des ehemaligen Stifts Werden geschlossenen Ehen hat daher die Landesordnung des Abtes Benedikt vom 26. August 1734 noch aktuelle Bedeutung. Freilich ist der Kreis der Personen, auf welche die Landesordnung noch Anwendung findet, verschwindend klein, und nach einer kurzen Spanne Zeit wird er gänzlich ausgestorben sein. Aber wenu damit auch die aktuelle Bedeutung der Landesordnung hinfällig wird, ständig wertvoll bleibt sie für die Lokalgeschichte Werdens.

1) Vgl. § 22 des Gesetzes vom 16. April 1860. 2 ) Vgl. Art. 200 Abs . 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch.

Beilage

I.

Landesordnung des Abtes Benedikt

vom

26. August 1734.

Von Gottes Gnaden Wir Benedictus dero Kaiserlichen und des heiligen Röm. Reichs freyer und exempter Stifter Werden und Helmstäden Abt usw. Fügen unsern Canzleybedienten , Richtern , Scheffen , Procuratoren und sonsten jedermänniglich, denen daran gelegen, hiermit zu wissen : Nachdem wir ausfälligst vernehmen müssen, was gestalt an unseren gerichtern vor und nach viele Misbrauch eingeschlichen, wodurch die heilsame Justiz verzögert, wo nicht hintertrieben, und die streitenden Parteien . in ohnwiederbringlichen Schaden, muthwillige Kosisplitterungen und höchst ärgerliche Weiterungen gestürzt worden, ja sogar die von unserm Vorherren und uns selbsten zur Abstellung sothaner Missbräuche vor und nach heilsamlich errichtete und ergangene Verordnungen strafbarerweise ausser acht gestellet und vielfältig darwider gehandelt worden, wir aber solchem Unwesen nicht länger nachsehen können noch wollen, so ist unser ernstlicher Wille und Befehl : $ 1. Da die procuratores und Parteien in Ansehung derjenigen Personen, welche in unserm Namen die Justiz administriren, des uns gebührenden unterthänigen Respects gar oft vergessen, nicht allein unter sich mit ohngebührlichem Zanken und Schmählen ihrer Gegenparteien Sachen zu verwirren und die ihre zu defendiren, sondern auch gar oft auf gleiche Weise die Justiz-Personen anzugreifen keinen Umbgang nehmen, so sollen die litigantes und Procuratoren bei arbiträrer Bruchtenstra sich dessen künftig gänzlich enthalten, ihre Notdurft schlechterdingeu und in geziemender Gelassenheit und zwar nicht über sechs Reihen in eodem recessu orali, ausschliesslich in causis summariae cognitionis, und in welchen sie die Hauptsache selbsten beobachten müssen, bei Poen der Rejection in prothocollo ver-

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zeichnen und sich mit dem Recessiren, es wäre denn das nur um Bescheide vernehmen würden, begnügen lassen, im Fall aber dieselben sich wider Billigkeit beschwert zu sein erachten möchten, die gewöhnliche und in Rechten erlaubte remedia ergreifen oder nach Beschaffenheit der Sachen gehörenden Orts, auch nothigenfalls bei uns selbsten zulängliche Remedur suchen, mithin auch in unsere Kanzlei-, Gerichts- und Rathsstuben, bevor sich gemeldet und ohne Erlaubniss nicht treten ! und damit denen durchgehends

gehorsamlich nachgelebt werde, sollen unsere Kanzlei- Bediente, Richter und Scheffen, auch Bürgermeister

und Rath darauf festiglich halten, die actuarii die darwider vorfallenden Excesse mit allen gravirenden Umständen bei ihren Pflichten fleissig prothocolliren, und die Uebertreter nach Ermässigung ihres begangenen Frevels der Gebür bestraft werden. § 2. Wan auch in causis ordinarii judicii die procuratores sich öfters in die Hauptsache mit ihrem Recessiren mischen und dam die Erfahrung gibt, dass dadurch die Parteien vieimals aufgehalten, gute Sachen in Confusion gerathen und übereilt. ja wohl gar verdorben werden,

sollen die Procuratores schier

künftig alles Recessirens in causa principali ad ordinarium geköriger Streitsachen sich müssigen, die dahin gehörigen schriftlichen Vorstellungen ihren Principalen oder Advocaten anheimgestellt sein und sich bloshin an ihrem Procuratoren-Amt begnügen lassen, sonsten die darwider eingerichteten Recesse kraft dieses für null und nichtig erklärt sein, auch keiner Partei Vortheil bringen oder präjudiciren, sondern ab actís verwor fen und ausgelöscht werden sollen. $ 3. Sollen patroni causarum in ihren Schriften sich aller Anzöpflichkeiten, welche die Hauptsache nicht betreffen noch dadurch denen Parteien Angelegenheiten befördert werden, äusseren, in Contraventionsfällen aber die procuratores und exhibentes verbunden sein, selbige zu expurgiren und ad officiunı fiscale anzuzeigen, in Entstehung dessen diese dafür nach aller Schärfe angesehen werden sollen.

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$ 4. Dieweil auch angemerkt worden, dass die Parteien oder vielmehr ihre Anwälte ausser den ordentlichen Gerichts- und Verhörtagen heimliche und einseitige recessus zum Prothokoil bringen, um dadurch die opponentes zu überschnellen und ungegründet“ Beschwerde zu erschleichen, sollen dergleichen recessus nicht ferrer verstattet, sondern ad actis verworfen werden ; falls aber die unumgängliche Nothdurft dergleichen erfordern würde, die procuratores oder Parteien dem Gegentheil oder dessen Anwait zuvor davon behörend und zeitig avisiren, um mit seiner erachtenden Gegennothdurft einkehren zu können, auch, wie solches geschehen, ad protholcollum dociren. $ 5. Sollen die procuratores an den ordentlichen Gerichts-, Verhör- und Rathstägen beizeiten vor Gericht erscheinen, damit sie ihre Nothdurft vor 12 Uhren Mittags zum Prothocoll bringen können, nach Verlauf deren aber dazu nicht weiter admittirt werden sollen , und

$ 6. Damit die ausserordentliche Convocirung der Scheffen zu ihrem

nicht

geringen Beschwer,

soviel möglich,

vermieden

werde, soll unser Richter in ordinariis juridicis sofort mit Zuziehung und in Gegenwart besagter Scheffen die

Bescheide,

nachdem er dieselben zuvor proponirt und in Umfrage gebracht , allem Herkommen nach ad prothocollum dictiren, damit

vor

zwei Uhren Nachmittags den Anfang machen und in eadem juridica damit endigen. $ 7. Thun wir unserm Gerichtsschreiber unter nachdrücklicher Bestrafung wegen vieler darüber eingekommenen Klagen befehlen, dass er hinfort schlechterdings seine Amtspflichten beobachten, nicht aber sich in Parteisachen mit Worten oder son sten einerleiweise melieren, dieselben avisiren, mit Rath und That an die Hand gehen , weniger die Bescheider nach seinem Gutachten entwerfen oder unserm Richter darüber und wie die selben einzurichten, suggeriren solle, es wäre dann dass er über eine oder andere Gerichtsstilmässige und gebräuchliche formaiia befragt würde.

20

$ 8. Würde es sich etwa begeben, dass unser zeitlicher Richter wegen Abwesenheit oder sonstigen ehrhaften Verhinderungen dem Gericht nicht beiwohnen und solches daher an dessen Behausung nicht respicyrt werden könnte , soll dasselbe bei unserm zeitlichen Bürgermeisteren als scabino primario und bei dessen gleichmässiger Verhinderung dem ältesten oder nächst folgenden Scheffen an ihrem Logement abgehalten, und sollen der Ge richtsschreiber sowohl mit dem Protocoll als auch die procuratores dorthin zu folgen und die necessaria daselbst zu observiren schuldig sein.

$ 9. Alldieweil an unserm Extra-Judicial-Verhör als einem sunmarischen Gerichte nach und nach der verderbliche Missbrauch eingeschlichen, dass an demselben alle Sachen ohne Ausnahme introducirt, angenommen, ventilirt und decidirt worden, mithin besagtes Verhör zu einer ordentlichen Instanz gediehen, we durch die streitenden Parteien in grosse Weiterungen, Schaden und Kösten gestürzt werden, so verordnen wir hiermit ernstlich, dass an mehrgedachtem Verhör keine Sachen zugelassen werden sollen, sie seien dann ihrer Art und Natur nach summarischer Cognition, als da sind causae possessionis, modici praejudicii, spolii attentatorum et inhibtionum, liquidationis, pignorationis, quae publicum commodum concernunt , decimarum , usurarum, dotium, alimentorum praesentium et futurorum, salarii et mercedis, miserabilium personarum, si res, propter quam lis exorta est , peritura sit, si propter tardiorem causae expeditionemi irreparabile damnum

existere possit, causae, in quibus flagita-

tur decreti interpositio, novi operis nuntiatio , cautio damni inrecti, causae mercatorum qua talium ad exhibendum , causa satisdationis quam legatarius ab haerede legatorum nomine exigit, examen testium ad perpetuam rei memoriam, bei dergleichen Verhör gleichwohl zwei scabini admittirt werden sollen, item geringe Schuldforderungssachen, welche sich nicht über zwanzig Rthr. erstrecken, wobei unsere Richter gute Acht haben sollen, wann eine Sache, die anfangs summarii judicii zu sein sich anlässt, in progressu causae aber ad ordinarium gehörig zu sein sich äussern würde, dass dieselbe in talem eventum sofort

ad

21

ordinarium und unserm Landgerichte zur Erörterung remittiren , mit der Verwarnung, dass falls wider diese unsere Verordnung gefrevelt würde, die Lebertreter nicht allein nach Ermässigung des delicti bestraft, sondern auch der ganze Process null und nichtig gehalten werden solle. $ 10. So sollen auch fernerhin in gleichgemelten Sachen keine apellationes verstattet werden ;

wann es sich aber fügte , dass

eine Partei beschwert würde und dann die Billigkeit erfordert, dass dieselbe nicht hülflos gelassen werde , so wird dem beschwerten Teil erlaubt, das revisorium in eodem judicio summario zu erwählen oder aber eine Commission, um die acta zu revidiren, auszubitten und darüber Urtheil und Recht erwarten, und was alsdann in der Sache gesprochen wird, dabei soll es sein Verbleiben haben und die ergangene Urteil ohne Verstattung weiteres Querulirens zur Execution gebracht werden.

$ 11 . Soll in jetzgemeltem revisorio jedem Theil nicht mehr als zwei Schriften zu übergeben erlaubt sein und darauf allenfalls von Amtswegen die Sache für beschlossen angenommen, auch keine neue adjuncta admittirt werden, es wäre dann Sache , dass eine oder andere Partei post sententiam gravatorialem neuen Beweis überkommen hätte, selbigen zu führen gemeinet wäre, und dass mit solchen ante dictam sententiam nicht versehen gewesen glaublich dociren würde.

$ 12 . Da auch in unserer Stadt und Stift bishero in Successionsfällen viele verderbliche Processe dadurch entstanden, dass die Bergische Erbfolge theils consuetudine recipirt theils aber bestritten wird, ja sogar in vielen Begebenheiten pro et contra decidirt worden, und dann uns landesväterlich obliegt, solchem Unwesen nach Möglichkeit abzuhelfen, als wollen und verordnen wir, dass auf dem Fall Eheleute von einander versterben, der jetztlebende alle Gereide-Güter für sich eigenthümlich, und damit nach Belieben zu disponiren, behalten und in die zweite Ehe bringen könne, mithin auch die Abnutzung deren OhngereidenGüter, solange er lebt, geniessen solle, gleichwohl mit dem Be-

22

ding, dass er die Kinder aus erster Ehe davon nach seinem Zustand und soweit der ususfructus sich erstreckt , erziehen,

und

bis sie zum Stande kommen, unterhalten und ernähren soile, hingegen aber das Eigenthum aller Ohngereiden- Güter, sie seien vor oder in stehender erster Ehe gewonnen und geworben oder aber ererbt, sofort nach gebrochenem Ehebett auf die aus solcher Ehe gezielte Kinder verfallen, auch conjux superstes, falls er zur anderweither Ehe zu schreiten Vorhabens, vor Antretung derselben verbunden sei, seinen Kindern Vormünder und cantionem usufructuariam dahin zu stellen, dass besagte Güter in dem Stand unterhalten wolle und solle, in welchem dieselben bei vorgegangenem Sterbefalle sich befunden, es wäre dann dass eine bjindige Einkindschaft servatis de jure requisitis formalibus getroffen, auch die liberi uniti praecedentis thori dadurch nicht verkürzt würden.

$ 13. Soll der letztlebende Ehegatte kein Fug noch Macht haben, dic proprietarie , wie vorhin gemeldet , auf seine Kinder vererbten Güter stante viduitate zu versetzen, verpfänden oder sonsten aus einerlei Weise in andere Hände bringen, es wäre dann dass er dessen zu seinem selbsteigenen und seiner Kinder Unterhalt unumgänglich benöthigt wäre und darüber judicis decretum debite oder wenigtens mit Approbation und Zuziehung deren nächsten Anverwandten interponiren lassen, falls er aber die zweite Ehe antreten würde, ihm solches, ausgenommen, was zu Dotirung der Vorkinder erfordert werden möchte, gänzlich verhoten, und was dawider gehandelt, für null und nichtig gehalten sei. $ 14. Die in der Häredität vorkommenden Passivschulden betref fend sollen diejenigen Schuldposten, welche auf die Ohngereide versichert sind , von den Immobilar- Erben daraus abgeführt, die übrigen debita hingegen von dem, welchem die Gereide zufallen , abgemacht werden, jedoch dergestalt, dass wann sich begeben würde, dass dem Anspruch habenden hypotheca tacita ex lege in omnibus bonis competirte, der successor in mobilibus sowohl als resp. immolibus nach Betrag der Güter dafür haften

solle ,

23

gleichwohl die Creditoren die ihnen ex jure etwa zustehende facultas eligendi salvo regressu dadurch unbeschädigt .

$ 15. Sollen alle ungereide Güter, sie kommen aus Seithen- und neben, oder sonstigen Erbfällen oder sie würden acquirirt, denen Kindern verbleiben, die aus der Ehe gezeuget, in welcher besagte Güter acquirirt oder erobert worden : gleichwohl dass diejenigen Güter, welche die Vorkinder oder ex testamento oder ab intestato ohne Mittel erben, hierunter nicht begriffen sein, sondern jetztbesagten Kindern ungekränkt anheimfallen sollen, der ihrem annoch lebenden Vater oder Mutter darob de jure zustehenden Abnutzung ad dies vitae ohne Nachteil.

$ 16. Auf den Fall aber Eheleute voneinander versterben, ans solcher Ehe Kinder und keine Ohngereide-Güter vorhanden sein sollten, soll conjux superstes, so lang im Wittiben-Stand beharrt, zwar die vorhandenen Mobilia völlig halten, wann aber ad secundas nuptias gehen würde, dessen Kindern erster Ehe Vormünder zu stellen verbunden sein und deficiente unione prolium nur die Hälfte der gereiden in die zweite Ehe bringen, die andere Hälfte aber gedachten Kindern nach Einrichtung eines vollständigen inventarii verbleiben, salvo dass er die Abnützung davon ad dies vitae halten, die Vorkinder aber davon nach Vermögen erziehen , und bis sie sich selbten dazu im Stande befinden, ernähren solle , also und dergestalt, dass wann auch

§ 17. Nach gebrochenem Ehebette sich ereignen würde, dass die gereide die ohnbeweglichen Güter an Werth übertreffen thäten und dennoch Kinder aus voriger Ehe vorhanden, solle conjux superstes, falls zur anderweiten Ehe schreiten sollte, von den gereiden soviel den immolibus beizulegen verbunden sein, damit die Kinder prioris thori eine gerade Halbscheid aller Güter (salvo usufructu, wie vorhin gemeldet worden) erheben und demselben ungekränkt verbleiben

$ 18. Wenn auch die Erfahrung lehrt, dass viele Irr- und Weiterungen aus dem im jülich und bergischen Lande üblichen jure ro-

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volutionis entstanden, und der Beweis, solches Recht alihier hergebracht zu sein, unseren Unterthanen fast unmöglich fällt , als soll besagtes jus revolutionis in unser Stadt und Stift, falls jemals dergleichen consuetudine recipirt sein sollte, hiermit aufgehoben und einem jedem rechtmässigen Eigentümer

erlaubt

sein, falls er sich durch sonstige pacta nicht zu einem oder andern verbindlich gemacht, über das Seinige , ausgenommen in oben angezogenen Fällen, oder inter vivos oder mortis causa frei und nach Gutdünken zu disponiren, jedoch mit der ausdrücklichen Erklärung, dass wann Eltern, so in stehender Ehe ein oder mehrere Kinder gezielet, beide mit Tod abgehen, sodann deren hinterlassene Kinder drauf ebenfalls ohne Leibeserben und sonstige Disposition, wie vorhin, versterben sollten, dass auf solchen sich ereignenden Fall, diejenigen hinterlassenen Immobilar Erbund Stammgiiter, welehe von Seiten des Vaters herkommen, wieder an dessen nächste Verwandten et sic versa hin- und zurückfallen sollen.

$ 19. Und da aus dem hier gebräuchlichen jure retractus gleiche Unordnungen sich ereignen, soll derjenige, welcher sich einiger Vernäherung künftig anmasst, sich vor Allem qualificiren, dass er a primo acquirente abstamme, in Abgang dessen aber nicht. dazu admittirt , sondern sofort und de plano a limine judicii abgewiesen werden. $ 20. Soll obige Verordnung den an unser Lehn- und Hobskammer hergebrachten Rechten und Gewohnheiten keineswegs derogiren, sondern dieselben in ihrer völligen Kraft und observance wie bisanhero verbleiben, wornach sich ein jeder gehorsamst zu richten hat, und damit niemand sich mit der Unwissenheit entschuldigen möge, soll diese unsere Verordnung unsern sämtlichen Kanzlei-Bedienten, Richtern, Scheffen, Gerichtsschreibern und Procuratoren, wie auch unseres Stifts Vorstehern fordersamst publicirt werden. Urkund unserer eigenhändigen Unterschrift und vorge-

druckten Secrets- Insiegel ; gegeben auf unserer Werden, den 26. August 1734. L. S.

Reichsabtey

Benedictus Abt zu Werden und Helmstadt,

25

Anno 1734 den 27. September ist obstehende gnädige Verordnung in Anwesenheit der II. Präsidenten Caroli Spiekermann, Kanzlei-Directoren Contzen, Rath Rapicani und meinen denen vorbeschriebenen Richtern Licentiato Funke , sämmtlichen Scheffen , Gerichtsschreiber Bernardi und Procuratoren auf dem Kaisersaal publiciert und ihm Richtern aus sonderbarem gnädigen Befehl bedeutet worden, dass er alle Vierteljahr sethane ihm in authentica copia communicirende gnådige Verordnung durch den Gerichtsschreiber in pleno judicio den sämmtlichen Scheffen und Procuratoren ab- und vorlesen lassen solle. Anno 1834 den 13. October. Ist vorstehende gdge Verordnung in praesentia des Hrn . Kellnern Bernardi Heerde, Hrn . Rath Rapicani und mein Secrctarii Wassersort denen Vorgeladenen hiesigen Stifts-Vorstehern auf dem Kaysers- Sahl gleichsam in Clausulis concernentibus publicirt, und bekannt gemacht worden.

Beilage

II .

Unterthänigst gehorsamster Bericht des Magistrats wegen der von der Wittib Peter Heiserholt vorhabenden Ehe, mit Anlage. Praess, den 19. Januar 1779.

Resolutio . Ihro Hochwürden und Hochwohlgeboren Gnaden, d. Hr. R. A. zu Werden und Helmstädt, und G. H. lassen hierauf Hochdero hiesigen Stadtmagistrat zur unterthänig gehorsamst nachgesuchten Erläuterung ohnverhalten, dass, da nach der Landesordnung vom Jahr 1734 § 17 der Fall : Wenn die Gereiden die unbeweglichen Güter im Wert übertreffen, deutlich genug entschieden vice versa ebenmässig bey dem einberichtenden und jenen in § 17 entgegengesetzten Fall, ein Gleiches zu verstehen seyn. Wor nach sich also der einberichtende Stadtmagistrat in dem vorgekommenen und anderen zukünftigen Fällen gehorsamst zu achten hat. Urkundl. Hochgedt. Ihro Hochw. und Hochwohlgeborenen Gnaden U. G. II . Handzeichen und vorgedruckten siegels.

Secret-In-

Sign. auf der Reichsabtey Werden den 21ten Januar 1779. (L. S.) Joannes, Abt zu Werden und Helmstädt. Copia

Ergänzungen und Berichtigungen zur Geschichte der Aebte von Werden bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts you Franz Josef Bendel,

Die handschriftlichen

Aufzeichnungen über

die Reihen-

folge der Vorsteher und Aebte von Werden sind an Zahl nicht unbedeutend') , auch russ man deren Verfassern,

soweit

sie

selbständig gearbeitet haben, das Zeugniss ausstellen, dass von ihnen das zahlreiche Urkundenmaterial gebührend berücksichtigt wurde.

Allein, obwohl wir dies im allgemeinen als unbe-

dingte Forderung bei Abfassung eines Gechichtswerkes aufsteilen, empfinden wir, dass bei den erwähnten Geschichtsquellen vielfach zu`viel des Guten geschehen ist. Unter den Urkunden des Stiftes Werden befinden sich eine nicht geringe Zahl von unechten Stücken, und dadurch, dass man die einen wie die andern zum Teile bis in die neueste Zeit herauf ohne die gebotene kritische Vorsicht benützte , heiten und Irrtümer.

entstanden viele Unklar-

Die Geschichte des Stiftes Werden beginnt mit der Wende des 8. Jahrhunderts. Allein für die ältere Zeit sind wir, wenigstens was die Geschichte seiner Vorsteher betrifft, recht mangelhaft unterrichtet.

Einige wenige Nachrichten über Todestage

bietet ein Kalendarium des ausgehenden 11. Jahrh. , von dem jedoch die Monate April -Juli verloren gegangen sind. (Vgl. die chronol. Uebersicht No. 1. ) Die erste uns erhaltene Aufzeichnung über die Reihe der Achte staat aus deia Anfange des 12. Jahrhunderts, enthält aber bloss die Namen.

Etwas

mehr bietet ein im 9. Jahrhundert geschriebenes Kalendarium, in welches von einer Hand des 14. Jahrhunderts der Todestag

1) Ich gebe im folgenden eine Uebersicht derselben, nach ihrer Entstehungszeit geordnet .

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der cinzelnen Aebte eingetragen wurde' ) . Ausführliche Mitteilungen über die Geschichte des Klosters Werden und seiner Vorsteher sind uns zuerst von dem Abt Heinrich IV . Duden (1573-1601 ) überliefert . Die übrigen Handschriften gehören insgesamt dem 17. und 18. Jahrhundert an. Da sie sich mehr oder weniger an Dudens Aufzeichnungen anlehnen und n wesentlichen nicht viel Neues berichten, so ist ihr Wert als historische Quelle für die ältere Zeit weit geringer. Natürlich bilden die echten Urkunden, in denen der Name des Abtes genannt ist, eine der zuverlässigsten historischen Quellen; aber auch die unechten Urkunden können, mit der nötigen Vorsicht

benutzt,

mancherlei wertvolle Aufschlüsse

geben. Eine von mir versuchte zusammenhängende Behandlung der Kaiserurkunden für Werden bis zum 13. Jahrhundert, die mun fertig vorliegt, und auf welche ich im Verlaufe dieser Abhandlung mehrfach werde verweisen müssen, hat mir bereits Gelegenheit gegeben, sowohl über deren Originalität, als auch über die Echtheit oder Unechtheit ihres Inhaltes mir ein Urteil zu bilden. Von der ursprünglichen Absicht, eine zusammenhängende Darstellung der Geschichte der Aebte von Werden zu geben , habe ich bald Abstand genommen ; die Schwierigkeiten sind der zeit, wo es an einer kritischen Ausgabe des einschlägigen Materials noch vielfach mangelt, zu gross.

So beschränke ich mich

darauf, die wichtigsten uns überlieferten Nachrichten über die Reihenfolge und Regierungszeit der Vorsteher des Klosters auf Grund kritischer Verwertung des uns zu Gebote stehenden Materials zu berichtigen und, wo es möglich ist, zu ergänzen. Einem Anderen vielleicht wird es beschieden sein, diese Beiträge für eine neue Geschichte der Abtei Werden verwenden zu können.

1 ) Es darf jedoch nicht verschwiegeu werden, dass sich derlei Eintragungen in Kalendarien durchaus nicht immer auf den Todestag, sondern mitunter auch auf das an diesem Tage zu feiernde Jahresgedächtnis der betreffenden Personen beziehen . So würden sich vielleicht auch manche Differenzen zwischen den Angaben des Kalendars und den Berichten der Chroniken erklären lassen .

29

Chronologische Uebersicht der auf diese Abhandlung sich beziehenden Handschriften : 1. Königl. Bibliothek in Berlin : Cod. Berol. a t. in 4º n. 358, mem br. S. XI. ex. Die Hs, enthält ein Psalterium ; darauf folgt, von derselben Hand, ein Kalendarium , beginnend mit : Kalendis Die Monate April--Juli sind verloren . Historische Bemerkungen finden sich darin nur ganz wenige ; für uns von Interesse sind die folgenden : IV. Idus Sept. ( 10. September) :

Januarii.

Gerfridus eps . siae majoris .

IV . Idus Nov. (10. November) : dedicatio eccleHethanricus abbas. XII. Kal. Jan. (21. Dez. ) :

Hildegrimus eps. ') 2. Königl. Bibliothek in Berlin : Cod. Berol. sa e c. IX.

theol. in 4" maj.

n.

322 , membr.

Die Is. enthält : Gregorii M. epistola e. Dann folgt auf fol. 127 , von einer Hond des 12. Jahrhunderts ges , hri. ben, eine Listeder Aebte von Werden, von Andulfus bis Bernhardus ( † 1138 ) ; dann von späterer Hand : Lamberins bis Willehelmus († 1160) ; endlich, abermals von späterer Hand, Wolframmus bis Heribertus († 1196 ) . Auf fol. 127b die NamenderBischöfevon Köln, von Maternus bis Warinus († 984 ) von einer Hand des 10. Jehrhunderts ). 3. Königl. Bibliothek in Berlin : 1.. lat. in fol. n. 358 , men br. Cod. Berol. theol

s. IX. Ein Kalendarium des 9. Jahrhunderts, in welches von einer Hand des 14. Jahrhunderts die Todestage der Aebte eingetragen sind³) . 4. Königl. Bibliothekin Hannover : ,,Syllabus abbatum Werthinensium ab II. Hagen elaboratus. "

1) Vgl. Pertz, Archiv VIII , 842 . 2) Vgl. Pertz, Archiv VIII , 841 , Ewald . Neues Archiv, III, 488 ; die Liste der Aebte ist gedruckt : Mon. Germ . SS . XIII 288. 3) Herausgegeben von Jostes, Beiträge IV ( 1895 ). Auszüge bei Leibnitz , SS. III, 447 , und Böhmer , FF. III , 389.

30

Henning Hagen aus dem Kloster Helmstädt, († 1503 ), hat einen daselbst aufgefundenen alten Abtkatalog bis zum Anfange des 16. Jahrhunderts fortgeführt ' ) . 5. Kathol. Pfarrarchiv in Kettwig : ,,Historia regalis et insignis monasterii et abbatiae ") Werthinensis, per fr. Henricum Dudenum abbatemWer denensem collata. " H. Duden ( † 1601 ) trug seine Aufzeichnungen in ein durchschossenes Exemplar der Kirchengeschichte des Eusebius (Ausgabe : Basel 1569 ) ein, offenbar nach und nach, wie ihn geradic eine Nachricht bekannt wurde. Im genannten Archive befinder sich das Original und

eine von dem Conventualen

Kampmann ( † 1644) verfertigte Abschrift.

Stephan

Eine andere, im 17 .

Jahrhundert gemachte Abschrift bewahrt die königl. Bibliothek in Berlin ( Cod . Boruss. in fol n. 578 ) .

Der Verfasser dieser Ab-

schrift gibt die Eintragungen Dudens so gut wie unverändert. wieder, nur hat er dieselben aus der annalistischen Form in die chronikale umgegossen"). 6. Königl. Landesarchiv in Wolfenbüttel : VII. Bd. XXVII. ,,Chronicon monasterii Werthinensis", von mehreren Händen geschrieben, teilweise auch von G. Overham. Erste Hand bis zum Beginne des 17. Jahrhunderts, weitere Hände bis zum Ende des 17. Jahrhunderts"). 7. Königl. Landesarchiv in Wolfenbüttel : VII. Bd . XXII.

Ein Kalendarium von 1609, zusammengestellt von dem Conventualen H. Metternich aus einem alten Necrologium * ). 8. Königl. Bibliotheka in Iannover ; Hs. XXII., 615.

1 ) Gedruckt bei Leibnitz, SS . III, 600 ff., vgl. Westfäl . Zs. XIII , 264, XXII, 615. 2) Vgl. Jacobs Werdener Annalen, S. 6 u. 7. Jacobs hat (1. c. S. 10) den Verfasser der letzgenannten Abschrift mit Heinrich Saldenberg identifiziert. 3) Vgl. Jacobs , 1. c. S. 15 . 4) Vgl . Jacobs, 1. c. S. 33 , Anm. 28.

31

1614, von einer Hand Ein Catalogusabbatum . des 17. Jahrhunderts auf 12 Blättern ' ) . 9. Königl. Landesarchiv in Wolfenbüttel : VII. Bd. XXI. Orig. Hs. „Annales imperialium immediatarum liberarua et exemptarum ecclesiarum Werdinensis et Helmstadiensis auctore

Greg. Overham. “

Der Verfasser war Mönch zu

Werden und lebte von 1619-1687 .

Sein Werk reicht bis 1646 .

Abschriften: a) im kath . Pfarrarchiv in Werden, von P. Böcker ( 1724), b) im kgl . Staatsarchiv zu Düsseldorf, e) in der Bibliothek zu Helmstädt,

aus

Modestus

dem

Jahre

17492). 10. Stadtarchiv in Köln : Gelenius, Farrag. XX., Bl. 629-644 ; Catalogus dominorum abbatum Werthe in. et Helmon st". bis 1667 , fortgeführt bis 1815 . 11. Königl. Landesarchivin Wolfenbüttei : VII. Bd . XXV . Ein Catalogus abbatum, verfasst im Jahre 1693 vom Propste Aemil Rahma u n. 12. Kgl. geh. Staatsarchiv in Berlin : Hs. in fol. min. n. 17. membr . saec . X. Beda : de ratione temporum. Dem Kalendarium sind Werdener Aebte beigeschrieben, manu saec. XVII .

Vgl. Pertz Archiv , XI, 775) .

13. Kath. Pfarrarchivin Werden: „ Catalogus omnium abbatum, qui a prima fundatione huic abbatiae praefuerunt . . • von dem Conventualen Bernhard Roskamp ( † 1705 ) , von mehreren Händen bis 1803 fortgeführt"). 14. Stiftsarchivin Xanten : Ein kurzer Abtkatalog von 777-1870 ') . 1) Vgl. Jacobs, 1. 2) Vgl. Jacobs, 1. 3) Vgl. Jacobs, 1. dieser Hs. 4) bei Pels V , Bl .

c. S. 15. c. S. 12 u. 13. c. S. 14. Das genannte Archiv besitzt 2 Fassungen 378.

32

69 ,,Wahläbte " sollen seit 887 bis zur Aufhebung der Abtei, 1803 , derselben vorgestanden haben. Ihre Bildnisse, in Oel gemalt, befinden sich, provisorisch in der Sakristei und auf den Emporen der ehemaligen Stiftskirche untergebracht, noch jetzt im Besitze der kath. Gemeinde zu Werden. Diese Zahl ist keineswegs sicher, denn es kann als gewiss gelten, dass der 4. Abt , Odo , gar nicht existiert hat, sondern durch ein Missverständnis der Urkunde Zwentibolds in die Abtkataloge aufgenommen wurde. Ferner ist es gewiss, dass der 24. Abt ebenfalls Rudolf, wie sein Nachfolger, und nicht Adolf geheissen hat . Andererseits wird vielleicht Wigburg, der auf Hoger gefolgt sein soll, von Duden mit Unrecht deshalb nicht mitgezählt, weil er in ältere Verzeichnisse nicht aufgenommen war. Sicher ist ferner, dass keineswegs alle Aebte von Werden Wahläbte waren, und mit Unrecht beruft man sich da auf das Diplom Ludwig III. ' ) . Frühestens unter Heinrich I. wurde den Mönchen die Freiheit, sich ihren Abt selbst zu wählen, zugestanden. Bis dahin aber wurden die Aebte vom Kaiser, als obersten Schutzherrn des Klosters , ernannt. Was endlich die Bildnisse der Aebte betrifft, so können diejenigen der älteren noch weniger Anspruch auf Porträt-Aehnlichkeit machen, als beispielsweise die

Mosaik- Medaillons der

äitesten Päpste in der Kirche San Paolo fuori le mura zu Rom. Die Phantasie hat in beiden Fällen sehr bedeutend mitgewirkt. Um einen kurzen Leberblick zu geben, so gedenke ich den Stoff in 3 Abschnitten zu behandeln

zunächst die Liudgeriden,

bis Hildegrim II. , dann die vom Kaiser bezw. Könige ernannten Vorsteher, und endlich die freigewählten Aebte des Klosters. diese aber nur bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, denn von da ab sind wir durch die uns überlieferten Quellen fast durchweg gut und genau informiert.

1 ) Näheres bei Hildegrim II.

33

I. Die Liudgeriden . Liudger. Begründer Werdens ist, wie bekannt, der hl . Liudger¹), geboren in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts zu Sueesnon oder Suahsna, jetzt Zuylen a. d. Vecht ) , aus edlem friesischen Geschlechte, als ältester Sohn des Thiadgrim und der Liarburga. Schon über das Geburtsjahr gehen die Berichte bedeutend auseinander. Während die neueren Autoren insgesammt das Jahr 744 als solches annehmen, sagt Duden (Ann. S. 17) : „ Circa annum Domini 730 natus est s. Ludgerus eps. ... sub Theodorico secundo (soll heissen quarto" ) Francorum rege..." Ausserdem meldet Duden zum Jahre 809 : ,,S . Ludgerus eps. octogenarius 26. Martii in Domino moritur" .

Wir fragen uns natür-

ich, weshalb man von dieser doch ganz klaren Mitteilung Dudens abgegangen ist. Die Antwort dürfte bei Schunken zu finden sein, welcher (S. 4) schreibt : ,,Genau vermögen wir das Geburtsjahr

Ludgers nicht anzugeben, doch lesen wir in einer seiner historischen Schriften : Successit S. Willibrod Bonifatius idem archiepiscopus et martyr, quem oculis meis vidi candidum canitie et decrepitum senectute, plenum virtutibus et vitae meritis. Denken wir uns Liudger damals 7-9 Jahre alt, SO bleibt sein Geburtsjahr zwischen 744 und 746 liegen, da Bonfatius 755 starb. " Diese Beweisführung

Schunkens ist

nicht

einwandfrei,

und seine Folgerung auf ein Alter von 79 Jahren ganz willkürlich. Denn mit den zitierten Worten ist keineswegs gesagt, dass Liudger den Apostel der Deutschen in seinem Todesjahre gesehen hat. Ferner hat die Folgerung Schunkens höchstens als untere Altersgrenze für Lindger eine Berechtigung. Aber gerade die angeführte Stelle spricht für ein höheres Alter ; denn un jemanden als „, plenum virtutibus et vitae meritis“ zu erkennen, dazu gehört bereits eine gewisse geistige Reife,

die man

einem 7jährigen Kinde ina allgemeinen nicht zuschreiben kann. 1) Mit Rücksicht auf die Urkunden und ältesten Handschriften , in denen die Schreibweise Liudger die ursprüngliche und lange Zeit die ausschliessliche ist, glaube ich an dieser Schreibweise festhalten zu sollen . 2 ) nicht Wierum, wie Schunken . S. 3 , behauptet. Vergl. Jacobs , Pfarrgesch. S. 10, Anm . 4. 3) regierte 720-737.

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Schwieriger ist es, die Studienzeit Liudgers mit seinem Lebensalter in befriedigenden Einklang zu bringen. 14½ Jahre oblag der Heilige den Studien, davon 10 an der Stiftschule zu Utrecht, damals geleitet vom Gregor († 25. August 775) , der aus allen deutschen Stämmen zahlreiche Schüler um sich versammelte, und 42 Jahre an der hohen Schule zu York, wo Alkwin sein Lehrer, Freund und Gönner war.

730 als Geburtsjahr an-

genommen, würde Liudgers geistige Ausbildung erst hinter das 30. Lebensjahr fallen , was allerdings ganz scheinlich ist.

und gar

unwahr-

Im Jahre 767 soll dann Liudger zum Diakon geweiht worAuch aus dieser Jahreszahl wird sich für das Geburts-

den sein.

jahr nichts erschliessen lassen, denn, wie die meisten vor 796 be ruht auch diese auf blosser Vermutung späterer Autoren . Da einerseits Erzbischof Ethelberth von York erst am 26. April 767 am weissen Sonntage, seine Regierung antrat, andererseits der Samstag vor dem Passionssonntage und der Charsamstag die gewöhnlichen Ordinationstage waren, ist es nicht unwahrscheinlich, dass die erwähnte Weihe erst im Jahre 768 stattgefunden hat. Damals musste aber Liudger mindestens ein Alter von 25 Jahren haben, denn schon die alten Concilien¹ ) , sowie Kaiser Justinian ) schrieben für den Diakonat das 25. Lebensjahr vor") . Ludger dürfte aber aller Wahrscheinlichkeit nach damais bereits älter gewesen sein, etwa 30 Jahre, somit ist es ganz gut möglich, dass sein Geburtsjahr tatsächlich noch in die Regierungszeit Theodorich IV . fällt, vielleicht um das Jahr 736 , wofür jedenfalls wichtigere Gründe sprechen, als für 744 . Wenn der Empfang der Diakonatsweihe wirklich um das Jahr 768 anzusetzen ist, dann musste Liudger damals nicht nur seine Studien in Utrecht bereits beendet, sondern auch in York einige Zeit zugebracht haben, um sich die erforderliche höhere Bildung anzueignen. Der Beginn seiner Studien würde dann in die Mitte der fünfziger Jahre des 8. Jahrhunderts anzusetzen sein.

Lindger sagt selbst, dass er den hl. Bonifatius noch ge-

1) Vergl. corp. jur. can. c. 5-7, D : LXXVII , und c. 2, D : LXXVIII . 2) Vergl . Novell . 123, c. 13. 3) Erst allmählich ging man von dieser Strenge ab, bis Clemens V. auf dem Concil zu Vienne ( 1311) das 20. (vollendete) Lebensjahr festsetzte.

35

sehen habe.

Wo kann dies leichter geschehen sein, als in Ut-

recht ? Liudger wird also bereits vor 755 die Schule zu Utrecht Lesucht haben, woraus sich wiederum die Notwendigkeit ergibt, sein Geburtsjahr etwas hinaufzurücken . Nach Empfang des Diakonates brachte Liudger einige Zeit in Utrecht zu, kam aber zur Vollendung seiner Studien alsbald nach York zurück, bis ihn nach 3½ Jahren ein Streit zwischen den Friesen und Angeln nötigte, nach Utrecht heimzukehren . Unter Gregors Neffen und Nachfolger Alberich war die Leitung dieser Schule in solcher Weise verteilt, dass abwechselnd Alberich selbst , Liudger, der inzwischen von Bischof Riculf von Köln zum Priester geweiht worden war, endlich Adalgar und Thatbrat , jeder ein Vierteljahr, derselben vorstanden .

Die übrige

Zeit widmeten sie der Seelsorge und der weiteren Ausbildung des Volkes¹) .

Dass Liudger bereits 778 den Bau des Klosters

Werden begonnen hat, ist Legende.

In Wirklichkeit fallen die

Anfänge von Werden in die Wende des 8. Jahrhunderts. Durch einen Aufstand der Friesen und Sachsen wurde Lindger genötigt, seinen Wirkungskreis aufzugeben. Es ist dies vermutlich der in Karls des Grossen Abwesenheit im Jahre 782 ausgebrochene Aufstand . In Begleitung seines Bruders Hildegrim und seines Schülers Gerbert ging nun Liudger nach Rom und Monte Cassino . Von Papst Hadrian I. ( 772-795 ) mit

Reliquien beschenkt,

kehrte er nach 2½jährigem Aufenthalte in Italien in die Heimat zurück und soll auf der Rückreise im Jahre 785 in Frankfurt mit Karl dem Grossen zusammengetroffen sein.

Allein zu die-

sem Jahre wird sich das gemeldete Ereignis schwerlich unterbringen lassen, denn Karl stand damals im Feldzuge gegen die Sachsen ) . Sicher ist, dass, wohl auf denVorschlag Alkwins, Liudgers Wirkungskreis von Karl nach der Niederwerfung der

1 ) Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen , (7. Aufl . ) I , S. 292 . 2) Schwane (im Kirch .-Lex. VIII , S. 222) weicht von dieser Chronologie etwas ab. Darnach wäre Liudger 784 bis Frühjahr 787 in Italien gewesen und im letztgenannten Jahre mit Karl d. G. in Monte Cassino zusammengetroffen. Eine zweite Begegnung sei dann 794 in Frankfurt bei Gelegenheit der dort abgehaltenen Synode erfolgt. Unwahrscheinlich sind diese Angaben nicht, obwohl sie sich mit der hierauf bezüglichen Stelle in Altfrids vita (Mon. Germ. SS. II , 410) nicht gut in Einklang bringen lassen.

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Sachsen auch auf den westlichen Teil dieses Landes mit

dem

Hauptsitze Mimigardevord im Südergau ausgedehnt wurde. Durch eine Christenverfolgung in Ostfriesland im Jahre 793 genötigt, den Ort seiner Tätigkeit zu verlassen, erhielt Liudger von Karl dem Grossen die Leitung des St. Petriklosters ' ) in Lothusa im Gau Brabant. Damit sind wir wieder bei einem Punkte angelangt, der noch bis in die letzte Zeit viel umstritten . war. Karl der Grosse soll dem hl. Liudger das genannte Kloster samt Zubehör geschenkt haben, und zwar mit Urkunde vom 26. April 802

Mühlb. Reg. 387 ( 380 ) ] .

Die famose Urkunde ist

langst als unecht erkannt" ) ; ihre Anfertigung fällt vielleicht in die Mitte, wenn nicht in das Ende des 11. Jahrhunderts, jedenfalls war sie un 1135 schon vorhanden, da sie der Verfasser der vita rythmica s. Liudgeri benutzt hat. Auch hat sie der Schreiber des um 1150-60 angefertigten älteren Privilegienbuches daselbst fol. 19a eingetragen.

Die Ansicht von Lacomblet (Ur-

kundenbuch I. Bd. , S. 14) , die Urkunde sei am Ende des 12. Jahrhunderts angefertigt worden,

ist also irrig.

Wohl aber

kann seine Voraussetzung teilweise richtig sein, nämlich, dass em Streit um den Besitz des Klosters, nur nicht am Ende des 12 . Jahrhunderts, die Veranlassung war, das Falsifikat herzustellen. Auch Lacomblets andere Ansicht, man habe ,,Karls verloren gegangenes ( Original ) Diplom aus irgend einer alten registerartigen Aufzeichnung" ) durch ein neues Machwerk ersetzen wollen" , 1 ) Das Kloster wurde gegründet vom hl. Amandus (um die Mitte des 7. Jahrh . ) zu Ehren der hl. Apostel Petrus und Paulus, nach Schunken (S. 8) für regulierte Chorherren, was aber unmöglich ist, da deren Entstehen erst ins 11. Jahrh. fällt Vielleicht soll es heissen : Nach der Regel des hl . Chrodegang. 2 ) Ueber die Zeit ihrer Anfertigung und über die mutmasslichen Vorlagen habe ich in meiner Arbeit : „ Die Kaiserurkunden für das Stift Werden a . R. " ausführlich gehandelt. Gegenwärtig ist die allgemeine Ansicht die , der Schreiber dieses Diploms habe noch 4 andere : Mühlb. Reg. 1753, DH. 26, DO . II . , 88, DO . III . 17 angefertigt und den Text von DH. II. 9 geschrieben. Dass die 3 letzterwähnten Nachzeichnungen von einem u.demselben Schreiber staminen , daran ist nicht zu zweifeln . Was jedoch die Diplome Arnulfs , Heinrich 1. und besonders Karl d . Gr. betrifft, so halte ich deren Zuweisung zu demselben Schreiber nach meinen letzten Beobachtungen keineswegs für sicher. Das Karlsdiplom steht nicht nur inhaltlich ganz ausser der Reihe der anderen Nachz. , es steht auch kalligraphisch weit über denselben, und die teilweise Aehnlichkeit der Schrift lässt sich auch auf andere Weise erklären. 3) Der Umstand , dass in den älteren Heberegistern keinerlei Einkünfte von Lothusa erwähnt worden, ist bemerkenswert. Auch von sonstiger registerartiger Aufzeichnung findet sich keine Spur.

1

37

teilt hente niemand mehr ; die Nachzeichnung ist vielmehr, wie aus zahlreichen Merkmalen hervorgeht, eine ohne jede echte Vorlage und überdies sehr ungeschickt angefertigte Fälschung. Dieses Urteil trifft aber deshalb noch nicht den Rechtsinhalt der genannten Urkunde, insbesondere die Schenkung von Lothusa. Wie sieht es nun mit dieser aus ? Man beruft sich stets auf Altfrids vita Luidgeri, in welcher die Schenkung erwähnt sein soll.

Die fragliche Stelle lautet¹) : ,, Deditque ei rex Caro-

lus in regno Francorum in pago Bracbante in loco, qui Lotus vocatur, monasterium s. Petri gubernandum cum omnibus adiacentibus suis ecclesiis et villulis. " Einmal ist hier von einem ,,Krongute" Lotusa, wie es im Karldiplom heisst ,

gar keine

Rede ; aber auch um eine Schenkung handelt es sich nicht , man scheint das

gubernandum " ganz übersehen zu haben. Die Stelle

sagt also nicht mehr, als : Karl übergab ihm ( Liudger) die Leitung des Klosters in L. In ähnlichem Sinne hat bereits Erhard ) die Stelle verstanden, da er sagt :

Liudger erhielt das

Kloster für seine Person, und Hauck" ) sagt geradezu: L. wurde mit dem Kloster belehnt .

So war es auch : Liudger war durch

den Aufstand von 793 genötigt, sich ein anderes Arbeitsfeld zu suchen, und erhielt ein solches von Karl in Brabant zugewiesen. Als er dann Bischof von Mimigardevord wurde, hat er die Leitung des Klosters jedenfalls in die Hände Karls des Grossen zurückgelegt. Durch die Notiz in Altfrids vita wurde die aufstrebende Abtei Werden neuerdings auf Lothusa aufmerksam, und sicher schon im 11. Jahrhundert begannen die Streitigkeiten um dessen Besitz. Da Werden kein rechtsgiltiges Zeugnis für seme An sprüche aufweisen konnte, entschloss man sich zur Anfertigung des auf Karl d . Gr. Namen lautenden Falsifikates. Unterdessen hatte der Bischof von Tournay die Kirchen in Zele bei Termonde und in Grimberge, - diese sollen nach der in Werden bestehenden l'eberlieferung das alte Lothusa sein,

der Abtei

St. Bavo zu Gent einverleibt . Werden erhob dagegen Einspruch, berief sich auf die kaiserliche Schenkung, zeigte jedenfalls das angebliche Diplom Karl vor, behauptete die Bestäti1) Mon. Germ. SS . II , 411. 2) Reg. Westf. I, n. 246. 3) K. G., II, 369,

38

gung jener Schenkung durch das Privileg Stephan V. ( 891 Juni 281) und wies auf die Erwähnung der Kirche Lothusa in der Bulle Alexander III. ( 1176 ) hin.

Auf Grund dieser Beweisfüh-

rung restituierte der Bischof von Tournay im Jahre 1194 die genannten Kirchen tatsächlich dem Kloster Werden, welches diese auch bis in die letzten Zeiten behauptete. Man hat vielfach diese rechtliche Entscheidung als Beweis für die Tatsächlichkeit der Schenkung von Lothusa angeführt, sehr mit Unrecht .

Die Bestätigung durch Alexander III. er-

folgte lediglich auf Grund des angeblichen Karldiploms und in dem Privilegium Stephan V. ist überhaupt mit keinem Wörtchen von Lothusa die Rede, die Bestätigung des Klostergutes Das bewegt sich vielmehr in ganz allgemeinen Ausdrücken . nierechtlichen, im wohl 1194 seit also Stift Werden befand sich Kirder bezw. Lothusa von mals aber im rechtmässigen Besitze chen in Zele und Grimberge, und die Geschichte von einer Schenkung Karls an Liudger beruht auf viel späterer Erfindung. Schon bei seinem Aufenthalte in Rom und Monte Cassino dürfte der Heilige den Plan gefasst haben, in der Heimat ein Benediktinerkloster zu gründen . Plan ernstlich verfolgen. des Ortes.

Seit 793 sehen wir ihn diesen

Aber noch schwankt er in der Wahl

Vom 22. März 793 datiert die erste, wohl zu diesem

Zwecke gemachte Schenkung. Jedoch erst die am 18. Januar 799 erfolgte Schenkung Ludwins brachte den Entschluss zur Ausführung.

Ludwin übergab dem Heiligen von seinem Be-

sitze an der Ruhr einen ,, Wert ", ein Stück Land, begrenzt von der Ruhr und zwei in dieselbe mündenden Bächen . Die Ansicht ) , es handle sich hier um einen Hof, oder gar, wie Schunken ( S. 14 ) glaubt , um einen Haupt- oder Oberhof mit bedeutenden Rechten, ist von Kötzschke³ ) treffend widerlegt worden. Als Lindger dieses Land erhielt, trug es Wälder, oder diente der Acker- und Weidenutzung ; eine Niederlassung von Menschen fand sich wohl gar nicht vor ; der Name Werethinum, oder

1 ) Jaffé-Löwenfeld : Reg. PP. II, 3467 (2663 ) gedruckt bei Erhard , c. d . Westf. I, S. 39 n . 43 . 2 ) Besonders von Müller S. 3 u. 4, S. 62 § 29 und Crecelius Trad. I, S. 11 vertreten . 3) Beiträge X, S. 6.

39

besser uneridinum, wie er ursprünglich lautete, war einfach ein Flurname, nach der striches gewählt ' ) .

natürlichen Beschaffenheit

dieses

Land-

Wenn Flügge (Chronik S. 5 ) uuerthina für

einen Flussnamen hält, so mag er vielleicht durch die Datierung in der Tradition Ludwins : irregeführt worden sein.

„,in loco diapanbeci siue uuerthina

Liudger begann alsbald auf dem neu erworbenen Grundstücke eine Kirche und ein Kloster zu bauen ; die Gründung des Stiftes Werden wird also um die Wende des 8. Jahrhunderts anzusetzen sein. Inwieweit die

Behauptung

Dudens )

zutrifft,

Karl der

Grosse habe eigens zum Baue ,,viele Marmor- und Erzsäulen aus Italien und ( ! ) Ravenna nach Werden" schaffen lassen, entzieht sich heute unserer Beobachtung .

Sie klingt wohl sehr an

Einhards vita Caroli, cap. 26 an, indessen ist sonst kein Grund vorhanden, daran zu zweifeln . Ueber die Stiftung des Klosters Werden ist eine eigentiimliche Aufzeichnung ), vorhanden, welche trügerisch zwei Begleitern Liudgers in den Mund gelegt wird, in den wesentlichen Tatsachen aber richtig und in ihrem älteren Teile vielleicht schon um die Mitte des 9. Jahrhunderts geschrieben ist . Die Frage, ob Liudger auch das Kloster Helmstädt gegründet habe, wie Duden') zum Jahre 801 meldet , will ich hier

1 ) Die Worte : sive uuerthina in der Datierung der Urkunde Ludwins eind in dieser Form sicher nicht original , sondern entweder erläuternde Ergänzung des Chartularschreibers oder sie lauteten ursprünglich : sine uueridino ; dann muss aber das sine auf den ganzen Begriff in 1oco diapanbeci bezogen werden, denn der Ort hiess nicht Tiefenbach, sondern lag nur an dem selben. Die weibliche Form mit th gehört frühestens der Mitte des 11 . Jahrh . an ; die ursprüngliche Form ist, wie erwähnt, uueridinum, wohl auch uniridinum ; im 10. Jahrh. bereits uueridina, uuerdina, uuirdina ; seit der Mitte des 12. Jahrh. wieder werdina ; seit dem Anfange des 14. Jahrh. oder vielleicht schon früher werdena ; daraus das deutsche Werdene und Werden. - Ich habe diese Entwickelung des Namens Werden in den Handschriften des Klosters , vor allem in den Originalurkunden beobachtet.

2) Jacobs, Ann. S. 18. 3) Fundatio monasterii Werthinensis, herausgegeben von Ficker : Geschichtsquellen d. Bist. Münster, I, 352 ff. 4) Jacobs. Ann. S. 22.

40

lieber unerörtert lassen.

Es fehlt an bestimmten Nachrichten,

un darüber ein endgiltiges Urteil abgeben zu können ' ) . Weil wir uns gerade mit . Duden beschäftigen, so muss er sich gleich noch eine weitere Berichtigung gefallen lassen : Die angeblich 802 erfolgte Schenkung des Kastells Lüdinghausen ). Diese Nachricht beruht offenbar auf Verwechslung mit einer Schenkung in Lüdinghausen" ), ist aber schon lange vor Duden in Werden behauptet worden.

Die im 11. Jahrhunderte an-

gefertigte Nachzeichnung auf den Namen Kaiser Otto II. ) asi ein deutlicher Beweis dafür, und auf Grund dieses Falsifikates scheint es der Abtei ähnlich wie in Lothusa , so auch in Lüdinghausen gelungen zu sein, sich umfangreiche Rechte daselbst zu sichern. Das nächste bedeutsame Ereignis ist die Konsekration Liudgers zum Bischofe von Mimigardevord durch Bischof Hildibold von Köln am 30. März 804″) . Damit gewann auch die junge Stif tung an der Ruhr eine erhöhte Bedeutung : sie sollte eine Pflanzschule sein zur Heranbildung von Priestern und

Missionären

für die neu gegründete Diözese . Nicht lange nachher fand die Weihe der neuen Kirche zu Werden statt. Es wird berichtet, Liudger habe von Bischof Hildibold ( 785-819 ) die Erlaubnis erhalten, die Konsekration der Kirche selbst vorzunehmen, wezu er aber der bischöflichen Gewalt bedurfte") . Andererseits befindet sich im Liber privil. major fol. 10a eine Urkunde Lindgers, datiert aus dem 38. Regierungsjahre Karl d. Gr. 805 Oet . 9806 Oct. 8 ) , nach welcher der Kirchenbau damals als voll-

') Ich für meinen Teil schliesse mich insoweit der Ansicht Zimmermanns an ( Braunschw. Magazin, 1895 , u . 2 , S. 16 ), dags die Gründung Helmstädts jedenfalls noch unter den Liudgeriden , und durch dieselben , also im 9. Jahrb., erfolgt ist . 2) Vgl . Jacobs, Ann . S. 25 . 3) vom 6. Dez. 800 , hei Crec. Trad. I. n. 18 ; Lac. UB. I , n . 18. 4) Mon. Germ. Dipl. DO II . 88 ; der Kaiser gewährt darin den Orten Lüdinghausen [und Werden ] angeblich Markt- und Münzregel. Näheres über dieses Diplom weiter unten bei Abt Folkmar. 5) Für dieses Datum hat Diekamp [ Histor. Jahrbuch der Görresgesellschaft I , 281 ff. und V, 256 ff. ] überzeugende Beweisgründe beigebracht. 6) Bereits im lib . Priv. maior fol. 17 wird dessen Erwähnung getan , Vergl. Diekamp vitae , S. 288 , Jacobs , Pfarrg. S. 17.

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endet zu gelten hätte¹ ) . Die Weihe der Kirche würde dann zwischen 804-806 fallen" ) . Am 26. März 809 schied Lindger hochbetagt aus diesem Leben, nachdem er noch am Tage zuvor in Coesfeld und Bilierbeck Gottesdienst gehalten hatte. Seine sterblichen Leberresie wurden am 32. Tage (am 26. April) nach Werden übertragen. Letzteres Datum wurde in Werden zweimal für die Datierung unechter Kaiserurkunden benutzt : für das mehrfach erwähnte angebliche D. Karl d. G. ( Mühlb. Reg. 387 ) und für ein angeb liches Diplom desselben Herrschers für Helmstädt (Mühlb. Reg. . . . 388 ) . Die Nachricht von einer 816 unter Papst Stephan IV . erfolgten Kanonisation Liudgers beruht auf späterer Erfindung. Kanonisationen sind überhaupt erst seit dem Jahre 993 vorgenommen worden. Bemerkenswert ist aber immerhin, dass schon in einem Hildesheimer Kalender" ), welcher 875 nach Essen gekommen sein soll, das Fest des Heiligen am 26. März, semem Todestage, angeführt wird.

Hildegrim I. Hildegrim war Liudgers jüngerer Bruder und dessen Nachfolger in der Leitung des Klosters Werden. Von ihm erhielt er auch seinen ersten Unterricht an der Schule zu Utrecht. Mit Rücksicht darauf dürfen wir das Geburtsjahr Hildegrims um 1) Die Urkunde beginnt : Notum sit . . . ., qualiter ego Liudgerus Mimigernefordensis ecclesiae episcopus et provisor in Werthinensi loco basilicam Crec. [ Trad . I , n 18] hält die Urkunde für erdicbtet, weil darin fabricavi. für den Hof Oefte anstatt der im 9. Jahrh. gebräuchlichen Form Ubiti die Form Vueta (= Uveta) vorkommt. Nun ist aber doch zu berücksichtigen , dass diese Urkunde keineswegs im Originale vorliegt, sondern in einer Copie des 12. Jahrh. und der Copist hat , wie für zahlreiche andere Namen , so auch für diesen eben die zu seiner Zeit gebräuchliche Form gewählt. Auch der Schreiber des Chartularium Werth, hat dies vielfach getan. Daraus kann man also keine Argumente gegen die Echtheit der Urkunde schöpfen , und da sich gegen Form und Inhalt auch sonst nichts einwenden lässt, so dürfen wir das Stück wohl zu den echten zählen . Etwas auffallend ist es allerdings , dass sie im ältesten Chartulare fehlt. 2) Ueber die Lage und Bauart dieser Kirche, welche den Namen Stephanskirche führte und noch bis zum J. 1760 bestand, vgl . Effmann , Die karolingisch- ottonischen Bauten zu Werden , I , S. 9 ff. 3) gedruckt : Beiträge IV, S. 139 ,

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760 ansetzen.

Damit würde auch die Angabe stimmen,

dass

Hildegrim in einem Alter von ungefähr 60 Jahren († 827) gestorben ist. Ferner wird er in Urkunden von 793 März 22, und 797 Sept. 26 , unter den Zeugen als diaconus erwähnt , musste also 793 mindestens im 26. Lebensjahre stehen. 794 begleitete er seinen Bruder nach Rom.

Manche Geschichtsquellen, z . B.

die Annales Halberstatenses ' ) wollen wissen , Hildegrim´sei 781 bereits Bischof von Châlons gewesen, und im selben Jahre noch zum Bischofe von Seligenstadt ernannt worden, welchen Ort er alsbald mit Halberstadt vertauschte.

Der Annalista Saxo, dem

die genannten Annalen als Vorlage dienten, berichtet fast dasselbe .

Da nun Hildegrim 797 noch Diakon war, konnte er un-

möglich 781 schon Bischof sein.

Mehrere Autoren, so

Rett-

berg ) und Diekamp") haben überhaupt , freilich ohne genügende Gründe bestritten, dass Hildegrim I. jemals Bischof von Halberstadt gewesen sei. Demgegenüber bezeichnet Jacobs ) die Tatsache, Hildegrim I. sei wirklich Bischof von Halberstadt gewesen, durch folgende zwei Zeugnisse als hinlänglich beglaubigt : 1. Durch die Urkunde

Ludwig

d. Fr.

vom

2.

Sept.

814

[ Mühlb. Reg. 535 ( 516 ) , Mon. Germ. SS . XXIII, 80 ] . Dort heisst es : ... quia Hildegrimus Cathalonensis ecclesiae Halberstatensis episcopus 2. Durch eine Notiz in einem Rituale von Châlons, einer Hs. aus dem 13. Jahrh. Dort steht zu feria II . post dom . I. • missa cantatur pro fratribus de Alvestat quadr.: •

solempniter Diese beiden Zeugnisse sind nun auch etwas schwach. Das Diplom Ludwig d. Fr. wird von Mühlbacher allerdings inhaltlich als echt bezeichnet, der Wortlaut ist jedoch nicht einwandfrei : einer der beiden Orte, Catholanensis, oder Halberstatensis , ist ganz sicher interpoliert, vielleicht hat man auch, meint Hauck ) , den Namen des Bischofs mit dem von der Tradition gebotenen vertauscht. 1) 2) 3) 4) 5)

Zudem darf nicht verschwiegen werden,

Mon. Germ . SS . XIII , 78 u. 79. Kirchengeschichte II , 479 ff. Vitae s. Liudgeri, S. CXIX ff. Werdener Annalen . S. 23, Anm . 9. Kirchengeschichte, II, 372.

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dass die älteste Ueberlieferung dieses Diploms dem 13. Jahrh . angehört. Die Hs. von Châlons aber hat ein viel zu geringes Alter, um beweiskräftig zu sein. Wenn sich auch die darin enthaltenen Konstitutionen rühmen, „, ab antiquis temporibus" verfasst. zu sein , so darf man das nicht so genau nehmen, es muss sich auch durchaus nicht auf den ganzen Inhalt beziehen. Es kann diese Gedächtnisfeier sehr wohl auf einem Uebereinkommen. etwa aus der Wende des 11. und 12. Jahrhunderts beruhen, aus einer Zeit nämlich, wo infolge der Aunalisten die Verwechslung und Verwirrung betreffs Hildegrims I.

und

II. bereits

Platz gegriffen hatte ' ) . Trotz allem aber sind wir dennoch kaum berechtigt , aus dem Schweigen Altfrids so weitgehende Folgerungen zu ziehen, wie Diekamp und Rettberg es getan haben. Argumente ex silentio können für sich allein immer nur mit gewissem Vorbehalte geltend gemacht werden. Jedenfalls war Hildegrim I. Bischof von Châlons, und zwar, wenn wir der Nachricht des Cincinnius (vita, cap. 56 ) Glauben schenken dürfen, noch im Jahre 809. Ob er und Thiadgrim Bischöfe von Halberstadt gewesen sind, ist schliesslich für die Geschichte Werdens ohne Belang.

Sollte sich aber die von Diekamp und

Rettberg vertretene Ansicht als die richtige erweisen, so wäre damit indirekt auch die Behauptung der Gründung des Klosters Heldmstädt durch Hildegrim I. widerlegt") . Urkundlich begegnet uns Hildegrim als Bischof zuerst in einer Schenkung für Werden von 8113) , die aber wegen der Bezeichnung Werdens als ,,villa" vielleicht etwas später anzusetzen ist

dann wieder in einer Schenkung von 812 , Oct. 18 ') , und

seitdem öfter, in einer Schenkung von 819 , Sept. 11 ) gemeinsam mit Gerfrid. 1) Ich komme alsbald auf eine weitere offenbare Verwechslung dieser beiden Männer zu sprechen. 2) Jacobs (Werdener Ann S. 24, Anm . 9) hält es für im höchsten Grade wahrscheinlich , dass Helmstädts Gründung durch Hildegrim I. im Verein mit seinem Bruder Liudger stattgefunden habe. Gerade, weil Altfrid sich in seiner vita ausschliesslich mit Liudgers Tätigkeit befasst, darf man aus dessen Schweigen schliessen , dass Liudger an der Gründung Helmstädt keinen Anteil habe. Vielleicht fand diese Gründung erst unter Hildegrim II . statt. 3) Crecelius, Trad. I, n. 34, Lac. UB. I. n. 29. 4) Crecelius, Trad. I, n. 35, Lac. UB. I, n. 30. 5) Crecelius, Trad. I , n . 42 , Lac. UB, I , n. 37.

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Die Ueberlieferung berichtet uns, bereits Lindger habe in de nengegründeten Kloster eine Schreibschule gegründet. Unter Hildegrim scheint dieses Institut bereits einen nicht unbedeutenden Aufschwung genommen zu haben. Dies geht schon aus den wenn auch nicht zahlreich erhaltenen Schriftdenkmälern hervor¹ ) . Ich möchte noch ein anderes Moment hierfür geltend machen. In zwei Urkunden") nennt sich der Schreiber bereits cancellarius; in der ersten ist es Hildiuuardus, in der zweiten Lindbaldus. Die Herstellung der Privaturkunden für gemachie Schenkungen, die damals in der Regel vom Empfänger besorgt wurde, da der Aussteller gewöhnlich des Schreibens unkundig war, scheint also auch in Werden bereits einer bestimmten Person in der Schreibschule übertragen worden zu sein, die sich diesen Amtstitel beilegte"). Wenn auch die erste der genannten Urkunden wahrscheinlich einer etwas späteren Zeit angehören dürfte ), so ist sie doch neben der anderen ein wertvolles Zeugnis für den Eifer, mit dem man zu Beginn des 9. Jahrh. in Werden neben literarischen Denkmälern auch für eine gewissenhafte Aufzeichnung der Rechtsdenkmäler Sorge trug.

Es darf

freilich nicht verschwiegen werden, dass diese Conclusionen nicht auf Grund von Originalen, sondern nur Kopien gewonnen wurden. Im wesentlichen werden wir aber diese Kopien in der Regel als wortgetreue Abschriften betrachten dürfen. Von einem Hildegrim wird im ältesten Heberegister von Werden, dem liber praepositurae, auf fol. 4a berichtet, Kaiser Karl habe ihm den Reichshof Friemersheim samt Zubehör geschenkt, den Hildegrim wieder dem Kloster Werden überwies ). Darunter schrieb eine spätere Hand : actum circa annum Do1 ) beispielsweise Cod . Berol . theol . in 4º maj . n . 322 , ( ein Facsimile von fol . 102 die er Hs. bei Arndt, Schrifttafeln I, 17) . 2) Crecelius, 1. c. n . 36 , Lac. I, 31 u . Crec. n. 46, Lac. I, 42. 3) Die Titel cancellarius oder notarius waren damals im fränkischen Reiche überhaupt für amtliche Schreiber üblich . Breslau, UL . 279. 4) Beckel (Zeitschr. d . westf. Altert. Ver. XVIII, S. 228 ff. ) ist der Ansicht , dass die genannte Urk . nicht vor das Jahr 836 einzureihen sei, wohl wegen des in der Datierung vorkommenden , „ in w. monasterio ", was erst seit dem genannten Jahre constant nachweisbar ist . Ich teile diese Ansicht, besonders wegen des Gebranches der Indiction in dieser Urk. , welche in den Werdener Privaturkunden ebenfalls erst 836 Eingang findet. 5) Die Stelle lautet : Hi sunt mansi, qui ad Firmareshem pertinent, quos imperator Karlus, Hildegrims. H. vero sancti Liudgeri monasterio contulit.

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mini 812. Man hat bis heute diese Schenkung mit Rücksicht auf die beigefügte Notiz in die Zeit Hildegrims I. verlegt, jedoch sehr mit Unrecht, wie ich glaube, Lassen wir die leztere Notiz unberücksichtigt, dann passt diese Eintragung ebensogut in die Zeit Hildegrim II. und Kaiser Karl III. Nehmen wir nun noch hinzu, dass sich die Mönche von Werden durch König Zwentibold 898 , Mai 11 ' ) die Schenkung von Friemersheim ur kundlich bestätigen liessen") , während im Diplom Ludwig III. von 877 , Mai 22") davon noch nicht die Rede ist, so kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die Schenkung tatsächlich erst unter Karl III. an Hildegrim II. erfolgte, also wohl in den Jahren 881--886 . Es wäre sonst nicht einzusehen, weshalb man gerade unter Zwentibold, und nicht etwa schon unter Ludwig dem Frommen auf die Idee gekommen sei, sich die Schenkung bestätigen zu lassen. Dass dieselbe etwa damals von irgead jemandem angefochten worden wäre, wird nirgends berichte . Man könnte noch einwenden, dass, wenn die Schenkung unter Hildegrim H. erfolgt wäre, dann bereits im Diplome Arnulïs" ) eine Bestätigung zu erwarten wäre. Allein das angebliche Diplom Arnulfs müssen wir ganz beiseite lassen, denn es ist eine spätere , ohne echte Vorlage angefertigte Fälschung.

Ich halte daher an

der oben ausgesprochenen Ansicht fest. Als Todestag Hildegrim I. wird übereinstimmend der 19. Juni 827 angegeben" ) . Seine Ruhestätte fand er zu Werden an der Seite seines Bruders Lindger.

Gerfrid . Auf Anordnung Lindgers hatte nach dessen Tode sein Neffe Gerfrid die Leitung des Klosters Werden übernommen") , da Hildegrim als Bischof von Châlons wegen der grossen Entter1) Mühlb . Reg. n. 1922, Lac. UB. I, n . 80. 2) Die Bemerkung von Jacobs, Pfarrgesch. J, 177 : König Zwentebold habe der Abtei den Hof Fr. geschenkt. beruht wohl auf einem Versehen 3) Mühlb. Reg. n. 1512. 4) Mühlb. Reg. n. 1753, Lac. UB. I , n . 76 . 5) Die Behauptung Erhards ( Reg. Westf. I , 114. n . 472 ) von einer Verwechslung der Todestage Hildegrim I. und II. beruht anf Irrtum . 6) Duden, zum Jahre 839, vgl. Jacobs, Ann. §. 28.

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nung dies wohl nicht so gut tun konnte . Gleichwohl werden in einer Urkunde von 819¹ ) beide als rectores erwähnt. Gerfrid wurde überdies bald nach Liudgers Tode von Karl d. G. auch auf den bischöflichen Stuhl zu Mimigardevord erhoben. Urkundlich treffen wir ihn in einer Schenkung von 801 , Mai 8 ) Zeugen.

als

Aus den Aufzeichnungen in den Chartularien ist zu

erschen, dass der

Klosterbesitz

unter Gerfrid infolge mehr-

facher Schenkungen eine nicht unbedeutende Erweiterung erfahren hat ; doch dürften die Conclusionen Schunkens ( S. 34) immerhin etwas einzuschränken sein. Nach dem Tode Hildegrims ( 827 ) hat Gerfrid das Kloster allein verwaltet, von einer Anteilnahme Altfrids lesen wir nichts. Wenn es in einer Schenkung von 838 , Oct. 23 ) im liber Priv. major fol. 8b heisst : . . . regente , ecclesiam Hilde• so kann dies nicht auf Hildegrim II. bezogen wergrimo .. den, sondern ist ein auf Irrtum beruhender Zusatz des Copisten , der in der älteren Copie, im Chartularium Werthinense, 26, fehlt.

fol.

Ein Jahr vor seinem Tode wurde Gerfrid von Kaiser Ludwig d. Fr. noch mit einer Mission betraut. Er wurde nämlich am 14. Juni

nach

Nymwegen berufen,

um

auf dem dortigen

Reichstag der Entscheidung einer Streitfrage zwischen Abt Rabanus von Fulda und dem Grafen Gozbert beizuwohnen*) . Gerfrid starb am 10. Sept. 839 ) und wurde gleichfalls in Werden bestattet.

Thiadgrim (?) Erst nach langem Schwanken konnte ich mich entschliessen, in die Reihe der Klostervorsteher auch diesen angeblichen Verwandten Liudgers aufzunehmen, von dem zwar die spätere Tradition viel zu berichten weiss, von dem ich aber dennoch nicht die l'eberzeugung habe, dass er auch wirklich existiert hat. 1) Crec. Trad . I n. 42, Lac. UB. 1 , n. 37. 2) Crec. Trad . 1 , n . 23, Lac. UB. 1 , n. 21. 3) Crec. Trad. 1 , n. 56. 4) Die Nachricht steht bei Pistorius, Trad. 474. 5) Duden gibt den 12. September an, doch ist die Notiz des Kalendariums vorzuziehen.

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Die Gründungsgeschichte von Halberstadt und Helmstädt hat uns bereits belehrt, dass es zur richtigen Würdigung der hierüber uns überlieferten Nachrichten nötig ist , mit dem 11 . Jahrhundert eine Scheidung der Quellen vorzunehmen in solche, welche mit den sächsischen Chronisten, vorab mit dem Annalisia Saxo, beginnen und auch die Werke der späteren Werdener Chronisten Cincinnius, Duden, Saldenberg und Overham unfassen, und in solche Quellen, welche dem 9. und 10. Jahrh. angehören. Mit Rücksicht auf die grosse Unzuverlässigkeit der Berichte der sächsichen Chronisten über die älteste Geschichte von Halberstadt und Helmstädt sind wir daher, wenn wir unseren Ausführungen sichere Nachrichten zu Grunde legen wollen, auf die letztgenannten

Quellen

angewiesen.

Das

Spärliche,

was diese über Hildegrim I., den angeblich ersten Bischof von Halberstadt, sowie über die Gründung von Helmstädt berichten, wurde im Vorhergehenden bereits angegeben. Es erübrigt noch, auszuführen, was diese Quellen des 9. und 10. Jahrh. über Thiadgrin zu erzählen wissen. Schon über die verwandtschaftlichen Verhältnisse Thiadgrims zu den Lindgeriden bleiben wir vollständig

im Unge-

wissen. Er soll ein Neffe Liudgers gewesen sein. War er nun ein Bruder oder Vetter von Gerfrid und Altfrid ? Wir wissen es nicht . Im Jahre 820 schenkt ein gewisser Diacon Theodgrim , Sohn des Aldgrim, sein Erbe dem Kloster Werden¹ ) . Ob er mit dem Liudgeriden Thiadgrim identisch ist, geht aus der Urkunde nicht hervor ; dass Liudger einen Bruder namens Aldgrim gehabt habe, wird, soviel mir bekannt ist, nirgends berichtet, der Name des Vaters von Gerfrid und Altfrid ist uns nicht überliefert. Thiadgrim soll 2. Bischof von Halberstadt gewesen sein ( 827–840 ) . Zum erstenmale wird er episcopus genannt in dem Werdener Kalendarium des

11. Jahrh . ) , also in einer Quelle.

die schon hinter der von uns aufgestellten Grenze liegt. berichtet der Annalista Saxo zum Jahre

Dann

840") , Thiadgrim sei

Nachfolger Hildegrim I. auf dem Bischofstuhle zu Halberstadt 1) Lacomblet, UB. I, n. 40. 2) gedr. Beiträge, IV, S. 139 ff. 3) Mon. Germ. SS . VI , S. 575.

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gewesen.

In der Urkunde Erzb. Willeberts von

Mainz vom

Jahre 875 ' ) wird allerdings ein Neffe Liudgers, Thidegrimus eps, angeführt. Allein meines Erachtens wird die Beweiskraft dieser Urkunde hierfür bei weitem überschätzt.

Wir haben es

hier nicht mit einem Originale, sondern mit einer Copie aus der Mitte des 12. Jahrh. zu tun, Prüft man den Eingang der Urkunde, in welchem die Liudgeriden aufgezählt werden, etwas genauer, so fällt einem sofort die Unordnung und Unklarheit darin auf. ,,a nepstibus suis quinque episcopis" heisst es, und doch werden nur vier Neffen Lindgers angegeben, der an letzter Stelle stehende Hildgrim aber ausdrücklich als frater bezeichnet . Wer soll nun der letztgenaunte Hildegrim sein ? Doch nur Hildegrim I., der allein ein Bruder Lindgers war. Dem Sinne nach könnte wohl fratre suo auch auf Altfrid bezogen werden, aber weder Hildegrim I. noch II. war ein Bruder Altfrids. Wenn nun aber Hildegrim I. damit gemeint ist, wie kommt er an die letzte Stelle ? Und wer ist dann der an erster Stelle genannte Hildegrim? Wie kommt ferner Thiedegrim an die zweite Stelle, da doch unzweifelhaft Gerfrid der Nachfolger Hildegrim I. als Vorsteher von Werden war ? Warum endlich wird zum dritten Male ein Hildegrimus eps, angeführt, der bei der Weihe der Salvatorkirche beteiligt war, ohne jedoch als Verwandter Liudigers bezeichnet zu werden ? Der Verdacht ist nicht abzuweisen, dass wir es hier mit einer Interpolation aus späterer Zeit zu tun haben, und zwar, wie ich glaube, wieder verursacht durch den Einfluss der sächsischen Chronistenberichte. So erklärt es sich, dass Thiedegrim gleich nach Hildegrim erwähnt wird, da ja beide nacheinander Bischöfe von Halberstadt gewesen sein sollen. Alles scheint dafür zu sprechen, dass dieser Passus in der Urkunde Williberts ursprünglich folgendermassen gelantet hat : Ego basilicam sancti Lindgeri confessoris in Uueridina ab ipso quidem primum inchoatam et Hildegrimo fratre suo in hoconstructam cum Hildegrimo epo dedicavi . Die Hore Worte sed

Altfrido wurden dann im 11. oder 12. Jahrh. ein-

geschoben.

Eine solche Interpolation hat gar nichts Unwahr-

scheinliches an sich, zumal wir gerade in Werden selbst im Privilegium Stephan V. vom Jahre 891 in der Narration etwas ganz 1) Crecelius, Trad. I, n. 70.

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Aehnliches finden, ebenfalls mit Irrtümern ' ) .

Jedenfalls ist die

Urkunde Williberts nicht geeignet, als Beweis für die Existenz eines Neffen Lindgers, namens Thiadgrim , der Bischof war, zu dienen. Dass Thiadgrim Bischof von Halberstadt gewesen sei, berichtet , wie erwähnt, zuerst der Annalista Saxo zum Jahre 840 ; frühere Quellen wissen davon noch nichts. Auch für das Todesjahr Thiadgrims ( ( 840) ) ist der genannte Annalist der älteste Gewährsmann. Dem gegenüber möchte ich jedoch auf Folgendes hinweisen : In der vita II. Liudgeri heisst es am Schlusse des i . Buches über Hildegrim I. und Gerfrid : ad reliquias ( s. Liudjusserunt.. Die vita II. ist wahrgeri) pio confugio se sepeliri jusserunt scheinlich gegen Ende der vierziger Jahre des 9. Jahrh. geschrieben worden, jedenfalls nach 840 , also zu einer Zeit, wo Thiadgrim unzweifelhaft schon gestorben und begraben war, wenn er zu der angegebenen Zeit gelebt hat. Wie kommt es nun, dass in dieser Biographie ausdrücklich von den Grabstätten Hildegrim I. und Gerfrids die Rede ist , diejenige Thiadgrims aber mit Schweigen übergangen wird ? Vielleicht gibt uns der Gräberbefund von 1890 die richtige Antwort.

Im genannte Jahre hat

Prof. Effmann in der Krypta Nachgrabungen vornehmen lassen , bei welchen sowohl die Fundamente der ursprünglichen, vor-Geronischen Liudgeridenkrypta , als auch drei Gräber aufgedecki . wurden, von denen das des Gerfrid sicher identifiziert werden konnte, während die beiden anderen höchstwahrscheinlich diejenigen Hildegrim I. und Altfrids gewesen sind . In Bezug auf weitere Gräber haben die Nachgrabungen kein Ergebnis gelicAbt Gero ( 1050--1063 ) liess die alte Krypta abbrechen und an deren Stelle ein geräumiges Oratorium mit Altären ezbauen. Infolge der übermässigen Stärke der Gewölbe und der fert.

Schwäche der Widerlager stürzte dieser Bau schon nach wenigen Jahren ein, und wurde unter Abt Adalwig ( 1066--1081 ) einer gründlichen Restauration unterzogen. In seine Zeit reicht frühestens die Aufstellung der Grabtumben der Liudgeriden zurück, wie sie Cincinnius ) beschreibt, und die Wolfenbüttler 1 ) vergl. das bei Abt Hembil über diese Urkunde Gesagte , ferner Kötzschke, Studien , S. 2 , Anm . 4 . 2) vita Ludgeri §§ 59–63.

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Skizze des 17. Jahrh . ' ) angibt . Cincinnius nun schöpfte die am Schlusse des 1. Buches seiner vita Ludgeri angefügten Nachrichten über die Liudgeriden, soweit sie nicht aus den vitae Liudgeri bekannt waren, aus Münsterischen n. Halberstädtischen Bischofschroniken, also aus Quellen des 11. Jahrh . oder späterer Zeit. Uebrigens ist Kritik nicht seine starke Seite ) . In einem Punkte erregt sein Bericht dennoch Interesse : Während er nämlich, wo er sich über die Grabstätten Gerfrids, Altfrids u. Hildegrim II . äussert, die stereotypeWendung gebraucht : corpus ... hic (Werthinae) apud cognatos ( suos) in crypta ... feliciter requiescit, sagt er bei Thiadgrim einfach : corpus . . . hic in W. penes antecessoris eius ossa . . . collocatum est. Ist es ein Zufall , dass hier die Worte : apud cognatos snos weggeblieben sind? Eine andere Frage ist die, wer unter dem antecessor zu verstehen sei . Dass der Ausdruck : penes antecessoris eius ossa nicht wörtlich genommen werden muss, ist aus dem Vorhergehenden zu ersehen, wo Cincinnius von Hildegrim I. sagt : corpus . . . juxta euni (scil. fratrem suum Lindgerum) terrae commendatu est, was doch den Angaben der Wolfenbüttler Skizze keineswegs entspricht ; wohl aber stimmt dies mit den Verhältnissen , wie sie zur Zeit Altfrids bestanden, und in der vita II. erwähnt werden. Ich nehme daher an, dass der auf Hildegrim I. bezüglichen Augabe die vita II . zu Grunde gelegt sein dürfte, während die auf Thiadgrim sich beziehende den Quellen des 11. Jahrh . entstammt , und unter dem antecessor somit nicht Gerfrid, sondern Hildegrim I. als angeblicher Vorgänger in Halberstadt zu verstehen ist . Soweit die Angaben des Cincinnius und der Wolfenbüttler Skizze über die Nachrichten der vitae Liudgeri hinausgehen, vermögen sie natürlich für die Zahl und Lage der Grai stätten in der vor-Geronischen Krypta nichts zu beweisen; sie geben einfach den Tatbestand wieder, wie er zu ihrer Zeit ob waltete, welcher aber nicht vor die Zeit des Abtes Adalwig zurückreicht. Es erübrigt noch, zwei Angaben Schunkens ( S. 35) über Thiadgrim zu berichtigen, wenn sie auch für die Geschichte Werdens nicht von Bedeutung sind. 1 ) bei Effmann, a. a. O. S. 54 . 2) Diekamp, vitae, S. C.

Mit Berufung auf Win-

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ningstadt, Chron . episc . Halberst . erzählt er, Thiadgrim sei Abt von Korvey gewesen.

Durch die zuverlässigen Korveyer Abt-

kataloge wird dies aber als ganz unzutreffend erwiesen. Mit Berufung auf die annales Hirsaugienses des Trithemius

erzählt •

ferner Schunken, Thiadgrim sei von Ludwig dem Frommen zu einem Reichstage nach Speyer berufen und hierauf von Graf Erlafried von Calw zur Einweihung der von diesem erbauten Kirche in Hirschau eingeladen worden.

Nun, was Trithemins

über die älteste Geschichte von Hirschau berichtet, besitzt keine andere historische Gewähr. als dessen eigene Autorität , und diese ist bekanntlich durch die neueren Forschungen gewaltig erschüttert worden.

Es scheint mir aber nicht ausgeschlossen,

dass der Humanist Trithemius als Abt von Sponheim zu seinem Zeitgenossen Cincinnius und vielleicht überhaupt zu Werden Beziehungen hatte, aus denen sich dann seine Mitteilungen über Thiadgrim erklären liessen. Duden, Saldenberg und

Overham

endlich ,

die

Werde-

ner Chronisten des 16. und 17. Jahrh. , berichten über Thiadgrim nichts, was nicht schon aus älteren Quellen bekannt ist . Damit dürften die Nachrichten über den angeblichen Neffen Liudgers erschöpft sein. Wie man sieht, beobachten die älteren Quellen bis zum 11. Jahrh., auf deren Zeugnis es in erster Linie ankäme, über die Person Thiadgrims vollständiges Schweigen : nicht einmal dessen Name begegnet uns darin, wenn wir von der oben erwähnten Urkunde vom Jahre 820 absehen, deren Zugehörigkeit zu unserem Thiadgrim ja höchst unsicher ist. Direkte Beweise dafür, dass der Thiadgrim, wie ihn die Quellen des 11. Jahrh. und der späteren Zeit schildern , keine historische Persönlichkeit ist , vermag ich nicht beizubringen , deshalb wollte ich ihn auch aus der Reihe der Werdener Klostervorsteher nicht ohne weiteres ausschalten, setze jedoch hinter seinen Namen ein Fragezeichen.

Altfrid. Leber die Tätigkeit dieses Mannes, welcher seinem verwandten Vorgänger als Vorsteher des Klosters Werden folgte, ist uns sehr wenig überliefert, aber das Wenige genügt, ihm ein un

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vergängliches Denkmal zu sichern : Altfrid ist der Verfasser der Vita Liudgeri, eines für die Kirchengeschichte Westfalens nicht minder, wie für Werden wertvollen Werkes, das sich durch schlichte Einfachheit in der Erzählung auszeichnet und als Geschichtsquelle ein grosses Anschen geniesst ' ). Altfrid starb am 22. April 849 , nachdem er 10 Jahre dem Kloster vorgestanden und für dessen innere wie äussere Ausgestaltung sich eifrig bemüht hatte.

Hildegrim II. Nach Altfrids Tode folgte als Vorsteher des Klosters der letzte der Neffen Liudgers und Hidegrim I.

Falls er die Lei-

tung der ihm anvertrauten Familienstiftung sofort antrat, so begegnen wir hier zum erstenmale einem Vorsteher, der nicht bereits Bischof war, da Hildegrim II . erst im Jahre 853 durch Kaiser Lothar zum Bischofe von Halberstadt ernannt wurde . Es ist aber auch möglich, und nach FickersAusführungen (a. a. O. S. XLIX ) sogar viel wahrscheinlicher, dass Altfrids Nachfolger auf dem bischöflichen Stuhle zu Mimigardevord, Liudbert ( 849) Lis 871 ) , zunächst die Leitung übernahm . Dies mochte einen Verwandten des Stifters, Bertholdus, veranlasst haben, Ansprüche auf das Kloster zu erheben, die durchzusetzen versuchte.

er auch mit Gewalt

Die Streitfrage kam vor das Grafen-

gericht und vor eine Synode , welcher der Erzbischof Liutbert von Mainz präsidierte.

Wann und wo diese Synode stattgeful-

den hat , darüber gehen die Meinungen sehr auseinander ).

Es

kann aber kaum ein Zweifel sein, dass es die allgemeine deutsche Synode zu Mainz war, welche Liutbert im Jahre 867 abhiel . Denn da das Kloster Werden der Erzdiözese Köln inkorporier: war, so konnte nur eine Kölner Diözesansynode oder eine allge1 ) gedruckt Mon. Germ. SS . II, Ausführlich behandelt bei Diekamp , Geschichtsquellen d . Bist . Münster, 4. Bd .; die Vermutung von Schunken (S. 35), dass Altfrid auch die „ Fundatio mon. Werth." als Vorlage benutzt habe, ist nach den Ausführungen Fickers (Geschichtsquellen d. Bist. Münster, I, 352) nicht wahrscheinlich. 2) Diekamp, G. Q. IV, S. XIII sagt : zu Köln 863, Jacobs, Pfarrgesch. S. 23 (mit Berufung auf Ficker ( 1. c. S. XLIX) , Beckel (Zs. d. westf. Altert.Ver. XVIII , S. 231 ) und Tibus : Kirchenlexikon , VIII, 1982 : Mainz , 864. Crecelius, Trad. I, S. 31 gar : Worms , 868 .

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meine deutsche Synode in Angelegenheiten dieses Klosters Eutscheidungen fällen.

Diözesansynoden scheinen aber

seit der

Absetzung des Bischofs Guntharius in Köln nicht gehalten worden zu sein. Eine allgemeine Synode fand zu Köln erst 870 statt, wobei ebenfalls Liutbert von Mainz den Vorsitz führte, da Willibert von Köln erst 873 sein Amt antreten konnte . Auf letzterer Synode soll aber die Werdener Angelegenheit bereits zum zweitenmale verhandelt worden sein ' ) .

Seit 857 fand aber

in Mainz keine allgemeine Synode statt, bis 867 ) ; folglich kann es nur diese gewesen sein

Die Synodalakten sind uns nicht

überliefert. Nach anderen Nachrichten wurde die Streitfrage dahin entschieden, dass die Mönche des Klosters als dessen rechtmässige Erben

erklärt wurden, und wahrscheinlich hat

gleichzeitig Liudbert von Mimigardevord sich veranlasst gesehen, die Leitung des Klosters abzugeben und auf den Bischof von Halberstadt übertragen zu lassen, der als Verwandter des Stifters ähnlicheAnsprüche, wie sie Berthold erhoben, leichter zurückweisen konnte.

Möglicherweise aber beruht die Erhebung

Hildegrims auf freier Wahl der Mönche . Unter Hildegrim II. wurde im Jahre 875 die Salvatorkirche vollendet und am 10. November durch Erzbischof Willibert von Köln geweiht ) . Die darüber ausgestellte Urkunde steht im liber Privil. major fol. 18b* ) . Hildegrim mochte wohl eingesehen haben, dass es notwendig war, das Kloster, um dessen Bestand und gedeihliche Entwickelung zu sichern, in den Schutz eines mächtigen Herrn zu stellen . Er wandte sich daher an König Ludwig III. , und dieser gewährte durch Urkunde vom 22. Mai 877") tatsächlich dem Kloster

Schutz und Immunität,

ferner

eigene

unter einem (vom Könige bestellten) Vogte, vom Zehnten und Zollfreiheit in Neuss.

Gerichtsbarkeit endlich Freiheit

Das Diplom, allerdings

1) Greg. Overham, Abs. 137. 2) vergl . Hefele, Conc. Gesch. IV. Bd . Binterim, Conc. Gesch. III. Bd. 3) Ueber deren Baugeschichte vergl . Effmann, 1. c. S. 29 und S. 131 ff. 4) gedruckt bei Crecelius, Trad. I n. 70, in deutscher Uebersetzung bei Schunken, S. 37. Ueber die Bedeutung der darin vorkommenden Abgrenzung des Pfarrbezirkes vgl. Jacobs, Pfarrgesch. S. 28. 5) Mühlb. Reg. n. 1512 Lac. UB. I, n. 70 ; Original im kgl , St.-A. in Düsseldorf. Facs. in KUIA, VII, 11.

54

an zwei bedeutsamen Stellen radiert und interpoliert, ist das älteste Original der noch vorhandenen Werdener Urkunden , und überhaupt die erste Urkunde, welche das Kloster von den deutschen Königen empfing. Durch diese Gewährung machte die Stiftung einen bedeutenden Schritt nach vorwärts. Sie war keine blosse Familienstiftung mehr, der König selbst war ihr oberster Schutzherr geworden. Daneben erlangten die Mönche auch noch einige andere kleine Privilegien. Alle Wünsche Hildegrims sind jedoch nicht erfüllt worden, besonders einer, für den er sich gerade recht eingesetzt hatte : Die Gewährung freier Abtwahl. Es wird zwar allenthalben behauptet, Ludwig III. hätte den Mönchen dieses Privilegium verliehen ; dies ist jedoch nicht richtig . Für den Inhalt und Umfang der Verleihung kann doch nur die Dispositio¹ ) der Urkunde massgebend sein, in dieser aber ist von Gewährung freier Abtwahl mit keinem Worte die Rede. Man möge nicht einwenden, Hildegrims Bitte sei in der Narratio der Urkunde ausdrücklich erwähnt, und in dem einleitenden Satze der Dispositio : decernimus atque jubemus, ut praefata petitio firma ac stabilis permaneat, sei eine Bestätigung derselben bereits enthalten;

Privilegien von solcher Bedeutung wie das

freier Abtwahl werden immer ausdrücklich

angeführt .

Seit

Heinrich I. ist dies auch bei den Diplomen für Werden steis der Fall.

Man kann auch nicht behaupten, der Schreiber der Ur-

kunde habe aus Versehen dieses Privilegium in die Dispositio aufzunehmen vergessen . Man wäre nicht so bescheiden gewesen,

das Vergessene

nicht

sogleich

zu

reklamieren.

Ge-

rade ungekehrt verhält sich die Sache : Der Schreiber der Urkunde Ludwig III. war ein in Kanzlergeschäften nicht sonderlich versierter Mann, wie aus mehreren Stellen des Diploms zu ersehen ist ) .

Statt aus der Bittschrift , die Hildegrim bei Lud-

wig III. eingereicht hatte , in die Petitio der Urkunde nur jene vom Kanzleivorstande bezeichneten Stellen zu übertragen. welche der König bewilligt hatte, schrieb er die Bittschrift ein1 ) D. i. jener Teil, welcher den königl . Willen zum Ausdruck bringt. bezw. dessen Verfügungen ; es wird gewöhnlich eingeleitet mit : decernimus, jubemus, volumus , etc.; bei unserer Urk. mit : decernimus atque jubemus. 2) vergl. auch die Bemerkungen Sickels zu KU. i . A., L VII, Tafel 11 , Text S. 169.

55

fach ab.

Durch dieses Versehen kam auch die Bitte un freie

Abtwahl in die Urkunde hinein.

Dass durch das Diplom

K.

Zwentibolds von 898 eine Bestätigung dieses angeblichen Privilegs nicht erfolgte , spricht ebenfalls dafür, dass man es noch nicht besass.

Zudem war das Amt des Abtes im letzten

Jahrzehnte des 9. Jahrhunderts durch mehrere Jahre vakant , was sich bei freier Abtwahl nicht erklären liesse . Aber durch das Diplom Arnulfs wurde doch bereits das Recht freier Abtwahl bestätigt ? Dieses angebliche Diplom 1st eine Fälschung und zwar ohne echte Vorlage¹ ), kann also nicht als Beweis dienen . In Wirklichkeit verhielt es sich folgendermassen :

Dafür,

dass der König das ihm commendierte Kloster in seinen besonderen Schutz nahm , und sich verpflichtete, dasselbe gegen alle äusseren und inneren Feinde zu verteidigen²) , behielt er sich die beiden wichtigsten Rechte vor : den Abt und den Vogt zu ernennen. Auf letzteres hat man bei Hofe trotz wiederholter Bemühungen des Klosters nicht verzichtet ;

man liess es nur ge-

schehen, dass das Amt des Vogtes im 11. Jahrhunderte in emer bestimmten Familie erblich wurde. Das Recht, den Abt zu er nennen, hat man bereits zu Anfang des 10. Jahrh. freigegeben . Spätestens unter Otto I., wahrscheinlich aber schon unter dem Abte Wiggar wurde den Mönchen das Privilegium erteilt, sich durch kanonische Wahl ihren Abt selbst zu bestellen ) . Die Aebte von Andulf bis Wiggar können also nicht als Wahläbte bezeichnet werden ; ihre Ernennung erfolgte durch den König. Schon dadurch erscheint das gegenwärtig in der Urkunde Ludwig III. enthaltene angebliche Recht des Klosters, den Vogt zu ernennen, in bedenklichem Lichte, noch mehr, wenn man die Originaldipome späterer Herrscher zum Vergleiche heran-

1) Ich behandle dieselbe ausführlich in meiner Arbeit : „ Die Kaiserurkunden des Stiftes Werden a. d. Ruhr". 2) Diese Verpflichtung wurde vielleicht vom Könige nicht in dem erwähnten Umfange übernommen, denn die betreff. Stelle der Urkunde : et nostrae defensionis tuitioni steht auf Rasur, und ist spätere Interpolation. 3) Mit Sicherheit lässt sich deshalb keine Entscheidung für Heinrich I. oder Otto I. treffen , weil das Diplom des ersteren Herrschers nur in einer inhaltlich wesentlich erweiterten Nachzeichnung des 11. Jahrh. vorliegt Man vergleiche aber die bei Abt Weris gemachten Bemerkungen.

56

zieht.

Man hat im Kloster seit der Mitte des 11. Jahrhunderts ') versucht, sich das Recht der Vogternennung zu verschaffen , und da dies nicht zu erreichen war, fertigte man eine Anzahl angeblicher kaiserlicher Privilegien an, die das Recht der Vogternennung als ein altes Recht des Klosters sollten erscheinen lassen. Bei dieser Gelegenheit fand man es für geraten, die Stelle im Diplome, Ludwig III. , durch welche das fragliche Recht höchstwahrscheinlich ausdrücklich dem Könige zugesprochen wurde ) , zu tilgen und in geeigneter Weise wieder auszufüllen , wobei man sich durch

den

ursprünglichen Text

verleiten liess, für die angebliche Gewährung eine Form zu wählen , die von der gebräuchlichen auffallend genug abweicht" ) . Wie ich bereits bei Hildegrim I. ausgeführt habe, gehört dic angeblich diesem gemachte Schenkung in Friemersheim wohl zu Hildegrim II. Die Popularität, welche Karl der Grosse besass, erklärt es, dass man zahllose Verleihungen auf ihn zurückführte * ) . Als Todestag Hildegrim II . wird übereinstimmend der 21 . Dezember angegeben, für 886 als Todesjahr hat Beckel ) überzeugende Gründe beigebracht. Mit Hildegrim II. sank der letzte der Liudgeriden ins Grab. In der Krypta zu Werden ruhten sie nun gemeinsam aus von ihren Mühen. Das Edelreis aber, welches der hl. Lindger mit sorgsamer Hand gepflanzt , war zum jungen Bäumchen geworden, welches durch die Mildtätigkeit edler Menschen physische Kraft , und in der königlichen Obhut eine mächtige Stütze erhielt, und bereits begann, für die

christliche Religion und

Kultur denen, die in seinem Schatten wohnten, hundertfältige Frucht zu tragen! 1 ) Erben ( MJÖG , XII , 47) setzt die Interpolation im . Dipl. Ludwig III . bereits in das Ende des 10. Jahrh ., wurde aber dazu durch die irrige Annahme verleitet, dass die Diplome Otto II. und III . und Heinrich II. (Mon. Germ. Diplomata : DO . II, 290, DO III, 151 und DH. II , 9) echt seien, was keineswegs der Fall ist . --2) Die betreff. Stelie dürfte ursprünglich gelautet haben : coram advocato eorum a nobis constituto, oder ähnlich ; man setzte dafür : coram advocato, quem abbas constituerit, si quid est . 3) quem abbas [ad hoc opus d]elegerit, ist die übliche Formel. 4) Betragen doch allein die im Mittelalter auf seinen Namen gemachten Urkunden-Fälschungen zwei Fünftel des ganzen Urkundenvorrates ! 5) a. a. O. S. 241.

57

II . Die vom König ernannten Aebte. Andulf. Ueber den ersten Abt von Werden sind die Nachrichten äusserst spärliche.

Er soll auch nur kurze Zeit regiert haben' ).

Diese aus späterer Zeit stammende Notiz dürfte in der an den 2. Alt, Hembil, gerichteten , bereits vom Jahre 888 jedoch unechten Urkunde K.

datierten ,

Arnulfs ihren Grund

haben.

Sonst begegnet uns der Name dieses Abtes nur zweimal : Zunächst in einer Eintragung im ältesten Werdener Heberegister, fol. 14b, wo es am Schlusse derselben heisst : factum est autem hoc sub abbate Andulfo, huius monasterii primo .

Dieser Pas-

sus ist aber jedenfalls selbständige Hinzufügung des Registerschreibers, worauf auch die Worte : huius monasterii hindeuten, da im Vorhergehenden von einem monasterium gar nicht die Rede ist. Auffallend ist ferner an der Notiz, dass sie mit den Worten beginnt : tempore regis Karoli junioris.

Damit

kann doch nur Karl III. gemeint sein, der aber seit 881 bereits Kaiser war . Konnte man , wenn das Heberegister wirklich ,,bald nach 890 " angelegt wurde, diese Tatsache so rasch vergessen haben? Die andere Notiz hat Crecelius (Trad. I. N. 67 ) in D. Samarthani : Gallia christiana [ Paris 1725 ] III , 733 gefunden, der sie wieder der Conciliensammlung von Labbé² ) entnommen hat . In ersterem Werke heisst es im Index abbatum des Klosters Cornelimünster vom 7. Abte desselben : VII. Nevelongus interfuit synodo Coloniensi ( 887) cum Andulfo Werdinensi abbate , qui ambo vocantur magnae devotionis abbates. Welcher Quelle diese Nachricht entstammt, weiss ich nicht zu sagen. An der Tatsache zu zweifeln , liegt kein Grund vor. Auch über das Datum des Todes Andulfs sind wir mangelhaft unterrichtet. Während Duden den 12. Januar als Todestag bezeichnet, ist in dem Berliner Kalendarium von einer Hand des 14. Jahrhunderts der 29. , dann der 26. März als solcher eingetragen.

Bezüglich des Todesjahres

erklärt

Duden

kurzweg : de annis nihil constat . 1) Duden zum J.885 (Ann . S.31 ) : „ non diu supervixit, verum mox moritur". 2) Sacrosancta Concilia ad regiam editionem exacta , studio Phil . Labbei et Gabr. Cossartii, 18 vol , Paris , 1672 ; vgl . daselbst IX, 369.

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Hembil . Andulfs Nachfolger finden wir zum erstenmale ' ) in der Schenkung des Bischofs Wolfhelm von Münster (Mimigardevord ) erwähnt. Die Schenkung erfolgte am 6. Juli 889 vor K. Arnulf in Frankfurt in Gegenwart des Abtes Hembil, und wurde darauf in Werden erneuert"). Eine weitere Erwähnung dieses Abtes findet sich in einer Kopie des Privilegs Papst Stephan V. von 891 Juni 28 im liber Privil . major fol. 18b" ) .

Es ist sicher, dass diese Abschrift nicht

vom Originale gemacht wurde, sondern ebenfalls bereits von einer Abschrift ; ebenso sicher, dass die vorliegende Fassung nicht echt, sondern erweitert und interpoliert ist. Endlich dart nicht verschwiegen werden, dass in dem erwähnten Kopialbuche der Name Hembil auf Rasur steht. Grosser Wert ist demnach diesem Zeugnisse nicht beizulegen, noch ist es hinreichend begründet, mit Rücksicht auf diese Urkunde das Todesjahr Hembils von 891 auf 892 zu verlegen. Januar angegeben.

Als Todestag wird der 12 .

Adaldag . Ueber die Tätigkeit dieses Abtes ist uns nichts überliefert. Urkundlich begegnet uns sein Name nicht. Auch die Dauer semer Regierungszeit lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Duden sagt, Adaldag babe gleich seinem Nachfolger nur kurze Zeit regiert.

Nach mehrjähriger Vakanz des abteilichen Stuh-

1) Das angebliche Diplom Arnulfs von 888 August 23, [ Mühlb. Reg. n. 1758 ] verdient, weil ohne echte Vorlage, keine Berücksichtigung. 2) Vergl. über den Hergang Crecelius, Trad . I. n . 73. Die Schenkungsurkunde Wolfhelms im liber Priv. maj . Fol . 27, gedruckt bei Erhard, cod. Dipl . Westf. I, 33. Die Originalnrk. Arnulfs an Wolfhelm im St.-A. zu Düsseldorf [ Mühlb. Reg. n. 1772] Die Datierung ist weggeschnitten, und wurde erst von einer Hand des 16. Jahrb. zu der Abschr. im lib. Privil . minor hinzugefügt . 3) Jaffé -Löwenfeld , Reg. PP. II , 3467 (2663) gedruckt bei Erhard, c. d. Westf I , S. 39 , n. 43, und Finke, Westf. UB. V, 1 , n. 12. Ueber die doppelte Datierung vgl. Diekamp , Suppl. zum Westf. UB. , S. 52, n . 329. Ich komme vielleicht bei anderer Gelegenheit noch auf dieses Privilegium zu sprechen.

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les sei dann Oddo gefolgt , der aber auch nur ganz kurze Zeit regierte . Ohne Unterbrechung folgte dann Abt Hogar¹ ) . Der Todestag Adaldags wird übereinstimmend mit dem 8. Juli angegeben. Wie aus den Aufzeichnungen Dudens" ) hervorgeht, blieb nach Adaldags Tode das abteiliche Amt mehrere Jahre unbesetzt .

Diese Tatsache ist schon für sich allein geeignet, die Ver-

mutung zu erwecken, dass wir es noch keineswegs mit Wahläbten, sondern mit vom Könige ernannten Aebten zu tun haben ; zusammen mit anderen Mitteilungen wird sie ein sicheres Argument. K. Arnulf scheint sich entweder nicht sonderlich um das KlosterWerden gekümmert zu haben, oder er hatte ein Interesse an der Sedisvakanz, um während derselben die Einkünfte des So konnte es geschehen, Klosters an sich Zu ziehen. dass lange,

das

Werden³) geben.

Kloster

dafür

längere uns

dürfte

von 898

Mai

Zeit das

11.

ohne

Abt

war.

Wie

für Diplom Zwentibolds einen guten Anhaltspunkt

In dieser Urkunde erscheinen als Bittsteller nicht , wie

zu erwarten wäre, der Abt , sondern die Mönche, die fratres monasterii.

Von einem Abte oder von dem Privileg freier Abt-

wahl ist mit keinem Worte die Rede. Also auch damals gab es in Werden Sedisvakanz ! Nun soll neuerdings damals ein gewisser Oddo Abt gewesen sein ; so melden übereinstimmend das älteste Verzeichnis der Aebte aus dem 12. Jahrhundert, ferner Duden, Saldenberg etc.

Auch dessen Todestag wissen die Ne-

krologien anzugeben, nur stimmen sie nicht überein ) .

Zum

Beweise für seine Existenz beruft man sich auf das eben erwähnte Diplom K. Zwentibolds ) . Aber der darin als Intervenient genannte Oddo ist gar kein Abt, sondern der Liudolfinger Herzog Otto, der schon am Hofe Arnulfs, und dann auch 1 ) Duden (Jacobs . Ann . S. 32) : Hi duo abbates (nämlich Adaldag und sein angeblicher Nachfolger Otto) pauco tempore et paucis interjectis annis praefuere. Post Oddonem successit statim Ilogerus . . . Die deutsche Uebersetzung bei Jacobs ( 1. c. ) gibt den Sinn der Worte : paucis interjectis annis mit kurz nacheinander" nicht adäquat wieder. Auf eine mehrjährige Sedisvakanz würde man wenigstens aus dem deutsch. Wortlaute nicht schliessen . 2) verg die vorhergehende Anmerkung ! 3) Mühlb. Reg. n. 1922. gedr. Lac. UB. I , n . 80. 4 ) Der Berliner Kalender hat den 15. März, Duden (jedenfalls aus einer anderen derartigen Aufzeichnung) den 1. März . 5) Der Grossvater Kaiser Otto I,

60

at Hofe Zwentibolds ein bedeutendes Ansehen genoss, andererseits auch Z11 Werden in freundschaftlichen Beziehungen stand' ) . Bei oberflächlicher Betrachtung ist es allerdings möglich, den Oddo dieser Urkunde für den Abt zu halten, und die grosse durch die Sedisvakanz hervorgerufene Lücke mochte in der Folgezeit auch zu diesem Missverständnisse beigetragen haben. Ein Abt Otto hat 1081--1105 regiert .

Er selbst hat sich

gewiss nicht den Beinamen : der Erste, gegeben. Aber : „ der Zweite" hätte er sich nennen können. Dass er es nicht getan hat , lässt vermuten, man habe damals die Legende von jenem Oddo im 9. Jahrhundert noch nicht gekannt.

In die unter Abt

Bernhard I. (1125-1138) angelegte Liste der Aebte ist Oddo bereits aufgenommen. Wohl gab auch hier die Urkunde Zwentibolds zu dem Missverständnisse Anlass.

Wir können

indes

sagen, dass ein Abt dieses Namens zu Ende des 9. Jahrhunderts nicht regiert hat. Aber bald nach Ausstellung der Privilegienbestätigung durch K. Zwentibold scheint auch die Angelegenheit der Ernennung des Abtes geordnet worden zu sein . Denn der folgende Abt Hogar wird einmal in Verbindung mit K. Arnulf getrennt ) , und da dieser 899 , Dezember 8. starb, muss Hogar damals bereits Abt gewesen sein.

Hogar.

Ein Abt dieses Namens begegnet uns in der (um 980 verfassten) vita s. Idae.

Unter ihm hat das Kloster Werden von

Herzog Oddo, dem Liudolfinger, den Ort Hirutisfeld" )

durch

einen Tauschvertrag erworben. Da der Tausch, wie oben angedeutet, noch unter K. Arnulf stattfand, so wird er wohl in das Jahr 899 zu verlegen sein. Sonst wird uns über Hogar nichts berichtet. Als seinen Todestag verzeichnet Duden den 16. Dezember, das Kalendarium den 17. Januar ; das Todesjahr dürfte sich um 901 oder 902 bewegen. 1 ) vgl. Wilmans, Kaiserurkunden v. Westf. I, 297 Beckel, a. a. O. S. 220 ; Diekamp, G. Qu . 1V, S. XIV. Mon. Germ . SS . II, 574. 2) vergl . das bei Hogar Gesagte. 3) es ist Herzfeld a. d . Lippe , wo die Gebeine der bl. Ida ruhten.

61

Nach einigen , allerdings jüngeren Angaben,

soll

Hogar

einen Abt Wigburg zum Nachfolger gehabt haben . Schon Duden bezweifelt dies, weil derselbe in alten Katalogen weder gezählt noch überhaupt erwähnt wird ; dies ist allerdings ein triftiger Grund, an der Existenz eines Abtes dieses Namens zu zweifeln . Dass aber Duden dennoch so genau Jahr und Tag des Todes dieses Wigburg ' ) anzugeben , in der Lage ist, muss auch wieder Wunder nehmen ; er teilt ihm sogar offenbar 3-4 Regierungsjahre zu. Denn Hogars Tod meldet er zum Jahre 902 , den Tod des Abtes Hildebrand zum Jahre 912 , und sagt von letzterem, dass er 6 Jahre und einige Monate regiert habe. Also : entweder hat es damals wirklich einen Abt Wigburg gegeben, oder Hogar ist nicht 902 gestorben, oder die Zahlenangaben Dudens sind unrichtig.

Hildebrand.2) Eine Schenkung, eingetragen im liber praepositurae, fol. 14a, und im liber Privil. major, fol. 13a, | Crecelius, Trad. II, n 75 ] überliefert uns in der Datierung den Namen dieses Abtes ; dort heisst es : acta est haec traditio . . . . coram abbate Hildebrando , et advocato monasterii Herimanno , regnante gloriosissimo rege Hludouico juniore. Ausser dem Todestage, als welcher übereinstimmend der 6. Januar (,,Epiphania Domin " ) angegeben wird, wissen wir nichts von diesem Manne .

Noch

ungünstiger ist es um die beiden Nachfolger bestellt . ¹ ) 906, Dezember 26 .; bei Jacobs, Ann . S. 33 ist dieses Datum in der deutschen Uebersetzung ausgeblieben. 2) Von da an werden die Aebte fast durchaus mit Adelsprädikaten bedacht. Da jedoch diese Angaben ganz unzuverlässig sind, so lasse ich sie lieber weg. „ Man scheint ", sagt Crecelius (Trad. IJ, S. 1 ) mit Recht, ་་ die älteren Aebte, über deren Abstammung nichts bekannt sein konnte, nach Belieben mit Familiennamen aus den später auftauchenden vornehmen Geschlechtern der Umgebung ausgestattet zu haben ! " Ebenso unzuverlässig sind für die ältere Zeit oft auch die von Duden angegebenen Regierungsjahre der Aebte . Man hat zumeist die letzteren soweit hinausgerückt, bis man in einer Urkunde oder ähnlichen Anfzeichnung den Namen des Nachfolgers gefunden hat, dessen Regierungszeit dann von da ab gerechnet wurde. Bei dem sehr geringen Materiale aus jener Zeit sind solche Methoden sehr unsicher.

62

Adalbrand . (?) Selbst über den Todestag dieses angeblichen Abtes gehen die Nachrichten auseinander. Dudeu gibt an : 2. März (VI. Non. Mart . ) , das öfter erwähnte Berliner Kalendarium : 25. Februar (VI. Kal. Mart . ) , ein anderes Kalendarium ( inWolfenbüttel) : 17. Februar ( XIII . Kal. Mart. ) . Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass dieser Adalbrand mit seinem Vorgänger identisch ist. Die grosse Aehnlichkeit der Namen lässt ebenfalls diese Vermutung zu.

Weris. Ueber ihn wissen wir so viel oder so wenig wie über seinen angeblichen Vorgänger, den Todestag ausgenommen, der allgemein auf den 5. November verlegt wird.

Es müsste eigentlich auffallen, dass keiner der bisher genannte Aebte sich von den deutschen Königen eine Bestätigung der von Ludwig III. (u. Zwentibold ) ) erteilten Privilegien erbat. Auch der nächste Abt, Wiggar, erhielt eine solche erst gegen das Ende der Regierung Heinrich I. Seitdem aber fallen die Privilegienbestätigungen, wie es scheint, immer in die ersten Regierungsjahre derHerrscher ) . DieAntwort darauf ist nicht schwer : die von Ludwig III. erteilten Privilegien waren nicht so bedentend, dass eine jedesmalige Bestätigung beim Thronwechsel notwendig schien. Andererseits, und darauf möchte ich das Hauptgewicht legen, war die Stellung des Abtes zum Könige vor 931 eine ganz andere, abhängigere, als nach diesem Jahre.

Damals

wurde der Abt vom Könige ernannt, jetzt dagegen frei gewählt. Dass König Heinrich I. erst in den letzten Jahren seiner Regierung dem Kloster Werden ein Diplom ausstellte, gestattet den Schluss, dass hier ein besonderer Anlass vorlag, offenbar der, dass es dem neuen Abte Wiggar gleich zu Beginn seiner Regierung, wohl durch einflussreiche Fürsprecher bei Hofe, gelungen war, vom Könige das Recht freier Abtwahl zu erlangen. ') so bei Otto I. in das Jahr 936, bei Otto II. 974, bei Otto III. 985, bei Heinrich II. 1002, bei Konrad II. 1024, bei Heinrich III. 1040.

63

Wiggar . ') Von ihm wird berichtet, dass er früher Mönch in Corvey gewesen, und von dort als Abt nach Werden berufen worden sei. Von wem ? Offenbar vom Könige .

Wiggar mag also wohl bei

diesem in Ansehen gestanden sein, und auch daraus würde sich erklären, dass ihm Heinrich I. aus besonderer Gunst das erwähnte Privilegium erteilte. Gehen wir nun etwas näher auf die Urkunde Heinrich I. ein.

Vor allem ist zu bemerken, dass die vorhandene Urkunde

Heinrich I. von 931 , Februar 23 ° ) kein Original, sondern eine im 11. Jahrhundert angefertigte Nachzeichnung ist. Sickel erkannte jedoch in derselben die Benützung eines Originals von Simons Hand als Vorlage, und da Simon tatsächlich Zeit (920-931 ) in der Kanzlei Heinrich I.

als

zu jener

Notar

tätig

war³) , so kann man mit Sicherheit annehmen, dass Heinrich I. dem Kloster Werden an jenem in der Nachzeichnung angegebe nen Tage ein Diplom ausstellte, welches später für die liers: etlung einer inhaltlich wesentlich erweiterten Nachzeichnung als Vorlage diente ') . Neu war in dem Diplome Heinrich I. das Privilegium , dass fortan die Mönche durch kanonische Wahl ihren Abt selbst sollten wählen

dürfen.

Für die

weitere

Entwicklung

des

1) Diese ist die richtige Form für das 9. und 19. Jahrh. Die Formen Witger und Wigger gehören einer späteren Zeit an . Aehnlich bei Hogar, Vergl . hierzu : Förstemann, Altdeutsches Namenbuch , Personennamen . 2. Aufl. S. 1567 und 1585. 2) Mon. Germ . DH. 26. 3) vgl . Bresslau, UL, S. 319. Allerdings ist unsere Urkunde , bezw . deren Vorlage, die letzte, welche von Simon mundiert wurde. 4 ) Als spätere, im Originale nicht enthaltene Zusätze haben zu gelten : 1. Bei der Bestimmung über den Genuss der Zehnten die Worte : in quocumque sint ― collato. 2. Die Befreiung des Abtes von der Heeresfolge : abbas illius illud faciendi. 3. Die durchaus unzulässigen gegen den Diocesanbischof gerichteten Bestimmungen illius etiam episcopus -- pro amore suscipiat. 4. Der teilweise der Urkunde Erzb. Willibertsvon Mainz [ Crecelius , Trad. I, n. 70] entlehnte Satz : et quia nihil posediere. Das auf der Nachzeichnung befindliche Siegel ist Nachbildung eines Kaisersiegels Heinrich III. Nach dieser Nachzeichnung wurde mit teilweiser Benutzung einer Urk. von Arnulf das angebliche Diplom dieses Herrschers für Werden hergestellt. Näheres darüber in meiner Arbeit : Die Kaiserurkunden f. d . Stift Werden.

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Klosters war diese Gewährung natürlich von der grössten Bedeutung ; nicht nur, dass damit die innere Bewegungsfreiheit eine ungehinderte wurde, bildete diesesPrivileg auch eine der Grund-

1 lagen für die künftige Machtentfaltung nach aussen, für die Erwerbung landesherrlicher Rechte und für die Erhebung des Abtes in den Reichsfürstenstand . Zwar sehen wir 100 Jahre später durch Konrad II. bei der Ernennung Bardos zum Abte vonWerden noch einmal vorübergehend die garantierten Freiheiten verletzt ; allein Bardos Nachfolg. , Gerold, beeilte sich, vonKonrad II. sich aufs neue die Privilegien der Abtei bestätigen zu lassen, obwohl es bisher nur üblich war, bei einem Thronwechsel eine solche Bestätigung nachzusuchen. Man sieht, wie sorgsam das Kloster auf die Wahrung seiner Rechte bedacht war! Wiggar erhielt ausserdem von Otto I. 936 , Dez. 30 ' ) eine urkundliche Bestätigung der Klosterprivilegien .

Das Original

derselben ist nicht mehr vorhanden, jedoch eine Kopie im Liber Privil. major, fol. 21a . Die daselbst gebotene Fassung ist, von einer unbedeutenden Inrichtigkeit" ) abgesehen, in keiner Weise zu beanstanden ; Erben") hat sogar die Vermutung ausgesprochen, dass in diesem Diplome auch die ursprüngliche Fassung der anderen Immunitäten ' ) erhalten geblieben ist, und darin muss man ihm vollkommen beistimmen. Neues enthält das Diplom Otto I. gegenüber dem Heinrich I.

nichts.

Dadurch,

dass man es bei Anfertigung der 1. Gruppe von Nachzeichnungen unterlassen hat, die in diesen inhaltlich erweiterten Privilegien auch in die Urkunde Otto I. zu interpolieren, hat

die

letztere teilweise mit dazu geführt, dass man die unechten Bestandteile der interpolierten Privilegien erkannte. Als Todestag Wiggars wird von Duden der 14. August, (XIV. kal. Sept. ), vom Berliner Kalendarium dagegen der 15. August

(XVIII .

kal.

Sept. ) ,

angegeben .

Mit diesem Abte

schliesst die Reihe der vom Könige ernannten Vorsteher des Stiftes Werden, und nach dessen Tode machten die Mönche 1) Mon. Germ. , DO . I , 5. 2 ) Im letzten Satze des Contextes heisst es nämlich : ac totius imperii nostri .... obwohl Otto I. noch König war. 3) MJÖG, XII, 49. 4) Heinrich I., Otto II., III., Heinrich II., Konrad II., Heinrich IJI. und Heinrich IV.

65

zum ersten Male von dem Rechte Gebrauch , sich den Abt selbst zu wählen. Eine direkte Nachricht hiervon ist uns allerdings nicht. überliefert ; ich glaube jedoch, im Vorhergehenden den Beweis erbracht zu haben, dass es sich tatsächlich doch so verhält. Es erübrigt nur noch, mit einigen Worten die scheinbare Schwierigkeit zu lösen, wie ein so wichtiges Ereignis in der Geschichte des Stiftes Werden verschwiegen bleiben konnte. Nachdem man, durch missliche äussere Verhältnisse, insbesondere durch die beständigen Zwistigkeiten mit den Vögten veranlasst, im 11. Jahrhundert sich dazu entschlossen hatte, einige Diplome zu fabrizieren , welche das Recht, den Vogt zu crnennen, als ein altes Privilegium des Klosters erklärten , war man natürlich genötigt, das Recht der freien Abtwahl als ein och älteres, mindestens aber gleich altes Recht erscheinen z lassen.

Das Diplom Ludwig III. schien bezüglich des Wahlrech-

tes einer Einschaltung nicht zu bedürfen, jedenfalls herrschte damals bereits die irrige Auffassung, der genannte König habe dem Kloster das fragliche Recht verliehen. Das Diplom Zwentibolds schien dem Nachzeichner wohl zu unbedeutend, über die kurze Regierungszeit

dieses lotharingischen Königs

dürfte man auch in Werden nicht sehr viel gewusst haben ; andererseits schien doch der Zwischenraum zwischen dem D. Ludwig III. und dem Heinrich 1. zu gross. Man füllte ihn daher mit einem angeblichen D. Arnulfs aus, welches neben einigen geradezu anstössigen Bestimmungen auch das Privilegium der freien Abtwahl enthielt.

Damit glaubte

man

offenbar,

die

Spuren der ursprünglich vorhandenen Rechtsverhältnisse ver nichtet zu haben . Tatsächlich ist es auch auf Jahrhunderte hinaus gelungen, bis Stumpf' ) betreffs der älteren Werdener Inunitäten zum erstenmale im Zusammenhange

auf ihre ver

dächtigen äusseren Merkmale hinwies und damit den Stein ins Rollen brachte, der das grosse Loch lange genug geschickt verdeckt hatte. 1 ) Wirzb. Immunitäten, 1 , 31 Anm . 55.

66

III. Wahläbte . Wigo . Als Nachfolger Wiggars bezeichnen die Kataloge übereinstimmend Wigo . Dieser wird also wohl der erste gewesen sein, der durch die Wahl des Konventes zu seinem Amte gelangte. Wann er dasselbe angetreten hat, lässt sich nur annähernd ermittelu : nach Duden hat Wiggar ungefähr 10 Jahre regiert , also etwa 930-940, um 940 herum wird demnach der Regierungsantritt Wigos anzusetzen sein. Ueber seine Tätigkeit al: Abt wird uns seltsamer Weise gar nichts mitgeteilt ; allerdings soll er die Würde nur etwas über 2 Jahre bekleidet haben. In anderem Zusammenhange¹ ) erfahren wir jedoch , dass um jene Zeit eine Scheidung des Abtei- und Konventsgutes vorgenommen wurde, des ersteren mit dem Haupthofe Barckhofen,

des

letzteren mit Viehansen, und es liegt nahe, diese Scheidung mit der Erlangung des Wahlrechtes in Verbindung zu bringen, da man sicherlich alsbald bestrebt war, dem Abte auch nach aussen die

Möglichkeit zu einem glanzvollen Auftreten zu bieten,

ohne dass dies der erste und einzige Grund gewesen sein dürfte . Als Todestag Wigos gibt Duden den 25. März an, im Berliner Kalendarium findet sich darüber keine Nachricht.

Reinher. Unter dessen Regierung haben zwei Kirchenweihen stattgefunden : im Jahre 943 wurde die später sogenannte Peterskirche durch Erzbischof Wigfrid von Köln ( 924-953 ) eingeweiht² ) . Eine andere Kirche oder Kapelle am Borner Berge war unter dem Abte Wiggar begonnen worden, und erhielt nun durch Wigfrids Nachfolger, Erzbischof Bruno ( 953-965 ) , am Feste der hl. Philippus und Jakobus ( 1. Mai ) angeblich des Jahres 957 , die bischöfliche Weihe. Ob diese Feier tatsächlich im angegebenen Jahre stattfand, in welchem der 1. Mai auf einen Freitag fiel, lasse ich dahingestellt sein.

Nach einer 17jährigen

1 ) vgl. Kötzschke, Beiträge X, 10 und ders. Studien zur Verwaltungsgeschichte der Grossgrundherrschaft Werden , S. 114 ff. 2) Ueber deren Bangeschichte vgl . Effmann, a. a. O , S. 167 ff.

67

Regierung, von der uns freilich soviel wie nichts mitgeteilt wird, starb Reinher am 1. Februar um das Jahr 962 oder 963 .

Engelbert.

Von diesem Abte, dem eine 9jährige Regierung zugeteilt wird, besitzen wir eine urkundliche Erwähnung in der von ihm gemachten Memorienstiftung' ) . Solche Memorienstiftungen der Aebte werden dann seit dem 11. Jahrhundert häufiger, und sind gewöhnlich mit einer „ Consolatio“ an die Brüder, oder Aimosenspenden an die Armen verbunden. Engelbert starb am 9. August, um das Jahr 971 ) .

Folkmar . Mit diesem Manne werden wir uns wieder etwas eingehender zu beschäftigen haben.

Trotzdem er nur kurze Zeit (nach

Duden 3 Jahre ) regierte , werden ihm doch grosse Verdienste um die Entwickelung des Klosters Werden zugeschrieben : Roskamp ( S. 3 ) ) schreibt ihm die Einsetzung der vier Hofämter (Schenkenamt, Truchsessenamt, Amt des Marschails und des Kämmerers) zu, Overham ( No. 143 ) neunt ihn, wohl mit Rücksicht auf diese Legende, die ihm ohne Zweifel auch schon bekannt war : magnificum secundum saeculum ; überdies soll Folkmar von Otto II.

sogar das Markt- und Münzregal in Wer-

den und Lüdinghausen erhalten haben ) . Mit der Glaubwürdigkeit dieser Nachrichten hat es freilich eine eigene Bewandtnis. Roskamp spricht an jener Stelle von Rechtsverhältnissen, wie sie in Werden kaum vor der Mitte des 12. Jahrhunderts bestehen konnten .

Erst in einer Urkunde von 1160°) werden

1) im liber Privil . major, Fol. 31 b ; bei Crecelius, Trad. I, n. 81 , S. 46 . 2) Schunken S. 55, sagt, mit Berufung auf Pels, Antiquitatis Victoriana, V, 378: am 9. Oktober. 3) vgl. Jacobs , Ann. S. 36 , Aum . 39. 4) Duden (zum Jahre 974) dehnt diese Verleibung auch auf Helmstädt aus ; dies ist jedoch ein Irrtum. 5) gedruckt bei Lac. UB . I , n . 402 ; die Zeugen auch bei Crecelius , Trad. II, n . 134.

68

alle vier Erbämter genannt ; aber auch in einer Urkunde Erzbischof Hanno II. von Köln für Werden, angeblich vom Jahre 1068 , werden unter den Zeugen fast unmittelbar hinter dem Vogte vier ministeriales ecclesiae angeführt, und ich vermute in ihnen ebenfalls die Inhaber der vier Hofämter. Freilich kann keine der beiden vorhandenen Ausfertigungen dieser Urkunde den

Anspruch

celte

Vorlage

auf

Originalität

nicht

erheben ' ), was jedoch eine

ausschliesst.

Die

Echtheit

der

er-

wähnten Urkunde angenommen, liesse sich das Bestehen der 4 Hofämter dennoch nicht vor der Mitte des 11. Jahrhunderts nachweisen, und in jene Zeit wird auch ihre Einsetzung zu verlegen sein, umsomehr, da sie zu den im 10. Jahrhundert bestehenden einfachen Verhältnissen im Kloster Werden nicht wohl passen würden, sehr wohl dagegen in die Regierungszeit des Abtes Gerold. Es müsste sonst auch sehr auffallen, dass die Inhaber dieser Aemter solange unter den Zeugen fehlen. Die Urkunde Otto II. hinwiederum ist kein Original, sondern eine Nachzeichnung desselben Schreibers, dem wir auch die schon erwähnten Falsifikate verdanken. Somit bleibt von den gemeldeten grossen Taten Folkmars nichts übrig ; nur bezüglich des ottonischen Privilegiums lässt sich ein Körnchen Wahrheit retten. In die kurze Regierungszeit Folkmars fällt die Thronbesteigung Otto II. Von vornherein muss man vermuten, dass sich das Kloster von dem neuen Kaiser alsbald die alten Privilegien bestätigen liess, dass sich aber auch die neue Urkunde in ihrer Fassung wesentlich an die Vorurkunden anschloss, wie wir dies gerade in Werden durch mehr als ein Jahrhundert beobachten können. Das Diplom Otto II. von 974, August 192 ) weicht aber diesbezüglich vollständig von den Vorurkunden ab : keinerlei Bestätigung der alten Privilegien wird erwähnt ; dafür befasst sich diese Urkunde ausschliesslich mit der Verleihung des

Markt-

und Münzregals in den beiden Orten Lüdinghausen und Wer1 ) Die Schrift, besonders der besser erhaltenen (nicht ergänzten) Urk. hat sehr grosse Aehnlichkeit mit jener des Schreibers des liber Privil. major, andrerseits mit dem angebl. Orig. Konrad II . von 1036 (Stumpf, Reg. n. 2079) ; ich halte es für wahrscheinlich, dass der Chartularschreiber auch die genannten Urkunden verfertigt hat . Die Siegel auf sämtlichen 3 Urkunden sind unecht ! 2) Mon. Germ . DO . II, 88.

69

den.

Wir haben es, wie erwähnt, mit einer Nachzeichnung zu

tun; nicht genug damit

der Name Luerdina steht nach

in der NachLiudinghus, also an 2. Stelle, und obendrein zeichnung ! von anderer, späterer und ganz ungeübter Hand geschrieben, auf Rasur ! Um für dieses Wort Platz zu schaffen , wurden die letzten zwei Buchstaben von Lindinghuson und das folgende Wort getilgt ) . Schon der Schreiber des liber Privil. major hat das Merkwürdige eines solchen Stils : ,,in Liudinghus Uuerdina ..." und vielleicht noch mehr die Hintansetzung des Klosters hinter das kleine Lüdinghausen, empfunden und daher die betreffende Stelle zu : ,, in Unerdina et Liudinghuson“ abgeändert . Der Name Werden stand also ursprünglich nicht Nachzeichnung .

in der

Ich vermute deshalb, Lüdinghausen habe die

Veranlassung zur Anfertigung derselben gegeben.

Wir haben

es vielleicht mit einem ähnlichen Falle zu tun, wie bei der angeblichen Schenkung von Lothusa : eine von Snethardt und Waldfrid ( 800 , December 6) in Lüdinghausen gemachte Schenkung gab später Veranlassung zu der Legende, Lüdinghausen selbst sei dem hl. Liudger geschenkt worden.

Da der Ort im Gebiete

des Bischofs von Münster lag, gab es tatsächlich schon unter Folkmars

Nachfolger Lindolf

Zehentstreitigkeiten mit dem

Bischofe Duodo von Münster, die sich später wiederholten. Das Stift Werden zeigte mun im 11. Jahrhundert das angebliche Diplom Otto II. vor, und vielleicht wurde auch hier , wie später betreffs Lothusa, der Streit zu Gunsten des Klosters entschieden.

Man wird auch wohl annehmen müssen, dass Wer-

den von den in der Urkunde erwähnten Privilegien alsbald Gebrauch gemacht hat.

Das ungünstige Verhältnis, in dem dabei

Werden zu Lüdinghausen stand, bewog das Stift, den ersterer Namen nachträglich in die Urkunde einzufügen, um die angeb lich für Lüdinghausen gewährten Rechte auch auf Werden auszudehnen2). 1 ) Man kann also durchaus nicht sagen : Uuerdina sei vielleicht nachgetragen", wie die Mon. Germ. zu DO II, 88 bemerken ; die Absicht liegt hier klar zu Tage. 2 ) Unklarแ bleibt allerdings die Stelle in der Petitio : 99 ut in duobus suis locis die nicht auf Rasur steht, da es doch gleich darauf wieder heisst quidquid in eodem foro vel moneta publica . . .". Der Sinn ist wohl folgender : Folkmar ersucht, in Lüdinghausen an zwei ihm gehörigen Orten, an dem einen den Markt, an dem andern die Münze errichten zu dürfen,

70

Vielleicht war gerade die Ausübung des Münzrechtes inWerden die Ursache, dass Friedrich I. und Heinrich VI. der Abtei dieses Recht entzogen, und dieselbe überdies mit einer Geldbusse von 25 Mark belegten. Erst durch die Urkunde Otto IV. vom Jahre 1198 , Juli 13 ' ) , wurde die Abtei von der zu zahlenden Busse befreit und ihr das Münzregal an beiden Orten restituiert ; damit erst erhielten die in DO . II , 88 rechtliche Giltigkeit .

enthaltenen Privilegien eine

Einen Beweis für die

gerechten An-

sprüche der Abtei Werden auf die erwähnten Regalien bilder aber dieses Diplom keineswegs ! Otto IV. verdankte seine Wahl vor allem und fast einzig den niederrheinischen Fürsten , vorab Köln.

Wie die Urkunde besagt, hatte sich auch Abt Heribert

von Werden für die Anerkennung des Königs viele Mühe gogeben. Allein diese Herren hatten ihre Dienste nicht umsonst angeboten, und andrerseits musste König Otto darauf bedacht sein , sich deren dauernde Freundschaft zu sichern. Daher wurden Reichsgut und bis dahin zäh behauptete Kronrechte mit vollen Händen verteilt, um neue Anhänger zu gewinnen, die alten zu erhalten . Otto IV. war es, der hier den üblen Anfang machte ! Dass die Urkunde gleich am Tage nach der Krönung ausgestellt

wurde ,

führungen.

Tatsache ist aber, dass die Abtei seitdem mit nur

bestätigt

ebenfalls die gemachten

Aus-

einer längeren Unterbrechung ) das Münzregal bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts ausgeübt hat, und es auch ausüben durfte. Man hat zum Beweise der Echtheit des Inhalts von DO. II, 88 vielfach darauf hingewiesen, die Abtei Werden habe

das

Markt- und Münzregal in den Orten Werden und Lüdinghausen tatsächlich ,,alsbald", d. h . noch im 10. Jahrh. ausgeübt. Verweilen wir zunächst noch beim Münzregal.

Als Gewährsmänner

müssen da regelmässig Müller³) , Grote und neuestens auch Dan1 ) Böhmer-Redlich, Reg. V1 , n. 201. Lacomblet, UB . I , S. 393 , n.563. Original im k. Staatsarchive in Düsseldorf. 2) Im ehemaligen abteilichen Archive befand sich eine Urkunde des Inhaltes : „ Monetandi privilegii exercitium restituitur Abbati Henrico Duden per recessum Coloniensem, postquam CL annos intermissum erat". Diese Angabe ist jedoch sehr ungenau. Tatsächlich dauerte die Unterbrechung nur ca. 100 Jahre ; denn einerseits wurden noch unter Abt Konrad von Gleichen (1454-1474) zahlreiche Münzen geprägt, andererseits besitzen wir bereits aus dem Jahre 1574 einen unter Abt Heinrich Duden geprägten Taler. 3) Müller beruft sich in seiner Geschichte der Abtei Werden S. 24 auch auf 2 im kaiserlichen Münzkabinete in Wien befindliche Foliobände (ver-

71

nenberg herhalten. Die Citate gehen dann von einem Buche ins andere über, ohne dass man, wie es scheint, von deren Inhalte eine genaue Kenntnis hat .

Ehrlich

gestanden :

zu

Gunsten

unseres angeblichen ottonische a Privilegs beweisen diese Citate gar nichts! Als beweis können natürlich nur gelten : Münzfunde oder sichere Nachrichten über Münzprägung, aus einer Zeit, wo die Nachzeichnung (DO. II. 88 ) noch nicht vorhanden war, also vor der Mitte des 11. Jahrhunderts. Die beiden Denare, je einer von Werden und Lüdinghausen, welche Grote, bezw. Dannenberg anführen¹ ) , gehören jedoch der Mitte, bezw. dem Anfange des 12. Jahrhunderts an. I'm es dem Leser zu erleichtern, sich ein Urteil über die Beweiskraft der beiden Citate

zu bilden, will ich

aus beiden

Autoren die betreffenden Stellen wörtlich anführen. Grote (a. a. O. S. 414 ) gibt als älteste Werdener Münze einen Denar an, und sagt : ,,Wie die Revers- Umschrift : saneta colonia, so ist auch das gesamte Aeussere dieser Münze den Kölner Denaren denen aus der Mitte des 12. Jahrhunderts

nachgebildet.

Da die

Avers-

Umschrift genug vom Namen des hl. Liudger verrät, so wird die Bestimmung dieser Münze nach Werden wohl richtig sein.

Die

netzartig überzogenen und schirmförmigen Turmikuppeln finden sich so auf Kölner Denaren der Erzbischöfe Bruno (II. , 11311137) und Friedrich ( II., 1156--1158) ; ihnen wird die Münze gleichzeitig sein . “ Derselbe (a . a . O. III, S. 413 ) sagt : „,Von den im Städtchen Lüdinghausen geschlagenen Münzen der Aebte von Werden, von denen jedoch keine den Namen des Abtes enthält, ist ein Denar des 12. oder vom Anfange des 13 . mutlich Handschriften), welche über das Werdener Münzwesen handeln , obgleich nicht einmal alle Sorten darin enthalten wären. Ob Müller dieselben -gesehen hat. darf man vielleicht bezweifeln. Meine Nachforschungen im k. k. Hofmünzkabinete ergaben ein negatives Resultat. Ueber das Vorhandensein solcher Folianten fehlt gegenwärtig jede Spur ; es wäre daher interessant , zu erfahren welcher Quelle Müller diese Notiz entnommen hat. 1 ) Grote: Münzstudien III , 413 ; I, 286 ; Abbildg. Tafel 17, n. 5. Münzstudien III , 414 ; Abbildung daselbst , Tafel 13, n. 1. Dannenberg : Die deutschen Münzen der sächs. u . fränk. Kaiserzeit, S. 297 ; Abbildung daselbst, Tafel 33 , n. 769.

72

Jahrhunderts bekannt gemacht ( Münzstudien I, 226 ; Tafel 17 , n. 5 )." Dannenberg

(1.

c. )

sagt bezüglich Lüdinghauseus :

,,Für dieses unweit Münster gelegene Städtchen erhielt der Abt zu Werden im Jahre 976 ' ) das Münzrecht, dessen Ausübung durch folgenden, dem Stile nach in den Anfang des 12. Jahrhunderts fallenden seltenen Denar, der sich im Gepräge ganz den ebengedachten münsterischen MünZen anse schliesst".

Av .

LV DICHV ...

Rv. +00 DO Gewicht : 1.41 Gr.

IDIIIIα

Abbildung : Tf. 33 , n. 769 . Die zeitlich am nächsten stehenden Werdener Münzen, die

Grote erwähnt , gehören erst dem 14. Jahrhundert, der Regi rungszeit des Abtes Wilhelm II. ( 1310-1330) den Dortmunder Denaren nachgebildet.

an,

und sind.

Von diesen Ausführungen Dannenbergs und Grotes sind besonders 3 Punkte zu beachten : 1. Die ältesten gefundenen Münzen aus den Münzstätten zu Lüdinghausen dert an.

2.

und Werden gehören dem 12.

Jahrhun-

Keine der vorhandenen in Lüdinghausen geprägten Münzen

trägt den Namen des Abtes von Werden. 3. Zwei nahezu gleichzeitige Münzen der beiden Münzstätten eines und desselben Münzherrn tragen ein ganz verschiedenes Gepräge, und zwar dasjenige, welches die Münzen der betreffenden Bischöfe tragen, deren Jurisdiktion die beiden Orte (Werden dem EB. von Köln, Lüdinghausen dem B. von Münster) unterstehen. Die unter n. 2 und n. 3 angeführten Umstände gestatten den Schluss, dass die ältesten Münzen von Lüdinghausen ebensogut von den Bischöfen von Münster. als von den Aebten von Werden geprägt sein können.2 )

1) muss heissen 974. 2 ) Man darf dagegen nicht einwenden, dass auch die Münzen von Helmstädt, obwohl von denselben Münzherrn , dennoch von den Werdener Münzen sehr verschieden waren. Hier haben wir es mit zwei verschiedenen Territorien zu tun, demzufolge die Helmstädter Brakteaten der niedersächsischen, die Werdener Denare, Groschen und Hohlpfennige dagegen der niederrheinischen Münzkunde angehören.

73

Da aber auch diese ältesten Münzen aus einer Zeit stammen, in welcher das angebliche Privileg Otto II. bereits fix und fertig vorlag, so ist das Nächstliegende, anzunehmen, dass auf Grund dieses unechten Privilegs geprägt wurde. Darin einen Beweis für dessen Echtheit erblicken zu wollen, wäre eine Petitio principii .

Soviel über das Münzregal.

Nun noch einiges über das angebliche Marktprivilegium der beiden Orte. Vor allem ist nicht nachweisbar, dass der Ort

Lüdinghausen

von einem ,„,Kastell L." kann überhaupt - jemals erst im 15. Jahrhundert die Rede sein, der AbteiWerden geschenkt worden ist ; wann und von wem denn ? Ferner berichten Werdener Geschichtsquellen' ), dass Lüdinghausen erst im Jahre 1037 eine Kirche erhielt, und 60 Jahre früher soll es schon Markt und Münze gehabt haben ! Endlich wird als Besitz Werdens in Lüdinghausen in einer Urkunde des Kardinallegaten Konrad, von 1225 , December 30° ) , bestätigt durch die Urkunde König Heinrich (VII. ) von 1226 , Februar 19") , nur eine curtis, ein Hof, angeführt ! Im übrigen müssten ja die älteren Heberegister Aufschluss geben, ob bereits vor der Mitte des 11. Jahrhunderts Einnahmen vom Marktgefälle nach Werden geflossen sind . Wenden wir uns nun Werden zu . Sehen wir einmal von dem angeblichen Diplome Otto II. ganz ab, so bleibt uns für jene Zeit nur die eine Tatsache gewiss, dass Abt Gerold 1031-1050 ) Klosters,

in

den Jahren 1042-1047

jedenfalls

noch

auf

dem

(ca.

in der Nähe des

Gebiete

der

klöster-

lichen Immunität , zu Ehren des hl. Nikolaus, dessen Verehrung in Deutschland seit dem Ende des 10. Jahrhunderts sehr beliebt geworden war, eine Kapelle erbaute ) .

Neben der Ruhestätte

des hl. Liudger wird auch diese Kapelle bald von den Bewohnern häufig und gerne besucht worden sein. Und wie wir es noch heute an derartigen Stätten finden, dass am Feste der Kirch1 ) Duden, irrtümlich zum Jahre 1039 anstatt 1037 : vgl. Jacobs , Ann . S. 41 . 2) Lacomblet , UB. II , n. 131 S. 69. 3) Böhmer-Ficker , Reg. V/3, n. 3997 ; Archiv f. Gesch . d . Niederrh. 30, 206. 4) Wenn spätere Autoren, z. B. Duden, sagen : Abt Gerold habe die Kapelle am Markte zu Werden (apud forum in Werdena) erbaut, so übertragen sie einfach Verhältnisse ihrer Zeit auf die damalige, denn vor der Mitte des 11. Jahrh, kanu von einem forum keine Rede sein.

74

weihe oder des Kirchenpatrons zahlreiche Andächtige herbeitrömen, wobei dann auch verschiedene Händler ihre Waren feil bieten, so werden wir es uns auch in Werden zu denken haben. Vielleicht haben nun gewisse Missstände oder andere uns unbekannte Ursachen frühzeitig dazu geführt , diese Kirchweihmesse auf den Nicolaitag zu verlegen, und so wird sich besonders an diesem Tage ein lebhaftes Treiben um die kleine Kapelle entwickelt haben, was dann wohl auch Manchen veranlasste, sich in deren Nähe anzusiedeln. Vielleicht schon während der Minderjährigkeit K. Heinrich IV . hatte sich aus diesem Zustande ein Gewohnheitsrecht gebildet, dem man dann im 12. Jahrhundert durch Interpolation des Namens Uuerdina in die damals bereits vorhandene angebliche Urkunde Otto II. eine rechtliche und natürlich möglichst alte Grundlage zu geben versuchte . Ich glaube, schon die äusseren Verhältnisse der Abtei Werden, von Lüdinghausen gar nicht zu reden, waren in 10. Jahrh. noch derartige, dass ein solches Privilegium, wie das im DO, II, 88 enthaltene, gar nicht in den Rahmen

dieser Verhältnisse

passt . Ich will aber (ausser den bereits angeführten ) noch eine Anzahl Gründe namhaft machen, welche die Annahme , dass dem unechten Diplome Otto II. doch ein echtes Stück zugrunde liegen könnte und dürfte, ganz ausschliessen : 1. Die Dispositio der uns überlieferten Urkunde entspricht in ihren Formeln gar nicht den Verleihungen gleicher Art unter Otto II. , speziell der Ausdruck forum scheint mir nicht nachweisbar zu sein. „,theolonium, mercatum et monetam" mit verschiedenen unwesentlichen Variationen ist die fast ständig gebrauchte Redeweise.

Man vergleiche

beispielsweise die unserem Diplome zeitlich stehenden Verleihungen gleichen Inhaltes : DO. II. 29 , 72 , 85 , 95, 99.

sehr nahe

Mon.

Germ .

2. Keine der folgenden Privilegienbestätigungen für Werden bis zum Jahre 1198

enthält eine Bestätigung dieser Ur-

kunde, bezw. des Markt- und Münzregals. 3. Niemals ist, soweit urkundlich nachweisbar, nach Werdener Währung gerechnet worden ; nicht nur das: Wir be sitzen aus der Regierungszeit des Abtes Gerold eine Auf-

75

zeichnung¹ ) des Inhaltes : Der Edle Gerolf übergibt dem Kloster Werden seinen Hof zu Liafburghuson samt der Kapelle und all seinem Besitz in der Mark daselbst unter der Bedingung : dass ihm vom Kloster jährlich zu Christi Himmelfahrt sechs Pfund Pfennige in Kölner, Dortmunder oder Loner Münze ausbezahlt werden " ) . Hier wer den also drei Münzstätten genannt, in deren Gelde die Zanlung zu erfolgen habe, Werden aber ist, obwohl das Kloster selbst die Zahlung zu leisten hatte, gar nicht genannt"). 4. Erst im Jahre 1165 finden wir netarius.

als Zeugen

einen Mo-

5. Soweit die alten Heberegister bis jetzt veröffentlicht sind, scheinen vor der Mitte des 12. Jahrhunderts keine Einnahmen aus dem Markt- und Münzregale aufgezeichnet zu sein. Die neuen Ausgaben der Werdener Urbare werden wohl hierüber genaueren Aufschluss geben .

Ich glaubte diese Urkunde eingehend besprechen zu müssen, weil sie bisher allgemein viel zu günstig beurteilt worden ist und zu glänzenden Kombinationen Anlass gegeben hat¹) . Im letzten Bande dieser Zeitschrift hat sich Kötzschke über die Anfänge der Stadt Werden in eingehender Weise verbreitet . Aber seine Ausführungen haben, vor allem für die ältere Zeit, nicht zum wenigsten diese unechte Urkunde Otto II. zur Grundlage und stützen sich zumeist nur auf Vermutungen, welche durch die schriftlichen Quellen nicht nur nicht bestätigt werden, sondern teilweise in direktem Widerspruáe zu denselben stehen. Ich kann ihnen daher nach dieser Richtung nicht bei1) bei Crecelius, Trad. I, n. 93, S. 54. 2 ) ut singulis annis VI lit. den. Coloniensis monetae aut Tbrutminensis aut Loonensis sibi ' persolvantur in die ascensionis Domini ". Was unter moneta Leonensis zu verstehen sei, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht ist an Lohn bei Soest zu denken. Iserlohn ist es sicher nicht. 3) Es wird wohl niemand einwenden , die Werdener Denare seien vielleicht damals schon so minderwertig gewesen, dass man Zahlungen in dieser Münze ablehnte ! 4) Als eine Eigentümlichkeit in DO. II, 88 muss noch erwähnt werden . dass Folkmar darin nicht Abt, sondern „ provisor" heisst . Es ist also mit der Möglichkeit zu rechnen, dass Folkmar gar nicht Abt, sondern vielleicht nur Propst des Klosters war. Denn es ist nicht einzusehen, was den Schreiber sonst veranlasst haben könnte, Folkmar den Titel abbas vorzuenthalten . In Urkunden begegnet uns ein Abt dieses Namens sonst nicht , was allerdings bei der angeblich kurzen Regierungszeit Folkmars nicht sehr auffallend wäre ,

76

pflichten. Kötzschke dürfte durch die etwas mangelhafte der Edition dieses Diploms in den Mon. Germ. 211 Ueberschätzung

desselben

verleitet

worden

sein.

dabei ausserdem die Werdener Tradition gegen sich

Er

hat

während

er der Meinung ist, es könne sich bei dieser Verleihung nur um einen Wochenmarkt handeln' ), ist nach alter l'eberlieferung der am Nikolaitage abgehaltene Jahrmarkt der ursprüngliche, der Wochenmarkt hingegen eine Verleihung der Vorfahren des Herzogs von Cleve und Grafen von der Mark. Der Wochenmarkt setzt bereits eine grössere Entwickelung und einen regeren Verkehr voraus, so vorgeschrittene Verhältnisse aber, wie sie Kötzschke bereits im 10. Jahrhundert anzunehmen geneigt ist, baben sich sicher erst unter Abt Gerold, unter welchem die Abtei ihre erste Glanzperiode erlebte, zu entwickeln begonnen, und gehören grösstenteils dem Ende des 11. und dem 12. Jahrhundert an²). Folkmars Todestag wird mit dem 2. August angegeben.

Liudolf. Aus der Regierungszeit dieses Abtes sind uns einige Ereignisse überliefert. Im Jahre 978 beherbergte das Kloster einen fremden Gast : Bischof Heinrich I. von Augsburg (973 bis 982) , der sich mit dem abgesetzten Bayernherzoge Heinrich gegen Otto II. verbunden hatte , wurde nach Niederwerfung der Empörer dem Abte Liudolf in Gewahrsam gegeben") . Man darf jedoch daraus nicht den Schluss ziehen, dass Werden damals bebereits ein castrum, ein befestigter Ort, war. Von grösserer Bedeutung für die Abtei war eine im Jahre 980 stattgefundene religiöse Feier.

Am 26. November dieses

Jahres wurden die Reliquien der bl. Ida, bis dahin in Hirutisfeld, feierlich nach Werden übertragen und in der Salvator1 ) Das nahe Stift Essen erhält erst unter Heinrich III ., 1041 , Juni 13, das Marktrecht, und zwar für einen Jahrmarkt , drei Tage vor und drei Tage nach Cosmas u . Damian. ( Die Urk . bei Lacomblet, UB . J, n. 176, S. 109) . 2) Wenn sich überhaupt von dem in DO . 11 , 88 angeblich verliehenen Privilegien etwas retten liesse, so wäre es höchstens für Lüdinghausen, keinesfalls aber für Werden , ausser insoweit, als letzteres in Lüdinghausen begütert war. 3) Gerhardi vita s . Udalrici epi , Mon. Germ. SS . IV , 417.

77

kirche beigesetzt .

Aus diesem Anlasse verfasste

Uffing,

ein

Mönch des Klosters, ein Lobgedicht zu Ehren der hl. Ida¹ ) . Abt Liudolf hatte auch einen Streit mit dem Bischofe Duodo von Münster ( 967-993 ) wegen der Zehnten in Westfalen. Da das Kloster Werden einige Güter besass, welche im Bereiche der Diözese Münster lagen, so ist es gar nicht zu wundern, dass es zu Streitigkeiten kam. Vielleicht spielte auch Lüdinghausen damals schon eine Rolle dabei. Der Streit endete mit einem Vergleiche der beiden Parteien. Sonst ist uns der Name dieses Abtes nur noch in einer von ihm gemachten Schenkung ) überliefert . Als Todestag wird der 3. Januar angegeben, 983 soll das Todesjahr sein. Lebhafteres Interesse erregt sein Nachfolger.

Werinbraht. An ihn sollen drei Königsurkunden ausgestellt worden sein") . Mit deren Ueberlieferung ist es jedoch sehr schlecht bestelit. DO. III, 17 liegt nur in einer Nachzeichnung vor, in welche das Recht der Vogternennung durch den Abt aufgenommen wurde. DO . III, 151 ist uns nur durch Kopialbuch des 12. Jahrhunderts, DO. II, 290 nur durch Kopialbuch des 14. Jahrhunderis überliefert. Die beiden zuletzt genannten Urkunden stehen, ähnlich ausserhalb der

wie DO . II, 88 und ganz wie DH . II , 9, Reihe der Werdener Immunitäten ; sie

befassen sich ausschliesslich mit dem Privilegium, den KlosterVogt ein- und abzusetzen . Was die Fassung des Contextes betrifft , so ist in DO. III, 151 , gegenüber DO. II, 290 nur die Narratio (d . nostrae

i . der erzählende Teil, von : insinuavit celsitudini hactenus fuerit conservatum) erweitert, und zwar

aus den echten Urkunden herübergenommen ; DO. III, 151 und DH. II , 9 dagegen stimmen fast wörtlich überein, und ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass erstere auf Grund der letzteren 1 ) Die Hs . im Münster 1880.

Pfarrarchiv zu Herzfeld ;

bearbeitet von Hüsing,

2) Im Liber Privil . major, fol. 12b ; bei Crecelius Trad. I , S. 47. 3) Mon. Germ. DO . II , 290 , DO. III, 17 und DO . III , 151 .

78

angefertigt wurde, vielleicht von demselben Schreiber, der auch den Text von DH. II, 9 geschrieben hat ' ). Wie aus einem Vergleiche von DO. II, 290 und DO. III, 151 mit den Immunitätsbestätigungen Konrad II. und Heinrich III. zu ersehen ist, ist in letzteren über angebliche Vogteirechte kein Wort enthalten, auch sonst stösst man bei ersteren mehrfach auf diplomatische Schwierigkeiten. Ich kann daher an die Echtheit des Inhaltes dieser beiden ottonischen Privilegien nicht glauben.

Man dachte sicherlich im 10. Jahrh. in Werden noch

gar nicht daran, auf solche Rechte, wie die dort gewährten , Ansprüche zu erheben. Erst die sich mehr und mehr verschärfenden Gegensätze zwischen der Abtei und seinen Vögten seit der Mitte des 11. Jahrhunderts lassen solche Ansprüche erklärlich erscheinen. Man hatte offenbar bereits schlechte Erfahrungen gemacht und bemühte sich nun, sich gegen die zunehmenden Bedrückungen von Seite der Vögte zu schützen und begann, seine angeblichen Rechte genau zu formulieren : 1. Nicht nur die Ernennung des Vogtes, sondern auch dessen Absetzung solle dem Abte zustehen. 2. Will der Abgesetzte seinem Nachfolger den Platz nicht räumen, so wird ihm mit der Ungnade und dem persönlichen Einschreiten des Königs gedroht. Zu diesem Zwecke wurden dann die obigen Urkunden angefertigt ) . Ueber den Todestag Werinbrahts schweigt sowohl Duden als das Berliner Kalendar ; ein Katalog in Hannover, sowie Gelenius geben den 8. Oktober an.

Für 1001 als Todesjahr fehlt

jeder sichere Anhaltspunkt ; dasselbe kann unter der Voraussetzung, dass K. Heinrich II . 1002 , August 4, dem Abte Radbald tatsächlich ein Diplom äusserste Grenze gelten.

ausgestellt hat,

höchstens

als

eme

Radbald. Da in dessen Regierungszeit die Thronbesteigung K. Heinrich II . fällt, so finden wir es ganz natürlich, dass sich Radbald 1) Das angebliche Original ist bis jetzt nicht aufgefunden worden, jedoch wurde es von Överham noch für seine Abschrift benützt. 2) Ausführlicher, besonders in diplomatischer Hinsicht, habe ich dieselben behandelt in meiner Arbeit : Die Kaiserurkunden für d. Stift Werden.

79

oder Rathbrand, wie er auch genannt wird, von diesem fierrscher die alten Privilegien erneuern liess. Ueberdies haben wir dafür auch eine Bestätigung in den DD. Konrad II. und iiemrich III., in denen jedesmal eine Urkunde Heinrich II . angeführt wird. Allein die uns überlieferte Urkunde Heinrich II. ') kann es nicht sein, weil zu viel gegen deren Originalität spricht, und

weil

genden

deren

Urkunden

Privilegien nicht

sten der Originalität,

die

in

die

drei

aufgenommen

unmittelbar fol-

wurden.

Zu

freilich auch von Bresslau")

Gunver-

teidigt wird, kann nur vorgebracht werden, dass Signumzeile, Recognition und Datierung von einem Notare der königlichen Kanzlei geschrieben wurden"),

sonst

spricht

aber auch alles

gegen dieselbe, und der einzige Grund pro dürfte gegen die Zahl und das Gewicht der Gründe contra kaum aufkommen. In Fällen, wo, wie hier, der Text der Urkunde vom Empfänger geschrieben wurde, muss sich das Augenmerk besonders auf die Beglaubigung derselben richten.

Diese erstreckt sich auf

die Unterschrift des Kanzleichefs in der Recognition, auf die Unterschrift des Herrschers (als Vollziehungsstrich im Monogramm), und auf die Besiegelung. Nun wissen wir, dass die Unterschrift des Kanzleichefs damals längst keine eigenhändige mehr war¹ ) ; ferner ist gerade aus der Zeit Heinrich II. erwiesen, dass unter ihm in der Kanzlei manchmal Blanquette, mut dem Eschatokoll versehen, auf Vorrat angefertigt wurden. Man überliess sie dann den Empfängern, die öfter über verhältnismässig mehr Schreiber verfügten, zur Eintragung des Textes , worauf die Urkunden durch Hinzufügung desVollziehungsstriches im Monogramme und durch Besiegelung mit dem königl. Siegel die Beglaubigung erhielten.

Unser Hauptaugenmerk wird sich

daher in solchen Fällen, wo eine Beteiligung des Empfängers an der Herstellung der Urkunde zu konstatieren ist , vor allem auf das Siegel richten müssen.

Gerade dieses aber ist bei DH . II, 9

1 ) Mon. Germ . DH. II, 9 von 1002, August 4. 2 ) in den Bemerkungen zu DH . II , 9. 3 ) Und auch dieses Argument ist nicht einwandfrei, denn in der Datierung sind Indiction and Regierungsjahr nachgetragen. 4) Nicht der als Recognoscent genannte Kanzler, hier Egilbertus , bat die Recognition geschrieben, sondern ein Notar, der von den Diplomatikern mit EB bezeichnet wird.

80

gefälscht, und nicht einmal nach

einem Siegel Heinrich II.,

sondern nach einem Königsiegel Heinrich III., jedoch mit der Umschrift : HEINRICUS DI GRA IMP AUG, obwohl Heinrich II. im Jahre 1002 noch gar nicht Kaiser war. Die Annahme, das Stück könnte ursprünglich doch ein echtes Siegel getragen haben, lässt sich durch nichts beweisen, und wird bei gebührender Berücksichtigung der drei folgenden Immunitätsbestätigungen : Stumpf Reg. no. 1853 , 2037 und 2164 geradezu unhaltbar. Ausserdem gehören auch die von dem Privatschreiber gebrauchten Formen : Henricus (statt Heinricus ), Hluthouuicus (stait Hludouicus ) und unerthina (statt uuerdina ) sicher einer späteren Zeit an ; und da auch Indiction und Regierungsjahr in der Datierung erst später eingesetzt

wurden,

so kann man mit

Sicherheit behaupten, dass der Text erst nach dem Eschatokoll, und zwar viel später geschrieben worden ist. Der Fall liegt also wohl offenbar so : Man hat sich im Kloster auf irgend eine Weise ein Blanquet aus der Kanzlei Heinrich II. zu verschaffen gewusst , dieses in bekannter Weise ausgefüllt, und dann an Stelle des echten Diploms Heinrich II., das ja nur eine einfache Privilegien- Bestätigung war, unterschoben. Der Schreiber darf wohl als mit dem identisch gelten, der die Nachzeichnungen Otto II. und Otto III., vielleicht auch die Arnulfs und Heinrich I. angefertigt hat' ) . 1 ) Auch hier muss ich auf die eingehende Behandlung dieser Urkunde in meiner öfter genannten Arbeit verweisen . Ich verhehle mir nicht die Schwierigkeit , für den Zeitpunkt sowie die Art und Weise, wie das Blanquet in den Besitz des Klosters Werden kam, eine ganz befriedigende Erklärung zu geben . Kanzler Egilbertus war 1002 , Juni 10 - 1005, Mai 5 in der Kanzlei Heinrich II. tätig, in dieser Zeit muss also das Eschatokoll geschrieben worden sein. Der Text aber kann nach meiner Anschauung nicht vor 1040 eingetragen worden sein , weil das Original-Diplom Heinrich III. aus diesem Jahre zwar eine Vorurkunde Heinrich II . anführt , die aber nicht mit der unseren ( DH. II , 9. ) identisch sein kann , weil sie von dem Inhalte der letzteren gar keine Notiz nimmt, auch halte ich die Schreibung uuerthina (mit th) für 1002 als sehr bedenklich. Etwas ist mir an DH. II, 9 noch aufgefallen : Neben der regelmässigen Faltung des Pergamentes zeigt das Stück noch unregelmässige Falten , die von einer Zerknitterung herrühren dürften ; und , wo die Schrift über diese hinweggeht, macht sie den Eindruck, als seien die Falten bei Anfertigung des Textes bereits vorhanden gewesen. Vielleicht beruht dies blos auf einer unrichtigen Wiedergabe meiner photog. Aufnahme, infolge nicht genügenden Flachliegens der Urkunde bei der Reproduktion. Wenn es aber auf dem Originale tatsächlich der Fall ist, würde sich diese Beobachtung dahin erklären lassen , dass das Blanquet längere Zeit unbenützt herumgelegen ist , bis man sich in Werden auf irgend eine Weise desselben bemächtigte.

81

Radbald soll mit seinem Nachfolger Heithanrich in Gegenwart K. Heinrich II. einmal das Osterfest zu Merseburg gefeiert und angeblich am Charsamstage vor dem Kaiser das Hochamt gehalten haben. So ist fast in allen neueren Darstellungen der Geschichte Werdens zu lesen.

Die einen Autoren berufen sich dabei auf Overham, die anderen auf Leibnitz , Overham und Leibnitz aber auf Thietmar von Merseburg. Müller (a . a . O. S. 162 ) weiss sogar von einem fröhlichen Verlaufe dieses festlichen Bersammenseins zu berichten ; mit Berufung auf Leibnitz, SS. rer. Brunsvic. I , 404 zitiert er : „,et hos dies festivos duximus admodum hilares". Dass diese ganze Legende einfach auf einem Missverständnisse der betreffenden Stelle ( VII, 6 ) ¹ ) in Thietmars Chronik beruht, glaube ich am besten dadurch zu illustrieren, dass ch den ganzen Passus aus Thietmar anführe. Thietmar erzählt, dass der Kaiser am Mittwoch vor Ostern nach Merseburg kam, und fährt fort : ,,In coena Domini crisma in eius ( nämlich des Kaisers) praesentia indignus benedixi. In vigilia autem sanctae resurrectionis, quae tune fuit V. Idus Aprilis, Redbald abbas Wirdunensis o biit, et Hethenricus, eiusdem coenobii praepositus, eligitur. In die sancto archiepiscopus Gero missam cantavit, et interim Othelriens, Boemorum dux, advenit, et dies hos solemnes duximus admodum hilares. Hier werden also folgende Tatsachen erwähnt : 1. Thietmar nimmt am Gründonnerstage in Merseburg in Gegenwart des Kaisers die Weihe der hl. Oele vor. 2.,Am Charsamstag jenes Jahres, der damals auf den 9. April fiel ) , starb Abt Radbald von Werden, und Props : Heithanrich wurde zum Nachfolger gewählt . 3. Am Osterfeste ( in die sancto heisst nicht

Charsamstag )

hielt Erzbischof Gero (von Magdeburg) das Hochant. 1) Mon. Germ. SS . III , 839 . 2 ) Das quae tune fuit ... kann sich offenbar nur auf vigilia, nicht auf resurrectionis beziehen ; denn in letzterem Falle würde Ostern auf den 9. April gefallen sein, was nur 1010 zutrifft. Damals war aber der gleich darauf erwähnte Gero noch nicht Erzbischof von Magdeburg. Es kann also nur 1015 sein, damals fiel Ostern auf den 10. April, die Vigil also tatsächlich auf den 9. April . Ueberdies ist uns durch Stumpf, Reg. n. 1648, datiert von 1015, April 17, die Anwesenheit des Kaisers in Merseburg für diese Zeit bezengt .

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4. Die Gesellschaft der Kaiser, der Böhmenherzog Othelrich, Erzbischof Gero und Bischof Thietmar, verbrachte die Festtage in guter Laune. Abt Radbald hielt also damals weder ein Hochamt, nch war er überhaupt in Merseburg.

Dennoch ist

die Angabe Thiet-

mars für uns von Wert, weil wir dadurch den Todestag Radbalds erfahren. Die betreffende Stelle im Ckronikon findet sick zwar, wenn ich Lappenberg' ) recht verstehe, in der Dresdener Handschrift desselben überhaupt nicht, und in der Brüsseler Is. auf Rasur, kann aber deshalb doch echt sein. Ist dies der Fall, dann fällt der Todestag Radbalds auf den 9. Aprsil 10152 ) . Duden schreibt dem Abte eine Regierungszeit von 21 Jahren zu . Eine anderweitige Bestätigung hierfür besitzen wir nicht ; jedoch, da die Urkunde Otto III. von 994 ( DO . III, 151 ) unecht ist , so ist die Angabe Dudens sehr wohl möglich. l'eber die unter Radbald stattgefundene Schenkung des Grafen. Balderich kann ich wohl auf Crecelius, Trad. I, u 94 , S. 48 verweisen.

Heithanrich.³) Ehemals Propst zu Werden, wurde er nach Radbalds Tode zu dessen Nachfolger gewählt. Unter ihm wurde dem Kloster, wahrscheinlich zum ersten Male, die Ehre zuteil, einen kaiserlichen Gast zu beherbergen : K. Heinrich II. feierte im Jahre 1017 zu Werden das Pfingstfest * ) . Gleichwohl nahm man keinen Anlass, bei dieser Gelegenheit vom Kaiser sich ein Diplom zu erbitten, offenbar deshalb , weil Heinrich II. bereits früher die Privilegien der Abtei bestätigt hatte") . Dafür liess sich aber Heithanrich nach der Thronbesteigung Konrad II. von diesem sogleich die früheren Privi') in der Anm. in Mon. Germ . SS . III , 839. 2 ) nicht 1016, wie Jacobs, Ann . S. 39 , Anm. 47 irrtümlich angibt. 3) Die zu Beginn des 11. Jahrh . gebräuchliche Schreibweise dürfte wohl Heidanricus gewesen sein. 4) Thietmar, Chron. VII , 41 Mon. Germ . SS . III , 854 : „ Imperator . venerabiliter celebravit, abbate Hethenrico Pentecosten in Wirthunu sibi pleniter ibidem servienti ". 5) Jedoch ist diese Immunitätsbestätigung Heinrich II. nicht mehr vorhanden .

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legien der Abtei bestätigen.

Da die Urkunde aus Mainz, 1024

Sept. 10, datiert ist, Konrad II. aber am 8. September daselbst zum Könige gekrönt wurde , so dürfte der Abt von Werden bei der Krönung zugegen gewesen sein. Ganz unbegründet ist je doch der Schluss Müllers ) , Heithanrich habe auch an der Wahi Konrad II. teilgenommen, die übrigens gar nicht in Mainz, sondern in Caub stattfand. Wir besitzen noch eine Urkunde Kourad II. an Abt Heithanrich, datiert vom 10. Oktober 1036.

Dieselbe ist unecht ) ,

gehört jedoch bereits einer anderen Gruppe von Fälschungen an , die um die Mitte des 12. Jahrhunderts hergestellt wurden . Inhaltlich kann das Diplom, die Bestätigung eines Lebereinkommens zwischen Abt Heithanrich und dem Klostervogte Grafen Hermann, immerhin echt sein") , nur passt sie nicht in das Jahr 1036 , da Heithanrich damals längst tot war. Aus mehrfachen Bemerkungen und Korrekturen bei der Datierung dieser Urkunde in den Copien der beiden Privilegienbücher ersieht man, dass die Datierung schon frühzeitig Schwierigkeiten bereitete. Man wollte das Stück auch zum Jahre 1026 cinreihen, aber weder Burchard noch Bardo bekleideten damals die ihnen in der Urkunde beigelegten Aemter eines Kanzlers, bezw. Erzkaplans. Crecelius (Trad. I, S. 68 , Nachtrag) versucht, von der Origi nalität der Urkunde überzeugt, den Widerspruch damit zu erklären, dass unter Abt Heithanrich bereits der Vertrag mit dem Vogte abgeschlossen, aber erst unter dem 2. Nachfolger, Gerold , von Konrad II. bestätigt wurde, wobei aus Versehen der Name des ersteren Abtes statt Gerolds in die Urkunde überging.

Be-

friedigen kann diese Erklärung nicht, sie ist schliesslich auch

1 ) a. a. O, S. 160 , Anm. 8. 2) ebenso das aufgedrückte Siegel. 3) Kötzschke (Beiträge X, 82, Anm. 3) glaubt in einer Urbar-Eintragung (Urb. III, § 50) einen Beleg hierfür gefunden zu haben. - Sicherlich mussten dem Vogte bestimmte Güter und Abgaben zum Lebensunterhalte und als Einnahmequelle von der Abtei zugewiesen werden. Auch Dienstleistungen konnte er beanspruchen, und allem Anscheine nach haben übermässige Forderungen der Vögte in dieser Hinsicht den Abt bewogen, lieber in materielles Opfer zu bringen . als die Arbeitskräfte des Klosters ungebührlich ausnutzen zu lassen. Daher in der Urkunde der Passus : „ nt (scilicet Herimannus advocatus ) pro servitio, quod ex villicis vel familia exigere solebat , hos manses infrascriptos . . in beneficium acciperet " .

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nicht von besonderer Bedeutung, da die betreffende Urkunde doch kein Original ist. -Heithanrich soll am 11. November 1030 gestorben sein. Mit Rücksicht darauf, dass sein

Nachfolger beinahe

ein ganzes

Jahr Abt in Werden, und darauf noch ein halbes Jahr Abt von Hersfeld war, andererseits aber schon am 30. Mai 1031 als Erzbischof von Mainz investiert wurde, kann das angegebene Jahr unmöglich richtig sein, wohl aber 1029 , weil damit alle Schwierigkeiten befriedigend gelöst werden.

Bardo . Als Kaiser Konrad II . im Sommer 1025 nach Fulda kam , erregte dort ein Mönch des Klosters seine besondere Aufmerksamkeit. Nicht lange nachher berief ihn der Kaiser an den Hof, und, nachdem er ihn ehrenvoll empfangen, teilte er ihm seine Ernennung zum Abte von Werden mit') . Der Mönch war Bardo. Durch diese eigenmächtige Einmischung des Kaisers wurden noch einmal vorübergehend die alten Rechte der Abtei verletzt. Jedoch der untadelhafe Charakter des neuen der Abtei aufgezwungenen Abtes, seine hohe Abkunft, und sein Ansehen beim Kaiser mochten die Gemüter unschwer besänftigt haben. L'ebrigens war dem neuen Abte kein langes Wirken in Werden beschieden, noch vor Jahresfrist vertauschte er in gleicher Eigenschaft Werden mit Hersfeld, bis nach etwa halbjähriger Tätig keit der Wille des Kaisers ihn auf den erzbischöflichen Thron von Mainz berief ( 1031 , Mai 30 ) .

Bardo ist der erste Abt von

Werden, der nicht als solcher gestorben ist. Wann er die Lei tung der genannten Abtei übernommen hat, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen . Wie ich bereits bei Heithanrich erwähnt habe, wird man den Antritt mindestens in das Jahr 1029 setzen 1 ) In der vita Bardonis von Vulculd, cap. 3 ( Mon. Germ . SS. XI , S. 318) wird erzählt : Interim . . . divina disponente gratia in castro Wirdina dicto, patri monasterii defuncto in locum abbatis surrogatur beatus Bardo. In der vita maior Bardonis, cap. 8 (Mon. Germ. SS. XI, 326) heisst es nach der Erzählung über den Besuch K. Konrads in Fulda : Non multo post misso nuntio ad abbatem praefatum sanctum virum sibi mitti praefecit . . . . quem honorifice suscipiens imperator, circumstantibus ostendit .... Post haec promovit eum . . . inter amicos, fecitque eum abbatem Werdinensium, dicens : „ Sicut audivimus de te, sic videamus ! “

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müssen ; die Worte in der vita major ' ) : ,,non multo post", die sich auf das Jahr 1025 beziehen, würden sogar den Schluss auf einen noch vor 1029 erfolgten Regierungsantritt gestatten. Von seiner abteilichen Tätigkeit ist uns nichts überliefert , was aber bei der kurzen Dauer seiner Regierung nicht zu verwundern ist.

Gerold .

Unter diesem Abte scheint das Stift Werden einen ganz hervorragenden Aufschwung genommen zu haben. Regierungszeit einerseits, -- sie währte 20 Jahre,

Seine lange die man-

nigfachen Bedürfnisse des aufstrebenden Klosters andererseits, gaben ihm reichlich Gelegenheit zu vielseitiger Tätigkeit. Wir sehen ihn vor allem darauf bedacht, die Rechte der Abtei, welche mit der Ernennung Bardos zum Abte von K. Konrad I !. ein wenig bei Seite geschoben worden waren, wieder geltend zu machen. Zum ersten Male sehen wir den Fall eintreten, dass der neue Abt sich von dem Herrscher eine Bestätigung der Privilegien erbittet, obwohl derselbe Herrscher, und noch nicht lange zuvor ( 1024), bereits eine solche gewährt hatte. Dies hängt wohl ohne Zweifel mit der Ernennung Bardos zusaminen, denn

das

Privilegium

der

Ruhrschiffahrt, um

welches das

Diplom von 1033 gegenüber von 1024 erweitert erscheint , ist für jene Zeit von sehr problematischem Werte ! Das genannte Diplom von 1033 , April 282 ) ist das erste in der Werdener Urkundenreihe, von dem man ohne Bedenken und ohne Einschränkung sagen kann : es ist ein Original. Geschrieben ist es von einem Beamten, der zuerst unter Kanzler Ondalrich auf der Rückkehr von Konrads erster Romfahrt ein Stück (Stumpf Reg. 1954 ) für Trient

ausfertigte,

dann im

Jahre 1030 drei Diplome schrieb, und schliesslich unter Kanzler Burchard ausser unserer Urkunde noch Stumpf, Reg. 2041 herstellte").

Inhaltlich schliesst sich diese Bestätigung ganz an das

1) vgl. die vorhergehende Anm. 2) Stumpf, Reg. 2037 ; Lacomblet, UB. I, n. 168, S. 104. Facsimile bei : Sybel-Siekel, KU. i . A. , Lief. II. Taf. 3. Original mit echtem gut erhaltenen Siegel im kgl . Staatsarchive in Düsseldorf. 3) Bresslau, KU. i . A. , Text, S. 19.

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Diplom desselben Herrschers von 1024 an.

Neu aufgenommen

ist das Previlegium der Ruhrschiffahrt von Werden bis zur Mindung der Ruhr in den Rhein' ) . Als Heinrich III. den deut-chen Thron bestieg, säumte Gerold nicht, sich auch von ihn die Bestätigung der früheren Privilegien erteilen zu lassen und er hielt sie durch das Diplom von 1040, Januar 18 ) , inhaltlich mit der vorhergehenden Urkunde wörtlich übereinstimmend. Ausserdem lauten auf Gerolds Namen noch 2 unechte Urkunden : die eine von Konrad II. 1036 , October 10") , die andere von Heinrich III. ) mit dem gleichen Datum, wie das echte Diplom dieses Herrschers.

Das Falsifikat auf den Namen Kon-

rad II. betrifft die angebliche Schenkung des Gutes Eithera, und könnte auf echter Vorlage beruhen. Das Falsifikat auf den Namen Heinrich III. befasst sich wieder mit dem Privilegium der Vogternennung, und ist sicher eine Fälschung ohne echte Vorlage. Die vorhandenen Nachzeichnungen gehören der Mitte des 12. Jahrh. an"). Mit dem Privilegium der Ruhrschiffahrt müssen wir uns Roch ein wenig befassen. Da die betreffenden Diplome im Originale vorliegen, so ist an dieser Verleihung nicht zu zweifeln ; aber wir fragen uns erstaunt : Was für einen Nutzen konnte damals das erwähnte Privilegium der Abtei Werden bringen, wo die Ruhr ,, noch ein wild über Felsen dahinfliessender Giessbach war

) Das natürliche Gefälle der Ruhr beträgt' ) 80 bis

110 cm auf 1 km (= 0.8-1.1 spielsweise 15-20 cm pro kin (

/00),

das des Niederrheins bei-

0.15-0.2 900 ) ; somit ist das

Gefälle der Ruhr fünfinal so gross, als das des Rheines, und be1 ) Wenn Bresslau ( 1. c. ) von diesem Diplome sagt : „ Jene ausgedehnten auf höchst unsicheren Grundlagen beruhenden Privilegien des Klosters empfingen erst durch unser Diplom eine unantastbare Basis ", so wird man diese Ansicht, soweit sie das Privilegium der freien Vogternennung betrifft. micht teilen können . 2 ) Stumpf, Reg. 2164 ; gedr. bei Lacomblet, UB , I , n . 171 , S. 106. Das Original. jedoch mit unechtem Siegel, im kgl . Staatsarchive zn Düsseldorf. 3) Stumpf, Reg. 2080 ; gedruckt bei Stumpf, acta III , n . 46 , S. 51. 4) Stumpf, Reg . 2165 ; gedr. bei Lacomblet, UB. I , n. 172, S. 107. 5 ) Ich rechne sie zur 2. Gruppe der Werdener Nachzeichnungen , und verweise auf deren Besprechung in meiner Arbeit : KU. für d . Stift Werden . 6) Vgl. Flügge, Chronik der Stadt Werden S. 78. 7) nach Schunken, S. 211 , dessen Angaben ich jedoch in unser Masssystem umgerechnet habe.

87

kanntlich ist es erst unter Abt Johann IV . ( 1774—1780 ) , und nur durch Anlegung von fünfzehn Schleusen, gelungen, den' reissenden Fluss der Schiffahrt dienstbar zu machen. Selbst vereinzelte

Fahrten mit kleinen Booten müssen früher mit

grossen Schwierigkeiten verbunden gewesen sein, und Flügge (1. c. ) behauptet geradezu, die Ruhr hätte vor ihrer Regulierung noch keinen einzigen Nachen getragen.

Auffallender Weise er-

wähnt auch Müller, wo er über das Wasserregal handelt'), nichts von Ruhrschiffahrt. Nach ihm umfasst das genannte Regal : das Recht des Schleusen- und Mühlenbaues, das Besitzrecht der auf der Ruhr befindlichen Inseln, die Ueberfahrt und

Fischerei.

Nach Kötzschke " ) werden ,, in nicht viel späterer Zeit“, einige Schiffer in Werden'schen Diensten erwähnt ; ob diese aber gerade Ruhrschiffer gewesen sein müssen? Wie dem auch sei, das Privilegium ist gegeben worden, und ausser der echten Urkunde Heinrich III. ist es auch in die Konrad III. ") übergegangen. Einigen Wert muss es also unter den erwähnten Umständen für die Abtei Werden doch gehabt haben ). Grosse Beachtung dagegen verdient bei Abt Gerold dessen Bautätigkeit .

Diese erstreckt sich vor allem, wenn auch gewiss

nicht ausschliesslich, auf die religiösen Bedürfnisse der Klosterhintersassen.

Der Bau der von Abt Werinbraht begonnenen

Luciuskirche wurde fortgesetzt , und konnte bereits unter Gerolds Nachfolger zum Abschlusse gelangen.

Ganz in der Nähe

des Klosters, auf dem späteren Markte , errichtete er in den Jahren 1042--1047 eine Kapelle zu Ehren des hl. Nikolaus, in weiche sich in der Folgezeit der Marktort Werden gruppiert"). Der Zuzug zahlreicher Einheimischer und Fremder am Nikolaifeste brachte denn alsbald einen regen geschäftlichen Verkehr mit sich, aus dem sich ohne Zweifel der Jahrmarkt entwickelte ,

1) a. a. O. § 68, S. 220. 2) Beiträge X. S. 17 ; vgl . Urbare, III , § 47. 3) von 1147, Oktober 17 ; Stumpf Reg. 3552 , Lacomblet , UB. I , n . 358 , S. 245. 4) Zu gewissen Jahreszeiten mag die Ruhr wohl einen gleichmässigen Wasserstand gehabt haben, der es ermöglichte, den unteren Lauf des Flusses von Werden bis zur Mündung in den Rhein wenigstens stromabwärts mit kleinen Fahrzengen zu benutzen. 5) Die Verehrung des hl . Nikolaus muss damals sehr populär gewesen sein, denn unter dem nächsten Abte, Gero, wird ihm in der restaurierten Krypta auch ein Altar geweiht.

88

der ja bezeichnender Weise an diesem Tage, und nicht an einen Liudgerifeste stattfand. Als dann der Verkehr noch grösser, die Bedürfnisse mannigfacher geworden waren, wurde den Be wohnern des Ortes auch ein Wochenmarkt bewilligt ' ). Auch ausserhalb des engeren Immunitätsbezirkes wurden Gotteshäuser errichtet, so 1036 eine Kapelle zu Ehren des hl. Markus in Bredenei ; so eine Kirche in Lüdinghausen, welche 1037 Juli 11 durch den Bischof von Münster die Weihe erhielt. Aber auch für die öffentliche Sicherheit des Klosters hat Gerofl Sorge getragen.

Dahin wenigstens werden wir die Stelle in

Vuleulds vita Bardonis ) erklären dürfen, wo Werdina bereits castrum genannt wird, also wohl befestigt war. Zur Ausführung solcher Werke waren natürlich reichliche Hilfsmittel vonnöten, und so sehen wir auch, wie zu Gerolds Zeiten die Schenkungen an das Kloster wieder häufiger werden"). Bei der Sorge für die äussere Entwicklung dee Stiftes vergass indessen Gerold nicht dessen innere Ausgestaltung und Festigung. Nachdem er es nicht hindern konnte, dass die Vogtei, die er gerne selbst vergeben hätte , in die Hände der Herren (und späteren Grafen) von Berg überging, suchte er von seiner Selbständigkeit wenigstens soviel zu retten, als möglich war. Wie Kötzschke ) ausführt, fällt in die Zeit Gerolds die Entstehung mehrerer Sondergerichte, teils für das engere Klostergebiet selbst, teils für einige in der Umgebung liegende Klosterhöfe, teils endlich für die Dienstmannen des Klosters. Für letztere Art von Sondergericht (Dienstmannengericht) haben wir ein Zeugnis allerdings erst aus der Zeit Geros ) , welches jedoch die Einsetzung desselben unter Abt Gerold nicht ausschliesst ) . 1) Vgl. das bei Abt Folkmar Gesagte. 2) cap. 3 [ Mon. Germ. SS. XI , S. 318] ; die vita ist bald nach dem Tode Bardos ( 1051 ) verfasst worden. 3) Vergl. das Verzeichnis derselben bei Crecelius, Trad. J. -- Gerold selbst machte, um sich bei den Brüdern ein dauerndes Andenken zu sichern, eine Memorienstiftung im Jahre 1047. Die Urkunde befindet sich im liber Priv. Major, fol . 29 (Crecelius, 1. c. n . 90, S. 52). Die Unrichtigkeit in der Datierung : Konrado III . anstatt Heinrico III. ist wohl auf einen Irrtum des Copisten zurückzuführen. 4) Beiträge X , S. 83. 3) Crecelius, Trad. I, n. 103. 6) Vielleicht hängt dessen Einsetzung zusammen mit der Einführung der vier Hofämter,

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Aehnlich verhält es sich mit den Zeugnissen für das Vorhandensein der beiden anderen Arten.

Ich folge hier lediglich den

Ausführungen des oben genannten Autors, die sich allerdings zum Teil auf das bezüglich

seiner

Ueberlieferung

ebenfalls

nicht einwandfreie Diplom Heinrich IV. vom Jahre 1098, Mai 23¹) stützen . Wenn wir aber dem Inhalte dieser Urkunde Glauben schenken dürfen, dann bestand für eine Anzahl von Stiftshöfen 29nach altem Rechte" Freiheit von der Gerichtsbar keit des Stiftsvogtes, somit ein eigenes von letzterem unabhängiges Sondergericht, dessen Ursprung vielleicht gerade in jene Zeit fällt, in welcher die Streitigkeiten zwischen der Abtei und den sie hart bedrängenden Vögten ihren Anfang nahmen. war aber der Fall unter dem Abte Gerold.

Dies

Auch auf die Entfaltung eines äusseren Glanzes scheint. Gerold Wert gelegt zu haben.

Zum erstenmale geschieht unter

ihn in Werdener Urkunden Erwähnung eines abteilichen Siegels ) .

Ob Gerold auch ein Wappen führte, darf wohl verneint

werden ) .

Jedoch möchte ich mit grosser Wahrscheinlichkeit

behaupten, dass die vier Hofämter oder wenigstens einige derselben diesem Abt ihre Einführung verdanken*). Von einem Verdachte wird man aber auch Gerolds Regierungszeit nicht ganz reinigen können. Um sich manche vielleicht wirkliche Rechte für die Zukunft zu sichern, andere zu verschaffen, wurden in Werden sogut wie anderswo mehrmals vorhandene Urkunden verunechtet ,

oder,

teilweise an Stelle

von einfachen Immunitäten, ganz neue angebliche Originalurkunden verfertigt. Viele Argumente nötigen zu der Vermutung, die Herstellung der ersten Gruppe dieser unechten Urkunden" )

1) Stumpf. Reg. 2941 Lacomblet, UB. IV. S. 765. 2) Vgl. die Urkunde bei Lacomblet, UB . I , n . 188. 3) Saldenberg (vgl . Jacobs, Werdener Ann. S. 42) behauptet, dass Gerold in seinem Familienwappen einen Löwen geführt habe. Bezüglich des abteilichen Wappens glaubt Grote (Münzstudi n III, S. 420) , dass ein so'ches für das ganze Mittelalter nicht anzunehmen sei . Das spätere abteiliche Wappen, zwei gekreuzte Bischofsstäbe, ist zuerst unter Abt Konrad von Gleichen (1454-1474) auf den von ihm geprägten Münzen nachweisbar. 4) Vgl. wieder das bei Abt Folkmar Gesagte. 5) Sie umfasst die Diplome Otto II . ( DO . II, 88) , Otto III. (DO . III , 17), Heinrich II . ( DH. II , 9 ) , vermutlich auch noch je ein Diplom Otto II. und Otto III. (DO. II, 290, und DO . III , 151 ) , welche jedoch nur in Copien überliefert sind.

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in die Mitte des 11. Jahrh. zu verlegen ; und wenn man die Siegel frage dieser angeblichen Originale mit dem Schreiber in Zusammenhang bringen darf, dann ist kaum ein Zweifel, dass die Fälschungen noch unter Abt Gerold angefertigt wurden¹) . Gleichwohl gehört die Regierung dieses Abtes zu den tatenreichsten und nicht minder zu den bedeutungsvollsten für die Abtei Werden, und wir können dem Lobe beipflichten , das ihni II. Duden spendet, indem er ihn nennt : ,,vir magni nominis, qui et multa praeclara, dum regeret, gessit. "

Gero.

Auf Gerold, der nach fast 20jähriger Regierung am 19. Oktober²) aus dem Leben schied , folgte Gero. Da in dessen Zeit eine Urkunde fällt, welche einen gewissen Gerhard als Abt bezeichnet, so hat Crecelius") die Schwierigkeit dadurch zu beseitigen versucht, dass er die beiden Namen identifizierte und die Form Gero als ,,Koseform" für Gerhard erklärte. Die Richtigkeit dieser Vermutung angenommen, müsste es doch etwas befremden, dass gerade in dieser einzigen Urkunde nicht die Koseform gewählt wurde und dass man im Necrologium einenAbt mit dem Kosenamen, statt des richtigen Namens eingetragen haben sollte. Im Berliner Kalendarium steht aber beim 15. März der Tod des Abtes Gero. Dagegen vermissen wir darin den Abt Gerhard ; denn der beim 12. November angeführte Abt Gerardus ist der jenige, welcher 1228-1252 regierte.

Wohl aber findet sich im genannten Kalendarium zum 18. März der Tod eines Propstes Gerardus eingetragen ) .

Ohne behaupten zu wollen, dass dieser Propst Gerhard mit dem in der oben erwähnten Urkunde Erzbischof Hannos von Köln genannten Abte Gerhard identisch

- ist, können wir dennoch, glaube ich, auf die unwahrscheinliche Erklärung von Crecelius verzichten, denn die betreffende l´r1) Die Siegel : anf DH. 26 , identisch mit dem auf Stumpf, Reg. 2164, sowie auf DH . II , 9 sind nämlich sämtlich den Siegeln Heinrich III. nachgebildet. 2 ) so Duden ; das Berliner Kalendarium dagegen hat : 18. Oktober. 3) Trad. II , S. 1 . 4 ) Nebenbei bemerkt, sind Propst und Dekan keine „ Kloster beamte“, wie Crecelius sie nennt, sondern geistliche Würdenträger, denen allerdings ein bestimmter Wirkungskreis zugewiesen ist .

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kande ist ja doch nicht echt, sondern eine Nachzeichnung aus der Mitte des 12. Jahrh. Für jene Zeit einen Abt Gerhard anzunehmen, wo sonst keine Nachrichten über einen Vorsteher dieses Namens vorhanden sind ' ) , und für einen solchen überhaupt gar kein Platz ist, ist unbegründet. Bei der oben erwähnten Nachzeichnung dürfte also wohl nur ein Irrtum des Schreibers vorliegen, da eine andere Ausfertigung dieser Urkunde , welche aber ebenfalls kein Original sein dürfte, statt Gerhard den Namen Gero hat. Gero setzte die Bautätigkeit seines Vorgängers fort. Wir besitzen eine Notiz im liber Priv. major fol. 38b, (bei Crecelius, Trad. II, n. 102) über eine vom Abte Gero im Jahre 1059 gemachte Memorienstiftung, worin es heisst : ,, Gero abbas cryptam veterem diruens honestissimae reaedificationis structura eam reparavit. " Das Gleiche berichten die Chronisten : so Duden zum Jahre 1063 : „ Gero abbas antiquam et annositate collapsam cryptam restauravit"; ähnlich G. Overham und Bucelinus. Ein Unterschied zwischen der Notiz im Privilegienbuche und der Angabe der Chronisten besteht nur darin, dass nach der ersteren der Neubau als eine Folge des von Gero vorgenomme nen Abbruches, nach der letzteren als die Folge eines stattgefundenen Einsturzes erscheint. Eff ni a n n² ) bemerkt hierzu : „ Gegenüber der Angabe einer gleichzeitigen auf den Erbauer selbst zurückgehenden Urkunde treten die Mitteilungen der um 6 Jahrhunderte später schreibenden Chronisten zurück ; es ist deshalb daran festzuhalten, dass Gero die alte , räumlich beschränkte Gruftkapelle der Liudgeriden abgebrochen, und an ihrer Stelle ein geräumigeres mit Altären ausgestattetes Oratorium errichtet habe.

Die Mitteilungen der Chronisten von

dem Einsturze der Krypta erklären sich durch den Umstand, dass der Bau Geros, wie später nachgewiesen wird, noch in demsellen Jahrhunderte weitgreifenden Reparaturen unterworfen worden ist." Zu diesen Ausführungen Effmanns möchte ich nur bemer1) Weder Duden noch Overham erwähnen einen Abt Gerhard , obgleich ihnen die Urkunde Hannos wohl bekannt sein musste. 2) a. a. O. I, S. 64.

92

ken, dass eine seiner Voraussetzungen nicht ganz zutreffend ist. Die im älteren Privilegienbuche enthaltene und von Crecelius mitgeteilte Notiz über die Memorienstiftung Geros kann nicht als eine gleichzeitige, auf den Erbauer ( d . i . Gero ) selbst zurückgehende Urkunde" betrachtet werden ; sie ist lediglich ein , allerdings wohl auf Grund der Stiftungsurkunde gemachte registerartige Aufzeichnung mit Beifügung der Zeugen. Uebrigens ist auch diese Aufzeichnung formell nicht einwandfrei. Die Datierung lautet : anno 1059, Indictione XII. ( Overham hat fälschlich Indict. IV . ), regnante gloriosissimo rege Heinrico 66 tercio . . . “ Nun war aber Heinrich III. — übrigens seit 1046 bereits Kaiser , schon 1056 gestorben ; es muss also jedenfalls Heinrico IV. heissen . Dennoch , glaube ich, werden Effmanns Ausführungen dadurch nicht abgeschwächt. Also nicht unter Abt Adalwig, wie manche anzunehmen geneigt sind' ) , sondern bereits unter dessen Vorgänger Gero hat der Bau der neuen Ludgeridenkrypta an Stelle der alten und 840 errichteten stattgefunden. Effmann macht neben äusseren Gründen mit Recht auch einen inneren dafür geltend : es sei unwahrscheinlich, 99 dass die Confessio in derselben Zeit erbaut worden sei, in der die Gebeine des Confessors ihrer bisherigen Ruhestätte entzogen wurden, und dass derselbe Mann (Adalwig) , der die Uebertragung vorgenommen und die Reliquien auf dem Hochchore in kostbarer Tumba beigesetzt hat, eine solche der inneren Berechtigung gänzlich entbehrende Gruftanlage neu geschaffen und auch noch mit einem leeren Sarkophage ausgestattet habe." ,,Wenn somit die Angabe, dass Adalwig die Krypta a fundamento" erbaut hat, zwar zurückgewiesen , der Einsturz der Krypta aber, von dem die Chronisten berichten , auf den Geronischen Bau bezogen werden muss, so stellt sich Adalwigs Bautätigkeit doch als eine so tiefgreifende heraus, dass die Art, wie überraschen ihrer Erwähnung geschieht, nicht besonders kann ) . " In der neuerbauten Krypta liess Gero an der Ostseite 3 Al täre aufstellen. Ausserdem scheint nach dem Berichte der Chro1) Vgl. Effmann , a. a. O. S. 62 , 63. 2) Vgl. Effmann, a. a. O. 8. 73.

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nisten auch der Altar über dem Grabe des hl. Liudger neu errichtet worden zu sein. Die Weihe der Altäre nahm Erzbischof Hanno II . von Köln im Jahre 1059 vor.

Als sehr auffallend muss es erscheinen, dass Gero es unterlassen hat , bei Kfinig Heinrich IV. die Bestätigung der aiteilichen Privilegien einzuholen.

Es ist dies umsomehr zu ver-

wundern, da um jene Zeit die erste Gruppe der nachgezeichneten Diplome bereits vorgelegen haben muss . Sicher ist, dass nirgends einer Urkunde Heinrich IV. von Abt Gero Erwähnung geschieht. Ueber

Geros Memorienstiftung wurde schon gehandelt .

Sein Todestag fällt auf den 15. März 1063 .

Giselbert. Auf Gero folgte zunächst Giselbert. Er hatte unter Abt Gero das Amt eines Priors bekleidet ' ) . Unter ihm wurde im Jahre 1063 durch Erzbischof Hanno von Köln eine neue Karelle bei Werden, neoecclesia oder Neukirche genannt, einge weiht, in welcher der genannte Abt nach dreijähriger Regierung auch seine Ruhestätte fand († 1966 am 10. August )") . L Unter Giselberts Regierung hatte K. Heinrich IV. mit Diplom vom 16. October 1065 dem Erzbischofe Adalbert von Bremen den Bannforst zwischen Rhein, Düssel und Ruhr bis zur Brücke bei Werden geschenkt . Ob und inwieweit dadurch die abteilichen Rechte eine Einbusse erlitten, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls war der Akt nur von kurzem Bestande . Interessant ist er aber für uns deshalb, weil daraus hervorgeht , dass Werden um die Mitte des 11. Jahrhunderts mit dem rech ten Ufer der Ruhr bereits durch eine Brücke verbunden war. vielleicht ein Werk des Abtes Gerold.

1) Vgl. Crecelius, Trad. II , n . 102. 2 ) Eine von Giselbert dem Kloster gemachte Schenkung steht im liber Priv. major, fol. 31 b (bei Crecelius, Trad. II , n . 106 ) .

94

Adalwig . Er dürfte schon ziemlich bejahrt gewesen sein, als er zur Abtwürde erwählt wurde.

Denn er war ursprünglich Mönch zu

Fulda, kam unter Gerold oder Gero nach Werden, bekleidete unter letzterem bereits das Amt eines custos ecclesiae ' ) , und bald auch das eines Propstes.

Die Angabe Dudens (zum Jahre

1066 ) , Adalwig sei von Fulda ,,in curam abbatialem" nach Werden berufen worden, beruht also auf Irrtum. Der genannte Chronist preisst Adalwig als

spectatae aue-

toritatis vir, qui multa praeclara, dum praefuit, gessit, quemadmodum in multis antiquis scriptis legitur2 ) . Dieses Lob bezieht. sich jedenfalls auf die Tätigkeit dieses Abtes auf kirchlichem Gebiete .

Die geänderten Zeitverhältnisse, in denen man an den

dunklen Krypten wenig Gefallen mehr fand, vielleicht auch der Einsturz des Deckengewölbes in der vom Abte Gero erbauten Krypta, mochten ihn veranlasst haben, die Reliquien des Stifters von Werden aus seiner langjährigen Ruhestätte auf den Altar der Salvatorkirche zu übertragen. Die in einer kostbaren Tumba aufbewahrten irdischen Ueberreste des Heiligen wurden hinter dem Hochaltare genau über der Confessio beigesetzt ; sie ruhten auf 2 Säulen , deren Reste samt dem Unterlagsteine noch vorhanden sind" ) .

An ihrem Kopf- und Fussende sind diese mit

vergoldeten Kupferreifen umzogen, welche in eingravierten Buchstaben die bekante Inschrift tragen : Confer Adalwigo, Deus, requiem in paradiso , Qui peragebat opus, quo nitet iste locus. Inter conjunctas fidei compage columnas Vivorum lapidum

da sibi Christe locum !

Der Einsturz des Deckengewölbes in der Krypta, dessen Ursache neben der Schwäche der Widerlager auch in einer übermässigen Stärke der wohl in Bruchstein hergestellten Gewölbe zu suchen ist, veranlasste Adalwig, den Bau Geros einer grind 1) als solcher erscheint er in einer Urkunde Geros von 1059 (Crec. Trad. II , n . 102 ) unter den Zeugen . 2) Grosse Bedeutung wird diesen Worten allerdings nicht beizulegen sein, sie finden sich beinahe gleichlautend bei den Aebten Gerold, Lambert und Gerhard . 3) Sie sind aber weder aus Porphyr, noch aus Marmor, wie die Chronisten berichten, sondern aus dem im 11. und 12. Jahrhundert viel benutzten Kalksinter des Römerkanals (vgl. Effmann , a. a. O. S. 46).

95

lichen Restauration zu unterziehen . tere Tuffstein verwendet.

Diesmal wurde der leich

Ausserdem wurde die Krypta mit.

einem reichen Bodenbelag, teils in Mosaik, teils mit Marmorplatten, ausgestattet ' ) . So berichtet A. Overham in den Collectaneen ? ,, Adalwigus ... in crypta · · pavimentum inferius opere plastrico collustravit" ; an anderer Stelle derselben Collectaneen : . . . opere plastrico (musivo ) expolivit. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde dieser Bodenbelag beseitigt, -im Jahre 1880 wurden die noch vorhandenen Bruchstücke etwas einheitlicher zusammengefügt

und die Lücken stilgemäss

er-

gänzt . Adalwig starb nach 15jähriger verdienstvoller Regierung am 27. October 1081. Gleich seinen Vorgängern machte er für sich eine Memorienstiftung " ).

Otto. Soviel aus den vorhandenen Urkunden zu entnehmen ist , scheint Otto vorher weder das Amt des Propstes noch des Decans innegehabt zu haben. Unter seiner 24jährigen Regierung empfing das Kloster zahlreiche Schenkungen" ) , darunter insbesondere im Jahre 1093 von einem gewissen Thuringus das Gut Dale. Was seine Vorgänger vielleicht unterliessen,

scheint Otto

nachgeholt zu haben, indem er sich von K. Heinrich IV. , dessen besonderer Gunst er sich erfreut haben soll, die, Privilegien der Abtei bestätigen liess .

In der Tat befinden sich im kgl. Staats-

archive zu Düsseldorf zwei angebliche Originalurkunden dieses Herrschers für Werden, datiert vom 10. beziehungsweise 23 . Mai 1098* ). Beide Urkunden tragen ein echtes Siegel ) ,

trotzdem

si

jedenfalls die zweite, vielleicht aber auch die erste kein Originai. 1 ) Vgl. Effmann , a. a . O. I , S. 124 ff. 2) Copie im liber Priv. major, fol. 31 b ; gedr. bei Crecelius, Trad . II . n . 110. 3) Copien davon im liber Priv. major, gedr. bei Crecelius , Trad . II, nn. 111-119. 4) Stumpf, Reg. nn. 2940, 2941 ; Facz. der ersteren in KU . i . A. IV , 20 . 5) Vgl. Bresslau, im Neuen Archiv, VI , S. 573.

96

Gegen die Stilisierung wäre nichts einzuwenden, da man auch anderwärts bereits seit der Mitte des 11. Jahrh. begonnen hatte, das alte Formular der Immunitäten zu verlassen. Auch inhaltlich erregt

die letztere in den vom Kaiser getroffenen

Verfügungen beim ersten Anblicke keine Bedenken. „ Es mag ja ", sagt Kötzschke') ,, dahingestellt bleiben, ob die vom Kaiser abgegebene Erklärung, dass nie ein Vogt ohne Geheiss des Abtes“ in den genannten acht Höfen²) „ den Vorsitz geführt habe, wirklich den Zuständen einer weiter zurück liegenden Zeit entsprochen hat." In Wirklichkeit ist ein solches Recht des Abtes urkundlich nicht nachweisbar ; wohl aber wissen wir, dass man in Werden seit langer Zeit den Versuch gemacht hatte, das Dass jemals der Vogternennung sich anzueignen.

Recht

zwischen dem Abte und dem Vogte eine Vereinbarung getroffen worden wäre, wornach die Höfe von der Vogteigewalt eximiert wurden, ist ebenfalls nicht zu belegen. Vielleicht haben wir es hier, gleichwie bei dem angeblichen Diplome Konrad II. von 1036 , October 10" ) , welches von einem Vertrage zwischen dem Abte Heithanrich und dem Vogte, Grafen Hermann , handelt , mit einem erdichteten Vertrage zwischen Abt Otto und dem Vogte Eberhard zu tun.

Wenn jedoch diese Höfe nicht an Mivon diesem sondern von

nisterialen des Klosters vergabt waren,

selbst bewirtschaftet wurden, so ist es wohl möglich, dass die hier mitgeteilten Verhältnisse tatsächlich noch zu Recht bestanden. Die Nachzeichnung stammt von der Hand eines Klosterschreibers, wahrscheinlich nicht vor der Mitte des 12. Jahrhunderts ) ; von der Schrift der anderen Urkunde Heinrich IV. sind die Schriftzüge dieser ganz verschieden5) . Gehen wir nun zu einer kurzen Betrachtung der ersten Urkunde

(Stumpf Reg. 2940 )

über .

Gegen deren

sprechen eine Anzahl wichtiger Gründe.

Originalität

Bedenken erregt die

1) Beiträge, X, S. 83. 2) Es sind die Höfe : Barkhofen, Kalkhofen, Hetterscheid , Öfte , Viehansen, Rothen, Ikten und Langenbögel.

3) Stumpf, Reg. n. 2079. 4) Denn ins ältere Privilegienbuch ist sie noch nicht aufgenommen ; anch Duden scheint sie nicht gesehen zu haben, da er sie nicht erwähnt. 5) Näheres in meiner Arbeit : Kaiserurkunden von Werden.

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arbalduf abban hefibras O.xxx bije core and say it

anus vriter bije duj

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d . dalung atten v abt ogeruf It abb O dul . tto abby Haldibran att in xx abb ... att Rocholful d abb aalbrandus

Ger atto

.Gerolduf attavi abb.11

att1sBardo

C.DIF

97

Schrift,

die

dreifach verschiedene Orthographie des

Kaiser-

namens, die ungewöhnliche Stellung des Monogramms unter der Recognition, endlich die Teilung der letzteren, die mir dem Siegel auszuweichen scheint , in zwei Zeilen. Jedenfalls ist die Urkunde von einem Klosterschreiber geschrieben worden. Da nun das echte Siegel Spuren einer künstlichen Befestigung nicht aufweist, und, wie erwähnt, die Recognition dem Siegel auszuweichen scheint, so liegt die Vermutung nahe, der Kaiser habe dem Abte Otto, mit dem er auf freundschaftlichem Fusse stand, ein besiegeltes Blanquett zur Ausfertigung überlassen.

Unter die-

ser Voraussetzung liessen sich auch die oben angeführten Bedenken zerstreuen. Inhaltlich dürfte die Urkunde ohnehin nicht anzufechten sein.

Denn die um die Mitte des 11. Jahrhunderts

in Werden angefertigten Nachzeichnungen von Kaiserurkunden, welche insbesondere die Rechte über die Vogtei zum Inhalte haben, mussten der Kanzlei Heinrich IV. wohl vorgelegt worden sein ' ) , und so kann es eigentlich nicht befremden, dass der Passus : ,,ut advocatio eiusdem abbatiae, sicut ab antecessoribus nostris statutum et confirmatum est, nostra concessione in praedicti abbatis et successorum eius dono et subiectione consistat“, in unser Diplom Eingang gefunden hat.

Dass es sich hier um

eine Interpolation handeln sollte, wegen welcher dieses Diplom mit Zugrundelegung einer echten Urkunde Heinrich IV. später in Werden angefertigt worden wäre, scheint mir nicht recht wahrscheinlich zu sein, da auch, wie bereits bemerkt, das echte Siegel keine Spuren künstlicher Befestigung aufweist²) . Im übrigen schliesst sich dieses Diplom in seinem Wortlaute ziemlich genau an die Vorurkunden an, soweit diese benutzt worden sind.

Für den dispositiven Teil wurde jedoch das

1 ) Auffallend ist nur, dass in der Narratio von Stumpf, Reg . n . 2940 bei Aufzählung der Vorurkunden des (angeblichen) Arnulfdiploms noch keine Erwähnung geschieht. Die Erklärung hierfür dürfte aber darin zu suchen sein, dass die auf den Namen Arnulfs und Heinrich I. lautenden Nachzeichnungen eben nicht zur Gruppe der ottonischen Nachzeichnungen , bezw. Fälschungen gehören , sondern später angefertigt wurden. 2) Auch Bresslau (KU. i . A., Text S. 72) hegt gegen die Echtheit der Urkunde keine Bedenken, begründet dies jedoch damit, dass die fraglichen Vogteirechte der Abtei „ schon durch das Originaldiplom Heinrich II . mindestens im gleichen Umfange verbrieft worden " seien. In letzterem Punkte , die Originalität von DH II, 9 betreffend , bin ich allerdings der entgegengesetzten Ansicht.

98

alte Formular aufgegeben , ein I'mstand, der sich aus den geänderten äusseren Verhältnissen erklärt und in den Diplomen Heinrich IV . zahlreiche Parallelen hat. Die Originalität dieser Urkunde Heinrich IV.

vom

10 .

Mai 1098 vorausgesetzt, hätten wir also hier die erste kaiserliche Bestätigung der vielumstrittenen Vogteirechte der Abtei Vor uns. Damit wären dann auch die unechten Vorurkunden als rechtsgiltig anerkannt worden, die DD. Karls d. Gr. und Arnulfs ausgenommen, deren auch in dieser Urkunde noch keine Erwähnung geschieht . Ist aber das genannte Diplom Heinrich IV. echt, dann ist, von den anderen Merkmalen ganz abgesehen, das zweite Diplom dieses Herrschers ( Stumpf Reg. n. 2941 ) eo ipso unecht.

Wo dem Abte das unbeschränkte Verfügungsrecht

über die Klostervogtei zuerkannt wurde, ist es ganz undenkbar, dass derselbe Abt wenige Tage später wegen Bedrückung von Seite des Vogtes mit diesem einen Vergleich eingeht, und die Abtei dem Vogte für immerwährende Zeiten tributpflichtig macht. Die Schrift der zweiten Urkunde weist vielmehr auf das 12. Jahrh. hin, und aus dem I'mstande, dass der Schreiber des älteren Privilegienbuches nur ein Diplom Heinrich IV. kennt, dürfen wir mit Sicherheit schliessen, dass die letztge nannte Urkunde eine nicht vor mung ist.

1150

angefertigte Nachzeich-

Abt Otto hatte auch einen Streit mit den beiden Filialkir chen, der Clemenskirche auf dem Borner Berge, und der Lucmsoder Neukirche. Eine gewisse Selbständigkeit, welche den beiden genannten Kirchen von der Abtei zugestanden wurde. scheint alsbald dazu geführt zu haben, dass sich diese Filialkir chen von der Mutterkirche unabhängig zu machen strebten und sich auch verschiedene Einkünfte zu sichern suchten. Abt Otto brachte die Angelegenheit im Jahre 1103 vor die erzbischöfliche Synode in Köln, und wies dort nach, dass sowohl die Besetzung als die Einkünfte ausschliesslich der Hauptkirche zukommen ' ) . dass Begräbnisse in beiden Kirchen überhaupt nicht gehalten, Taufen nur im Notfalle gespendet werden dürfen.

Die Synode

1 ) Procurationem et donum altaris . . . totum ad principale . Liudgeri " altare , ad quod omnia terminata sunt , destinandum esse heisst es in der diesbezügl. Urkunde Erzb . Friedrichs von Köln.

99

pflichtete diesen Darlegungen des Abtes bei, und Erzbischof Friedrich bestimmte, dass an dem alten Herkommen nichts geändert werden dürfte ' ) .

Von dauerndem Erfolge waren aller-

dings diese Bestimmungen nicht begleitet. Otto starb am 8. Mai 1105. Ueber seine Memorienstiftung findet sich eine kurze Notiz (ohne Datierung) im liber Privil. major, fol. 34, gedr. bei Crecelius, Trad. II, u. 119 .

Rudolf I. Mit dem Nachfolger Ottos haben die Chronisten wieder einige Verwirrung in der Reihenfolge der. Aebte hervorgerufen. Ich glaube jedoch im Folgenden die historische Abtreihe kiar gelegt zu haben. Es soll nach Ottos Tode zunächst ein gewisser Adolf, allerdings nur kurze Zeit, den abteilichen Stuhl innegehabt haben. So meldet Duden zum Jahre 1105 : "" ·.. R. d . Adolphus seu Rotholphus succedit, qui et mox moritur. R. d . Rodolfus, alias Wir sehen aus cognominatus Atholfus, 17. Aprilis obiit . . dieser Mitteilung schon, dass Duden zwei verschiedene Traditionen vor sich hatte, die er, vielleicht einer gewissen Achnlichkeit der beiden Namen dadurch mit einander zu vereinbaren suchte, dass er diese Namen identifizierte.

Nun besteht aber

doch, abgesehen von anderen Bedenken, zwischen dem Namen Adolf und Rudolf eine so grosse Verschiedenheit, dass wir uns mit obigem Erklärungsversuche nicht zufrieden geben können . und fragen : Hat der betreffende Abt Adolf oder Rudolf geheissen ? Nehmen wir das älteste Aebteverzeichnis zur Hand, welches in seinem ersten Teile in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderis, also sehr bald nach dem Tode unseres fraglichen Abtes, geschriehen wurde ) , so vermissen wir darin den Namen Adolfus, woht aber kommt nach Otto zweimal nacheinander der Name Rutholfus vor . 1 ) Die Orig.-Urkunde im kath . Pfarrarchive zu Werden ; gedr . bei Lacomblet, UB . I, S. 169, n. 262 ; besser bei Jacobs, Pfarrgeschichte, II, 8. 409. Vgl . anch daselbst : I. S. 34. 2) Mon. Germ . SS. XIII. S. 288. Siche die Beilage S. 110 .

100

In einer Urkunde des Abtes Liudbert vom Jahre 1115¹ ) gibt dieser selbst die Aebte Otto und zwei Rudolfe als seine Vorgänger an. In einer Aufzeichnung über die Kapelle in Asterio") wird durch Zusatz zum Namen des Abtes Rudolf : ,,dem aus Biege" die Vermutung nahegelegt, dass zwei dieses Namens hintereinander oder doch bald nacheinander regiert haben müssen. Endlich kommt ein Abt dieses Namens (Adolf) in Urkunden jener Zeit nicht vor.

Crecelius" ) bringt allerdings an dieser

Stelle eine Aufzeichnung, in welcher neben einem Propste Gerhard ein Abt Adolf genannt ist.

Eine Datierung besitzt diese

Aufzeichnung nicht, nur am Rande hat eine spätere Hand in Privilegienbuche die Jahreszahl 1105 hinzugeschrieben. Es steht jedoch gar nichts im Wege, hier an Abt Adolf [ III. ] ( 1160– – 1174 ) zu denken, umsomehr, da unter diesem Abte wirklich ein Propst Gerhard vorkommt. Schliesslich möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass die von Crecelius gebrachte Notiz dem erst im 14. Jahrhunderte geschriebenen liber Priv. minor (fol. 26a ) entnommen ist ; das ältere Privilegienbuch enthält darüber nichts, was umsomehr auffallen müsste, als letzteres nicht lange darnach (um 1150) verfasst wurde, und eine solche Notiz dem Schreiber des Chartulars wohl kaum entgangen sein würde. Fassen wir alle Momente zusammen, so kommen wir zu dem Schlusse, dass der Name Adolf an dieser Stelle im Verzeichnisse der Aebte ganz zu streichen, beziehungsweise durch den Namen Rudolf I. zu ersetzen ist. Anlass zu dem Missverständnisse dürfte die irrtümlich im I. Priv. minor beigefügte Jahreszahl 1105 gegeben haben¹). Als Todestag dieses Abtes gibt Duden den 17. April an, chenso das Berliner Kalendarium. Auch die Nachricht Dudens, dass derselbe nur ganz kurze Zeit regiert

habe,

dürfte

1) Bei Crecelius Trad. II, n . 125. 2) Im liber Priv. minor, fol. 24a, bei Crecelius , Trad. II , n. 121. 3) Trad. II , n. 120. 4 ) Es verhält sich hier ähnlich , wie mit der unter Hildegrim II. erfolgten Schenkung in Friemersheim, welche durch eine später hinzugefügte Jahreszahl irrtümlich in die Zeit Hildegrim I. verlegt wurde.

101

richtig sein , da uns keinerlei Traditionen aus dessen Regierungszeit überliefert sind' ) .

Rudolf II . Sein Name begegnet uns urkundlich nur in seiner MemoDie Regierungszeit gibt Duden mit ,,annis 7 et

rienstiftung ).

parum ultra “ an, den Todestag init dem 17. April.

Vielleicht

liegt aber hier eine Verwechslung mit Rudolf I. vor, der am gleichen Tage gestorben sein soll. Das Berliner Kalendar gibt für Rudolf II. abweichend den 18. Mai an.

Liudbert . Unter der Regierung dieses Abtes hat ein gewisser Thuringus, der bereits im Jahre 1093 unter Abt Otto dem Kloster den Hof Dale geschenkt , damals aber als Precarie zurückerhalten hatte , den genannten Hof der Abtei zur unumschränkten Verfügung überlassen³) . Von grösserem Interesse ist jedoch die Katastrophe, welcher gegen Ende der Regierung Liudberts das Kloster grösstenteils zum Opfer fiel : der Brand von 1119.

Duden berichtet

zum genannten Jahre : ,,anno isto sub Liudberto abbate coenobium istud Werdenense igne consummatum

est ."

Nach dem

Berichte Saldenbergs zu schliessen, dass sich die Mönche nach dem Brande auswärts ansiedeln mussten, scheint das Kloster hart mitgenommen worden zu sein. bei sämtlichen Chronisten ;

Nähere Details fehlen leider

auch ist aus ihren Berichten nicht

klar ersichtlich, inwieweit die Kirche in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ihr Schweigen über den Wiederaufbau der

1 ) Es müsste denn sein, dass sich die im liber Priv. minor fol. 24a (bei Crecelius, Trad . II , n. 121 ) befindliche Notiz auf diesen Abt bezieht, was insofern nicht unwahrscheinlich ist , als der ebendort genannte Propst Wichmann bereits unter Abt Otto dieses Amt bekleidet hat. Dann wäre also Rudolf I, der „ aus Biege". 2) Liber Priv. major, fol . 35b , gedruckt bei Crecelius, Trad . II , n . 122 . 3) Die Urkunde im liber Priv. major, fol. 36, gedr. bei Lacomblet , UB. IV, S. 617, auszugsweise bei Crecelius, Trad . II, n. 125 .

102

Kirche, das Fehlen jeder Nachricht über eine neue Weihe der selben, scheint darauf hinzuweisen, dass der Brand, wenn die Kirche überhaupt davon betroffen wurde, sich wohl nur auf das Dach und die ( Holz- ) Decke erstreckt haben dürfte .

Effmann¹ )

macht ausserdem dafür noch geltend, dass, während aus allen anderen Bauperioden mehr oder weniger umfangreiche Teile er halten sind, sich dagegen in dem Baubestande keine Teile nachweisen lassen, welche dem 12. Jahrhunderte angehören. Liudbert stiftete im Jahre 1120 ein Jahresgedächtniss zu In demselben Jahre soll er auch gestorben sein. Als sein Todestag wird übereinstimmend der 8. October angeHelmstädt.

geben.

Berengoz. Da Liudbert bald nach dem Brande des Klosters das Zeitliche segnete , so fiel seinem Nachfolger die Aufgabe zu, dasselbe wieder aufzubauen. Dies berichtet uns auch Saldenberg in seiner Chronik ) , während die anderen Chronisten merkwürdigerweise davon nichts erwähnen. Dagegen erzählen sie, Berengoz habe über dem Grabe des hl. Lindger einen Altar richtet. Da indes bereits die Biographen Liudgers in verschiedenen Wunderberichten klar und deutlich von einem Altare an dessen Grabstätte sprechen, so muss ein solcher schon im 9. Jahrbunderte bestanden haben.

Da es sich aber hier (bei Berengoz)

ohne Zweifel ebenfalls um eine Klostertradition handelt, so deutet diese Nachricht

doch auf irgendwelche Beziehungen des

Abtes Berengoz zu dem Liudgerusaltare hin.

Infolge der unter

Abt Adalwig stattgefundenen Uebertragung der Reiiquien des Stifters in die obere Kirche mag dessen ursprüngliche Grabstätte und mit ihr auch der Altar zunächst von seiner ehrwürdi gen Bedeutung Manches eingebüsst haben, bis sich Abt Berengoz, vielleicht auf Drängen mehrerer den Neuerungen weniger freundlich gegenüberstehenden Personen, entschloss , den Altar mit neuem Schmucke zu versehen"). 1) a. a. O. I, S. 32. 2 ) fol. 39, vgl . Jacobs , Annalen , S. 47. 3) Dies ist Effmanns sehr ansprechende Vermutung ; vgl. Effmann, a. a. O. I, S. 122.

103

Berengoz beklagte sich bei Kaiser Heinrich V., dass ein gewisser Graf Ruodbert und dessen Gemahlin Ermenthrudis einen Hof im Gau Eithera¹ ) , welcher unter Heinrich III . dem Kloster geschenkt worden sei, diesem widerrechtlich entrissen habe, und bat um Rückgabe desselben. Tatsächlich soll Heinrich V. in einem am 27. Mai 1122 zu Utrecht ausgestellten Diplome ) die Restitution dieses Gutes verfügt haben. Von einer Schenkung in Eithera durch Heinrich III. wissen nun allerdings die Werdener Quellen nichts, wohl aber hat eine Urkunde Konrad II. vom 10. October 1036. (Stumpf, Reg. n. 2080) diese Schenkung zum Inhalte.

Obgleich nun letzteres

Diplom kein Original, sondern eine Nachzeichnung aus dem 12 . Jahrhunderte ist, so könnte ihni, besonders mit Rücksicht auf dessen kanzleigemässes Protokoll, wohl ein Original gleichen Inhaltes zu Grunde liegen.

Den Verdacht einer zu Anfang des

12. Jahrhunderts angefertigten Fälschung erweckt allerdings der Umstand, dass es sich um ein Diplom Konrad II. handelt, während im Diplome Heinrich V. von einer Schenkung unter Heinrich III. die Rede ist. Abt Berengoz scheint also die erstere Urkunde noch gar nicht gekannt zu haben.

Dies wird um so

wahrscheinlicher, als diese Urkunde im liber Privil. major nicht suo loco, sondern erst am Schlusse (auf fol. 37 ) , und nicht vom Schreiber des Copialbuches, sondern von einer anderen ungefähr gleichzeitigen Hand, eingetragen worden ist .

Handelt es

sich also bei Stumpf Reg. n. 2080 wirklich um eine Fälschung, so könnte sie wohl kaum vor der Mitte des 12. Jahrhunderts verfertigt worden sein .

Was damals die Veranlassung hierzu ge

geben haben könnte, entzieht sich unserer Beobachtung. Ob die Schenkung in Eithera, mag sie nun unter Konrad II. oder Heinrich III. oder auch gar nicht stattgefunden haben, durch das Diplom Heinrich V. wirklich betätigt worden ist, muss dahingestellt bleiben, da die Originalität der betreffenden Urkunde nicht sicher ist, und andere Nachrichten darüber fehlen.

Abgesehen

1 ) Nach einer Dorsualnotiz auf dem Diplom Konrad II . (angebl . Or. im St. A. zu Düsseldorf) vom 10. Oktober 1036 (Stumpf, Reg . n. 2080) soll der Hof Moninckhof geheissen haben. 2) Stumpf, Reg. n. 3177. Zweifelhaftes Original ( mit unechtem Siegel ) im kgl. Staatsarchive zu Düsseldorf, gedr. bei Lacomblet, UB . I, S. 1 93, n. 295.

104

von dem Siegel scheint mir aber das Diplom in Bezug auf äussere Merkmale durchaus unverdächtig zu sein, auch steht es im älteren Privilegienbuche ganz an seinem Platze, zwischen den' DD. Heinrich IV. und Konrad III. Berengoz stiftete sich auch ein Jahresgedächtnis' ) . Todestag wird verschieden angegeben :

Sein

Duden bezeichnet als

solchen den 21. September 1125, das Berliner Kalendar dagegen den 23. September.

Bernhard . Von ihm berichtet Duden (zum Jahre 1136 ) , er habe die Kapelle in Bredeney erbaut, G. Overham dagegen (Abs. 284 ) meldet das genannte Ereignis bereits zum Jahre 1036 vom Abte Gerold. Offenbar handelt es sich hier um ein Versehen eines der beiden Chronisten, und als dem älteren werden wir Duden Recht geben dürfen, zumal einer solchen Kapelle im 11. Jahrhunderte noch nirgends Erwähnung geschieht. Unter Abt Bernhard

verfasste

ein Mönch

des

Klosters

Werden eine Biographie des hl. Lindger in gebundener Rede" ) , die uns besonders auch deshalb interessiert , weil sie das erste und älteste Zeugnis für das Vorhandensein des angeblichen Diploms Kar! d . G. ist, von dem der Verfasser der vita rythmica ausgiebigen Gebrauch gemacht hat . Ausser in zwei Schenkungen ) wird dieser Abt noch in einer Urkunde Kaiser Lothars für St.

Pantaleon in

Köln

( 1129,

Februar 10 ) als Zeuge genannt. Als Todestag Bernhards wird übereinstimmend der 22. October angegeben, als Todesjahr 1141 . 1 ) Orig. -Urk . im kgl . Staatsarchive in Düsseldorf, vgl. Crecelius, Trad. II, n . 127. 2 ) Genannt die vita rythmica s . Liudgeri , gedruckt bei Diekamp, Geschichtsquellen d. Bist. Münster, IV, S. 135-220. Wenn wir auch über die Entstehungszeit dieser vita nicht ganz genau unterrichtet sind , so ist doch (nach Diekamp, 1. c. IV. S. LXXII ) anzunehmen . dass deren Abfassung noch in die Regierung des Abtes Bernhard , also jedenfalls vor das Jahr 1141 , fällt. 3) Crecelius, Trad . II, nn . 128 u . 129.

105

Lambert. Nach Duden sollen zunächst Werinbert II. und Voimar den abteilichen Stuhl innegehabt

haben.

Einmal jedoch ist

für

diese Männer gar kein Platz, da Lambert 1145 sicher bereits Abt war, andrerseits, und dies dürfte wohl ausschlaggebend sein , kennt das älteste Aebteverzeichnis, dessen für uns in Betracht kommender Teil, jedenfalls im 12. Iahrh. , und zwar nicht lange nach Bernhards Tode, geschrieben ist¹ ) , zwei Aebte dieses Namens nicht und lässt auf Bernhard sogleich Lambert folgen. So wird es sich wohl auch verhalten, zumal diese beiden Namen uns in Likunden nie begegnen ; die Nachricht Dudens dürfte somit auf einem Missverständnisse oder einer Verwechselung, vielleicht mit den Aebten Werinbracht und Folkmar des 10. Jahrhunderts, beruhen . Ein Lambert wird bereits in den bei Abt Bernhard erwähnten zwei Schenkungen unter den Zeugen genannt , das eine Mal als cantor, das andere Mal als custos ecclesiae, und wir werden kaum fehl gehen, wenn wir in ihm den späteren Abt erblicken. dessen Namen mit der ersten Glanzperiode in der Geschichte der Abtei so innig verwoben ist. Mit K. Konrad III. soll Abt Lambert auf vertrautem Fusse gestanden haben .

Dass dieser jedoch bei der Krönung ( 1138 )

zugegen gewesen sei, ist wohl Legende, da er um jene Zeit noch gar nicht Abt war. Konrad III. hatte für October 1145 einen Reichstag nach Utrecht ausgeschrieben und berührte auf dem Wege dahin auch die Abtei Werden ) . Hier stellte er den Bur gern der Stadt Duisburg ein Diplom aus ) , in welchem Abt Lambert als Zenge genannt ist .

Bei diesem Besuche dürfte Abt

Lambert dem König eine Beschwerde vorgebracht haben,

die

Schwierigkeiten betreffend, die man der Abtei in der Ausübung des ihr von Konrad II. im Jahre 1033 verliehenen Schiffahrtsrechtes auf der Ruhr in den Weg gelegt hatte.

Der Kaiser be-

auftragte den Grafen Hermann von Hardenberg, Vogt von Kai-

1) Vgl. unten S. 110. 2) Es ist dies das zweitemal, dass ein deutscher Herrscher der Abtei seinen Resuch abstattet. Das erstemal war es bekanntlich Heinrich II. unter dem Abte Heithanrich (am 9. Juni 1017) . 3) Stumpf, Reg . n. 3499, gedr. bei Lacomblet , UB . I , n. 353 .

106

serswerth, der die Stelle des abwesenden Pfalzgrafen Hermann von Stahleck vertrat , die Hindernisse zu beseitigen.

Auf dem

Reichstage zu Aachen, December 1145 , scheint dann die Bestätigung der Ruhrschiffahrt erfolgt zu sein. Wenigstens werden wir mit Rücksicht auf auf die die angefügte Zeugenreihe die Beurkundung hierher zu verlegen haben. Die Ausfertigung der

Urkunde

hat

sich jedoch aus

uns

unbekannten

Gründen verzögert , denn das uns erhaltene Originaldiplom Konrad III. ist vom 17. October 1147 datiert ' ) . Rechtlich ist dieses Diplom für die Abtei Werden von der grössten Bedeutung gewesen, denn es schliesst , meines Erachtens zum ersten Male , die Bestätigung nicht nur der echten Vorurkunden,

sondern

auch der an Zahl nicht geringen Nachzeichnungen in sich. Seitdem sehen wir den Abt an den Reichstagen teilnehmen, er beginnt einen glänzenderen Hof zu führen, er übt in Werden und Lüdinghausen, desgleichen in Helmstädt, das Münzregal aus, usw. Wir werden daher in diese Zeit die Erhebung des Abtes in den Reichsfürstenstand setzen dürfen, wie denn auch in der Urkunde Otto IV. vom Jahre 1198 der Abt mit dem Titel princeps ausgezeichnet wird. Im besonderen Teile der Urkunde Konrad III. müssen wir noch auf das Privilegium der Ruhrschiffahrt

zurückkommen.

Es wird im genannten Diplome auf eine Vorurkunde Konrad II. vom Jahre 1033 hingewiesen, in welcher dieser Herrscher dem Abte Gerold das Recht

de navigio reni in ruram usque ad mo-

nasterium " gewährt habe.

In der betreffenden Urkunde heisst

es : „ Insuper etiam eidem abbati . . . viam navigii concessimus de illo loco, ubi rura influit renum , eo rationis tenore , ut . . . liberam habeant protestatem navigandi sursum contra rurac fluvii decursum usque ad Werdine monasterium. "

Klar und

1) Original im kgl . Staatsarchive zu Düsseldorf. Stumpf, Reg. n. 3552, gedr . bei Lacomblet, UB . I , S. 245 , n . 358. — Wegen des Ausstellungsortes Nymwegen, -- der Kaiser war damals, auf dem Kreuzzuge begriffen, in Kleinasien, hat Stumpf die Echtheit dieses Stückes anfangs bezweifelt, später jedoch zugegeben. Die Schwierigkeit ist jedenfalls durch nicht einheitliche Datierung zu erklären. Ueber das Wie gehen die Meinungen von Ficker und Bernhardi auseinander, ohne eine befriedigende Lösung zu bieten. Vgl . Ficker, Beiträge zur Urkundenlehre, II, S. 142 ; Bernhardi , Jahrbücher Konrad III. S. 448 , und meine Arbeit über die Kaiserurkunden des Stiftes Werden.

107

deutlich wird hier ausgesprochen, dass es sich nur um das Schifffahrtsrecht auf der Ruhr handelt. Die Stelle in der Urkunde Konrad III. hingegen erwähnt

ein Schiffahrtsrecht auf dem

Rheine, wovon in der Vorurkunde nichts enthalten ist.

Ob

ein solches Recht von Konrad III. bestätigt wurde , könnte nach dem Wortlaute derselben wohl angenommen werden, denn es heisst : „ Unde et illud, quod . . . Conradus primus Ronanorum imperator augustus de navigio reni . . . concessit , nos venerabili abbati Lamberto suisque in perpetuum successoribus recognovimus.“ Vielleicht aber haben wir es nur mit einer absichtlich oder unabsichtlich unklaren Ausdrucksweise zu tun. In die Zeit Lamberts fällt eine Schenkung des Erzbischofs Arnold von Köln, im Jahre 1147 ) .

Ferner kaufte er in folgen-

den Jahre den Hof Angera ) , und erwarb im Jahre 1150 von 2 Edelleuten die Hälfte des Patronatsrechtes über die Kirche zu Hohenbudberg bei Duisburg , nebst dem dazu gehörigen Grundstücke um 90 Mark reinen Silbers.

Wilhelm . Auf Lambert, dessen Todestag von Duden mit dem 20. October 1152 angegeben wird, folgte Abt Wilhelm. Er wird als grosser Freund der Wissenschaften gerühmt, und die noch vorhandenen Handschriften aus jener Zeit bestätigen vollauf diesen Ruf"). In jener Zeit wurde auch das Urkundenbuch des Klosters angelegt, welches der liber Privilegiorum Laior genannt wird, ausserdem ein Heberegister. Abt Wilhelm begleitete den K. Friedrich Barbarossa auf dessen Zuge nach Mailand (1158 ) und nahm an dem Reichstage auf den roncalischen Feldern teil. Eine Bestätigung der alten Privilegien scheint dieser Abt vom Kaiser nicht

erhalten zu

haben, im Gegenteil, Friedrich entzog ihm sogar die Ausübung 1) bei Crecelius, Trad. II , n. 130 . 2 ) bei Crecelius , Trad . II , 11. 131. 3) Einige derselben sind aufgezählt bei Fertz , Archiv VIII , S. 841 .

108

des Münzregals, und belegte ihn mit einer Strafe von 25 Mark Silbers. Sonst besitzen wir von Wilhelm noch eine interessante Urkunde¹ ) vom Jahre 1160 , in welcher zum ersten Male unter den Zeugen die Inhaber der 4 Hofämter genannt werden. Einzelne , der Truchsess und Kämmerer, sind uns auch früher schon begegnet. Jedenfalls hat sich Wilhelm auch auf dem Gebiete des Kirchenbaues betätigt. Wenigstens wurde um jene Zeit an der Peterskirche in Werden ein Neubau des Paradieses vorgenommen ). Für die Salvatorkirche erlangte der Abt von Erzbischof Friedrich von Köln im Jahre 1159 die Reliquien der heiligen Sabina und Panfreta, die jedoch hundert Jahre später beim Brande des Klosters und der Kirche grösstenteils zu Grunde gingen. Unter der Regierungszeit des Abtes Wilhelm, der am 23 . Aril 1160 aus dem Leben schied, hatte die Abtei Werden beinahe den Höhepunkt ihres Glanzes erreicht. Zu der Reichsunmittelbarkeit fehlte nur noch die Exemtion von der bischöflichen Gewalt, und auch dieses Privilegium hat die Abtei noch im 12. Jahrhundert erlangt ; gleichzeitig, wenn nicht schon früher, wurde dem Abte von Rom aus der Gebrauch der Pontificalien bewilligt, ein Umstand, der sicherlich zur Entfaltung äusseren Glanzes nicht wenig beigetragen hat.

Ich glaube hiermit meine Untersuchungen über die Reihenfolge der Aebte von Werden abschliessen zu können, da für die folgenden Vorsteher der Abtei die Berichte der Chronisten geau und richtig sein dürften, und eventuelle Differenzen leicht klargelegt werden können. Es wäre wünschenswert , auch von den Inhabern der Propstei in Werden eine chronologische Reihe 1) Original im kgl . Staatsarchive zu Düsseldorf, bei Crecelius, Trad. II, n. 134. 2) Vgl . Effimann, a . a. O. I, S. 312 ff.

109

zu besitzen, doch sind die Nachrichten darüber so mangelhaft, dass der Lücken allzu viele wären. Nur im 11. Jahrhunderte begegnen ihre

Namen ziemlich regelmässig in den uns über-

lieferten Schenkungsurkunden. Ausserdem werden noch folgende Aemter in Urkunden erwähnt : das des Decans, des Priors, des custos ecclesiae et altaris u. des Cantors. Hier war es nicht möglich, für die Zeit ihrer Einführung nähere Anhaltspunkte zu gewinnen. Die uns nun vorliegende Abtreihe wird jedoch den Anspruch erheben dürfen, der historischen Reihenfolge in mehreren zum Teil viel umstrittenen Punkten bedeutend näher gerückt zu sein, und im Wesentlichen mit derselben übereinzustimmen.

1

Beilage .

Der älteste handschriftlich erhaltene Abtkatalog .

Die beigegebene Tafel enthält das älteste Verzeichnis der Aebte von Werden, welches sich auf der vorletzten Seite einer Werdener Handschrift, gegenwärtig in der , kgl . Bibliothek zu Berlin ' ) befindet . Zum Zwecke der Einsichtnahme und einer photographischen Reproduktion wurde die Handschrift bereitwilligst nach Wien übersendet, wofür ich Herrn Direktor Harnack auch an dieser Stelle meinen ergebensten Dank aussprecne. Die Hs. enthält auf 127 Blättern in Grossquart die Briefe Gregors d. Gr . ") . Auf die leergebliebene letzte Seite schrieb im 10. Jahrh. ein Mönch des. Klosters ein Verzeichnis der Bischöfe und Erzbischöfe von Köln bis auf EB. Warin (976-984) , welches von mehreren späteren Händen bis auf EB. Maximilian Franz von Oesterreich ( 1784-1801 ) fortgesetzt wurde. Durch dieses Verzeichnis offenbar angeregt, benützte

ein der ersten

Hälfte des 12. Jahrh. angehörender Klosterschreiber den noch zur Verfügung stehenden freien Raum auf der vorletzten Seite zu einer Aufzeichnung der Aebte von Werden, welche von anderen Händen eine Zeit lang fortgeführt, und schliesslich von einer Hand mit einigen Beviel späteren , - vielleicht Abt Dudens merkungen versehen wurde.

Was letztere betrifft,

kann hier

gleich erwähnt werden, dass die Notiz : Collectae sunt -- sub quo vixit, einen dreifachen Irrtum enthält. Einmal ist das Verzeichnis nicht von einer Hand, sondern von mehreren geschrieben, welche sich auf die Regierungszeit der letzten sechs erwähnten Acbte verteilen. Demgemäss ist die Aufzeichnung auch nicht erst unter Abt Heribert I. ( 1183--1197) entstanden. Endlich ist der Schreiber der Hs . selbst, der episolae s . Gregorii M., keineswegs identisch mit einem der an dem Aebteverzeichnisse beteiligten Schreiber, denn erstere stammt aus dem Beginn

1 ) Cod. Berol. theol . in 4º maj . 322. 2 ) Facsimile von fol. 102 dieser Hs. bei Arndt-Tangl , Schrifttafeln I , n. 17.

111

des 9. Jahrh. und gehört zu den ältesten Werdener Handschriften. Der grösste Teil des Verzeichnisses gehört der Regierungszeit des Abtes Bernhard ( 1125-1141 ) an ; er umfasst die ersten 28 Namen, und ist mit sehr blasser Tinte geschrieben. Die folgenden drei Namen zeigen Anwendung einer tiefschwarzen, die letzten beiden wieder den Gebrauch einer ganz blassen Tinte. Vielleicht mit Rücksicht darauf hat der Herausgeber dieses Abtkataloges in den Mon. Germ. ( SS . XIII. , S. 288 ) angenommen, dass die erstgenannten Namen von einer Hand, die beiden letztgenannten auch von einer Hand geschrieben seien. Charakter der Schrift

Der

weist jedoch so bemerkenswerte Ver-

schiedenheiten auf, dass ich jeden der fünf Namen einem anderen Schreiber zuweisen möchte, dass also nicht an eine Nachtragung, sondern an eine gleichzeitige Eintragung während der Kegierung des betreffenden Abtes zu denken ist ' ) .

Es darf dies

deshalb besonders betont werden, weil spätere Verzeichnisse zwischen Bernhard und Lambert die Namen Werinbert II. und Volmar einschieben.

Die Glaubwürdigkeit dieser muss natür-

lich gegenüber der gleichzeitigen Aufzeichnung zurücktreten. Ferner möchte ich darauf hinweisen, dass als Nachfoiger des ( 23. ) Abtes Otto zwei Rudolfe angeführt werden, was auch mit der älteren Tradition vollkommen übereinstimmt. Es ist daher, wie ich bereits in meiner Abhandlung bei Abt Rudolf I. nachzuweisen versucht habe, unbegründet, und auf einen Irrtum aus späterer Zeit zurückzuführen, wenn man glaubte, nach Otto einen Abt Adolf einschalten, oder an Stelle Rudolf 1. setzen zu müssen.

Dass in dem Verzeichnisse an vierter Stelle ein Abt

Odo genannt wird, beweist nur, dass um die Mitte des 12. Jahrh. der auf das Diplom K. Zwentibolds sich gründende Irrtum bereits zur Tradition des Klosters gehörte. Der Zusatz S(anetus) und die Angabe des Todesjahres bei Bardo stammt von viel späterer Hand, wohl von derselben, wie die übrigen Bemerkungen. Mit Heribert I. ( 1183 -1197 ) endet der Katalog. Für den Nachfolger, Heribert II., wurde im Voraus die Ordnungszahl 1 ) Den Schreiber des Namens Wilhelmus glaube ich bestimmt mit dem Schreiber des liber Priv. major identifizieren zu können, der unter Abt Wilhelm auch als Urkundenschreiber vielfach tätig war.

112

eingetragen, der Raum für den Namen ist jedoch leer geblieben, Vielleicht hängt es mit dem Nachlassen der Klosterzucht zu Beginn des 13. Jahrh. zusammen, dass man dem Kataloge, und vielleicht der Handschrift überhaupt, damals keine Beachtung mehr schenkte ; später aber wurden ausführlichere Kataloge angelegt, welche auch die wichtigsten Begebenheiten während der Regierungszeit eines jeden Abtes vermerkten, weshalb man auf die Fortführung dieses ältesten Verzeichnisses keinen Wert mehr gelegt haben wird.

Miscellen .

I. In dem Zentralblatt für Bibliothekwesen , begründet von Otto Hartwig und herausgegeben von Dr. Paul Schwenke, XXII. Jahrgang, 6. Heft S. 241–264 veröffentlicht der Direktor der Hofbibliothek in Darmstadt Dr. Ad. Schmidt einen Aufsatz über ,,Handschriften der Reichsabtei Werden" . Da diese Zeitschrift von nur wenigen Mitgliedern des historischen Vereins gelesen werden dürfte, so soll hier mit Genehmigung des Verfassers und des Verlegers das auf Wer-. den Bezügliche mitgeteilt werden. Der höchst interessante Aufsatz lautet : Handschriften der Reichsabtei Werden . Die Bibliothek der um das Jahr 800 vor dem hl. Liudger gestifteten Abtei Werden an der Ruhr hatte zwar im 18. Jahrhundert ihre grössten Schätze, zu denen einige unserer kostbarsten Sprachdenkmäler wie der jetzt in Upsala befindliche Codex argenteus der gotischen Bibelübersetzung des Vulfila, sowie wahrscheinlich auch der Codex Cottonianus des Heliand im Britischen Museum gehört haben, bereits seit langem verioren, sie konnte aber von den gelehrten Reisenden Martène und Durand in ihrem Werke „ Voyage de deux Religieux Bénédictins“ , Pa ris 1724 , S. 231 immer noch als eine der, besten Büchersammlungen jener Gegenden bezeichnet werden. Da auch die letzten Aebte als echte Benediktiner für ihre Erhaltung und Vermehrung besorgt waren - der vorletzte Abt, Bernard II. Bierbau : SO ( 1780-1798 ) kaufte sogar noch eine neue Bibliothek fand sich bei der Aufhebung der Abtei im Jahre 1802 die recht beträchtliche Büchermenge von etwa 11 000 Bänden vor, darunter wertvolle Handschriften von hohem Alter. Der Professor Heinrich Adolf Grimm aus Duisburg erhielt von der preussischen Regierung, der die Abtei zugefallen war, den Auftrag,

114

die Handschriften durchzusehen und daraus die für die Bibliothek der Kgl. Paulinischen Akademie in Münster geeigneten auszuwählen. Das von ihm angefertigte, am 4. März 1805 unterschriebene Verzeichnis von 20 Nummern trägt die Ueberschrift ,,In der alten Bibliothek zu Werden befinden sich unter andern folgende Handschriften" und ist

in Joseph Staenders

,,Chirographorum in Regia Bibliotheca Paulina Monasteriensi Catalogus". Vratislaviae 1889. S. IX- XII abgedruckt . Staender weist nach, dass von diesen 20 Handschriften nur 3 oder 4 sich heute in der Paulinischen Bibliothek, die im ganzen 20 sicher aus Werden stammende Handschriften besässe, befinden eine grössere Anzahl wurde mit anderen Handschriften im Jahre 1823 von dieser Bibliothek für 1200 Taler an die Kgl. Bibliothek in Berlin verkauft. Die Liste dieser 78 Handschriften gibt Staender S. XV -XVII. Die in Werden verbliebenen Handschriften hatten bei dem wiederholten Wechsel der Herren der Abtei verschiedene Schicksale .

Ein Teil kam in das Archiv und

die Bibliothek zu Düsseldorf, einige wenige wurden mit einem Teile der gedruckten Bücher der katholischen Gemeinde zu Werden als Pfarrbibliothek überwiesen. Aus letzteren wurden noch 1834 einige Handschriften für das Staatsarchiv in Düsseldorf ausgewählt, so dass jetzt das Pfarrarchiv nach gütiger Mitteilung des Herrn Pfarrer Gisbertz von Handschriften nur noch ein mit schönen Initialen ausgestattetes Psalterium und ein altes Missale besitzt .

Dass bei der mit der Aufhebung der Abtei ver-

bundenen Verwirrung auch einiges in die Hände von Unierech tigten geraten ist, kann man wohl ohne weiteres annehmen, für manche Handschriften lässt sich bestimmt nachweisen.

Bei der Dürftigkeit der

Nachrichten ')

über Werdener

Handschriften ist jeder, auch der kleinste Fund willkommen, der 1) Ausser in dem oben erwähnten Werke von Martène und Durand werden in älterer Zeit Werdener Handschriften beschrieben in ( Gottfried Bessel), Chronicon Gotwicense , Tegernsee 1732. Fol. I, 36-37 mit drei Schriftproben auf Tab. I. Mehrere andere Specimina, die man ihm aus Werden mitgeteilt habe, erklärt Bessel, könne er aus Mangel an Platz nicht abbilden. Ferner auf Grund von Bessels Angaben in Magnoald Ziegelbaner, Historia rei literariae ordinis S. Benedicti. Aug. Vind. et Herbipoli 1754. Fol. I, 512. Ueber die Schicksale der Wer-

115

weitere Bausteine zur Geschichte dieser alten Bibliothek belbringt. Einiges kann ich aus dem in der Darmstäter Hofbibliothek befindlichen handschriftlichen Nachlass des am 1. Januar 1805 verstorbenen Kölner Sammlers Baron Hüpsch liefern , der den Landgrafen Ludewig X. von Hessen zum Erben seiner in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts weit berühmten Sammlungen und seiner Bibliothek eingesetzt hat ' ) . Zu den vielen Geistlichen , die Hüpschs Kabinett besucht und dadurch in Beziehungen zu ihm gekommen waren, gehörte auch der Professor Bed a Savels , Kapitular und Bibliothekar der Reichsabtei Werden ( 1755-1828 ) , der sich Studien halber von 1770-1781 in Köln aufgehalten hat. In Hüpschs Freidenbuch, das in ununterbrochener Folge von 1776-1803 erhalten ist, habe ich seinen Namen, Beda Savels Chapitulaire der Reichsabtei Werden, am 8. Juni 1781 unter den Besuchern der Sammlungen gefunden , und an die persönliche Bekanntschaft hatte sich ein langjähriger Briefwechsel angeschlossen ; auf Savels' Rat hatte der Abt dem hochgeschätzten Gelehrten und Sammler auch die Vertretung der Abtei auf dem am » . April 1793 in Köln eröffneten Kreistage übertragen. Aus Savels' Briefen und den Entwürfen zu einigen Antwortschreiben Hüpschs entnehme ich folgendes über Handschriften der Abtei. Hüpsch, der überall in Klöstern und Stiftern nach Handschriften suchte, um sie von den Besitzern, die ja damals mit wenigen dener Bibliothek nach der Aufhebung wären zu vergleichen Pfannenschmied, Die Kgl. Landesbibliothek zu Düsseldorf (Archiv für die Geschichte des Niederrheins 7. N. F. 2. S. 394 bis 396 , Cöln 1870 ) und P. Jacobs, Geschichte der Pfarreien im Gebiete des ehemaligen Stiftes Werden a. d. Ruhr, Düsseldorf 1893-1894, 2 Bände, an verschiedenen Stellen, namentlich I, 227-231 und II , 518–520 . Gar nichts übr die Bibiothek bietet Albert Schuncken , Geschichte der Reichsabtei Werden a. d . Ruhr, Köln u. Neuss, 1865, einige Nachrichten finden sich in den ,,Werdener Annalen" von P. Jacobs, Düsseldorf 1896 . ¹ ) Ich habe diese interessanten Nachrichten gefunden, als ich den seit hundert Jahren fast unbenutzt liegenden handschriftlichen Nachlass Hüpschs zum Zwecke einer grösseren Arbeit über ,, Baron Hüpsch und sein Kabinett", die ich im Laufe dieses oder des nächsten Jahres zu veröffentlichen gedenke, durchsah.

116

Ausnahmen auf die ererbten Schätze nur geringen Wert legten, gegen ihnen wichtiger erscheinende neuere Werke einzutauschen oder für wenig Geld zu kaufen, hatte sich auch ein Verzeichnis der vorzüglichsten Handschriften der Abtei Werden verschafft, das sich noch unter seinen Papieren vorfand, und das ich seines Interesses für die Geschichte der Abteibibliothek wegen hier vollständig zum Abdruck bringe.

Die ältesten und wertvoll-

sten Handschriften, auf die Hüpsch vor allem sein Augenmerk gerichtet hatte, sind darin durch besondere Zeichen am Rande hervorgehoben, die gesperrt gedruckten Worte rühren von anderer Hand, vielleicht von Savels, her . Ich habe mich bemüht, die gegenwärtigen Aufbewahrungsorte dieser 64 Handschriften nachzuweisen, und es ist mir bei den meisten gelungen, dank der bereitwilligen Auskunft , die mir die Herren Archivdirektor Dr. Ilgen in Düsseldorf und Geu. Reg. - Rat Dr. Rose in Berlin auf meine Anfragen erteilt haben. Bei den noch nicht ermittelten Nummern sind die Angaben von Hüpschs Verzeichnis meistens so unbestimmt , dass man bei der Aufspürung dieser Handschriften nur auf einen glücklichen Zufall hoffen darf, der immerhin nicht ausgeschlossen ist, weil viele Werdener Handschriften einen alten Eigentumsvermerk, und manche, die noch ihren alten Einband aufweisen, auch eine ziemlich auffallende Signatur tragen. (Vgl. die Bemerkungen zu No. 13 , 17, 21 , 23 und 27. ) Vorausschicken möchte ich noch eine Bemerkung über die wahrscheinliche Einrichtung der Werdener Bibliothek zu Ende des 18. Jahrhunderts.

Iacobs ,

Ge-

schichte I , 228 schreibt : Die alten Handschriften, sowie andere wichtige Schriftstücke wurden an einem sicheren Ort, Archiv genannt, aufbewahrt.

Ein vollständiges Verzeichnis

der Ur

kunden und Schriftstücke des abteilichen Archivs aus dem Jahre 1782 ist noch vorhanden. Das Schriftstück führt den Titel: ,.Index Universalis alphabetiens archivi Werdinensis" 1782 ; es befindet sich im Privatbesitz der Familie Bonnenberg. Aus dem Umstand nun, dass manche Handschriften , die

früher als Eigentum der Abtei erwähnt werden, wie des Werdener Mönches Uffing Vita S. Idae et Historia S. Lucii oder die angeblich von dem h. Liudger selbst geschriebene Evangelienhandschrift , in diesem Index nicht verzeichnet sind, will Jacobs, Werdener Annalen

S. 39 Anm .

46

und

S. 107

Anm. 149

117

schliessen, sie seien damals nicht mehr in Werden gewesen und vermutlich im 18. Jahrhundert von dort verschleppt worden. Dieser Schluss wäre aber nur dann zwingend, wenn der Index wirklich, wie Jacobs annimmt , ein vollständiges Verzeichnis der Handschriften böte. Das ist aber nicht der Fall, wie sich gerade durch diese beiden Handschriften, deren Schicksale und jetzigen Aufbewahrungsorte genau bekannt sind, beweisen lässt . (Vgl. die Anmerkungen zu Hüpschs Nummern 44 und 41. 42. ) Das Schweigen des Index in Bezug auf diese und vermutlich noch weitere im Jahre 1782 in Werden vorhandenen Handschriften erklärt sich auf andere Weise. Wie im Mittelalter die Klöster ihre Bücherschätze meistens in verschiedenen Abteilungen, der Kloster , der Schul- und der Chorbibliothek, getrennt aufbewahrt und über diese verschiedenen Teile auch besondere Kataloge geführt haben, so war auch im 18. Jahrhundert in manchen Klöstern eine Teilung der Bibliothek, jedoch anderer Art als jene mittelalterliche, Sitte . Ich sehe hierbei davon ab, dass die beim Gottesdienst gebrauchten liturgischen Bücher meistens in der Kirche oder der Sakristei aufbewahrt worden sind und deshalb nicht in den Bibliothekskatalogen stehen, sowie dass kostbare alte Evangelienbücher mit Schmuckdecken gewöhnlich zu dem Kirchenschatz gerechnet und bei diesem verzeichnet werden.

Aus der eigentlichen Bibliothek aber hatte man vielfach,

offenbar um Platz zu gewinnen, die nicht mehr oder nur selten benutzten Handschriften und Druckwerke ausgeschieden und sie als ,,alte Bibliothek“ oder „ Bibliotheca prima " aus dem Wege Dass man dieses Verfahren auch in Werden eingegestellt. schlagen hat, scheint mir schon aus der oben angeführten Ueberschrift des

Grimmschen Verzeichnisses hervorzugehen .

Mit

der alten Bibliothek zu Werden" will Grimm jedenfalls nicht, was an sich ja auch richtig wäre, sagen, dass die Werdener Ribliothek aus alter Zeit stamme, sondern er will den Gegensatz zu der neuen Gebrauchsbibliothek ausdrücken. Diese Sitte macht es, beiläufig bemerkt, auch begreiflich, wie leicht es Leuten wie einem Mangérard und Hüpsch oder ausländischen Handschriftensammlern und Händlern wurde, aus manchen Klöstern die grössten Schätze in ihren Besitz zu bringen. Leber die alten Bestandteile der Bibliotheken gab es vermutlich vielfach keine

118

Kataloge, so dass der Verschleppung Tür und Tor geöffnet waren. Hüpschs Verzeichnis von Werdener Handschriften lautet : Designatio

Manuscriptorum Praecipuorum

Werdinensis Bibliothecae. 1. 2.

Josephi Flavii Historia antiquitatis Judaicae . Libri Sententiarum Tagii Episcopi Caesaraugustani .

5.

Opus Magistri Petri Longobardi Super Psalterium . Historia Ecclesiastica Eusebii Caesariensis Episcopi. Pastorale Gregorii Papae.

6.

Legenda Sanctorum.

7. 8.

Summa opiosa Hostiensis super 3. , 4. et 5. Decretalium. Decretum Gratiani.

3. 4.

9 et 10. Vetus et novum Testamentum . 11. 12.

Beda Super Apocalypsin, et Acta Apostolorum. De cursibus Horarum in choro Monasterii Werdinensis.

13.

Excerpta ex Decretis Conciliorum generalium et provincialium, ex capitulis Synodalibus Caroli aliorumque Regum et Imperatorum ex Statutis et ordinationibus Episcoporum etc. Codex Venerandus.

14.

Fragmentum Algeri de corpore et Sanguine Domini, in eodem libro inveniuntur adhuc Scripta aliorum.

15.

Prosper de vita contemplativa, virtutibus et vitiis.

1. Berlin, Kgl. Bibliothek, Lat. fol. 226. (Rose , Lat. IIss. No 1027. ) Wattenbach, N. Archiv d. Ges. f. ä. d. Geschichtskunde 9 , 624. Diekamp, Zeitschr. f. vat. Gesch. n. Alt. 44, 1 , 58. 3. Berlin, theol. fol. 345. Rose II, 1 , 215, No 385. 5. Berlin , theol. fol . 362. Rose II, 1 , 95. No 308 . 6. (Vgl. 20. 22. 45 ) vielleicht Düsseldorf, Landes- und Stadtbibliothek C 9 oder C 10b, doch fehlt nach Ilgen ein sicherer Anhaltspunkt für Werdener Herkunft. 9. 10. Die eine dieser Nummern ist wohl Berlin, theol. fol. 336. Rose II, 1 , 1 = Grimın 7 . 11. Berlin, theol. fol. 361. Rose II, 1 , 128. No 336 . 13. Düsseldorf, E 3. Pertz' Archiv 11 , 751-752 . Aite Signatur grosser roter Buchstabe F oder E. (Ilgen. ) . 14. Münster, Kgl. Universitäts-Bibliothek. Staender S, 79. No. 335.

119

16.

Homila Theoderici Praepositi Helmstadiensis Super Evangelium : Missus est .

Item praefatio S. Severi Discipuli B.

Martini Episcopi Turonensis in vitam S. Romani et vita hujus. Item Epistola B. Eusebii ad Sanctum Damasum Portuensem Episcopum et ad Theodosium Romanorum Sena.torem de morte gloriosissimi Confessoris et Doctoris S. Hieronymi, hujus commendatio ,

et Sermones

diversi ;

Item

Epistola B. Augustini Doctoris ad Cyrillum Ierosolymitanum de eodem Hieronymo.

Item Epistola dicti Cyrilli ad

B. Augustinum de eodem Hieronymo, de Haeresis cujusdam destructione, de acerbitate poenarum Purgatorii et Inferni. Item vita B. Brandani Abbatis in Hybernia, vita S. Salvii Episcopi Albiensis, vita B. Meynulfi Diaconi Ecclesiae Paderbornensis, vita Hermanni Monachi Stenaveldensis, Historia Barbarae Virginis et Martyris.

Vita B.

Elizabeth

Landgraviae Thuringiae. 17.

Vita S. Lebuini. Summa Medicinarum M. R. De Baro' quam praecedunt alia

Medicinalia. Item Practica Magistri Bartholomaci. Parvo Scripta caractere et Subtili, Verbisque multum abbreviatis. 18.

Viaticum Medicinarum Constantini Affricani Monachi.

16. Berlin, theol. qu . 142. Rose II , 2. 848. No 797. 1228 von Tross gekauft, der die Hs. im Sept. 1825 in Düsseldorf erworben hatte. 17. Darmstadt, Gr. Hofbibliothek, Hs. 93 , 13/14 Jh . Kam 1805 hierher mit der Bibliothek Hüpschs, der die Handschrift wahrscheinlich nach 1794 aus Werden erhalten hat, vgl. unten den Brief Savels' vom 1. Juli 1794. Die Hs. enthält die Summa quaestionum practice secundum M. Rogerium de Barone, die Summa M. Rogerii de Barone, die Practica M. Bartholomaci. Die alia Medicinalia sind nach Mitteilung Roses ein Kommentar zum Antidotarius des Nicolaus Praepositus. Die kleine Schrift mit vielen Abkürzungen stimmt, auf dem Vorderdeckel ist die Werdener Signatur, ein grosses rotes Q auf einem aufgeklebten Zettel. Ein Eigentumsvermerk fehlt zwar, aber dass diese Is. wirklich Hüpschs No 17 ist, unterliegt keinem Zweifel. 18. Darmstadt, Hs. 320 , 13/14 Jh . Diese Is. ist die in dem Schreiben Savels' vom 1. Juli 1794 erwähnte , die der Abt Hüpsch geschenkt hatte. Auch hier fehlt ein Eigentumsvermerk und, da Hipsch die Hs, neu hat binden lassen, auch die

1 120

19.

Opus Metricum Petri Rigae utrumque complectens Testamentum.

20.

Vitae quorundam Sanctorum.

21.

Canones Apostolorum, concilia et Deereta Summorum Pontificum, Codex antiquissimus.

22. Vitae quorundam Sanctorum . 23. Vita B. Galli circa tempora Caroli Magni Scripta.

24. 27.

25 et 26. Vita et Miracula S. Ludgeri . Homiliae S. Gregorii Papae.

28.

Decretales Gregorii 9. cum glossa.

Signatur. Hüpsch hat die Hs. 1803 an den Landgrafen Ludewig X. verkauft, nachdem er sie zu Beginn des Jahres 1793 schon dem Herzog Carl Eugen von Württemberg mit 49 anderen Handschriften vergebens angeboten hatte. Die in Hüpschs Schreiben an Savels vom Februar 1796 erwähnte Is, des Constantinus Afer aus St. Jacques in Lüttich ist No 319 der Darmstädter Handschriften. 19. Düsseldorf, A 16 , ursprünglich Helmstedt. (Пlgen . ) 21. Düsseldorf. E 2. Pertz' Archiv 11 , 751 , 1858. Martène et Durand, Vovage, Paris 1724. S. 231. Alte Signatur nach Ilgen grosses rotes F oder E. 22. Vgl. 6. 23. Berlin, lat. qu. 505. Hermann Usener beschrieb in der Alemannia 15, 93-96 , Bonn 1887 diese damals in Birlingers Besitz befindliche Is. , die 1896 von dessen Erben für die Kgl. Bibliothek gekauft worden ist . Alte Signatur grosses roies M auf dem Vorderdeckel. 24. 25. 26. Zwei Vitae S. Lindgeri jetzt Berlin theol. fol. 323. Rose II, 2 , 873. No 812 (zu dieser Hs. gehörte das Diptrchon des Rufius Probianus) und theol. qu. 162. Rose II. 2. 875. No 813. bei letzterer Hs. ist die Herkunft ons Werden zweifelhaft . Die dritte Vita ist nach Wilh. Diekanı . Die Vitae Sancti Lindgeri. Münster 1881 (Die Geschichtsquellen des Bistums Münster IV) S. LX jetzt in Beuron No 1229 Sie kam nach der Aufhebung der Abtei Werden in Privatbesitz und wurde von P. Maurus Wolters für Beuron gekauft. Nach Diekomp S. LXIV war auch die damals im Besitz des DomkapituJors Tibus in Münster befindliche Vita bis zur Aufhebung der Abtei in Werden, sie könnte also eine der drei Nummern Tischs an Stelle der zweiten Berliner Is. sein . 27. Düsseldorf, B 81. Alte Signatur grosses rotes B. (Пgen.) 28. Münster. Staender S. 131. No 604 .

121

29.

Sexta pars Moralium Gregorii Papae.

30.

Homiliae 12. Gregorii Papae Super Ezechielem. Scriptae a quodam Hildegrimo Diacono, qui creditur fuisse iden

Liber antiquissimus.

Hildegrimus Germanus S. Ludgeri. 31.

Epistolae Gregorii Papae ad diversos. Liber antiquissimus.

32.

Epistolae "B. Pauli Apostoli, creduntur Scripta a B. Ludgero.

33.

Secunda pars moralium B. Gregorii Papae. Item vita ejus.

34.

Rituale antiquum , quod Martene et Durand Bibliothecam nostram perlustrantes inaestimabile praedicabant.

29. Berlin, theol . fol . 354. Rose II , 1 , 99 No 312. Schriftprobe im Chronicon Gotwicense, Tegernsee 1732. I. Tab. I zu S. 36. 30. Berlin, theol. fol. 356. Rose II, 1 , 102. No 315. Martène et Durand, Voyage, Paris 1724, S. 232. Schriftprobe im Chron. Gotw. I. Tab. I zu S. 36. 31. Berlin, theol . fol. 322 . Rose II , 1 , 106. No 321 . 32. Berlin, theol. fol. 366 . Rose II, 1 , 52. No 276. 33. Berlin, theol . fol. 338 . Rose II, 1 , 98. No 311 . 34. Dass gerade diese Is. , die von den Sachverständigen des 18. Jahrhunderts für besonders wertvoll erklärt worden ist, nicht aufzufinden war, ist auffallend. Ich setze die Angaben MartèneDurands und Bessels hierher, vielleicht gelingt es, damit die wahrscheinlich unter einer andern Bezeichnung irgendwo steckende Hs. aufzuspüren. Erstere bemerken nur kurz (Voyage, Paris 1724. S. 231 ) : Un ancien Pontificat de plus de 600 an, ou il y a des rites très-singuliers. Bessel gibt (Chronicon Gotwicense I , 37 ) eine ausführliche Beschreibung : Inter ea numeratur unum (specimen) , quod initium est libri in folio nullum titulum proponentis : formalia ejus sequentia sunt : Sciendum sanè est, & omnibus Orthodoxis fidelibus memoriter retinendum , quia sicut praecipua currentis anni tempora proprijs sunt terminis praefixo tenore contenta . Hoc est septuagesimale, quod LXIV dierum spatio conficitur &c. Codicem hune RR. PP. Edmundus Martene, & Ursinus Durand in Monasterio S. Germani Ordinis nostri Parisiis Professi . . . , cun Anno MDCCXVIII Germaniam obeundo inter caeteras etiam Bibliothecam Weredinensem visitarent, maximoperè laudarunt, imo innestimabilem depraedicarunt, dolentes, per tempus non licere, ut integrum describerent ; Continet autem memoratus Codex ea, quae ad antiquos Ecclesiae ritus pertinent ; Singularia multa in eo reperiuntur, inter quae numerandum, quod de Iudicio Casei refertur, quod Claris : Ekardus Codicem hune perlustrando à se nullibi aliàs lectum fuisse ultro confessus est.

122

35.

Zachariae Episcopi

Chrysopolitani in unum et quatuor

Evangelia. 36. 37.

Smaragdi expostio in Regulain S. P. Benedicti. Epistolae S. Pauli Scriptae a S. Hildegrimo Germano S. Ludgeri.

In der neueren Literatur über Gottesurteile habe ich bei der Probe des geweihten Bissens keine Erwähnung dieser gefunden.

is.

35. Berlin, theol . fol. 338. Rose II, 1 , 98. No 311 . 36. Die Berliner Bibliothek besitzt eine Hs. Saec. X. Smaragdus, Expositio Regulae S. Benedicti ( theol. fol. 339. Rose II . 2, 763. No 756 ) , die aus Gross- St . Martin in Köln stamm : und vermutlich die von Ziegelbauer I, 508 in dem auszugsweise mitgeteilten Katalog dieser Abtei von 1494 unter No 91 verze: chnete Hs. Smaragdus in Regulam S. Benedicti ist. In dem Catalogus Manuscriptorum Codicum Bibliothecae Sti Martini maj. Coloniae des Oliverius Legipontius (Darmstadt Hs. 2702 : Bibliotheca Alfteriana II. S. 331 ) wird diese Hs. nicht mehr aufgeführt, sondern nur unter G 4 ein Codex in membranis venuste exaratus per RR. PP. Melchiorem et Henricum S. Martini ascetas sub annum 1490. Da die Berliner Hs, zu den 1823 aus Münster gekauften gehört (Staender S. XVI. No 27) , möchte ich annehmen, dass sie aus St. Martin nach Werden gekommen ist. Ein bestimmter Beweis lässt sich allerdings nicht führen, aber bei den engen Beziehungen beider Abteien ist die Möglichkeit nicht ohne weiteres abzuweisu. Abt Adam von St. Martin († 1499) hat 1474--1476 mit zehn Konventualen seiner Abte die Reform in Werden durchgeführt, und auch später muss noch ein reger Verkehr bestanden haben, 1512 hatte ein Canoniens von St. Martin, Petrus Gymnicus, die Berliner Is. theol. fol. 361. Rose II. 1. 128. No 336 aus Werden entliehen. Am Ende des 15. Jahrhunderts herrschte eine rege Schreibertätigkeit in St. Martin, vielleicht machte die neue Abschrift den alten Kodex entbehrlich. 37. Es liegt die Vermutung nahe, dass diese Hs, und Hüpschs No 32 nur eine sind, und dass die Annahme, No 37 sei von dem hl. Hildigrim geschrieben durch den ehemals in 32 vorn eingeklebten Originalbrief Hildigrims, den Tross abgelöst hat ( Rose II, 1 , 52. No. 276 ) entstanden ist . Der heute im Kgl. Provinzialarchiv in Münster befindliche Brief stammt aber von Hildigrim II. und, wie H. Beckel in der Zeitschrift f. vat. Gesch. u. Alt. 18 , 220 vermutet, erst aus dem Jahre 877 .

123

38.

Quinque ibri Decretalium Gregorii 9. cum glossis .

39.

Vitae et Passiones quorundam

Sanctorum

et

Martyrum .

Inter alia bis Passio S. Eliphii Patroni in Monasteriao S. Martini Coloniae, semel conscripta ab Abbate Tuitiensi Ruperto.

38. Düsseldorf E 4 (Ilgen) . 39. Auch diese IIs. scheint verschollen zu sein. Die Acta Sanctorum vom 16. Oktober VII , 2. Bruxellis 1845. S. 812-815 drucken die ältere anonyme Passio S. Eliphii nach einer jetzt in der Kgl. Bibliothek in Brüssel befindlichen Pergamenths, aus Gross-St . Martin in Köln, die 1480 von P. Henricus Zonsbeck geschrieben ist , unter Benutzung dreier anderen Handschriften aus München- Gladbach, Regensburg und Trier. Wie Rupert von Deutz die in St. Martin gebrauchte Passio propter nimiam simplicitatem neu bearbeitet hat, so hat wohl auch Zonsbeck einfach eine ältere Hs. der Abtei, die beide Vitae enthielt, neu abgeschrieben. Nach der Einführung der Bursfelder Reform in St. Martin wandte man auch der arg verwahrlosten Bibliothek neue Sorgfalt zu. Misero in statu iacebat, grassabantur enim in eam blattae, glires, tineae aliique truculenti librorum Pelopidae", so schildert Joannes Hubertus Kessel, Monumenta historica Ecclesiae Coloniensis, Colonie 1862. I, 163 Anm. 70 deren Zustand vor der Reform. Bei No 36 habe ich schon bemerkt, dass zu Ende des 15. Jahrhundert, namentlich unter dem Abt Adam Maver viele Kodizes.nen geschrieben wurden, in dem Catalogus des Legipontius werden die Schreiber mit den Jahreszahlen genannt. Durch die neuen Abschriften wurden die. alten wurmstichigen Handschriften entwertet, und so scheint es mir leicht möglich, dass man wie No 34 auch No 39 an das befreundete Werden abgegeben hat. Dass diese beiden Handschriften gerade den Kommentar zur Ordensregel und das Leben des Patrons, dessen Gebeine man in St. Martin verehrte , enthal ten. macht die Annahme noch wahrscheinlicher. Man könnte auch noch darauf hinweisen, dass das Interesse an dem hl. Eliphius durch die im Jahre 1485 im Beisein der Aebte von St. Martin und von Werden erfolgte Eröffnung seines Schreines um jene Zeit in beiden Klöstern ein besonderes reges gewesen sein wird, so dass der Wunsch der Werdener Konventualen. des Tohon dos Heiligen zu besitzen, erklärlich ist . Dass die Werdenor Is. die Abschrift des Zonsbeek gewesen ist, halte ich nicht für wohrscheinlich, denn diese befand sich zur Zeit des Liginontins, der sie in seinem Catalogus unter F 10 aufführt . noch in St. Martin .

124

40.

Homiliae aliquot in Dominicis et Festis.

41 et 42. Quatuor Evangelia secundum quatuor Evangelistas. 43. Liber Cassiodori Senatoris de artibus et Disciplinis Saccularium Studiorum, item quaedam excerpta et Sancto Angustino super eandem Materiam. 44. Vita B. Idae, authore Uffingo coenobita Werdinensi. 45. Vitae et Passiones quorundam Sanctorum. 46. 47.

S. Augustini Tractatus in Evangelium S. Ioannis . Rationale divinorum officiorum Ruperti Abbatis

Tm-

tiensis. 48.

Evangelia quatuor cum quibusdam prologis et Praefationibus.

49. Commentarius in Lucam et Ioannem.

41. 42 vgl. 48 , 56, 61. Grimm verzeichnet vier Evangelienhss. aus Werden unter den Nummern 1 , 4 , 5 , 6. Für Berlin wurden aus Münster 1823 ebenfalls vier angekauft ( Staender S. XV- XVI. No 14, 24, 25 , 31 ) . Zwei davon sind sicher Berlin theol . qu. 139. Rose II, 1 , 32. No 259. ( Schriftprobe mit Beschreibung Chron. Gotw. I. Tab. I zu S. 36 ) = Grimm 1 und theol. fol. 359. Rose II , 1 , 34, No 260 - Grimm 6. Die Hs. 10 in Münster hält Staender S. XII für Grimms No 4 oder 5 nach Entfernung des von Grimm erwähnten Elfenbeinschmucks. Berlin theol. fol. 357. Rose II , 2 , 739. No 731 könnte Hüpschs No 61 sein, die von den im 30jährigen Kriege aus Werden geflüchteten Benediktinern vielleicht im Jesuitenkolleg in Münster geborgen war, wo sie die Aufschrift Collegii Soctis Jesu Mon. Westph. erhalten haben konnte (vgl. die Bemerkungen am Schlusse dieser Abhandlung über die Vita Sti Liudgeri mit dem Diptychon des Rufius Probianus). 44. Herzfeld a. d. Lippe, Kr. Beckum, Kirchenbibliothek (vgl. Roger Wilmans, Die Kaiserurkunden der Provinz Westfalen I, 469. Münster 1867) . Die Is. war, wie eine Notiz auf der letzten Seite besagt , bis 1804 in Werden und kam dann nach Herzfeld, wo die Ueberreste der hl. Ida ruhten. 45. Wahrscheinlich Berlin theol. fol. 364. Rose II, 2 , 838 . No 791. Die Is. wird im Chronicon Gotwicense I. 37 beschrieben. 46. Berlin theol. fol. 346. Rose II, 1 , 80. No 298.

48. Vgl. 40 . 49. Düsseldorf A 12.

(Пlgen . )

125

50.

Glossa in Epistolas Apostolorum.

51. 52.

Missalia antiqua cum Imaginibus aureis Pulcherrimis. Beda de annis et temporibus .

53.

55.

Smaragdi Abbatis Enarratio in Evangelia per totum annua . Isidorus Episcopus de origine rerum. Pastorale Episcoporum.

56.

Quatuor Evangelia.

57.

Rupertus Abbas Super Osee, Ioclem et Amos,

54.

58.

Ephrem de compunctione Cordis, item Regula S. Basilii et alia . . . praecedunt nasterii constituta.

observanda a

Religionis hujus mo-

tempore B. Ludgeri.

59.

Haymonis Episcopi Halberstadensis in Epistolas D. Panii commentarius.

60.

Toannes Gerson 12 Tractatus Super Magnificat.

50. Berlin theol. fol. 481. Roses II, 1 , 54. No 277 , kam 1875 aus dem Archiv zu Münster nach Berlin. 51. Vielleicht das alte Missale im Pfarrarchiv zu Werden, vgl. oben S. 114. Dass in Hüpschs Verzeichnis nur dieses eine Missale und nicht auch die jetzt in Düsseldorf befindlichen Psalterien, Antiphonarien etc. , die in den 80er und 90er Jahren des 15. Jahrhunderts von dem Werdener Konventualen Friedrich Hugenpoet († 1502 ) mit Miniaturen geschmückt worden sind (D 15. 21. 24. 25. 26. 27. 28. 29 der Düsseldorfer Iss. , vgl. Jacobs Werdener Annalen S. 87. Anm . 124 ) erwähnt werden, deutet darauf hin, dass diese Handschriften damals beim Got tesdienst noch gebraucht und deshalb in der Sakristei aufbewahrt worden sind. 52. Berlin, Kgl. Geheimes Staatsarchiv, vgl . Dickamp, Zeitschrift f. vat. Gesch. u. Alt . 44 , 1 , 84 , 17. 1886. Pertz' Archiv 11 , 774. 53. Berlin theol. fol . 344. Rose II, 2 , 690. No 695. 55. Berlin theol. fol. 363. Rose II, 1 , 700 , No 701. Auf dem neuen Pappband nach Mitteilungen von Rose als Pastorale Episcoporum bezeichnet wie bei Hüpsch und Thiel 17 ( Staender S. XV). 56. Vgl. 40 . 57. Münster.

Staender 114. S. 26 .

58. Berlin theol . fol. 355 . 59. Berlin theol. fol. 367 . 60. Münster.

Rose II, 1 , 89. No 307.

Rose II, 1 , 174. No 353. Staender 57. S. 13.

126

61.

Liber Evangeliorum .

62.

Smaragdi Abbatis in librum qui vocatur Diadema Monachorum .

63.

Psalterium Romanum.

64.

Sermones Sancti Bernardi Super Cantica. Scripta sunt haec Omnia in Pergameno. Auf Grund dieses Verzeichnisses

hatte

nun Hüpsch

Jahre 1792 an Savels die Bitte gerichtet, ihm

einige

im

Iland-

schriften für ein grosses von ihm geplantes liturgisches Werk, das übrigens nie erschienen und auch handschriftlich bei seinem Nachlass nicht erhalten ist, zu leihen.

Savels antwortete am 18.

Dezember, jener könne auf die vorgeschlagene Weise haben, was er verlange, er hoffe aber, dass die Wahl nicht gerade auf die ,,volumineusesten Stücker" falle , die durch ihren Boten nicht leicht zu transportieren wären.

Wenn er jenem übrigens auf

irgend eine Art zu dem vorgenommenen Werke behilflich sein könne, so möge er ihm nur bestimmte Anweisung zukommen lassen. Am 22. Dezember stellte Hüpsch einen vorläufigen Schein aus, dass er aus der Bibliothek der

freien Reichsabtei

Werden folgende Manuscripta geliehen habe : No 21. 23. 29. 31. 34 unter Anführung der Titel nach obigem Verzeichnis. Er fügt am Schlusse bei : Ich habe gefunden, dass Sie verschiedene alte Evangelien Bücher unter Ihren Manuscripten auf Pergament haben.

Ich wünschte zu wissen, ob diese Evangelia auf

ihren Deckeln mit Steinen, helfenbeinernen Tafeln mit Figuren und Emaillen geziert sind.

Savels antwortete am 22. Januar

1793 , er habe nach einer Abwesenheit bei der Retour Hüpschs letzte Zuschrift, worin er einige Manuscripta zur Einsicht verlange, vorgefunden und sei gerade im Begriff gewesen, heute ein oder zwei Stücke einzupacken und sie ihm mit der heutigen Post zu schicken, als sich auf einmal in Werden das Gerücht verbreitet habe, die Oesterreicher seien von den Franzosen fiber den Rhein gejagt werden, und General Clairfait befinde sich zu Deutz .

So unverbürgt dieses Gericht an sich auch sei , so trage

61. Vgl. 40 . 62. Münster.

Staender 116.

63. Berlin theol. fol. 358.

S. 27 .

Rose II, 1 , 23. No 251.

127

er doch Bedenken, darauf gar keine Rücksicht zu nehmen, denn obgleich Hüpsch das Vertrauen hege, von den Franzosen in seiner Behausung nicht übel behandelt zu werden, so würden doch die Wege durch diesen Unfall sehr unsicher geworden sein. Im Falle sich das Gerücht bestätige, würde er die besten Manuscripta in Sicherheit bringen und zur Seite schaffen, so wie man es mit anderen Sachen schon längst getan habe.

Es war

ein blinder Lärm, und so konnte Savels am 29. Januar die erste der verlangten Handschriften schicken, wozu er die kieinste, die Vita S. Galli Sub No 65 auswählte. Aus dieser Zahl ergibt sich , dass die Nummern in Hüpschs Verzeichnis nicht mit den Signaturen der Werdener Handschriften übereinstimmen, der Schreiber, der die wertvollsten Pergamenthandschriften ausgewählt hat, hat sie ohne Rücksicht auf die Katalognummern durchgezählt . Hüpsch hatte in einem nicht vorhandenen Briefe offenbar Bedenken geäussert, eine Empfangsbescheinigung aus zustellen, ehe er die Handschriften selbst in Händen habe. Savels beruhigt ihn darüber : Ueber den zum voraus gegebenen Revers seien Sie nur unbekümmert .

Ich notiere, was Ihnen zuge-

gangen ist . Er antwortete gleichzeitig auf die Frage Hüpsch wegen den Evangelienbüchern : Wir haben zwei Evangelia die auf einer Seite ausgearbeitet sind, benebens das Leben des h. Ludgerus liegend in einer Kapsel, welche auf beiden Seiten mit Helfenbein, schön ausgestochen, belegt ist. Ich wünschte das Glück zu haben, Sie einmal hier zu sehen. Wir haben noch einige andre Kirchen Antiquitäten, die sich nicht woni transportieren lassen.

Am 5. Februar lässt Savels die Epistolae Gregorii Magni sub No 32 ( in Hüpschs Verzeichnis und Schein No 31 ) foigen , am 19. desselben Monats meldet er,,,das" Vita S. Galli sei richtig obruckgekommen. Hüpsch scheint das angegebene hohe Aiter ,,circa tempora Caroli Magni scripta" angezweifelt zu haben (mit Recht, auch Usener setzt die Handschrift in das 10. Jahrhundert), denn Savels schreibt : Ich bin ebenfalls der Meinung, dass Herr Eckard sich wohl um einigen Zeitraum geirrt haben möge. Ob das Vita Galli edirt sei, kann ich nicht sagen . Wir haben die Bollandisten nur bis in den Junius. S. Gallen fällt den 16. Oktober.

Auch Bessel führt in seinem Chronicon Got-

128

wicense I, 37 eine Aeusserung des Claris : Ekardus über einen Werdener Codex, das Rituale antiquum No 34

der Liste ,

an .

Gemeint ist jedenfalls der bekannte Würzburgische Geschichtsschreiber Johann Georg von Eckhardt (Eccard) , der auf der Flucht von Hannover nach Köln, wo er zum Katholizismus übertrat, zu Beginn des Jahres 1724 sich in Werden aufgehalten hat . (Vgl. seine Commentarii de rebus Franciae orientalis. Virceburgi 1729. II , 28. ) Ich habe mich vergebens bemüht, in seinen gedruckten Werken etwas über Werdener Handschriften zu finden, und vermute, dass es sich nur um mündliche Aeusserungen handelt, die der berühmte Mann bei Gelegenheit seines Aufenthalts in der Abtei über das Alter einiger Handschriftn gemacht hat, und die der damalige Bibliothekar ebenso wie s. Z. die Angaben von Martène und Durand, die auch nicht alle in deren Werk zu finden sind, in den Katalog geschrieben hat, aus dem dann die Kenntnis Bessels und Hüpschs staminte . Dafür scheint inır namentlich zu sprechen, dass in dem Verzeichnis Hüpschs und bei Bessel die Bemerkungen der berühmten Sachverständigen fast mit den gleichen Worten angeführt werden (Martene et Durand Bibliothecam nostram perlustrantes, Ekardus Codicem hunc perlustrando). Mit dem Schreiben vom 19. Februar 1793

sendet

Savels

gleichzeitig die Secunda pars moralium S. Gregorii Papae, vita S. Gregorii et Hieronymi, alles in einem Band, und zwei Rezepte, verloschene Schrift leserlich zu machen, die

folgender-

massen lauten : 1. Man streiche eine wohl gesättigte, stark gekochte Galläpfel Solution mit einem zarten Pinsel

über

Schrift und lege sie an einen warmen Ort hin.

14 Quart

2.

die

weissen Wein, 4 Loth gepulverte Galläpfel, ½ Loth Zitronen Spiritus, alle 2 Stund ein Viertelstund umgerüttelt und die Schrift damit angefeuchtet .

Er fügt ferner bei,

Schrift aus

dem 6. Saeculo habe er in Originalen noch nie gesehen, und wünscht, dass Hüpsehs Hoffnung, solche durch einen italienischen Bischof zu erhalten, erfüllt werde. Das scheint leider nicht geschehen zu sein, denn so alte Handschriften befanden sich nicht in Hüpschs Bibliothek.

Um dieselbe Zeit muss Hipsch bei Savels den Tausch der Werdener Evangeliarien mit Schmuckdeckeln angeregt haben.

129

denn Savels schreibt am 18. März, er habe Sr. Hochwürdigen Gnaden, dem Herrn Abt den Inhalt von Hüpschs Zuschrift den Tausch ihrer alten geschriebenen Evangelienbücher betreffend vorgetragen, dabei aber bemerkt , dass er zu solchem Tausche gar nicht geneigt sei . Die folgenden Briefe Savels beziehen sich alle auf den am 9. April 1793 begonnenen Kreistag, auf dem Hüpsch die Abtei vertrat, und der durch seine lange Dauer grosse Kosten verursachte . Nur in einem dieser Briefe bemerkt Savels am 13. August 1793, sie besässen weder Psalterien noch andere Handschriften mit. Versalschrift. Erst am 3. Juni 1794 finden wir wieder eine uns hier interessierende Bemerkung . Savels mahnt Hüpsch, er habe noch ein Manuskript der Abtei in Händen, und bittet es zurückzusenden, da es nebst dem Iosephus Flavius das Beste in ihrer Sammlung sei . Ein Freund habe ihn ersucht, einen Extrakt daraus zu machen, auch könne es bei Besuchen von Fremden nicht vorgezeigt werden. Aus Savels ' Erief vom 17. Juni 1794 ergibt sich, dass es das alte Rituale war. Nachdem Hüpsch es abgeliefert hatte, erhielt er an demselben Tage den am 22. Dezember 1792 ausgestellten Schein zurück. Savels versprach, wenn er Ende des Monats nach Köln komme , das Manuskript mit den helfenbeinernen Tafeln mitzubringen, cs sei das einzige von der Art, das sie besässen. Die Aufschrift sei auf der einen Seite Rufius probianus. v. c. , auf der andern Vicarius urbis Romae. Er macht dann einige naive Bemerkungen über die dargestellte Persönlichkeit, über deren Schooss eine Schleife hänge mit den Worten Probiane floreas. Er brachie das Manuskript des Lebens des hl. Ludger mit dem Kästchen, in dem es lag, das mit dem erwähnten römischen Elfenbeindiptychon geschmückt war, auch richtig zu Hüpsch und iiess es in dessen Händen. Am 1. Juli 1794 dankt er Hüpsch für die gute Warnung vor dem G. von R. ' ) , versicherte ihn aber, dass, so-

¹ ) Es ist mir nicht gelungen, herauszubringen, wer dieser G. v. R. gewesen ist ; vermutlich ein Sammler wie Hüpsen , der sich unbequeme Mitbewerber auf diese Weise vom Haise zu schaffen liebte. In seiner Ausführlichen Erläuterung an das unpartheyische Stadtkölnische Publikum , Köln 1795 , ciner Rechtfertigungsschrift gegen verschiedene Vorwürfe, die man in Köln gegen ihn erhoben hatte, rühmt er sich S. 16, er habe

180

lange er den Schlüssel zur Bibliothek gehabt habe,

kein Ma-

nuskript weder verkauft noch verschenkt worden sei , dasjenige ausgenommen, das Hüpsch vorlängst über Medizin erhalten im Jahre 1792 in den Zeitungen die Vorsteher der Abteien und Klöster vor einem reisenden Ordensgeistlichen als vor einem ausländischen Auskundschafter gewarnt, der schon nach der Rückkehr von seiner ersten Reise in den niederdeutschen Provinzen eine kurze literarische Reisebeschreibung in öffentlichem Druck herausgegeben habe, worin er anzeige, in welchen Abteien und Klöstern der Niederlande und der dortigen Gegenden sich alte Manuskripte, alte Editionen und sonstige seltene Bücher, wie auch Münzkabinette, Kupferstichsammlungen, Altertümer, römische Inschriften, Malereien von grossen Meistern usw. befänden. Die Warnung sei abgedruckt in den (Kais. Allergnädigst privil, freyer Reichs-Stadt Cölln gemeinnützigen ) Intelligenz-Nachrichten vom Montag den 31ten October 1792 Nro. 17. Diese Zeitung war leider nicht aufzutreiben, so dass ich nicht weiss, ob Hüpsch dort noch nähere Angaben über den ausländischen reisenden Ordensgeistlichen macht. War es der berüchtigte Benediktiner Jean Baptiste Maugérard aus Metz , dem Traube und Ehwald neuerdings in den Abhandlungen der Kgl. Baver. Akademie der Wissenschaften III. Klasse. Bd . 23. Abt. II. S. 301-387 . München 1904 eine gründliche und interessante Untersuchung gewidmet haben ? Manches passt sehr gut auf ihn. vor allem auch, dass er gerade 1792 nach wiederholten früheren Reisen seine Hauptraubzüge in den westdeutschen Klöstern begennen hat. Andererseits ist seinen Biographen die von Hüpsch erwähnte kurze literarische Reisebeschreibung nicht bekannt. Es lohnt jedenfalls der Mühe danach zu suchen. Ich benutze die Gelegenheit zu der Traube-Ehwaldschen Veröffentlichung einige Kleinigkeiten nachzutragen, die ich in Hüpschs Papieren gefunden habe, und aus denen sich ergibt , dass beide Männer brieflich mit einander verkehrt haben und sich vermutlich auch einmal persönlich begegnet sind. Es ist leider nur sehr wenig, da Hüpseh von Mangérards Briefen nur zwei Unterschriften in einer mit der Bezeichnung Handschriften" versehenen Sammlung von Namenszügen, die meist von Briefen abgeschnitten sind, aufbewahrt hat. Sie lauten : Monsieur Votre très humble et obeissant

und :

serviteur Dom Maugerard Votre très humble et obeissant serviteur Dom Maugerard Benedictin du College de Metz.

131

habe ' ) . Seien sie jemand ein Douceur zu machen schuldig, so geschehe es eher in Geld als in Manuskripten, die nicht wieder zu erwerben seien. Diese Gesinnung, die so sehr gegen den Leichtsinn absticht, mit dem man in anderen Klöstern, auch des Benediktinerordens, die alten Schätze sich von ausländischen Sammlern und Händlern ablocken liess, macht Savels und dem damaligen Abt Bernard II. Bierbaum alle Ehre. Erst am 29. Dezember 1795 schreibt Savels wieder, da nach so langer Hemmung des Verkehrs mit dem jenseitigen Rheinufer es nun endlich wieder geschehen könne, einen Brief hinüber zu senden. Sie hätten gehört, Hipsch habe den Franzosen sein ganzes Kabinett gegen ein Nationalgut abgetreten. Er habe hoffentlich das Manuskript ihrer Bibliothek mit den helfenbeinernen Tafeln zurück behalten, er bitte ihn um so mehr, es endlich zurückzusenden, da das Schicksal der Stadt Köln sich jetzi nicht bestimmen lasse, und er ein Stück nicht gerne verlieren möge, das das einzige sei, was sie in der Art hätten.

Die Nach-

richt von der Abtretung des Kabinetts an die Franzosen, die wiederholt deshalb Schritte getan haben, war glücklicherweise nicht begründet.

Hüpsch gab aber das kostbare Stück nur sehr .

ungern heraus und versuchte alles mögliche, Savels zu bestimWichtiger ist ein Eintrag in Hüpsch Fremdenbuch aus dem Juli 1789 : Dom Maugerard Benedictin de l'Academie Royale, Bibliothecaire de Mr le Cardinal de Montmorency. Er gibt Kunde von einem seither unbelegten Aufenthalt Maugérards in Köln. Worin die Beziehungen beider Sammler bestanden haben, ob sie Handschriften und alte Drucke gegenseitig getauscht oder verkauft haben, liegt vollständig im Dunkeln. Weitere Spuren ihres Verkehrs habe ich in Hüpschs Papieren nicht gefunden. Die Merkmale, die Ehwald S. 348 als Kennzeichen der von Maugérard verhandelten Stücke angibt , sind mir aus Dariastädter Handschriften nicht erinnerlich, ich habe unsere Handschriften allerdings nach dem Erscheinen der Arbeit daraufhin nicht durchsehen können. Es lag nahe anzunehmen, Maugérard habe, wie mit dem Herszog von Gotha, so auch mit dem Landgrafen Ludewig X. , der als ein Sammler bekannt war, der grosse Summen für seine Bibliothek ausgab, in geschäftlichen Beziehungen gestanden, aber in den Akten der Hofbibliothek und des Haus- und Staatsarchivs fand sich davon keine Spur. ¹) S. oben No 18 des Verzeichnisses.

132

men, es ihm ganz zu überlassen.

Ende Februar 1796 schreibt

er Savels, seine Meinung, dass alte Manuskripte von so grosser Kostbarkeit wären, sei ein Irrtum .

Um ihm einen handgreif-

lichen Beweis davon zu geben, um wie geringen Preis man derartige Werke vor dem Kriege, also in den guten Zeiten öffentlich habe kaufen können, sende er ihm den Versteigerungskatalog über die Bibliothek der Abtei St. Jacques in Lüttich aus dem Jahre 1788 , in dem bei jeder Nummer der Preis von einem Notar zugeschrieben sei ' ) . Er habe bei dieser Versteigerung weit über zweihundert alte Manuskripte ( es waren in Wirklichkeit nicht ganz hundert ) teils unter seinem Namen teils unter der Hand durch gute Freunde ersteigern lassen und würde 200 Jahre an Abteien und Klöstern haben schreiben müssen, ehe er so viel zusammen gebracht hätte, als er hier um ein Lumpengeld gekauft habe.

Dabei befinde sich auch der Liber Constantini qui

Viaticus intitulatur ( No 443 des Catalogue) , wofür er acht Lütticher Florin bezahlt habe, so schön und sauber auf Pergament mit den Commentariis geschrieben, dass dieses Exemplar wohi mehr als zwanzig Manuskripte, wie das durch Savels' gütige Einleitung ihm von dem Herrn Abt geschenkte Werdener Manuskript wert sei ) .

Bei dieser Versteigerung seien die gedruckten

Bücher teurer verkauft worden als die alten Manuskripte .

Das

sei noch in den guten alten Zeiten gewesen, wie wolfeil werden aber jetzt die alten Manuskripte werden, da das Gericht gehe, dass alle Abteien und Klöster in den Niederlanden und dem Lütticher Land aufgehoben werden sollten.

Dann werden die

¹ ) Dieses Exemplar des von J. N. Paquot verfassten Catalogue de la Bibliothèque de la célebre Ex- Abbaye de St. Jacques à Liege, dont la Vente se fera le 3 Mars 1788 & jours suivans. Liege 1788. 8 " besitzt die Hofbibliothek in Darmstadt , ein zweites, das ausser den Preisen auch manchmal die Käufer nennt, die Universitätsbibliothek in Lüttich. Vgl. Sylv. Balau, La Bibliothèque de l'Abbaye de Saint-Jacques à Liège in dem Compte rendu des Séances de la Commission Royale d'Historire, T. 71 , 1er Bulletin. Bruxelles 1902. S. 1-61 . Ich gedenke zu dieser fleissigen und interessanten Arbeit auf Grund der Papiere Hüpschs und er Lütticher Codices in Darmstadt später Nachträge und Ergänzungen zu veröffentlichen. 2) Vgl. oben die Bemerkungen zu No 18 .

133

Bibliotheken und namentlich die

alten Manuskripte

um

ein

Spottgeld verkauft werden, denn wer wolle in so beklemmten Zeiten Geld in Büchern anlegen, von denen man niemals Gebrauch machen könne. Literarische Manuskripte, die noch nicht gedruckt seien, behielten natürlich ihren Wert. Solcher könne er ihm , wenn er es wünsche, eine Sammlung verschaffen, die einige Tausend Taler wert sei. Er habe die Büchersammlung jenes preussischen Hofrats von Möers¹ ) zu teuer bezahlt , hier könne er einen wohlfeileren Kauf tun. Seinem Schreiben an Savels

legte Hüpsch eine Erklärung der helfenbeinernen und metallenen Tafeln bei, welche sich auf alten Kirchenbüchern vorfinden. Da man in den ältesten Zeiten des Mittelalters noch eine ganze Menge römischer Elfenbeindiptychen besass, brachte man sie zum Schmucke auf Reliquienkasten, Arae viatoriae Evangelienund liturgischen Büchern an. Später eiferten einige Kirchenlehrer gegen die Verwendung von Tafeln mit heidnischen Vorstellungen zu christlichen Zwecken, daher wurden die meisten römischen Tafeln entfernt und an ihrer Stelle christliche Tafeln angebracht , z. B. Christus am Kreuz , die vier Evangelisten, Vorstellungen aus der Kirchengeschichte und dergleichen . Er besitze eine Sammlung solcher Elfenbeintafeln und Kirchenbücher, die mit derartigem Schmuck geziert seien. Sowohl hiesige wie ausländische Stifter und Klöster hätten ihm mit Bereitwilligkeit dergleichen Tafeln und Bücher gegen billige Zahlung überlassen, weil er ihnen bewiesen habe, dass er damit einen gemeinnützigen Gebrauch vorhabe und ein Werk über die Liturgie der katholischen Kirche herausgeben wolle. Daher habe das Andreasstift zu Köln seine prächtigen Evangeliaria, welche mit helfenbeinernen Tafeln und Zierraten geschmückt seien , geschenkt.

Ebenso habe er von dem Fürsten von Hohenlohe")

1) Nach Pfannenschmid, Archiv f. d. Gesch. des Niederrheins 7 , 395 bestand die Werdener Bibliothek bei der Aufhebung aus der alten Abteibibliothek und einer neuen von dem Richter Weisse in Meurs angekauften Büchersammlung. Im letztere dreht es sich wohl bei obiger Briefstelle . 2 ) S. 56 seiner Synoptischen und Systematischen Tabellen des ganzen Naturalienkabinetts des Freih. von Hipsch I. Cöln 1797 dankt Hüpsch ebenfalls dem Hochwürdigsten Erzbischof zu Breslau, Fürst von Hohenlohe , Probst zu St. Gereon in Köln,

134

dem jetzigen Erzbischof zu Breslau, dergleichen Tafeln und Arae viatoriae aus der Kapelle der Stiftskirche zu St. Gereon' ) zu demselben Zwecke zum Geschenk erhalten. Das hiesige Stift zu St. Georg habe ihm in dieser rühmlichen Absicht noch kürzlich sein bestes Evangelienbuch, dessen Deckel mit einer silbernen Platte beschlagen und mit einer helfenbeinernen Tafel gesemückt sei, für zwei Louisd'or überlassen. Der Silberwert allein der ihm zween alte Reisealtäre geschenkt habe. Joseph Christian Franz Karl Ignaz, Fürst von Hohenlohe-Bartenstein zu Pfedelbach ( 1740--1817 ) war seit 1795 Probst von St. Gereon , wurde am 12. November 1787 Koadjutor und am 27. August 1795 Erzbischof zu Breslau. 1) Aus St. Gereon stammt auch das von W. Wattenbach im Nenen Archiv 6. S. 446 beschriebene Evangeliar Saec. 11 in Stuttgart (Ms. Bibl. fol. N. 21 ) , das vermutlich durch Hüpsch dorthin gelangt ist. Er schrieb im Jahre 1803 dem Landgrafen. als er ihm ebenfalls ein Evangeliar zum Kauf anbot, er habe vor vielen Jahren einen dergleichen Kodex für den Herzog Carl Engen von Württemberg in einem alten Stifte für 200 Reichstaler gekauft, er sei aber nicht so schön, nicht so sauber geschrieben, auch nicht so gut konserviert gewesen wie der dem Landgrafen angebotene. Der Stuttgarter Kodex ist, wie mir Kollege Steiff mitteilte , in der Tat durch eine ölige Flüssigkeit am oberen Rande auf allen Blättern beschmutzt, er ist im 18. Jh. neu gebunden worden. Vielleicht hat Hüpsch die Vermittlung dieses Kaufes benutzt, seine Sammlung durch ein altes Elfenbeinrelief des Deckels zu bereichern , deren das Stift von St. Gereon eine grosse Anzahl besass, die in einem am 4. April 1370 aufgestellten Schatzverzeichnis mit einer sonst nicht häufig anzutref fenden Genauigkeit aufgeführt werden, indem nicht nur der Gegenstand des Schmuckdeckels, sondern auch Anfang und Ende des Textes der Bücher angegeben werden. Der Herausgeber des Urkundenbuches des Stiftes St. Gereon zu Köln", Bonn (1893) , P. Joerres, hat leider in seinem Abdruck des Schatzverzeichnisses S. 445-454 letztere genauen Angaben, die dieser Urkunde einen besonderen Wert verleihen, als entbehrlich bei manchen Handschriften weggelassen, und ein Versuch, durch eine Anfrage an den Pfarrer von St. Gereon, in dessen Archiv sich die Urkunde befindet, die Sache aufzuklären, blieb erfolg los, da die Anfrage nicht beantwortet wurde . Die Frage ist des halb nicht ohne Interesse, weil dadurch möglicherweise die Herkunft eines der durch Hipsch hierhergelangten Elfenbeinreliefdes Grhz, Museums bestimmt werden könnte .

135

betrage mehr als sechs Kronentaler. Dieses gutdenkende Stift habe ihm noch andere liturgische Altertümer aus seinem Archive und seiner Sakristei angeboten.

Aus Lüttich habe er aus

verschiedenen Stiftern und Klöstern dergleichen Tafeln und mit Tafeln gezierte Kirchenbücher teils für Geld teils tauschweise um sehr billigen Preis erhalten, darunter ein altes Evangelien buch mit einem römischen Diptychon des Konsuls Astyrius, das dem des Werdener Kästchens ganz ähnlich sei .

Savels

könne

eine ganze Menge dergleichen alter mit helfenbeinernen Tafeln geschmückter Kirchenbücher und einzelner Tafeln in seiner Sammlung sehen und daraus abnehmen, dass sie gar nicht so selten seien. Von Wert wären sie nur einem Liebhaber wie er, der daran neue für die Kirchengeschichte wichtige Beobachtungen machen könne . Nachdem Hüpsch nun auf diese Weise den Wert der Tafeln nach Sammlerart möglichst herabgesetzt hatte, rückt er mit seinem Vorschlag heraus. Auf das Manuskript des Lebens des hl. Ludgeri verzichte er, da es für die Abtei mehr Wert habe als für ihn, auch das Kästchen wolle er nicht, sondern nur die zwei römischen Tafeln. Dafür biete er der Abtei zum Tausch 1. ein schönes Kruzifix mit einem Christus von Helfenbein, das man in der Kirche , der Sakristei oder einem Zimmer zur Zierde aufstellen könne, 2. wolle er auf alle Diäten und Belohnungen, die er als Kreisgesandter für die Abtei verdient habe, verzich Die Abtei Cornelimünster, die er gleichzeitig vertreten hatte, habe ihm ausser den Diäten noch ein ansehnliches Geld-

ten.

geschenk gemacht und ihm aus der Abteibibliothek alte Manuskripte auf Pergament, zehn bis zwölf Folianten, geschenkt. Er wolle 3. das Kistchen, in dem das Manuskript liege, mit neuer Vergoldung und Zierrat versehen lassen, so dass es gewiss em anderes Ansehen erhalte und dem darin liegenden Manuskript mehr zur Ehre gereiche . Er bitte diesen billigen und vorteilhaften Vorschlag seiner Hochwürdigen Exzellenz dem Herrn Abten vorzustellen. Savels werde dadurch beweisen, dass Werden wie andere Abteien und Stifter etwas zur Beförderung, zur Interstützung und zur Aufmunterung seines liturgischen Werkes und seiner gemeinnützigen Bemühungen beitragen wolle . Da er seine Sammlungen zu einem öffentlichen Gebrauch bestim-

136

men wolle, trage die Abtei einen vorzüglichen Ruhm davon, wenn sie durch Ueberlassung dieser zwei Tafeln einen Beitrag dazu liefere. Er werde nicht nur Savels für seine Bemühungen erkenntlich sein, sondern auch die Beiträge der Abteien und Stifter in seinem Werk öffentlich zu Dankbarkeit erwähnen. Trotz dieser Sirenenklänge erreichte Hüpsch diesmal selnen Zweek nicht.

Savels antwortete am 21. März 1796, er kenne

den Herrn Abt viel zu gut, als dass er es wagen dürfe, ihm Hüpschs Antrag vorzulegen .

Er sei mit solchen Gegenständen

gar nicht freigebig und vorzüglich aufmerksam auf Stücke , die wie das vorliegende nur einmal vorhanden wären. Er fürchte sogar einen Verweis zu erhalten , teils wegen der Verleihung eines solchen Stückes , teils wegen eines derartigen Antrags. Der Herr Abt werde Hüpsch für seine Bemühungen beim Kreistage lieber eine andere Belohnung zugehen lassen als jene Tafeln . Mit diesem Schreiben endet der interessante Briefwechsel, da Savels seit dem 31. Oktober 1795, wie er Hüpsch in jenem Briefe vom 21. März 1796 mitteilt, nicht mehr der Kanzlei und der Bibliothek vorstand, sondern zum Prior

ernannt

worden

war. Seiner Aufforderung, das Manuskript nun zurückzugeben , kam Hüpsch aber doch nicht nach, er wusste vielmehr die Sache noch einige Jahre zu verschleppen, bis Savels, der unterdessen am 20. März 1798 selbst zur Abtwürde emporgestiegen war'), endlich die Geduld verlor und ihn benachrichtigte, er habe den Kanonikus Kaysersfeld vom Liebfrauenstift in Aachen, der nach Köln reise, beauftragt, das Eigentum der Abtei in Empfang zu nehmen. Kaysersfelds Reise verzögerte sich wider Erwarten, und er übertrug daher seinen Auftrag dem Frhrn. Jos. Emanuel von Geyr. Am 17. Oktober 1800 konnte endlich der Freiherr Carl Theodor von Geyr bescheinigen, er habe von dem Herrn Baron von Hipsch im Namen des Herrn Abten zu Werden ein altes Manuskript, das Leben des heiligen Ludgeri, geschrieben auf Pergament, in einem länglichen Format, eingefasst mit einem hölzernen Kasten, worauf auf beiden Seiten zwei helfenbeinerne Tafeln sind, empfangen. 1) Bald nach seiner Ernennung zum Abt besuchte er Hüpsch wieder persönlich in Köln , im Mai 1798 steht im Fremdenbuch Bl. 482 : B. Savels Abt zu Werden und Helmstedt .

137

So ist das Diptychon des Rufins Probianus, eines der interessantesten und künstlerisch wertvollsten römischen Elfenbeindiptychen, leider

nicht

mit den übrigen

Elfenbeinschätzen

Hüpschs in das Darmstäter Museum gekommen, sondern nach der Aufhebung der Abtei Werden in die Paulinische Bibliothek zu Münster, die es im Jahre 1823. an die Königliche Bibliothek in Berlin verkauft hat '). 1) Wie Wilhelm Diekamp in der Einleitung seines Werkes ,,Die Vitae Sancti Liudgeri" (Die Geschichtsquellen des Bistums Münster IV. Münster 1881 ) S. XLVI zu der Annahme gekommen ist, die Handschrift und das Kästchen schienen schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts nicht mehr in Werden gewesen, sondern, aber nicht vor der Mitte dieses Jahrhunderts, in die Bibliothek des Jesuitengymnasiums zu Münster und von da in die Paulinische Bibliothek gewandert zu sein, weiss ich nicht . Nur eine Vermutung möchte ich äussern. Vor den Stürmen des 30jährigen Krieges waren fast alle Konventualen aus Werden geflüchtet (Jacobs, Annalen S. 137 ) . Es ist nicht anzunehmen, dass sie ihre kostbaren Bücher und die übrigen Schätze in der Abtei ohne Schutz zurückgelassen haben. Ich vermute , dass einer ihrer Zufluchtsorte das Jesuitenkolleg in Münster war, was Diekamps Annahme und auch bei einem jetzt in Berlin befindlichen nach Roses Vermutung aus Werden stammenden Lectionar ( 731 theol . fol. 357 ) den Eintrag Collegii Soctis Jesu Mon. Westph. " erklären würde. Ob nicht bei den Düsseldorfer Iss. B 3 und E 1 , die bald in Werden, bald in Essen waren, die Sache ähnlich liegt , wäre noch genauer zu untersuchen. Die Handschrift wird in Grimms Verzeichnis unter No 3 aufgeführt, und die Papiere Hüpsch beweisen ebenfalls, dass die Abtei Werden dieses Leben ihres Stifters bis zuletzt in ihrem Besitz hatte. Ueber die Handschrift, jetzt Theol. fol. 323 der Kgl. Bibliothek in Berlin, und das Diptychon vgl. zuletzt Valentin Rose in ..Die Handschriften-Verzeichnisse der Kgl. Bibliothek zu Berlin" . 13 . Bd . Lateinische Handschriften. 2. Bd . 2. Abteilung S. 873 biz 875 und Wilhelm Meyer in den Abhandlungen der philos. -philol . Classe der K. Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 1879 . Bd. 15. 1. S. 35-41 . 78 , wo auf Taf. II die Elfenbeintafeln, die in der Berliner Bibliothek jetzt besonders aufbewahrt werden, abgebildet sind. Eine Abbildung gibt auch Loubier, Der Bucheinband.

Berlin-Leipzig 1904. S. 20 .

II. Der folgende Aufsatz über die Abtei Werden ist gedruckt im 2. Bande der von W. Aschenbach herausgegebenen

Niederrheinischen

Blätter

für

Be-

lehrung und Unterhaltung (2. Band 3. Quartal, Dortmund 1802 ) S. 607-627 und mit Y Z. unterschrieben. Indes lässt sich als Verfasser mit Sicherheit ein Joh. Schmidt aus Stolberg feststellen.

Er berichtet nämlich in der Einleitung,

dass er auch über Cornelimünster geschrieben habe und unterzeichnet diesen Aufsatz ( 1. Bd . S. 137–162 ) mit J. Sch- dt . Då ein offenbar von demselben Verfasser herrührender Aufsatz (1 . Bd . 2 Quartal S. 258-276 ) ebenfalls mit J. Sch - dt und die Fortsetzung desselben ( 4. Bd. 3. Quartal S. 643-701 ) mit Joh . Schmidt, sowie eine weitere Abhandlung ( 5. Bd. S. 3-68 ) mit Stollberg Joh. Schmidt unterschrieben sind, so kann über den Namen des Verfassers kein Zweifel bestehen. Wenn die nachstehende Schilderung der Zustände im Stifte Werden unmittelbar vor der Säkularisation für den Kenner der Werdener Geschichte auch kaum etwas Neues bringt , vielfach sogar einseitige und unrichtige Darstellungen enthält, so glanben wir dieselbe als charakteristisches Zeitbild zum Abdruck bringen zu sollen. Nur die ganz allgemeingehaltenen, zu dem Gegenstande nicht in näherer Beziehung

stehenden Einleitungs-

sätze sind fortgelassen worden¹ ) . 1) Grösse des Ländchens und Zahl der Einwohner. Die

Abtei Werden liegt im südwestlichen Teile des

niederrheinischen Kreises, und wird gegen Norden vou der Abtei Essen, gegen Östen von der Grafschaft Mark, gegen Süden und Westen von dem Herzogtum Berg begrenzt.

Sie ist un-

gefähr 1 Quadratmeile gross und hat 6 bis 7000 Einwohner ; ein 1) Die dort ausgesprochene Absicht des Verfassers, auch die Abtei Essen in ähnlicher Weise behandeln zu wollen, ist , wenig stens soweit die Niederrheinischen Blätter in Betracht kommen, nicht zur Ausführung gelangt.

189

Verhältnis, welches auf grosse Fruchtbarkeit des Bodens, oder auf hohen Flor der Fabriken und der Handlung schliessen lässt . 2 ) Beschaffenheit des Bodens. Das abteiliche Gebiet ist bergig und hat seine schönen. fruchtbaren Flächen nur zwischen und oben auf den Bergen. Die Gebirgskette, die dasselbe meistens von Osten nach Westen durchstreicht, ist ein Arm des sauer- oder süderländischen Gebirges, welches sich nicht blos durch das Herzogtua Westfalen und den südlichen Teil der Grafschaft Mark, sondern auch durch die ganze östliche Seite des Herzogtums Berg hinzicht , und nördlich von der Ruhr begrenzt wird. Bei Werden hat sich das Gebirge schon gesenkt, denn seine höchsten Gipfel messen da wol nicht viel über 250 Fuss.

Ein paar

Stunden weiter,

unter Mülheim an der Ruhr, neigen sie sich ganz zur Fläche hinab. -- Die Gegend ist reich an Naturschönheiten. Der Anblick der, mit hohem Holz bewachsenen, oder mit fruchtbaren Gärten belegten Hügel ; des zwischen denselben in vielen Krimmungen sich hinschlängelnden und stark befahrnen Ruhrstroms : der im Tale liegenden Oerter Werden, Kettwig und mehrerer einzelnen Güter ; die Aussicht von vielen Höhen hinunter und, hier und da, auch über die niedrigen Berge hinweg bis in die Gegenden jenseits des Rheins, mehr als 12 Stunden weit ; dies alles gewährt dem Freunde der Natur und ihrer Schönheiten einen herrlichen Genuss.

Die vorzüglichsten Aussichten findet

man bei Kettwig auf den Höhen, die dem Dorfe Mintert und dem Hause Hugenpoot gegenüber liegen ; sodann bei Werden auf der Höhe, die durch die Ruhr von der Stadt geschicden wird, und von einem an der andern Seite Werdens liegenden Berge, welcher, von dem darauf wohnenden katholischen Pastor, der Pastoratsberg genannt wird.

Diese ,

so wie über-

haupt die Ruhrgegenden, verdienten es gewiss eben so sehr, als manche Elb-, Rhein- und Schweizer-Gegend, aufgenommen und in Kupfer gestochen dem vaterländischen Publikum vorgelegt zu werden'). 1) Man hat zwar breits seit mehreren Jahren einige in Kupfer gestochene und illuminierte Zeichnungen von Ruhrgegenden : diese aber machen, wiewohl sie nicht uneben sind. eine neue Zeichnung keineswegs überflüssig.

140

3) Produkte. Der Boden ist grösstenteils lehmig (Kleigrund) und kalt ; Weizen , er wird deswegen hauptsächlich mit Kalk gedüngt. Roggen, Gerste und Hafer bringt er in Ueberfluss und von vorzüglicher Güte hervor.

Der Buchweizen, der in den benach-

barten sandigen Gegenden, im Vest Recklinghausen, an der münsterischen Seite des Herzogtums Cleve und im Bistume Münster selbst so vortrefflich gedeiht und dort ein Hauptnahrungszweig der Einwohner ist, wird auch zwar gesät , gerät aber weniger. Der Halm ist mager, die Blüte bekommt ihre schöne, üppige Fülle nicht, und die Frucht bleibt gering. Die Gärten haben verschiedene Arten von Gemüse, vornemlich weissen, roten und braunen Kohl , Erdäpfel ( Kartoffeln) , Erbsen, dicke Bohnen (die man aber den Sachsen mit seinen resp. Saubohnen nicht zu verwechseln bittet ) , Vites- oder Veitsbohnen, Salat, Spargel u. s. w.; aber der Gartenbau wird einem grossen Teil der Bewohner, besonders der Stadt, durch die Lage ihrer Gärten an den Bergen ungemein erschwert, indem sie mit gar zu vieler Mühe ihre Gärten ersteigen und den Dünger in Körben hinauftragen müssen. Auch Flachs wird von den Landleuten gezogen, welche auf den Ackerbau,

als ihren einzigen

Nahrungszweig eingeschränkt sind, und in Ansehung ihres Erwerbes den Einwohnern der Stadt weit nachstehen. Die Schafzucht ist nicht stark; man weiss die Güte des Bodens zu schätzen, lässt ihn nicht brach liegen, noch mit Haidekraut und anderm Die grobe Wolle, welche man noch Gestrüppe bewachsen. braucht, liefert das benachbarte Bistum Münster aus semen Das wichtigste Produkt des Landes Haiden in Ueberfluss. Steinkohlen. Die ganze Abtei ruht (gleich der aber sind dem angränzenden Ruhrdistrikt der Gr. Mark), und Abtei Essen auf Steinkohlen von vorzüglicher Güte. Es werden hier jähr lich gegen 600,000 Ringel, jeder zu 170 Pf. köln. gerechnet, Ausserdem hat aus den Bergwerken gefördert und verkauft. das Ländchen auch noch einige nicht unbedeutende Steinbrüche. 4) Flüsse und Bäche. Das abteiliche Gebiet wird von der Ruhr von Osten nach Westen durströmt . Dieser Fluss ist ungefähr so breit , wie die Lippe oder die Saale ; um ein Drittheil schmaler, als die Weser

141

an ihren breitern Stellen, aber ziemlich tief und durch die, der Schleusen wegen hineingebauten Steinbänke

( Schlachten ge-

nant ) , worüber sie sich stürzet, reissend. Sie ist schiffbar von Ruhrort, welches Städtchen am Einflusse der Ruhr in den Rhein liegt , bis nach Langschede in der Gr. Mark. Sie treibt im Werdenschen 7 Kormühlen, wovon 4 der Abtei und 3 Privatper sonen gehören ; dann noch 1 ebenfalls der Abtei gehörende Papiermühle, 1 Walkmühle bei Kettwig, auch 1 Holzfarbenmühis. Eine zweite Papiermühle liegt auf einem kleinen Wasser, der Hespenbach genannt, und gehört dem Hofrathspräsidenten, Freih. von Ritz, in Düsseldorf. Dieser Bach treibt ebenfalls 3 Eisenhämmer, 1 Schmaltemühle.

oder Bläuselfabrik, und

1 Walk-

Ein anderer Bach, genannt der Deilerbach, setzt einen

Kupferhammer in Bewegung.

5 ) Nahrungszweige. Die Bewohner des platten Landes nähren sich vom Feldbau ; das Ländchen mag etwa für 250 Pferde Acker haben. Den Einwohnern der Stadt Werden und des Dorfes Kettwig hin gegen geben Manufakturen, Fabriken, Handlung und Bergbau ihren Unterhalt . Die stärkste Fabrik ist die Tuchfabrik . Werden und Kettwig zusammen

haben

beiläufig

70 Weber-

stühle, auf denen Tuch von mittler und von vorzüglicher Feinheit verfertigt wird ; das amittlere zu 1 Rthlr.

40 Stbr. bis 2

Rthlr., und das feine bis zu 7 Rthlr. die Elle. Die bedeutendsten Fabrikanten sind : Gebrüder Scheidt u. Conr. Rombeck in Kettwig ; Gebr. Offerhaus , Th. Scholten und Gebr. Schlösseru. Erlemeyer in Werden . Papier fabrizieren Herm.

Wilh.

Engels Söhne .

Diese liefern auch, als erste Erfinder, wasserdichtes Papier von weisser und auch von grüner Farbe.

Auf dem von ihnen neu-

ersonnenen grünen Schreibpapier erschien vor 2 Jahren eine kleine Schrift, worin sie von ihrer Erfindung Nachricht gaben und den Vorschlag des Hrn. Pred. Senger zu Reck, aus Wasserwolle zu verfertigen, beleuchteten.

Papier

Die Eisenfabrik ist nicht sehr beträchtlich, weil die städtische Zunft keine auf dem Lande duldet. Bei einer künftigen Abänderung der Verfassung, welche, bei der allgemeinen Krise, wol auch der Abtei Werden bevorstehen mag, möchte

142

man dieses, den Flor des Fabrik- und Handlungswesens so sehr hindernde Uebel um so mehr aufheben, da sich das Ländchen so ganz vorzüglich zu dieser Fabrik eignet . Die Bläuselfabrik auf dem Hespenbach gehört einem gewissen Offermann. Es wird darin eine so feine Schmalte verfertigt , wie sie bisher wenige andere deutsche Fabriken geliefert haben. Der Kupferhammer auf dem

Deilerbach bereitet

ausserordentlich schöne Kupferplatten, womit die Schiffe beschlagen werden. Auf diesem Hammer wohnt ein Mechaniker, welcher Tuchscheermaschinen verfertigt, die von der zu flückeswagen im Herzogtum Berg durch den Mechaniker Ilhorn zu Stande gebrachten Maschine sehr abweichen, und bereits einen hohen Grad von Vollkommenheit erreicht haben. Auf der Grenze des eben genannten Herzogtums ist von den Herren von Steinen zu Kronenberg, Kuhstos zu Ge marke und mit Zuziehung des achtungswürdigen

Chemikers.

Stucke in Lennep, eine A launfabrik angelegt worden , wo jezt auch Magnesia, verschiedene Salze etc. von vieler Güte laborirt werden . Nahe dabei wird vortrefflicher Kalk gebrannt. Baumwollspinnereien sind zu Werden und zu Kettwig ; es werden Maschinen dazu gebraucht. Die Gebr. Scheidt zu Kettwig haben auch Maschinen, worauf für ihre Fabrik die Schafwolle gesponnen wird. Bierbrauereien und Branntweinbrennereien sind in Werden und Kettwig, wie fast in jedem Orte Westfalens . Kett wig hat aber auch 3 Essigbrauereien , woraus vorzüglicher Essig nah und fern versendet wird' ). Es lässt sich aus den hier mitgeteilten Nachrichten leicht

schliessen, dass das Ländchen eine sehr glückliche Lage und eben se industriöse Einwohner haben müsse. 6 ) Landesverfassung. Die Landeshoheit behauptet, gegen den Abt, der König von Pressen. Die Appellationen gehen nach der Clevischen

1) Gibt es nicht auch im Ländchen eine Glashütte ? Andere ( Der Nachrichten erwähnen ihrer oder ist sie eingegangen Herausgeber . )

143

Regierung. Der Abt ernennt den Richter und den Gerichtsschreiber ; die 8 beisitzenden Landgerichtschöffen, wovon 4 katho lischer und 4 protestantischer Konfession sind, sich und bleiben zeitlebens.

wählen unter

Dieses Landgericht hat über

Kettwig und das ganze platte Land die Untergerichtbarkeit, und in Realsachen auch über die Stadt die Iurisdiktion. - - Die Stadt hat einen eigenen Magistrat , welcher in allen Personalsachen richtet, und in Polizeisachen die Exekution hat. Die Polizeibefehle selbst aber erteilt der Abt.

Der Magistrat besteht

aus 12 Personen und einem Sekretär. Von diesen 12 sitzen 8 als Schöffen beim Landgericht ; von den übrigen 4 sind 2 Senatoren und 2 Gildemeister.

Die eine Hälfte derselben ist, nach einem

1774 zu Berlin gemachten Regulativ, katholisch und die andre protestantisch. Die Abtei hat auch noch eine besondere Kanzelei , welche aber von preussischer Seite nicht als eine Gerichtstelle anerkannt wird.

Preussen hat dem Abte, vermöge eines

Vertrags von 1666 , blos ein Kommissariatgericht zugestanden, wohin die Parteien vom Landgerichte appellieren können. Von diesem Kommissariatgericht geht die Revision zum Tribunal nach Berlin ; die Akten aber werden bei der clevischen Regierung instruiert , und zum Spruch nach Berlin gesandt. Die Abtei hat dieser Revisionsinstanz zwar immer widersprochen ; allein man hat ihren Widerspruch preussicher Seits nicht gelten lassen. Auch hat die Abtei, da sie in allen angränzenden Ländern viele Lehngüter besizt , ein eigenes Lehngericht.

7) Einkünfte und Abgaben. Die abteilichen Einkünfte sind, natürlicher Weise,

nicht

genau zu bestimmen. Indessen wird fast allgemein behauptet , dass sie gegen 50 000 Rthlr. betragen sollen. Die Stadt hat ausser einigen wenigen Renteieinkünften gar nichts, ist aber ohne Schulden. Das Land, im ganzen genommen, muss jährlich ausser 2000 Rthl. Berl. Cour. , welche an den König von Preussen bezahlt werden, noch ungefähr 2500 Rthlr. für verschiedene Bedürfnisse aufbringen.

Diese werden auf die liegenden

Gründe, nach einer uralten Matrikel, ausgeschlagen. Auf dem Gewerbe liegt fast gar keine Abgabe. Die Stadt muss ausserdem und für sich noch jährlich ungefähr 750 Rthlr. zusammen-

144

bringen, die zu verschiedenen, kleinen Behufen verwendet wer den'). 8 ) Die Abtei. Die Abtei soll i. J. 777 vom 1. Bischofe von Münster, Ludger,

gestiftet worden sein. (Nicht richtig. ) Die Geschichte desselben erzählt die Legende sehr märchenhaft. ( ?) Es heisst darin z. B. Ludgerus habe die Gänse vertrieben etc. Ihm zum Andenken begeht man noch jährlich ein Fest mit feierlicher Prozession und Kirchmess. Die Abtei ist Benediktiner- Ordens und hat jezt nur 16 Konventualen, unter denen sich einige. neben den gewöhnlichen Klosterverrichtungen, auch mit den Wissenschaften, mit dem Jugendunterrichte und mit der schönnen Kunst beschäftigen.

Ausser den Klostergeistlichen gehören zur Abtei noch 2 Pastoren und 2 Kapläne. Die eine Pfarrei

heisst Born und liegt am genannten Pastorsberge ; die andre Neukirchen und liegt vor Werden, wie eine Vorstadt. Die Prälatur ist seit 40-50 Jahren aufgeführt, und das Gebäude, worin die Konventualen wohnen, 1782. Das Ganze ist gross, geräumig, bequem, nicht ohne Geschmack, und hat eine treffliche Lage.

Die Bibliothek in der Abtei enthält, mit Ein-

schluss einer vom Richter Weiss aus Mörs geerbten Büchersammlung, ungefähr 11 000 Bände, unter welchen sich, wenn nicht noch bedeutende Manuskripte" ) ,

so doch gewiss wichtige

1) Sonstigen Angaben zufolge, hat die Abtei zwischen 70und 80 000 Rthl. Einkünfte. Ihre auswärtigen Besitzungen sind sehr zahlreich. Doch ist die Sage, dass ihr 300 Rittersitze zugehörten, sicher übertrieben. Ein merkwürdiger Umstand ist , dass sich der Herzog von Braunschweig wegen Helmstädt vom Abte muss belehnen lassen. Lestzterer führt diese Stadt in seinem Titel. Die Abtei hat Sitz und Stimme am Reichstage auf der rhein. Prälatenbank ; auch beim Kreise. Ihr Reichsanschlag ist : 2 zu Pferde und 6 zu Fuss, oder monatlich 48 Gulden. Zum Kammerziel ist sie auf 18 Rthr. 14½ Kr. angesetzt. Trotz des preuss. Schutzes wurde die Abtei von den Franken hart gebrandschatzt. (Der Herausgeber. ) 2) In dieser Bibliothek wurde der berühmte Codex argenteus quatuor evangeliorum, der sich jetzt in Upsala befindet , entdeckt. Der Herausgeber verbreitet sich dann über Ulphilas und sein Werk und fährt fort : Wann dieser Schatz zuerst in der Werden'schen Bibliothek entdeckt worden, lässt sich nicht ge-

145

Schriften aus den ältern Zeiten befinden .

Seit einer Reihe von

Jahren ist die Sammlung mit keinen neuen Schriften vermehrt worden ; eben so wenig mit Schriften der katholischen, als der protestantischen Litteratur. Schade, dass es durch dies Versäumniss den Konventualen so sehr erschwert ward, mit dem Zeitalter in der Bildung gründlich fortzuschreiten ; und Schade, dass überhaupt in dieser Abtei so wenig geschah, um das Studium ihrer Mitglieder zu beleben und dadurch die Würde, welche die Benediktiner sonst immer behaupteten, auch an ihrem Teil zu schützen und zu erhöhen.

Es hat vielen dersel-

ben von jeher weder an Talent, noch an gutem Willen, noch an Fleiss gefehlt. 9 ) Justiz- und Polizeipflege. Die Justiz wird hier, wie an vielen andern Orten, nicht sonderlich gerühmt.

Man spricht von Prozessen, die über 30

Jahre gedauert haben. Die

Stadtpolizei ist mittelmässig.

Das

Strassen-

pflaster ist angefangen, aber wegen der Kriegsunruhen nicht vollendet worden. Die Reinlichkeit wird indessen durch 2 kleine Bäche, welche die Stadt herunterfliessen, nicht wenig

nau bestimmen. Dass er aber lange unbekannt war ist ausgemacht. Am Ende des 15. Jahrhunderts wusste man inzwischen um sein Dasein. Er wurde, wie billig, als eine grosse Seitenheit aufbewahrt und den Fremden gezeigt . Im 30jährigen Krieg soil er, mit den Schätzen der Abtei, geflüchtet worden sein. Auch hat sich eine, freilich ebenso unverbürgte, als unwahrscheinliche Sage erhalten, dass der Bände ehedem zwei gewesen. Im Ausgange des 17. Jahrhunderts kam er durch Pontes daia Gardin nach Schweden, und in die upsalische Universitätsbibliothek. Auf welche Weise, oder unter welchen Bedingungen ihn dala Gardin erhielt, ist mir fremd. Uebrigens hat man verschiedene Abdrücke dieser gotischen Evangelien, welche aber alle Kopien der beiden ersten sind. Den einen besorgte Fr. Junius im Jahre 1665 zu Dortrecht, und fügte eine alte angelsächs. Dolmetschung bei ; der andere erschien zu Stockholm 1671 , und wird von einigen alten Uebersetzungen begleitet. Beide Original- Ausgaben sind höchst selten. 1752 revidierte Erich Scollberg die Lesarten der Drucke nach dem Manuskripte.

146

befördert.

Eine gute Nachtwache ist hier schon seit

vielen

Jahren. Die Armenpolizei hat, ungeachtet es dem Lande weder an Mitteln, noch an den, zu einer weisen Armenpflege tüchtigen Männern, noch endlich an guten Vorbildern in mehrern benachbarten bergischen Orten fehlt , dennoch ihre grossen Gebrechen. Für die protestantischen Armen, deren aber unbedeutend wenige sind, besteht ein eigenes Armenhaus, worin dieselben ziemlich gut beraten werden. Den katholischen Armen aber fehlt es an der nötigen Versorgung und auch an einem Armenhause. Die Abtei teilt zwar täglich an ihrem Tore Speise aus ; damit ist jedoch, wie man sich leicht vorstellen kann, nicht allein wenig ausgerichtet, sondern es wird dadurch auch eine zweckmässigere Einrichtung des Armenwesens und die Abschaffung der Bettelei erschwert. Eben so verschwendet ( 4) die Abtei jährich, am Gründonnerstage, 25 Maiter Korn, welches zu Brod gebacken und an alle und jedweden, die es holen wollen, abgereicht wird.

Wie manchem wahrhaft armen Men-

schen könnte durch die' Summe, welche hier auf die unrechte Art hingegeben wird, wenn sie zweckmässig verwendet würde , der Hunger gestillt , die Blösse bedeckt und sein Gewerbe wieder hergestellt werden ! Feste Armen- Einkünfte haben die Katholiken nicht, und auch der Armenkasten trägt nicht viel ein. (Irrig ; ein kath. Armenfonds ist über die Säkularisation hinaus geblieben. ) Die Armen der reformierten Gemeinde zu Ket twig werden aber gut versorgt, und man ist hier wirklich im Begriff, alle Bettelei abzuschaffen. Die Schulpolizei ist höchst elend, und auch hierin machen blos die Schulen der reformirten Gemeinde in Kettwig rühmliche Ausnahme. Dic und auf dem Lande eine Schulen in der Stadt Werden ,

sowohl die lutherische als

die katholische, befinden sich in dem traurigsten Zustande. Die Kinder der dortigen Fabrikanten und Kaufleute können darin nichts von alle dem lernen, was ihnen für ihr Gewerbe zu statten kommen könnte, nicht einmal das Aliernötigste und Unentbehrlichste.

Man spricht und bespricht sich zwar seit ge

raumer Zeit viel über die Verbesserung des Schulwesens ; allein man ist über den Plan dieser Verbesserung noch nicht einig.

147

Und den kürzesten Weg einzuschlagen, möchte es vielleicht diesem und jenem noch gar zu sehr an vernünftiger Einsicht, Toleranz und liberaler Denkungsart fehlen. Die Kirchenpolizei ist hier auf den nämlichen Fuss eingerichtet, wie in andern Orten der umliegenden Gegend, wo das Kirchenwesen nicht unmittelbar unter einem Oberkonsistorium, oder einem Patronus steht.

Die Katholiken brauchen

die grosse Klosterkirche, welche ausser einigen wenigen Gemälden und einer ziemlichen, jedoch der Ausbesserung bedürftigen, Orgel, nichts von Bedeutung aufzuweisen hat. Beide Pfarrkirchen werden jährlich - nur einmal zum Gottesdienst eröffnet . Die Lutheraner haben eine kleine Kirche ohne Thurm und Glocke ; aber das Recht, ihre Toten in der katholischen Kirche - zu beläuten.

Es standen sonst 2 Prediger daran ; die eine Stelle

hat man jedoch seit dem Tode des einen Predigers eingehen lassen, und mit einem Teile der Einkünfte derselben das Gehalt des andern Predigers ganz zweckmässig erhöhet ; welchem rühmlichen Beispiel der Vernünftigkeit wohl mehrere Städte hiesiger Provinzen nachfolgen möchten. Die Reformierten haben ihre Kirche zu Kettwig ; es stehen daran 2 Prediger .

10) Oerter. Der Hauptort ist Werden an der Ruhr, in einer schönen , der Fabrik und Handlung sehr geeigneten Gegend. Er hat 314 Häuser, und ungefähr 2200 Einwohner. Ausser der Abtei enthält er nichts Sehenswürdiges . An der Ruhr liegt, in den Stadtmauern, ein altes im 12ten Jahrhundert erbautes Kastell, welches zur Verwahrung der Gefangenen gebraucht wird .

Es ist

von solcher Beschaffenheit, dass es nicht leicht einem, hier gefangen Sitzenden gelingen dürfte, zu entkommen. Im werdenschen Gebiete sind seit 1778 drei Schleusen auf der Ruhr erbaut, die der Abtei gehören, und, wenn der Kohlenhandel gut geht, cinen jährlichen Ertrag von ungefähr 8000 Rthlr. abwerfen . Das Dorf Kettwig liegt ebenfalls an der Ruhr in einer noch schöneren Gegend. Einwohner.

Es hat gegen 180 Häuser und 1500

Ausser Werden und Kettwig gehören zur Abtei noch 12 Bauerschaften. Jede Bauerschaft hat einen Vorsteher, welche nebst der Stadt, dem Dorfe, zwei Meistbeerbten und drei

148

Kavalieren, nämlich den Herren von den Gütern Baldenei , Scheppen und Schellenberg , auch über die nicht fixierten Abgaben, die entrichtet werden sollen, stimmen . 11 ) Patriotische Wünsche. Wer die Bedürfnisse dieses Ländchens mit unbefangenen welches einem Fremden, der in die AugeAugen ansicht legenheiten des Stifts so wenig, als der Stadt verwickelt ist, wohl am ersten möglich wäre , - und es auch nur als Kosmopolit, mit den Bewohnern desselben gut meint, der wird, auch bei den mancherlei Vorzügen, die es schon wirklich hat und bei dem vielen Guten, welches sich in der That schon vorfindet , dennoch nicht umhin können, vornehmlich noch 1) die durchgängige Abschaffung aller Zünfte,

2)

die

Verbesserung

der

Wege, 3) eine sorgfältigere und zweckmässigere Regulierung des Bergbaus, und 4 ) eine Totalreform der Schulanstalten zu wiinschen, und die Erfüllung dieser Wünsche nicht von einer fernen, sondern von einer nahen Zukunft zu hoffen. Durch das bisherige Bestehen der Z ünfte wurde die Industrie

und das

Gewerbe augenscheinlich gehindert ;

insbe-

sondere ward den Bewohnern des platten Landes der Erwerb dadurch erschwert, und zu einer gegenseitigen Eifersucht zwischen dem Landvolke und den Städtern der Grund gelegt.

Die Auf-

hebung derselben würde also nicht blos den äussern Flor des Ländchens erhöhen, sondern auch eine grössere und dauerhaftere Eintracht hervorbringen . Die Wege waren bisher höchst elend, und im Winter tast nicht ohne Gefahr zu passieren. Der grosse Handesverkehr macht es wohl der Mühe wert, und die vorhandenen Mittel, so wie die Stimmung der Landeseinwohner machen es möglich. auch diesem Mangel, zu seiner Zeit abzuhelfen. Der Bergbau ward hier bisher wie überall, wo Privatpersonen über denselben nach Gutfinden schalten,

getrieben .

Eine regelmässigere Bearbeitung der Berge , und eine planmässigere Anordnung des Kohenförderns überhaupt würde aber viel dazu beitragen, nicht blos der Erde einen grösseren Vorteil abzugewinnen, sondern auch die Nachkommenschaft nicht, zum Nutzen der Jetztlebenden, zu verkürzen.

149

Der sicherste und bei der gegenwärtigen Lage

vielleicht

einzig mögliche Weg zur Verbesserung der Schulanstal ten in der Stadt ist der : dass man von Seiten der Fabrikanten und Kaufleute beider Konfessionen

die Existenz

schulen (deren absolute Untauglichkeit

der

Stadt-

für die Unterweisung

der Kinder überhaupt und der Kinder der Fabrikanten und Kaufleute insbesondere leicht zu erweisen ist ) gänzlich ignoriere, und zur Errichtung einer neuen Privat

Bürgerschule

eine

Unterzeichnung eröffne ; dann auf eine bestimmte Summe und freie Wohnung einen Lehrer berufe (dessen Wahl aber nicht nach seiner Konfession , sondern nach seiner Tauglichkeit bestimmt werden müsste), und den lutherischen Prediger, wie auch irgend einen von den Klostergeistlichen ersuche, sich gegen eine .billige Vergütung mit dem neuen Lehrer in den Unterricht zu teilen.

Letztere würden sich dazu willig finden lassen, und mit

Freuden auf diese Weise ihren Wirkungskreis erweitern und veredeln . Ein geschickter Privat -Lehrer würde, wenn man ihm ein nicht gar zu kärgliches Gehalt auf eine anständige Weise ausmittelte, und wenn man ihm zugleich die Anwartschaft auf die erste vakant werdende Schulstelle erteilte, sich bald finden lassen.

Und die Stadt sähe dann ihre Jugend der Gefahr ent-

rissen, gänzlich zu verwildern und, wie die Jugend in mehreren Fabrik- und Handelsörtern , wo gerade die Bildung versäumt wird, in Frivolität und liederliche Ueppigkeit zu versinken .

Y 2.

148

Kavalieren , nämlich den Herren von den Gütern Balden'ei , Scheppen und Schellenberg ,

auch

über die nicht

fixierten Abgaben, die entrichtet werden sollen, stimmen. 11) Patriotische Wünsche. Wer die Bedürfnisse dieses Ländchens mit unbefangenen Augen ansicht

welches einem Fremden, der in die Auge-

legenheiten des Stifts so wenig, als der Stadt verwickelt ist , wohl am ersten möglich wäre , und es auch nur als Kosmopolit , mit den Bewohnern desselben gut meint , der wird, auch bei den mancherlei Vorzügen, die es schon wirklich hat und bei dem vielen Guten, welches sich in der That schon vorfindet, dennoch nicht unhin können, vornehmlich noch 1) die durchgängige Abschaffung aller Zünfte ,

2 ) die

Verbesserung der

Wege, 3 ) eine sorgfältigere und zweckmässigere Regulierung des Bergbaus, und 4 ) eine Totalreform der Schulanstalten zu wünschen, und die Erfüllung dieser Wünsche nicht von einer fernen, sondern von einer nahen Zukunft zu hoffen. Durch das bisherige Bestehen der Zünfte wurde die Industrie und das Gewerbe augenscheinlich gehindert ; insbesondere ward den Bewohnern des platten Landes der Erwerb dadurch erschwert, und zu einer gegenseitigen Eifersucht zwischen dem Landvolke und den Städtern der Grund gelegt.

Die Auf-

hebung derselben würde also nicht blos den äussern Flor des Ländchens erhöhen, sondern auch eine grössere und dauerhaftere Eintracht hervorbringen . Die Wege waren bisher höchst elend, und im Winter fast nicht ohne Gefahr zu passieren. Der grosse Handesverkehr macht es wohl der Mühe wert, und die vorhandenen Mittel, so wie die Stimmung der Landeseinwohner machen es möglich. auch diesem Mangel, zu seiner Zeit abzuhelfen. Der Bergbau ward hier bisher wie überall, wo Privatpersonen über denselben nach Gutfinden schalten, getrieben. Eine regelmässigere Bearbeitung der Berge, und eine planmässigere Anordnung des Kohenförderns überhaupt würde aber viel dazu beitragen, nicht blos der Erde einen grösseren Vorteil abzugewinnen, sondern auch die Nachkommenschaft nicht, zum Nutzen der Jetztlebenden, zu verkürzen .

149

Der sicherste und bei der gegenwärtigen Lage vielleicht einzig mögliche Weg zur Verbesserung der Schulanstalten in der Stadt ist der : dass man von Seiten der Fabrikanten und Kaufleute beider Konfessionen die Existenz schulen (deren absolute Untauglichkeit der Kinder überhaupt

und der Kinder

für

der

Stadt-

die Unterweisung

der Fabrikanten und

Kaufleute insbesondere leicht zu erweisen ist ) gänzlich ignoriere, und zur Errichtung einer neuen Privat - Bürgerschule

eine

Unterzeichnung eröffne ; dann auf eine bestimmte Summe und freie Wohnung einen Lehrer berufe (dessen Wahl aber nicht. nach seiner Konfession , sondern nach seiner Tauglichkeit bestimmt werden müsste), und den lutherischen Prediger, wie auch irgend einen von den Klostergeistlichen ersuche, sich gegen eine billige Vergütung mit dem neuen Lehrer in den Unterricht zu teilen.

Letztere würden sich dazu willig finden lassen, und mit

Freuden auf diese Weise ihren Wirkungskreis erweitern und veredeln.

Ein geschickter Privat-Lehrer würde, wenn man ihm

ein nicht gar zu kärgliches Gehalt auf eine anständige Weise ausmittelte , und wenn man ihm zugleich die Anwartschaft auf die erste vakant werdende Schulstelle erteilte, sich bald finden lassen.

Und die Stadt sähe dann ihre Jugend der Gefahr ent-

rissen, gänzlich zu verwildern und, wie die Jugend in mehreren Fabrik- und Handelsörtern, wo gerade

die Bildung

versäumt

wird, in Frivolität und liederliche Ueppigkeit zu versinken. Y Z.

Inhalts -Verzeichnis .

1. Das eheliche Güterrecht nach der Landesordnung des Abtes Benedikt vom 26. August 1734, von Joh. Emil Trapp .

1- 26

2. Ergänzungen und Berichtigungen zur Geschichte der Aebte von Werden bis zur Mitte des 12 . Jahrhunderts, von Franz Josef Bendel

27-112

3. Miscellen : I) Handschriften der Reichsabtei Werden II) Aufsatz über die Abtei Werden . Ein altes Aebteverzeichnis.

i

·

113-137 138-149

Beiträge zur

Geschichte

des

Stiftes

Werden.

Herausgegeben

von dem

Historischen Verein für das Gebiet des ehemaligen Stiftes Werden .

Zwölftes

Heft.

1907 .

Druck von W. Flügge in Werden a. d. Ruhr.

Zur

Rechtsgeschichte des

Werdener

und

Topographie

Münsters.

Von Dr. Heinrich Schaefer (Rom ) .

I. Der Pfarrcharakter der Kirche des hl . Liudger. Der hl. Benedikt hatte sein Kloster und seinen Orden zum beschaulich-asketischen Leben in Gebet und Arbeit gegründet . nicht zur Seelsorge. Wiederholt wird daher den Klöstern im frühen und hohen Mittelalter eingeschärft, sich nicht mit der enra animarum zu befassen' ) . In Wirklichkeit aber erscheinen manche ältere Benediktinerabteien ähnlich wie die Kirchen der Kanoniker und Kanonissen" ) mit dem Pfarrrecht begabt, sei es num, dass die parochialen Handlungen in der Abteikirche selbst vorgenommen wurden wie in Memleben"), Luzern'), S. Mansueti in Toul ) , S. Panerazio zu Rom" ) etc. , oder dass man sie frühzeitig in eine Nebenkirche verlegte, wie in S. Martin zu Köln ) , Hildeszu Michael S. Gallen ), Fulda"), Prim ), S. heim ") etc.

Auch von der Klosterkirche des h. Luidger in Wer-

' ) Hauck K. G. IV S. 319 ; dazu Conc. Campinacum de 1238 c. 30 . 2 ) Ueber die Kirchen der Kanoniker als Mittelpunkte des parochialen Gottesdienstes vgl . m. Buch „ Pfarrkirche und Stift " Teil III ; über die Kirchender Kanonissen meine demnächst im gleichen Verlag ( Enke ) erscheinende Arbeit Die Kanonissenstifter im deutschen Mittelalter" . 3) Thüringia sacra ( 1737 ) p 751 . 4) Neugart , Cod. diplom . No. 1173 de 1455. 5) Gallia christiana XIII instrum. col . 516 de 1163. 6) Jaffé - Wattenbach , Regesta Pontif. 1290 de 594. 7) Sauerland , rhein. Urkunden II 1690 de 1329 . 8) Neugart 629 de 898. 9) Dronke , Traditiones Fuld . S. 59 , 23. 10) Beyer, Urkb . II S. C L XXXVII . 1 ) Janike , Urkb . des Hochstifts Hildesheim I 67 (12 Jh . ) im unmittelbaren Anschluss an die Abteikirche wird ein besonderes sacellum für die parochialen Handlungen kostbar ausgestattet.

den lässt sich nachweisen , dass sie ursprünglich parochialen Charakter trug, welcher noch bis ins spätere Mittelalter erkennbar ist, obwohl schon frühzeitig wenigstens ein Teil der parochialen Handlungen in zwei Filialkapellen, S. Clemens und S. Lucius, verlegt worden war' ) . In einer Urkunde Erzbischof Friedrichs I. von Köln aus dem Jahre 1103 ) heisst es ausdrücklich, dass dort an den gesetzlichen Taufterminen, d. h. Ostern und

Pfingsten"), allem

die Taufen der Parochie vorgenommen werden durften, abgesehen von besonderen Notfällen.

Dazu wird das Beerdigungs-

recht nur dieser Kirche ( ecclesia principalis ) zugestanden. Ferner erscheint der sogenannte Pfarrsprengel dem Altar des h. Lindger, d. h. dessen Kirche zugehörig, und das h. Chrisma muss von allen Geistlichen des Werdener Grosssprengels dem Münster geholt werden.

aus

Damit sind die vorzüglichsten und

durchschlagendsten Merkmale für die Werdener Klosterkirche gegeben ).

Pfarreigenschaft der

Der Pfarrsprengel (parochia) der Basilika des h . Lindger wird aber schon in der Dedikationsurkunde Erzbischof Williberts von Köln im Jahre 875 erwähnt und genau umgrenzt mit dem Zusatz, dass aus diesem Gebiet der Pfarrzehnte an die genannte Kirche entrichtet werden solle" ). Die Zehntabgabe ist ein weiteres wichtiges Merkmal der Pfarreigenschaft ) . Diese tritt auch während des übrigen Mittelalters bei der Werdener Münsterkirche deutlich hervor. Sie erscheint in einer Urkunde von 1391 , in welcher strittige Verpflichtungen der Parochianen festgelegt werden, wiederholt als die parochialis ecclesia s. Lindgeri ) , und in einer Zeugenaussage um 1400

als die alleinige

1 ) Vgl. Jacobs , Werdener Beitr. 1892 8. 33 ff. 2) Abgedruckt bei Jacobs , Geschichte der Pfarreien im Stifte Werden , Anhang I. 3) ibique legitimis temporibus baptisma fieri. Vgl. dazu Niederrheinische Annalen 74 S. 61 . 4) Vgl. über die verschiedenen Merkmale der Pfarrkirchen mein Pfarrkirche und Stift besonders § 4, 5, 7. 5) Crecelius , Traditiones Werdinenses I S. 36 Nr. 70. 6) Vgl . Schaefer a. a. O. § 6. 7) Jacobs , Gesch. S. 411. Ferner die Zeugenaussagen bei Effmann , die Karoling . otton. Bauten S. 179 , 3. Die Interpretation E.s scheint mir jedoch nicht schlüssig.

5

offizielle Taufkirche der Werdener Parochie¹ ) . Noch 1551 wird sie als ecclesia s. Liudgeri tamquam matrix anerkannt ) und 1563 nennt Abt Hermann von Werden das altare s. Benedicti in parochiali nostra ecclesia") . Auch der ursprüngliche Pfarraltar lässt sich nachweisen. Ganz ebenso wie an einer grossen Zahl von Kollegiatkirchen* ) , war in dem Werdener Münster der zugleich mit der Basilika errichtete Kreuzaltar inmitten der Kirche vor dem Chor der alte Pfarraltar ) . In einem Prozess von 1390 sagt der 50jährige Johannes vom Stege, Pfarrer der Filialkirche zum h. Clemens . bei Werden, welcher bereits 25 Jahre dort amtierte :

quod al-

tares. Crucis olim (fuit ) altare parochie Werdinensis ") . In späterer Zeit freilich, als der östliche Teil des Münsters für den Chordienst der Geistlichen und Mönche vorbehalten und durch einen Lettner abgeschlossen war ), hatte man die noch in der Mutterkirche stattfindenden parochialen Handlungen an den vom Brande des Jahres 1256 verschont gebliebenen westlichen Teil der Kirche verlegt, wo der Altar des h. Petrus stand ) . Eine vielfach ähnliche Entwickelung wie in Werden ist an S. Aposteln in Köln wahrzunehmen. Die leztere hatte. 2 Chöre, im Osten den Marienchor mit dem Marienhochaltar. in Westen den Chor der Kleriker für das kanonische Stunden1 ) Effmann S. 180 : Johann de Loe, canonicus Essindensis , deponit , quod nullae capellae habeant baptisterium, sed solus (! ) sit una in ecclesia Werdinensi. 2 ) Jacobs a. a. O. S. 418 . 3) Urkunde im Werdener Pfarrarchiv. Der Benediktusaltar lag nach Effmann S. 360 f. Tafel XV im südl. Seitenschiff der Salvator- (Liudgeri) kirche. 4) Vgl. Niederrhein . Annalen 74 S. 60 ; ferner Humann , Zur Gesch. der Kreuzaltäre in Ztschr. f. christl . Kunst Ddf. 1893 (6. Jahrg.) S. 73 ff. Für das Münster in Xanten vgl. noch Annalen 69 S. 112, 278. 5) Effmann S. 355, 356 , 2 ; 361 . 6) Effmann S. 361 , 2. 7) Vgl . die instruktive Gegenüberstellung der älteren und jüngeren Münsterkirche bei Effmann Tafel XV. 8) Urk. von 1391 bei Jacobs , Gesch . S. 411 , IV und Aussage des Rektors von S. Clemens bei Effmann S. 361 , 2 : altare s . Crucis olim altare parochie Werdinensis, sed ob murmur et tumultum positum sit aliud .. sub turri s. Petri, ad quod ip i [parochiani ] pertinent. Aus der Urk. von 1381 (Jacobs , Gesch. S. 414 ff. ) geht hervor, dass damals die Pfarrmesse am Petersaltar im westlichen Teile der Kirche celebriert wurde. Wie man auch die anderen Sakramente hier den Parochianen spendete, zeigen die Zeugenaussagen bei Effmann S. 179, 3.

6

gebet mit dem Apostelnaltar ) . In der Mitte der Kirche vor dem Ostchor stand der Kreuzaltar, welcher bis 1497 Pfarraltar war; von da ab fanden die parochialen Handlungen an einem aarderen (Catharinen) Altare statt") .

In Werden

scheint in

gleicher Weise ursprünglich der westliche Teil der Lindgerikirche mit dem Petersaltar und den Emporen für den Chr dienst der Kleriker und Mönche bestimmt gewesen zu sein. Jene selbige Basilika, welche Erzbischof Willibert 875 endgültig als Pfarrkirche des grossen Werdener Sprengels weihte, hatte der h. Lindger zu bauen begonnen ,,in honore s. Salvatoris, s. Dei

genitricis

(Mariae )

sanctique

apostolorum principis

Petri ). Die Kirche trägt infolgedessen mehrere Namen. In der älteren Zeit erscheint sie meist als ecclesia oder basilica s. Salvatoris¹ ) .

Später gewöhnte man sich daran, die Kirche vor-

züglich nach dem neben oder unter dem Hochaltar beigesetzten ehrwürdigen Stifter S. Lindger zu nennen, wie sich das in ähnlicher Weise von zahlreichen Kirchen nachweisen lässt , deren offizielles Patrozinium durch den Namen eines in ihnen beigeseizten Heiligen verdrängt wurde ) . Aber sie erscheint daneben 1 ) Pfarrarchiv S. Aposteln Hs . 17 p . 39 s .; Hs. 24 f. 5 s. 18 etc. Ein Westchor für den besonderen Chordienst der Geistlichen oder Konventsmitglieder lässt sich noch aus der romanischen Bauperiode nachweisen im Dom zu Mainz , in S. Andreas zu Köln , im Münster zu Essen, in Stoppenberg, in S. Caecilien , S. Maria im Kapitol und S. Ursula zu Köln , Gernrode, Gandersheim. Elten, Gerresheim, Roermond, S. Quirin zu Neuss, S. Peter zu Metz, in Schwarzrheindorf etc. Vgl. m. Kanonissenstifter im deutschen Mittelalter § 22 : Der Ort des Chordienstes . 2) Pfarrarchiv Handschr. 17 S. 173. Hs . 4 f. 19 und Hs . 20 p . 43 . 3) Altfridi vita s. Liudgeri 1 C. 31 ; dazu vgl . die Urkunde von 818 bei Crecelius I No. 41 : „ Traditio ad reliquias ss . Salvatoris , Mariae et Petri in Werthina" und den Passus der Urk. Erzb. Williberts von 875 „ ego basilicam s . Lindgeri ... ab ipso quidem primum inchoatam . . . in honores . Salvatoris et s. Dei genitricis Mariae et ss . apostolorum Petri et Pauli " (Crecelius I No. 70). 4) Vgl. Die zahlreichen Werdener Traditionsurkunden bei Lacomblet Urkb. I. 5) Viele Beispiele siehe in m. Pfarrk. u . Stift S. 138. 4. Dazu noch einige bemerkenswertere Fälle : Die Abteikirche S. Riquier war wie S. Liudger in honore Salvatoris eiusque s. genitricis Mariae et s. Petri geweiht, wurde jedoch nach dem dort beigesetzten h. Richarins genannt ( Karolingerurk. 182 de 7971. Die Apostelnkirche zu Metz wurde frühzeitig nach dem dort beigesetzten Bischof Arnulf benannt (Metzer Jahrb. 1901 S. 168) . Die alte Kathedrale von Regensburg war erbaut in honore s Mariae matris Domini et principis apostolorum s . Petri et s . Gregorii, da aber in ihr der Leib des Bischofs Emmeran ruhte , wurde sie schon in Karoling. Zeit monasterium s. Emmerami genannt (Bullarium Rom. I S. 162 a. 816) . Die Patriarchalkirche S. Sebastian in Rom an der Via Appia, nach dem in ihr

7

auch als Marienkirche : ecclesia s. Dei genitricis Mariae sanctique Lindgeri') . Vermutlich war der Hochaltar, unter welchem Lindgerus liegt, der Mutter Gottes geweiht . Der spätere Lieb frauenaltar stammte zwar erst aus dem 13. Jahrh. , doch muss man aus einer Urkunde von ca. 1100 schliessen, dass mindestens schon im 11. Jahrhundert eine Reihe von Altären und darunter Dass

an vorzüglicher Stelle der Marienaltar vorhanden war").

S. Maria schon frühzeitig eine besondere Verehrung im Werdener Münster genoss, erkennt man ferner an den zahlreichen Auch ein Ma Traditionen an ihre Reliquien" dortselbst") . Münster Werdener im Petersturm ein wie ebenso wird rienturm erwähnt') .

Unter dem Petersturm an der Westseite befand

sich der Petersaltar an hervorragendem Platze, ganz so wie auch in benachbarten Essener (Marien ) Münster der Petersaltar unter dem grossen Westturme lag ) . Deshalb wird die Kirche selbst bezw. dieser Teil der Kirche auch als ecclesia s. Petri bezeichnet ").

II . Die ursprünglichen Seelsorger der Werdener Parochie. Es erhebt sich jetzt die Frage, durch wen wurde die Seelsonge im Werdener Sprengel ausgeübt, da die Mönche selbst nicht mit ihr betraut werden sollten. Ich hatte bereits früher einmal darauf hingewiesen, dass in Werden wie an anderen Benediktinerklöstern neben den monachi und gesondert von ihnen Weltgeistliche ( clerici canonici ) vorhanden waren (Vgl.

Röm.

beigesetzten Heiligen genannt, hiess ursprünglich basilica apostolorum Petri et Pauli (Röm . Quartalschr. IX ( 1895 ) S. 435 ) Aus der basilica s. Crucis et s. Vincentii in Paris wurde nach dem dort ruhenden Bischof S. Germanus die Kirche S. Germain . (Lasteyrie , Cartulaire général de Paris I No. 6, 12, 18 etc.) 1 ) Crecelius II No. 136 S. 31 12. Jahrh. 2 ) Ebd. No. 122. 3) 4) 5) archivs 6)

Diekamp , Altfridi vita s . Liudgeri S. 28) ff. Turris s. Mariae, turris s . Petri. Vgl . Schaefer - Arens , Urkunden und Akten des Essener MünsterNo. 7 de 1332 und Arens , Liber ordinarius, Tafel 2. Effman S. 180, Anm.

Quartalschrift 20 S. 105,2) .

Wir haben hier näher darauf ein

zugehen. Wenn man die ziemlich gleichzeitige vita des h . Lindger aufmerksam durchliest, so findet man, dass er an überaus zahlreichen Orten , ähnlich wie vor ihm der grosse Apostel Frieslands, der h. Willibrord, Kirchen errichtete für die seelsorgerliche Leitung des Volkes ' ) . An einigen dieser von Liudger erbauten Kirchen bestellte er ,,congregationes Deo famulantium“ d. h. in erster Linie Kleriker (canonici). So finden wir an der von ihm wieder errichteten Kirche von Deventer eine Mehrheit von canonici tätig ) .

In Münster (Westfalen) sammelte er eine

Anzahl ,,famulantes sub regula canonica“ d . h. ebenfalls Kanoniker ). Für Werden hatte S. Liudger vielleicht von vornherein beabsichtigt , neben der von ihm errichteten Kirche eine Kongregation von Jüngern des h. Benedikt anzusiedeln, doch steht fest, dass er anfangs nur Weltgeistliche (clerici) dort um sich hatte, und dass erst später

ein Mönchskonvent

errichtet

wurde ) . Von besonderer Bedeutung aber ist in diesem Zusammenhang, dass im ganzen Mittelalter neben den monachi auch Weltgeistliche an dem Werdener Münster lebten, welche wie an den Kanonikatstiftern die Seelsorge bei der Mutterkirche und später an den abhängigen Filialen wahrzunehmen hatten. In mehreren Urkunden treten diese ,,canonici " neben den monachi von Werden und mit deutlicher Unterscheidung von den letzteren vor unsere Augen.

Es sind allem Anscheine nach 4

selcher canonici dort tätig gewesen ) .

Auch an Filialkapellen

1) Vgl. für Willibrord besds. Jaffé , bibliotheca VI 36 ; für Liudger Diekamp a. a. O. S. 22 c. 19. 2) Diekamp S. 20 c. 15. 3) Ebd. c. 23. 4) Vgl. besonders Diekamp S. 289 (Werdener Privileg) und S. 75 etc., WO nur die clerici bei dem Bau der Werdener Kirche erwähnt werden. Auch der Wortlaut der (freilich verunächteten) Urkunde vom 26. April 802 (Lacomblet , Urkb . I 26 ) verweist die Klostergründung in 2. Linie. 5) So werden in Urkunde von 1050 Wendilger, Liuzo , Salako und Bernhard als „ canonici nostri “ bezeichnet (Crecelius I S. 54) ; um dieselbe Zeit erscheinen 3 Werdener Geistliche als canonici (ebd. II S. 7) ; aus Urkunde No. 103 geht wieder die Vierzahl hervor, ebenso aus No. 102. In No. 135 a. 1165 werden die fratres monachi von den canonici sacerdotes unterschieden. Vgl. jetzt auch den Aufsatz von A. Schulte „ War Werden ein freiherrliches Kloster ?" in Westd . Ztschr. 1906, S. 11.

9

der Abtei sehen wir zuweilen einen canonicus beschäftigt ) . Freilich findet sich die Bezeichnung canonicus nicht sehr häufig angewandt.

Oefter stehen diese Weltgeistlichen ohne einen be-

sonderen Titel neben Abt, Propst, Custos etc., z. B. in Urkunde von 1059 ) , ,,

oder nach den fratres") ,

oder sie werden

rici" von der fratrum congregatio unterschieden ) .

als

In der

erzbischöflichen Urkunde von 1103 ") finden wir duo clerici als Seelsorger der Werdener Parochie. Noch im späteren Mittelalter wird mitunter darauf hingewiesen, dass an den Altären des Münsters clerici sacculares celebrieren sollen") . Auch dann, als die meisten parochialen Handlungen aus der Mutterpfarre in die Filialkapellen S. Clemens und S. Lucius bei Wer den gekommen waren, blieben die hier amtierenden Weltgeist lichen verpflichtet, bei hohen Festen in der Münsterkirche selbst za celebrieren, dort die Vesper und Matutin zu beten, mit der Gemeinde an der Procession über den alten Pfarrfriedhof der Mutterkirche teilzunehmen und dann im ,,Paradies" der Kirche die notwendigen Verkündigungen an die Pfarrgenossen zu richteu ). Wie sich ferner in den reinen Kanonikatkirchen die canonici beim Pfarrgottesdienst wochenweise abwechselten, so ward es auch bei den Pfarrgeistlichen im Werdener Münster gehalten. Noch im 14. Jahrhundert ist die Sitte bezeugt, dass derjenige ,,pastor, quem tangit hebdomada" mit der Gemeinde am Sonntag an der Kirchhofprozession teilzunehmen hatte ) . Wie nun der h. Liudger in erster Linie als leitender Seelsorger des Volkes erscheint ) , so sind gewisse Merkmale dafür vorhanden, dass auch seine Nachfolger in der Abtswürde

zu

1 ) Lacomblet Urkb. I 317. 2 ) Crecelius No. 102. 3) Ebd. 103. 4) Ebd . 105 a. 1064 und No. 125 a. 1115 etc. 5) Jacobs , Gesch. S. 409 . 6) So in der Dotationsurkunde des alten Severinusaltares von 1330 (Pfarrarchiv) und des Benediktusaltares von 1348 (Jacobs ) S. 454 u . S. 111 ) . Die Beispiele liessen sich leicht vermehren vgl . die alii clerici saeculares bei Effmann S. 361 Anm. 3 von 1390. 7) Jacobs S. 416 Urk. von 1381 . *) Jacobs S. 415. 9) Z. B. Diekamp S. 22.

10

Werden, ähnlich den „,abbates" der Urpfarreien ' ) , die leitenden So heisst es Seelsorger der Werdener Parochie gewesen sind . Pfarrkajene clerici beiden die , dass in der Urkunde von 1103 pellen nur bedienen, ,,pro abbatis prebenda et dote ecclesie‘**) . I. ciner Urkunde von 1124") werden sie ebenso wie in der von 1381 ) als ,, capellani abbatis" gekennzeichnet. Einmal nennt der Abt selbst den Pfarrer von S. Lucius bei Werden ,,noster capellanus

).

Aus alledem ergibt sich, dass die Werdener Münsterkirche für die mittelalterliche Epoche nicht nur als Ort der parocinalen Handlungen, sondern auch hinsichtlich der seelsorgenden Geistlichen, unbeschadet des dort vorhandenen Benediktinerklosters, auf dieselbe Linie mit den Stiftskirchen der Kanoniker zu stellen und wie sie zu würdigen ist . Zum Schlusse sei noch kurz ein Blick auf andere Benediktinerabteien geworfen, wo wir ebenfalls Weltgeistliche (canonici) neben und getrennt von den monachi nachweisen können. In S. Denis sind im 9. Jh. Mönche und Kanoniker neben einander bezeugt " ) , in einem Kloster zu Rheims desgleichen ' ) . In S. Martin zu Utrecht ebenfalls schon im 8. Jh ) . In Luzern wurde 1455 nach Einholung der besonderen päpstlichen Genehmigung das Benediktinerkloster

in

ein Kanonikatstift

ungewandelt

Aber es waren von jeher neben den dortigen monachi auch clerici scenlares in der mit Parochialgerechtsame ausgestatteten Abteikirche tätig gewesen ). In S. Gallen ward im 9. Jh. bei den: Kloster durch Bischof Salomon von Konstanz eine besondere (Pfarr-) basilika errichtet und dotiert. Zugleich wurden 3 monachi und 8 clerici an ihr bestellt1 ) . Auch die Benediktinerab tei Prüm erbaute eine besondere Kirche für die Kanoniker neben 1) 2) 3) 4) 5)

Vgl. Schaefer a. a. O. S. 125 ff. Jacobs S. 409. Crecelius II No. 127. Jacobs S. 415. Urkunde vom 26. Juni 1331 im Werdener Pfarrarchiv. 6) Böhmer - Mühlbacher Kaiserregenten 876 de 832 . 7) M. G. Scr. 7 S. 417 de 853 . 8) Müller , het oudste cartular S. 12 de 769. 9) Neugart No. 1173. 10) Ebd . No. 629 de 868.

11

Gem Kloster ) .

In der Pfarrkirche der Kölner Benediktinerab

tei S. Martin, S. Brigiden, wurden seit alters nur Weltgeistliche mit der eura betrant" ) . Als S. Panerazio in Rom von Gregor I. in ein Benediktinerkloster ungewandelt

wurde,

musste den

I'farrgottesdienst, die missa publica, fortan ein presbyter peregein . halten") .

Von den ältesten und grössten mit Pfarrrecht

begabten Kirchen der Stadt Rom : von S. Peter und der Lateranbasilika ist bekannt, dass im 8. und 9. Jh. dort Benediktmermönche angesiedelt und ihnen die Abhaltung des feierlichen Chordienstes übertragen wurde. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, dass die parochialen Handlungen nach wie vor von Weltgeistlichen ausgeübt wurden ) . In ähnlicher Weise liessen sich noch manche Beispiele von Klosterkirchen erbringen, wo neben der Mönchsgemeinschaft Weltgeistliche ihren Dienst ver richteten") .

1 ) Beyer , Urkb . II S. CLXXXVII . 2) Kessel , antiquitates passim ; Sauerland , rhein. Urkunden II 1690 de 1329. 3) Jaffé- Wattenbach 1290 de 594. 4 ) Kehr , Italia Pontificia L p. 33 ss . und p. 132 ss . Auch in S. Paul und S. Laurentins vor den Mauern scheint eine ähnliche Entwicklung vorzuliegen [ ebd. p . 160 ss ) . Zu Pfarrkirchen mit besonderem Seelsorgeklerus erscheinen diese 4 Patriarchalbasiliken schon unter Papst Simplicius (468-483 ) erhoben (ebd . p. 10) . Unter Alexander II. (1061-73) sehen wir seit alters die Stadt unter 28 Titelkirchen und deren Pfarrpriester seelsorgerlich verteilt ( ebd . p . 7,9) . Die bisher trotz ihrer Wichtigkeit noch nicht untersuchte Frage nach dem Seelsorgeklerus in den römischen Patriarchalbasiliken und insbesondere in S Peter vor dem 11. Jh . hoffe ich demnächst näher behandeln zu können. 5) Bullarium Rom . I p . 168 de 819 : vom monasterium Vulturnense bei Benevent. Für S. Satyri in Mailand vgl . Pennotti , hist. ord . cleric. canon. lib. 2 c. 26 p. 33 : duplex collegium canonicorum et monachorum. Für S. Mansueti im Suburbium von Toul vgl . Gallia christiana XIII instr. c. 516 de 1163. Für Freising ist die Urk. Bischof Erchamberts von 845 zu beachten ( Hist. Frising I p. 124) : una cum consensu et cohibentia canonicorum et monachorum . . . in ipsa ecclesia degentium . Der Neuherausgeber L. Favre schliesst daraus, dass hier canonici monachi sei ! Für Salzburg erscheinen noch im 10. Jh. am Dom 2 Kongregationen von canonici und monachi mit teilweise gemeinsamem Vermögen. aber unter je einem besonderen decanus ( Kleinmayr. Nachrichten vom Zustande der Gegend und Stadt Juvavia, Salzburg 1784, Diplom. Anhang p. 166 c . 81 de 931 ) . Von grundlegender Bedeutung für die Frage nach der Norwendigkeit von besonderen Weltgeistlichen bei Bencdiktinerabteien mit Parochialrecht ist der bekannte Satz Gregors I.: Nemo etenim potest et ecclesiasticis obsequiis deservire et in nonachica regula ordinate persistere, ut ipse districtionem monasterii teneat, qui cotidie in obsequio ecclesiastico cogitur permanere (Registrum Gregorii V 1 de 594) . Wichtig erscheint für die im hohen

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Im ausgehenden Mittelalter haben sich die Rechtsgrenzen zwischen canonici und monachi vielfach verwischt. Die alten Benediktinerabteien folgten in der Ausdehnung

der Gerecht-

same ihrer Konvente gern den Stiftskapiteln der Kanoniker. S. Pantaleon wie Gross S. Martin zu Köln schickten jetzt Mönche zur Seelsorge an ihre Filialkirchen in der Stadt ( S. Brigiden und S. Mauritius ) '). Auch in Werden mögen schon seit der Reform des Klosters durch die Bursfelder Kongregation ( 1476 ) manche Mönche mit der Seelsorge betraut worden sein. Nach der im Jahre 1551 erfolgten Inkorporation der beiden Filialkirchen stellten die Aebte nur noch Mönche ihres Klosters

als Pfarrer derselben

an") .

Mittelalter an Benediktinerabteien geltende Ausübung der Seelsorge durch Weltpriester ein in diesem Zusammenbang unbeachtet gebliebenes Synodalstatut des concilium Lillebonense von 1080 (Teulet , Layettes du trésor des chartes I 22 c. 15) : Si monachis datur ecclesia, presbyter, qui eandem tenet ecclesiam , honorifice teneat quicquid de eadem ecclesia habuerit antequam monachi eam haberent ... eo autem mortuo . . . abbas idoneum presbyterum querat, et episcopo eum vel per se vel per nuntium suum ostendat. Quem si recipiendus est, episcopus recipiat. Si vero presbiter cum monachis religiose vivere voluerit, videat ut ecclesia, quam episcopali licentia intravit, honeste tractetur tam in vestimentis quam libris etc. Quod si presbiter cum monachis vivere noluerit, tantum det ei abbas de bonis ecclesie . . . unde et bene vivere et ecclesie servitium convenienter valeat presbiter implere. Quod si abbas facere noluerit, ab episcopo cogatur. Presbiter vero episcopo iuste sit subditus et episcopales reditus persolvat. 1) Vgl. Thomas , Gesch. von S. Mauritius S. 109. 2) Vgl . die Inkorporationsurk. in Jacobs , Gesch. S. 417 ff. und dazu ebd. S. 49.

Ueber die Schicksale des

Müller'schen Werkes ,

behandelnd die Geschichte von Werden.

Dr. Franz Josef Bendel,

Das Werk des Landrichters

P. F. Müller

über

die

Ge-

schichte der Abtei Werden bildete für Alle , die sich nach ihm mit der Darstellung desselben Stoffes beschäftigten, eine willkommene und ausgiebig benützte Quelle und Vorlage. Standen il doch sicherlich eine Anzahl Handschriften zu Gebote, deren Verlust wir heute usomehr beklagen, da wenig Hoffnung mehr vorhanden ist , dass dieselben noch wiedergefunden werden ' ). Allein auch Müllers Werk ist uns nicht vollständig erhalten ; den darstellenden Teil betrifft dies allerdings nicht, denn derselbe schliesst auf S. 352 mit einem warmen Appell an die Obrigkeiten und Untergebenen ,

mit vereinten Kräften auf das Wohl des

Ganzen zu wirken, und im frohen Genusse einer gemeinschaftlichen Glückseligkeit sich fortan als Brüder zu lieben". Indes von dem auf 71 Beilagen berechneten zweiten Teile sind nur achtzehn gedruckt worden, dann muss ein äusseres Ereignis eingetreten sein, welches die Vollendung des Druckes verhinderte. Welches dieses Ereignis gewesen sein mag, und wann es eingetreten ist, das zu ergründen halte ich das verdienstvolle Werk Müllers wohl für wert, und ich habe deshalb versucht, für die Beantwortung dieser beiden Fragen aus dem Buche selbst einige Haltpunkte zu gewinnen. In allgemeinen herrscht die Ansicht,

Müllers Werk sei

während des Druckes mit Beschlag belegt worden, wobei einige wenige Exemplare für die Nachwelt gerettet wurden. Ob sich diese Ansicht auf eine Mitteilung aus jener Zeit gründet, weiss 1) Eine im Besitze der Familie Müller zu Wertheim befindliche Kiste mit Archivalien enthält vielleicht noch Manches auf Werden Bezügliche , doch war eine Erlaubnis, in dieselben Einblick zu nehmen, bisher leider nicht zu erlangen .

14

ich nicht ; sie dürfte aber wohl nur eine Vermutung sein, ge schöpft aus dem Umstande, dass das Werk mit keinem Titelblatte ausgestattet ist und auf S. 416 mitten im Text abbricht. Wer der Konfiszierende war, und aus welcher Ursache das Buch von diesem Schicksale betroffen worden sein soll, auch darüber scheint man sich nicht ganz klar zu sein, ebensowenig in welchem Jahre dies geschehen ist ; denn eben im 10. Heft dieser Zeitschrift lese ich S. 3 Anm . 1 : ,, . . . 1802 ... Das mutmassliche Jahrdes Erscheinens von P. F. Müllers Schrift über die Geschichte der Abtei Werden."

Und diese Be-

merkung Prof. Kötzschkes veranlasste mich, der Frage über das Jahr des Erscheinens, oder vielmehr : über die Ursache des Nicht-Erscheinens etwas näher zu treten. Zu diesem Zwecke wollen wir den Gang der Ereignisse am Ausgange des 18. Jahrh., soweit sie für Werden von Bedeutung sind, an der Hand des Buches kurz verfolgen. Nachdem

Müller in mehreren

die landesherrlichen

Rechte des Abtes von Werden erörtert und bewiesen hat, gibt er in den §

85-96 einen Leberblick über :

,, Schutzherrliche

Eingriffe in die landesherrlichen Rechte des Abtes im Anfange des gegenwärtigen ( d. i. 18. ) Jahrhunderts" bis auf seine Zeit. Als nächste Veranlassung der jüngsten Unruhen" bezeichnet Müller die landesherrliche Verordnung vom 18. Januar 1749 ' ) , deren Aufhebung durch Notarialpublikation und cine Gegenverordnung von schutzherrlicher Seite (nämlich I'reussen, beziehungsweise Brandenburg) vom 14. Juni 1794, publiciert am 20. August 1795. An letzterem Tage wurde die Gegenverordnung durch einen Notar ans Essen an allen Stadttoren und Kirchentüren zu Werden und Kettwig angeheftet. Landrichter

Müller

verfügte sofort

die Entfernung dieses

Schriftstückes, und Kanzleidirektor Dingerkuss nahm es eigenhändig vom Tore der Münsterkirche ab. Dafür wurden beide Männer in der Nacht vom 19. auf den 20. Januar 1796 gefangen nach Wesel abgeführt , trotz aller Vorstellungen beim Ki nige von Preussen zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt und end-

1 ) Durch diese Verordnung waren dem Landgerichte alle Handlungen vorbehalten, welche öffentlich und durch einen Zuschlag an den Meistbietenden geschahen. Vgl . Müller S. 318 .

15

lich, nach vorheriger Bürgschaftsleistung für die Gerichtskosten , am 10. Juni 1796 wieder in Freiheit gesetzt . Wir können uns leicht vorstellen, und Müllers Werk gibt auch hinreichend Zeugnis davon, in welcher Stimmung der Verfasser sich damals mag befunden haben.

Die Einsamkeit der

Gefangenschaft, der Verlust der persönlichen Freiheit

dafür,

dass er seine Pflicht getan, wird den ohne Zweifel schon vorher gefassten Entschluss, eine Schrift über die Rechte der Abtei , und ihre Schicksale, der Oeffentlichkeit zu übergeben, zur Reife gebracht haben. Das Werk sollte ein Appell sein an das Herz Sr. Majestät, des Königs von Preussen, getragen von der zuversichtlichen Hoffnung, dass in ihm doch der bessere Geist noch siegen, und er kraft seines Amtes als Schirmvogt von Werden dem hartbedrängten Stifte zu seinen alten Rechten verhelfen werde . Müller selbst gibt dieser Hoffnung S. 327 Ausdruck mit den Worten : „ Voll Zuversicht hofft sie (die Abtei ) noch immer, unter den Flügeln des preussischen Adlers Schutz und getreue Hilfe zu finden . " Diesen Zweck der Schrift Müllers müssen wir im Ange behalten, denn er gibt uns wertvolle Winke für die Abfassungszeit derselben ; er lässt uns aber auch vermuten, dass Müller dieselbe,

vielleicht noch während des Druckes,

bis auf die

jungsten Ereignisse fortgeführt und ergänzt hat. Das letzte Ereignis, welches Müller verzeichnet, ist die 1797

(S. 322, Anm. 3)

neuerdings", nämlich am 16. März

erfolgte Auferlegung von 400 000

Fres.

Kontribution

durch die Franzosen. Am genannten Tage erschienen bekannt lich 60 französische Kavalleristen in Werden, besetzten die Abtei und stellten die Alternative, entweder die erwähnte Summe zu erlegen, oder eine Plünderung zu gewärtigen. Die am 8. Juli 1797 stattgefundene Einquartierung von 50 Kürassieren in die Abtei bis zur erfolgten Zahlung der Kontribution berichtet Müller nicht mehr, auch nicht die am 30. Juli desselben Jahres durch die Franzosen vorgenommene Brandschatzung der Abtei. gewiss Ereignisse , die Müller nicht verschwiegen hätte, abge sehen davon, dass sie geeignet waren, die in seiner Schrift ausgesprochene Hoffnung wirksam zu motivieren.

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Des weiteren vermissen wir in Müllers Werke noch :

den

Frieden von Campo Formio ( Oktober 1797 ) , den Kongress zu Kastatt (Dezember 1797 bis April 1799) und den Frieden von Luneville (9. Februar 1801 ) . Besonders den Kongress von Rastatt, zu welchem Abt Bernhard von Werden am 20. September 1797 eigens einen Vertreter, Hofrat v. Schmidts, entsandte , um durch denselben über die ausserordentlichen Forderungen und Bedrückungen der Franzosen Beschwerde zu führen, wobei auch. ein für die Abtei ziemlich günstiger Ausgleich zustande kam. hätte Müller ganz sicher nicht unerwähnt gelassen. Andererseits

liess

König

Friedrich Wilhelm III.

von Preussen bereits am 6. Juli 1802 das Besitzergreifungsrecht in Werden verkünden, und schon durch den Frieden von Luneville musste Müllers Hoffnung auf Erhaltung der Selbständigkeit Werdens den Todesstoss erlitten haben. Schon diese indirekten Gründe lassen es sehr zweifelhaft erscheinen, ob wir die Drucklegung der Schrift in das Jahr 1802 zu setzen haben. Ich möchte nun denselben noch einige direkte Zeugnisse anreihen, aus denen, wie ich glaube, unzweifelhaft hervorgeht , dass wir den Termin in eine bedeutend frühere Zeit verlegen müssen. Müller sagt S. 247 :

... Der jetzt regierende

Abt Bernhard hat es bis dahin nicht zuträglich gefunden, bei den jetztgängigen schlechten Münzsorten zum Vorteil anderer zu schlagen ."

Und S. 415 : ,, Erst vor 3 Jahren hat der jetzige

Prior Savels zufällig erfahren, dass Abt Bernhard (I. ) im 12 Jahrh. eine Kiste mit Archivstücken bei seiner Familie um des Krieges willen in Verwahrung getan habe, ohne dass sie wieder zurückgekommen wäre. Da Abt Bernhard noch als regierend bezeichnet und sein am 16. März 1798 erfolgter Tod nicht erwähnt wird, und da andererseits Beda Savels, der letzte Abt ven Werden, noch Prior ist, welches Amt er vom 31. Oktober 1795 bis 20. März 1798 bekleidete, so darf es wohl als sicher gelten, dass Müllers Werk nicht nach dem 16. März 1798 ( dem Todestage des Abtes Bernhard) sich im Drucke befand, dass vielmehr mit Rücksicht auf die von Müller noch gemeldeten Ereignisse die Drucklegung in die erste Hälfte des Jahres 1797 setzen ist.

zu

Es handelt sich nur noch darum, zu erforschen, welches Ereignis die Vollendung des Druckes verhindert haben mag.

Ich

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glaube, nicht fehl zu gehen, wenn ich entweder die Einquartie rung am 8. Juli 1797 , oder die Brandschatzung am 30. Juli desselben Jahres, als solches bezeichne . Am 8. Juli wurden, wie bereits erwähnt , 50 Kürassiere in die Abtei gelegt , bis die verlangte Zahlung von 400 000 Fres. vollständig erfolgt sei , . . die Kellnerei, Kornschreiberei, Privat- und Schleusen- Comptoir wurden versiegelt, die Lagerbücher der Abtei weggenommen , überall Wachen aufgestellt, bis zuletzt , am 30. Juli 1797 ,

den

Franzosen eine Brandschatzung bewilligt wurde . Sicherlich dürfen wir eines dieser beiden Ereignisse als dasjenige bezeichnen, dem, wohl neben manchem Anderen, auch Müllers Werk zum Opfer fiel. Von einer Konfiskation im eigentlichen Sinne können wir daher wohl nicht reden , ebensowenig von einem „,Jahre des Erscheinens “ , da das Werk überhaupt nicht erschienen ist. Wem wir die wenigen uns erhaltenen Exemplare verdanken, wissen wir nicht, vielleicht jenen Kapitularen, die nach dem 8. Juli noch auf der Abtei zurückBei dieser Katastrophe ist wohl auch das Manuskript zugrunde gegangen, so dass Müllers Werk für

bleiben durften.

jene Mitteilungen, die uns nicht anderweitig überliefert sind, selbst als Quelle dienen muss.

Rechtsgeschichtliche

über die

Eigentumsverhältnisse

Studien

der

katholischen

Kirchengemeinde in Werden. Von Pfarrer Peter Quadflieg.

Die gewaltigen territorialen Veränderungen, welche durch den Lünewiller Frieden in den deutschen Landen hervorgerufen wurden, machten auch der altehrwürdigen Abtei Werden, die 1000 Jahre hindurch unter der Leitung der Aebte gestanden, ein jähes Ende. Was der hl . Ludger einst hier erworben, was der fromme Sinn der Bewohner, die Tüchtigkeit und Sparsamkeit der Aebte im Laufe der Jahre an Gütern der alten Stiftung des hi. Das Ludger hinzugefügt, fiel jetzt der Krone Preussen zu. Suft Werden wurde ein Teil des Preussischen Staates. Die Bewohner des Stiftes hatten in ihrem Abte nicht nur ihren angestammten Herrscher verloren, sondern auch ihren Seelsorger und Pfarrer, der bisher für alle ihre kirchlichen Bedürfnisse gesorgt und durch seine Conventualen den Pfarrgottesdienst sowie die anderen priesterlichen Funktionen verrichten liess.

Jetzt, wo der Abt mit seinen Conventualen aus

ihrem Kloster und ihrer Pfarre scheiden mussten, waren damit zugleich die ganzen alten kirchlichen Verhältnisse umgestossen. und es musste notwendig sofort an eine Neugestaltung derselben gedacht werden. Zugleich war hiermit die schwierige Frage aufgeworfen, welche der bisher unter abteilicher Verwaltung ge standenen Güter dem Staate zufielen, und welche der Kirchengemeinde als Eigentum verbleiben mussten, beziehungsweise, welche Verpflichtungen nunmehr dem Preussischen Fiskus als dem Rechtsnachfolger des Abtes der Pfarre gegenüber oblagen. Bei der Regelung dieser Verhältnisse mussten für den Fisku-

19

nassgebend

sein

die

Bestimmungen des

bauptschlusses und insbesondere die

Reichsdeputations

$ 63 , 65 und 77.

Sie besagen : $ 63. Die bisherige Religionsübung eines jeden Landes soll gegen Aufhebung und Kränkung aller Art geschützt , insbesondere jeder Religion der Besitz und ungestörte Genuss ihres eigentümlichen Kirchengutes nach der Vorschrift des Westfälischen Friedens ungestört verbleiben . 65. Fromme und milde Stiftungen sind, wie jedes Privateigentum zu konservieren, doch so , dass sie der landesherr lichen Leitung untergeben bleiben. 77.

Da auch wegen der auf den Entschädigungslanden

haftenden Schulden zur Beruhigung so vieler Gläubiger Vorschung geschehen muss, so versteht es sich zuvörderst , dass bei solchen Landen , welche ganz von einem geistlichen Regenten auf einen weltlichen übergehen, letzterer alle, sowohl Cameral- als Landesschulden eines solchen Landes mitzuübernehmen, mithin solche (respektive ) aus seinen neuen Kammereinkünften und Steuern ebenso zu verzinsen und abzuführen hat, wie es der geistliche Regent hätte tun müssen . Die preussische Regierung brachte bei der Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse die Grundsätze des allgemeinen Landrechtes in Anwendung, das den Staat auch in kirchlichen Angelegenheiten als Rechtsquelle betrachtet und von einer Mitwirkung der kirchlichen Behörden ganz absieht , ein Verfahren, das natürlich nach kirchlichem Recht durchaus nicht eine neue kirchliche Ordnung begründen konnte. Der Staat setzte eigenmächtig für die Seelsorge an der Pfarrkirche einen Pfarrer und 2 Kapläne an und überwies dem ersteren die Einkünfte der alten Luciuspfarre, den beiden anderen die der Clemenspfarre .

Zwar

wurde bald die Spezial-Organisationskommission zu Essen beauftragt, mit der kirchlichen Behörde in Verbindung zu treten ; jedoch führte dies zu keinem Resultat, da Preussen den neuerwählten Erzbischof Erzherzog Viktor Anton nicht anerkann : und zudem irrtümlich behauptete, Werden stehe noch wie auch vor der Säkularisation direkt unter Rom.

Man begnügte sich

daher, mit dem Werdener Pfarrer in Verbindung zu treten und beriet mit ihm eine neue Ordnung, die einstweilen als mass

20

gebend galt. Die damals unkanonisch geschaffenen kirchlichen Verhältnisse wurden 1827 vom Erzbischof von Köln einstweilen bestehende anerkannt. waren ais tatsächlich Sie aber auch bis zu dieser Zeit noch nicht zu einer definitiven Nengestaltung gediehen, sondern trugen noch den Charakter eines Provisoriums. Durch das ganze 19. Jahrhundert haben sich noch die Streitigkeiten zwischen der Pfarre und dem Preussischen Fiskus hingezogen.

Einiges wurde gutwillig der Pfarre

überlassen, anderes hat die Pfarre durch jahrelange Unterhandlungen oder auf dem Rechtswege sich erkämpfen, und auf gar manche Rechte und gar reiche Güter hat sie durch die Not gezwungen verzichten müssen. Erst die allerletzte Zeit hat endlich eine definitive Regelung derWerdener Pfarrverhältnisse in ihren Rechtsansprüchen und in ihren Beziehungen zur Preussischen Regierung gebracht . Im Folgenden soll zunächst dargestellt werden, wie sich das Eigentum der Werdener Pfarren zu abteilicher Zeit in Laufe eines Jahrtausends angesammelt hat.

Sodann sollen die

Verhandlungen und Prozesse geschildert werden, die nach der Säkularisation über die Eigentumsverhältnisse geführt wurden. Prozesse, die, und zwar gleichzeitig oft wegen der verschiedensten Objekte, dann schwebten, dann ruhten, und die schliesslich mit einer leider für die Pfarre nicht immer günstigen Regelung der Verhältnisse endigten. Die Abhandlung gliedert sich in folgende Teile : 1. Die Kirchen zum hl. Clemens und Lucius und die damit verbundenen Beneficien. 2. Die Vikarien und Memorienstiftungen an der kirche.

Münster-

3. Die Münsterkirche .

4. Kleinere Objekte.

1. Die Kirchen zum hl . Clemens und Lucius und die damit verbundenen Beneficien . Die zur Zeit des hl. Ludgerus hier ansässigen oder sich neu ansiedelnden Bewohner besuchten anfänglich die vom Stifter selbst erbaute kleine Kirche. An ihre Stelle trat später die noch von

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Ludger begonnene und von seinen Nachfolgern, den Ludgeriden. vollendete sogen. Salvatorkirche, die aber in der Hauptsache den Mönchen zur Abhaltung ihrer Officien diente. Indess gingen die Aebte bald dazu über, zur Befriedigung des religiösen Bedürfnisses der Gläubigen besondere Kirchen zu errichten, die Kirchen zum hl. Clemens und Lucius. Diese waren ecclesiac extra muros, Kirchen vor den Stadtmauern.

Die erstere, auf

der Südseite der Stadt auf halber Höhe des Pastoratsberges gelegen, ist in der Zeit von 930-957, die letztere, auf der Nordseite der Stadt, von 995-1063 erbaut worden. Beide waren in der ersten Zeit jedenfalls Eigentum der Abtei , welche sie aus eigenen Mitteln zur leichteren Pastorierung der Landbevölke rang hatte errichten lassen. Sie galten nur als Filialkirchen des abteilichen Münsters, in denen anfangs ein vom Kloster unterhaitener Conventuale,

später ein vom Bischof approbier: er Weltgeistlicher im Auftrage des Abtes an Werktagen die hi Messe las, während der Gottesdienst an Sonn- und Feiertagen

sowie die Taufen, Copulationen und Exequien in der Hauptkirche, dem abteilichen Münster, sattfanden. Der Abt blieb also , der eigentliche ständige Pfarrer, parochus habitualis, auch dieser Kirchen . Nach kurzer Zeit erwarben die beiden Tochterkirchen durch Schenkungen der Pfarreingesessenen ein besonderes nicht un bedeutendes Beneficialvermögen ; die Folge war, dass die Geist lichen sich bald als von der Abtei unabhängige

Beneficiaten ,

vicarii perpetui, später als Pfarrer betrachteten, die selbst die Taufe spendeten, die Begräbnisse bei ihren Kindern vornahmen. die Altaropfer für sich beanspruchten und überhaupt die Kirche und ihre Einkünfte selbständig verwalteten . Anfangs stiess die ses Bestreben natürlich auf den Widerspruch der Aebte, welche auch im Jahre 1103 beim Erzbischof Friedrich ein Dekret¹ ) gegen

die

durchsetzten.

Unabhängigkeitsbestrebungen

der

Filialkirchen

Jedoch konnten sie dadurch nicht verhindern

dass die beiden Pfarreien im 12 Jahrhundert sich völlig unab hängig vom Kloster machten ) .

In der Folge wurden daher

auch die Seelsorger an diesen Kirchen als selbständige Pfarrer 1 ) Siehe Jacobs Pfarrgeschichte Urkunde I S. 409, 2) Siehe Jacobs a. a. O. S. 35.

22

nicht mehr vom Abte, sondern vom Domdechanten, dem Vertreter des Erzbischofs, angestellt, nachdem dieser sich mit der Abte und dem Dekane ins Einvernehmen gesetzt hatte .

Erzbischof Heinrich von Cöln ( 1304—1322 ) inkorporierte allerdings die Einkünfte der Filialkirchen wiederum der Abtei und Erzbischof Adolf sprach diese Inkorporation, weil sie dier Abt bisher nicht hatte durchführen können, von neuem aus im Jahre 1551 ' ) ; doch gelangte auch diese Inkorporation tatsächlich niemals vollständig zur Ausführung, da vor wie nach die Pfarrer mit ihren Kirchmeistern als selbständige Inhaber und Verwalter der Beneficien auftraten . Da letztere Inkorporation in den späteren Prozessen eine grosse Rolle spielt, indem die Vertreter des Fiskus aus ihr die Tatsache abzuleiten suchten, dass durch sie die Güter der beiden Filialkirchen mit dem Abteivermögen verschinolzen worden seien. so lohnt es sich, dieselbe in ihrer Intention und in ihrer tatsächlichen Wirkung näher zu beleuchten.

Der Abt bezweckte, eine incorporatio plena quoad spiritualia et temporalia der beiden Filialkirchen zur Ausführung zu bringen, so dass die Ausübung der Seelsorge und auch das Vermögen der Filialkirchen auf die Abtei überging. Durch die incorporatio quoad spiritualia bekam er das Recht, den Gottesdienst in den beiden Kirchen durch Mönche seines Klosters ausüben zu lassen ; doch konnte er die Mönche nicht eigenmächtig zu Pfarrern ernennen, sondern war gehalten, diese dem Kölner Domdechant als dem Vertreter des Erzbischofs zu präsentieren. Der Kölner Erzbischof wollte dadurch seine Jurisdiktion wahren. die durch eine vollständige incorporatio ` quoad spiritualia ausgeschaltet worden wäre . Auch sollte der Abt erst nach dem Tode der zeitigen Inhaber von seinem Präsentationsrecht Gebrauch machen können . Durch die incorporatio quoad temporalia wurde dem Abte die Befugnis gegeben, nach dem Tode der Bene ficiaten das Beneficialvermögen mit dem Abteivermögen zu ver einigen. Es sollte dadurch jedenfalls dem Uebergang des Pfarrvermögens an die auch in Werden an Zahl und Einfluss zunehmenden Protestanten vorgebeugt werden.

1 ) Siehe Jacobs a. a. O. Urkunde VI S. 417.

23

Untersuchen wir nun, wieweit es den Aebten gelang, die ihnen zugestandenen Rechte auch durchzusetzen.

Bei der späte

ren Frage, ob zur Zeit der Säkularisation die Beneficialgüter Eigentum der Abtei waren, kommt es nämlich nicht so sehr dar auf an, ob die Inkorporationsurkunde zur Vereinigung der Beneficialgüter mit dem Abteivermögen dem Abte das Recht gab. als vielmehr darauf, ob diese Verschmelzung auch wirklich ausgeführt worden ist. Quoad spiritualia setzte der Abt es bald durch, Mönche der Abtei in den Besitz der Beneficien zu bringen. Nur in der Zeit von 1579--1607 war zeitweise der Weltpriester Homberg, der zu : Protestantismus übergetreten war, als Pfarrer an St. Clemens tätig. Quoad temporalia gestaltete sich das Verhältnis der Filialpiarren zur Abtei jedoch so, dass der Abt nur ein Aufsichtsrecht über die Verwaltung der Güter erlangte, aber nicht die Verwaltung selbst , geschweige denn das Eigentum an denselben. Die zeitigen Pfarrer mit ihren Kirchmeistern verwalteten nach wie vor selbst ihre Einkünfte ' ), vermehrten sie durch Käufe und Schenkungen, und veräusserten sie auch nach Bedarf. Wenn der Abt in den Urkunden seine Einwilligung zu den Käufen und Verkäufen gibt, so weist dies nicht auf ihn als Eigentümer hin, denn ein Eigentümer unterzeichnet selbst und beglaubigt nicht blos. Seine Einwilligung und Beglaubigung gab er vei mehr als Patron und Landesherr. Einige Urkunden" ) mögen die Selbständigkeit der Filialbeneficien auch nach der Inkorporation bis in die letzten Jahre vor der Säkularisation hin dartun. Pastor Venner verpachtet unter dem 27. März 1612 das Pfarrhaus zu Neukirchen nebst

den

zugehörigen Ländereien

Laut Urkunde vom 7. April werden diese Ländereien durch Pastor Dücker zu Neukirchen von neuem in Pacht gegeben. Vom

23.

April 1780

datiert

ein

Kaufakt ,

in

dem

1 ) Siehe Jacobs a. a. O. S. 484 Verzeichnis der Einkünfte der Clemenskirche aus dem Jahre 1515, 1617 und 1618 und Jacobs S. 497 Jahresrechnung über die Einnahmen und Ausgaben von Neukirchen aus den Jahren 1689 und 1692. 2) Dieselben befinden sich im Werdener Pfarrarchiv.

24

Pastor Anselmus Grooten zu Neukirchen mit Bewilligung des Abtes Grundstücke, die zum Pfarrfonds gehörten, veräussert. In einer Urkunde vom 14. Mai 1787 cedieren die Eheleuts Schäfer eine Forderung von 125 Reichstalern an die Kirche vom hl. Lucius, nicht an die Abtei. Laut Urkunde vom 11. November 1799 hat Pastor Roderburg zu Neukirchen zwei Kapitalien von je 150 Reichstalern augeliehen und dafür Grundstücke verpfändet. Die Abtei selber erkennt die vermögensrechtliche Trennung der beiden Beneficien vom Kloster an, nicht nur dadurch, dass si

die Verpachtungen, Käufe und Verkäufe der Beneficiaten

gutheisst, sondern auch dadurch, dass sie den Beneficien besondere Rechte der Abtei gegenüber einräumt . So stand den Pastoren das Recht einer Kuhweide auf dem abteilichen Wert zu sie erhielten für die Benutzung des über Pastoratsgrund zur abteilichen Scheune führenden Weges seitens der Abtei ein Wegegeld und aus dem abteilichen Reichstaler 14 Stüber.

Schleusenempfang jährlich 4

Nicht anders war auch die öffentliche Meinung in der Bür gerschaft.

Beanspruchten doch im Jahre 1634 die Protestanten

die Filialkirchen und ihre Einkünfte als ihr Eigentum mit der Begründung, die Pastoren dieser Kirchen hätten seit dem Jahre 1550 der lutherischen Religion angehört, einer Behauptung, die allerdings der geschichtlichen Wahrheit nicht entsprach, indes liegt diesem Verlangen der Protestanten doch die Anschauung zu Grunde, dass die Gemeinde, vertreten durch ihre Pfarrer. Besitzerin der Beneficien sei. Fragen wir nun, warum die incorporatio quoad temporalia . die durch die Urkunde von 1551 den Aebten zugestanden war. und um deren Durchführung sie sich gewiss auch bemüht haben. doch nicht zur Ausführung kam, so mag das seinen Grund haben in der Jahrhunderte langen Selbständigkeit der Pfarrgemeinden. in dem Gegensatze , der zwischen den Aebten und der Bürgerschaft bestand, und nicht zuletzt auch in dem Umstande, dass da Tridentinum in der sessio VII vom 3. März 1547 alle Inkorporationen , die noch nicht perfekt geworden, als aller Kraft entbehrend bezeichnete.

25

Die

einzige

Wirkung

der

Inkorporation

in

Bezug

auf die Güter der Beneficien war also, dass der Abt als pastor primarius und geistlicher Landesherr ein Aufsichtsrecht über die Verwaltung des Vermögens ausübte. Als Conventualen erhiel ten die Pfarrer auch freien Tisch und Wohnung auf der Abtei woraus die späteren Pfarrer nach Aufhebung der Abtei ein durch Verjährung erworbenes Recht der Abtei resp. ihrer Rechtsnachfolgerin gegenüber ableiteten. Im übrigen bezogen sie alle vollständig die Einkünfte ihrer Kirchen, wie dies die Heberegister der Jahre 1761-1800 für Neukirchen dartun') . Alle diese Momente zeigen, dass auch nach der Inkorporation das Vermögen der beiden Kirchen vom abteilichen Ver mögen streng gesondert blieb. Gewann nun der preussische Fiskus, dem auf Grund der Säkularisation vom Jahre 1803 das Abteivermögen zufiel,

auch

Anspruch auf diese Benefizialgüter ? Die Antwort liegt im § 65 des Reichsdeputationshauptschlusses, der besagt : Jeder Religion soll der Genuss des ihr eigentümlichen Kirchengutes ungestört verbleiben. Nichtsdestoweniger traf die neue Regierung eigenmächtige Anordnungen auch inbetreff dieser Güter. Eine stillschweigende Anerkennung, dass diese Verfügungen rechtswidrig seien , lag freilich

darin , dass

selbständig und vom handelte.

sie dieses Pfarrvermögen

Abteivermögen

getrenntes Objekt

Das am 18 Juni 1803 ausgestellte

als be-

Ausstellungspa-

tent ) van Gülpens, des ersten von der Regierung ernannten Pfarrers von Werden, besagt : So haben wir es für notwendig erachtet, die bisherigen Filialpastorate auf dem Berge und zu Neukirchen eingehen zu lassen. " Es ordnet sodann folgende Verwendung dieser Güter an :

„ Wir wollen dagegen zur Fun-

dation der Stelle eines Pastoris primarii festsetzen das bisherige Diensteinkommen des aufgehobenen Filial- Pastorates zu Neukirchen bei Werden - und auch der freien Wohnung und Gärten." Die Austellungsurkunden") der ersternaunten Kapläne Nenhaus und Schwane stipulieren dann in Bezug auf die Güter der Clemenskirche : „ Wir wollen dagegen für uns und unsere 1) im Pfarrarchiv. 2) Vgl. Jacobs a. a. O. S. 239. 3) Vgl. Jacobs a. a. Q. S. 245.

26

Nachkommen zur Fundation für die Stelle eines Kaplans an der Hauptpfarrkirche zu Werden die Hälfte des Diensteinkommens festsetzen, so die bisherige Pfarrei von St. Clemens auf dem Berge bis dahin ertragen hat." War dieses eigenmächtige Verfügen über den Besitz Kirchengemeinde schon ein angemasstes Recht, so fragt

der sich

jetzt weiter : Hatte diese Zuteilung an die genannten Beneficien eine Säkularisation derselben seitens des Staates zur Voraussetzung,

dass

der Fiskus sich als Eigentümer derselben be-

trachtete und dem Pfarrer und den beiden Kaplänen uar die Nutzniessung dieser Güter überliess, oder hatte sie nur den Charakter einer den neuen Verhältnissen entsprechenden Ver teilung des der Kirchengemeinde zu

Eigentum verbliebenen

Kirchengutes ? In letzterem Falle wäre die pfarren nengebildete

grosse Pfarre

aus den

2 Filial-

Gesamteigentümerin

der

bisher getrennt existierenden Kirchengüter geworden. In den esten Jahren nach der Säkularisation blieb diese Frage unerörtert ; doch hat die Gemeinde sich stillschweigend stets als Eigentümerin gefühlt. Später sollte die Eigentumsfrage aber zu grossen Verhandlungen und Prozessen führen. Diese Frage wurde bereits bei einem Prozesse wegen des Neukirchener

Pfarrhauses

angeschnitten.

Die Domänen-Di-

rektion verlangte vom Pastor van Gülpen die Miete für die Neukirchener Pastorat vom Jahre 1812 ab, weil ihm in diesem Jahre zum Ersatz für dieses Haus das Haus des Dr. Wesener, das jetzige Pfarrhaus, als Dienst wohnung angewiesen worden se .. Van Gülpen, der bis 1812 auf der Abtei gewohnt hatte, erwiderte, die neue Wohnung sei nur ein Ersatz gewesen für die ihm in seiner Eigenschaft als Nachfolger des Abtes zustehende Wohnung auf der Abtei, aber nicht ein Entgelt für die Nenkirchener Pastorat, die zum Beneficium von Lucius gehöre. Da van Gülpen nicht gutwillig verzichtete und die eingezogenen Mietgelder nicht herausgab, beschritt der Fiskus gegen ihn den Klageweg, wurde aber durch das Urteil der Oberlandes- Gerichtskommission zu Cleve vom 14. Dezember 1816 mit seiner Klage abgewiesen'). ¹ ) Das Urteil siehe Beilage Nr. 1.

27

Das Urteil führte aus, der Fiskus könne nur dann auf das fragliche Pfarrhaus Anspruch machen, wenn Pfarrer van Gülpen freiwillig auf dasselbe verzichtet habe oder ihm das Weseversche Haus nur unter der Bedingung angeboten worden sei. dass er auf die Neukirchener Pastorat Verzicht leiste. Beides se nicht der Fall gewesen. Demgemäss sei der Fiskus mit seiner Flage abzuweisen . Der Fiskus legte gegen dieses Urteil Berufung ein mit der Begründung, ein Pfarrer könne nur eine Amtswohnung beanspruchen.

Das Urteil des Appelationssenates des Oberlandes-

gerichtes zu Cleve vom 4. Oktober 1817¹ ) wies aber die Appellation zurück. Seit 1803 sei van Gülpen als Pfarrer von Neukir ehen im Besitze des Neukirchener Pfarrhauses gewesen, dazu sei ihm 1806 eine Wohnung auf der Abtei angewiesen worden, ohne dass er auf seine erste Wohnung habe verzichten müssen. Ais Ersatz für letztere Wohnung sei ihm das Wesenersche Haus angeboten worden. Während es sich in diesem Prozesse zunächst nur um die Miete des Neukirchener Pfarrhauses handelte , eine Frage, die im Grunde allerdings auch das Eigentum betraf, indem die beiden Urteile van Gülpen nicht nur als Nutzniesser, sondern auch als Eigentümer des Pfarrhauses betrachten und damit die AFweisung der seitens der Regierung angestrengten Klage auf Auszahlung der Miete begründeten, so wurde die Eigentumsfrage direkt berührt bei den Ausgleichsverhandlungen im Jahre 1812 . In diesen Verhandlungen verlangte die Regierung vom Werdener Pfarrer die Herausgabe des Neukirchener Pfarrhauses mit der alten Begründung, es sei ihm das jetzige Pfarrhaus an der Abteikirche einzig in der Absicht angewiesen worden, dass er auf die Neukirchener Wohnung verzichte . Van Gülpen erwiderte, auf die Absicht der Regierung, ihm dieses Haus zu nehmen, komme es nicht an, vielmehr darauf, ob die Eigentümer. nämlich der Pfarrer und der Kirchenvorstand, in die Abtretung eingewilligt hätten. Das sei nie geschehen. Zudem sei das Recht der Pfarrer auf das Haus ja auch bereits gerichtlich festgelegt. Schliesslich einigte man sich dahin, dass nach dem Tode des jetzigen Pfarrers eine jährliche Rente von 20 Reichstalern aus dem 1) Das Urteil siehe Beilage Nr. 2.

28

Pfarrvermögen an die Königliche Renteikasse entrichtet wer den solle. Anlass zu weiteren Differenzen mit der Regierung bezüg lich der Neukirchener Pfarrgüter gab im Jahre 1812 der Verkauf der Neukirche seitens des Fiskus . Van Gülpen verlangte die Auszahlung der Kaufsumme an die Kirchengemeinde zur Ausbesserung der Hauptkirche. Für sich forderte er ein Kapital von 300 Reichsthr. zurück, das für 18 hl. Messen an die Pastorat gestiftet und vom Pastor Grote zur Restauration der Neukirche benutzt worden war¹ ) . Die Zinsen waren seitdem aus den Revenüen der Kirche gezahlt worden.

Die Domänendirek-

tion gab unterm 12. März 1812 den Bescheid, dass sie durch königliches Dekret vom 22 Juni 1811 von allen Schulden . . . entlastet worden sei , und verwies den Pastor van Gülpen an das Ministerium des Innern. Im Jahre 1817 wurde auch die Clemenskirche seitens des Fiskus verkauft. Da der Erlös aber zum Besten der katholischen Pfarrkirche in Kettwig, einer ehemaligen Filiale der Haupt · kirche, verwendet wurde, so erhob die katholische Kirchenge meinde in Werden hiergegen keinen Einspruch. Die ganze Amtszeit des ersten Pfarrers von Werden war so mit Zwistigkeiten und Unterhandlungen zwischen der Kirchengemeinde und der Regierung ausgefüllt. Van Gülpen hat mit Eifer und Geschick unter den unklaren und verworrenen Verhältnissen der damaligen Zeit die Rechte der Gemeinde verteidigt und so weit wie möglich gewahrt. Unter dem folgenden Pfarrer Dr. Herm. Jos. Elshoff ruhten die Streitigkeiten. Ein neuer Konflikt entstand aber bei dessen Tode am 2. Dezember 1843 zwischen der erzbischöflichen Behörde und der preussischen Regierung über das Patronatsrecht. Bisher hatte letztere sich als Patron der Werdener Pfarrstelle betrachtet und dieses Recht durch die Ernennung der 2 ersten Pfarrer auch ausgeübt. Nach dem Tode des Dr. Elshoff verfügte jedoch die erzbischöfliche Behörde durch Reskript vom 29. Dezember 1843 , dass vor der Ernennung des neuen Pfarrers eine Regulierung der ganzen Seelsorge , insbesondere der Pfarrstelle , zu erfolgen habe" ) . Die 1 ) Siehe Jacobs, a. a. O. S. 304. 2) Siehe Jacobs, a. a. O. S. 288.

29

königliche Regierung antwortete mit der Einreichung der Inkorporationsurkunde, wodurch der Convent das Besetzungsrecht der Pfarrstellen erhalten habe. Als Nachfolger des Abtes könne sie daher mit Recht die Ernennung der Pfarrer. beanspruchen. Der Kirchenvorstand wies in seinem Schreiben an das Generalvikariat vom 18. Juli 1844 die angemassten Ansprüche der Regierung zurück, indem er dem Staate das Recht abspricht, sich als Nachfolger des Abtes in dessen Eigenschaft als geistliches Haupt der Pfarre zu betrachten. Diese Rechte des Abtes seien vielmehr bei der Aufhebung der Abtei auf den Bischof devol · viert.

Demgemäss erkennt der Erzbischof unterm

15.

Febr.

1845 das Präsentationsrecht der Regierung nicht an, will aber augenblicklich an der faktischen Grundlage nichts ändern und sich auf eine Verwahrung der Freiheit der Kirche beschränker. und später darüber besonders verhandeln.

Zu einer definitiven

Regelung der Patronatsfrage ist es aber später nicht gekommen. Zunächst wurde Köllmann als Pfarrer von der Regierung präsentiert und von der erzbischöflichen Behörde ernannt . Nach dessen Tod übertrug letztere die Pfarrverwaltung dem Pfarrer Horbach, wozu die Regierung ihre Einwilligung gab unter Wahrung des Patronatsrechtes. Aehnlich verhielt es sich bei der Ernennung des Pfarrers Gisberts im Jahre 1884 . Während so die Patronatsfrage ungelöst blieb, sollte die Frage nach dem Eigentum an den alten Beneficien von Lucins und Clemens gerichtlich entschieden werden.

Den Anstoss zu

der gerichtlichen Entscheidung gab die im Beginne des Kultur kampfes über die Werdener Pfarrgeistlichkeit verhängte Gebaltssperre. Am 27. März 1875 eröffnete der Bürgermeister von Schirp zunächst den Kaplänen, dass ihnen das Einkommen der Borner Pfarrdotalgiiter entzogen sei, und am 20. Mai desselben Jahres untersagte er den Pächtern der zu diesen Beneficien gehörenden Grundstücke die Zahlung der Pachtgelder an die Geistlichen. Eine unter dem 20. Mai 1876 vom Kirchenvorstand an die Kö nigliche Regierung zu Düsseldorf gegen diese Anordnung des Bürgermeisters eingereichte Beschwerdeschrift war erfolglos. Der Kirchenvorstand erhob deshalb beim Kreisgericht zu Essen gegen die Regierung Klage auf Besitzstörung . Bis vor kurzem sei die katholische Kirchengemeinde im Besitze der betreffen-

30

den Grundstücke gewesen und in ihrem ruhigen Besitze dadurch gestört worden, dass die Regierung zu Düsseldorf den Bürgermeister von Schirp beauftragt habe, die Grundstücke als fiskalisches Eigentum einzuziehen.

Er beantragt daher, dem Ver-

klagten aufzugeben, sich aller ferneren Störung des Besitzes zu enthalten und die Kirchengemeinde als Eigentümerin anzuerkennen. Das Gericht wies aber in seinem Urteil vom 5. Mai 1877 die Klage des Kirchenvorstandes ab mit der Begründung, dass die Possessorien- ( Besitzstörungs ) Klage das Gericht anrufe, um das Eigentum vor Privatgewalt zu schützen.

Die Massnahmen

der Regierung, durch welche sie den Geistlichen den Genuss der Beneficialgiiter entzog, seien aber Ausführungen des Gesetzes vom 22. April 1875 und demgemäss polizeiliche Verfügungen. Die besitzstörende Handlung sei demgemäss keine vermögensrechtliche ,

sondern ein Ausfluss

des

öffentlichen

Rechtes, worüber das Gericht nicht zu entscheiden habe¹) . Die gegen dieses ungünstige Erkenntnis beim Obertribu-

na! zu Berlin eingelegte Nichtigkeitsbeschwerde wurde von die sem in der Sitzung vom 19. November 1877 mit derselben Motivierung wie beim ersten Urteil zurückgewiesen") . Nicht besser erging es der Pfarrgemeinde bei einer

von

ihr gegen die Stadt Werden angestrengten Besitzstörungsklage. Veranlassung dazu hatte die vom Bürgermeister von Schirp verfugte Anlegung eines öffentlichen Weges über die zur Pfarr pfründe, die inzwischen auch auf Grund des Sperrgesetzes mit Beschlag belegt worden war, gehörigen Grundstücke . In der Sitzung des Kreisgerichts zu Essen vom 26. Juli Pfarrgemeinde der abgewiesen. 1877 wurde die Klage ,.Der Bürgermeister habe nicht in Ausübung seines Privatrechtes, sondern seines öffentlichen Rechtes, gehandelt.

seiner Polizeigewalt

Gegen solche Handlungen sei nicht die Besitzstö-

rungsklage, sondern die Beschwerde zulässig" ) . Während der Kirchenvorstand so mit seinen Possessorienklagen nichts erreichte, hatte er mit der Petitorienklage mehr

1) Das Urteil siehe Beilage Nr. 3. 2) Das Urteil siehe Beiloge Nr. 4. 3) Das Urteil siehe Beilage Nr. 5.

31

Glück.

Bereits am 1. Dezember 1876, als in der Possessorien-

klage noch kein Urteil gefällt war, reichte er beim Kreisgericht zu Essen als Eigentümer der Beneficien von Lucius und Clemens eine Klage auf Anerkennung des Eigentums ein. Zur Begründung seiner Klage führt er folgende Momente an: 1 ) Die Kirchengemeinde sei schon zu abteilicher Zeit Eigentümerin dieser Grundstücke gewesen, die habe sich daher nicht auf sie erstreckt.

Säkularisation

2 ) Die Regierung habe auch bis 1875 stets das Eigentum der Kirchengemeinde an diesen Grundstücken anerkannt . 3) Das Eigentum stehe letzterer daher auch zu auf Grund der Verjährung durch mehr als 44jährigen Besitz. Daher trägt die Kirchengemeinde darauf an : 1 ) Den Beklagten für schuldig zu erklären, das Eigentum an den fraglichen Grundstücken anzuerkennen und für nicht befugt zu erklären, den Kaufpreis von 16 125 M. zurückzuverlangen ' ). Gegen die Beweisgründe der Kirchengemeinde macht die Regierung geltend : 1: Die Inkorporation habe zur Zeit die fraglichen Güter mi dem abteilichenVermögen verschmolzen ; sie seien daher bei der Säkularisation als Zubehör der Abtei miteingezogen worden. 2) Den Geistlichen habe man bei der Neuordnung der Pfarrseelsorge nicht das Eigentum, sondern nur die Nutzniessung dieser Güter gegeben. An dieser Lage hätten weder die späteren Massnahmen der Regierung noch die der Kirchengemeinde etwas geändert.

Dass die Regierung selbst 1875

ein Grundstück aus diesen Beneficialgütern gekauft habe . sei allerdings ein Irrtum gewesen, woraus Kläger aber kein Recht für sich herleiten könne . Das Kreisgericht Essen legt bei der Entscheidung über diesen Fall das Hauptgewicht auf die Aussagen der Zeugen, die bekunden, dass die Kirchengemeinde stets selbständig über die Grundstücke verfügt und sich in gutem Glauben nicht nur als Verwalterin, sondern auch als Besitzerin geriert habe.

Demge-

1 ) Die Regierung hatte im Jahre 1875 für diese Summe ein Grundstück aus den Beneficialgütern von Lucius zum Schulbau erworben . 2 ) Das Urteil siehe Beilage Nr. 6 .

32

miss stehe ihr das Eigentum an denselben durch Verjährung zu ) . Dieses Erkenntnis wurde vom Kgl. Appellationsgericht zu Hamm in seiner Sitzung v. 31. Mai 1878 dahin abgeändert, dass die Kirchengemeinde mit ihrer Klage abzuweisen sei ' ) . In seiner Appellationsschrift hatte der Fiskus gegen den Rechtsgrund der Verjährung, durch die der Kirchengemeinde das Eigentum an den Beneficien zugesprochen werden könne, protestiert. Das Gericht betrachtet demgegenüber die Gemeinde zwar als zeitige Eigentümerin der Beneficien, in deren Besitz der Fiskus durch Sperrung der Gehälter sich gesetzt und auf die er sein Recht dartun müsse.

Dies sei

aber dem Fiskus gelungen.

Tatsäch-

lich seien, wie der Fiskus behaupte, durch die Inkorporation die in Frage stehenden Güter mit dem Abteigut verschmolzen und daher bei der Säkularisation auch miteingezogen worden . Vou da ab habe keine Eigentumsveränderung stattgefunden, den Geistlichen sei nur die Nutzniessung derselben eingeräumt worden. Die Güter hätten unter der Abteilung für die Domäne gestanden. AlleVerfügungen anderer Staatskommissionen oder der kirchlichen Aufsichtsinstanz kämen daher nicht in Betracht. weil sie nicht mit der Vertretung des Fiskus beauftragt waren . Ein Eigentumsrecht auf Grund der Verjährung könne die Kirchengemeinde nicht geltend machen, da von 1850 nur ein unvollständiger Besitz nachgewiesen sei, indem die ersten Geistlichen sich nur als Verwalter betrachtet hätten .

Erst die später

angestellten, welche die ursprünglichen Verhältnisse nicht gekannt, hätten volles Besitzrecht ausgeübt . Auch auf das Normaljahr 1815 , wonach gegen Ansprüche des Fiskus jeder

ge-

schützt sei, der vor diesem Zeitpunkt eine Sache ruhig besessen, könne die Gemeinde sich nicht berufen, da bis dahin kein vollständiger Besitz ihrerseits nachgewiesen sei . Die Kirchengemeinde gab sich mit

dieser

Entscheidung

nicht zufrieden, sie legte Revision beim Reichsgericht ein. Dieses stellte in der Sitzung vom 5. April 1880 das Erkenntnis des Kreisgerichtes zu Essen wieder her.

Es sei , so führt es aus.

historisch erwiesen, dass weder vor noch nach der Säkularisation eine faktische Einziehung der Grundstücke

1) Das Urteil siehe Beilage Nr. 7.

durch die

Abtei

33

resp . den prenssischen Staat stattgefunden.

Die Geistlichen hätten daher stets, auch schon vor dem Jahre 1850, in amtlicher

Eigenschaft ihre Besitzrechte ausgeübt, da doch Verpachtungen usw. der Regel nach nur dem Eigentümer zustehen. Auch -ci bei dem Besitzer bona fides auf Grund der Anstellungspatente anzunehmen, da diese ja das eigentümliche Vermögen der Fi liaipastorate zur Dotation festsetzen. Daher habe die Kirchengemeinde sich stets als Eigentümerin geriert und sei auch von den Behörden und Privaten stets als solche angesehen worden. Es genügt also schon der von 1876 zurückgerechnete 44jähr. Besuz zur Ersitzung. Dann schützt auch der vor dem Jahre 1815 erwiesene ruhige Besitz die Klägerin gegen die Ansprüche des Fiskus '). Ein höchst interessantes Gutachten des Prof. Ritter Schulte, das schonungslos die historischen Fehler, auf denen das zweite Urteil sich aufbaute, blosslegt, wurde, weil zu spät eingereicht. bei dem Urteil nicht mehr berücksichtigt" ). Durch das Urteil des Reichsgerichtes war die Klage in letzter Instanz zu Gunsten der klagenden Kirchengemeinde

ent-

schieden, und es waren die Pfarr- und Kaplaneidotalgüter der Kirchengemeinde gerettet. Es ist dieses aber auch der einzige Prozess seit den Jahren 1840 41 , wo die bedeutsamen Schulprozesse gewonnen wurden, der zu Gunsten der Kirchengemeinde entschieden wurde.

II . Die Vikarien und Memorienstiftungen .

Wie das alte Stift Werden reich mit Gütern und Ländereien gesegnet war, die dasselbe zu einer der reichsten und vornehm sten Abteien Deutschlands machten, so war auch sein stattliches Gotteshaus, die Münsterkirche, im Laufe der Jahrhunderte in der freigebigsten Weise mit frommen Stiftungen ausgestattet worden.

In diesen ihren Schenkungen hatten die Stifter be

1 ) Urteil im Anhang Nr . 8. 2) Das Gutachten siehe Anhang Nr. 9.

34

stimmt, dass der Priester, dem die Stiftung übertragen war, entweder durch regelmässig zu verrichtende Gebete oder, was das Gewöhnliche war, durch Darbringung des hl. Messopfers der Seele des Stifters und der Seelen der verstorbenen Anverwandten des letzteren auf ewige Zeiten gedenken sollten . Ihrem Charakter nach teilte man diese Stiftungen ein in Vikarien oder Beneficien und in Memorienstiftungen . Was die bei der Münsterkirche gestifteten Beneficin betrifft, so waren sie beneficia simplicia, einfache Beneficien, zum Unterschiede von den beneficia duplicia, deren Inhaber neben der Persolvierung der durch den Stifter angeordneten Gebete oder hl. Messen auch noch zur Seelsorge in der Gemeinde ver pilichtet waren, während die beneficia

simplicia zu letzterem

Sie waren gestiftet an einen bestimmten aufgerichtet wurde, oder der durch die erst sie Altar, der durch an ibu gemachten Stiftungen mit diesen aufs innigste verbunden nicht verpflichteten.

wurde. Vom Patron des Altars erhielt die Stiftung gewöhnlich Ein solches Beneficium hatte den Charakter ihren Namen. einer juristischen Person. Es konnte neue Stiftungen aufnehmen, wie wir dies bei den Werdener Vikarien häufiger finden. Zum Verwalter eines solchen Beneficiums wurde ein eigener Geistlicher, Beneficiat oder Vikar genannt, bestellt, in dess en Hand die Besorgung der Obliegenheiten des Beneficiums und auch die Verwaltung des Beneficialvermögens lag. Als Entgelt dafür mussten ihm die Einkünfte desselben aber auch ex integ ro d. E. ohne jede Schmälerung und Neubelastung zufliessen. Das Kirchenrecht definiert das beneficium als officium sacrum ab auctoritate ecclesiastica constitutum, cui adnexum

est ins

percipiendi redditus de bonis ecclesiasticis, und das Tridentinum bestimmt in der 5. Sitzung, dass gut gegründete und mit Felastung verbundene Stiftungen durch nichts beeinträchtigt wer den sollen. Solcher Beneficien oder Vikarien gab es in der Münsterkirche acht, nämlich : 1) vicaria b. Marie Virginis , 2 ) vicarias. Apostolorum , 3) vicaria s. Mariae Magdalenae . 4) vicaria s. Crucis ,

35

5 ) vicaria s. Benedicti , 6 ) vicarias. Severini ,

7 ) vicarias . Joannis Baptistae , 8 ) vicaria ad crypta m. Ausserdem bestand noch das beneficium s. Nicolai in einer besonderen Kapelle . Die Beneficien beatae Mariae Virginis und sancti Nicolai waren mit der Rektoratschule verbunden. Die Verleihung der Beneficien und die Investitur der Ernannten stand dem Abte zu . Die Aebte besetzten diese Beneficien teils mit Weltklerikern, teils mit Mönchen ihres Ordens. Die Stiftungsurkunde des Vikarie s. Benedicti ' ) , die uns noch er halten geblieben, sah z . B. vor, dass bei eintretender Vakanz in Eriangelung eines Ordensklerikers sofort ein Weltkleriker ernannt werden solle .

Die Stiftungsurkunden der anderen Bene-

ficien, die uns über die ursprünglichen Zuwendungen und Verpflichtungen Aufschluss geben könnten , sind verloren gegangen. Von den diesen Beneficien später gemachten Schenkungen und Stiftungen sind auch

noch

zahlreiche

Urkunden vorhanden.

Enige Urkunden, die sich im Pfarrarchiv befinden, mögen hier erwähnt werden : 1 ) Im Jahre 1330

stiftet

Heinrich von

Güter zu Rotbeck der Abtei Werden

Luthenau seine

zur Dotation des

Seve-

rinusaltars. 2) Im Jahre 1340 verkaufen Arnold und Hermann, Söhne des Wyntsel von Wenigeren der Abtei zum Rektorate des Altars in crypta die Hälfte ihres Hauses in Werden. 3) Im Jahre 1399 dotieren Arnold von Straethusen und andere den Altar beatae Mariae Virginis mit und mehreren Grundstücken.

30 Goldgulden

4 ) Eine Urkunde vom Jahre 1449 berichtet, dass Johann you Iahsel 12 Gulden zum Magdalenenaltar geschenkt habe. Diese Schenkungsurkunden, insbesondere aber die noch erhaltenen Einkünfteverzeichnisse, wie sie zuletzt noch Abt Beda aufgestellt hat, gestatten uns einen Schluss auf das Vermögen dieser Beneficien . ¹) Die Urkunde abgedruckt bei Jacobs, Pfarrgesch. a. a. O. S. 454 u . f.

36

Das Jahr 1551 , in dem die 2 Filialkirchen dem Kloster inkorporiert wurden, beseitigte auch die Selbständigkeit der anderen Beneficien insofern, als die Verwaltung derselben ihren Inhaberu cntzogen und dem Kloster übergeben wurde, und auch die dienstlichen Obliegenheiten derselben noch mehr wie bisher von den Mönchen selbst versehen wurden. Die natürliche Folge war, dass die Einkünfte nicht dem einzelnen Inhaber, der als Mönch gemäss dem Gelübde der Armut keine Einkünfte beziehen durfte, ausgezahlt wurden, sondern der Klosterkasse zuflossen und zwar teils der

Kasse des Priors,

teils der

des Kellners.

Da -nit

wurde aber das Beneficialvermögen selbst keineswegs Klostereigentum , die Abtei war nur die Verwalterin desselben gew orden. Das Beneficium blieb ein vom Klostervermögen getrent tes Vermögensobjekt, das auch fernerhin noch Stiftungen entgegennehmen konnte und entgegennahm. Die Aebte führten dem gePass ihre Erträge auch in besonderen Verzeichnissen auf und liessen dieselben dem Inhaber, wenn er keiner ihrer Ordensle ite war, vollständig zukommen. So erhielt schon zwei Jahre nach der Inkorporation ein Kleriker, Heinrich Humelius, das Be aefictum s. Apostolorum und zwei Jahre später auch das Beneficium s. Benedicti . Die Memorienstiftungen unterscheiden sich

on

den Beneficien dadurch, dass ihr Stiftungsvermögen kein selbstständiges Objekt wurde und nicht den Charakter einer juristi schen Person hatte, sondern dass sie an ein bereits vorhandenes Beneficium , eine Kirche oder ein Kloster, gestiftet wurden -ud ihr Vermögen vermehrten. Die Inhaber dieser Memorien atteu nur die Pflicht der Persolvierung der Stiftung und da: it auch das Recht auf die Erträge derselben. Die kirchlichen Institute Werdens waren sehr reich an ol chen Stiftungen, wie die meistens noch vorhandenen Stiftungs urkunden beweisen. Sofern sie an die Abtei oder vielmehr an die Münsterkirche gestiftet waren, wurden sie Eigentum der Abtei, indes ein belastetes und unveräusserliches ; waren sie al er an die Beneficien oder Filialkirchen gestiftet, so gewannen die se Eigentumsrecht, und die Abtei wurde auch durch die Inkororation nicht Eigentümerin, sondern nur Verwalterin derselb n. Das Eigentum verblieb dem betreffenden Beneficium.

37

Freilich zog im Jahre 1803, wo die Abtei Werden mit ihrem Ve mögen der Krone Preussen zutiel, diese auch die Beneficialgü er und Memorienstiftungen ein mit der Begründung, sie sein mit dem Klostervermögen vermischt und ein Teil desselben geworden. I'm die Persolvierung der darauf ruhenden Verpfl-chtungen kümmerte man sich nicht, nur sagte man,

dass

du-ch die Anstellung von mehreren Geistlichen im allgemeinen für das Lesen der hl. Messen hinreichend gesorgt sei. Vergebens wandten sich die Kirchmeister Benedikt Hiegemann und Christian Caspar Wolf an die Organisationskommission und durch eine Immediateingabe an den König selbst mit der Bitte um Ausschluss des Kirchengutes von der Säkularisat on ; sie erhielten aber am 2. März 1803 als Antwort nur die allgemeine Versicherung, man werde

die Hauptkonkluse

des

Re-chsdeputationshauptschlusses achten. Ebenso erfolglos war pin vom Königlichen Kommissar von Erdmannsdorf, dem Abte Bela , dem Prior Berens und dem Landrichter Müller an die Regie rung gerichtetes Schreiben, worin vorgeschlagen wurde, bei de Fundation der geistlichen Stellen auch auf die Persolvieung der mit den Beneficien verbundenen hl. Messen Rücksicht zu nehmen und die Memorienstiftungen, soweit deren Stiftungsiaital ermittelt oder deren tatsächliche

Stiftung urkundlich

es gestellt sei, fundationsmässig zu erhalten. Inzwischen war van Gülpen zum Pfarrer Werdens ernannt worden. Im Namen der Kirchengemeinde beantragte er unter En rundelegung eines vom Abte Beda aufgestellten Verzeich isses und unter Berufung auf § 65 des Reichsdeputationshauptiusses die Herausgabe sämtlicher Stiftungsgüter. Die Orisationskommission lehnte dieselbe aber durch Schreiben yon 6. Oktober 1803 unter der Begründung ab, dass schon die Vo malige Abtei sich für berechtigt gehalten habe, die Vikarien unt Memorienstiftungen durch ihre Mitglieder verwalten zu lesen und für die Erfordernisse des Gottesdienstes im allgemeiren zu sorgen.

Deshalb sei genug geschehen, wenn ausreichende

Loads angewiesen seien zur Besoldung von 6 Geistlichen¹) , die

1) Es waren der Pfarrer, 2 Kapläne und der Schulrektor in Werden uje ein Kaplan für Kettwig und Heisingen,

38

die Vikarien und Memorien mitverwalten könnten . Nichtsdestoweniger wurden vom Organisationskommissar Engels etwa vorhandene Stiftungsurkunden eingefordert. Bei dieser Gelegenheit unterbreitete der Kirchenvorstand der Regierung ein Promemoria, worin zum Wenigsten um die Fundation sämtlicher Stellen durch die Beneficien und Stif tungsgüter gebeten wurde, da die Besoldung etwas Unsicheres sei.

Seitens der Regierung erfolgte hierauf keine Antwort. Die Streitfrage betreffend die Stiftungen wurde von neuem

aufgerollt durch einen Erlass des preussischen Ministeriums an den Generalvikar von Caspers, in dem empfohlen wurde, die Beneficia simplicia zur Verbesserung schwach dotierter Pfarreien zu verwenden. Der Kapitularvikar holte unter dem 10. Janvar 1817 den Bericht des Pfarrers ein. Pastor van Gülpen weist in seinem Bescheide auf die grosse Zahl der Anniversarien und Stiftungen hin, deren Einkünfte in die Königliche Rentei flössen und bittet, dafür zu sorgen, dass endlich die Verpflichtungen stiftungsgemäss erfüllt würden. Doch alle Anträge des Kirchenvorstandes, der letzte vom 28. März 1844 , und selbst die Bitte der erzbischöflichen Behörde um endliche Erfüllung dieser Verpflichtungen fanden bei der Regierung kein Gehör . Da verwies der erzbischöfliche Coadjutor von Geissel den Kirchenvorstand auf den Rechtsweg.

Im Namen der Haupt-

pfarrkirche und auch als Delegierter des Erzbischofs sollte er gegen den Fiskus klagen auf stiftungsmässige Verwendung der zu gottesdienstlichen und frommen Privatzwecken in den Kirchen und Kapellen zu Werden

errichtet gewesenen Vikarien

und Anniversarienstiftungen, welche der Abtei Werden

resp.

den Abte daselbst als Pastor Primarius zur Verwaltung anger traut gewesen und dem Kloster- Korporationsgute nicht eigentümlich und ohne Pflichten und Lasten angehört hätten.

Zu-

gleich wurde die Bescheinigung ausgestellt , dass die kath. Kirche in Werden keine Geldmittel zur Bestreitung der gerichtlichen Prozesskosten habe, um so der Gemeinde das Armenrecht zu verschaffen. Anfangs wurde die Klage in Betreff der Stiftungsgüter im Verein mit anderen Punkten als 5. Punkt beim Gerichte eingereicht, aber am 11. Februar 1846 wegen ihrer Wic tigkeit vom Hauptprozesse getrennt.

Sie wurde am 24. Iuli

39

1846 als besondere Klage bei dem Oberlandesgericht in Hama anaängig gemacht.

Man hoffte auf ein günstiges Urteil, da in

de nächsten Umgebung, in Rellinghausen und Essen die Regierung sich zur Herausgabe der Stiftungen und Beneficien beret gefunden hatte. In Rellinghausen hatte der Fiskus die Vikarienstiftungen b . Mariae Virginis und s. Annae eingezogen ; aber durch Mini: terialbeschluss vom 18. Oktober 1807 war auf die Reklanution der Pfarrgemeinde hin die Restitution derselben erfolgt , 1

weil die beneficia kein Stiftseigentum,

sondern

eigene

Stiftungen gewesen, also wie jedes Privateigentum zu Lehandeln seien, 2

weil die mit denselben verknüpften Kirchendienste erfüll werden müssten und

3

weil jeder Religion der Besitz des ihr eigentümlichen Kirchengutes zugesichert sei. In Essen hatte die Regierung sogar am 3. November 1840

fii die Persolvierung der am Steeler Waisenhaus Messen gesorgt.

fundierten

Gegenstand der Klage waren 9 Vikarien, 34 Memorienstiftugen und verschiedene Stiftungskapitalien . Diese Stiftungen so führt die Klageschrift aus, seien sämtlich in dem der Regie Puig vom Abte Beda eingereichten Verzeichnisse enthalten. anh ihre Stiftungsurkunden seien meistens noch vorhanden und verde ihre Auslieferung durch Archivrat Lacomblet, der darüber zu vereidigen sei , beantragt. Auf die Existenz der Stiftungen wieten auch das Bedasche Memorienbuch und die alten Kellnereini Privatregister-Rechnungen hin. Schon Abt Beda habe als ehemaliger Abt die Ausscheidung dieser Stiftungsfonds aus dem Domänengut gefordert, weil dieselben nicht zu dem abteilichen Krporationsgut gehört, sondern nur unter der Verwaltung der Altei gestanden hätten. Früher habe allerdings die Verwal1 ugs- und Organisationskommission durch Reskript vom 6. Oktober 1803 die Herausgabe dieser Stiftungen deshalb abgelehnt. il schon die Abtei sich für berechtigt gehalten hätte, diese ViLaien und Memorienstiftungen durch ihre Mitglieder verwal to

zu lassen, weshalb auch Fiskus genug zu tun glaube, wenn cr ausreichende Fonds zur Besoldung der Kirchen- und Schul-

40

lehre

anweise, die bei einem Personale von 6 fundierten Geist-

lichen jene Vikarien und Memorienstiftungen füglich mit verwalten könnten. Doch sei die Anweisung der Fonds nicht erfeigt. Die Regierung habe zudem dem Exkonventualen Shaetzer als dem ersten Bektor in seinem Anstellungspatent die Mitverwaltung der Vicarie beatae Marine Virginis und s. Nicolai und der Stiftungen ohne besonderes Entgelt auferlegt . Pfarrer und Kirchenvorstani beantragen deshalb, den Fiskus zur stiftungsgemässen vollständigen Verwendung der in seperato auszumittelnden Intraden der in der Klageschrift angeführten frommen Privatstiftungen in den kath. Kirchen und Kapellen zu Werden, wenigstens vom 11. November 1813 und in die Kosten zu verurteilen.

ab,

Der Fiskus bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers, da nur die Stifter klagen könnten : er bestreitet auch das Vorhandensein von Fonds und verlangt Abweisung der Klage. Das Oberlandesgericht in Hamm lehnte in erster Instanz in der Sitzung vom 19. März 1847 den Antrag der Klägerin ab mit folgender Begründung ' ) : Die Kirchengemeinde beruft sich auf § 63 und 65 des Reichsdeputationshauptschlusses, doch sei § 63 nicht anwend bar, da es sich bei den Stiftungen nicht um Kirchengut, also u Eigentum der kirchlichen Gemeinde, sondern un Abteigut handele . Ebensowenig könne sie sich auf & 65 berufen. denn dieser rede nur von selbständigen Stiftungen. Die in Frage stehenden Stiftungen seien aber Schenkungen an die Abtei.

Die Klage verlange allerdings bloss die Verwendung

der Intraden, aber zu dieser Klage sei nicht die Kirche legitimiert, sondern nur die Erben der stiftenden Personen . Man vermisst in diesem Urteil eine klare Kenntnis und Auffassung der Verhältnisse, wie sie in Werden unter der Regierung des Abtes, der zugleich weltlicher Herrscher und Pfarrer einer Gemeinde war, obwalteten, und also auch bei der Säku larisation berücksichtigt werden mussten. Die Richter beachteten gar nicht diese Doppelstellung des Abtes als Landesfürsten eines reichsunmittelbaren Territoriums und als Pfarrer

1 ) Das Urteil siehe Beilage Nr. 10.

41

eines kirchlich abgeschlossenen Pfarrsystems.

Nicht als Lan-

desfürst, sondern als Pfarrer hat der Abt diese Stiftungen ange nomen oder sind sie ihm bei der Inkorporation zur Verwaltung anvertraut worden : sie gehörten demnach nicht der Abtei. sondern der kirchlichen Gemeinde.

Seiner zweifachen Stellung

ist sich der jeweilige Abt auch stets bewusst gewesen, lesen wir dech des öfteren, dass der Abt selbst Stiftungen an Geld oder Grundbesitz aus dem abteilichen Vermögen an diesen oder jenen Altar macht und daran Bedingungen knüpft.

Somit bildete

schon vor der Säkularisation Werden eine religio, eine religiöse Gemeinde, deren Vorsteher der Abt in seiner Eignschaft als Pastor Primarius war.

Bei der Säkularisation wurde nicht der

Staat, sondern der neu ernannte Pastor Primarius der Rechtsnachfolger des Abtes in seiner Eigenschaft als ehemaliger Pfarrer von Werden, und dasjenige Gut, das der Abt als Pfarrer in Besitz oder Verwaltung gehabt hatte, ging nicht in den Besitz des Fiskus über , sondern musste der Werdener Pfarre überlassen werden. Dem neuen Pfarrer und dem Kirchenvorstande stand die Verwaltung zu, freilich unter Aufsicht des Bischofs, der das gesamte Kirchengut seiner Diözese vertritt . Das Urteil weist dann ferner die Anwendbarkeit des § 65 . der besagt ,

die frommen und milden Stiftungen sind

wie

jedes Privateigentum zu konservieren, mit dem Bemerken zurück, dass es sich hierbei nur un selbständige Stiftungen handele. Aber solche selbständigen Stiftungen waren die fraglichen Beneficien. Wenn auch die Inkorporation ihre Selbständigkeit beschränkt und ihre Verwaltung in die Hand des Abtes geleot hatte, so hat dieser sie doch nicht, wie das Urteil annimmt, mit dem Abteivermögen amalganiert, sondern stets getrennt ver waltet. Manchmal wurde ihm auch die Verwaltung genommen. so übertrug der Magistrat, welcher der Reformation zuneiete , die Einkünfte der Vikarie b. Mariae Virginis 1632 dem protestantischen Pastor Burghard Brinkmann. und der protestantischen Gemeinde

sind

diese Revennen, wenn auch oft bestritten.

hliesslich doch geblieben.

An der Substanz

des Vermögens

darfte der Abt als Verwalter nichts ändern, während ihm über das Abteivermögen das volle Verfügungsrecht zustand. Die

42

Einkünfte flossen dem jeweiligen Inhaber zu, sofern derselbe kein Klosterinsasse war. Alles dieses zeigt, dass die Inkorporation der Abtei nur das Verwaltungsrecht gab.

Diese Abhän-

gigkeit der Beneficien von der Abtei hörte mit der Säkularisation auf, da die Inkorporation die Verwaltung der Güter in die Hände des Abtes als des geistlichen Oberhauptes gelegt : mit dem Erlöschen dieser Würde durch Aufhebung der Abtei hörte auch die Abhängigkeit der Beneficien auf. Sie waren also selbstständige Beneficien ebenso wie die beiden vom Fiskus nicht eingezogenen Beneficien von St. Clemens und St. Lucius, die ebenso unter der Verwaltung der Abtei gestanden hatten.

Dass die in

der Klage genannten Beneficien nur beneficia simplicia waren , ändert an der Selbständigkeit derselben nicht das geringste. Mit den Beneficien waren auch auf Grund desselben Paragraphen viele Stiftungen zu erhalten, da sie an diese Beneficien gemacht waren. Die Gemeinde hatte aber nicht , was sie auf Grund der beiden vorerwähnten Paragraphen hätte tun können und auch sollen, das Eigentum , sondern nur die stiftungsgemässe Verwendung der Intraden verlangt. Zu dieser Klage spricht ihr das Urteil die Legitimation ab, aber auch mit Unrecht ; denn die Kir chengemeinde klagte doch als Delegierte der erzbischöflichen Behörde . Den Bischöfen war aber durch Kabinetsordre vom 17. Juli 1830 den.

die Verwaltung der Stiftungen anvertraut wor-

Zudem ist der Bischof auch kirchenrechtlich stets der Ver-

walter des Kirchenvermögens im Namen der Kirche. Aber auch ans eigenem Rechte konnte die Kirchengemeinde klagen, da sie Interesse an der Erhaltung der Stiftungen hatte und durch ihre Aufhebung geschädigt war, weil die Beneficiaten auf Grund ihrer Stiftungen vielfach zur Ausübung der Seelsorge in der Pfarrei verpflichtet waren . So hatte der Inhaber der vicaria s. Benedicti Residenz zu halten, was doch auf eine Krankenseelsorge schliessen lässt . Stellen wir uns schliesslich einmal auf den Standpunkt der Regierung und des Gerichtes und nehmen an, der Fiskus sei auch Rechtsnachfolger des Abtes in geistlichen Dingen gewesen, so durfte der Fiskus doch nur in derselben Weise sein Eigentumsrecht ausüben , wie es die Abtei getan hatte. Sagt doch der $ 77 ,

43

dass der Rechtsnachfolger sowohl die Kameral- als Landesschulden des säkularisierten Landes mitzuübernehmen und solche aus seinen neuen Kameraleinkünften und Steuern ebenso

zu

verzinsen und abzuführen habe, wie der geistliche Regent es getan haben würde.

Wenn also der Abt für die Persolvierung der

Beneficien stets gesorgt und die Einkünfte stets zum Entgelt für diese Persolvierung verwandt hat, so blieb der Fiskus anch dazu verpflichtet . Dieser Verpflichtung hat sich der Fis kus durch Anstellung von Kaplänen nicht entledigt , da sie nicht angewiesen waren, die Obliegenheiten der Beneficien zu er füllen, sondern die Seelsorge auszuüben .

Die Verpflichtung zur

Persolvierung der Obliegenheiten der Beneficien kann ihnen kirchenrechtlich aber nicht ohne das Recht auf die Einkünfte derselben auferlegt werden. Somit steht das Urteil in allen Punkten auf schwachen Füssen. Am 21. April 1847 wurde bei dem Oberlandesgericht zu Hamm seitens der Kirchengemeinde Appellation gegen das erst für sie ungünstige Urteil angemeldet, wieder im Namen des ErzLischofs. Die Regierung bestreitet auch diesesmal die Legitmation des Klägers. Das Königliche Oberlandesgericht zu Hamm bestätigte in der Sitzung vom 7. Oktober 1847 das Urteil des Königlichen Landgerichtes vom 19. März 18471 ) . Es weist die Klage zurück nicht wegen mangelnder Aktivlegitimation es erkennt viel mehr diese ausdrücklich an

es weist sie aber zurück, weil aus

den beigebrachten Urkunden hervorgehe, dass die Pfarrkirche zu Werden keine selbständige Existenz gehabt habe . In den Prozessen wegen der Filialkirchen war das anderer Ansicht, da das Urteil vom 31.

Gericht allerdings

Mai 1878

und vom

Reichsgericht am 5. April 1880 eine Trennung des Kirchenvermögens vom Abteivermögen trotz der Inkorporation annimmt. wie oben dargelegt worden ist. Auch mit diesem ungünstigen Urteil beruhigte sich der Kirchenvorstand nicht. Pfarrer Köllmann liess die Akten des für die Gemeinde günstigen Urteils vom 3. März 1847 betreffend die Vikarie beatae Mariae Virginis in der Lambertikirche zu 1 ) Das Urteil siehe Beilage Nr. 11 .

44

Dusseldorf kommen, um aus demselben neues Material zur Rettung der Memorienstiftungen und Beneficien zu finden. Der Kirchenvorstand legte unter dem 4. Dezember 1847 beim Königlichen geheimen Obertribunal die Nichtigkeitsbeschwerde ein. Es seien verletzt : 1) die Bestimmungen der Tridentinums, wonach Stiftungen vollständig zu erhalten seien, 2 ) Der Westfälische Frieden, der den Katholiken und Protestanten ihre Stiftungen sichert, 3) Der Reichsdeputationshauptschluss, 4) 192 und 193,3 T. 1. Tit 6 des A. L. R. 5) die Kabinetsordre vom 17. April 1830 . Die SS 192 und 193 des A. S. R. legen dem Staate die Pflicht auf, dafür zu sorgen, dass Gelder oder Sachen, die zu einem gewissen bestimmten Zweck der Verwaltung der aufgehobenen Korporationen anvertraut gewesen, nach der Absicht des Stifters und der von demselben vorgeschriebenen Bestimung zu verwenden seien. Kann oder will das der Staat nicht. so sind die Stifter oder deren Erben befugt, die Stiftungsgüter zurückzunehmen, oder es soll bei katholischen frommen Stiftungen nach der Kabinetsordre vom 17. April 1830 die Verwaltung einer solchen Privatstiftung, die deren Stifter einer katholischen geistlichen Stelle übertragen haben, nach Aufhebung der geistlichen Stelle der bischöflichen Behörde mit der Verpflichtung anheimfallen, die Verwaltung entweder selbst zu führen oder Geistliche damit zu beauftragen. Die Nichtigkeitsbeschwerde wurde aber im Aug. 1848 voi : Obertribunal zurückgewiesen ') , u. zwar unter Billigung des von denVorinstanzen vertretenen Standpunktes. Damit war das letzte Urteil gesprochen. Für die Kirche Werden sind die Vikarien und Memorien, an denen das alte Münster so reich war, auf immer dahin. Was die alte Abtei Jahrhunderte lang als heiliges Gut sorglich verwaltet und durch die Stürme schwerer Kriegszeiten und Religionskämpfe gerettet hatte, ist verloren. Was die Vorfahren bei der Dotation der Beneficien gehofft, sich auf ewig ein Denkstein ihres christlichen Glaubens und Opfersinnes

1 ) Das Urteil siehe Beilage Nr. 12 .

zu

setzen.

45

und dass auf ewig ihrer und ihrer Nachkommen am Altare gedacht werde, ist nicht in Erfüllung gegangen. Die Stiftungsgelder haben längst anderen Zwecken dienen müssen. Die Altäre sind grösstenteils verschwunden. Doch der Gemeinde Werden muss man zu ihrem Ruhme nachsagen -- die Geschichte der Verhandlungen und Prozesse beweist es

dass sie das, was sie

von ihren Vätern ererbt, auch sich und der Nachwelt zu erhalten bestrebt war. Ehre den frommen Stiftern, Ehre den wackern Männern, die für ihre Stiftungen gekämpft.

Beilagen.

I.

Urteil vom 14. D e z. 1816 . In Sachen des Fisci dominialis, Kläger, wider den pastor primarins van Gülpen zu Werden, Beklagten : Erkennt der erste Civilsenat der Königl. Preuss. Ober- Landesgerichts-Commission zu Cleve den Akten gemäss, hiermit für Recht : dass Kläger mit seiner Klage auf Zurückzahlung der von dem Beklagten für den Zeitraum vom 1. August 1811 bis dahin 1812 von der Pfarrwohnung zu Neukirchen erhobenen Pacht abzuweisen und in sämtliche Kosten zu verurteilen,

welche

jedoch in Ansehung der Gerichtsgebühren niederzuschlagen seien. V.

R.

W.

Gründe : Bei der Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreits kommt es bloss auf die Entscheidung der Frage an, ob es sich annehmen lässt, dass der Beklagte

für

die Benutzung

der

vormaligen

Dienstwohnung des Dr. Wesener zu Werden für den Zeitraum von 1811 bis 1814 auf die demselben bis dahin zugestandenen Ansprüche an dem Pfarrhause zu Neukirchen ausdrücklich oder stillschweigend zu Gunsten des fisci dominialis Verzicht geleistet habe . In der letzten Beziehung ist zwar klägerischerseits in der Klage vom 5. Juni 1815 die Behauptung aufgestellt wor den, dass dem Verklagten im Jahre 1811 die Dienstwohnung des Dr. Wesener als Austausch gegen eine frühere Pfarrwohnung zu Neukirchen eingeräumt worden sei ; allein dies ist faktisch

47

unrichtig.

Weder das Reskript des Ministers von Angern vom

7. März 1805 , wodurch demselben der linke Flügel der Prälatur zu Werden zu seiner Wohnung angewiesen, noch das spätere Reskript des bergischen Ministerii des Inneren vom 1. Juli, wodurch demselben statt dieser die Wohnung des Wesener eingeräumt wurde, machen ihm eine etwaige Verzichtleistung auf das Pfarrgebäude zu Neukirchen zur Pflicht . Beide Verfügungen gestatten ihm , unbedingt die fraglichen Wohnungen zur mehreren Beförderung des Gottesdienses, und der klägerische Fiskus selbst räumt es in dem Protokolle vom 6. Juli a. c. ein, dass der anfänglich behauptete Austausch weder ausdrücklich noch stillschweigend von dem Verklagten eingegangen sei. Da nun aber der letztere, wie klägerischerseits nicht verabredet wird,

früher

in der Benutzung der mehrerwähnten Pastorat zu Werden sich befand, so konnte er derselben auch ohne seine Einwilligung nicht wieder verlustig werden ; am allerwenigsten aber lässt sich in Ermangelung einer bestimmten Erklärung annehmen, dass derselbe gegen Einräumung der Wesenerschen Wohnung sich seiner Rechte an die Neukircher Pfarrwohnung begeben habe. Ganz unerheblich ist es daher auch, ob Verklagter auf eine zweifache Dienstwohnung Anspruch machen kann oder nicht, indem hier nicht von den Emolumenten und Befugnissen desselben als Pfarrer zu Neukirchen, sondern wie bereits angeführt worden, lediglich davon die Rede ist, welche Verbindlichkeiten derselbe für die Einräumung der Wesenerschen Wohnung gegen die Domainen übernommen habe. Ohne allen rechtlichen Grund wird dabei vom Fisco auf den Inhalt des Schreibens des damaligen Generaldomainendirektors zu Düsseldorf an den Rentmeister Keller zu Werden am 25. Juli 1811 Bezug genommen. Denn die dem letztern darin erteilte Weisung, dem Wesener die Neukirchener Pfarrwohnung als Entschädigung anzuweisen . kann den Verklagten aus dem doppelten Grunde nicht präjudicieren, einmal weil derselbe bereits durch das frühere Reskript vom 1. Juni die Wesenersche Wohnung ohne alle Bedingungen eingeräumt erhalten hatte, dann aber der Domainendirektor nicht befugt war, ihn seiner Rechte an die Neukirchener Pfarrwohnung einseitig für verlustig zu erklären.

Ganz dasselbe fin-

48

der in Rücksicht der beiden in Bezug genommenen Schreiben des vormaligen Unterpräfects Essenschen Kreises an den Verklagten und den Dr. Wesener vom 17. August 1811 statt, indem die darin dem Wesener gegebene Weisung, sich wegen seines Minderunterkommens in der den Domainen angeblich cedierten Neukirchener Pfarrwohnung, an das Finanzministerium zu wenden, höchstens nur Rechte des ersteren gegen den Fiskus hat begründen können, keineswegs aber den Verklagten seiner Anspriche an der erwähnten Wohnung verlustig machen kann, wozu dessen ausdrückliche oder stillschweigende, in dem vorliegenden Falle gar nicht vorhandene Einwilligung erforderlich gewesen sein würde . Diesemnach hat Fiscus es gar nicht nachgewiesen, dass ihm für den Zeitraum vom Jahre 1811 bis 1812 irgend ein Recht an der Neukirchener Pfarrwohnung zugestanden habe, und nimmt derselbe daher umsonst allen rechtlichen Grund für die von diesem Zeitpunkt von dem Beklagten erhobene Miete in Anspruch. Die gänzliche Abweisung desselben mit den Kosten war hiervon die notwendige Folge, jedoch mussten diese wegen der dem Fiscus zustehenden Sportelfreiheit in Ansehung der Gerichtskosten niedergeschlagen werden . Aus diesen Gründen war überall, so wie geschehen, zu erkennen. Publicatum

Cleve, den 14. Dezember 1816 .

II.

Urteil des Appellations senats des

Oberlan-

desgerichtszu Cieve vom 4. Oktober 181 7. In Sachen des Fisci dominialis, Klägers und Appellanten. wider den Pastor Primarius van Gülpen zu Werden , Verklagten und Appellaten, erkennt der Appellationssenat den Akten gemäss hiermit für Recht : dass das Urteil des ersten Senates des hiesigen Oberlandesgerichtes publ. den 14. Dezember 1816 , lediglich zu bestätigen,

491

den Appellanten auch die Kosten dieser Instanz aufzuerlegen, die Gerichtskosten jedoch niederzuschlagen seien.

Von Rechtswegen. Gründe : Es leidet an sich kein Bedenken, dass ein Geistlicher, dem mehrere Pfarren oder Beneficien übertragen sind, auch die damit verbundenen Wohnungen conjunktive zu benutzen fähig sei. Derselbe verliert also durch die Uebertragung einer zweiten Pfarre oder eines Beneficiums und die Anweisung der damit verbundenen Dienstwohnung neben seiner bis dahin besessenen Pfarre keineswegs die Benutzung der mit dieser letzteren verbundenen freien Wohnung, falls er darauf nicht etwa Verzicht geleistet hat. Inzwischen kommt es hierauf im vorliegenden Fall hauptsächlich nicht an, da es sich nicht über die Frage handelt, ob dem Appellaten noch eine zweite Dienstwohnung einzuräumen , sondern nur darüber, ob er die während des Genusses der ihm zu Werden bewilligten Wohnung, ohne Widerspruch des Fisci, von Neukirchen erhobenen Miete herauszugeben schuldig sei. Früher war derselbe Pastor zu Neukirchen, und er hat bei der im Jahre 1806 stattgehabten Verlegung seines Domicils nach Werden, von da bis zum Jahre 1811 , neben der ihm in dem dortigen Konventsgebäude angewiesenen Wohnung, zugleich die frühere zu Neukirchen mittels Vermietens benutzt. Indem ihm nun von Staatswegen erstere bewilligt wurde, ohne über letztere mit seiner Zustimmung anderweit zu verfügen, oder seine diesfälligen Dispositionen einzuschränken, so lag hierin offenbar die stillschweigende Einwilligung zur fortwährenden einstweiligen Benutzung beider.

Als er in der Folge

im Jahre 1811 , behufs der Einrichtung des Zuchthauses, die in Konventsgebäude zu Werden gehabte Wohnung zu räumen genötigt war, wurde ihm hierfür die des Doktor Wesener angewieDie dieserhalb in den combinirten Akten wegen Verlegung des Zuchthauses von Düsseldorf nach Werden getroffene Bestimmung des vormaligen Ministers Grafen von Nesselrode vom 4. Juli 1811 lautet pure dahin, dass die Häuser des Dingerkas und Wesener für die Pfarrgeistlichen und die Schule bestimmt

50

wären. Sollte Appellat dieserhalb des Benutzungsrechtes an das Neukirchener Pfarrhaus verlustig werden, so musste hierüber mit ihm ein Abkommen getroffen werden. Letzteres ist jedoch nicht zu Stande gekommen. Zwar sagt Appellat in seinem Bericht vom 11. Juli an gedachten Minister, er habe dem Fabrikanten Blend, im Falle der Dr. Wesener das Pfarrhaus zu Neukirchen beziehen wolle, dasselbe aufgekündigt. allein hieraus kann um so weniger eine unentgeltliche Verzichtleistung auf die Benutzung des quaest . Hauses hergeleitet wer den, als Wesener das bis dahin bewohnte Haus mietsweise besars, und Verzichtleistungen im zweifelhaften Fall so ausgeleg werden müssten, wie sie dem Erklärenden am wenigsten nachteilig sind.

Richtig ist es, dass nicht allein der Generaldomai

nendirektor, sondern auch der ehemalige Finanzminister zu Düsseldorf die Absicht gehabt und ausgesprochen haben, dem Wesener das Neukirchener Pfarrhaus zu überweisen. Diesem stand jedoch hierüber offenbar keine Disposition zu, und ebensowenig konnte durch ein blosses Uebereinkommen der gedachten beiden Ministerien die Verwandlung des Pfarrhauses zu

Neu-

kirchen in eine Domaine gesetzlich begründet werden, man mag nun, da der Code Napoleon hierüber schweigt , auf die Grundsätze des allgemeinen Landrechts oder des kanonischen Rechts zurückgehen . Solchergestalt lässt sich nicht annehmen, dass Fiskus auf den Genuss der ständigen Miete des oftgedachten Pfarrhause Eventuell würde der Antrag des ein Recht erworben habe. Appellaten auf Adeitation des Kirchenvorstandes keine

recht-

liche Rücksicht verdienen, da hier von einem persönlichen Auspruch in Betreff einer bestimmten und bereits verflossenen Zeit die Rede ist, folglich die Kirche bei dem Ausgange des Pro zesses kein Interesse hat . Aus diesen Gründen hat daher überall, wie geschehen, er kannt werden müssen.

51

III. Urteil des Kreisgerichts zu Essen vom 5. Mai 1877. In Sachen der katholischen Kirchengemeinde zu Werden wider den Königlichen Fiskus, vertreten durch die Königliche Regierung, Abteilung für direkte Steuern, Domainen und ForSten zu Düsseldorf, hat das Königliche Kreisgericht zu Essen in seiner Sitzung vom 5. Mai 1877, an welcher als Richter teilnahmen :

1. Gerichtrats Veltmann, 2. Kreisrichter Schmieding, 3. Kreisrichter Arndt, für Recht erkannt : dass die Klägerin kostenpflichtig mit der Klage abzuweisen sei. Rechts Von Wegen.

Gründe : Die klagende Gemeinde behauptet bis vor kurzem im Besitze der in dem Klageantrage aufgeführten Grundstücke gewesen zu sein und will in diesem Besitze dadurch gestört sein , dass die Königliche Regierung zu Düsseldorf den Bürgermeister Freiherrn von Schirp im vorigen Jahre beauftragt habe, die Grundstücke als fiskalisches Eigentum einzuziehen und den Pächtern derselben aufzugeben, den Pachtzins

nicht

an

die

Geistlichen, sondern zur Steuerkasse einzuzahlen, und in diesem Jahre dadurch, dass sie den genannten Bürgermeister beauftragt habe, die Grundstücke für den Fiskus zu verpachten , was auch am 5. April d. I. geschehen sei.

Sie stellt im Wege des

Possessorienprozesses den Antrag dahin, schleunigst dem Verklagten aufzugeben, sich aller ferneren Störungen des Besitzes der Klägerin zu enthalten und zu erkennen, dass Klägerin im Besitze der Grundstücke in der Gemeinde Werden Flur I No. 925/XVII 22 , 886, 887 , 888 , 889 mit Ausschluss der davon verkauften 40 Ruthen, 890, 891 , 939/884 mit Ausschluss der davon

52

verkauften 21 Ar 25 Mtr. , 893 , 894, 920/XVII. 2. , 889 , 900, 929 und 920/845, in der Gemeinde Holsterhausen bei Werden Flur I No. 34 und in der Gemeinde Heidhausen Flur I No. 146 147, 148 , 179, 180, 181 , 193 bis 210 einschl. nebst den Gebäuden auf 205 und 207 zu schützen und Verklagten schuldig die Kosten zu tragen . Der Verklagte macht den Präjudicialeinwand der lässigkeit des Rechtsweges und beantragt Abweisung .

Unzu

Nach Prüfung des vorliegenden Sach- und Rechtsverhältnisses musste, wie geschehen, erkannt werden. Die Possessorienklage ist ein dem Besitzer gegebenes Rechtsmittel, eine mit Gewalt, heimlich oder bittweise vorgenommene Störung oder Entsetzung aus dem Besitze, also eine Handlung mit Hülfe eines gerichtlichen Erkenntnisses zu beseitigen ( 1 und 7 I 21. A. G. O. § 146 und f. I 7 A. L. R. ) . Sie setzt voraus, dass die besitzstörende Handlung ein Akt unerlaubter Privatgewalt war. § 91 I 7. A. L. R. geht aber nicht gegen Handlungen, die von der polizeiobrigkeitlichen Gewalt, von der Exekutionsbehörde des Staates im Interesse des Staatswohles ausgeführt worden.

Die Parteien sind darüber einver-

standen, dass die in der Klage hervorgehobenen Handlungen in Ausführung des Gesetzes vom 22. April 1875 ausgeführt sind. Es genügte auch, dass der Verklagte resp. die Staatsregierung einseitig ihre Handlungen in dieser Absicht ausgeführt bezeich net. In dem Gesetze vom 22. April 1875 ist im § 16 der Mimister der geistlichen Angelegenheiten, und nicht eine fiskalische Behörde mit der Ausführung des Gesetzes beauftragt und an den betreffenden Stellen § 5,

6 Abs. 2 die Staatsregierung

als diejenige Persönlichkeit bezeichnet, welche die Leistungen einzustellen und zu gewähren hat. Das Gesetz gibt der Staatsregierung ausgedehnte Befugnisse zu erheblichen Eingriffen in Vermögensrechte der Bistümer, der zu denselben gehörigen InDas Gesetz hat einen wesentlich stitute und der Geistlichen. polizeilichen Charakter, und die in Ausführung desselben er gangenen Verfügungen sind polizeiliche Verfügungen im Sinne des Gesetzes vom 11. Mai 1842. Diese können nicht durch ein possessorisches Rechtsmittel beseitigt werden. Das Gericht erscheint nicht befugt, die koordinierte Behörde, welche, was die

53

Exekutive betrifft, unter derselben obersten Leitung steht, weger einer aus dem öffentlichen Rechte entspringenden Handlung zu korrigieren und den Privaten gegen dieselbe durch Beseitigung der von der Regierung gewaltsam vorgenommenen Besitzergreifung zu schützen ; ebensowenig zur Verhängung von Geldstrafen gegen die Behörde im Falle weiterer Besitzstörung.

Die besitz-

störende Handlung ist eben keine vermögensrechtliche, vielmehr Das Gericht kann nur ein Ausfluss des öffentlichen Rechts. über die hierüber hervortretenden Streitigkeiten über Sachen und Rechte, welche einen Gegenstand des Privateigentums ausmachen, nach Massgabe § 1 Einl. zur A. G. O. Ges. vom 11. Mai 1842 und vom 24. Mai 1861 und 22. April 1875 im Wege des ordentlichen Prozesses entscheiden, und dieser Entscheidung hat sich allerdings unbeschadet des Rechts zur Erhebung des Kompetenzkonflikts nach Rechtskraft die Staatsbehörde in ihrer Eigenschaft als Vertreterin des Fiskus zu fügen. Der Präjudicialeinwand des Verklagten erscheint hiernach begründet, und es russte Abweisung der Klage erfolgen. Die Kosten fallen der Klägerin nach § 2 bis 23 Pr. O. zur Last.

IV. Urteil des Obertribunals vom 19. November

1877. In Sachen der katholischen Kirchengemeinde zu Werden , Klägerin und Implorantin, wider den Königlichen Fiskus, ver treten durch die Königliche Regierung zu Düsseldorf, Verklagten und Imploraten, hat der dritte Senat des Königlichen Obertribunals in seiner Sitzung vom 19. November 1877 , an welcher teilgenommen haben : der Obertribunalsvizepräsident Wentzel, die Obertribunalsräte : Werner, Rappold, von Forcade de Biaix, Vonhoff, Meyer und Pappritz , für Recht erkannt :

54

dass die gegen das Erkenntnis des Königlichen Kreisgerichts zu Essen vom 5. Mai 1877 eingelegte Nichtigkeitsbe schwerde auf Kosten der Implorantin zurückzuweisen sei. Von Rechts Wegen.

Gründe : Das im Justizministerialblatte für 1876 S. 77 ff. veröffentlichte Erkenntnis des Königlichen Gerichtshofes zur Entschei dung der Kompetenzkonflikte vom 6. Januar 1876 hat die Unzulässigkeit des Possessorienstreits gegen die auf Grund des Gesetzes vom 22. April 1875 angeordneten Beschlagnahmemassregeln allgemein angenommen. Der Fall, welcher durch das veröffentlichte Erkenntnis seine Erledigung gefunden hat, war ein von dem vorliegenden insofern verschiedener,

als damals ein

Geistlicher gegen die Räumung des von ihm bewohnten Hauses Besitzschutz in Anspruch nahm , weil dasselbe Eigentum der geistlichen Stelle sei, und er von dieser seinen Besitz ableite, während hier die Klägerin den Besitz an solchen Wertsobjekten geschützt verlangt, deren Erträgnisse sie bisher zur Erhaltung der geistlichen Stelle verwendet habe. Während demnach dort und hier das Rechtssubjekt ein verschiedenes ist , welches als Träger des durch die Beschlagnahmemassregeln beeinträchtigten Besitzstandes der Staatsgewalt gegenübertritt , ist doch in beiden Fällen die objektive Bezüglichkeit des Besitzers zu den von jener Massregel betroffenen Stelle dieselbe . Aus den an sich zutreffenden Gründen, mit welchen das Erkenntnis des Kompetenz-Gerichtshofes die Unzulässigkeit der Possessorienklage motiviert, ergibt sich aber jene Verschieden heit als ein unwesentliches, diese Gleichartigkeit als ein für die Entscheidung massgebendes Moment .

Einerseits wird nämlich

zur Begründung, unter spezieller Hinweisung auf die in der Kabinetsordre vom 4. Dezember 1831

nebst dem durch

dieselbe

genehmigten Staatsministerialbericht vom 16. November 1831 (G. S. S. 255 ff. ) gezogenen Grenzen zwischen landeshoheitlichen und fiskalischen Rechtsverhältnissen, ausgeführt, dass das Gesetz vom 22. April 1875 die Verwirklichung eines Rechts der Landeshoheit es handelt sich um die als Ausfluss der Justizhoheit auftretende Aufgabe, die versagte Anerkennung allge-

55

meiner Landesgesetze zu erzwingen : $$ 2, 6, 11 des Gesetzes -zum Zwecke hat, und dass mit Bücksicht darauf das vom Gesetze (§ 16 ) mit Ausübung dieses Hoheitsrechts beauftragte Organ der Staatsgewalt der Kultusminister nämlich darüber. inwieweit der § 1 des Gesetzes im Einzelfalle Anwendung leidet. allein zu befinden hat, ohne dabei in Bezug auf Gegenstand oder Grund der Entscheidung beschränkt noch an eine höhere Justanz gebunden zu sein.

Andererseits wird darauf hingewie-

sen, dass eine gegen diese Entscheidung zugelassene Verfolgung gekränkter Privatrechte im Wege des eine provisorische Regu lierung des Besitzstandes bezweckenden Possessorienprozesses. derselben die Unmittelbarkeit ihrer Wirkung nehine, und damit das Gesetz selbst zu einem illusorischen machen würde . Dieser, durchweg als richtig

anzuerkennenden Deduktion

des Erkenntnises gegenüber, mag man nun das Hauptgewicht dabei auf die alleinige Verantwortlichkeit der Exekutive legen. ist es gleichgültig, ob gegen eine auf Grund des Gesetzes vom 22. April 1875 erfolgte Beschlagnahmemassregel, —- und dass, es sich hier um eine solche handelt, stellt der erste Richter tatsächlich unangefochten festrichterlichen Besitzschutz angerufen wird von dem Inhaber des Pfarrbeneficiums selbst oder von dem dritten, zur Unterhaltung des Beneficiums Verpflichteten, als welcher hier die Klägerin auftritt ; denn für den Besitzschutz ist der Umfang mes gebend, in welchem der Besitz vor der behaupteten Störung stattgefunden hat (cfr. Justizministerialblatt pro 1854 S. 105 No. 16 : Striethorsts Archiv Band 38 S. 258 ) , und die Klägerin selbst will den Besitz nur in der Weise ausgeübt haben, dass sie die Nutzniessungen den jeweili gen Inhabern des Beneficiums als Teil ihrer Besoldungen überwiesen habe, so dass der gewährte Schutz ihres Besitzes diejenigen Erträgnisse, welche die Entscheidung der Exekutive als Leistungen aus Staatsmitteln den betreffenden Geistlichen vorent hält, denselben nach wie vor unmittelbar zuführen würden. Der erste Richter, indem er über die Frage nach Gewährung dieses Besitzschutzes den Rechtsweg für ausgeschlossen erklárt , verletzt somit nicht die $$ 5 , 6 , 15 des Gesetzes vom 22 . April 1875 , noch den

1 der Einleitung zur Prozessordnung,

dessen Grundsatz für Kollisionsfälle

zwischen

privatem

und

56

öffentlichem Rechte

wie ein solcher hier vorliegt.

aus-

nahmslose Geltung nicht zu beanspruchen hat ; er verletzt ebensowenig die §§ 146 bis 150 , 154 Tit . 7 Tl. I A. L. R. 1 , 7, Tit. 31 TI. I. A. G. O., weil deren Anwendbarkeit die rechtliche Zulässigkeit der Besitzstörungsklage überhaupt zur notwendigen Voraussetzung hat. Eine Verletzung des § 91 Tit. 7 Tl. I A. L. R. kann dem Richter nicht vorgeworfen werden, weil die Zitierung desselben, wie die unmittelbar anschliessenden Worte seiner Begründung deutlich ergeben, lediglich auf einem Irrtum oder Schreibfehler beruht. Die Allegierung einer nicht passenden Gesetzesstelle involviert aber für sich allein noch nicht deren Verletzung.

Die Frage, ob der erste Richter durch Heranziehung des Gesetzes vom 11. Mai 1842 gefehlt hat, kann auf sich beruhen, weil selbst eine Bejahung derselben nicht dazu

führen könnte, die Nichtigkeitsbeschwerde für begründet zu erkennen denn bezüglich der Unzulässigkeit des Possessorienstreits, als der allein im ersten Erkenntnisse zur Entscheidung gebrachten Frage, stehen, wie vorstehend nachgewiesen, die von den Verwaltungsbehörden im Auftrage des Kultusministers zur Ausführung des Gesetzes vom 22. April 1875 getroffenen Massregeln den polizeilichen Verfügungen im Sinne des Gesetzes von 11. Mai 1842 jedenfalls gleich. Ob aber bei Verfolgung ihres Anspruchs im Wege des ordentlichen petitorischen Prozesses, auf welchen der erste Richter die Klägerin ausdrücklich verweisen zu müssen vermeint, dieselbe, nach seiner Ansicht. den Beschränkungen des letztgedachten Gesetzes unterworfen sein würde , darüber sich auszusprechen, fehlte es ihm an jeder · Veranlassung, wie er sich denn auch darüber, zum mindesten direkt nicht ausspricht. Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zurückzuweisen unter Bestimmung des Kostenpunkts nach § 18 der Verordnung vom 14. Dezember 1833 .

Ausgefertigt unter Siegel und Unterschrift des Königlichen Obertribunals. Berlin, den 19. November 1877.

57

V. Urteil des Kreisgerichtszu Essen vom 26. Juli 1877. In Sachen der katholischen Kirchengemeinde zu Werden, Klägerin, wider die Gemeinde Werden, Verklagte, hat das Königliche Kreisgericht Abteilung I zu Essen in der Sitzung von: 26. Juli 1877 unter Teilnahme der Richter : 1. Kreisgerichtsrat Veltmann , 2. Kreisrichter Schmieding, 3. Gerichtsassessor den Akten gemäss auf mündliche Verhandlung für Recht erkannt, dass die Klägerin kostenfällig mit der Klage abzuweisen sei.

Von

Rechts

Wegen.

Gründe : Die Klägerin behauptet,

im jüngsten

Besitze,

ausgeübt

durch den jemaligen Besitz und Niessbrauch ihrer Pfarrer, von den Grundstücken Flur 1 No. 939/884, 891 , 886 , 887, 883. 925/XII 22 , 894, 890 , 889 der Steuergemeinde Werden zu sein. Sie will in diesem Besitze durch die Verklagte dadurch gestört sein, dass deren Bürgermeister Freiherr von Schirp, als Vertreter der verklagten Zivilgemeinde, einen zu öffentlichem Gebrauche bestimmten Weg habe anlegen lassen und eine Hecke an dem Organistengarten habe anlegen lassen, und beantragt : „ Die klagende Gemeinde im Besitze jener Grundstücke zu schützen, der verklagten Gemeinde jede

fernere Störung

bei namhafter Strafe zu untersagen und derselben aufzugeben, die Grundstücke wieder in ihren vor der Besitzstörung gewesenen Zustande zu bringen und ihr die Kosten zur Last zu legen." Die Verklagte behauptet dagegen, dass der Staat Eigentimer und Besitzer des fraglichen über die Grundstücke geleg. ten Weges und der Grundstücke selbst gewesen sei und die den Besitz ausübenden Geistlichen der Klägerin solches nur namens

58

des Staates resp. Fiskus getan hätten. Sie bestreitet den jüngsten Besitz der Klägerin und beantragt Abweisung. Durch die Beweisaufnahme ist zwar der Beweis des jüng stea Besitzes aus den Aussagen der Zeugen Haverkamp, Wust hoff und Franken geführt. Dagegen kann die angeblich besitzstörende Handlung des Bürgermeisters von Schirp eine Veranlassung und Grund für eine Besitzstörungsklage nicht geben. Eine Besitzstörungsklage kaun zunächst nur gegen die Person desjenigen, welcher die besitzstörende Handlung vorgenommen. gerichtet werden, und in vorliegendem Falle gegen die verklagte Gemeinde nur dann gerichtet werden, wenn die Handlung von dem Vertreter der Gemeinde als solchen ausdrücklich oder aus den Umständen ersichtlich in Ausübung eines Privatrechts der Gemeinde, z. B. in Ausübung eines beanspruchten Servituts, geIm vorliegenden Falle ergibt schon die Klage selbst . dass die Handlung des Bürgermeisters Freiherrn von Schirp in Ausübung eines öffentlichen Rechtes, nämlich der dem Bürger-

schieht.

meister zustehenden Polizeigewalt, ausgeführt ist ; die Klage selbst sagt, dass über die oben verzeichneten Grundstücke ein zu öffentlichen Gebrauch bestimmter Weg gelegt worden sei und findet hierin die Besitzstörung. Gegen solche Handlungen ist nicht die Besitzstörungsklage sondern nur der Beschwerdeweg zulässig (§ 46 I 7 A. L. R. und Gesetz vom 11. Mai 1842) . Darauf, ob der Bürgermeister von Schirp in Ausübung des Geausdrücklichen Auftrage der vorgesetzten Verwaltungsbehörde oder aus eigener Machtbefugnis gehandelt hat, kommt es weiter nicht an. Eine etwaige Entschäsetzes vom 22. April 1875 im

digungsklage mag die Klägerin im petitorischen Prozesse mit dem Nachweise des Eigentums geltend machen. Die Kosten fallen der Klägerin nach § 2 tit. 23. Proz. Ordg. zur Last.

59

VI. Urteil des Kreisgerichtszu Essen vom 31. Mai 1878 . In Sachen der katholischen Kirchengemeinde zu Werden, Klägerin, wider den Königlichen Fiskus, vertreten durch die Königliche Regierung zu Düsseldorf, Verklagten, hat das Königliche Kreisgericht, Abteilung I zu Essen in der Sitzung vom 31. Mai 1878 unter Teilnahme der Richter : 1. Kreisgerichtsrat Heintzmann, 2. Kreisgerichtsrat Veltmann, 3. Kreisrichter Schmieding, den Akten gemäss auf mündliche Verhandlung für Recht erkannt : 1.

dass der Verklagte schuldig, das Eigentum der Klägerin an den Grundstücken der Gemeinde Werden Fl. I No. 925/ XVII 22 , 886 bis 891 inkl.: 839/884, 893 , 894 , 920/XVII 2, 899 ; 900, 929 und 940/845 und an dem Grundstücke in der Gemeinde Holsterhausen bei Werden Fl. I No. 34 sowie an den Grundstücken Heidhausen Fl. I No. 146, 147. 148 , 179 , 180 , 181 , 193 bis 210 inkl. nebst aufstehenden Gebäuden anzuerkennen,

2.

Verklagten für nicht befugt zu erklären, den an Klägerin gezahlten Kaufpreis von 16 125 Mark zurückzuverlangen und durch Exekution beitreiben zu lassen,

S. Verklagter gehalten, die Prozesskosten zu tragen. Von Rechts Wegen. Gründe : Verschiedene in den Gemeinden Werden,

Holsterhausen

und Heidhausen belegene Grundstücke, zusammen gross 99 Morgen 80 R. 20 F. , stehen in der Grundsteuermutterrolle auf den Namen des katholichen Pastorats zu Werden eingetragen, und wurden deren Einkünfte bisher von dem Pfarrer und Kaplänen der klagenden Kirchengemeinde bezogen.

Im März 1876 wur-

den diese Grundstücke auf Anordnung der Herren Minister der

60

Finanzen und der geistlichen Angelegenheiten auf Grund des Gesetzes vom 22. April 1875 mit Beschlag belegt, und ist den Pächtern die Zahlung der Pächte an die Geistlichen untersagt , indem diese Einkünfte für Staatsleistungen erklärt wurden. Die klagende Kirchengemeinde nimmt

aber das Eigentum dieser Grundstücke in Anspruch und beruft sich dafür auf folgende Momente : 1. Im Stifte Werden bestanden in früheren Zeiten neben der Hauptpfarre die beiden Filialpastorate ad St. Lucium zu Neukirchen und ad St. Clementem auf dem Berge oder am Born (ad fontem). Beide Pastorate sind laut einer vom Erzbischof Adolphus zu Köln am 13. August 1551 erlassenen Urkunde der Abtei zu Werden inkorporiert worden, dergestalt, dass den zwei Kapellen zu Neukirchen und eclesiae fontis zwei Geistliche , welche vom Tische des Abtes zu versorgen, vorstehen sollten. Klägerin beruft sich darauf, dass in dieser Urkunde

von

den Einkünften resp. dem Ausgesetzten" der Geistlichen die Rede sei und dass auch keine Inkorporation angeordnet, vielmehr dem Abte gestattet sei, nach dem Ableben der an beiden Kirchen angestellten Geistlichen die Einkünfte derselben ziehen und zum Tische des Herrn fliessen zu lassen.

einzu-

Diese Befugnis sei aber nie zur Ausführung gekommen. Wenn es geschehen wäre , so werde behauptet, dass die gedach · ten Kirchen die streitigen Grundstücke nach der Inkorporation eigentümlich erworben hätten. Im Kirchenarchiv zu Werden befände sich eine Menge von Urkunden, wonach die an jenen Pfarreien angestellten Pastoren Grundstücke auf Zeit verpach ter , in Erbpacht gegeben, eingekauft, verkauft und verpfändet hätten. Klägerin erbietet sich zur Vorlegung der nach Datum und Inhalt bezeichneten Dokumente, insbesondere aus dem 17. und 18. Jahrhundert.

Namentlich beruft sie sich auf ein für

die Jahre 1761-1800 geführtes Heberegister der Pastoren ad Lucium zu Neukirchen, worin als Revenüen-Zinspacht vom Halfmanns Hof, von Gärten, Wiesen, auf dem Kalberkamp. Kämpehen, Mühlenberg usw. verzeichnet seien. 2. Wenngleich im Jahre 1803 die Abtei Werden zu Gunsten der Krone Preussens säkularisiert worden, so erstrecke die Säkularisation nach § 63 des Reichs- Deputations- Hauptschlusses

61

vom 25. Februar 1803 sich doch nicht auf das Kirchengut, welches den betreffenden Kirchengemeinden ausdrücklich belassen sei.

Insbesondere sei dies auch ausgesprochen in den landes-

herrlichen Kollationspatenten vom 18. Juni 1803 , welche wie folgt lauten : a. Kollationspatent für den Pfarrer van Gülpen : Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden König von Preussen etc. thun kund und fügen hiermit zu wissen, dass , nachdem die Abtei Werden Uns im säkularisiertem Zustande anheimgefallen ist, und Wir vermöge des Uns zustehenden Rechts die Aufhebung derselben zu beschliessen geruhe : haben, es Unsere erste Vorsorge gewesen ist, dass durch jene Aufhebung der von den Mitgliedern der Abtei Werden bisher in dem gesamten Bezirke des ehemaligen Stifts wahrgenommene katholische Kirchen- und Schuldienst keineswegs leide, sondern haben vielmehr für dessen zweckmässige Fundation für Uns und Unsere Nachkommen überall gnädige Vorsorge getragen. Da nun der jedesmalige Abt der Congregatio St. Benedicti zu Werden der ursprünglichen Stiftung gemäss pastor primarius an der Hauptpfarrkirche

zu Werden

war, nebenbei zwei Filialpastoren bei der Stadt fundiert waren, ferner der zeitige Abt Beda und Exkonventuale Rütger, welcher bisher das Filialpastorat zu St. Clemens auf dem Berge verwaltet, sich unter dem 31. Januar er. erklärt haben, ihren Wohnsitz anderwärts aufzuschlagen, so haben Wir es für das geistliche Wohl Unserer getreuen katholischen Untertanen des ehemaligen Stifts Werden notwendig erachtet, denselben einen pastor primarius einzusetzen, die bisberigen Filialpastorate auf dem Berge und zu Neukirchen eingehen zu lassen, dem pastor primario dagegen vier Kapläne, wovon zwei bei der ehemalig. Kloster-, künftigen Hauptkirche zu Werden, einen für den Flecken Kettwig nebst dazu gelegenen Honschaften und einen für das Dorf Heisingen nebst Bezirk fundiert werden, zu Hülfe zu geben. Hiernach enthält dieses Patent die Kollation und dann noch folgendes : Wir wollen dagegen hiermit für Uns und Unsere Nachkommen zur Fundation der Stelle eines pastor primarius und di-

62

rectoris sämtlicher katholischen Schulen in dem ehemaligen Stift Werden festsetzen : Das bisherige Diensteinkommen des aufgehobenen Filialpastorates zu Neukirchen bei Werden, so von dem zeitigen Percipienten angegeben worden wie folgt : An Pacht und Halbwinner : 13 Malter Roggen, Gerste, 42 Pund Butter und 11 Rthlr.

7 Malter

An Erbpacht : 9½ Scheffel Roggen, 17 Scheffel Hafer und 12 Stüber ; An Geld inkl. Gartenpacht : 200 Rthlr. 32 Stüber 8 Pfg . Die Zinsen von 150 Rthlr. Kapital und 18 ½ % Hühner. An fundierten Messen 19 Rthlr. 57 Stüber und den juribus stolae des bisherigen Neukirchener Pastorats,

auch

der

freien Wohnung und Gärten, wogegen die Zinsen eines auf der Pastorat haftenden Kapitals von 550 Rthlr. mit 16½ · Rthlr. auszuzahlen sind, auch wenigstens einer der Kapläne in die Dienstwohnung aufzunehmen ist, zu welchem allem Wir aus Unseren Domainenfonds zu Werden die jährliche Summe von 100 Rthlr. hinzugefügt haben. b. Kollations-Patent für den Kaplan Neuhaus : Wir wollen hiermit zur Fundation für die Stelle

eines

Kaplans an der Hauptpfarrkirche zu Werden ausgesetzt haben die Hälfte des Diensteinkommens, so die bisherige Pfarrei St. Clementis auf dem Berge bei Werden bis dahin ertragen Lat ; so angegeben ist : An Pächten und Messhafer 8 Malter 3½ Scheffel Roggen, 8 Malter 32 Scheffel Gerste, 32 Malter Hafer ; An Geldpächten und sonstigen kleinen Gefällen nach den rechtmässigen

130 Rthlr.

Kurmundsgefällen und den üb

lichen juribus stolae des Berger Pastorats ; Alles zur Hälfte mit dem zweiten Kaplan an der Hauptpfarrkirche zu Werden. Dabei haben Wir noch zum besseren Fortkommen der geist lichen Kapläne an der Hauptpfarrkirche zu Werden aus Unseren dasigen Domainen-Revenüen fundiert zu gleichen Teilen 225 Thl. clevisch. Hierdurch sei verklagtischerseits anerkannt , dass vor der Säkularisation zwei Filialpastorate zu Werden bestanden , welche

63

besonders fundiert gewesen und dass sie ein vom Abteivermögen gesondertes, zum Teil mit Schulden belastetes Vermögen besessen hätten. Der Klägerin habe das unwiderrufliche Eigentum der Dotationsobjekte verliehen

werden

sollen.

Dafür

spreche : a . Dass bei der ersten Anlage des Katasters auf den Antrag der Königlichen Regierung zu Düsseldorf oder eines Organs derselben die streitigen Realitäten für die katholische Pastorat zu Werden in die Mutterrolle eingetragen seien, während das Kloster, jetzt Zuchthaus, für den preussischen Staat tragen sei.

einge-

b. in verschiedenen Schriftstücken der Königlichen Regierung resp. deren Kommissare, namentlich vom 3. August 1827 , 9. Februar 1822 , 26. Januar 1844, 23. Mai 1844, 10. August 1844 sei ausdrücklich anerkannt, dass die Dotation der Pastorat zu Neukirchen dem Pfarrer zu Werden und diejenige der Pastorat auf dem Berge den beiden Kaplänen daselbst überwiesen sei. e. Die Königliche Regierung selbst hat im Jahre 1875 einen Teil des Pfarrgrundstückes Werden Fl. I No. 939/884 für den Schulfiskus angekauft und den Kaufpreis mit 16 125 Mark an die Klägerin gezahlt. d. Durch Vertrag vom 15. September 1875 verkaufte Klägerin Parzelle Werden Fl. I No. 889 an Ludg. Schürmann, wozu die Königliche Regierung ihre Genehmigung erteilt habe. e. Bei dem früheren Land- und Stadtgericht zu Werden seien besondere Grundakten für die Pastorat daselbst aufgeführt worden unter No. 497 Werden, welche sich lediglich über das gesamte Pastorat- Grundvermögen verhielten. Nach einer darin befindlichen Verhandlung vom 17. Juni 1844 hätten zwei Zeugen bekundet, dass der zum Teil in Werden und zum Teil in Fischlaken belegene Halfmannshof länger als 44 Jahre von der Pastorat zu Neukirchen als Eigentum besessen worden sei, woraufhin der Besitztitel einiger Parzellen, die damals in Erbpacht gegeben worden, berichtigt sei. Zwei dieser Parzelien, nämlich Werden Fl. I No. 920 / anh. 17 No. 2 und 925/anh. 17 No. 22 seien jetzt noch auf

64

den Namen der Pastorat im Grundbuch von Werden Bd. V fol. 212 eingetragen. . 3. Behauptet Klägerin, dass sie das ausschliessliche Eigentuna an den streitigen Realitäten durch Verjährung erworben habe, indem sie dieselben seit unvordenklichen Zeiten, wenig stens seit mehr als 44 Jahren besessen, die Pfarrer und Kapläne die besagten Grundstücke verpachtet und die Pachtzinsen als einen Teil ihres von der Kirchengemeinde zu leistenden Einkommens bezogen hätten . Klägerin trägt demnach mit dem Bemerken, dass sie am 2. September 1876 durch den Landrat des Kreises Essen aufgefordert sei, binnen 4 Wochen, bei Vermeidung der Exekution dea Kaufpreis von 16 125 M für das an den Schulfiskus verkaufte Grundstück an die Königliche Regierung Abteilung II zurückzuzahlen, darauf an, den Verklagten für schuldig zu erklären : a . das Eigentum der Klägerin an den Grundstücken in der Gemeinde Werden Fl. I No. 925/XVII 22 , 886 bis 891 inkl., 839/884, 893 , 894 , 920/XVII 2 , 899 , 900 , 929 , und 940/845 und an dem Grundstücke in der Gemeinde Holsterhausen bei Werden Fl. I No. 34 , sowie an den Grundstücken in der Gemeinde Heidhausen Flur I No. 146 , 147 , 148 , 179 , 180 , 181 , 193 , 194, 195, 196 , 197 , 198 , 199 , 200, 201 , 202 , 203 , 204 , 205, 206 , 207 , 208 , 209 und 210, nebst aufstehenden Gebäuden anzuerkennen. b. ferner Verklagten für nicht befugt zu erklären , den an Kläggerin gezahlten Kaufpreis von 16 125 M, zurückzuverlangen und durch Exekution beitreiben zu lassen. Verklagter macht dagegen geltend, dass sämtliche von der Beschlagnahme betroffenen Grundstücke Eigentum des Staates seien, deren Revenuen resp. Nutzniessung dem Pfarrer und deu Kaplänen als Gehalt gewährt werde. Die Aebte von Werden hätten die beiden Kapellen ad St. Laciun, zu Neukirchen und ad St. Clementem zum Born oder auf dem Berge gegründet und ausgestattet, demnächst aber unter Bestätigung der Erzbischöfe Heinrich II. und Adolf III. von Köln zuerst zu Anfang des 14. Jahrhunderts und darauf durch Urkunde vom 13. August 1551 vollständig inkorporiert .

Die

65

Urkunde vom 8 April 1603 beweise, dass die Inkorporation tatsächlich vollzogen sei. Hiernach hätten die beiden Kapellen kein eigenes, von der Abtei getrenntes Vermögen besitzen, auch nicht mehr erwerben können. Sie seien selbst Eigentum der Abtei gewesen und, wenn sie etwas besessen, so sei dieses namens der Abtei geDie Inkorporation habe die Wirkung, dass alles Eigen-

schehen.

tum der inkorporierten Gemeinden, gleichviel ob Grundbesitz oder sonstige Einkünfte, in das Eigentum des Stifts, welchem sic inkorporiert worden, übergehe. zu

edierende

Im vorliegenden Falle habe die

Inkorporationsurkunde

dieses

selbst

ausge-

sprochen.

Die gegenseits in Bezug genommenen Dispostionen der Pfarrgeistlichen aus der Zeit vor der Säkularisation werden nicht anerkannt und eventuell wird behauptet, dass sie nicht auf die streitigen Grundstücke sich bezögen. Als Zubehör der Abtei seien die beiden Kapellen oder Pfarreien mit allen Einkünften infolge der Säkularisation im Jahre 1803 ebenso wie das übrige Abteivermögen Eigentum der Krone Preussen geworden . Sofern nun der Staat den Pfarrgeistlichen den Genuss von Einkünften aus dem abteilichen Vermögen fernerhin gewährt habe, handele es sich um Staatsleistungen, die auf Grund des Gesetzes vom 22. April 1875 rechtmässig mit Beschlag belegt seien. Durch die beiden klägerischerseits mitgeteilten Kollationspatente sei kein anderer Zustand geschaffen .

Ein eigentümliches Vermögen der dadurch neu konstituierten Pfarre nebst Kaplaneien sei darin nicht festgesetzt worden, vielmehr sei darin nur von

Diensteinkommen und Dienstwohnungen der Geistlichen Rede. Was die aus der Zeit nach der Säkularisation von Klägerin angeführten Momente anbelangt, so könnten weder die KatasterVeranlagungen noch die in verschiedenen Regierungs- Reskripten gelegentlich gebrauchten Ausdrücke einen Beweis fü das von der Klägerin prätendierte Eigentum abgeben. sei ferner die

Gleichgültig

Berichtigung des Besitztitels dem Verklagten

gegenüber, sowie die gegenseits erfolgte Kanons- Ablösung und Genehmigung derselben durch die Königliche Regierung.

Er-

heblich könne nur erscheinen, dass die Königliche Regierung selbst einen Teil des Pfarrgrundstückes gekauft habe.

66

Hier liege jedoch ein Irrtum vor, aus dem Klägerin keine Rechte herleiten könne. Endlich bestreitet Verklagter auch die gegenseits behauptete Verjährung . Indem der Staat die Geistlichen auf die Revenien der Grundstücke angewiesen, seien die Geistlichen Niessbraucher derselben geworden. Die Verpachtung der Grundstücke durch die Geistlichen erscheine höchst gleichgültig, da sie nicht namens der Gemeinde verpachtet, sondern auf Grund des ihnen vom Staate eingeräumten Niessbrauchs

Es wird daher Abweisung der Klage bean-

tragt. Klägerin bestreitet

diese Gegenanführungen und beruft

sich ferner zum Beweise, dass das Abteivermögen und das Dotalvermögen beider Pfarreien stets getrennt gewesen, auf eine Inschrift der ehemaligen Pastorat zu Neukirchen : ,,Auspice Deo patronante Rio (reverendo primo) ( domino) Praelato Hugone Hane domum aedificari fecit P. Henricus Dücker Pastor", wonach also der Pfarrer unter dem Patronate des Abts die Pastorat habe erbauen lassen.

Ferner werden für das Anerkennt-

nis des Eigentums der Klägerin an den Pfarrdotalgrundstücken insbesondere noch folgende Umstände angeführt : 1. Im Jahre 1835 habe der Fiskus von der Klägerin

einen

Teil des ehedem zur Propstei gehörigen und an jene Gemeinde abgetretenen Gartens Kaplaneihaus zu erbauen.

gekauft, um

darauf

ein

2. In noch früherer Zeit habe Verklagter Mietzins vom Pfarrhause zu Neukirchen beansprucht, sei aber mit desfallsigen Klage abgewiesen. 3. Die Verträge aus dem Jahre 1875 , wonach die Klägerin einen Teil des Halfmanns-Hofes zu Neukirchen in Erbpacht gegeben, seien von der Königlichen Regierung genehmigt, auch sei in diesen Verträgen die Klägerin als Eigentümerin der vererbpachteten Grundstücke bezeichnet . 4. Wird noch auf verschiedene Reskripte der Königlichen Regierung, namentlich vom 23. Mai und 10. August 1844 , worin von den Dotationen der Pfarrer zu Werden Rede sei, sowie darauf, dass Klägerin seit 1803 an allen Pfarrund Kaplaneigebäuden Feuerversicherungsgelder entrichtet

67

und die Kosten aller grossen und kleinen Reparaturen getragen habe, Bezug genommen. Der Verklagte bestreitet diese Ausführungen ad 1-4 und bemerkt noch in Betreff des an Ludger Schürmann von der Klägerin verkauften Parzells, dass zwar die Königliche Regicrung Abteilung des Innern von Kirchen-Aufsichtswegen die er betene Zustimmung zu diesem Kaufe erteilt habe ; als sich indessen demnächst die Zugehörigkeit dieses Parzells zu den staarlichen Domainen ergeben, habe der durch die Finanzabteilung vertretene Fiskus die erbetene Zustimmung ausdrücklich verweigert.

Im Laufe des Prozesses haben auf Antrag der Klägerin verschiedene Beweisaufnahmen zum ewigen Gedächtnis über die behauptete Ersitzung durch rechtsverjährte Zeit durch Vernehnung bejahrter Zeugen stattgefunden

und

zwar

unter

Zu-

zichung des Geometers Ibing. Nachdem letzterer die Identität der den Zeugen an Ort und Stelle vorgezeigten Grundstücke mit den

in der Klage

bean-

spruchten Parzellen auf Grund des Katasters bestätigt und selbst bekundet hat, dass die in der Steuergemeinde Werden belegenea qu . Grundstücke schon im Jahre 1847 von seiten der Kirchengeneinde verpachtet gewesen, bekunden der 74jährige Ludger Wusthoff , der

72jährige

Ludger Franken und die

76jährige

Witwe Joh. Hüls, sowie die 85jährige Witwe Joh. Reinhards, dass die in der Steuergemeinde Werden belegenen streitigen Parzellen seit ihrer Kindheit, soweit ihre Erinnerung reicht , von den Pfarrern der klagenden Gemeinde, namentlich von van Gülpen, Elshoff, Köllmann und Horbach bis auf die im Früh jahr durch die Königliche Regierung

erfolgte Beschlagnahme

fortwährend verpachtet worden seien und dass

dieselben die

Pachtzinsen erhoben hätten. Der Zeuge Wusthoff bemerkt noch, dass er selbst im Jahre 1836 im Auftrage des Pastors van Gül peu die Pachtzinsen für denselben erhoben habe und dass in Jahre 1841 die Klägerin einen Teil des

zu den Pachtgrund-

stücken gehörigen Halfmanns-Hofes verkauft und dass er selbst. damals die Sohlstätte des Halfmanns- Hofes von der Pastorat angekauft habe.

In Betreff der in den Gemeinden Heidhauser

und Holsterhausen belegenen

streitigen Parzellen deponieren

68

der Oekonom Ludger Sonnenschein,

Lehrer

Adolf

Wimber,

Landwirt Heinr. Strötgen und Rentner Ludger Büsgen, dass die qu. Grundstücke schon vor mehr als 50 Jahren von den Kaplänen der Klägerin verpachtet worden und dass dieselben die Pachtzinsen erhoben hätten. Diese Verpachtung habe gedauert bis zum Jahre 1850 , wo dieselben von dem Kirchenvorstande bis in die neueste Zeit hin verpachtet worden.

Die qu. Parzellen seien.

gewöhnlich die Kaplanei-Grundstücke genannt worden. Die vormalige Reichsabtei Werden ist durch den Reichsdeputations- Hauptschluss vom 25. Februar 1803 ( § 3 ) der Krone Preussen überwiesen, und wurde dort am 1. Juni 1804 das alleemeine Landrecht eingeführt, welches mit Ausnahme der Zeit der Fremdherrschaft vom 1. Januar 1810 bis dahin 1815 in Geltung geblieben ist . In dem Reichsdeputations-Hauptschluss werden die Regalien und Domainen von dem Kirchengut unterschieden, inden erstere nach § 51 dem neuen Landesherrn zufallen sollen , während nach § 63 jeder Religion der Besitz und ungestörte Genuss des ihr eigentümlichen Kirchengutes zugesichert ist. Die Streitfrage, zu welcher Kategorie die in Rede stehenden Grundstücke gehören, insbesondere ob dieselben als inkorporierte Teile der Abtei anzusehen und welche Bedeutung den mitgeteilten Kollationspatenten des Landesherrn beizulegen, kann indes auf sich beruhen bleiben, da die im § 629 I 9 A. L. R. vorgeschriebene jährige Verjährung oder doch der Besitz seit dem Normaljahre 1815 zu Gunsten der Klägerin gegen den Fiskus durchschlagend ist. Der Verklagte bestreitet nicht, dass die streitigen Grundsticke seit der Säkularisation von den Geistlichen der klagenden Gemeinde verpachtet worden sind.

Auch die Beweisaufnahme

zam ewigen Gedächtnis ergibt, dass die qu. Parzellen seit mehr als 50-60 Jahren, seit dem Anfange dieses Jahrhunderts, von den Pfarrern und Kaplänen der Klägerin resp. dem Kirchenvorstande verpachtet worden sind, und dass dieselben die Pachtzinsen ungestört bis zur Beschlagnahme 1877 erhoben haben. Verklagter hat auch nicht in Abrede gestellt, dass in der Grundsteuermutterrolle seit der Anlage die qu . Grundstücke auf den Namen der Klägerin geschrieben waren. Die klagende

69

Gemeinde hat ferner

einzelne Grundstücke

davon verkauft,

nämlich im Jahre 1875 an Ludger Schürmann und früher 1841 , wie aus dem Wusthoffschen Zeugnis hervorgeht, an diesen Zeugen selbst und an Andere. Sogar die Königliche Regierung hat im Jahre 1875 noch ein Parzell, welches zu den fraglichen Kirchengrundstücken gehörte ,

von der Klägerin

zugestandener-

massen gekauft und den Kaufpreis an dieselbe gezahlt .

Endlich

sind auch noch einige der streitigen Parzellen im Hypothekenbuche, wie Verklagter nicht in Abrede stellt , auf den Namen der Klägerin berichtigt. Durch alle diese Momente charakterisiert sich der Besitz der Klägerin nicht bloss als ein Besitz an den Einkünften der Grundstücke, sondern als ein vollständiger Besitz der Grundstücke selbst. Wenn Verklagter sich darauf beruft, dass die Erklärungen anderer Behörden so der Katasterbehörde, des Hypothekenrichters und selbst einer anderen Abteilung der Königlichen Regierung

für ihn nicht bindend seien, so ist dies in gewissem

Sinne richtig, hier bei der Verjährungsfrage kommt es aber vornehmlich auf den animus desjenigen, der sich auf die Verjährung beruft, an. Es fragt sich, ob Klägerin als vollständige Be sitzerin, d. h . nach § 7 I 7 A. L. R. als eine solche anzusehen ist . welche die Grundstücke als ihr Eigen besessen hat, und diese Frage ist nach den voraufgeführten

Umständen

zu

bejahen.

Eines Titels bedarf es ausser diesem Ususkapionsbesitz nach 630 I 9 A. L. R. nicht. Die Redlichkeit des Besitzers ist nach § 18 I 7 e c zu präsumieren. Die vorgeschriebene 44jährige Frist ist endlich unter der Herrschaft des A. L. R. über die fraglichen Grundstücke längst abgelaufen. Klägerin ist also auf Grund der Ersitzung als Eigentümerin der qu. Grundstücke anzusehen. Zu den Domainen im Sinne des § 11 II 14 A. L. R. , deren Eigentum dem Staate durch Verjährung nicht entzogen werden kann, gehören die streitigen Grundstücke nicht. Verklagter gibt ja selbst zu, dass die Klägerin resp. deren Pfarrgeistliche Niessbraucher derselben sind, dass die Ceberlassung des Niessbrauchs eine Staatsleistung an die

70

Ceistlichen sei, während der Begriff der Domainen eine ausschliessliche Benutzung seitens des Staats resp. des Staatsoberhaupts voraussetzt . Uebrigens findet nach § 38 1. cit. , und § 646 I 9 A. L. R. auch bei Domainengütern die Verjährung durch Besitz vom sogenannten Normaljahre statt, welches für die Rheinprovinz (wozu Werden gehört) auf das Jahr 1815 und zwar den 1. Februar dieses Jahres bestimmt ist. Der § 1 des Ges. v. 1. Dez. 1831 (Ges.Slg. pro 1832 S. 3 ) bestimmt : ,,Gegen die Ansprüche des Fiskus soll in der Rheinprovinz ein Jeder geschützt sein, welcher vorweislich am 1. Februar 1815 oder schon vor diesem Zeitpunkte eine Sache oder ein Recht ruhig besessen hat." Im $ 5 ist diese Bestimmung insbesondere noch auf das von aufgehobenen geistlichen Stiftungen herrührende Gut ausgedehnt worden.

Für den ruhigen Besitz der Klägerin in diesem

kritischen Zeitpunkte sprechen nun insbesondere die Zeugnisse der Witwe Reinhards und des Ludger Wusthoff, wie denn auch Verklagter nicht bestritten hat, dass die Pfarrer und Kapläne der Klägerin die qu . Grundstücke seit der Säkularisation ( 1803) verpachtet haben . War somit in Betreff des ersten Klageanspruchs zu Gunsten der Klägerin zu erkennen, so scheint auch der zweite Antrag der Klägerin, welcher auf Zurückweisung der Ansprüche des Verklagten auf das Kapital für ein Grundstück derselben Art gerichtet ist, gerechtfertigt. Verklagter würde auch eventuell die Erfordernisse der couvictio indebiti, welche nicht dargetan sind, nachzuweisen haben . Die

Entscheidung des Kostenpunktes

ist

gerechtfertigt

durch § 2 I 23 A. G. O.

VII.

Urteil des Appellationsgerichts zu Hamm vom 3. Mai 1879. In Sachen des Königlichen Fiskus, vertreten durch die Knigliche Regierung

zu Düsseldorf, Verklagten

und Appellan-

71

ten, wider die katholische Kirchengemeinde zu Werden,

ver-

treten durch ihren Vorstand, Klägerin und Appellatin, hat der Zivilsenat, I. Abteilung, des Königlichen Appellationsgerichts zu Haum in seiner Sitzung vom 3. Mai 1879 , an welcher teilgenommen haben : der Appellationsgerichtsrat Freijschmidt , Vorsitzender, die Appellationsgerichtsräte Hosius, Daubenspeck, der Kreisgerichtsrat Berkenkamp und der Kreisrichter Berghaus, auf mündliche Verhandlung für Recht erkannt : dass das Erkenntnis des Königlichen Kreisgericht zu Essen vom 31. Mai 1878 dahin abzuändern, dass die Klägerin mit ihrer Klage abzuweisen, und die gerichtlichen Kosten beider Instanzen, unter Kompensation der aussergerichtlichen. einem jeden Teile zur Hälfte zur Last zu legen sei. Von Rechts Wegen.

Gründe : Auf die Sachdarstellung der Vorentscheidung wird Bezug genommen. Durch dieselbe ist der Beklagte verurteilt, das Eigentum der Klägerin an den Grundstücken der Gemeinde Werden Flur I No. 925/ XVII 22, 886 bis 891 einschliesslich. 939/884, 893 , 894 920 / XVII 2 , 899, 900 , 929 und 940/845 und an den Grundstücken in der Gemeinde Holsterhausen Flur I No. 34, sowie an den Grundstücken in der Gemeinde Heidhausen Flur I No. 146, 147 , 148 , 179 , 180, 181 , 193 bis 210 einschliesslich nebst aufstehenden Gebäuden anzuerkennen und für nicht befugt erachtet, den an Klägerin gezahlten Kaufpreis von 16 125 Mark zurückzuverlangen und durch Exekution beitreiben zu lassen. Hiergegen appelliert der Beklagte mit dem Antrage, die Klage abzuweisen.

Er führt aus, dass die Klägerin eine Er-

sitzung nicht beginnen konnte, da sie ihr Recht zum Besitz vom Beklagten ableitet und wiederholt im übrigen seine in I. Instanz bereits vorgebrachten Behauptungen. Die Klägerin sucht darzutun, dass die Pfarreien ad St. Lucium und St. Clementem vom Hause nicht zum Stift gehört haben, dass die Inkorporation ein Titulus geblieben, dem ein modus nicht hinzugetreten sei und die Inkorporationsurkunde

72

vom Jahre 1551 lediglich den Zweck verfolgt habe, das Kirchenvermögen dem Katholizismus zu retten, dass die Kirchen auch seit 1550, resp. 1562 bis 1607 evangelisch gewesen und die evangelischen Pfarrer sämtliche Intraden genossen hätten. Das in dem Bestallungs- Reverse des Pastors Bavius vom 8. April 1603 enthaltene Anerkenntnis der Inkorporation hält Klägerin für bedeutungslos, da Bavius nie ins Amt getreten und seine Ernennung nur den Zweck gehabt hat, den evangelischen Pfarrer aus seinem Amte zu verdrängen. Sie beruft sich wiederholt darauf, dass Fiskus sie bisher immer

als Eigentümerin

der

Grundstücke angesehen habe, und führt in dieser Hinsicht folgendes an : 1.

Während Fiskus die ihm angefallenen Güter der Abtei ohne weiteres im Grundbuch und im Kataster habe auf seinen Namen umschreiben lassen, sei gerade die Königliche Regierung es gewesen, die die Klägerin angehalten habe, die streitigen Grundstücke auf ihren Namen eintragen zu lassen.

2.

im

Steuerbuch

Gelegentlich des Erbpachtvertrages vom 19. Januar 1843 habe sie ausdrücklich erklärt, dass das betreffende Grundstück zum Vermögen der katholischen Kirche gehöre.

3.

Genehmigt seien von ihr die Veräusserung des im Jahre 1843 an Wintgen verkauften Pastoratshauses zu Neukir chen, der im August 1843 mit Wusthoff geschlossene Erbpachtvertrag, sowie die Vererbpachtung von 90 M. 65 Quadratruten 30 Quadratfuss Land vom Halfmanns Hofe. Klägerin behauptet wiederholt , dass die beiden Pfarreien

von der Abtei strenggeschiedenes Vermögen von jeher bessesen habeu, und folgert dies aus mehrfachen Belastungen, die zu Gunsten der Kirche auf ehemals abteilichen Grundstücken eingetragen stehen.

Sie bezieht sich ferner auf Rechtsgeschäfte, die

von den Pfarrern in den Jahren 1780 und 1796

namens der

Kirche abgeschlossen seien, und protestiert gegen die Auffassung des Beklagten, dass im Jahre 1803 die Pfarrstellen neu kreiert und mit Vermögensstücken der früheren Pfarreien dotiert wor den seien.

Sie bittet um Bestätigung des Vorerkenntnisses.

Der Beklagte bestreitet diese Ausführungen . Die

Appellationsbeschwerde

ist

begründet.

Zunächst

73

kommt die Beweiskraft in Frage.

In dieser Beziehung steht

durch die eidlichen Zeugenaussagen von Ludger Sonnenschein , Heinrich Strötgen und Ludger Büsgen fest, dass wenigstens seit dem Jahre 1850 durch den Kirchenvorstand Verpachtungen der Grundstücke vorgenommen sind, und ist deshalb anzunehmen. dass von da an die Kirchengemeinde sich im vollständigen Besitz derselben befunden hat (§§ 3 und 7 I, 7 A. L. R. ) .

Die Ver-

muting streitet für die Redlichkeit, der redliche, vollständige Besitzer aber hat alle Rechte des Eigentümers und ist nur den wahren Eigentümer zu weichen schuldig (S$ 175 ff. a. a. O. ). Der Beklagte, der sich eigenmächtig in den Besitz der Grundstücke gesetzt hat, hat daher sein Eigentum daran darzutun .

Dieser Beweis ist ihm vollständig gelungen.

Für festge-

stellt ist zu erachten, dass die in Streit befangenen Grundstücke seit unvordenklichen Zeiten und vor dem Jahre 1551 zum Vermögen der Werdener Zivilpfarreien ad Sanktum Lucium 211 Neukirchen und ad Sanktum Clementem auf dem Berge gehört haben.

In der Klageschrift ist dies von der Klägerin ausdrück-

lich eingeräumt.

Sie hat zwar in der Replik ( Bl . 910 ) bestrit ten, dass die eingezogenen Güter mit den jetzt streitigen iden-

tisch seien, hat aber ihr früheres Geständnis nicht widerrufen. geschweige denn einen solchen Widerruf näher begründet. Das Geständnis ist darum der Entscheidung zu Grunde zu

legen

(§§ 270 , 82 ff. I. , 10 A. G. O. — Woher das Vermögen stammt, ist unerheblich. Es genügt , dass die Grundstücke zur Zeit der Inkorporation im Eigentum der Pfarreien sich befanden, und kann dahingestellt bleiben , von wem die Dotation derselben ausgegangen ist. Der Beklagte behauptet nun, dass die Grundstücke durch Inkorporation Eigentum der Abtei geworden seien und beruft sich zum Beweise hierüber auf ein Erkenntnis vom 20. Dezember 1848 , worin dies ausgesprochen sein soll, und auf die Inkorporationsurkunde vom 13. August 1551. Das Urteil ist vom Beklagten nicht vorgelegt, weshalb sein hierauf gestützter Einwand zu verwerfen war. Beigebracht aber ist von ihm die erwähnte Inkorporationsurkunde. Das betreffende Schriftstück ist zwar nur eine einfache beglaubigte Abschrift . Da sic aber unverdächtige Spuren des Alters an sich trägt und in einem

74

öffentlichen Archive gefunden ist , so begründet sie eine recht liche Vermutung für die Richtigkeit des Inhalts ($ 124 I, 10 A. G. O.).

Gegenbeweis ist von der Klägerin nicht angetreten

und muss sie darum den Inhalt der Urkunde gegen sich gelten lassen.

I'm den Inhalt der Urkunde beurteilen zu können, bedarf es eines näheren Eingehens auf die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Kirchen des Mittelalters. Eichhorn (Grundsätze des Kirchenrechts Bd. 2 S. 655 ff. ) lässt sich darüber dahin aus : Schon seit dem 6. Jahrh. wurde es Gebrauch , zur Erleichterung der Verwaltung der Kirchengüter einzelnen Geistlichen die Benutzung von Grundstücken, die ihren Kirchen gehörten, oder bestimmte Renten, Zehnten und andere Berechtigungen statt des Unterhalts, welchen sie zu forderu hatten, als ,,beneficium " anzuweisen. Die Gelegenheit fand sich dazu um so leichter, als nach der Einrichtung in den germanischen Staaten jede Kirche bei ihrer Einrichtung mit Ländereien dotiert werden sollte, und daher wohl allmählich immer häufiger .... Vermuten lässt sich, dass die Errichtung der Klöster, der Hochstifter und anderer Stiftskirchen, welchen von den Bischöfen, die sich zu keiner Zeit an die Regeln über die Verwendung der Kirchengüter genau banden, ein bedeutender Teil aller Kirchengüter, besonders der Zehnten beigelegt wurde, Veranlassung gegeben hat, dass die bei den Pfarrkirchen und Kapellen angestellten Geistlichen, wenigstens das, was von Einkünften bei ihren Kirchen übrig blieb, als ihnen angewiesen betrachteten und es Gewohnheit wurde , das Recht auf dessen Benutzung als eine rechtliche Folge des Kir chenamts zu behandeln ; das Amt hiess daher auch beneficium, insofern beides als ein Ganzes principale und accessorium betrachtet wurde . Eben daher präsumierte auch das neuere kanonische Recht, dass alle in der Parochie fällig werdenden Zehnten der Pfarrkirche, das ist nach diesem Grundsatz dem Pfarrer gehörten, was nach der älteren Disziplin keineswegs der Fall. Vor dem Tridentinum hatte sich bereits der Satz entwickelt, dass kein Amt ohne Pfründe und keine Pfründe

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ohne Amt verliehen werde .

Mit dem Amt war immer ein

Inbegriff von Gütern und Einkünften unzert rennlich verbunden. Das Pfarrbeneficium wurde schon nach damaligen gemeinem Recht als juristische Person anerkannt (Eichhorn a. a . S. 658 ; Richter Lehrbuch des Kirchenrechts 27: Walter Lehrbuch des Kirchenrechts S. 478 ; Schulte Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts S. 546 ; Hinschius System des Kirchenrechts Bd . II S. 366 ff.) War hiernach das Pfarramt als solches Eigentümer der Grundstücke, die zur Dotation des Pfarrers dienen, so hatte es doch im übrigen seinen staatsrechtlichen Charakter bewahrt . Der Bischof besetzte das Amt kraft seiner Jurisdiktion und gingen dadurch vom Tage der Uebertragung ab alle mit dem Amte verbundenen Rechte auf den Träger des Amts über, ohne dass es dazu einer besonderen Lebergabe bedurfte. (Hinschius a. a. O. S. 369) . Schon in früher Zeit

finden

sich Unionen von Kirchen-

ämtern, zu denen der Bischof als Ordinarius berechtigt war. Eine besondere Art davon ist die Inkorporation, d. h. die Vereinigung eines Pfarramtes mit einem Kloster, einer religiösen Kongregation oder dergleichen. Man nennt sie plena, wenn sie die temporalia mit der Verpflichtung, daraus die Bedürfnisse der Kirche und den Unterhalt des Geistlichen zu bestreiten , u fassen. Ihre Wirkung war immer die, dass das Stift, dem das beneficium einverleibt wurde, dauernd Träger des Amts wurde, dies auf dasselbe überging und mit ihm eine juristische Person bildete, dass aber das Stift, welches als juristische Person das Pfarramt selbst quoad spiritualia nicht verwalten konnte, hierfür einen Vikar halten musste, dessen Befugnisse, je nachde plena oder minus plena inkorporatio vorlag, mehr oder minder urfassend waren. Das Amt selbst übte der Vikar nur als Stellvertreter aus, und vermögensrechtlich stand ihm nur ein Anapruch auf die portio congrua zu.

Durch das Concilium Triden-

tinua (Sessio XXIV. cap. 13 de . ref. ) sind die Inkorporationen von Pfarrkirchen verboten ; für die früheren Zeiten aber war der Bischof dazu berechtigt und werden die vor dem Tridentinum vollzogenen Inkorporationen davon nicht berührt.

(In-

selius a a . O. S. 446. ) Die Wirkung der Inkorporation war, dass

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mit Vollziehung des Inkorporations-Instruments das Amt mit seinem gesamten Vermögen auf das Stift überging. (Hinschius a. a. O. S. 432. ) - Das Amt wurde, so lange die Union dauerte, nie mehr vakant. (Walter a. a. O. S. 483. ) Der fungierende Geistliche handelt, wenn er quoad temporalia Verwaltungsakte vornahm , nur als Vertreter des parochus primitivus und war diesem zur Rechnungslegung verpflichtet. (Hinschius a. a. O. S. 450. )

Die in Rede stehenden Inkorporation hat bereits vor dem

Tridentinum stattgefunden. Der Erzbischof von Köln , in dessen Diözese die Pfarreien und das Stift lagen, war als Ordinarius dazu kompetent . Die Urkunde selbst ordnet eine Inkorporation der beiden oben erwähnten Pfarreien in die Abtei Werden an, und zwar unbedingt und ohne Einschränkungen.

Nachdem die-

selbe in den Eingangsworten der bereits vom Erzbischof Heinrich angeordneten Inkorporation Erwähnung getan und bemerkt worden, dass dieselbe durch Verschulden und Nachlässigkeit der Acbte ausser Uebung gekommen, fährt der Erzbischof fort : Nos igitur attendentes, praefati Abbatis peces hac in parte justas ac rationi consonas esse, quodque justa petenti non sit denegandus assensus, volentesque imprimis ac tenemur dicti Monasterii utilitatibus et animarum saluti providere, memoratis precibus inclinati, dictascapellas cum omnibus et singulis juribus suis dicto Monasterio Werdinensi auctoritate nostra ordinaria. omni meliorio modo, via, jure et causa, quibus possumus et debemus, perpetuo reunimus et incorporamus.

Wenn in dem

folgenden Satze der Erzbischof die Einschränkung beifügt : Itaque post recessum vel decessum eorundum rectorum liceat Abbati et conventui per se et alium seu alios corporalem ejusmodo parrochialium ecclesiarum seu capellarum juriumque et pertinentiarum earundem possessionem propria auctoritate libere apprehendere ac perpetuo retinere ... so liegt darin nur die Legalisierung des durch abusus eingeführten Zustandes ;

keineswegs

aber die blosse Ermächtigung für den Abt wie Klägerin meint -die Inkorporation vorzunehmen. Die im Besitz der Ffrinde sich befindenden beiden Geistlichen sollen im Genuss derselben bleiben und insoweit die Wirkungen ration ihnen gegenüber suspendiert sein.

der

Inkorpo-

Man könnte allenfalls

eine Zeitbestimmung darin finden, die indes auf die Rechtswir

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kungen der Inkorporation ohne Einfluss ist .

Völlig unverständ

lich ist die Ausführung der Klägerin, dass die Inkorporationsarkande wohl einen Titel abgebe, aber der modus nicht hinzugetreten sei. Sie wendet zivilrechtliche Grundsätze auf ein lediglich dem Kirchenstaatsrecht angehöriges Institut an und übersieht, dass es sich bei der Inkorporation um Uebertragung des Amts auf das Stift handelte, und dass die vermögensrechtlichen Wirkungen damit ipso jure eintreten. Auch enthält die Urkunde vom 13. August 1551 im Wesentlichen keine neue Inkorporation, sondern bestätigt nur die frühere und beseitigt den bisherigen illegalen Zustand. Eine bestehende Inkorporation kann nur auf dieselbe Weise wieder aufgelöst werden, wie sie entstanden ist.

Die dissolutio

konnte daher nur vom Ordinarius (dem Erzbischof von Köln) oder vom Papst vorgenommen werden. 434. )

(Hinschius a . a. O. S.

Dass solches geschehen, ist von der Klägerin nicht be-

hauptet.

Ob die Inkorporation später tatsächlich

in Uebung

gewesen, ob namentlich das Stift als parochus primitivus seiner Vikarien gegenüber sich häufig Uebergriffe hat gefallen lassen, kann hier dahingestellt bleiben. Durch dergleichen Usurpationen konnten die Eigentumsrechte des Stifts, die ihm kraft des ihm übertragenen Pfarramts

an den Temporalien

zustanden,

nicht geändert oder gar aufgehoben werden. Es fehlt aber immer an einem Rechtssubjekt, dem die Geistlichen hätten Vermögen erwerben können, und bedarf es darum nicht eines Eingehens auf die einzelnen, von den Geistlichen bis zum Jahre 1803 angeblich selbständig vorgenommenen Rechtsgeschäfte und die Bedeutung des Bestellungsvermerks des Pastors Bavius vom 8. April 1603 , Auch gewinnt es den Anschein, als ob die Geistlichen recht oft die Rechte des Abtes respektiert hätten, da sie nach dem Geständnis der Klägerin zu den Veräusserungen und Verpfändurgen regelmässig die Genehmigung des Abts eingeholt haben. Endlich ergibt die von der Klägerin produzierte Bestallung des Exkonventualen van Gülpen am 18. Juni 1803 , dass bei Aufhebung des Stifts der Kirchen- und Schuldienst im ganzen Bezirk der Abtei von den Mitgliedern des Ordens wahrgenommen, die Inkorporation also auch tatsächlich vollzogen gewesen ist.

Da die Geistlichen resp. Mönche Pfarreirechte ausübten,

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so lag es nahe, dass sie auch pastores genannt wurden, obwohl der Titel ihnen als Vikarien nicht zustand. Nennt doch selbst die Urkunde vom Jahre 1551 sie am Schluss ,,tales Rectores", eine Bezeichnung, die sonst nur vom Pfarrer gebraucht wird. (Richter a. a . O. S. 24. )

Auf eine stattgehabte Dissolution kann hier-

aus nicht geschlossen werden . Unerheblich ist endlich auch,

dass die Grundstücke sich

eine Zeitlang in Händen evangelischer Pfarrer befunden haben. Durch den Uebertritt der Gemeinde zum Protestantismus ging die Abtei ihres Eigentums nicht verlustig. Durch Verjährung konnte allerdings die evangelische Gemeinde das Eigentum er werben. Ob dies aber der Fall gewesen, kann dahingestellt blei ben, da die katholische Kirchengemeinde nicht die Rechtsnachfolgerin der evangelischen ist, das katholische Pfarramt aber immer bei der Abtei geblieben war. Hiernach steht fest, dass die in Streit befangenen Grundstücke bis zur Säkularisation der Abtei Werden im Jahre 180% zum Vermögen der Abtei gehörten und die Geistlichen aus den Revenüen nur die congrua beanspruchen konnten. Durch die im Jahre 1803 erfolgte Säkularisation der Abtei Werden gingen nun die streitigen Grundstücke mit dem übrigen Vermögen der Abtei in das Eigentum des Staates über.

Nach

§ 35 des Reichdeputations-Hauptschlusses vom 25. Februar 180 (Emminghaus corp. jur. Germ. S. 563 ) sind alle Güter der fun dierten Stifter, Abteien und Klöster der vollen und freien Disposition der resp. Landesherrn sowohl zum Behufe des Aufwandes für den Gottesdienst , Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten, als zur Erleichterung ihrer Finanzen überlassen unter dem bestimmten Vorbehalte der festen und bleibenden Ausstattung der Domkirchen, welche beibehalten werden. und der Pensionen für die aufgehobene Geistlichkeit nach den zu treffenden näheren Bestimmungen. Dieser Vorbehalt kommt im vorliegenden Falle nicht zur Anwendung und kann Klägeria daraus Rechte nicht herleiten . Auch der § 63 a. a. O. steht ihr nicht zur Seite. Danach soll die bisherige Religionsübung eines jeden Landes gegen Aufhebung und Kränkung aller Art geschützt sein ; insbesondere jeder Religion der Besitz und der ungestörte Genuss ihres eigentümlichen Kirchengutes und Schul

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fonds nach der Vorschrift des Westfälischen Friedens ungestört verbleiben. Wie oben gezeigt worden, gehörten die in Kede stehenden Grundstücke zum Vermögen des Stifts als solche, belastet mit der Verpflichtung, die Geistlichen zu sustentieren, und ist nach der letzterwähnten Bestimmung des Reichsdeputationsschlusses mit dem Eigentum die Verpflichtung auf den Staat übergegangen. Die Klägerin hat nun zwar versucht, nachzuweisen, dass inzwischen zu ihren Gunsten eine Eigentumsveränderung stattge funden habe ; dieser Versuch ist aber durchaus misslungen. 1. Sie behauptet, dass der Staat mit den in Streit befange nen Ländereien die Kirche zu Werden dotiert hätte und bezieht sich hierüber zum Beweise auf die beiden von ihr in Abschrift eingereichten Kollationspatente vom 18. Juni 1803. Wie bereits oben näher erörtert worden, hatte der Staat durch § 35 des Reichsdeputationsschlusses vom 25. Februar 1803 alle Güter der säkularisierten Stifter zur völlig freien Dispostion überkom men, und zwar sowohl zur Erleichterung seiner Finanzen, alzum Behuf des Aufwandes für Gottesdienst usw.

Lag nun ver-

möge der Inkorporation der ehemaligen Abtei die Sorge für den Gottesdienst der betreffenden Gemeinde ob, so fiel diese jetzt dem Staate zur Last und hatte dieser nuninchr die Pflicht , für die Dotierung der einzurichtenden Pfarreien zu sorgen. Dies konnte auf doppelte Weise geschehen , indem er entweder die Güter als Pfarrvermögen der Kirche übereignete, oder nur bestimmte Hebungen den Geistlichen überwies.

Es lag nichts

näher, als dass er an die bestehenden Zustände anknüpfte. Wie die Eingangsworte des Patents ergeben, war der Kirchen- und Schuldienst in letzter Zeit von den Mönchen der Abtei wahrgerommen worden.

Wenn nun diesen sogenannten pastores, wie

von der Klägerin behauptet wird, bestimmte Ländereien wirklich überwiesen waren, so hatte doch der Abt dabei sicher nur die Absicht, ihnen die portio congrua zuzuwenden, nicht aber ein selbständiges Pfarrsystem zu gründen. In dem Patent des pastor primarius van Gülpen heisst es nun weiter in Betreff seiner Einkünfte :

,,Wir wollen dagegen hiermit für uns und unsere Nach,,kommen zur Fundation der Stelle eines pastoris primari

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,,und Directoris sämtlicher Schulen in dem

ehemaligen

,,Stifte Werden festsetzen : das bisherige Dienst,,einkommen des aufgehobenen Filialpa,,storats zu Neukirchen bei Werden, so von ,,den zeitigen Perzipienten angegeben wird, wie folgt : ,,An Pacht von Halbwinnen zu 13 Mltr. Roggen, 4 Mltr. Gerste und 42 Pfd. Butter, auch 11 Rtlr. ,,An Erbpacht 9½ Scheffel Roggen und 17 Scheffel Hafer nebst 12 Stbr. in Geld. ,,An Messhafer 43 Scheffel und 63 Brote. ,,An Geldpacht inkl. Gartenpacht angegeben zu 200 Rtlr. 32 Stbr. 8 Pfg. „ Die Zinsen von 150 Rtlr. Kapital nebst 182 Hühnern . ,,An fundierten Messen 19 Rtlr. 57 Stbr. und den rechtmässigen Juribus stolae der bisherigen Neukirchener Pastorats, auch der freien Wohnung und Gärten, wogegen die Zinsen eines auf der Pastorat haftenden Kapitals von 550 Rtlr. mit 6½ Rtlr. jährlich auszuzahlen sind, auch wenigstens einer der Kapläne in der Dienstwohnung mit aufzunehmen ist, zu welchem allem wir aus unsern Domainenfonds zu Werden eine jährliche Summe von Einhundert Taler Klevisch hinzugefügt haben. “ Aus dieser Spezialisierung der von den Grundstücken zu erzielenden Pächte ergibt sich, dass nur die Nutzungen dem Pfarrer zugewandt sein sollten. Es bleibt sogar danach noch fraglich, ob ihm der Besitz der Grundstücke dadurch hat eingerävmt werden sollen ; jedenfalls kann auf einen Eigentumserwerb hieraus kein Schluss gezogen werden Das Patent des Kaplans Neuhaus lautet in der vorgelegten Abschrift ähnlich ; es heisst darin : ,,für die Stelle eines Kaplans an der Hauptkirche zu Wer,,den die Hälfte des Diensteinkommens, so die bisherige .,Pfarrei St. Clemens auf dem Berge bei Werden bis dahin ,,ertragen hat, so angegeben ist : von Pächten usw.

Hier verteilt sogar der Staat selbst die Gefälle unter die Kapläne, so dass von einer Besitzanweisung gar nicht die Rede sein kann. Endlich kommt noch in Betracht, dass, wenn der Staat der Kirche das Eigentum der Grundstücke hätte zuwenden wollen, er dies in anderer Form, als in eine Bestellung eines

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Geistlichen getan haben würde.

Die vorgelegten Kollationspa-

tente sind nach dem allen nicht geeignet, den Beweis für Eigentum der Klägerin zu liefern .

das

Die von den Staatsbehörden abgegebenen Erklärungen, auf welche die Klägerin sich beruft, entbehren der rechtlichen Bedeutung.

Sie datieren sämtlich aus den letzten vier Dezennien.

einer Zeit, wo das Rechtsverhältnis schon verdunkelt war.

Es

liegt auf der Hand, dass die Staatsbehörden infolge ungenügender Information vielfach Fehlgriffe getan haben ; aber die vou Klägerin genannten staatlichen Organe waren nicht berufen, den Fiskus in seinen vermögensrechtlichen Interessen zu ver treten.

Durch die Säkularisation im Jahre 1803

waren die

Grundstücke allgemeines Staatsvermögen geworden, ohne einem bestimmten Ressort überwiesen zu werden. Sie standen daher unter der Regierungsabteilung für die direkten Steuern, Domainen und Forsten und gehörten zum Ressort des Finanzministers (Allerh. Kab.-Ordre vom 31. Dezember 1825 D. II , u. 3) . Alle Verfügungen der

kirchlichen Aufsichtsinstanz

und der

Staatskommissarien können hiernach nicht in Betracht kommen, da sie andere staatliche Zwecke verfolgten und nicht mit der Vertretung des Domainentiskus betraut waren. Es ist daher völlig unerheblich, ob die Kirchen- und Schulabteilung, sowie durch Atteste derselben beeinflusste Hypothekenbehörden und Katasterämter

die

Kirchengemeinde

Grundstücke angesehen haben. die Klägerin nicht entstehen.

als

Eigentümerin

der

Eigentum konnte dadurch für

2. Auch die Voraussetzungen der Ersitzung sind nicht vor handen. Gegen den Fiskus findet nur die ungewöhnliche Verjährung von 44 Jahren statt, ohne Unterschied, ob der Besitz auf einen Titel sich gründet oder nicht.

Dagegen ist Redlich.

keit des Besitzes auch bei einer solchen Verjährung notwendig. (SS 629 ff. I, 9 A. L. R.) Klägerin hat daher darzutun einen 44jährigen vollständigen und redlichen Besitz an einer zur Ersitzung geeigneten Sache. Dabei kommt ihr, wenn Anfang und Ende des Besitzes nachzuweisen sind, die Vermutung zu statten, dass die Anübung auch in der Zwischenzeit fortgesetzt worden. ($

599 und 600 a. a . O. )

Dass die Klägerin vom Jahre 1879

ab bis in die neueste Zeit Besitzhandlungen an den in Streit be-

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fangenen Grundstücken vorgenommen hat, und sich im vollstän digen redlichen Besitz zur Zeit der Erhebung der Klage befand, ist bereits oben dargelegt.

Dagegen ist für die Zeit bis zum

Jahre 1850 nur der unvollständige Besitz an den Grundsticken nachgewiesen. Vollständiger Besitzer heisst der, welcher eine Sache oder ein Recht als sein eigen besitzt . ( § 7 I , 7 A. L. R. ) Der Besitzerwerb erfordert daher neben Herstellung der äusseren Bedingun gen den Willen des Erwerbers, die Sache als seine eigene in Besitz zu nehmen. Die Kirche selbst ist einer Willensbestimmung nicht fähig ; um für sie den Besitz zu ergreifen, müssen die dazu geordneten Organe mit dem Willen handeln, für die Kirche dies zu tun. Da eine Vermutung der Klägerin nicht zur Seite steht, so hat sie, sofern nicht die Umstände des Falles, den Wiilen des Repräsentanten, für sie die Sache als ihr eigen in Besitz zu nehmen, ergeben sollten , diesen Willen nachzuweisen. Wenn auch der Pfarrer in der Regel als Vertreter der Kirchengeneinde nicht angesehen werden kann, so ist doch hinsichts der Pfarrgrundstücke eine Vertretung durch ihn nicht

für ausge

schlossen zu erachten und würde es deshalb genügen, wenn die Geistlichen den Besitz der Grundstücke ergriffen hatten in der Absicht, sie als Pfarrgrundstücke der Kirche zu benutzen.

Ein

Irrtum, selbst ein Rechtsirrtum , würde ihnen hierbei nicht schädlich werden. Ueber die ersten Besitzhandlungen selbst constiert nichts ; ein Schluss auf die Existenz und den Umfang des Besitzwillens kann deshalb hieraus nicht gezogen werden. Eine besondere Uebergabe der Grundstücke von seiten der fiska lischen Behörden scheint nicht stattgefunden zu haben, naci · Gen Aussagen der zum ewigen Gedächtnis vernommenen Zeugen lässt sich aber nicht daran zweifeln, dass nach Ablauf der Pachtverträge die Geistlichen die Grundstücke von neuem verpachtet haben. Diese Besitzhandlung aber gründet sich lediglich auf die Kollationspatente vom 18. Juni 1803, deren klarer Wortlant ihnen darüber keinen Zweifel lassen konnte, dass nur ihnen persönlich die Nutzungen der Grundstücke zugewandt sein sollten . Die staatlichen Organe hatten sich in jener Zeit noch nicht weiter über die Besitzqualität geäussert und konnten einen frrtum in den Geistlichen nicht anregen.

Erst als das Rechtsver-

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hältnis verdunkelt war, in den 40er Jahren, konnten neuberufene Geistliche durch die Akte der Staatsbehörden in den Glauben versetzt werden, sie hätten es mit Pfarrgrundstücken der Kirche zu tun. Die zuerst angestellten Geistlichen konnten diesen Glauben nicht haben und konnten auch nicht einseitig die causa des Besitzes ändern, L. 3 § 19 D. de acquir. poss. (41 , 2 ) § 527 I, 9 A. L. R.

Wann aber die Amtsführung dic-

ser ersten Geistlichen aufgehört hat , darüber erhellt nichts ans den Akten, so wenig wie darüber, unter welchen Umständen ihre Nachfolger berufen sind. Es steht daher der Zeitpunkt nicht fest, mit welchem der vollständige Besitz auf die Klägerin ge diehen ist . Die Zeit , für welche der volltändige Besitz nachge wiesen ist . umfasst noch nicht den Zeitraum von 44 Jahren. Unter diesen Umständen kann

dahingestellt

bleiben,

ob die

Grundstücke zu den Domänen zu rechnen, und ob mit Rücksicht darauf die Ersitzung überhaupt für ausgeschlossen zu erachten oder nicht. Auf den Besitz im Normaljahr endlich kann Klägerin sich gleichfalls nicht berufen. In dieser Beziehung bestimmt das Gesetz vom 18. Dezember 1831 ( G.-S. 1832 S. 3) im § 1 : Gegen Ansprüche des Fiskus soll in der Rheinprovinz eia Jeder geschützt sein, welcher erweislich am 1. Januar 1875 oder schon vor diesem Zeitpunkte eine Sache oder ein Recht oder auch die Freiheit von einer Realberechtigung ruhig besessen hat." Diese Bestimmung ist den $$ 641 ff. I, 9 A L. R. nachgebildet und setzt ebenso, wie diese, vollständigen, ruhigen Besitz voraus. Es erhellt dies auch aus § 4 des Gesetzes, wonach durch dasselbe Niemand die Befugnis erhalten soll, seinen Besitztitel willkürlich zu ändern, und diejenigen, welche am 1. Januar 1815 nur pfandweise, wiederkäuflich, als Erbzins oder mit andern. rechtlichen Beschränkungen eine Sache oder Berechtigung be sussen, kein grösseres Recht begründen können.

Vollständigen

Besitz hat die Klägerin für die Zeit vom Jahre 1803 bis einschliesslich 1. Januar 1815 nicht nachgewiesen und fällt damit auch das auf den Besitz im Normaljahr gestützte Klagfundament. Ist nun nach alledem die Klägerin den Beweis ihre

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Egentums schuldig geblieben, so konnte ihre Vindikationsklage der Abweisung nicht entgehen. Nicht anders verhält es sich mit dem zweiten Antrage, den Beklagten nicht für befugt zu erachten, den erhobenen Kauf reis von 16 125 M. zurückzuverlangen und durch Exekution beitreiben zu lassen. Dieser Antrag entzieht sich, soweit er die Exekution verboten wissen will, da die angegriffene Verfügung sich auf das Gesetz vom 22. April 1878 gründet, als eine polizeiliche Anordnung der richterlichen Kognition, Ges, vom 11. Mai 1842. Er ist aber auch materiell unbegründet, weil, selbst wenn die Verfügung schon zur Ausführung gebracht wäre, der Fiskus doch nur das zurückerhalten haben wiirde, was durch einen Irr tum aus dem Staatsvermögen in das Eigentum der Klägerin gelangt ist. Es war demgemäss das Vorerkenntnis, wie geschehen , zu andern. Der Kostenpunkt findet aus § 6 I, 23 A. G. O. und § i Gesetz vom 10. Mai 1851 , seine Erledigung . Ausgefertigt unter Siegel und Unterschrift des königlichen Appellationsgerichts.

Hamm , den 3. Mai 1879.

VIII .

Urteil des Reichsgerichts vom 5. April 188 0 . Im Namen des Reichs. In Sachen der katholischen Kirchengemeinde zu Werden. vertreten durch ihren Vorstand, Klägerin und Revidentin, wider den Königlichen Fiskus, vertreten durch die Königliche Regierung zu Düsseldorf, Beklagten und Revisen hat das Reichsc richt . Vierter Civilsenat, in seiner Sitzung vom 5. April 1880 , an welcher teilgenommen haben : der Präsident, Wirkliche Geheimrat Dr. Simson und die

Reichsgerichtsräte Dr. v. Wangerow, Plathner, Hennecke, Lesser, Welst und Schlomka , für Recht erkannt : dass unter Abänderung des Erkenntnisses des Königlichen Appellationsgerichts zu Hamm vom 3. Mai 1879 das Er

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kenntnis des Königlichen Kreisgerichts zu Essen vom 31 . Mai 1878 wiederherzustellen, von den Kosten aller drei Instanzen die gerichtlichen jedem Teil zur Hälfte

aufzuer

legen, die aussergerichtlichen zu kompensieren .

Von

Rechts

Wegen.

Gründe : Mit dem ersten Richter ist das Klagefundament der Fr · sitzung für begründet zu crachten.

Wie die in erster Instanz vernommenen Zeugen ausgesagt haben und unbestritten ist, sind die streitigen Grundstücke seit 1801 von den Geistlichen der früheren Filialpastorate ad St. Lucium und ad St. Clementem, und später der. Hauptpfarrkirche, seit 1850 vom Kirchenvorstande verpachtet, und die Pachtgelder von den Geistlichen bezogen worden. Beklagter gesteht zu, dass bei und nach der Säkularisation der Abtei Werden eine faktische Einziehung der Grundstücke durch den Staat niemals sattgefunden hat. Die Grundstücke haben sich also seit 1801 in ruhigen und ungestörten Besitze , Verwaltung und Genusse der Geistlichen, seit 1850 des Kirchenvorstandes ununterbrochen befunden, und erst im Jahre 1876 ist Fiskus mit Eigentumsansprüchen aufgetreten.

Die Geistlichen haben in ihrer ant-

lichen Eigenschaft den Besitz ausgeübt, und denselben bei vorgekommenem Wechsel in ihren Personen in einer langen Reike von Jahrer fortgesetzt. Hieraus ergibt sich, soweit nicht besendere Umstände entgegenstehen , mit Notwendigkeit die Annahme, dass die Grundstücke als Pfarrgrundstücke besessen und genutzt, dass der Besitz von den Geistlichen als Vertretern und Namens der Pfarrei und der Kirchengemeinde als Eigentümerin des Pfarrvermögens ausgeübt worden, und dass die lagende Gemeinde seit ihrem Bestehen im Jahre 1803 im Besitze der Grundstücke als Pfarrgrundstücke gewesen ist Klägerin hat also den vollständigen Besitz von 1803 bis 1876 gehabt. Der Besitz muss auch ein redlicher sein. Der Appellationsrichter vermisst für die Zeit bis 1850 den Beweis sowohl eines volltändigen als eines redlichen Besitzes .

Er zieht daraus, dass über die ersten Besitz-

handlungen nichts konstiere, den Schluss, dass die Existenz und der Umfang des Besitzwillens nicht hergestellt werden können.

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Wenn er aber gleichzeitig als unzweifelhaft hinstellt, dass nach der Säkularisation der Abtei die bis dahin seitens der Geistlichen

verpachteten Grundstücke

durch die neuangestellten

Geistlichen von neuem verpachtet worden sind, so konstatiert er hiermit Handlungen, welche der Regel nach nur dem Eigentümer zustehen und den Eigentumswillen kennzeichnen,

und

diese geben nur der Auffassung Raum, dass die Besitzausübung der Geistlichen, welche kraft der Gesetze den Besitz und andere Rechte am Pfarr vermögen auszuüben berufen sind, die Wi!lensäusserung enthält , für die Pfarrei und Kirchengemeinde als Eigentümerin zu handeln.

Er hält die Redlichkeit des Besitzes

seitens der neuangestellten Geistlichen für ausgeschlossen, weil diese lediglich auf Grund der Kollationspatente vom 18. Juni 1803 besessen und verpachtet , und deren klarer Wortlaut ihnen darüber habe keinen 3weifel lassen können, dass nur ihnen persönlich die Nutzungen der Grundstücke zugewandt sein sollten : de staatlichen Organe hätten sich in jener Zeit noch nicht weiter über die Besitzqualität geäussert. Die gedachten Patente ergeben deutlich und ausdrücklich, dass

nicht bloss die neuen

Geistlichen für ihre Person, sondern ihre Amtsstellen für alle Zukunft dotiert werden sollten, und wenn sich die Staatsorgane über die Besitzqualität noch nicht geäussert hatten, so lag gerade deshalb für die Geistlichen kein Hindernis vor, Besitzhandlungen bona fide namens der Gemeinde als Eigentümerin vorzunehmen . Die Patente vom 18. Juni 1803 selbst erwähnen nicht die streitigen Grundstücke und deren Eigentumsverhältnisse , sondern sprechen nur von Gefällen und Pachtgeldern, mit denen unbestritten Einkünfte aus den Grundstücken gemeint sind, und auch sie enthalten nichts, was der Annahme der bon fidés des namens der Gemeinde geäusserten Eigentümerwillens entgegenstände. Im Gegenteile tragen sie zur Bestärkung diese: Annahme bei. In den im Namen des Landesherrn ausgefertigten Patenten wird bemerkt, dass bisher die beiden Filialpastorate in Werden fundiert waren ; dieselben

seien aufgehoben und

dafür die

Tauptpfarrkirche nen organisiert, und mit einer Anzahl Stellen besetzt : die Fundation der Stellen werde fortgesetzt und in Verfolg dessen dem Pastor primarius das bisherige Diensteinkon

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men des Filialpastorates ad St. Lucium, dem einen seiner Kapläne zur Hälfte das Diensteinkommen der bisherigen Pfarrei ad St. Clementem zugewiesen, und ihnen ausser diesem nach den Angaben der zeitlichen Perzipienten specifizierten, in Na turalabgaben, Geldpächte etc. bestehenden Diensteinkommen noch aus dem Domainenfonds zu Werden ein bestimmter jähr licher Geldzuschuss zugesichert ; dagegen habe der Pastor primarius auch die 3insen eines auf der Pastorat ad St. Lucium haftenden Kapitals von 500 Rtlr. auszuzahlen.

Hier wird auer-

kannt, dass die beiden Pastorate fundiert gewesen sind, und dass sie besonderes Vermögen, sogar Grundvermögen gehabt haben . da auf dem Vermögen der Pastorei ad St. Lucium ein Kapital von 550 Rtr haftete, und neben den Einkünften aus den Fundationen der früheren Filialpastoren wird besonders und allein mit der Bezeichnung einer Gewährung aus Staatsmitteln ein gewisser Geldzuschuss aufgeführt.

Aus dem Inhalt und Wortans-

druck der beiden Patente kann demnach nur gefolgert werden, dess dem Landesherrn bei deren Erlasse die Meinung beigewohnt babe, dass er behufs Dotation der neu eingesetzten Stellen aus den Mitteln des Staates weiter nichts als den Geldzuschuss her. gebe, im übrigen aber dazu die Einkünfte und eigentümliches Vermögen der Filialpastorate verwendet, und wenn die Patente selbst auf eine solche Meinung hinweisen, so können sie auch in den Geistlichen nicht einen abweichenden Glauben über die Person des Eigentümers der zu ihrem Genusse bestimmten Grundstücke erweckt haben.

Vielmehr müssen sie den Geistlichen den

Glauben an das Eigentum der Pfarrei eingegeben haben, und dies macht sicherlich den für die Pfarrei und Kirchengemeinde ausgeübten Besitz zu einem redlichen vollständigen Besitze. Beklagter behauptet, Klägerin könne nicht eine Verjährung gegen denjenigen beginnen, von dem sie ihre Rechte ab leiten müsste. Dies beruht auf einer unrichtigen Voraussetzung Die Uebertragung der Einkünfte aus den Grundstücken ist ein Ausfluss der vom Landesherrn ausgeübten Kirchenhoheit sic hat keine Dispostion oder Veränderung an dem Eigentum der Grundstücke enthalten, welches vielmehr, insofern es den Filialpastoraten zustand, durch deren Aufhebung und Aufgehen in die Hauptpfarrei von selbst auf letztere überging, und hat eben-

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sowenig wie den Uebergang des Eigentums den Beginn der er werbenden Verjährung gegenüber dem Vermögensfiskus hindern können.

Die Inkorporationsurkunde vom 13. August 1551 und

der Bestallungsrevers des P. Theodorus Bavins vom 8. April 160 sind Akte aus einer mehrere Jahrhunderte zurückliegenden Vergangenheit , und stehen der Annahme eines vollständigen redlichen Besitzes in und seit dem Jahre 1803 nicht entgegen. Der in der Revisionsbeantwortung in Bezug genommene Prozess, in welchen Klägerin mit Eigentumsansprüchen

auf

Gebäude

dach Erkenntnis vom 4. Oktober 1878 rechtkräftig abgewiesen sein soll, ist einflusslos ; der Einwand der Rechtshängigkeit oder der rechtskräftig entschiedenen Sache ist aus jenem Prozess nicht abgeleitet, und es erhellt nicht, dass es sich dort um Gebände gehandelt hat, welche zu den streitigen Grundstücken gehören. Das angebliche Memoire des Rechnungskommissarius Gericke vom 26. August 1807 erwähnt nicht die in Frage stehenden Grundstücke, und kann nicht zum Belage

für dasjenige.

worauf es allein ankommt , dienen, nämlich dafür,

dass die

Grundstücke zum Staatsvermögen eingezogen worden sind. Gerade das Gegenteil, die Nichteinziehung de facto, ist vom Bklagten zugestanden worden, und deshalb kann auch auf die Bemerkung in einer Vorstellung der Kapläne Neuhaus und Viehoff vom 4. April 1810 , dass alle, auch die kirchlichen Güter der Abtei 1803 mit den Domainen vereinigt worden seien, irgend ein Gewicht nicht gelegt werden.

Dafür, dass der Besitz der Klä-

gerin ein zur Ersitzung gesetzlich qualifizierte gewesen ,

sind

aus den zahlreichen Ausführungen der Klägerin folgende vom Beklagten nicht bestrittene Umstände hervorzuheben : Bei der ersten Anlage des Katasters, deren Zeitpunkt nicht angegeben wird, sind auf den Antrag der Königlichen Regiorung zu Düsseldorf oder eines ihrer Organe die Grundstücke fir die katholische Pastorei zu Werden in die Mutterrolle eingetragen, und sind es noch gegenwärtig. Am 26. Januar 1844 schreibt die Königliche Regierung zu Düsseldorf an den Erzbischof von Köln, die Hauptpfarrkirche zu Werden habe zur Dotation für Kultuskosten und dergleichen das Fabrikvermögen der Kirchen ad St. Lucium und ad St. Cle n.cntem und ausserdem einen Staatszuschuss erhalten .

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In einem Reskript an die Klägerin erklärt dieselbe Regierung das Einkommen der Pfarrstelle für ausreichend, wenn diese behalte, was ihr im Jahre 1803 überwiesen worden ist , nämlich die Dotation der supprimierten Filialpfarrstelle zu Neukirchen und die zur selben Zeit ausgestezte Staatskompetenz. Das vormalige Land- und Stadtgericht zu Werden hat besondere noch bestehende Grundakten für die Pastorei über das gesamte Pastoratgrundvermögen nach dem damals ten, die streitigen Grundstücke enthaltenden

eingereich-

Mutterrollenaus-

zuge angelegt, und ausserdem steht noch jetzt auf einigen ehemals in Erbpacht gegebenen Parzellen der Besitztitel für die Pastorat eingetragen.

Im Jahre 1875 hat Klägerin mit Geneh-

migung der Königlichen Regierung ein Stück von einem der streitigen Grundstücke an einen gewissen Schürmann verkauft und den Kaufpreis an sich genommen, und ist gerichtseitig zum Verkaufe für legitimiert angesehen. Beklagter hat selbst in denselben Jahre einen Teil von einem streitigen Grundstücke zu Schulzwecken von der Klägerin angekauft, und den Kaufpreis mit 16 125 M. noch im Jahre 1876 an Klägerin abgeführt . Diese Erlasse und Handlungen weisen zwar nicht sämtlich eine Beteiligung der das Staatsvermögen vertretenden Königlichen Regierung, Abteilung für direkte Steuern, Domainen und Forsten, auf ;

allein auch insoweit sie ein rechtlich wirksames

Anerkenntnis der hierfür kompetenten Behörde nicht enthalten. dokumentieren sie doch übereinstimmend, dass zu den betreffenden Zeiten einerseits Klägerin sich als die Eigentümerin der Grundstücke betrachtet und geriert hat, andererseits das Eigentum der Klägerin als ein unbestrittenes allseitig von den Behör den und Privaten angesehen worden ist.

Eine hiervon differie.

rende Meinungsäusserung einer Behörde ist, soviel die Akten ergeben, in keinem Zeitpunkt vor dem Jahre 1876 an den Tag getreten, es ist auch kein Umstand bekannt geworden, welcher in den Zeitpunkten der vorgedachten Verhandlungen die Behörder eta zu einer Aenderung in ihrer bis dahin bestehenden Auf fassung über die Eigentumsverhältnisse bestimmt hätte, und wenn man noch berücksichtigt , dass im vorliegenden Falle nicht, wie es bei säkularisierten Gütern geschehen musste und sonst auch geschehen ist , die Besitztitelberechtigung auf den Fiskus

90

stattgefunden hat, so muss über jeden Zweifel hinaus für dargetan gelten, dass Klägerin von jeher und namentlich seit der Säkularisation unbestritten, ununterbrochen und in redlichem Glauben den vollständigen Besitz ausgeübt hat .

Schon der 44-

jährige redliche vollständige Besitz, vom Jahre 1876 zurückgerechnet, genügt nach § 629 Titel 9 Teil I des A. L. R. gegenüber dem Fiskus zur Ersitzung, und aus diesem Fundament ist daher der Klageanspruch überall gerechtfertigt. der, mehrere Jahrhunderte

Dieses Resultar ist

zurückliegende

Inkorporationsak

vo 13. August 1551 zu beseitigen nicht geeignet ; dagegen würde allein schon der für den Normaltermin an und vor dem 1. Januar 1815 erwiesene ruhige Besitz der Klägerin nach dem Gesetze vom 18. Dezember 1831 ausreichen, die Klägerin gegen die Ansprüche des Fiskus zu schützen. Der Kostenpunkt erledigt sich aus

10 Tit, 23 Teil I des

Allgemeinen Landrechts. Urkundlich unter Siegel und Unterschrift

L. S. Das Reichgericht-Vierter Civilsenat Simson.

IX.

Rechtsgutachten des Prof.

Dr. Joh. n n. von Schulte in Bon

Friedr.

Rechtsgutachten über die Frage : ob die Grundstücke der Gemeinde Werden Fl. I No. 925/ XVII. 22, 886 bis 891 inkl. , 939/834 , 893 , 894, 920, XVII 2 , 899 , 900, 929 und 940 , 845 , das Grundstück in der Gemeinde Heidhausen Fl. I No. 146 , 147 , 148 , 179 , 180 . 181 , 193 bis 210 inkl. nebst aufstehenden Gebäuden - in Eigentum der katholischen Kirchengemeinde zu Werden befindlich zu erachten seien ? Mit diesen Grundstücken sind Pastorat und Kaplanei zu Werden anstelle der bis 1803 bestandenen Pastoraten S. Lucii zu Neukirchen und St. Clementis auf dem Berge im Jahre 1803

91

fundiert worden ; sie sind in der Mutterrolle auf den Namen der kath . Pastorat zu Werden eingetragen . Der kath. Kirchenvorstand zu Werden hat gegen den Fiskus, welcher auf Grund des Gesetzes vom 22. April 1875 die angeführten Grundstücke mit Beschlag belegt und den Pächtern die Zahlung der Pachtgelder an die Geistlichen untersagt hat. die Eigentumsklage angestrengt. Das Urteil I. Instanz des Kreisgerichts zu Essen vom 31. Mai 1878 hat der Klägerin das Eigentumsrecht auf Grund der Verjährung zugesprochen , das Urteil II. Instanz des Appellationsgerichts zu Hamm vom 3. Mai 1879 das erste Erkenntnis abgeändert und die Klage abgewiesen. Der zweite Richter stützt seine Entscheidung wesentlich auf die beiden Gründe : 1 . ,,Das Eigentum der fraglichen Grundstücke habe der enemaligen Abtei Werden zugestanden und sei in Folge des R. d. II. S. von 1803

auf den preussischen Fiskus überge-

gangen ; 2. Verjährung läge nicht vor, weil bis zum Jahre 1850 nur der unvollständige Besitz der Klägerin vorhanden gewesen sei." I. Es ist unstreitig, dass der Fiskus sein Recht ledighch stützt auf das ihm durch den B. d . II . S. vom 25. Februar 1803 zustehende Werden.

Recht der Nachfolge

in den Besitz der

Abtei

Es kommt also an auf die Frage : Gehören die genannten Güter zu der Abtei Werden, die im $ 3 , R. d. I. S. dem Könige von Preussen zur Entschädigung zugewiesen wurde ? Wenn das der Fall gewesen wäre, bliebe Raum für die fernere :

Hat eine funden ?

erwerbende Verjährung seit

1803 stattge-

Muss die erste Frage verneint werden, so ist es prinzipiell überflüssig, auf die Verjährung zu rekurrieren. Aber aus praktischen Gründen ist eine Untersuchung der zweiten Frage ratsam und im gesetzten Falle um so einfacher, als die Erforder nisse der Verjährung selbstredend beim Eigentümer vorliegen, der mindestens hat, was er usukapiert haben muss.

92

II. Der zweite Richter hält, indem er sich vorzugsweise stützt auf das zum Bestandteil der Akten gemachte Gutachten des Staatsarchivars in Düsseldorf, den Beweis des Eigentums für vollständig erbracht. Seine Deduktionen, gleich denen des Archivrats Harless, sind aber in allen wesentlichen in Betracht kommenden Punkten irrig und ruhen zum Teil auf Kombinationen, die dem Rechthistoriker, kanonistisch gebildeten Juristen sich als falsch ergeben. III. Es ist unmöglich zu bestreiten, dass die Frage : Wer war am 24. August bezw. 1. oder 9. Dezember 1802 den in den $$ 43 , 44 R. d. I. S. bezeichneten Tagen der fraglichen Grundstücke

Eigentümerin

lediglich zu entscheiden ist nach

dem damals in dem Stifte Werden geltenden Rechte, d. h . dem gemeinen insbesondere kanonischen Rechte. Die ganze Frage spitzt sich also zu auf die folgenden : 1. bestanden die Kirchen oder Kapellen ad S. Lucium und S. Clementem als selbständige Rechtssubjekte, juristische Personen, oder 2. waren dieselben in der Abtei, mensa abbatis, kurz in der juristischen Person des Stifts nach der vermögensrecht lichen Seite aufgegangen ? Im Falle der Bejahung ad 1 tritt die weitere Frage ein : 5. waren sie Eigentümer der fraglichen Grundstücke? IV. Das Harlesssche Exposé deduziert ohne historisch ju ristisch stichhaltigen Beweis :

Die Aebte von Werden haben

beide Kapellen gestiftet, dotiert ; sie besassen so sehr alles, dass für anderweitige Fundatoren kein Raum war. Es wird unten gezeigt , dass noch jetzt nachweisbare Erwerbungen 1698 un! 1730 stattgefunden haben, also zu einer Zeit, wo angeblich jene Beneficien nicht existiert haben sollen. Dass von den ältesten Zeiten an in der Gemarkung von Werden auch andere Eigentümer von Grundstücken waren, das Kloster fortwährend nenes Gut durch Schenkungen usw.

erhielt, beweisen die

in La-

comblet, Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins I. No. 13 ff. , 19 , 24, 31 ff ., 45 , 247 , 266 , 368 u. a. abgedruckten Urkunden. Nach im elften Jahrhundert war eine nobilis fe nina Adelheidt in der Lage, der Abtei ihren Hof in Velbert. partem ecclesiae et duos mansus zu sehenken. ( Urk. in Zeit-

93

schrift des Bergischen Geschichtsvereins Bd. 6 ( 1869 ) S. 53 in den Traditiones Werdinenses I. No. 99¹) . Für unsere Rechtsfrage ist gänzlich irrelevant, wer die Kapeilen errichtet oder fundiert habe, woher überhaupt das Vermögen gekommen ist . V. Nach der in den verschiedenen Prozessschriften und den Urteilen zum Verständnis genügenden historischen Auseinandersetzung ist zunächst entscheidend die, obwohl nicht im Original vorliegende, von keiner Seite angezweifelte Urkunde vom 13. August 1551.

Nach der Deduktion in den Schriften des Ver-

klagten und des zweiten Richters soll durch diese Urkunde eine Inkorporation vorgenommen, das Vermögen der beiden Kapellen mit der Abtei verschmolzen, die privatrechtliche Persönlichkeit der früheren Beneficien untergegangen sein. Wenn und SO wird in jenem weiter gefolgert die Kapläne seitdem doch Grundstücke besassen, auch rechtliche Akte vornahmen, welche nur die Eigentümer bezw. die Repräsentanten vornehmen können, so haben sie lediglich als Vertreter des Abts gehandelt. Die Inkorporation soll selbstverständlich sofort ihren Erfolg gehabt haben und das namentlich bewiesen sein durch den Revers des fr . Theodor Bavius vom 8. April 1603.

Alles, was dagegen zu

sprechen scheint, wird auf Nachlässigkeit der Aebte usw. zuruchgeführt .

Die ganze Deduktion erweist sich

als gänzlich unstichhaltig aus der Urkunde selbst, aus dem kanonischen Rechte, aus der Geschichte. VI. Die Urkunde des Erzbischofs Adolf von 1551 beruft sich zuerst auf eine Anordnung des Erzbischofs Friedrich be züglich der beiden Kirchen. Sie ist enthalten Lacomblet Urk. Buch I No. 262 vom Jahre 1103.

Danach hatte der Abt das Recht, die beiden capellas S.

Lucii und S. Clementis zu besetzen , die ihr Einkommen aus deren Gute erhielten ;

bestimmte

Rechte,

insbesondere

die

Taufe

ausser im Notfalle, blieben der Hauptkirche vorbehalten, eine bekanntlich bis in die neueste Zeit vorkommende Erscheinung. Dass die Worte der Urkunde im angedeuteten Sinne zu ver stehen, ergeben die Worte der von 1551 : redditibus de ipsis ca 1) Weitere Belege. die daselbst Bd . 7 S. 37 ff. abgedruckten Urk. v. 1240, Urk. v. 1258 S. 40, überhaupt die Zusammenstellung im 6. Bande.

94

pellis ultra resultantibus cessuris.

ad dicti abbatis mensam

Beide Kirchen bleiben selbständig und sind im

Laufe der Zeit zu wirklichen vollständigen ecclesiae parochiales, caratae geworden.

Das ergibt die spätere Anordnung von Erz-

bischof Heinrich, und denten auch die für die Kirchen gebrauchten Ausdrücke an. Die Urkunde von 1551 erzählt weiter, die Anordnung sei in abusum gekommen, worauf Erzbischof Heinrich eine neue gemacht, die auch in Vergessenheit geraten, also ohne Erfolg ge wesen sei ; sie verfügt nun eine Inkorporation der beidenKirchen und gestattet dem Abte : „, corporalem.. parochialium eccicsiarum seu capellarum , juriumque et pertinentiarum earundem possession e in propria auctoritate libere apprehendere ac perpetuo retinere, illarumque fructus in suos ac p arochialium ecclesiarum nec non monasterii praedictorum usus convertere. Er gestattet weiter die Anstellung von Mönchen, deren Abberufung und die Anstellung neuer duren den Abt, aber mit Zustimmung des Konvents und Genehmigung des Erzbischofs, verfügt die Einsetzung durch den Archidiakon und die Ablegung des Eides in dessen Hände und macht den Vorbehalt :

jure nostro dioecesano in procurationi-

bus, subventionibus aliisque similibus ac alterius cujuscumque semper salvo ." Er bezeichnet die anzustellenden Geistlichen ausdrücklich als vicarios perpetuos. Bevor obige Verfügungen getroffen worden, beschreibt die Urkunde genau den vom Erzbischof Heinrich gewollten Zustand. Es heisst, derselbe habe die Sache wollen ,,reducere in statum debitum et primaevum , distinctionem ' ) ta1a en inter abbatis et dictarum capellarum pastores de redditibus earundem habendo , . sic quod pastoribus dictarum capellarum seu ecclesiarum de ipsarum redditibus tantum relinquatur, unde pro status exigentia sui sustentationis suae competentiam habere , hospitalitatem congruam exhi bere, ac jura ac onera consueta, subventionem,

procurationeta

1 ) Es scheint, dass der Erzbischof Heinrich annahm, nach der Anordnung seines Vorgängers sei nicht speziell gesondert, sondern ein Teil des Ertrags den Benefiziaten, der Rest dem Abte angewiesen .

95

ac aliorum quorumcunque servitiorum supportare et persoivere possent, jure praemissorum in praemissis semper salvo , quodq; e ceteri omnes redditus ' ) earundem ecclesiarum ad ipsius abbatis . . . utilitatem cederent. "

Die Urkunde erzählt weiter, die Rek-

toren hätten „ ea, quae pro ipsius abbatis mensa cedere debe ant, suis usibus" appliciert, der Abt bitte nun, dem Kloster dietas capellas perpetuo reunire, annectere et incorporare.

Nun-

mehr verfügt der Erzbischof : ,,dictas capellas cum omnibus et singulis pertinentiis suis dicto monasterio W. auctoritate nostra ordinaria omni meliore modo, via, jure causa, quibus possu mus et debemus, perpetuo reunimus et incorporamus. “. . . und die Bestimmung bezüglich der vicarii perpetu : „ in monasterio W. una cum ceteris fratribus communibus monaste rii expensis vivant et procurentur. “ VII. Durch diese Urkunde ist bewiesen : 1. Die beiden genannten Kirchen standen bis 1551 unter dem Diocesanrechte des Erzbischofs von Köln und sollten darunter auch fernerhin verbleiben .

Das geht abgesehen von

der Bestätigung und dem zu leistenden Eide hervor aus dem vollen Vorbehalte des jus dioecesanum, insbesondere beziglich der procurationes" ) . Hieraus folgt, dass eine sogenannte plena incorporatio, die übrigens auch nicht genannt wird. gar nicht intendiert wird, der Abt also gar nicht parochus habitualis oder primitivus werden sollte, sondern dass wirklicher Pfarrer blieb der selbständig fungierende, vom Ar chidiakon

einzusetzende ,

dessen Jurisdiktion

(Visitation

usw. ) unterstehende Mönch, der vom Abte zu präsentieren war und nur mit erzbischöflicher Erlaubnis abberufen wer den konnte.

Dass der Erzbischof die Absicht nicht haben

konnte, die Kirchen auch quoad spiritualia zu inkorporieren, 1) Es muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass dieser Ausdruck redditus in diesen Urkunden und ganz analog in der von 1551 offenbar nicht identisch ist mit dem deutschen Ertrag, Einkommen , sondern bedeutet Objekt, woraus das Einkommen fliesst, sammt dem Einkommen. Deshalb wird derselbe Ausdruck vom Abt und deu Kaplänen gebraucht ; geradeso wird in der bald anzuführenden Urkunde vom 1 Juni 1317 redditus gebraucht und doch werden dazu 28 jurnales Aecker gezählt. 2) Es wird das noch klarer, wenn man bedenkt, dass das Kloster selbst schon i. J. 888 (Urk. K. Arnulfs bei Lacomblet Urk. B. I , Nr. 76) von dem servitium dieser Art befreit war, was wiederholt bestätigt wurde : Urkunde Ottos I. v. 936. Ottos II . v. 985 (das . I. Nr. 92 , 120) usw.

96

ist sehr begreiflich, weil seit dem 19. Juli 1356 die Exemtion des Abts ausgemachte Sache war und durch eine solche seine Jurisdiktion aufgehört hätte. 2. Bis 1551 besassen die beiden Beneficien ihr selbständiges Vermögen ; deren Einkünfte sollten nach der früheren Anordnung dem Abte zufallen (cedere) , so weit sie nicht Das ist bei irgend zur congrua nötig waren. aufmerksamer Lesung der Urkunde zu bestreiten unmög lich, denn die distinctio ist ohne eine Scheidung der Vermögensbestandteile, wonach die einen Güter und Einkünfte dem Rektor als Congrua, die Einkünfte anderer den Abte zugewiesen wurden, undenkbar.

Es geht auch offen-

bar hervor, dass die Beneficiaten alle zu verwalten hatten, weil gerade der Verderb darin gefunden wird, dass sie die Einkünfte nicht an den Abt ablieferten. Hätte der Abt, das Kloster selbst die Güter besessen, so wäre den Beneticiaten der gerigte abusus nicht möglich gewesen. 3. Auch die erwähnte Anordnung des Erzbischofs Friedrich hat offenbar nicht die Güter als solche bezw. alle dem Kloster inkorporiert, sondern den Abt nur ermächtigt , redditus de ipsis ecclesiis ultra resultantes, d. h. die nicht für die Congrua nötigen zu seiner mensa zu ziehen. 4. Dass 1551 das Stift die Güter der Kirchen nicht besass , ergibt sich aus der ausdrücklichen Er mächtigung der Urkunde, den körperlichen Besitz nach dem Abtreten der Beneficiaten zu ergreifen. 5. Die Urkunde von 1551 erklärt mit keinem Worte , dass die Güter der beiden Kirchen Eigentum der Abtei werden sollten, sondern nur, dass der Abt sie in Besitz nehmen, beständig den Besitz behalten und deren Einkünfte zum Nutzen des Klosters verwenden dürfe. VIII. Das Rechtsverhältnis bis 1551 ist folgendes.

Seit

Erzbischof Friedrich I. besass der Abt das Präsentationsrecht ; in den beiden Kirchen durften bestimmte Handlungen nicht stattfinden, sie waren selbständige beschränkte Pfarreien . An der juristischen Persönlichkeit und dem rechtlichen Charakter der Beneficien ändert das nichts (mein Lehrbuch des kath. Kir-

97

chenr . 3. Aufl. § 63. Hinschius System des Kirchenr. II. S. 447 ) ; wie auch historisch die Beneficien blieben und selbständig waren (IIinschius II. S. 441).

Ob die Geistlichen Welt- oder Klostergeistliche waren bezw. sein durften, erhellt nicht.

Im Laufe der Zeit war die Ordnung unpraktisch geworden, deshalb erfolgte die Neuordnung Heinrichs II. Nach dieser hatte

eine Scheidung des Vermögens beider

Kirchen bezüglich des Einkommens stattgefunden.

Ein

Teil

wurde als Congrua den vicarii und zur Persolvierung der diesen obliegenden Leistungen an den Bischof usw. belassen, der andere dazu bestimmt, dass sein Einkommen an das Kloster falle. Weshalb diese Feststellung erfolgte, ist sehr klar. Recht ' ) seit 1103 verlangte :

Das kanonische

1 dass bei den unierten Kirchen vicarii perpetui bestellt würden,

2. dass diesen eine feste portio congrua angewiesen werde. (C. 12. X. de praeb. III. 5. , wonach der Bischof keinen von Mönchen präsentierten Vikar einer ecclesia parochialis annehmen soll,,,nisi tantum ei de proventibus ecclesia e coram te fuerit assignatum, unde jura cpiscopalia possit persolvere am sustentationem habere . "

et congru

C. 30. X. de praeb. III. 5. zunächst für die mit Dignitäten oder Kanonikaten verbundenen : ,,concedimus, ut .. in ipsa parochiali ecclesia idoneum et perpetuum habeat vicarium canonice institutum, qui, ut praedictum est, congruentem habeat deipsius ecclesiae proventibus portionem . . . Illud autem penitus interdicimus, ne quis in fraudem de proventibus ecclesiae, quae curam habere debet proprii sacerdotis, pensionem alii quasi pro beneficio conferre praesumat . “ Dies Gesetz ist mit Ausschluss jeder Ausnahme und Gewohnheit erneuert für alle Ordens 1) Vgl. auch c. I. X. de cap. mon. III. 37. c. un . de cap. mon. in VI. II. 18. 2) Von Clemens IV. , nicht III. , wie in den Ausgaben steht . Siehe meine Dekretalen zwischen den Dekretalen Gregor IX. und Lib . VI . S. 791 .

198

patrone in C. 1 de praeb. in VI . III. 4.¹) und noch schärfer in Clem. 1. de jure patr. III . 12. v. J. 1311.

Es muss danach

die feste Zuweisung innerhalb eines bestimmten Termines geschehen, widrigenfalls der Ordinarius anwies. IX. Es ist gezeigt worden, dass die Urkunde von 1551 ergibt, wie die portio congrua seit Erzbischof Heinrich durch Belastung der Güter bei den Beneficien unter der Auflage, einen Teil des Ertrags an den Abt abzuliefern, bestellt war. Gerade diese Art der Festsetzung lässt mit Sicherheit schliessen, dass der Akt des Erzbischofs Heinrich vor 25 . Oktober 1317 fällt . Denn nach der auf dem Konzil von Vienne 1311 vorgenommenen Erneuerung von C.

1 de praeb. in Vi.,

welche in die am 25. Oktober 1317 publizierten Constitutiones Clementis V. als Clem. 1 de jure patr. II. 12 aufgenommen ist, hätte der Erzbischof auch anders verfügen dürfen .

Mit diesem Resultate

stimmt

augenscheinlich

eine

am

1. Juni 1317 vom selben Erzbischof Heinrich II. vollzogene Urkunde über die Inkorporation der Pfarrkirche zu Hochemmerich: bei Duisburg in dieselbe Abtei. (Lacomblet U. B. III. No 138 (S. 117) . Es heisst darin : ,, ecclesiam parochialem in Embrich juxta Duseburgh nostre dyocesis, cujus jus patronatus ad ... prepositum monasterii Werdinensis seu ipsi monasterio W. tanquam verum patronum ejusdem pertinere dinoscitur, preposito et conventui W. ceu ipsi monasterio W. incorporamus per praesentes, salvis juribus sedis ap. et legatorum ejusdem, dyocesani, archidiaconi loci ac aliorum quorumcumque, qui de jure vel consuetudine de eadem subventiones vel servitia hactenus consueverunt, ad que prestanda et solvenda, ac hospitalitatem congruam observandam plebano seu perpetuo vicario dicte ecclesiae ad praesentationem dicti prepositi queciens dictam ecclesiam va care contigerit , perloci archidiaconum instituendo, hos reddit us deputamus

e

cadem ecclesia memorata, videlicet viginti et octo journales terrae arrabilis doti dicte ecclesiae

1 ) Meine Geschichte der Quellen u. Liter. des kan. Rechts II. S. 45.

99

attinentes, oblationes et emergentias altaris dicte ecclesie¹ ) , nec non denarios, qui prefati preposito hactenus solvi consueverunt, ac minutam decimam totam cum aliis si que legantur in antea ecclesie memorate vel quocumque

titulo

in

bonis

mobilibus

seu

Immobilibus obvenerunt ecclesie antedicte, que soli pastori pro tempore existenti reservanda et hubenda deputamus.

Ceteris redditibus ultra praemissis resultan-

tibus preposito et conventui predictis cedentibus ex incorporatione predicta . . . Ordinamus etiam, quod de cetero is, qui ad dictam ecclesiam fuerit praesentatus, in eadem personaliter resideat." Hier haben wir wohl ziemlich den Wortlaut, welchen auch die in der Urkunde von 1551 erwähnte, vielleicht am selben Tage ausgestellte hier in Betracht kommende Inkorporationsurkunde gehabt haben dürfte .

Die Scheidung des Vermögens, der Vor-

behalt der Rechte, die Besetzung, die Bestimmung der ceteri redditus sind gleich, es fehlt nur die residentia personalis, in Widerspruche mit dem kanonischen Rechte

(mein System S.

257, Lehrbuch S. 331 , Phillips Kirchenr. VII. § 387) . Die Vikarie erhält 28 Ioch des Dotallandes, dann andere Einkünfte, Zehnten, da zu alles neu zu erwerbende, der Rest fällt dem Kloster zu. Wenn diese zur selben Zeit , vom seiber Erzbischof, demselben Kloster gemachte Inkorporation nicht für fähig erachtet werden sollte, herbeigezogen zu werden, dann wären historische Folgerungen überhaupt unzulässig . Dass die in Frage stehenden Pfarreien bezw. Vikarien vor 1551 bezw. 1317 eigenes Vermögen hatten, lässt sich auch sonst urkundlich erweisen.

In einer Urkunde von 1165 (cit . Zeitschr.

VII. S. 29) bestätigt Abt Adolf eine vom Priester von St. Clemens am Born zu Gunsten seiner Kirche gemachte Schenkung. welche die jeweiligen Pastoren von St. Clemens, St. Lucius und St. Nicolaus zu verwalten hatten. Letztere Kirche besass gleichfalls ihren Dotalmansus (Lacomblet U. B. I. No. 402) .

Das ka-

nonische Recht liess überhaupt keine Kuratkirchen zu ohne dos

1 ) Hier zeigt sich sehr genau, dass auch die Stolgebühren nur eingerechnet werden und also nur einen Teil des Einkommens bilden.

100

für den Seelsorger (die Stellen in meinem System S. 308, Hinschius II. S. 389). An dem bestehenden Rechtsverhältnisse änderte nun die Urkunde von 1551 folgendes : 1. sie gestattete die Versehung lebende Mönche ,

durch

im

Kloster

2. sie setzt ausdrücklich keine fest bestimmte Kongrua aus, legt vielmehr alle Abgaben Stifte auf,

und Lasten dem

3. sie gestattet dem Abte die Inbesitznahme der Güter und den unmittelbaren Bezug sämtlicher Einkünfte aus ihnen und den Kirchen. Nun ist aber durch diese Urkunde bewiesen, dass die Anordnungen des Erzbischofs Heinrich keinen dauernden Erfolg gehabt, dass vielmehr die Beneficiaten das ganze Einkommen

aus den von

ihnen besessenen Gütern bezogen , weil das ausdrücklich gesagt wird und gerade

die

dem Abte einge-

räumte Besizergreifung mit logischer Notwendigkeit Voraussetzt, dass er den Besitz nicht hatte. X. Es waren also tatsächlich am 13. August 1551 die beiden Beneficien dem Stifte quoad temporalia gar nicht inkorporiert. Wenn der zweite Richter sich darüber mit den Worten hinwegsetzt : ,,auch enthält die Urkunde vom 13. August 1551 mi wesentlichen keine neue Inkorporation, sondern bestätigt nur die frühere und beseitigt nur den bisherigen illegalen Zustand , so ist das absolut irrig, da ein wesentlich anderer Zustand gesetz werden sollte.

Von einem illegalen lässt sich überhaupt nicht

reden, da nach dem kanonischen Rechte die Verjährung in solchen Dingen gerade so gut Platz griff, wie bezüglich anderer Privatrechte, nach ihm Wahlrecht, Patronat- und Zehntrecht , Freiheit usw. ersessen und verjährt, durch Verjährung ein beneficium regalare ein saeculare werden konnte usw.

(Vergl. meine Quel-

len des kath. Kirchenr. S. 255 ff. , Phillips, Hinschius II . S. 456). Sodann kann ein Kleriker nach dem Rechte durch annalis bezw. triennalis possessio das Recht zum Besitze bezw. das Beneficiu selbst ersitzen (Mein System S. 521 f. , Lehrbuch S. 295 , Hinschius II . S. 655 ff. , Philipps VII. S. 520 ff. ) .

101

Da niemand auch nur behaupten wird, dass von etwa 1317 bis 1551 kein Benefiziat drei Jahre und nicht wiederholt hinter einander mehrere besessen habe, da die Urkunde von 1551 feststellt, dass der Abt nicht im Besitze der Güter war, da nach dem Wortlaute der Urkunde von 1551 tam ordinatio Friderici quam incorporatio memorata temporum successu verschwunden war, só ist sonnenklar, dass a m 13. August 1551 die beiden waren, dass nicht inkorporiert Kirchen deren Beneficiaten die Güter als Beneficia ten und Vertreterdes Beneficiums als Eigentümers besassen. Dass ein Pfarr- oder sonstiges Beneficium nach dem gemeinen und kanonischen Rechte überhaupt juristische Persönlichkeit hat und 1551 hatte, wird wohl niemand bestreiten. XI. Unzweifelhaft ist, dass die in der Urkunde von 1551 gewollte Inkorporation keine incorporatio quoad temporalia et spriritualia ist . Denn bei einer solchen wird der Abt (Kloster) parochus habitualis, primitivus ;

es tritt keine Vakanz

ein, solange das Institut (Kloster) existiert ; es ist von Resignatio keine Rede ; der Vikar ist kein selbständiger, vicarius perpetuus ; der Abt ruft nach Belieben ab (Mein System S. 313, Hinschius II. S. 452 und die dort Citierten) . Die Urkunde von 1551 lässt dem Abte nur die Präsentation, verlangt die Institution durch den Archidiakon , fordert Vikar den Eid, regelt genau die Abberufung.

Das

vom

Gewollte

weist auch die versuchte Bestellung des Bavius auf. Es liegt also nur eine incorporatio quoad temporalia vor, wobei die Vorschriften über die Kongrua des vicarius perpetuus, die Residenz beobachtet werden mussten. Dass dies nicht ge schehen, war allein ein Nullitätsgrund.

Wäre aber die Urkunde

von 1551 zur vollen Durchführung gelangt, so würde das am 13. August 1551 den Beneficien gehörige Vermögen in den Besitz des Abtes gekommen sein gegen die Verpflichtung, die Lasten zu tragen aus dem Beneficialgute . Ein Aufhören der Persönlichkeit ist nicht die Folge der Inkorporation, wie der zweite Richter behauptet .

Es ist un-

zweifelhaft, dass die Kongrua aus der inkorporierten Kirche gehörigem Vermögen belassen werden musste . Das kanonische

102

Recht erklärt den vicarius perpetuus als Beneficiaten.

Innocenz

III. sagt in C. 27. X. de reser. I. 3. , wo er entscheidet, dass der Bischof nicht gehalten sei einem solchen mit Kongrua auf Grund päpstlichen Reskripts ein anders Beneficium zu geben : „ Non enim beneficio (ecclesiastico) carere debet dici, cui competenter de perpetuae vicariae proventibus est provisum ", und bezeichnet ein solches Reskript wegen Verschweigen des Inhabers als erschlichen. Sodann bleibt das von der Vikarie erworbene neue Vermögen der Kirche, dessen Einkünfte der vicarius bezieht, wird also neues Dotalgut (Berardi Commentarii ad decret. Greg . IX. Lib . III. diss. 3. C. 8. Hinschius II. S. 450 Anm. 3. die anges. Urk. v. 1. Juni 1371 ) . Durch einen neuen Erwerb wird die Pflicht des Stifts usw., dem inkorporiert ist, geringer, falls die frühere Kongrua nicht mehr hinreicht. Nach dem 1551 geltenden Rechte musste ein vicarius perpetuus bestellt und mit fester Kongrua versehen wer den, auch persönlich residieren . Wenn der Erzbischof sich darüber hinweggesetzt , weil Neukirchen schon seit 10 Monaten in Händen eines protestantischen Pastors war und überhaupt offerbar wegen drohender Protestantisierung, so hatte er im Widerspruch mit dem jus commune dazu kein Recht. Aber diese Verhältnisse erklären das Vorgehen. XII. Der Beweis der Nichtausführung der Urkunde von 1551 ist bis zu einem solchen Grade ermöglicht, dass ein Zweifel sehr gesucht erscheinen muss. Es ist aus den zum Teil schon in den beiden Instanzen beigebrachten und anderen Urkunden erwiesen bezw. zu erweisen : 1. im Jahre 1698 und 1730 hat der Pfarrer von Neukirchen Parzellen angekauft, welche in den streitigen Grundstücken liegen, für sich und seine successores. Das beweist erstens die Selbständigkeit und zweitens, dass die jetzigen Grundstücke überhaupt 1551 nicht sämtlich hätten werden können ;

inkorporert

2. im Jahre 1646 verpachtet der Pastor von Neukirchen. Heinrich Dücker, Gartenstücke der Pastorat ; 3. 1651 wurde der Pfarre Neukirchen ein Garten geschenkt , der an einer Seite an die Gärten der Pastorat anstiess ;

103

4. 14. Juli 1697 nimmt der Abt als Kollator unserer allhier vor Werden gelegenen Pastorat St. Clementis eine Verleihung vor mit der ausdrücklichen Feststellung, dass unserem Pastorat oder einem zeitlichen Pastore daselbst jähr lich der gebührende Zins usw. zu zahlen, beimAbsterben des Beliehenen dem Pastor eine Kurmedde verfallen sei ; č. in einem Urkunde vom 14. Juni 1724 tut der Abt ein zinsbares Grundstück aus mit der Auflage, dem jeweiligen Pastor S. Clementis auf dem Berge den Jahreszins und in Falle des Absterbens eines Besitzers die Kurmedde zu prästieren ; 6. 9. September 1760 wird dem Pastor zu Neukirchen

ein

Stiftungskapital von 25 Rthr. geschenkt ; 7. in einer Urkunde von 1780 verkauft der Pastor zu Neukirchen mit Genehmigung des Abts ein der Pastorat gehöriges Grundstück, quittiert über den Kaufpreis und setzt den Käufer ins Eigentum ; 8. am 24. Februar 1791 tut der Abt kurmödiges Gut aus, das ,,in die Pastorat S. Clementis dahier zu Born zu Churmodigem behandt und zinsrechten gehörig ist" in Genehmigung eines vom Pastor 1671 geschlossenen Vergleichs ; 9. 11. November 1794 leiht der Pastor zu Neukirchen mit Konsens des Abts und unter Verpfändung der Pastorat 300 Rthr., dieselben sind 1810 und 1824 zurückgezahlt worden durch den Pastor van Gülpen ; 10. 20. August 1796 wird mit Zustimmung des Abts ein Garten der Pastorat S. Clemens an die Eheleute Math . Wiese und Margaretha vom Stein verkauft.

Der Vertrag legt den Er-

werbern noch die Last auf, „ einen zur Pastorat und zu einem Garten derselben führenden Weg zu unterhalten". Der Bositztitel über diesen Garten mit derselben Last ist 1824 11.

Juni für

die Erben

zum

neuen Hypothekenbuch

über-

tragen ; 11. das Heberegister von Neukirchen weist aus, dass die Pastoren ohne Unterbrechung bis zur Säkularisation und seitdem die Pfarrer

die sich gleich bleibenden d. h. ans

denselben Objekten resultierenden Intraden selbst erhoben haben ;

104

12. auf dem im Eigentum der Abtei stehenden Halfmannshofe zu Schuir hafteten zu Gunsten des Pfarrers zu Neukirchen und

des

auf

dem Berge eine jährliche

Fruchtabgabe.

Diese Last trug bis 1828 der Staat , seitdem der Erbpächter ; 13. die Aussagen den in perpetuam rei memoriam vernommenen Zeugen, Exkonventuale Neuhaus, Fühles usw. - die Inschrift auf dem früheren Pfarrhause zu Neukirchen , ja auch die im Harlessschen Exposé - angeführten Prästationen zu Händen der Pastoren sind Anhaltspunkte. 14. Die Zeugin Bernhard bekundet, dass ihr Vater 1801 eineu Garten vom Pastor zu Neukirchen in Pacht hatte. Einen schlagenden Beweis für die Selbständigkeit von S. Clemens liefert die im Jahre 1518

erfolgte

Gründung

einer

geistlichen Stelle in Velbert . Die Stiftungsurkunde bestimmt, der Geistliche sei dem Pastor des h. Clemens zu benennen behuts der Einweisung durch denselben.

Es wird also eingehalten, was

das Recht bei solchen Teilungen vorschreibt. XIII. Es ist juristisch und historisch unmöglich im Ange sichte aller dieser Tatsachen zu bestreiten, dass die genannten geistlichen Stellen als selbständige Beneficien bestanden haben, eigenes Vermögen hatten und zu dem früheren neues hinzuerworben.

Das wird weiter dadurch bewiesen, dass beide Pfar-

reien, Neukirchen schon seit 1550¹ )

in den Händen evange-

lischer Pfarrer waren bis ins 17. Jahrh. hinein (R. Hempel, Geschichte der ev. Gemeinde zu Werden a. d. Ruhr. Werden 1859. 4S. 1 ff. 6. ff) .

Dass der Abt zu einzelnen Akten seine Zustini-

mung gab, war selbstverständlich, schon weil er Patron und Landesherr und auch geistlicher Oberer war

(Mein Lehrbuch S.

591 ) . Wenn der Abt, das Stift Eigentümer war, bedurfte es keines solchen Konsenses, sondern er selbst hatte den Akt vorzu nehmen.

Wenn der Verklagte die Pfarrer als seine Mandatare

handeln lässt , oder diese Dinge aus der ungeregelten Verwaltung u dergl. zu erklären sucht, so ist das keiner ernstlichen Widerlegung wert.

Denn wenn, wie er behauptet, das Gut sich wirk-

lich im Eigentum und Besitz der Abtei befunden hätte, wie ') Dass schon 1550 in Werden eine evangelische Gemeinde bestand , ist nicht zutreffend . Vgl . Jacobs , Werdener Annalen S. 99. [ Der Verfasser. ]

105

wäre dann ein Mönch dazu gekommen, sich derartige Dinge herauszunehmen, und wie hätte der Abt dazu einfach Ja sagen können

Eine Auflage zu Gunsten der Pastorat auf einem abtei-

lichen Grundstücke beweist sonnenklar die Verschiedenheit der Eigentümer.

XIV . Fragen wir nun, wie sich trotz der Urkunde von 1551 der alte Zustand erhalten oder der bis 1803 vorhandene bilden konnte, so ist dies an der Hand des Rechts und der Geschichte unschwer zu beantworten.

Möglich wäre , dass dem Rechte

konform 1551 eine bestimmte Kongrua in Gütern usw. belassen wurde, der Rest an die Abtei kam. Das würde die Streitfrage erledigen, da dann das belassene Gut nicht dem Kloster gehörte und jenes eben das wäre, was sie noch 1803 aus dem alten und ncu erworbenen hatten.

Aber dem widerspricht der durch die

beiden zu besprechenden Urkunden von 1603 erbrachte Beweis, dann dass die Aebte 1551 gar nicht in der Lage waren, dies zu tun, weil die Stellen besetzt waren, die eine sich schon damals lange Zeit beide in protestantischen Händen befanden. Aber es gibt rechtliche Gründe, welche allein die Nichtvollziehung erklären. Man muss es nur nicht machen wie der zweite Richter,

un

der sagt : Das Konzil von Trient hat zwar Inkorporationen verboten, diese fällt vor dasselbe , wird also davon nicht berührt. Das am 3. März 1547 erlassene cap. 6 de. ref. Sess. VII. concilii Tridentini , das in den folgenden über denselben Gegenstand : Sess. XIV. c. 9, de ref. vom 25. Nov. 1551 , S. XXIV . c. 13 de ref. vom 11. Nov. 1563 , S. XXV. c. 9 de ref. bestätigt wurde, bestimmt : Die vor 40 Jahren gemachten uniones¹ ) perpetuae sollen von den Ordinarien geprüft und im Falle der Erschleichung vernichtet werden ; die seit dem gemachten und noch nicht ganz oder teilweise in Vollzug gesetzten und in Zukunft stattfindenden, auf wessen Anstehen sie statfinden mögen, sollen, wenn sie nicht als aus gesetzmässigen und sonst vernünftigen von den Ordinarien unter Zuziehung aller Interessenten zu verifizierenden Gründen gemacht konstatiert werden, als erschlichen angesehen werden und 1 ) Dass unter unire die incorporatio fällt , ist klar und allgemein angenommen. (Hinschius II. S. 446 Anm. 1. , auch nur Ducange, Glossarium sub. N. v.)

106

aller Kraft entbehren, es sei denn vom Papste anders verfüigi. Ein gesetzlicher Grund lag für diese Inkorporation nicht vor. (Siche über die gesetzlichen Gründe der Unionen mein Lehrbuch S. 257, Phillips VII. S. 315 ff. , Hinschius II. S. 417 ff. ) Sie war noch nicht 40 Jahre alt, nach 1547 gemacht, ja 1547 war gar keine , wie gezeigt ist vorhanden .

Von 3uziehung der Interessenten ist gar keine Rede ' ) Als solche mussten hinzugezogen werden die Parochia nen bezw. die Kirchmeister, der Vorstand

( Phillips VII. S.

351. Hinschius II. S. 423 ff. ) Von einer Sanation durch der Papst existiert keine Spur. Nun kommt cap. 13 de ref. Sess . XXIV . Coue . Trid. und bestimmt § . In unionibus vero :

„ Ecclesiae

parochiales sollen

Klöstern irgendwelcher Art , oder Abteien . . .

nicht

uniert

werden, und die unierten sollen von den Ordinarien gemäss einem andern unter Paul III. erlassenen Dekrete dieser Synode --- das ist eben c. 6. Sess. VII.

revidiert werden , und dieses

soll auch in den von jener Zeit an unierten gleichmässig beobachtet werden. Und schliesslich verfügt c . 9 de ref. S. XXV. $. Quae vero : ,,Die seit 40 Jahren gemachten Unionen , welche Wirkung und volle Inkorporation erlangt haben, sollen nichtsdestoweniger von den Ordinarien als Delegaten des apost . Stunles revidiert und untersucht werden und die erschlichenen mit der Union annulliert und die Beneficien separiert und anderen übertragen werden." Dass eine Union nicht durch die Urkunde

so

fort volle Wirkung erlangt, wie der zweite Richter annimmt, ergibt sich aus dem Wortlaute des Gesetzes ( S. VII. c. 6 XXV . c. 9 de ref. Conc. Trid. ") . konstatiert, dass der sofortige Vollzug

Die Urkunde von 1551 gar

nicht

eintreten

1 ) Hat das Kapitel consentiert? Ohne dessen Konsens ist der Akt formell nichtig (mein Lehrbuch S. 257 Hinschius II. 153 , 417) . Die blosse Anhängung des Siegels auf Bitten des Abts ist kein Konsens. Die Beneficiaten konnten für sich nicht hindern, weil die Inkorporation erst nach ihrem Abtreten vollzogen werden sollte. Aber ratsam wäre ihre Zuzichung doch. ( Hinschius II. S. 422.) 2) Wenn der Richter sich auf Ilinschius II. S. 432 beruft, hätte er daselbst S. 422 lesen sollen , um zu sehen, dass derselbe sich S. 432 ungenau ausdrückt.

107

konnte, weil er erst nach der Erledigung durch Abtreten der jetzigen Beneficiaten

gestattet wurde.

zichung war also unmöglich .

Eine

sofortige Voli-

Nun verbietet das Konzil Unionen

von Pfarrkirchen mit Abteien und verlangt Revision selbst der vollzogenen, die noch nicht 40 Jahre alt waren, was selbstredend von 1551 bis 1563 nicht der Fall ist. Für S. Clemens ist durch die vom Verklagten selbst beigebrachte Urkunde von 1603 betreffend Bavius bewiesen, dass man sie erst 1603 zu vollziehen suchte , dass jedenfalls 1563 ,

da Pastor Tacke 1579 starb, die

Union nicht vollzogen sein konnte ; das andere Beneficium war seit 1550 ) in protestantischen Händen und blieb darin bis tief ins 17. Jahrhundert ( Hempel a. a . O. ) . befindlichen Beneficiaten lebten also noch

Die 1551 im Besitz als solche, als das

ganze Konzil am 1. Mai 1564 (Bulle Pii IV. Sicut Deus XV. Kal. Aug. 1564 ) in Kraft trat . Die Union war seit dem c . 6. Sess. VII. Conc. Trid. ver fügt, musste in jedem Falle aufs neue geprüft und revidiert werden nach Inhalt der drei Dekrete . Sie war als erschlichen zu annullieren, schon weil die Interessenten nicht zugezogen waren; sie entsprach obendrein nicht den im c. 7. Sess . VII. Conc. Trid. gegebenen Vorschriften bezüglich der Kou grua , obwohl sie später gemacht war ) .

Wenn nun eine Prii-

fung nicht stattgefunden hat, erwiesen ist , dass das Vermögen getrennt blieb bis 1803 , wenn beide Stellen sogar lange Zeit in Händen evangelischer Pastoren waren, so ist es sehr leicht einzusehen, dass man eben die nicht vollzogene Inkorporation auf sich beruhen liess.

Das war, abgesehen von dem klugen Ver-

halten des Abts Duden (1573-1601 ) (Hempel S. 12 , Schunken, Geschichte der Reichsabtei Werden a. d. Ruhr, S. 171 ) , sehr natürlich, weil man, so lange die Protestanten sie in Händen hatten, nichts machen konnte, als man dieselben wieder katho-

1) Aus dem oben angeführten Grunde ebenfalls nicht zutreffend [Der Verfasser. ] 2) Die Frage : ob die Inkorporation nicht schon wegen regula Concell . ap. XIII. binfällig wurde (s. auch Hinschius II. S. 433 ) soll gar nicht erörtert werden, obwohl seit 1551 , wo Papst Julius III. regierte , bis 1603, wo ein Versuch der Ausführung gemacht wurde, 9 Päpste regierten, und 1603, wo Bavius ernannt wurde, P. Clemens VIII., bei der effektiven Besetzung ein anderer Papst regierte.

108

lisch gemacht hatte, aber abstand, weil man sie in Rom kaun erreicht hätte . Nur bezüglich eines Beneficium liegt ein Faktum aus dem Jahre 1603 vor, das der Beklagte als Beweis gebrauchen will von der Vollziehung, der Revers des Theod . Bavius vom 8. April 1603. Dieser beweist aber nur gegen den Verklagten.

Denn :

1. er sagt : ,, Die Kapelle des h. Clemens sei seit dem Tode des rechtmässigen Besitzers dem Kloster vereinigt und inkorporiert zufolge des ihm gewordenen Kollationsschreibens.

Nun starb Heinrich Tacke 1579 !

2. Bavius ist am 10. August 1606 gestorben, der von ihm als rechtmässig entfernt angegebene Franz Homberg aber erst 1607 vertrieben.

(Schunken Gesch. S. 173. )

Also ist die

Verleihung nur ein Versuch, die Stelle wieder katholisch zu machen. 3. Bavius selbst (Passus deinde octavo) spricht von fructus vel redditus cappelae.

Das Fabrikeinkommen gehörte ihm

selbstredend nicht ; dass damit auch keine Stolgebühren bezeichnet werden, ergibt der Ausdruck' ) für einen Fall (octavus) von Zuweisung der ,,honesta et necessaria sustentatio de fructibus praefatae cappelae" oder „,alia de redditibus praefatis ad suam sustentationem facta dispositis", was doch nur denkbar ist, wenn dieselbe besonders nicht im Gute der Abtei aufgegangenes Vermögen hatte . 4. Bavius beklagt (,,praeterea ") , dass die Parochianen neuerdings Manches zum Nachteil des Kollationsrechts und der Inkorporation getan und verpflichtet sich deshalb nochmals zu unbedingtem Gehorsam. Da die Behauptungen des Bavius, zumal nach seinem Revers unter primo, zu Gunsten der Abtei sicher nicht beweisen. beweisen sie umsomehr gegen. Für Neukirchen liegt keine Spur der Vollziehung vor. Mit Instrument vom 12. April 1603 bestätigt der Neusser Dekan die Präsentation.

Die Urkunde ist sehr wichtig .

Denn :

1. sie spricht ganz konform der Geschichte nur vom Patronat 1 ) Siehe N. VI . und IX. und besonders in N. IX. die Bezeichnung für Stolgebühren u. dgl .

109

des Abts auf Grund der Inkorporation, stimmt also genau mit der in N. XI . eingangs gezogenen Folgerung. 2. sie benennt das Beneficium pastoratus seu parochialis ecclesia S. Clementis in fonte, 3. sie sagt : ,,in et ad pastoratum parochialis ecclesiae divi Clementis in fonte cum juribus proventibus pertinentiis vigore incorporationis ejusdem admisimus, ipsumque in pastorem et possessorem ejusdem instituimus" . (Dies besteht in der Aufsetzung des

Biretts

nach

Ab-

legung des Obedienzeides gegen den Erzbischof usw. ) , 4. sie weist alle Untergebenen an, den Eingesetzten in die ,,realem actualem et corporalem possessionem pastoratus et ecclesiae S. Clementis juriumque et pertinentiarum ejusdem" zu setzen und einzuführen (ponatis et inducatis) , ihm ,,de fructibus et emolumentis universis"

zu respondieren

,,temporibus debitis et illicito detentore“.

exinde

consuetis

amoto

quolibet

Somit beweist diese Urkunde, dass Bavius lediglich ein Prä sentationsschreiben des Abts hatte, dass Bavius dieses durch seinen Vertreter Rutger Winkelmann dem Dekan präsentierte, dicser ihn bestätigte und symbolisch instituierte, damit er in den Besitz der Pastorat, des Beneficiums und der Kirche nebst dem ganzen Vermögen gesetzt werde und um ihm denselben gegen dass an eine plena iuden Inhaber wirklich zu verschaffen ' ) corporatio von seiten des Ordinarius gar nicht gedacht wurde. dass das selbständige Beneficium mit eigenem Vermögen als vorhanden angenommen und zu besetzen versucht wurde, dass der Abt nur Patron war. Es ist gleichgültig, ob diese Investitur Erfolg hatte, ob sie überhaupt, da das Beneficium nicht vakant

war, zulässig war (mein Lehrbuch S. 293 ) ;

liche Auffassung des Verhältnisses ist klar.

die

recht-

Der Revers des Ba-

vius ist nichts, als eine persönliche Abmachung mit dem Abte. Das entscheidende Instrument des Dekans bestätigt das Gesagte umsomehr, als es einmal selbst die Zeit der angeblich vollzoge1) Die wirkliche reale Einsetzung ist nötig (22. X. de praeb. III. 5. , c. 4. X. de concess. praeb . III. 8. ) , die eigenmächtige ist absolut verboten und zieht den Verlust des jus ad rem und in res herbei u. c. 18 de praeb. in 6. III. 4. Die Ermächtigung, die der Dekan gab, lebnt sich genau an die Worte des c . 4. cit. amoto quolibet dedentore an. Mein Lehrbuch S. 295.

110

ren Inkorporation konform mit Bavius angibt, also beweist, dass diese 1564 nicht vollzogen war, sodann die wirkliche Innehabung des angeblich entfernten Homberg als nicht vorhanden. annimmt, also gleich Bavius die Tatsache fingiert, das Amt sei seit dem Absterben des Tacke vakant, und damals die Inkorporaion dadurch geschehen.

Dass der Abt Besitz

ergriffen

habe, was er doch nach der Urkunde von 1551 musste, sagt aber selbst Bavius nicht. XV. Mit den festgestellten beste :

Resultaten

harmoniert

auís

1. dass die im Harlessschen Exposé aufgezählten Grundstücke usw. nicht die in der Klage beanspruchten sind, 2. dass im Catalogus abbatum resp. fratrum

seit 1551 eine

ganze Anzahl von Mönchen aufgeführt werden ,

die

aus-

drücklich als pastor S. Clementis bezeichnet werden ' ) , ( z . B. Friedrich von Camen † 1575, Heinrich Volschius † 1578 , Theod. Bavius † 10. Aug. 1606 , Johann Elbring † 15. Aug. 1607 , Benedikt Pallenius † 17. Iuni 1638 , Paul

Merbeck

3. Mai 1666 , Heinrich Masen, Wilhelm Zurwagen, Mathias Werners ,

Bernhard

Zurwagen,

Alfried Hüningh

usw. ) ; als Pastoren von Neukirchen") erschienen andere, zuerst Werner Hamel † 1633, dann Anselm Helmich † 10. Nov. 1666 , Mathias Werners † 1. Dez. 1690 us

w. ,

3. dass, wie auch die Entscheidung des Generaldirektoriums vom 30. August 1806 ergibt , die Abtei das Fabrikgut besass und selbst - ebenso bis heute der Fiskus für die Kultusbedürfnisse subsidiär aufkam³) . XVI. Auf Grund der bisherigen Darlegung darf als feststehend behauptet werden : Die in der Urkunde von 1551 intendierte Inkorporation der Pfründe ist erstlich den rechtlichen Vorschriften nicht gemäss, zweitens nie auf gesetzlich gültige Weise in Vollzug gesetzt worden . Sollte sie nach 1564 eintreten, 1 ) Schunken S. 172, 175 , 187 , 193, 198 , 199. 2) Schunken S. 187 , 193 , 198. 3) Uebrigens ist diese Pflicht schon daraus allein erklärlich , dass die Abtei das Zehntrecht hatte (mein System S. 548, Lehrbuch S. 577 , Permaneder, Handb. des Kirchenrechts 4. Aufl. S. 29, Richter-Dove 7. Aufl . S. 1155). Es ist also ganz gleichgültig, ob wirklich je Vermögen der Fabrik an das Stift gekommen war.

111

So war päpstliche Genehmigung nötig. (Vgl. auch Bouix, Tractatus de jure regularium, Paris 1857 , II. p . 53 ; Hinschius II. S. 446 oben. )

Hieraus folgt :

1. dasjenige Vermögen, welches sich bei Eintritt der Säkularisation im Besitze bezw. Genusse der Pastoren bezw. Vikarien befand, gehörte nicht der Abtei, stand nicht in deren Eigentum . 2. Da der R. D. H. S. von 1803 im § 3 zuweist ,,dem Könige von Preussen die Abteien. . . Werden ", da derselbe § 36 sagt : ,,die namentlich und förmlich zur Entschädigung angewiesenen Stifter, Abteien und Klöster . . . gehen überhaupt an ihre neuen Besitzer mit allen Gütern, Rechten, Kapitalien und Einkünften, wo sie auch immer gelegen sind, über", so ist das Vermögen der beiden Beneficien , weil es nicht zu den ,,Gütern, Rechten, Kapitalien und Einkünften" der Abtei gehörte, nicht an den König von Preussen übergegangen . 3. Das Gut der beiden Beneficien fällt unzweifelhaft unter den Ausdruck „ Kirchengut“ und ist daher nach § 63 R. D. H. S. der katholischen Religionspartei verblieben und garantiert. XVII. Das A. P. L. R. II. 11. §§ 618 170, 772

spricht

das Eigentum der Parochialgüter der kath. Kirchengesellschaft Die Klägerin , deren Legitimation unbestritten ist, ist deren

zu.

rechtmässige Vertreterin und nach §§ 1 , 3 N. 1 , 51 Ges. vom 20. Juni 1875 selbständig zur Klage legitimiert. Die Klage ist mithin in jeder Hinsicht be. gründet , die im Eingange aufgestellte Frage zu bejahen. XVIII. Mit diesem Resultate steht

in vollster Harmonie

alles, was sich seit der Säkularisation 1803 bis zur

Beschlag-

nahme der Güter im März 1876 ereignet hat. Da diese Dinge in den Akten, besonders im ersten Urteile ausführlich erörtert sind, bedarf es lediglich einer Aufzählung. Es steht aktenmässig durch Urkunden und bezw. Zeugenaussagen fest : 1. dass die beschlagnahmten Güter seit 1803 ununterbrochen bis zum März 1876 im Besitze und Genusse der anstelle der

112

früheren Beneficiaten fungierenden Geistlichen sich befanden, 2. dass von seiten dieser bezw. des Kirchenvorstandes eine Reihe von Handlungen vorgenommen worden ist, wie sie nur der Vertreter des Eigentümers vornehmen kann, 3. dass von seiten des Staates die Fundierung der geistlichen Stellen mit denselben Stücken stattgefunden hat , welche sich bei Eintritt der Säkularisation in den Händen ihrer Vorgänger, der Pastoren von Neukirchen

und

auf dem

Berge befanden, 4. dass auch im Hypothekenbuche Eintragungen

zu deren

Händen stattgefunden und sich vorfinden , 5. dass die Kapläne seit Einführung der Gebäudesteuer für ihre beiden Häuser auf dem Berge zu dieser herangezogen worden sind, 6. dass die Klägerin seit 1803 die Versicherungsgebühren urd Kosten aller Reparaturen

an

den Beneficialgebäuden ge-

tragen hat, 7. dass die Grundstücke im Kataster, also auf Veranlassung der Regierung als den Beneficien gehörig eingetragen sind, 8. dass die Regierung zu Akten der Veräusserung seitens der Klägerin den staatlichen Konsens erteilt hat, durch die unzweideutigsten Akte die Beneficien bezw. die Gemeinde als Eigentümerin anerkannt hat, so namentlich in dem Erlass der Königl. Regierung zu Düsseldorf vom 8. Juli 1832, 9. dass Fiskus selbst eine Parzelle der Pfarre angekauft und den Kaufpreis gezahlt hat , 10. dass die ersten nach der Säkularisation angestellten Geistlichen, van Gülpen und Neuhaus, wie ihre Erklärung vom 13. Nov. 1820 beweist, sich für die rechtmässigen Besitzer des der katholischen Gemeinde gehörigen Pfarr- und Kaplanei-Dotalgutes mit sämtlichen Gründen und Häusern betrachteten.

Diese Erklärung ist um so wichtiger, als van

Gülpen vordem abteilicher Kanzleidirektor war und den ganzen Zustand genau kannte. Derselbe bezeichnet in der Verhandlung vom 11. Sept. 1823 das ehemalige Pfarrhaus zu Neukirchen als zur Dotation der Pfarrei gehörig

und

113

protestiert, dass er ohne Zustimmung des Kirchenvorstandes nichts ändern könne , 11. dass der Kirchenvorstand, so oft Veranlassung vorlag, namentlich 1823 , 1831 , massgebend eingewirkt und Akte `der Geistlichen nicht genehmigt habe. Wenn der erste Richter bei dieser Sachlage eine Prüfung des Zustandes vor 1803 für überflüssig hielt und der Klägerin auf Grund der Verjährung das Eigentum zusprach , so war das vou Standpunkte der Einfachheit aus berechtigt, obwohl nicht Wenn aber der zweite Richter, gestützt auf eine als vom historischen wie juristischen Gesichtspunkte gänzlich irrige nachgewiesene Deduktion die Zugehörigkeit der fraglichen

einmal nötig.

Güter zur Abtei annimmt, so bedarf

dieses keiner

weiteren

Widerlegung. Wenn derselbe zweite Richter aber trotz der angeführten Tatsachen nur un vollständigen Besitz erob diese dem formellen kennt , die Fundation des Königs Recht genau entspricht, ist irrelevant, da im Jahre 1803 eine geistliche Obrigkeit nicht existierte, hinterher die Anordnung der neven Stellen von der bischöflichen Behörde gebilligt ist —, welcher nach dem R D. H. S. ganz unfraglich, selbst falls die Güter der Abtei gehört hätten , zur „,freien und vollen Disposition" darüber befugt war, die ihm derselbe im § 35 auch für die nicht namentlich und förmlich überwiesenen Abteien gibt , wenn er diese lediglich als Anweisung von Nutzungen ansieht und sogar fraglich lässt , ,,ob der Besitz hat eingeräumt werden ein Besitz, der von 1803 bis 1876 gedauert hat ! sollen wenn er im Jahre 1879 plötzlich findet, dass der Staat die An weisung des Eigentums im Jahre 1803 ,,in anderer Form als in ciner Bestallung eines Geistlichen getan haben würde", weil er nicht bedenkt, dass jede andere überflüssig war, indem die Güter von den bisherigen Benficiaten besessen und genossen wurden, wenn er die Akte der Regierung durch ungenügende Information, Fehlgriffe, Distinktion der Regierungsabteilungen als unpräjudizierlich darzutun sucht, wenn er trotz aller Tatsachen findet, dass plötzlich erst in den vierziger Jahren die Geistlichen zu dem Glauben gekommen seien, sie hätten es mit Pfarrgrundstücken der Kirche zu tun, wenn er trotz der Fundation des Königs, die doch immerhin bloss einer Person galt, den ersten

114

Geistlichen und trotz des Besitzes ihrer Vorgänger diesen Glau ben abspricht, wenn er schliesslich eventuell das Dotalgut durch einen Irrtum aus dem Eigentum des Staats gelangt sein lässt (selbst ohne zu bedenken, dass die Erfordernisse der Ersitzung bei der am 13. Juni 1803 vorgenommenen Fundation gar nicht dem erst 1804 eingeführten A. P. L. R. , sondern bezüglich des Anfangs nach dem gemeinen Rechte zu beurteilen wären), so vermag ich diese Argumentationen nicht zu fassen. Nur Eins sei noch gesagt.

Hätten die fraglichen Güter in.

Eigentum der Abtei gestanden, so war und blieb dieselbe nach dem Rechte (No. VIII, C. 7 de ref. Sess. VII. Conc. Trid. C. 5 cod. , C. 18 de ref. Sess. XXV . Conc. Trid. ) zur Anweisung einer festen Kongrua verpflichtet.

Mit der Uebernahme der Güter

wäre diese Last¹) um so mehr auf den neuen Erwerber selbstverständlich übergegangen, als dieser den Bestimmungen der Urkunde von 1551 gar nicht anders hätte entsprechen können, und hein Recht erlangte, Pfarrstellen eingehen zu lassen.

Der neue

Erwerber hat dotiert, hat auf die einzig zulässige Art dotiert. Mochte er im Glauben sein, die Güter seien ihm (dem Staate ) zugefallen, oder nicht, in jedem Falle hat er die Kongrua durch Ueberweisung von Gütern bestellt. Geschah das ohne Intervention des Erzbischofs, so ist das erklärlich, weil keiner da war und weil er sein Motiv selbst deutlich angibt . Es ist nun undenkbar, dass Friedrich Wilhelm III. für sich und seine Nachkommen für die Kongrua geistlicher Stellen die bisher denselben zustehenden Güter usw. als Fundation anweist und gleichzeitig ohne jedes Wort, woraus man eine solche Folgerung ziehen könnte, seinen Akt als eine blosse Anweisung bestimmter Einkünfte aus Staatsfonds erscheinen lassen will ! Es ist unbegreiflich, zu sagen : Die preussische Regierung hat von 1803 bis 1876 nicht gewusst, dass die Güter katholischer geistlicher Stellen, die sich wohl teilweise seit fast 1000 Jahren bei deren Vorgängern befanden, ihr gehörten, obwohl sie 1803 alles einzog, was sie einziehen zu können sich berechtigt glaubte .

Es ist un-

zweifelhaft, dass, wenn die fraglichen Güter der Klägerin rechts1) Auch Richter-Dove, Lehrb. des Kirchenr. 7. Aufl. 1874 S. 1098 oben sagt ausdrücklich : " Uebergegangen sind allerdings die speziellen Verpflich tungen, welche den aufgehobenen Instituten in Beziehung auf Seelsorge und Unterricht oblagen “.

115

kräftig abgesprochen wurden, diese im Wege der Klage den Fis kus dazu verhalten könnte, eine feste eigentümliche Dotation zu bestellen.

Dies weiter auszuführen, ist unnütz, da das Eigentum der Klägerin als erwiesen angenommen werden muss, sowohl weil die Güter niemals im Vermögen der Abtei enthalten waren , als auch weil alle Erfordernisse der vollendeten Ersitzung vorliegen. Bonn , 23. September 1879. Dr. Joh. Friedrich von Schulte , Königl. Geheimer Justizrat und ord. Professor der Rechte .

X.

Urteil vom 19. März 1847. In Sachen des katholischen Pfarrers und Kirchenvorstandes in Werden, als Delegierte der Erzbischöflichen Behörde in Köln , Kläger, wider den Fiskus, als Successor universalis der säkularisierten Reichsabtei Werden, vertreten durch die königliche Regierung zu Düsseldorf, Verklagten, hat die Zivil-Deputation I. Instanz des königlichen Oberlandesgerichts zu Hamm, bestehend aus dem Oberlandesgerichtsdirektor Wever, dem Oberlandesgerichtsrat Rocholl und dem Oberlandesgerichsassessor Goerdeler, in ihrer Sitzung vom 19. März 1847, auf mündliche Verhandlung, den Akten gemäss, für Recht erkannt : dass die Kläger mit ihrem Antrage, den Verklagten zur stiftungsmässigen vollständigen Verwendung der in Separato auszumittelnden jährlichen Intraden der in der Klage angeführten frommen Privatstiftungen in den katholischen Kirchen und Kapellen zu Werden, wenigstens vom 11. November 1813 ab, zu verurteilen,

abzuweisen und ihnen auch die Kosten zur Last zu legen, von denen jedoch die gerichtlichen armutshalber niederzuschlagen. Von Wegen. Rechts

116

Gründe : Im Auftrage des Erzbischofs von Köln haben der Pfarrer und der Kirchenvorstand der katholischen Gemeinde in Werden den Fiskus als Universalsuccessor der säkularisierten Reichsabtei Werden auf Verwendung der Intraden der Werdenschen Vikarie- und Anniversarienstiftungsfonds zu stiftungsmässigen Zwecken belangt. Sie behaupten, dass in den verschiedenen , dem öffentlichen Pfarrgottesdienst gewidmeten Kirchen und Kapellen der Stadt Werden bis zur Säkularisation und Besitznahme der Abtei durch Preussen, den 18. Februar 1803, folgende Privatvikarien und Anniversarien oder Memorienstiftungen bestanden hätten : A. Vikarien.

1.

die Vicaria Beatae Virginis Mariae,

2. die Apostelnvikarie, 3. 4.

36

die Vicaria St. Nikolai in der Kapelle auf dem Markte, Mariae Magdalenae , "" 5. S. Severini,

6.

2:

99

7.

""

""

8.

""

S. Benedicti, S. Johannis Baptistae, S. Crucis ,

9. die Stiftung zur Kirchenkluft.

1. 2.

B. Aniversarien und Memorien-Stiftungen. die von Johannes von Bur von 1329, ""

""

4.

""

""

5.

22

""

6.

""

""

8.

""

36

8.

""

34

9. ""

99

""

99

12.

36

11.

1331 ,

Pastor Gottschalke auf dem Berge 1336, Constantin von Soest

1336,

1339 für die Eheleute von Soer. Gerburgis Dietrich von der Leiten und seinem Sohne Eberhard 1340, Eberhard vom Walde

7.

10 .

Constantin von Soest

1341 ,

Agnes von Oefte 1347 , Bertha auf dem Warth - 1350, Mechtilde von Lynepe wegen der Kückelheimschen 1353 , Güter Heinr. von Blankenstein 1382 , Belen Vincke

1376,

117

13. die von Heinrich von Oefte 1399, 14. "" 9 Arndt, Heinrich von Oefte und Johann vom Stege 1396, 15. ― 1399, 99 "" Ludwig von Blankengevel 16. Diedri Bynch ch of 1405 , "" 99 17. 99 1406, 99 Bynchove und Joh. Gassel — 18. 1406 , "" Dietrich von Bynchove 1 ) . "; "" Dietrich von Bynchove aus dem Abdinghofe 1406

21 . 22. 23.

24.

""

Gertrud in der Münte

66

20.

99

Gertrud in der Münte

99

99

Dietrich Dücker

99

""

Jöricken Vehoff — 1481 ,

99

""

Elsa von Gummersbach für die Nikolaikapelle

99

1408 , 1416 ,

1426,

25.

""

99

1511 , Elsa von Gummersbach für dieselbe

1512,

"?

""

von derselben — 1516 ,

99

99

28. 29.

""

""

Elsa Wintersberg 1519, Claes von Tietz für die Nikolaikapelle --

1531 ,



26.

27.

1541 ,

30.

99

29

Siebert von Bisswick, Probst zu Cleve 1566 , den Erben Höfkens

31 .

29

99

Georg Padberg, Pfarrer in Affeln

32.

87

99

Maass,

33. 34.

""

99

99

""

Hesper, Abt Ferdin. von Erwitte für die Familie von Er-

29

1699 ,

witte und von Eller. C. An. Stiftungskapitalien , wovon die Urkunden zwar nicht mehr vorfindlich, die aber in dem Kirchen-Memorienbuche der Abtei Werden aufgeführt seien : a. 12. Februar 20 Goldgülden als Kapitalsumme, b. 26. Februar 50 Goldgülden als Kapitalsumme , C. 1. März 50 Goldgülden als Kapitalsumme, d.

2. August 50 Goldgülden als Kapitalsumme nebst 3. Fl. Rente.

c. 23. Oktober eine Rente von 100 Goldgiilden, wovon jedoch die Armen 36 Goldgülden haben sollten,

f. 14. November 150 Goldgülden als Kapitalsumme, g. 4. Dezember 100 Goldgülden als Kapitalsumme,

118

h. i.

6. Dezember 40 Goldgülden als Kapitalsumme, 7. Dezember 20 Goldgülden als Kapitalsumme,

k. 27. Dezember 60 Goldgülden als Kapitalsumme. Die Existenz dieser Vikarien- und Anniversarienfonds soll sich ergeben :

1. aus dem von dem letzten Reichsabt zu Werden, Beda, angefertigten und von der Königl. Aufhebungskommission der Reichsstifte Essen, Werden und Elten am 3. Februar 1803 übergebenen Verzeichnisse , überschrieben ; ,,Kathol . Religion Armen- und Kirchen-Gut bei der Abtei Werden ,,. Diesem sind die Zeugenaussagen zum ewigen Gedächtnis der Fxkonventualen Fühles und Neuhaus, sowie des Küsters Barkhofen über die früheren Verhältnisse des Pfarr- und Kirchenwesens im Bezirke des vormaligen Stifts Werden angehängt . 2. aus den vom Fiskus aus der Werdenschen Abteilung des Königl. Provinzialarchivs in Düsseldorf durch den Archiv rat Lacomblet eidlich zu edierenden bezüglichen Stiftungsurkunden und Nachrichten über die Werdenschen Vikarienund Anniversarienfonds, sowie aus dem vomAbt Beda angeführten Memorienbuche der alten Kellnerei- und Prioratsregistern und Rechnungen der Abtei Werden . Nach den § 63 und 65 des Reichs- Deputationshauptrezesses Vom 25 Februar 1803 seien diese frommen kirchlichen Privatstiftungen, die nicht zu dem eigentlichen abteilichen Korporationsgute gehörten, sondern nur von der Abtei verwaltet wor den, der Säkularisation nicht unterworfen, sie hätten also der bestimmten Vorschrift des A. L. R. T. II Tit. 1. §§ 192. 193 gemäss von den abteilichen Domainenfonds getrennt und der bischöflichen Verwendung unter Oberaufsicht des Staates überwiesen werden müssen. Von den im Bedaschen Verzeichnisse nachgewiesenen Kirchen- und Armen-Stiftungsgütern seien nur die jährlichen Intraden des sub No. XIII daselbst aufgeführten Armenfonds (officium portae) , nicht die Fonds selbst , der Stadt überwiesen,

die Verwendungen der übrigen Stiftungen aber

nach dem Reskripte der Verwaltungs- und Organisations-Kommission d . d. Essen 6. Oktober 1803 aus dem Grunde abgelehnt, weil die vormalige Abtei sich bereits berechtigt gehalten habe. diese Stiftungen durch ihre Mitglieder verwalten zu lassen, und

119

Fiskus genug tue, wenn er ausreichende Fonds zur Besoldung der Kirchen- und Schullehrer, welche jene Memorien sehr füglich mitverwalten könnten, anweise . Diese Anweisung der Fonds für die sub modo gestifteten Vikarien und Anniversarien, wofür in ewigen Zeiten kirchliche Dienstleistungen für die Seelenruhe der Stifter und deren Familie zu verrichten, sei noch nicht erfolgt .

Die einzige Bestimmung enthalte in dieser Beziehung das

Kollationspatent für den Exkonventualen Schaetzer als Rektor der lateinischen Schule und designierten Vikarius der beiden Vikarien Beatae Virginis Mariae und St. Nicolai, worin gesagt sei, dass demselben die Verpflichtung obliegen solle , ausser der Verwaltung dieser Vikarien dem Pfarrer und den Kaplänen beim Lesen der Seelenmessen für die in der Pfarrkirche bisher gebräuchlichen Memorien u. Anniversarien Hülfe zu leisten , die Fundation derselben möge nun ausgemittelt sein oder nicht. Die im Jahre 1803 bei der Aufhebung der Abtei herbeigeführte provisorische Einrichtung des Kirchen- und Pfarrwesens in Werden entbehre noch der kirchenverfassungsmässigen Genehmigung des Diözesanbischofs ; dieselbe werde jedoch erfol gen, sobald Fiskus die erforderlichen Dotationen, worüber jetzt mit ihm prozessiert werde , angewiesen habe .

Eine Leistung der

kirchendienstlichen Obliegenheiten dieser Stiftungen durch die Pfarrgeistlichen, nachdem seit Aufhebung der Abtei Werden die frühere Union und Inkorporation des Pfarrwesens und der damit verbundenen Kirchenstiftungen von selbst aufgehört habe, ohne Verwendung der dafür gestifteten Intraden, wie sic Fiskus nach dem Schaetzerschen Kollationspatent zu beabsichtigen scheine, gehe auf Simonie heraus. Durch Kabinetsordre von

17. April 1830 sei überdies die Aufrechterhaltung der

kirchlichen Stiftungen ausgesprochen, und die Verwaltung derselben den Bischöfen unter Oberaufsicht des Staates übertragen. Dasselbe gehe aus § 30 des ersten Rheinischen Landtagsabschiedes vom 30. Juli 1827 hervor und werde daher darauf angetragen, den Fiskus zur stiftungsmässigen vollständigen Verwendung der in separato auszumittelnden jährlichen Intraden der vorstehend aufgeführten Privatstiftungen in den kathol. Kirchen und Kapellen zu Werden wenigstens seit dem 11. November 1813 zu verurteilen .

120

Der verklagte Fiskus, vertreten durch die Königliche Regierung zu Düsseldorf, hat hinsichtlich der mit der Klage übergebenen Urkunden 1. den Erlass der Organisationskommission vom 6. Oktober 1803 , 2. das Kollationspatent des Exkonventualen Schaetzer anerkannt, 3. die Abschrift des Verzeichnisses des Abtes Beda vom 3. Februar 1803 hat er vorläufig nicht als richtig anerkannt und deren Inhalt bestritten . Die

mitgeteilte Abschrift

der Zeugenvernehmungen er-

kennt er nicht an, weigert die Edition der Kabinetsordre vom 17. April 1830 nebst Ministerialreskript vom 21. April 1830, weil er dazu nicht verpflichtet sei, bezieht sich deshalb auf ein beigelegtes Erkenntnis des Geh . Obertribunals vom 23. September 1833 in Sachen Fisci Beuteführ und will den Editionseid durch den Archivrat Lacomblet leisten lassen, dass 1. die Eingabe der Armenkommission vom 12. Februar 1804 nicht in dem Archive gefunden werden könne , 2. ausser 14 übergebenen Stiftungsurkunden über die Werdenschen Vikarien und Anniversarien keine weitern Stiftungsurkunden im Archiv befindlich seien , 3. in dem Regierungsarchiv das Memorienbuch des Abts zu Werden nicht vorhanden sei. Endlich erklärt er, die Edition der Privatregister der Abtei Werden und der Kellnerei-Rechnungen könne nicht erfolgen. weil erstere nie existiert hätten und letztere bereits in einer anderen Prozesssache der Gemeinde Werden wider ihn ediert werden müssten. In der Sache selbst bestreitet er die Aktivlegitimation , indem nur die Stifter der Vikarien und Anniversarien auf Verwen dung der Intraden der bestimmten Fonds klagen könnten, bestreitet ferner, dass die Fonds überhaupt existiert hätten und mit dem Vermögen der Abtei Werden vermengt worden seien, erklärt die Kabinetsordre vom 17. April 1830 für nicht bindend, weil sie nicht durch die Gesetzsammlung publiziert worden, bezicht sich dieserhalb auf ein Erkenntnis des Geheimen Obertribunals in Sachen Rellinghausen und von Schell contra fiscum und bittet unter Bestreitung aller übrigen Tatsachen um Abweisung der Klage.

121

Kläger verlangen Kombination der Akten voll . VIII , worin die Zeugenvernehmungen

G. 1V. W. 1 .

zum ewigen

Ge-

dächtnis enthalten seien, und führten aus, dass sowoh! nach der vom Staate anerkannten kath. Kirchenverfassung als nach der Kabinetsordre vom 17. April 1830 den Diözesanbischöfen die Verwaltung über die kirchlichen Stiftungen übertragen werden müsse, und hierin auch die Fürsorge für deren Erhaltung liege. -- Auch suchen sie darzutun, dass die Kabinetsordre vom 17. April 1830 allerdings Gesetzeskraft habe, und berufen sich darauf, dass wie die Regierung zu Aachen bewahrheiten werde , in dem Teile der Rheinprovinz, wo französisches Recht gelte , viele Stiftungsfonds an die beteiligten Kirchengemeinden herausgegeben worden seien .

Ferner machen sie darauf aufmerksam ,

dass in Sachen Rellinghausen und von Schell wider Fiscum es sich um Herausgabe eines Gutes gehandelt habe, während hier nur auf Verwendung der Intraden geklagt werde, und unter werfen das Urteil des Geh. Obertribunals einer Kritik, wodurch dargetan werden soll, dass dasselbe sowohl den § 65 des ReichsDeputationshauptschlusses als die rechtliche Natur von Stiftungen falsch aufgefasst habe. Endlich deduzieren sie, dass der Staat die Stiftungen nicht verwalten könne, weil er die kathol. Geistlichkeit nicht zwingen könne, die Messen und Anniversarien zu halten. ohne dass er ihnen den ganzen Fonds dafür überweise . Der Verklagte bestreitet nochmals die

Aktivlegitimation

und behauptet, dass die eingegangenen Fundationen als beneficia simplicia der Säkularilsation unterworfen gewesen, und erklärt, es sei cine Gnadensache gewesen , wenn in einigen Teilen der Rheinprovinz einfache Beneficien den Gemeinden zurückgegeben worden seien . Die Behauptung der Kläger, dass er nicht im Stande sei , die Anniversarien zu erfüllen, sucht er durch die Erklärung zu widerlegen, dass für das Lesen von Messon gowjsen Taxen beständen, welche teils stillschweigend, teils ausdrücklich von der vorgesetzten geistlichen Behörden anerkannt würden, und behauptet, dass die Einrichtung des Werdenschen Pfarrund Kirchenwesens schon vor dem Jahre 1806 definitiv erfolgt gewesen sei. Im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung hat der

122

Mandatar der Kläger den Klageantrag dahin modifiziert, dass Verklagter verurteilt werde,

entweder nach dem bisherigen

Klageantrage oder nach seiner Wahl zur Herausgabe der in Rede stehenden Stiftungsfonds an die Kläger behufs stiftungs mässiger Verwendung der Einkünfte unter Aufsicht des Verklagten.

Zunächst kann es bloss auf den in der Klage enthalten-

den, nicht auf den bei der mündlichen Verhandlung modifizier ten Klageantrag ankommen, indem Klage und Klagebeantwortung die Grenzen, innerhalb deren sich der Rechtsstreit zu bewegen hat, enthalten. Nach § 35 des Reichs-Deputationsrezesses vom 25. Februar 1803 sind die Güter der fundierten Stifter, Abteien und Klöster der freien und vollen Dispostion des Landesherrn überlassen. In Gemässheit dieser Bestimmung sind die Güter der ehemaligen Reichsabtei an den Königl. Preussischen Fiskus dichen.

ge-

Von dieser Säkularisation sind ausgenommen in § 63 das eigentümliche Kirchengut jeder Religion und nach § 65 fromme und milde Stiftungen, welche wie jedes Privateigentum zu konservieren, jedoch so, dass sie der landesherrlichen Aufsicht und Leitung unterworfen bleiben. Kläger behaupten nun, dass die in der Klage namhaft gemachten Vikarien und Anniversarien und Memorienstiftungen als fromme kirchliche Privatstiftungen, welche nicht zu dem eigentlichen abteilichen Korporationsgute gehört, sondern bloss von der Abtei verwaltet worden, mit Unrecht säkularisiert wor den, und verlangen, dass der verklagte Fiskus zur stiftungsmässigen vollständigen Verwendung der Intraden jener Stiftun gen in den kathol . Kirchen und Kapellen verurteilt werde . Kläger mussten indessen mit diesem Antrage abgewiesen. werden.

Die in Rede stehenden Stiftungen sind nach der eige-

nen Angabe der Kläger mit dem abteilichen Korporationsgute amalgamiert von dem Prior resp. Kellner verwaltet worden. Kläger hätten deshalb, wenn sie die Anwendbarkeit des § 63 de Deputationsrezesses behaupten , nachweisen müssen, dass die in Rede stehenden Stiftungen Eigentum der Kirche zu Werden und richt der Abtei gewesen . Diesen Beweis haben Kläger aber nicht nur nicht erbracht resp. angetreten, im Gegenteil ergeben die

123

Aussagen der in perpetuam rei memoriam vernommenen Zeugen Neuhaus und Fühles, dass die Abtei Werden lediglich für die kirchlichen Bedürfnisse ihres territorii gesorgt, und die Kirche kein besonderes Vermögen gehabt habe.

Was ferner die Be-

stimmung in dem § 65 des Reichs-Deputationsrecesses anbetrifft , so sind unter den frommen und milden Stiftungen, von denen darin die Rede ist, offenbar nur selbständige Anstalten der Art mit einem für sich bestehenden Korporationsvermögen, nicht aber solche zu verstehen, von denen in der Klage die Rede ist, welche Inhalts des Abts Bedaschen Verzeichnisses in Zuwendungen, Schenkungen an die Abtei sub modo, dass dafür nach dem Tode des Geschenkgebers für das Seelenheil desselben Messen gehalten werden sollten, gemacht sind.

Dafür, dass in

dem § 65 nur selbständige Stiftungen, die für sich eine moralische Person bilden, verstanden sind, spricht deutlich die in dem § enthaltene Bestimmung,

dass

diese Stiftungen wie

jedes

Privateigentum konserviert werden sollen, und dass Privateigentum hier nur im Gegensatz des Eigentums der aufgehobenen Stifter und Abteien verstanden werden kann. Es verlangt nun zwar die Kirche nicht die Herausgabe der Stiftungsfonds an sie, vielmehr nur die vollständige stiftung mässige Verwendung der Intraden, allein dazu ist sie nicht legitimiert, und würde ein solcher Anspruch nach § 194 und 195 A. L. R. II 6. und den gesetzlichen Bestimmungen über Schenkungen sub modo lediglich von den Erben der stiftenden Personen erhoben werden können. Hiernach rechtfertigt sich die geschehene Abweisung der Klage.

Der Kostenpunkt bestimmt sich, wie geschehen, nach

§ 2 , und mit Rücksicht auf die Armut der klagenden Kirche nach § 35 A. G. O. I. 23 .

XI. Urteil vom 4. Oktober 1847. In Sachen des katholischen Pfarrers und Kirchenvorstandes zo Werden, als Delegierte der erzbischöflichen Behörde zu Köln, Kläger und Appellanten,

wider den Fiskus,

vertreten

124

durch die Königliche Regierung zu Düsseldorf, Verklagten und Appellaten, hat die Abteilung des Königlichen Oberlandesgerichts zu Hamm für Civil-Prozesse II. Instanz, in ihrer Sitzung vor 7. Oktober 1847, an welcher teilgenommen haben : der Oberlandesgerichtspräsident Lent, die Oberlandesgerichtsräte Regenhertz und Sipman und die Oberlandesgerichtsassessoren von Goldbeck und Gallenkamp, auf mündliche Verhandlung den Akten gemäss für Recht erkannt :

dass das Erkenntnis der Abteilung des Königlichen Oberlandesgerichts zu Hamm, für Civil-Prozesse I. Instanz, vom 19. März 1847 lediglich zu bestätigen und den Klägern und Appellanten die Kosten dieser Instanz aufzuerlegen, vol solchen jedoch die gerichtlichen ausser Ansatz zu lassen.

Von

niederzuschlagen,

und

Wegen.

Rechts

Gründe : Der katholische Pfarrer und Kirchenvorstand zu Werden haben als Delegierte des Erzbischofs von Köln gegen den Fiskus als Universalsuccessor der säkularisierten Abtei zu Werden auf Verwendung der Intraden verschiedener Stiftungsfonds zu den stiftungsmässigen Zwecken Klage erhoben. Dieselben behaupten, bis zur Besitznahme der Abtei durch die Krone Preussen haben in den verschiedenen dem öffentlichen Gottesdienst gewidmeten Kirchen und Kapellen der Stadt Werden fromme Privatstiftungen, Vikarien,

mehrere

Anniversarien oder Me-

morienstiftungen bestanden, welche nicht zu dem eigentlichen Korporationsgute der Abtei gehörig gewesen, vielmehr von der Abtei nur verwaltet worden seien .

Obgleich dieselben hiernach

gemäss § 65 des Reichs-Deputationsrezesses vom 25. Februar 1803 der Säkularisation nicht unterworfen seien, und daher von den abteilichen Gütern, mit welchen sie bis dahin amalgamiert, durch den Prior resp. Kellner verwaltet worden, getrennt und der Kirche zur bischöflichen Verwendung überwiesen werden aussten, damit das Pfarrwesen in Werden seitens des Diözesanbischofs seine definitive Organisation erhalte, so weigere Fiskus

125

doch die stiftungsmässige Verwendung oder Herausgabe des Stiftungsfonds, indem er genug zu tun glaube, wenn er die Stiftungen durch die angestellten Geistlichen, welche er besolde, mitverwalten lasse ; hierdurch bürde er also den Geistlichen die Mühewaltung auf, ohne ihnen die stiftungsmässige Vergeltung zufliessen zu lassen. Dass dergleichen Stiftungen erfüllt und aufrecht erhalten werden sollten, sei durch Kabinetsordre vom 17. April 1830 anerkannt, auch die Verwaltung derselben der bischöflichen Behörde unter Vorbehalt der Oberaufsicht des Staates überwiesen worden ; hiermit stimme auch der § 30 des Landtagsabschiedes vom 30. Juli 1827 überein . Den Klageantrag richten Kläger dahin : Den Fiskus zur stiftungsmässigen vollständigen Verwendung der in separato auszumittelnden jährlichen Intraden der näher bezeichneten frommen Privatstiftungen in den katholichen Kirchen und Kapellen zu Werden, vom 1. November 1813 an, zu verurteilen. Verklagter hat zunächst die Aktivlegitimation bestritten, sodann in Abrede gestellt, dass die in der Klage angeführten Vikarien, Anniversarien u. Memorienfonds existiert haben und mit dem Vermögen der Abtei Werden amalgamiert worden seien ; alle vom Fiskus eingezogenen Fundationen seien der Säkularisation unterworfen und beneficia simplicia gewesen ; die stif tungsmässigen Bestimmungen würden vom Fiskus erfüllt ,

die

Klage entbehre daher allen Grundes und werde Abweisung der selben beantragt . Die Deputation des hiesigen Oberlandesgerichts für CivilFrozesse I. Instanz erkannte unterm 19. März d. J. auf Abweisung der Klage. Gegen diese Entscheidung haben Kläger unter Beobachtung der Förmlichkeiten appelliert . Zur Rechtfertigung der Appellation führen sie an : Die jetzige Pfarr-, ehemalige Klosterkirche zu Werden sei von jeher die Hauptpfarr- und Mutterkirche der katholischen

Gemeinde zu Werden gewesen, diese Kirche habe eigentümliches Fabrikgut besessen und die in ihr und den Filialkirchen vor und nach errichteten Vikarien- und Anniversarienstiftungen seien unzertrennliches Zubehör derselben gewesen, könnten da-

126

her nach Aufhebung der Klosterkorporation, welche dieselbe für sich und für die Pfarrgemeinde verwaltet habe, vom Fiskus der stiftungsmässigen Verwendung nicht entzogen werden.

Kläger

geben sodann eine kurze Geschichte der Entstehung der Kirche in Werden, der Erweiterung der Gemeinde und Gründung von Filialkirchen ;

sie bemerken, der Abt zu Werden sei an der

Pfarrkirche Pastor primarius, für jede der Filialkirchen oder Kapellen seien zugleich Rektoratsstellen gestiftet worden, deren Geistliche Inhaber als Vizepastores unter der Oberaufsicht des Abtes die Seelsorge im Stiftsgebiete ausgeübt haben ; mit diesem Rektorat seien die Vikarien St. Nikolai und B. Mariae Virg. verbunden gewesen. Durch Urkunde vom 13. August 1551 seien die gedachten Rektoratstellen dem Kloster und der Hauptpfarrkirche auf ewige Zeiten uniert und inkorporiert worden. In dem Verzeichnisse des Abts Beda vom 3. Februar 1803 stehe unter den Stiftsgütern der Vikarie St. Severini

der im Ber

gischen gelegene Rodbechs Hof aufgeführt, aus dem Behändigungsbriefe vom 17. Januar 1798 aber gehe hervor,

dass mit

jenem Hofe der Altar S. Severini in der Münsterkirche zu Werden fundiert worden sei.

Ebenso gehe aus mehreren Stellen der

Werdenschen Tradition hervor, dass der von dem Erzbischof Willibert von Köln an die Kirche geschenkte Zehnte für die Bedürfnisse der Parochie habe dienen sollen und so seien die Vikarie- und Anniversarienstiftungen sämtlich Bestandteile dieser Kirchen und als solche von dem Abt als Pastor und den von ihni delegierten Konventualen verwaltet , im Laufe der Zeit auch mit den abteilichen Domainenfonds amalgamiert

worden,

solches

habe auch ohne Widerspruch von irgend einer Seite geschehen können, weil die Abtei dafür auch alle Ausgaben für die Kirchen, Kapellen und den Kultus bestritten habe.

Der Abt Beda

habe nun im Februar 1803 als Obervorsteher und Chef der Parochialkirchen und des Klosters, das Verzeichnis des Kirchenund Armenguts angefertigt und der Organisationskommission Lehufs Absonderung rationsgute übergeben.

desselben

von

dem abteilichen Korpo-

Der Fiskus habe dies Verzeichnis auch

anerkannt, indem er die sub No. 10 und 12 daselbst aufgeführ ten Zinsen und Intraden des officii portae oder die Armenfonds

127

an die Gemeinde Werden überwiesen habe.

Der Antrag ist

dahin gerichtet : nach erfolgter Beweisaufnahme den Fiskus zur stiftungsmässigen Verwendung der in separato auszumittelnden jähr lichen Intraden der in der Klage speziell aufgeführten Vikarien- und Anniversarienstiftungen (eventl. zur Herausgabe des Stiftungsfonds selbst ), wenigstens vom 11. November 1813 ab, zu verurteilen. Verklagter hat das von den Klägern über den Ursprung und die früheren Verhältnisse der Abtei Werden Angeführte bestritten, ebenso bestritten, dass die Klosterkirche zu Werden von jeher Pfarrkirche,

dass das Stiftungsvermögen Fabrikgut

gewesen sei, und dass dasselbe in Privatstiftungen bestehe. Dic Kläger seien daher auch zur Klage nicht legitimiert . -- Verklagter beantragt Bestätigung des ersten Erkenntnisses. Diese musste denn auch nach Lage der Akten erfolgen.

Was zunächst den Einwand der mangelnden Aktivlegitimation anbetrifft, so muss derselbe allerdings als unbegründet betrachtet werden. Denn der Erzbischof von Köln ist nach der Kabinetsordre vom 17. April 1830 (von Kamptz Annalen Band XIV. pag. 337) zur Verwaltung der in seiner Diözese befindlichen Privatstiftungen, welche vordem einer jetzt aufgehobe nen geistlichen Stelle übertragen war, berufen. Dies entspricht auch dem katholischen Kirchenrecht, wonach dem Diözesanbischof als prodominus die Verwaltung des Kirchenguts zusteht. (Eichhorn II. pag. 769. ) Auch das A. L. R. hat in einem speziellen Falle anerkannt , dass die geistlichen Obern die Rechte eines kirchlichen Instituts, wo dieses solche wahrzunehmen ausser Stande ist, durch einen von Amtswegen zu ernennenden Bevollmächtigten zu verfolgen befugt und verpflichtet sind . (A. L. R. II . Tit. 11 § 659. ) In der Sache selbst hängt die Entscheidung, wie auch das Geheime Obertribunal in dem Urteil vom 30. Januar 1843 in Sachen von Vittinghoff contra Fiscum angenommen hat, lediglich davon ab, ob die genannten Stiftungen Eigentum der Abtei oder Eigentum einer neben der Abtei selbständig bestehenden moralischen Person (pium corpus) und der Abtei nur zur Verwaltung und Benuützung überlassen war.

Im ersten Falle muss

128

der $ 35, im letzteren Falle der § 65 des Reichsdeputationsrezesses vom 25. Februar 1803 zur Anwendung kommen. Hiermit stimmt auch der Landtagsabschied vom 30. Juli und die Kabinetsordre vom 17. April 1830 überein. In der Klage ist nun freilich die letztere Alternative behauptet, aus den eigenen Erklärungen der Kläger in der Replik und Appellationsrechtfertigung ergibt sich aber das Gegenteil. Nach diesen eigenen Erklärungen der Kläger (cf. fol. 61 . 125 act. ) ist est nämlich zunächst unzweifelhaft, dass die von ihnen sogenannte Hauptpfarrkirche mit der Kloster- resp. Abteikirche identisch ist ; dafür, dass diese Abteikirche dennoch nicht Eigentum der Abtei, sondern der Pfarrgemeinde gewesen scin sollte, ist aber von Klägern durchaus kein erheblicher Beweis angetreten.

Die von ihnen produzierte Urkunde von 1551

spricht gerade für das Gegenteil, indem danach die beiden Kirchen zu Neukirchen und auf dem Berge dem Kloster pleno jure inkorporiert worden sind, resp. der ursprüngliche status incorporationis wiederhergestellt worden ist.

Das Verzeichnis des

Abts Beda beweist an sich gar nichts, es müssten vielmehr dic Urkunden vorgelegt werden, aus denen er seine Wissenschaft geschöpft hat . - Kläger haben zwar auf Edition solcher Urkunden angetragen, und es würde, wenn man dies Editionsgesuch aus dem § 92 Tit . 10 der Pr. O. als begründet ansehen könnte, deren Vorlegung und eine nähere Prüfung ihres Inhalts erfol gen müssen, wenn nicht die

eigenen Erklärungen der Kläger

dies unnötig machten . Kläger behauptet nämlich selbst (fol. 61. 142 )

dass, wie

nach obigem schon aus der Urkunde von 1551 hervorgeht, das Werdensche Pfarr- und Kirchenwesen mit der Abtei uniert gewesen sei . Eine solche Union oder Inkorporation hat nur nach gemeinem Kirchenrechte die Wirkung, dass alle Temporalien der unierten Kirche ins Eigentum des Stifts oder Klosters, welchem sie inkorporiert worden, übergehen.

(Eichhorn II. p.

673 II. 654 seq . ) Dass eine solche Inkorporation erfolgt sei, ergibt sich auch aus den Aussagen der in perpetuam rei memoriam vernommenen Zeugen .

Der Zeuge Fühles gebraucht nament-

lich den technischen Ausdruck, die Pfarre sei der Abtei pleno iure unita et incorporata gewesen, und die andern Zeugen stine

129

men der Sache nach vollständig mit ihm überein. Auch erklärt sich hiernach der Ausdruck in dem Schaetzerschen Kollations patent, der Abt sei pastor primarius der Pfarrkirche gewesen. War aber die Hauptpfarre mit allem, was dazu gehörte , Eigentum der Abtei, so muss man nach den eigenen Erklärungen der Kläger im Appellationsberichte annehmen, dass die streitigen Vikarie-, Anniversarien- und Memorienstiftungen ebenfalls Eigentum der Abtei geworden sind ; denn die Kläger behaupten daselbst zu wiederholten Malen (fol. 61. 120. 125a . 130 . 132. ) , diese Stiftungen seien unzertrennliche Bestandteile der von

ihnen

sogenannten Hauptpfarrkirche gewesen .

sprechen also den streitigen Stiftungen jetzt

selbst

Kläger

diejenige

selbständige rechtliche Existenz ab, welche die notwendige Voraussetzung der Anwendung des § 65 des Deputationsrezesses ist . Wäre aber die Pfarrkirche in Werden eine selbständige und nicht der Abtei inkorporiert gewesen, so würden die streitigen Stiftungsfonds nach den eigenen Behauptungen der Kläger in Appellationsberichte nicht als fromme Stiftungen, sondern nur als Kirchengut reklamiert werden können . Kläger haben auch nicht behauptet, dass vor Aufhebung des Stifts diejenigen Konventualen, welche die Anniversarien und Memorien abgehalten. auch die ganzen Revenüen der Stiftungen bezogen, oder dass die Konventualen , welche die einzelnen Vikarien versahen, auch die sämtlichen Einkünfte der Vikarie genossen hätten ; nach den Aussagen der in perpetuam rei memoriam vernommenen Zengen ist davon auch gar keine Rede gewesen ; die Konventualen sind in Kloster unterhalten worden und dafür haben sie alle Stiftungen unterhalten müssen.

Die Stiftungen sind auch nicht

etwa mit der Bestimmung gegründet worden, dass die Revenien von den fungierenden Geistlichen selbst bezogen, oder dass sie dazu verwandt werden sollten, um dafür Memorien halten zu lassen, sondern es sind Schenkungen an das Kloster

resp. die

Kirche mit der Bedingung, dass bestimmte Messen gelesen würden u. dergl.

Der Fiskus erfüllt daher die im § 35 des Depu-

tationsrezesses ihm auferlegte Pflicht vollständig, wenn er für ordentliche Abhaltung des Gottesdienstes und für die Erfüllung der Stiftungen durch die in Werden angestellten Geistlichen sorgt ;

dadurch erledigt sich die wiederholte Bemerkung der

130

Kläger, der Fiskus wolle den Geistlichen die Lesung der Messen aufbürden, ohne ihnen die stiftungsmässige Vergütung dafür zukommen zu lassen. Die Zeugen Neuhaus und Barkhofen sprechen zwar von besonders gestifteten Pfarreinkünften der Pfarrei zu Neukirchen und am Born, man muss aber nach dem Zusammenhange ihrer Aussagen und mit Rücksicht auf die Urkunde von 1551 annehmen, dass diese Einkünfte den betreffenden Konventualen nur faktisch, d . h . , ohne dass sie aufgehört hätten, Eigentum der Abtei zu sein, überwiesen waren ;

wie die Zeugen denn auch

hinzusetzen, ihre Wohnungen seien von der Abtei unterhalten worden. Der Zeuge Fühles stellt die Sache ad 3 seiner Aussage auch ganz so dar. Hiernach ist auch der in dem Schreiben der Königlichen Regierung zu Düsseldorf vom 26. Januar 1844 (fol. 149a) vorkommende Ausdruck zu interpretieren , wo vom Fabrikgut und Dotalvermögen der Pfarreien zu Neukirchen und am Berge die Rede ist.

Nach allem diesen erscheinen die übrigen Behauptungen der Kläger unerheblich, und kann es namentlich nicht darauf an kommen, ob mit dem im Bergischen belegenen Rodbechshofe der Altar St. Severini in der Münsterkirche fundiert worden, ob die angeführten Vikarien- und Memorienstiftungen wirklich existiert haben, ob Fiskus die Erfüllung derselben ohne Mitwirkung des Bischofs nicht bewirken kann, ob Fiskus die bei No. 10, 12 des Bedaschen Verzeichnisses aufgeführten Intraden des officii portae der Kirche zu Werden überwiesen hat, ob derselbe ferner eine in der Stiftskirche zu Essen gegründete Anniversarienstiftung für sich eingezogen, später aber auf Anweisung des Königl. Ministerii wieder herausgegeben hat, ob ferner unter der grossherzoglich bergischen Regierung eine mit der Kirche zu Rellinghausen verbundene Vikarienstiftung säkularisiert , auf Reklamation der Pfarrgemeinde aber restituiert worden, ob solches noch fortwährend in einem Teile der Rheinprovinz stattfindet. usw., und bedurfte es der Aufnahme irgend eines von den Klägern vorgeschlagenen Beweises nicht. Die Entscheidung in Betreff des Kostenpunktes gründet sich auf die §§ 6 und 35 der P. O.

Die Krankenpflege in Werden und Kettwig

in älterer und neuerer Zeit. Von Dr. P. Jacobs.

Das 50jährige Bestehen des Werdener katholischen Krankenhauses, das am 7. April 1907 durch einen Dankgottesdienst für die Pfleglinge und Krankenschwestern in der Kapelle des Hauses und am nachfolgenden Sonntage durch Festgottesdienst und eine Festversammlung gefeiert wurde , hat den Anlass gegeben, die Geschichte der Krankenpflege im Werdener Gebiet näher ins Auge zu fassen. Was nach dieser Richtung hin in abteicher Zeit geschehen, welche Einrichtungen zur Uebung dieses wichtigen Zweiges der christlichen Karitas damals bestanden, wurde bei diesen festlichen Veranstaltungen von den Herren Dechant Gisbertz und Pfarrer Dr. Jacobs dargelegt, während Herr Matthias Wiese über die Gründung des kath. Krankenhauses im Jahre 1857 und die Geschichte der kath. Kirchengemeinde im 19. Jahrhundert sich weiter verbreitete. schichtlichen Nachrichten sind für die

Die mitgeteilten geWerdener Lokalge-

schichte nicht ohne Interesse und auch wert, an dieser Stelle festgehalten zu werden.

Um ein vollständiges Bild von der ge-

übten Krankenpflege in den beiden Hauptorten des ehemaligen Stiftsgebietes zu erhalten, soll dabei auch das, was seitens der evangelischen Kirchengemeinde in Werden und Kettwig in dieser Hinsicht geschehen, behandelt werden ..

Ι. Auf Grund der Regel des hl. Benedikt wurde in einem Kapitular Karls des Grossen vom Jahre 879

den

Klöstern

zur

I'flicht gemacht, unter den Werken der Barmherzigkeit auch die Pflege der Kranken fleissig zu üben. Diese Vorschrift wurde. auf dem Konzil zu Frankfurt im Jahre 794 von neuem eingeschärft .

Spätere Verordnungen Karls des Grossen und seiner

Nachfolger bestimmen, dass die Klöster eigene Hospize nicht.

132

bloss für Fremde und Arme, sondern auch für Kranke unterhalten sollten¹ ) . Solche Krankenhäuser (infirmaria) bestanden allgemein bei den Klöstern und dienten selbst, aber auch für die Umgebung .

für die

Klosterbrüder

Die ärztliche Behandlung

der Kranken lag damals zumeist in den Händen der Mönche, wie denn überhaupt kirchliche Institute die Krankenpflege bis in die späteren Zeiten des Mittelalters fast ausschliesslich ausgeübt haben ) . So wird von dem Kloster zu Corbie an der Somme berichtet, dass dort 3 Kleriker und ein Laienbruder den Krankenwärterdienst zu versehen hatten und zwei eigene Aerzte angestellt waren ) .

Bei dem Tochterkloster von Corbie, dem Kloster

Korvei an der Weser, bestand für die Mönche ein Krankenhaus mit einer der hl. Gertrud gewidmeten Kapelle ; die Kapelle eines zweiten Kranken- und Siechenhauses war dem hl. Aegidius geweiht ).

Auf dem berühmten, der Zeit

um 830

angehörigen

Klosterplane von St. Gallen sind Gasthäuser für vornehme sowie für arme Reisende und Pilger, ausserdem ein grosses mit besonderer Kirche ausgestattetes Krankenhaus vorgesehen") . Sind wir auch bei dem Kloster in Werden für die ersten Zeiten seines Bestehens ohne Nachrichten, so kann es doch nicht zweifelhaft sein, dass auch dort die Krankenpflege entsprechend den Ordensregeln und den kaiserlichen Bestimmungen geregelt war. In der späteren Zeit lag dieselbe als besonderes Amt und Hauptpflicht einem Mitglied des Konventes ob, der Seiken- oder Siechenmeister (magister infirmorum) genannt wurde. Derselbe wird erwähnt in einer Urkunde aus dem Jahre 1259 , worin Abt Albero bestimmt, dass dem Siechenmeister beim Ableben eines Konventualen aus dessen Hinterlassenschaft ein Bett mit Zube1 ) Die Belegstücke hierfür siehe bei Ratzinger, Geschichte der Kirchlichen Armenpflege, Freiburg, 1884 S. 212 ff. 2) Ebendaselbst S. 310. Die Synode von Clermont (1130) und die vom Lateran (1139) verbot freilich den Mönchen die ärztliche Praxis ausserhalb des Klosters ; im 13. und 14. Jahrh. wurde den Geistlichen überhaupt die Ausübung der Chirurgie untersagt. Quacksalber aller Art, besonders Juden, spielten sich als Aerzte auf. Ueber das Kurpfuschertum im Stifte Werden im 18. Jahrh. siehe Kranz, Beiträge IX. Heft S. 126 ff. 3) Ratzinger a. a. O. S. 214. 4) Vgl. Nordhoff, Corvey und die westfälisch-sächsische Früharchitektur. Repertorium der Kunstwissenschaft, XI. Jabrg. 1888 S. 153. 5) Vgl. Keller, Bauriss des Klosters St. Gallen vom Jahre 820, Zürich, 1844, 8. 26 ff.

133

hör zum Gebrauch für kranke Brüder oder auch für Fremde überwiesen werden solle¹ ) .

Als magister aegrotantiun nament-

lich aufgeführt erscheint im Jahre 1389 Ernst von Bickenbach²) . Das sog. Siechenamt gehörte zu den kleineren Klosteräutern und hatte seine besonderen Einnahmen , die auf Schenkungen oder Stiftungen beruhten .

Jahrhunderte hindurch be-

sass es den Charakter eines selbständigen Instituts mit eigenem Inhaber, bis es mit dem übrigen Stiftungsvermögen durch die Inkorporation im Jahre 1551 in die Verwaltung der Abtei überging, beziehungsweise mit dem Abteivermögen „ amalgamiert“ und infolgedessen im Jahre 1803 säkularisiert wurde ). An erster Stelle dienten die Einkünfte

des Siechenamtes

zur Pflege der kranken Mönche und Brüder, sowie der Bediensteten der Abtei, der sogenannten Familie des Abts

Wie hei

allen Klöstern eigene Säle für die Kranken (nosocomia) vorhanden waren, so lässt sich auch für Werden ein domus infirmorum nachweisen. In einem Urbar aus dem zweiten Drittel des 12. Jahrhunderts wird nämlich berichtet, dass der abteiliche Kellner von den 7 kleineren Kerzen , die er jährlich von dem Küster erhiclt, eine an das Krankenhaus zu liefern habe ' ) . Wo dasselbe gelegen und ob es bloss für die Angehörigen des Klosters gedient hat, ist aus den dürftigen Nachrichten nicht ersichtlich . Dass die Einkünfte des Siechenamtes aber auch für Kranke und Gebrechliche ausserhalb des Klosters Verwendung

fanden,

lässt

sich, abgesehen von dem bezüglichen Gebot der Klosterregel, das Jahrhunderte hindurch von den Benediktinern gewissenhaft befolgt wurde ), aus der Höhe der Einnahmen schliessen , wie sie schon die abteilichen Heberegister des 11. Jahrhunderts für das Siechenamt verzeichnen") .

Es mussten nämlich aus den Orten :

Bergerhausen, Rurberg, Kalivenberg, Dalhausen, Wattenscheid, Horst, Hinsbeck, Heisingen und Barberg ausser einer Geldab1 ) Jacobs, Werdener Annalen, S. 61 Anm. Es heisst dort : Lectisternium unum cum attinentiis magistro infirmorum assignabunt ad usus fratrum debilium vel etiam hospitum supervenientium. 2) Jacobs, Werdener Annalen , S. 76. 3) Vgl. dazu die Abhandlung über die Stiftungen S. 18 ff. dieses Heftes. 4) Siehe Kötzschke, die Urbare der Abtei Werden (II. Band der Rhein. Urbare), Bonn, 1906, S. 270. 5) Siehe Ratzinger a. a. O. S. 213. 6) Kötzschke, a. a. O. S. 150.

134

gabe von 12½ Schilling 20 Denaren ungefähr 60 Scheffel Gerste bezw. Malz, 10 Scheffel Hafer, Erbsen,

2 Hühner,

2 Scheffel Weizen ,

30 Fische (scare)

Dienste geleistet werden.

2 Scheffel

sowie 2 wöchentliche

In einem Heberegister aus der zwei-

ten Hälfte des 13. Jahrhunderts ' ) erscheinen diese Einkünfte noch vermehrt um : 52 Denare aus Frixheim, 30 Denare aus Heltorf, 14 Denare aus Duisburg, 6 Schilling 5 Denare aus Kastrop. 1i Scheffel und 1 Spint Weizen , 18 Scheffel Gerste und 6 Scheffel Hafer aus Winz, 2 Scheffel Gerste aus Dilldorf, 7 Scheffel Hafer aus Rodberg und mehrere kleinere Leistungen. Rechnungen der Firmarie aus den Jahren 1448/49 und 1449/50 sind in Kgl. Staatsarchiv zu Düsseldorf noch vorhanden²) . Wie von den meisten Klöstern die in der Umgebung wohnenden Kranken und Gebrechlichen , wenn sie arm und hülfsbedürftig waren, in ihren Häusern gepflegt und unterstützt wurden ) , so dürfte dieses auch in Werden geschehen sein.

Ganz

anders gestaltete sich aber die Sorge für Obdachlose und Fremde . Hier erwies sich die Gründung von Hospizen als Notwendigkeit, die denn auch allenthalben in die Erscheinung treten ) .

Diese

Hospize dienten gleichmässig für die Armen , Kranken und Fremden. In Werden wurde zu diesem Zwecke von der Abtei das, „ Hospital up der Hovestatt an der Hechpforten" errichtet.

Das Gründungsjahr desselben ist aus dem vor-

handenen Urkundenmaterial nicht ersichtlich, jedoch geht daraus hervor, dass das Hospiz im 13. Jahrhundert schon längst bestander hatte. Eine Urkunde aus dem Jahre 12935 ) berichtet nämlich, dass Abt und Konvent ihr Hospital an Reyner gen. Forneyer und Bele, seine Hausfrau, mit der Verpflichtung verkauft hätten, die armen Reisenden, welche ihnen von der Klosterpforte überwiesen würden , zu beherbergen ; es wird darin weiter bemerkt, dass das Haus verfallen und auf Kosten der Eheleute wiederhergestellt worden sei, was doch auf ein längeres Bestehen und eine viel frühere Stiftung schliessen lässt .

Hun-

1) Kötzschke, Urbare a. a. O. S. 353 und 354. 2) Ebendaselbst a. a. O. S. CLV. 3) Ratzinger a. a. O. S. 253 . 4) Ebendaselbst S. 218 ff. und 259. 5) Urkunde gedruckt bei Kötzschke, Urbare a. a. O. S. 383 und Jacobs, Pfarrgeschichte S. 125. Vgl. dazu Kranz, Das Gasthaus in Werden, Beiträge VI. S. 34 ff.

135

dert Jahre später ist das Hospital im Besitz der Familie von Boynen. Nach einer Urkunde aus dem Jahre 1388 ' ) verkaufen nämlich Richard von Boynen, Anna , seine Hausfrau und seine Söhne Richard, Konrad, Burchard und Thomas das Haus an die Stadt ,,zu einer ewigen Herberg armer Leute". Wie viele Städte im 13. und 14. Jahrhundert bestrebt waren, die Hospize in ihre Verwaltung zu bekommen und den Klöstern sowie der Geistlichkeit

überhaupt in der Armenpflege Konkurrenz

zu

machen ) , so erreichte es auch die städtische Verwaltung von Werden, das frühere abteiliche Hospiz als Eigentum zu erwerben und in der Folge zu einem ausschliesslichen Armenhause zu machen. Dasselbe hatte seine besondere Einkünfte, die im 15. Jahrhundert jährlich 3½ Mark 10 Schillinge,

sowie

3 Malter

Roggen und 1 Malter Gerste betrugen, und von eigenen Provisoren verwaltet wurden³) . In der Reformationszeit ging das ,,Gast- und Armenhaus" durch die Begünstigung des Magistrates in die Hände der evangelischen Gemeinde über, die dasselbe im Jahre 1892 zum Zwecke der Freilegung ihrer neu errichteten Kirche abbrechen liess. Kurz vor dem Abbruche hat der hiesige Maler Schmitt eine photographische Aufnahme desselben gemacht. Auf derselben beruht die hier wiedergegebeneAbbildung, die das Gebäude von Nordwest gesehen zeigt. Auch in Kettwig bestand ein Hospital, mit dem sogar eine Kapelle, dem hl. Sebastianus geweiht, verbunden war. Wann die Stiftung stattgefunden hat, welcher Art ursprünglich die Insassen des Hospitals waren und welche Pflichten dem Benefi ziaten an der Kapelle oblagen , hat sich nicht feststellen lassen. Zum erstenmal begegnet uns das Hospital in einer Urkunde von: Jahre 1358 , durch welche Engelbert von der Mark von seinem Neffen Heinrich von Oefte das Präsentationsrecht und Stiftungskapital des Gasthauses tauschweise zurückerwarb¹ ) . Im 1 ) Urkunde gedruckt bei Flügge, Chronik von Werden, 8. 17 und 18. 2) Ratzinger a. a. O. S. 307. 3) Siehe Beiträge VI . S. 38, wo dieselben im einzelnen verzeichnet sind . 4) Die bis jetzt nicht gedruckte Urkunde befindet sich in einer Kopie des 18. Jahrhunderts im Pfarrarchiv der evangelischen Gemeinde zu Kettwig ; sie folgt Beil. I. Herr Carl vom Berg jun. zu Düsseldorf, der zum Zweck genealogischer Studien das genannte Pfarrarchiv durchgearbeitet hat, stellte 18 bei dieser Gelegenheit genommene Urkundenabschriften dem Werdener Geschichtsverein zur Verfügung, wofür ihm auch an dieser Stelle der beste Dank ausgesprochen wird. 4 Abschriften sind in den folgenden Beilagen abgedruckt, die andern werden im nächstfolgenden Hefte gedruckt werden.

136

Jahre 1433 wurde von dem Herzog Adolf das bei Mintard gelegene Aldenbroicher Gut dem Gasthause zu Kettwig geschenkt und gleichzeitig von allen Schatzungen, Beeden , Aufgeboten und Diensten frei erklärt .

Futterhafer,

Eine Rechnung aus dem

Jahre 1577/78 führt die Abgaben aus diesem Hofe an Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Buchweizen , Schweinen, Gänsen und Hühnern auf. Ausserdem sind darin Geldeinnahmen von dem ,,Gasthuiss hove und den Garden up dem Gasthuisskamp,, verzeichnet¹) . Ein Teil dieses Hofes war nämlich als Gartenland verpachtet. Verhaltungsmassregeln für die Pächter der Gartenstücke enthält eine Urkunde aus dem Jahre 15952) . Das Gasthaus hatte seine eigenen Provisoren. Solche waren 1577/78 Hermann Raitgebers und Baltern Cüsters, 1578/79 Johann Claissen, 1579/80 Heinrich Vischers, 1580/81 Johann Steuffers, 1581/83 Hermann Reitgebers, 1583/84 Dietherich von Polsum. Die Junker von Oeft waren von dem Stifter des Gasthauses mit der Aufsicht des Hospizes betraut, wozu sie einen Gastmeister bestellen sollten. Später gingen diese Rechte von den Herreu von Oefte auf die Acbte von Werden über, an deren Stelle nach Aufhebung der Abtei die preussische Regierung trat, welche Cann der evangelischen Gemeinde zu Kettwig die Verwaltung übertrug³) . 1) Beil. 2. 2 ) Beil. 3. 3) So berichtet Herr Pfarrer Brüggemann in einer bei der Einweihungsfeier des Erweiterungsbaues des evangelischen Krankenhauses am 27. Juni 1898 gehaltenen Rede. Nach einem Berichte in der Kettwiger Zeitung vom 28. Juni 1898 führte er aus : "9 Wir besitzen noch eine amtliche Aussage, welche auf Befehl des Herzogs Wilhelm, Herzogs zu Cleve , Jülich und Berg im Jahre 1565 vou dem derzeitigen Richter zu Werden, namens Alexander Volkenbeker, gefordert und von dem damaligen Inhaber der Sebastianusvikarie, der nachmaligen 2. Pastorat, namens Ruther Hummelberg abgegeben worden ist. Derselbe erklärte, er habe von Alters her gehört, dass ein Graf von der Mark das Gasthaus zu Kettwig gestiftet, aber die Junker zu Oeft dazu verordnet habe, dass sie ein Aufsehen des Gasthauses haben sollten, auch einen Gastmeister dazu bestellen und darüber wachen sollen, dass den Armen die Einkünfte samt andern Renten nicht entzogen, sondern ausgeteilt würden, auch das Gasthaus nicht vergänglich werde. Mit diesem Zengnis des Vikars Hummelberg stimmten auch die Aussagen anderer Personen überein, welche zu gleichem Zwecke vernommen wurden, weil sie der Sebastianusvikarie oder dem Gasthause rentenpflichtig waren. Darunter befand sich ein Greis von 80 Jahren , „ ein sog. geschworener Vorsteher des Gerichts zu Werden " . Weiter erwähnt Brüggemann die Schenkung des Aldenbroicher Gutes im Jahre 1433 und den Uebergang des Aufsichtsrechtes von den Herren zu Oefte auf die Aebte zu Werden. In dem Berichte fehlen leider die näheren Quellenangaben .

137

Aus der Urkunde vom Jahre 1358 geht hervor, dass damals schon an dem Gasthause ein Benefizium bestand, wofür präsentiert werden sollte, woraus auch wohl auf das Bestehen einer Kapelle geschlossen werden darf.

Ausdrücklich wird dieselbe er-

wähnt in einer Urkunde aus dem Jahre 1498 , die meldet, dass die Besitzer des Hauses Oefte, Johann von Eller und Godert von Ulenbroick ihre ,,twe Kapellen, die ein Sent Anthonius up unsem Huis Oeffte und die ander Sent Sebastianus Hospitaill bynnen Kettwich belegen ys", nach dem Tode des Rektors Hermann Steeven dem Priester Bocholt übertragen, ,, toe welckeren Kapellen de Hoff up dem Velde yn unser Herrschaft Oeffte und de Hoff them Hove to Hetterscheid gelegen jairlich de derde garven und veer scholtschwine gelden, dair to twe punt peppers nit nien ander gulden tyns pacht und Rente bynnen Werden und Kettwich und ander dair to jairlich gelden". Die Gesamtrente beider Kapellen sollte 40 Goldgld. betragen ' ). Aus dem 16. Jahrhundert berichtet eine im Jahre 1634 aufgenommene Zeugenaussage") von 3 alten Leuten, dem 97jährigen Peter im Gasthause zu Kettwig, dem 95jährigen Klauss Tiele und dem 80 Jahre alter Reefuss, dass der Vikar Ruttger Hummelberg³) genannt Joenen in der Hospitalkapelle Messe gelesen habe, wobei der erste Zeuge ihm oft gedient haben will.

Der Kettwiger Pastor Hermann

Kremers, der Anhänger der reformierten Religion gewesen sei, habe gesagt : ,,Wo Gott eine Kirche bawe, da bawe der Teuffel ein Kapell bey." Was die Einführung des Protestantismus in Kettwig betrifft, so dürften dort im 16. Jahrhundert ähnliche Verhältnisse obgewaltet haben, wie in Werden. Wenn auch eine vollständige Trennung von der alten Kirche um diese Zeit noch nicht erfolgte, so lag doch die Gefahr einer solchen und damit des Verlustes der kirchlichen Stiftungen für die Katholiken vor. Das war auch wohl der Grund, dass im Jahre 1583 Gerhard von 1) Urkunde gedruckt in Jacobs ,. Pfarrgeschichte a. a. O. S. 450. Vgl . ebendaselbst S. 77 ff, die über das Kettwiger Hospital und die damit verbundene Hospitalkapelle gegebenen Nachrichten. 2) Beil. 4 . 3) Ueber Ruttger Hummelberg siehe auch VIII. Heft der Beiträge S. 42 ff. In einer Zeugenaussage (Akt im Kgl. Staatsarchiv des Reichskammergerichts zu Wetzlar) heisst es, dass er einer von den 4 Geistlichen gewesen sei, welche im 16. Jahrh. die 4 Altäre in der Pfarrkirche zu Kettwig innegehabt hätten ; er sei ungefähr 30 Jahre lang lahm gewesen und habe auf Krücken die hl. Messe gelesen ; er sei gestorben im Jahre 1574.

138

Eller und Gertrud von Ulenbroich dem Abte von Werden das Besetzungsrecht der Hospitalkapelle zu Kettwig übertrugen mit der Bestimmung, dass dieselbe stets dem zeitigen Pastor von Kettwig verliehen werde, der

den Gottesdienst mit allem ge-

treuwen Fleiss und göttlichen Befelch unverweislich verrichten und leisten solle und wolle. " Den Renten der Vikarie fügten sic anstelle der Einkünfte aus dem Felderhofe 300 Rthr. hinzu¹). Als im Anfange des 17. Jahrhunderts der Pastor von Kettwig, Johann Grimholt, der im Jahre 1602 als katholischer Priester die Stelle angetreten hatte, zum Protestantismus überging, wurde dieser Vertrag von Abt Hugo und Gerhard von Eller mit seiner Gemahlin Anna von Halle dahin abgeändert, dass der Abt. ,,als zeitiger Verweser des Stiftes Werden die Vikarie oder Kapelle Sti . Sebastiani des Hospitals zu Kettwig allezeit einer qualiticierten katholischen Person oder in Mangel dessen dem Scholmeister, so von wolgemelt Hern Abten oder dessen Nachkommer. zu Werden angestellt, wie vor diesem geschah, wannehr oder so mannigmahl dieselbe Vikarie vacieren werde, conferieren und begifftigen sollen und megen❝2) .

Indes erreichten diese Ver-

träge ihren Zweck, die Sebastianusvikarie den Katholiken zu er1) Originalurkunde im Werdener und Abschrift im Kettwiger kath. Pfarrarchiv. Abt Duden beglaubigt darin, dass Gerhard von Eller und Gertrud von Ulenbroich für sich und ihre Erben freiwillig bekannt : „ nachdem die Kollation beider Vikarien und Kapellen , S. Antonii uff Ihrem Hauss Oevte und S. Sebastiani im Hospital des Dorffs Kettwig , so oft und manigmohl dieselben vacieren würden, von altersher, wie auch noch, Ihren Voreltern und Besitzern des Hauses vorg. wie auch Ihnen selbst jure patronatus zustendig, und dan sie Eheleute reiflich bei sich bedacht und erwogen, wie gefehrlich es sey, wan solche Lehen und geistliche Beneficia nitt vehigen und qualificierten Personen conferiert oder gegeben würden und derowegen Ihre Gewissen und Conscientien darmit nitt beschweren, sondern zu entledigen und entheben bedacht, dass sie darumb vor sich und Irer Reider Erwen und Nachkomlingen alles und jegliches Ihres zu solcher Collation beider Vicarien habenden rechts und gerechtigkeit erblich und zu den ewigen Tagen wollten begeben und sollchs alles Unss und Unseren nachkomlingen Abtten zu Werden übertragen und überlassen , wie sie diesemnach übergetragen und übergelassen haben . . . . , jedoch mit solchen Bedingen und Vorwarden, dass ein zeitlicher Abt . . . die Vikarie oder Kapell S Sebastiani des Hospitals zu Kettwig allezeit einem zeittlichen Pastor der Kirspelskirchen, wannehr und so oftmabl solche Pastorien vacieren und folgends mit Seelsorgern und Pastoren widderumb providiert, conferieren und darmitt begiftigen soll und magh, dergestallt doch dass der Pastor zu Kettwig den Gottesdienst in der Capellen des Hospitals zu Kettwig mit allem getreuwen Fleiss und göttlichen Befelch unverweisslich verrichten und leisten solle und wolle." 2) Siehe Jacobs, Pfarrgesch . a. a. O. S. 97.

139

halten, nicht ; dieselbe ging vielmehr in den Besitz der Protestanten über und gehört jetzt zu den Einkünften der zweiten Pastora in Kettwig. Das in der Nähe der alten Ruhrbrücke gelegene Gasthaus wurde im Jahre 1873, nachdem es an die Herren W. Eickelberg und Rob. Ulmann verkauft worden war, von Herrn F. M. Müller abgebrochen und auf seinen Fundamenten ein grösseres Geschäftshaus errichtet (jetzt im Besitz des Herrn Withof) . Pfarrer Brüggemann sagt darüber in seiner bei der Einweihung des Erweiterungsbaues des evangelischen Krankenhauses in Kettwig am 27. Juni 1898 gehaltenen Rede¹ ) , folgendes :

„ Es war ein

altertümliches Haus mit schmalen Fenstern und tiefliegender Tür.

Es hatte ursprünglich die Bestimmung, durchwandernden

Pilgern gastliche Herberge zu bieten, womit auch die, wenngleich unverbürgte Erzählung stimmt, dass bei Schneetreiben eine Glocke geläutet werden musste, die den Wanderer gastlichen Hause rufen sollte.

zum

Solcher Häuser gabs in der Vor-

zeit viele, sie standen am Haupteingange des Ortes, wie es auch hier der Fall war ; denn hier war der Uebergang über die Ruhr, die Heerstrasse ging der ,,Frankfurter Strasse" nach über Heiligenhaus und Neuss. " Auch das mit dem Abte von Werden in Personalunion verbundene Kloster Helmstedt besass ausser dem Krankenhause für die Brüder ein Hospital. Es zeigt dies ein Heberegister aus der Zeit des Abtes Wilhelm um 1150 ) . In demselben sind namlich neben den Einkünften für das Hospital, bestehend in ungefähr 100 Schilling aus verschiedenen Orten, auch die Einkünfte für das Krankenhaus der Brüder, nämlich 30 Denare, aufgeführt.

36 Schilling

Im Werdener Stiftsgebiete hat endlich aller Wahrscheinlichkeit nach auch eine Stiftung für Leprose bestanden, nämlich Haus und Kapelle zum hl. Aegidius in der Kluse bei Baldeney, die schon im 14. Jahrhundert urkundlich nachzuweisen sind ) . Nach Angabe des Kölner Professors Hyazinth Franck aus dem Jahre 1772 hat eine Kanonisse des Essener Damen1) Bericht in der Kettwiger Zeitung vom 28. Juni 1888 ; siehe oben. 2) Kötzschke, Urbare a. a. O. S. 177. 3) Vgl. Jacobs, Pfarrgesch. a. a. O. S. 78 ff.

140

stifts, die selbst vom Aussatze befallen war, beide Gebäude errichten lassen. Durch ein Fenster des Anbaues, worin sie gewohnt, habe sie an dem Gottesdienste in der Kapelle teilge nommen. Für die Annahme, dass es sich hier um eine Stiftung zur Krankenpflege handelt, spricht der Umstand, dass auch an anderen Orten Kranken- und Armenhäuser dem Schutze des hl. Aegidius unterstellt waren.

So wurde oben schon erwähnt, dass

zu Korvei bei dem Siechen- und Krankenhause die Kapelle dem hl. Aegidius geweiht war. Demselben Heiligen war auch das bald nach den Kreuzzügen in Passau¹ ) gegründete Aussatzhaus, sowie ein dem Kassiusstifte in Bonn gehöriges und mit dem dortigen Armenhause verbundenes Spital gewidmet. Der hl. Aegidius, der als Einsiedler gelebt hatte, wird zu den 14 Nothelfern gezählt.

Als Stifter des berühmten St. Gilles gehörte er zu den

Heiligen, die der Benediktinerorden besonders verehrte ) .

II. Das was in neuerer Zeit, speziell in den letzten 50 Jahren zur Förderung der Krankenpflege von seiten der katholischen Gemeinde in Werden geschehen ist , wurde von Herrn Matthias Wiese , der selbst an der Gründung des Krankenhauses teilgenommen und während der ganzen Zeit seines Bestehens fast ununterbrochen dem Vorstande desselben angehört hat, in der berührten Festversammlung eingehend dargelegt. Durch den Frieden von Lüneville von 1802 und den Reichsdeputationshauptschluss von 1803, so führte Herr Wiese in seinem , auch die Geschichte der Gemeinde im abgelaufenen Jahrhunderte kurz streifenden Vortrage ungefähr aus, ist die Abtei Werden an die Krone Preussen gefallen. Von den verschiedenen dem Kloster- und dem Gottesdienste gewidmeten Gebäuden, die zu dieser Zeit bestanden, war es nur die Abteikirche, die als Pfarrkirche kirchlichen Zwecken erhalten blieb. Unter der französichen Fremdherrschaft, die schon wenige Jahre später Preussen im Besitze von Werden nachgefolgt war, musste zuerst 1 ) Erhard, Geschichte der Stadt Passau, II, 234 ff. 2) Vgl. Kampschulte, die westfälischen Kirchenpatrocinien, Paderborn , 1867, S. 177.

141

die am Markte belegene Nikolaikapelle weichen ; sie verfiel dem Abbruch, um Raum zu schaffen für die Durchlegung einer neuen Strassenanlage.

Dieselbe Regierung verkaufte im Jahre 1811

die Luciuspfarrkirche an ein Konsortium, das dann die Kirche zu einem Wohnhause umgestaltete .

Das gleiche Jahr brachte

die Umwandlung des Klosters zu einem Zuchthause.

Das Erbe

des hl. Ludgerus, die Stätte, wo über 1000 Jahre lang das Lob Gottes erklungen war, wurde zur Heimstätte für den Ausschuss der Menschheit .

Die Klemenspfarrkirche endlich wurde

von

der preussischen Regierung, die nach den Freiheitskriegen wieder in den Besitz von Werden gekommen war, an die katholische Pfarrgemeinde Kettwig geschenkt, die das Gotteshaus dann im Jahre 1817 auf den Abbruch verkaufte¹) . Die so zur alleinigen Pfarrkirche gewordene alte Klosterkirche stand jahrzehntelang fast ganz verwahrlost da, alle Beschwerden des rührigen ersten Pfarrers van Gülpen, die in der Klage gipfelten,,,dass man die altehrwürdige Münsterkirche zu einer Dorfkirche degradiere", waren vergeblich,

bis um

die

Mitte des Jahrhunderts, nachdem die Baupflicht des Fiskus auf gerichtlichem Wege festgelegt war , endlich eine gründliche Restauration einsetzte . Auch die alten Fundationen waren völlig verloren gegangen, weil die Stiftungsgelder mit dem Abteivermögen verschmolzen und deshalb vom Fiskus als der Säkularisation verfallen erklärt worden waren.

So auf ihre eigene Kraft

angewiesen, kam das Selbstbewusstsein der Gemeinde allmählich zum Durchbruch . War ihr das Kloster auf der Südseite verloren, so ging sie nun daran, auf der Nordseite neue Anstalten zu schaffen, Anstalten, die der christlichen Karitas gewidmet waren .

Dank den Bemühungen des eifrigen Hauskaplans Rich-

ter und des zweiten Pfarres, Dr. Elshoff, entstand dort ein geräumiges Armen- und Waisenhaus, das am 10. November 1844 eingeweiht wurde und

unter der

umsichtigen

Leitung

der

Schwester Angela Joergenhaus rasch zu grosser Blüte gelangte²) . 1) Siehe hierzu Effmann , die im 19. Jahrh. zerstörten Baudenkmale Werdens in Beiträge IV, S. 12 ff und ferner Effmann, Aktenstücke zum Abbruche der Werdener Clemenskirche VIII , S. 3 ff. 2) Vgl. Jacobs, Pfarrgeschichte a. a. O. S. 347 ff, und S. 506 f, wo die Urkunde über die Konstituierung der Armen- und Waisenhauskommission mitgeteilt ist. Der Vater des Festredners, der am 21. Mai 1838 verstorbene Herr Fabrikbesitzer Mathias Wiese hat als Protokollführer der Kommission

142

Als sich in der Folge die Räume als zu klein erwiesen, wurde unter dem dritten Werdener Pfarrer, Dechant Köllmann, im Jahre 1866 das Haus durch einen Anbau vergrössert. Derselbe Pfarrer hatte aber vorher schon seinen Namen für immer mit der Gründung des Krankenhauses verbunden . Die alte Stiftung einer Essener Fürstin, das Krankenhaus in Borbeck, die neue Gründung seines Freundes,

des Rektor

Mähler in dem aufgehobenen Kapuzinerkloster in Essen, standen dem Pfarrer Köllmann vor Augen und haben in ihm wohl den Gedanken wachgerufen, etwas Aehnliches für Werden zu schaffen.

Da erklärte sich eines seiner Pfarrkinder bereit, in

ein neu zu gründendes Krankenhaus ein Bett zu stiften.

Zwar

kam die Stiftung, weil der Tod dazwischen trat, nicht zustande, aber dasWort war als Samenkorn in ein fruchtbares Erdreich gefallen.

Am 6. Juni 1854 trat mit dem Kirchenvorstande ,

aus folgenden Mitgliedern bestand :

der

Dechant Köllmann, Franz

Wilhelm Enshoff, Dr. Bonnenberg, Apotheker Overhamm , H. Küpper aus Heidhausen und W. Neustein aus Bredeney, eine ad hoe gebildete Krankenhauskommission zusammen, bestehend aus folgenden acht Herren aus der Stadt : i . Bürgermeister Freiherr von Schirp, 2. W. Bremer,

3.

H. Real,

4.

F. J. Bruns ,

5.

J. L. Schützdeller ,

6.

Jos. Hiegemann, der bald nachher starb und durch Gustav Wiese ersetzt wurde,

7. Dr. Bonnenberg ,

8.

Matth . Wiese,

und ebenso vielen vom Lande, nämlich :

1.

Freiherr von Schirp auf Baldeney,

2.

Herm. Strahlmeyer in Oefte,

um das Zustandekommen des Unternehmens sich grosse Verdienste erworben. Wohl zum Andenken hieran bat Pfarrer Elshoff bei der zur feierlichen Grunndsteinlegung am 3. Mai 1843 von der Kirche aus am Lür vorbei über die Chaussee zur Baustelle sich bewegende Prozession den 9jährigen Sohn des verstorbenen Mitbegründers des Armen- und Waisenhauses die Metallplatte tragen lassen, welche die Stiftungsurkunde enthielt, die zur Einlassung in den Grundstein bestimmt war. Hierdurch dürfte der Festredner der einzige Ueberlebende von allen sein , die an der Gründung des Armen- und Waisenhauses in irgend einer Weise noch aktiv beteiligt gewesen sind.

143

3.

Ludger Unterharnscheidt in Holsterhausen (Borbeck) ,

4.

Joh. H. Sonnenschein gen. Wasserfall in Heidhausen,

5.

Ludger Maas in Fischlaken,

6.

Joh. Butenberg gen. Sonnenschein in Fischlaken ,

7. Ludger Sonnenschein gen. Bros in Heidhausen , 8. H. Küpper in Heidhausen. Für den wichtigen allgemeinen Zweck das Interesse durch eine vielköpfige Kommission zu wecken, war jedenfalls ein richtiger Gedanke.

Pfarrer und Kapläne sammelten freiwillige Bei-

träge ; bald waren ca. M. 40 000 zusammen .

Die bejahrten Be-

sitzer des Ferberschen Gasthofes, der

einem

mit

herrlichen

Berggarten ausgestattet, auf der Nordseite der Kirche belegen war, zeigten sich geneigt, wohl auch im Hinblick auf den Umstand, dass die aus dem Abbruche der Klemenskirche gewonnenen Materialien zum Bau des Hauses gedient hatten, dasselbe an ein kirchliches Institut zu verkaufen. Für M. 39 000 traten sie ihren ganzen Besitz ab, der auf die Pfarrgemeinde eingetragen wurde. Am 15. November 1856 konnten schon M. 23 600 abgezahlt werden, bald auch der Rest. Am 25. März 1857 zogen 4 Schwestern vom heiligen Kreuz aus dem Mutterhause Lüttich in Prozession ein. „ Herr, grosser Gott", sang die dichtgedrängte Menge, die dem Zuge der Geistlichen und Schwestern bis an das Haus gefolgt war. Bald war auch das Geld für die erste innere Einrichtung zusammen. Eine am ersten Sonntage eines jeden Monates in allen Messen durch Mitglieder der Kommission regelmässig abgehaltene Kirchenkollekte lieferte einen beträchtlichen Zuschuss zu den Kosten des Haushaltes ' ) . Die Verwaltung des Anstalt war im Anfange durch den Kirchenvorstand und von 2 von der genannten Kommission aus ihrem Schosse zugewählten Deputierten geführt worden.

Die

Rechnung musste der Kommission jährlich gelegt werden . „ Ich , so führte der Festredner aus,,,wurde Rendant, aber nur für 2 Jahre vom 24. Juli 1854 bis zum 25. September 1856.

Wegen

längerer Abwesenheit bat ich Gustav Wiese, mich für ein Jahr zu vertreten ; nachher war ihm die Beschäftigung so lieb geworden, dass er nicht davon ablassen wollte, und mit seltener Pflichttreue hat er bis zu seinem Weggange von Werden 29 1) Vgl . Jacobs, Pfarrgesch. a. a. O. S. 349.

144

Jahre lang seines Amtes gewaltet.

Er starb 1903.

Das neue

Kirchenverwaltungsgesetz des Jahres 1875 liess für die Kommission keinen Raum mehr ; sie hatte aber ihre Aufgabe treu crfüllt.

Alle ihre Mitglieder hat der liebe Gott längst abberufen ;

möge ihnen wegen ihrer treuen Sorge um die junge Anstalt reich licher Lohn in der Ewigkeit zuteil geworden sein. " Das Haus entwickelte sich rasch. 1884 wurde die Er bauung einer Epidemiebaracke, 1885 der Vergrösserungsbau an der Strasse, eine neue Kapelle und eine grössere Klausur für die Pfiegeschwestern eine Notwendigkeit. Die Kosten konnten zum grossen Teil aus Ersparnissen und Vermächtnissen gedeckt werden.

Durch Schenkung von 40 000 M. haben sich der im Jahre

1882 verstorbene Seelsorger der Strafanstalt, Pastor Krebs, und seine im Jahre 1903 verstorbene Schwester um das Krankenhaus besonders verdient gemacht, während eine auf 14 000 M. sich belaufende Stiftung des gesperrten Pfarrers von Lamersdorf, Lenedikt Berchem, leider nicht zur Auszahlung kam.

Vor 2 Jah-

ren ist zur Erinnerung an das 50jährige Priesterjubiläum des Herrn Dechanten und Pfarrers Gisbertz in der kath. Gemeinde ein Kapital von 10 000 M. gesammelt und als Gisbertzstiftung für das Krankenhaus festgelegt worden mit der Bestimmung, dass die Zinsen zur Deckung der laufenden Ausgaben desselben Verwendung finden sollen. Hausärzte waren die verstorbenen Herren : Dr. med. Bonnenberg, Sanitätsrat Dr. Hicking und Dr. • Vogelsang, sowie Herr Dr. med Kranz , der jetzt noch leitender Arzt ist ; ausserdem sind die Herren Dr. med. Spelten und Dr. Grüter am Krankenhaus tätig. Den Gottesdienst in der Kapelle für die Schwestern und I'fleglinge des Hauses versah 25 Jahre lang Pastor Krebs und nach seinem Tode während desselben Zeitraumes Pfarrer Dr. Jacobs, zeitweilig auch der oben erwähnte Pfarrer Berchem. Lange war die Frequenz der Anstalt gross und stetig. Jetzt sind ringsum in Kupferdreh, Velbert, Neviges Krankenhäuser entstanden, wodurch die hiesige Anstalt in ihrer Benutzung ausschliesslich auf die nächste Nähe angewiesen ist.

Dazu sind die

Anforderungen an die technische und hygienische Einrichtung beträchtlich gestiegen und meist sehr kostspieliger Art. Der

abgebrochenen 1esehen alten des 892 g ,Ansicht .Gasthauses Heck Haus von

145

jetzige Pflegesatz von M. 1,75 bis M. 2 reicht für die gewöhnliche Behandlung, Verbinden und einfache Operationen nicht aus, während in früherer Zeit der Satz von M. 1 bis M. 1,20 die Kosten reichlich deckte, ja noch die Ansammlung eines Fonds für die Vergrösserungsbauten ermöglichte. Dazu war die Strasse, an der das Krankenhaus liegt, damals zwar angenehm belebt, aber ruhig,während jetzt das Geräusch der nach Elberfeld führenden elektrischen Bahn sehr störend wirkt. Ein Verbesserungsbau war beschlossen und bereits der Regierung im Jahre 1906 vorgelegt . Die Kosten hierfür erscheinen aber bei näherer Erwägung zu gross im Verhältnis zu den im Rahinen des Vorhandenen zu erreichenden Verbesserungen. Es herrscht deshalb wohl eine

allseitige Uebereinstimmung dar-

über, dass ein vollständiger Neubau der beste und vollkommenste Ausweg sein würde . Demselben stehen aber beträchtliche Schwierigkeiten entgegen.

Diese beruhen zunächst in der Geld-

beschaffung, die unbeschadet der stets bewiesenen Opferwilligkeit der hiesigen Bevölkerung nicht leicht sein wird, dann aber auch darin, dass die jetzige Stelle an der Strasse, trotz ihrer bequemen und schönen Lage, nicht beibehalten werden kann . Dic Unzuträglichkeiten, die mit dem Betriebe der hier in starker Steigung liegenden elektrischen Bahn für die Kranken verbun den sind, machen dies vollständig unmöglich.

Es muss also auch

ein neuer entsprechend grosser Bauplatz beschafft werden, was bei den in Werden bestehenden Terrainverhältnissen eine nicht. leichte Aufgabe bildet . Auf die verschiedenen von Herrn Wiese am Schlusse seines Vortrages gemachten Vorschläge , das Ziel zu erreichen , kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden . Es soll aber dem Wunsche und der Hoffnung Ausdruck gegeben werden , dass die massgebenden Faktoren die richtigen Wege finden mögen, um das, was die Opferwilligkeit der Väter geschaffen, durch die Söhne in vollkommenster Weise zu erhalten.

ΠΙ Im vorstehenden Vortrage wurde von Herrn Matthias Wiese erwähnt, dass bei der Einführungsfeier für den Pfarrer Horbach am 14. April 1873 der derzeitige Kirchmeister der evangelischen

146

Gemeinde, Herr Fabrikant Ernst Huffmann († 1888 ) in einer Rede die karitativen Werke der katholischen Gemeinde gerühmt und der evangelischen als Muster dargestellt habe ; jetzt sei dies Verhältnis ein ganz anderes geworden, indem die evangelische Gemeinde durch Errichtung eines allen Anforderungen der Neuzeit entsprechenden Krankenhauses und eines nicht minder schönen Armen- und Waisenhauses die katholischen Anstalten in den Hintergrund gedrängt habe . Gewiss ein schöner und edler Wetteifer auf dem Gebiete der christlichen Karitas, der für beide Teile nur erspriesslich sein kann. Einige Nachrichten über den Bau und die Einrichtung des evangelischen Krankenhauses mögen hier folgen¹ ) . Den Anstoss zur Errichtung eines evangelischen Krankenhauses in Werden gab -wohl auf Antrieb des rührigen Pfarrers Geibel

im Januar des Jahres 1886 die

Familie Forstmann und Huffmann dadurch,

dass die

Herren

Kommerzienrat Robert, Ernst und Albert Huffmann sowie Karl, Julius und Heinrich Forstmann der Gemeinde je 15 000 Mark zuna Bau eines Krankenhauses mit der Bedingung schenkten, dass die übrigen Gemeindeglieder ein Kapital von 25 000 Mark durch freiwillige Beiträge zu diesem Zwecke aufbringen würden. Da die geforderte Summe, wozu Herr Otto Feulgen 10 000 Mark beisteuerte, bald gesichert, ja sogar überzeichnet war, so konnte schon um die Mitte des Jahres 1886 auf einem von Herrn Konmerzienrat Robert Huffmann dazu geschenkten, in der Nähe des Padberghofes gelegenen und über 6 Morgen grossen Grundstücke mit dem Bau des Hauses begonnen werden. Derselbe wurde nach einem vom Architekten Heinrich Flören aus Neuss entworfenen Plane, von dem hiesigen Baumeister Paul Frielingsdorf ausgeführt. Die Lage des Bauplatzes erscheint als sehr glücklich gewählt. Das Gebäude, auf dem höchsten Punkte des Grundstückes errichtet, beherrscht nämlich nicht bloss die nördliche Seite des reizenden Stadtbildes von Werden, sondern liegt auch ringsum frei und mitten in Garten- und Parkanlagen. Durch letzteren Umstand ist die, für ein Krankenhaus absolut erforderliche Ruhe

sichergestellt.

Das Gebäude

besteht aus

cinem Mittelbau und einem Seitenflügel. Der in dem Bauplane 1) Nach Flügge, Chronik a a. O. S. 295 ff. u. S. 511.

147

projektierte zweite Seitenflügel ist einstweilen noch nicht zur Ausführung gelangt. Der Mittelbau von ungefähr 11 m Frontbreite und 18,4 m Tiefe enthält ausser dem Hoch- Souterain cin Erdgeschoss, ein erstes und ein zweites Stockwerk und

einen

Kniestock. Der Seitenflügel von 18 m Frontlänge enthält ausser dem Hoch- Souterrain ein Erdgeschoss, einen ersten Stock und einer Kniestock. Der Hauptkorridor liegt nach der Hinterfront in der Längenachse des Gebäudes, so dass von dort aus alle Kranken- und sonstigen Zimmer zugänglich sind.

Derselbe hat

eine Breite von 3 m und gute Beleuchtung und Ventilation, wodurch er zugleich als Wandelgang für genesende Kranke dienen kann.

Das Erdgeschoss des Gebäudes ist für weibliche Kranke

bestimmt, deren 24 untergebracht werden können, während der erste Stock Raum für 24 männliche Kranke enthält . In zweiten Stocke des Mittelbaues sind an der Vorderfront 3 Zimmer für 5-6 mit Krätze und ähnlichen Krankheiten behaftete und an der Hinterfront, ganz isoliert liegend, ein Zimmer für tobsüchtige Kranke vorgesehen. Die übrigen Räume dienen für die Wirtschaftsbedürfnisse und die Krankenpflegerinnen. Am nördlichen Ende des Grundstückes ist ein besonderes Gebäude errichtet, welches die Leichenkammer und das Sektionszimmer, sowie eine Wohnung für den Hauswart enthält, der die Unterhaltung der Zentralheizung des Krankenhauses und die Pflege des Gartens zu besorgen hat. Der Wert der Gebäude mit dem dazu gehörigen Gelände wird auf 170 000 Mark geschätzt, während für die innere Einrichtung des Hauses chirurgische Instrumente usw. noch ca. 26 000 Mark aus freiwilligen Beiträgen aufgewandt wurden. Die feierliche Einweihung des Krankenhauses fand am 30. September 1888 statt, nachdem unterm 9. Juli 1888 die Schenkung der Familien Forstmann und Huffmann durch Allerhöchsten Erlass genehmigt worden war. Zur Krankenpflege wurden die Diakonissen von Kaiserswerth berufen. Als Aerzte waren am Krankenhause tätig Herr Sanitätsrat

Dr.

Forstmann und

nach dessen Weggang im Jahre 1905 Herr Dr. Rücker. Die Frequenz des Krankenhauses war anfänglich eine mässige, hat sich aber im Laufe der Zeit bedeutend vermehrt. * *

148

Fast gleichzeitig mit der Errichtung

eines

katholischen

Krankenhauses in Werden wurde in Kettwig der Bau eines evangelischen Krankenhauses beschlos sen , nämlich in der Sitzung der grösseren Gemeindevertretung vom 31. Januar 1856. Den Grundstock zu den Baukosten lieferte der Erlös aus dem Verkaufe des alten Gasthauses. Hierzu ka : ein Kapital von 42 000 Mark, welches in unverzinslichen, aber durch jährliche Auslosung von 8 Aktien à 75 Mark zu amortisierenden Zeichnungen aufgebracht worden war. Am 15. Oktober 1856 ,

dem

derzeitigen Königsgeburtstage,

wurde

der

Grundstein zum neuen Krankenhause gelegt , und zwei Jahre später an demselben Tage wurde das Haus eingeweiht und dem Gebrauche

übergeben.

Die Verwaltung desselben übernahm:

ein von Presbyterium gewähltes Kuratorium, dessen Mitglieder sich auch verpflichteten , eine jährliche Sammlung für die Anstalt in der Gemeinde zu halten. Der Ertrag dieser Kollekte belier sich auf 4-500 Mark. Ausser diesen freiwilligen Beiträgen hatte das Krankenhaus bei seiner Eröffnung an Zinsen, Zeit- und Erbpacht sowie Zehnten eine Gesamteinnahme von 2364 Mark, die sich im Laufe der Zeit durch Schenkungen und Vermächt nisse vergrösserte. Die Krankenpflege übernahmen Diakonissen aus dem Mutterhause Kaiserswerth. Im Jahre 1873 wurde seitens der Stadt ein Epidemienhaus gebaut, das 1884 in den Besitz des Krankenhauses überging. Anfänglich war die Zahl der zu pflegenden Kranken gering, indes vergrösserte sich dieselbe infolge der Zunahme der Bevölkerung bald derart, dass ein Erweiterungsbau des Krankenhauses notwendig schien.

Da auch ein unentbehrliches Ope-

rationszimmer fehlte, so wurde im Jahre 1894 eme Vergrösserung des Krankenhauses beschlossen . Zu diesem Zwecke wurde der an das vorhandene Gebäude nach Norden hin anschiessende Stöckersche Garten gekauft. Ein vom Baumeister Langenbach entworfener Plan fand die Gutheissung der Gemeindevertretung und gelangte zur Ausführung. Die feierliche Einweihung des Erweiterungsbaues fand am 27. Juni 1898 statt. Herr Pastor Brüggemann († 1900) , der die Weiherede hielt, gedachte der früheren Direktoren des Krankenhauses, der Herren Geh. Kommerzienrat Julius Scheidt,

Ernst Scheidt, Georg Möllencamp

149

und des zeitigen Direktors Wilhelin Müller, dem er als Ehrengeschenk eine Christall-Karaffe mit silbernem Deckel übergab, und berichtete ferner, dass von dem verstorbenen Rentner Rob. Haumann dem Krankenhause die Summe von 3000 Mark und von einer Seite, die ungenannt bleiben wolle, cine Aktie und die Summe von 1000 Mark zur Errichtung eines Freibettes für verschämte evang. Kranke, besonders weiblichen Standes, geschenkt worden seien. Als Arzt wirkte an dem Krankenhause Herr Dr. Lang-Heinrich , dem nach der Vergrösserung des Hauses Herr Dr. Peters als zweiter Anstaltsarzt beigegeben wurde ; ihm ist jetzt Herr Dr. Schmidt gefogt. Die Absicht der katholischen Gemeinde in Kettwig, Krankenhaus zu bauen, konnte

bis jetzt,

obgleich

ein

zu diesem

Zwecke beträchtliche Mittel gesammelt sind, äusserer Schwierig. keiten halber nicht verwirklicht werden.

Beilage

I.

Engelbert von der Mark, Herr von Lavermalz, erwirbt von seinem Neffen Heinrich von Oefte vor dem Bischof zu Lüdicke das Präsentationsrecht und Stiftungskapital vom Gasthaus zu Kettwig gegen Hofgut und Kirchenstiftung von Salingen, in der Grafschaft Berg gelegen, zurück. Urkundenabschrift aus dem 18. Jahrh. im evang. Pfarrarchiv zu

Kettwig. Anno 1358 den 1. December hefft Engelbrecht van der Marcke Her van Lauermalz sich mit synem neven Hern Henrichen van Oevete Ritter und derselvig hinwiederümb mit Hern Engelbrecht vorst synem Oemen in Verdrach gemacht für dem Bischoff tho Ludicke, darin Engelbrecht synen Hoff und Gut tho Salingen in der Grafschafft van dem Berge gelegen mit der Kerckengifft tho Salingen Hern Henrichen vorst. avergifft und glaeft, divyl Her Henrich die brieve so Engelbrecht Ihme van der praesentatie und gifte dess Gasthuss tho Ketwick darbevoirn gegeven weder avergeven solde, Ihme andere brieve van der Do-

150

tation die Engelbrecht van nyes machen solde spreckende nac synen (Engelbrechts) have weder tho komen tho laten. Und hebben dese partyen oer andere gebrecken vort gestelt an Herrn Johan van der Marcke eren lieven Oemen und Hern Wennemer van Eppenhusen Canonicke tho S. Johan tho Ludicke, und gebeden Hern Engelbrecht Bischoff tho Ludicke und Herrn Gerhardt Greven van dem Berge und Ravenssberg, vort Hern Johan Hern van Hameln , Herrn Wilhelm synen Sohn Riddern , Rutger van der Horst, Rutger van Ludicken desen Verdrach mit tho besegelen. Concordat cum Archivo Clivo Marcano.

Beilage

II .

Rechnung über die Einkünfte des Hospitals Jahre 1576/77.

zu

Kettwig im

Abschrift aus dem 18. Jahrhundert. Extractus aus denen in hiesiger Reichsabtei Werdenscher Kanzlei-Registratur vorfindlichen Intraden- Rechnungen des Hospitals oder Gasthauses Sti. Sebastiani binnen Kettwig von denen Jahren 1576 bis 1606 inclusive, das gedachtem Hospital zugehörig

und von der Reichsabtei Werdenscher Lehnkammer de-

pendirende Lehnguth Aldenbroich. Rechnung und Beweiss unser Henrich Tischers und Johan Struvers beider Provisoren des Gasthauss zu Ketwich von Empfang und Ausgaben aller Uffkümpsten des Gasthauss daselbst , angehendt im Jair 1576 uff Meytagh, und endiget sich wiederum den letzten Tag Aprils im nachfolgenden Jair 1577. 1576 Clausula Concernens :

upbüren des Weites Item die dritte Garve des to Aldenbroich hatt ditt jair uit• 3 sesster 1 Beck. bracht an Weiten . upbüren des Rogges Item die dritte Garve des Hoves zu Aldenbroich hat dit jair ge• 7 malder. daen an Roggen

151

Item van einem Stück Landts in den Hoff gehorrend und bei dem · Voissbein gelegen · 3 sesster.

upbüren der Gersten Item die dritte Garbe des Hoves to Aldenbroich hefft ditt jair 4 malder. an Gersten upbracht .

upbüren der Havern Item die dritte Garve des Hoves Aldenbroich hat ditt jair gedain . · 3 malder. Item van ein Stück Landst in den Hoff Voisbein gelegen . ·

gehorrich •

bei dem 1 malder,

upbüren van Boekweit Item van einem Stück Landts am Voissbein zum Hove Aldenbroich gehorrich . upbüren der Scholtvercken



3 sesster.

Item to Aldenbroich an Scholtvercken dit jair gefallen 2 stück. upbüren van Gänsen und Hoenern Item sein to Aldenbroich an Gänsen gefallen und an Hoenern .

4 stück. 4 stick.

upbüren der Gelder Item van den Garden up dem Gasthuisskamp gebuert 22 G. 4 albus. Item van dem Gasthauss-Hove ditt jair gebuert 4 G. 8 albus. Provisoren des Gasthauses zu Kettwig . 1577/78 Herman Raitgebers u. Baltern Cüsters. 1578/79 Iohan Claissen.

1579/80 Henrich Vischers. 1580/81 Johan Steuffers. 1581/82 Herman Raitgeber. 1582/83 Derselbe. 1583/84 Dietherich von Polsum (Poelsum) .

152

Beilage

III .

Vertragsbestimmungen für die Gartenpächter, aufgestellt

im

Auftrage des Drosten zu Blankenstein vom Werdener Richter Alexander Duden.

22. März 1595 . Zu wissen und kundt sei Allermenniglichen, krafft gegenwertiger Scedulen, dass in den Jahrn unsers Herrn Jesu Christi. do man schreib, Tausendt fünffhundert neuntzigk und fünff am zwei und zwänzigsten Monatz Martii, der Gasthusskamp, so vor etztlichen Jahren zu Gardenstücken gemacht und umb liderliche Jahrpfacht ussgedaen gewesen, itzo nach umblauff solcher Prachtjahre durch die Provisoren dess Gasthuss und Armen zu Kettwegh, zu derselben nutz und behueff, beisein des Ehrenachtbarn und vornehmen Alexandern Duden, Richtern zu Werden. Krafft von dem Herrn Drosten zu Blankenstein desshalben empfangener Commission, zu Abschaffungh offtgeklagter und zum Theill befundener unrichtigkeit mit Rudenzaell zu richtiger gleicheit hinwidder verpfechtet und ussgedaen , der gestalt dass die Pfechtern (welche in der Provisoren Registern undKechnungh benentlich gemacht) sambt und sonder Jglicher sein Gartenstücke, wie Thme das verpfecht und abgemessen von dato dieses sieben negst uff einander folgender Jahrlangk zu ihrem besten nutz und urber haben und pfachtweise geniessen und gebrauchen solln, und davon uff künfftigh Martini Ep . : nochwerenden obg. Jahrs vor den ersten Termin, und so folgendts alle und einss jeden Jahr von Jglicher Ruden drei lauffende Albus dreg licher jährlicher Pfacht geben und uff den viertzehenden Tagh nach gerurtem Termein, uff welchen durch den Klockenschall Anmannungh geschehen soll, ohne lengern vertzugh, bei veriu-t dieses Gewinss, zu Handen dero Provisoren in nutz dero vorst . Armen geliebert und uffrichtigh woll betzahlt werden sollen , dabei ferner verabscheidt und gewilliget, wie auch bei voriger Verpfachtungh, dass ein jglicher Pfechter an seinem Anschoss und wie einem Jeden ussgewiesen seinen ordt mit Plancken zumachen, verwaren und stehende soll halten, damit niemandt da-

153

durch schaden geschehe ; es soll auch Keiner dem Anderen zu nahe graven, noch uff des andern stück tasten, muesen, noch ciniger gestalt schaden thun, wedder auch mit gehn oder fahren, bussen gewönlichem wegen und fuhren, in massen dan auch hiebevor zwen fuhrwege gewiesen und abgemessen, deren man zur notturfft gebrauchen und niemandt zu nahe fahren noch beschedigen, sondern dieselbe wege ungegraben in esse halten soll ; Ingleichen soll niemandt mit dem Andern einigh Gezenck in den Gartenstücken anfangen, damit uff der Armen Guede Gott nit gelestert, noch der nechste geergert werde, da aber Jemandt beschädigt zu sein vermeinte, der soll sich dessen an gebürlichen Ortten beklagen, alss auch der Herr Pastor zu Kettwegh sich beklagt, dass ihm an beigelegener Lendereien

mit

Hopffen

pflanzten und stueken, wie auch mit dem ussgedeten unkraut uff das seine zu werffen, mit verscheinen an seinen Kornfrüchten und sünsten schaden geschehe, so sollen anstossende Pfechtere sich des hinfürter enthalten, damit der ermelte Pastor ferner zu klagen nit geursacht werde, Wannehe nun die gemelte sieben Pfacht-Jahre (wie oben usszurechnen) verflossen und vorbei sein, so solln die Pfechtern noch ihre erben an gedachten Gartenstücken sich ferner geiner gerechtigkeit anmassen noch haben, sondern dieselbe zu behueff der mehrgemeltenArmen loss , ledigh widdrümb erfallen sein und gereumbt werden, wie auch, da der Pfechtere einigh oder mehr in betzalungh der Pfacht, wie vorst . oder sünst in einigen der vorst. Articulen seumigh oder brückhafft befunden, der oder dieselbe sollen damit all ihre Gewinn und besserungh an den Gärten verwirkt und verlohren haben, also dass die Provisoren oder die Oebrigkeit uff solchen fall dieselbe Gartenstück andern zu verpfechten bemechtigt sein auch hinfurth die Pfechtern zu steigern und mit solchem Kamp zu enderen vorbehalten sein soll, allet ohn gefehrdt und argelist, welches alles zu waren urkundt hatt obermelter Richter diese Scedulen, deren zween Eyns Inhaltz

und Handt usseinander

geschnitten und einen den Provisoren, der Ander den Pfechtern . zu ihrer sembtlichen behueff und darnach wissen zu richten mitt getheillet, beide mit eigner Hand underschrieben, uff Zeit wie oben. Alexander Duden, Richter zu Werden.

154

Beilage

IV.

Zeugenvernehmungen. 23. Maerz 1634 . Articuli, über welche wegen des grossen halben Hoffs zu Kettwig, so die Laubacher vicarien gehorig, die nominirite testes Peter im Gasthauss, Clauss Tiele und der alte Reefuss abzufragen und Kundschafft einzunehmen.

1.

Wie alt er ungefehr seye ?

2.

Ob er eynen priester oder vicarien

zu Kettwig

gekant,

welcher geheissen Rütger Hummelberg genannt Joenen ? 3. Wo derselbe gewohnt ? 4.

4.

Ob ihme auch wohl wissig, dass er irgend anderswo wohnt ? Ob er nicht noch gelebt bey Herman Kremers des pastors zu Kettwig Zeiten, so die reformirte religion daselbst eingeführt ?

6. Wo er damalss seyne mess gethan in der Kirchen oder in dem Häusslein auf dem grossen Hoff? 7.

Ob er nicht in demselben Hauss gestorben ?

8.

Ob nicht nach dieses vicarii Todt vorgedachter Hermann Kremers pastors zu Kettwig Köster, der alte Köster genant, das Hauss alss ein geistlich Kirchengut einbehalten und unbehindert darinn gewohnt? Hierüber ein Jeder absonderlich abzufragen den 23. Mav 1634. Warauff dan Gezeugen examinirt worden, welche loco ju-

ramenti, alss folgt testes sunt : Peter im Gasthauss, Clauss Tiele, der alte Reefuss.

1. Wie altt sie ungefehr seyn? Testis primus Peter im Gasthauss deponirt anstadt seines evds, das er seynes alters ungefehr 97 Jahr sey. Testis secundus Clauss Tiele, dass er sey ungefehr 95 Jahr. Testis tertius der alte Reefuss sagt , dass er alt sey ungefehr 80 Jahr.

155

2. Ob sie nicht gekant Herrn Joenen priester oder vicarien zu Kettwig ? ad 2 deponirt, dass er bey demselben Herrn Rütgers Hummelsberg genant Joenen in die schul gangen ein halb iahr lang. ad 2 sagt, er den vicarium wohl gekant habe, auch dass derselbe von Lutterbeck bürtig gewesen. ad 2 sagt, ja, er habe denselben vicarium manchen Tag gekant und habe derselbe auff Servitus gangen.

3. Wo derselbe gewohnt ? Ad 3 deponirt, dass derselbe auff dem Grotenhoff gewohnt. Ad 3, dass er gewohnt auff dem Grotenhoff. Ad 3 sagt, dass er gewohnt auff dem Grotenhoff. 4. Ob ihm auch wohl wissig, dass er irgend anderswo gewohnt? Ad 4 sagt, dass ihme nicht wissig, dass der Vicarius anders alss auff dem Grottenhoff gewohnt. Ad 4 sagt, dass er seines Wissens nirgend anders gewohnt habe. Ad 4 sagt, er habe auff keinem andern ort alss auff dem Grottenhoff gewohnt. 5. Ob er nicht noch gelebt bey des pastors zu Kettwig Herman Kremers Zeiten , so die reformirte religion daselbst eingefüert ? Ad 5 sagt ja, dass er noch bei die zwey jahr gelebt habe bey Zeiten selbigen pastors. Ad 5 sagt ja, zu mehrerem habe er gehört, indem vicarius in der Gasthauss Capelle mess gethan, dass der pastor gesagt : wo Gott eine Kirch bawet, da bawet der Teuffel ein Capell bey. Ad 5 sagt ja.

6. Wo er damals seyne mess gethan in der Kirche oder in dem Hauss auffm grossen Hoff ? Ad 6 sagt, dass der vicarius habe mess gethan in der Gasthanss Capellen , woselbst er Zeuge ihm zur messe gedient, anch habe gemelter vicarius bey Zeiten mess gethan auff dem Grotenhoff in der Stuben. Ad 6 refert ad relationem 5 articuli.

Ad 6 sagt, er habe mess gethan 1. in der Kirchen, darnach

156

in der Gasthauss Capellen und endtlich in seynem Hauss auffm Grotenhoff. 7. Ob er nicht im selbigen Hauss gestorben ? Ad 7 sagt, so viel ihme bewusst sey, ja im selbigen Hauss gestorben. Ad 7 sagt ja, solches habe er gnugsam gehört . Ad 7 sagt, er vermeyne ja, denn er wisse nicht, wo er anders

gewohnt habe . 8. Ob nicht nach dieses vicarii Todt vorgedachten Herman Kremers pastoren zu Kettwig Köster das Hauss als ein geistlich Kirchengut eingenommen und darin unbehindert gewohnt? Ad 8 weiss wohl, dass derselbige Köster im selbigen Hauss gewohnt habe und gemelter Köster bey vicario Hummelberg genant Joenen im Hause gewesen und also darinnen verblieben.

nach

seinem Tode

Ad 8 weiss, dass der Köster darinnen gewohnt, wisse er nicht.

wie aber

Ad 8 sagt, er wisse, dass der Köster auff dem Grotenhoff gewohnt und habe das Küpperhandwerk gebraucht,

und

den

Köstersdienst bey dem pastor Hermann Kremers bedient, wie aber im Hause gewohnt, wisse er nicht.

Rudolf Kötzschkes I. Band der Werdener Urbare.” Referat erstattet von Professor Dr. Gottlob.

In einem ausführlichen, mit allgemeinem Beifall aufgenommenen Referate, welches Herr Prof. Dr. Gottlob am 10. Jan. 1997 in der Generalversammlung des histor. Vereins für das Gebiet des ehemaligen Stiftes Werden über das

vorstehende

Thema erstattete ") , verfolgte der Vortragende den Zweck, die Vereinsmitglieder bezw. Zuhörer mit dem für die Geschichte Werdens

so bedeutungsvollen Unternehmen

des

Herrn Pro-

fessors Dr. Kötzschke bekannt zu machen, sie in den bis jetzt erschienenen ersten Band dem Inhalte nach einzuführen und zugleich ihr Interesse für den noch ausstehenden Teil der Arbeit zu erwecken.

Der erste Band der ,,Rheinischen Urbare" enthält die Urbarialaufzeichnungen von S. Pantaleon in Köln .

Die Werdener

Urbare sollen den 2. und 3. Band der Sammlung füllen.

Dieser

erste Werdensche Band bringt die Werdener Urbare vom 9. bis 13. Jahrhundert . Voraus geht eine mehr als 200 Seiten füllende Einleitung, die uns über die Quellen und Handschriften unterrichtet und ausserdem einen vortrefflichen Ueberblick über die Geschichte der Abtei und Grossgrundherrschaft Werden bietet. Der zweite Band wird über die Reformationszeit hinaus bis zum Abt. Heinrich Duden († 1601 ) reichen und soll einleitungsweise von wirtschafts- und verfassungsgeschichtlichen Erläuterungen begleitet sein. 1 ) Rheinische Urbare. Sammlung von Urbaren und anderen Quellen zur Rheinischen Wirtschaftsgeschichte. 2. Band : Die Urbare der Abtei Werden , herausgegeben von Rudolf Kötzschke. 2) Vgl. die Vereinschronik am Schlusse des Heftes.

158

Wir fragen uns zunächst : Was sind Urbar e ? Um diese Frage für unsere Zwecke genügend beantworten zu können, ist es nötig, die wichtigsten Typen des gesamten Schreibwerks zu nennen, das sich um die Verwaltung einer mittelalterlichen Grundherschaft drehte. Wir unterscheiden in der Kanzlei einer solchen Grundherrschaft 4 Hauptabteilungen von Büchern : die 1. enthält Cartularien (Urkundenbücher) , Privilegien- u. Traditionsbücher : es sind Aufzeichnungen, welche die Entstehung der Grundherrschaft

betreffen.

Die Einzelstücke

sind Urkunden, welche jede an ihrem Teil eine Aenderung des vorherigen Zustandes herbeigeführt haben.

Iede Urkunde ist

der Beglaubigung halber in bestimmten Formeln abgefasst, sie hat eine bestimmte Datierung, Zeugenunterschriften, im Original ein Siegel usw. 2. Urbare : Aufzeichnungen, welche den materiellen Umfang der Grundherrschaft darstellen wollen, welche uns Kunde geben von den dauernden Besitz- und Forderungsrechten

der

Herrschaft, von ihren Gerechtsamen, überhaupt von allem, was dem Grundherrn von Rechtswegen kommt. tümern

dauernd gehört

und

zu-

Da eine Herrschaft stets eine grosse Masse von Besitzund Gerechtsamen aufweist, so hat eine solche Be-

schreibung immer den Charakter eines Verzeichnisses oder Registers.

Unter dem Urbar einer Herrschaft versteht man also

das Register ihres Güterbestandes und der ihr zustehenden Abgaben und Leistungen. Natürlich nicht ein Register, welches wir heute, etwa vom historischen Interesse aus angefertigt haben, sondern welches der Vergangenheit angehört und angefertigt wurde, als der Besitz und die Gerechtsame noch bestanden ; mit anderen Worten : ein Register, welches den Zweck gehabt hat, der Verwaltung zu dienen , nicht ein Register, wodurch sich ein Historiker eine Uebersicht verschaffen will. Die einzelnen Eintragungen in dieses Register entbehren jeder Formel und aller Beglaubigungsmittel ; es ist eine einfache Aufzählung der einzelnen Besitzstücke und Gerechtsame. Nur ausnahmsweise wird auch einmal eine Urkunde eingefügt oder der Rechtsvorgang beschrieben, durch den das Eigentum erworben wurde. 3. Sehen wir so die Urbare einerseits von den Cartularien oder Urkundenbüchern und Traditionsregistern geschieden, so

14

159

sind sie andererseits auch von der dritten Art Bücher getrennt, die wir unter dem Gesamttitel : Verwaltungsakten zusammenfassen. Wir zählen dazu alle Rechnungsregister, Einnahme- und Ausgabeverzeichnisse, Hebemanuale, Abrechnungsprotokolle, Sammlungen von Verwaltungsbriefen, bücher, Handgewinnsbücher u. dergl.

Belehnungs-

Alle diese Verwaltungs-

papiere haben das Gemeinsame, und dadurch unterscheiden sie sich eben von den Cartularien und Urbaren, dass sie nicht den ruhenden Rechtszustand darstellen wollen , sondern die Verwaltung in der Bewegung, gleichsam auf dem Marsche zeigen , d . h . dass sie durch die tägliche Verwaltungspraxis entstanden sind. Nicht das Recht, sondern die Ausübung des Rechts, nicht die wir schaftlichen Unterlagen, sondern

die Wirtschaftsführung ,

das gewöhnliche, evtl. tägliche Haushalten stellen sie dar.

An

eine so strenge Scheidung der einzelnen Buchcharaktere, wie wir es gewohnt sind, ist bei dem Charakter Schreibwerks natürlich nicht zu denken.

des mittelalterlichen

4. Als 4. und letzte Art der Aufzeichnungen, die sich in der Verwaltungs-Schreibstube der mittelalterlichen Grundherrschaft finden, sind endlich noch die sogen. Weistümer zu nennen, denen für die neuere Zeit sich dann die Protokollbücher über

Gerichtsverhandlungen

anschliessen.

Die

ersten drei Arten von Büchern, die Cartularien, Urbare undVerwaltungsakten, betreffen alle das Recht des Herrn an den einzelnen Bestandteilen der Grundherrschaft . Die Weistümer und Gerichtsprotokolle haben in erster Linie das Recht der Untersassen in ihrem jeweils geschlossenen Lebenskreise zum Gegenstande, Rechte und Pflichten der Leute zum Hofe und unter einander, der Unterhöfe zum Haupthofe, Rechte und Pflichten der Markgenossen, der Dienstmannen usw. Alles mittelalterliche Recht war Gewohnheitsrecht ; es wurde

nicht gemacht,

und nicht lediglich individuell Recht gesprochen, sondern das von alterher bestehende Recht wurde in der Versammlung der Volksgenossen allgemeingültig

gewiesen ", d . h. , es wurde be

zeugt, dass das und das Recht sei, dass die und die Gewohnheiten beständen, und zwar geschah das in der Verammlung derjenigen, die es selbst anging, die es also wissen konnten, deren ältere Genossen wenigstens es wissen mussten . Diese Erklärungen dieser

*160 sie beginnen übrigens erst Lente registerförmig ausgeschrieben das nenin den zwei letzten Jahrhunderten des Mittelalters nen wir , Weistümer" , weil dadurch das Recht „ gewiesen“ wird. Sollen nun alle diese Bücher und Register abgedruckt wer den ? Die Antwort auf diese Frage kann nicht einfach „ ja “ und nicht einfach ,,nein" lauten. Wir müssen nach dem Alter der Quellen unterscheiden . (Der Vortragende zeigt an Beispielen die verschiedenen Qualitäten und die unterschiedliche Wertschätzung der Archivalien je nach der Zeit, aus der sie stammen. ) Die ganz frühen werden wir also abdrucken, alle ohne Ausnahme wie sie sind, Wort für Wort, die späteren nur teilweise, nur in dem was besonders wichtig ist, und über die ganz späten werden wir nur berichten, eventl. ihre Gesamtresultate angeben, weiter nichts. Selbstverständlich muss bei all diesem Abdrucken, Ausziehen, Beschreiben und Berichten die peinlichste Ordnung herrschen, damit Wiederholungen vermieden werden ; damit das, was abgedruckt werden soll, nach der besten Quelle, nach der ältesten Fassung bezw. nach der Originalaufzeichnung geboten wird ; damit es richtig gelesen und richtig gedeutet wird ; damit Zusammengehöriges zusammenbleibt oder zusammenkommt, und was dergleichen Gesichtspunkte mehr sind, auf die zu achten ist. Von dem Ziele aus ,,Zusammengehöriges (Gleichartiges) zusammen" würden wir nun aus dem für Werden vorhandenen historischen Material dreierlei Quellenpublikationen bekommen . Das erste würde ein ,, Werdener Urkunden - Buch“ sein. Darin müssten alle Urkunden zur Werdener Geschichte bis etwa Ende des 15. Jahrh., event. bis zum Eintritt des Klosters in die Bursfelder Reform ( 1474 ), aufgenommen werden und zwar entweder in vollem Wortlaut oder, soweit dieser leicht zuDas zweite sind die Urbare , gänglich ist , in Regestenform. und damit hat der Herausgeber, wie wir noch sehen werden, anch die wenigen Weistümer vereinigt, die sich für WerDie dritte Aufgabe wäre eine Bearden gefunden haben . beitung der Rechnungsregister und Verwaltungsakten . Da aber der 1. Band der Urbare schon die ältesten Heberegister enthält, der 2. Band ferner, wie angekündigt wird, Heberegister und Auszüge aus den Rechnungsakten von 1311-1474 bringen soll, ferner Lagerbücher und Zinsre-

161

gister der folgenden Zeit bis Ende des 16. Jahrhunderts, so wird diese Aufgabe damit ebenfalls schon zu einem grossen Teil gelöst sein, und man muss jedenfalls abwarten, was in Bezug auf die Verwaltungspapiere nachher noch zu tun übrig bleibt. Als eigene Aufgabe sozusagen noch unberührt harrt demnach nur das ,,Urkundenbuch " seiner Verwirklichung, das Redner dem Verein als Ehrenpflicht ans Herz legt. ( S. hierzu die folg. Ver.Chronik.) Wir kehren nun zu dem Inhalt der Urbare zurück. Der Herausgeber Prof. Kötzschke belehrt uns, dass man in Werden im Laufe der Jahrhunderte vier- bezw. fünfmal die Anfertigung umfassender Urbarien unternommen habe. Das erstemal gegen Ende des 9. , Anfang des 10. Jahrhunderts, d . h . also bald nachdem das Kloster königliche Abtei geworden war ( 877) . Das zweitemal um die Mitte des 12. Jahrhunderts, das drittemal als die Bursfelder Reform durchgeführt wurde, in den Jahren 1474 bis 1477, das viertemal unter dem Abte Heinrich Duden Endc des 16. Jahrhunderts. Nur dieses Dudensche Güterverzeichnis sei wirklich vollständig, und es seien dabei auch genügende Angaben darüber gemacht, in welchem Verhältnis die einzelnen Güter und Grundstücke zur Nutzung ausgetan seien. Eine fünfte umfassende Urbaraufnahme wurde 1803 von der königl. preuss. Verwaltung begonnen, sie ist aber Stückwerk ge . blieben. Ausser diesen grösseren Güteraufnahmen

und

Verzeich-

nissen gibt es noch aus allen Jahrhunderten eine Anzahl kleinerer Register, die sich entweder nur auf ein bestimmtes Amt der Klosterverwaltung

erstrecken

oder

bestimmte Gruppen von

Ziuspflichtigen, z. B. Kopfzinspflichtige, Wachszinspflichtige u. dergl. verzeichnen , ferner kleinere Hufenverzeichnisse, Heberegister usw. Kötzschke fasst alle diese kleineren Verzeichnisse unter dem Begriffe „,Urbarialien" zusammen . Das grosse Urbar vom Ende des 9. , Anfang des 10. Jahrhunderts ist in dem vorliegenden 1. Bande ( S. 4-87) vollständig und mit strengster Wiedergabe des in Düsseldorf aufbewahrten Originals zum Abdruck gekommen. Es bezieht sich geographisch auf den ältesten Besitz des Klosters in der Umgebung von Werden, ferner in Friemersheim und Umgegend, dann in Holland

162

und Friesland und in Westfalen.

Viele Stücke davon waren ja

schon in La comblets ,,Archiv" oder

anderswo

gedruckt ;

aber hier haben wir nun eine vollständige sorgfältige und genaue, mit allen Nachweisen und Erklärungen versehene Gesarutausgabe. Die interessantesten Stücke sind wohl die von 855 datierende Urkunde über die Schenkung des in Werden Mönch gewordenen Folker , der seine reichen Besitzungen im Mündungsgebiete des Rheins und in Friesland dem Kloster aus der Welt mitbrachte, und ferner der Güterbestand des schon von Karl d. Gr. geschenkten Königshofs Friemersheim gegenüber der Ruhrmündung. Die Aufzeichnung ist geschehen, als nach dem Tode des letzten Ludgeriden, des Bischofs Hildegrim II. ( 886, Dez. 21. ) , die Leitung des Klosters nicht ohne Widerspruch aus den Händen der Familie des Stifters an gewählte Aebte gekommen und man nun allerhand Massregeln ergriff , um den Besitz und die Gerechtsame des Gotteshauses zu sichern . Die Anlegung des Urbars, so urteilt der Herausgeber, dem 2. Nachfolger Hildegrims II., begonnen und in seinen Hauptteilen etwa um die Wende des Jahrhunderts vollendet gewesen.

sei unter Abt Hambil

(† 892)

An 2. Stelle bietet der Abdruck Verzeichnisse des Abteiguts hauptsächlich in Ostsachsen und Friesland, aber auch aus der nächsten Umgebung Werdens und in Westfalen, die ungefähr Ende des 10. Jahrhunders begonnen sind und bis in den Anfang des 12. Jahrhunderts reichen, im ganzen

also 1-1½

Jahrhunderte später liegen, als das älteste Urbar, und welche hauptsächlich den Zweck der Ergänzung zu diesem erkennen lassen.

Es sind Notizen und Teilregister von Gerechtsamen, die

in dem ersten Urbar noch nicht gebucht waren, die also zumeist wohl neu dazu gekommen sind.

Es folgt ein Heberegister der abteilichen Fronhöfe und der kleineren Klosterämter aus der Mitte des 11. Jahrhunderts, sodann ein Traditionsverzeichnis aus dem Ende des 10. , Anfang des 11. Jahrhunderts, mit einer Fortsetzung aus der 1 . Hälfte des 12. Jahrhunderts. Ebenfalls aus dem 12. Jahrhundert sind die dann folgenden Heberegister von Helmstedt und der Werdener Abteihöfe. Ein Propstei-Urbar und ein PropsteiHeberegister, die sich anschliessen, gehören jenes dem 12., die-

163

ses dem 13. Jahrhundert an.

Es folgen noch aus dem 13. Jahr-

hundert ein Verzeichnis Werdenscher Zinsleute, eine Heberolle von Lüdinghausen und Forkenbeck, ein Werdener Memorienkalender, der zum Teil wirtschaftlich interessante Notizen enthält , endlich ein Heberegister der kleineren Klosterämter. - Im A 11hang bietet der vorliegende 1. Band noch ein umfangreiches Urkundenbuch mit über 80 Urkunden, die zur Ergänzung und Erklärung der Urbare und Urbarialien geeignet sind und fast alle bis jetzt nicht gedruckt waren ; sodann eine sehr wertvolle Zusammenstellung von Hofrechten und Hofgerichtsweisungen , die allerdings schon dem 15. und 16. Jahrhundert angehören , aber doch auch für die frühere Zeit das Gerichtswesen und die Rechtsverhältnisse der Werdenschen Untersassen beleuchten. -Der Band schliesst mit Verzeichnissen der Pröpste, Kellner und Vögte. Es sind zum Teil Zusammenstellungen des Verfassers nach anderen Quellen, die aber dem Forscher als Hilfsmittel bei der wissenschaftlichen Arbeit nötig und erwünscht sind. Der zweite Teil des Vortrags wandte sich der Frage zu, was aus den urbaŕialen Aufzeichnungen im allgemeinen zu lerneu sei . Es sind hauptsächlich die wirtschafts- und ver Fragen, die hier fassungsgeschichtlichen Aufhellung suchen.

Dass aber auch die vulgäre Lokal ge-

schichte durch das Studium der wirtschaftsgeschichtlichen Vorgänge und Verhältnisse Licht und Klärung findet, dafür dienen die darstellenden Arbeiten des Herausgebers selbst als Beispiel ; insbesondere das 10. Heft unserer ,, Beiträge", das von Kötzschke den gediegenen Aufsatz Zur Verfassungsgeschichte von Stadt Der Vortragende zeigt und Stift Werden" enthält , lehrt das. an einer Reihe von Stichproben die Art der Verwendung und Verwendungsmöglichkeit. nen dabei die Fragen :

Als Leitfaden

der Erörterung

die-

1. Wie ist die Grundherrschaft Werden entstanden ? (Ans dem Eigengut des Stifters, aus privaten Schenkungen und Auftragungen, aus königlichen Schenkungen, aus verhältnissmässig wenigen Rodungen im Urwalde, endlich durch die königlichen Privilegien, die das Kloster aus der Reihe der übrigen kirchlichen Anstalten des Landes heraushoben und Herrschaftsrechte begründeten . )

164

2. Welche Stände waren in der abhängigen Bevölkerung vertreten ? (Leibeigene ― Freie. Durch Vergleichung Liten von älteren und jüngeren Urbarstellen wird der

stattgehabte

Verschmelzungsprozess gezeigt, der die Standesunterschiede verwischte, das Ziel der Entwickelung wie der Zinsbauer oder Colone.

Der Vortragende bespricht hier noch im allgemeinen --die

- von den hier dürftigen Werdener Quellen absehend

Abstammungsverhältnisse des niedersächsischen Uradels. Die meisten Familien seien Dienstmannen der verchiedenen Herren gewesen und dabei

teils althörigen,

teils

altfreien Ur-

sprungs.) 3. Die sozialwirtschaftlchen Sonderverhältnisse und event. Vorzüge der geistlichen Grundherrschaft. (Geringere Abgaben , wirksamerer, durch den Kirchenbann verstärkter Schutz . Erleichterte Ansetzung der verschiedenen Frohnhofs-Handwerker zu eigener Wohnung, Garten und Land. - - Das Vorbild der Arbeitsorganisation gaben die königlichen Villen , für Werden . der alte Königshof Friemersheim. ) 4. Die Gründe für die Trennung der abteilichen

und der

Propsteiverwaltung. (Bereits im 10. Jahrhund. sind, wie an cinzelnen Urbarstellen nachgewiesen wird, einige Einkünfte aus der einheitlichen Gesamtverwaltung ausgeschieden Aemtern des Klosters übertragen .

und

einzelnen

Kötzschke glaubt die Zeit

des Abts Liudolf ( 974-83) für die Scheidung des Tafelguts des Abts und des Konvents ansehen zu können.

Statt des ursprüng-

lich einheitlich verwalteten Klosterguts entsteht das Pfründenoder Präbendenwesen. -Prof. A. Schulte hat nachgewiesen, dass Werden bis Ende des 15. Jahrh . ein adliges Herrenstift gewesen ist. (S. Miscelle I. )

Damit war die Verkümmerung der Macht des Abtes und auch des Propstes eingeleitet. (Der Vortragende verweilt ausführlicher bei der Schilderung der besonders in. 15. Jahrh. hauptsächlich durch das Emporkommen der Geld-

wirtschaft und das Versagen der naturalwirtschaftlichen Rechtsund Organisationsverhältnisse verödeten Zustände . Er schloss mit einem Hinweis auf den Unterschied der alten und der neuen Zeit, wobei er hervorhob, dass der Uebergang in die neuen Verhältnisse nicht zu bedauern sei.

Miscellen .

I. In der Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte u. Kunst. Jahrg. XXV. S. 178-191 ist ein Aufsatz von Prof. Dr. A. Schulte in Bonn erschienen, der für die Mitglieder des

historischen Vereins von

besonderem In-

teresse sein dürfte und deshalb mit Genehmigung des Verfassers und Verlegers hier zum Abdruck gelangt. Antwort auf die Frage : War Werden

Der Aufsatz gibt die

ein freiherrliches Kloster ?

Was ist ein freiherrliches Kloster ? Ich verstehe darunter ein Kloster, dessen sämtliche Mönche entweder Söhne von Fürsten urd Crafen oder doch aus dem Kreise edler freigeborener Geschlechter hervorgegangen sind, in dessen Konvent also weder die Söhne der Ministerialen und des niederen (ursprünglich unfreien) Adels aufgenomen wurden, noch die Sprossen der vornchinsten städtischen Geschlechter, geschweige die Kinder von Handwerkern oder unfreien Bauern . Ausser solchen freiherrlichen Mönchsklöstern begegnen Frauenklöster.

uns auch

ganz

gleichartige

Man hat sich früher mit dem einfachen Unterschiede zwischen ,,adligen" Stiftern und Klöstern und den allgemein zuganglichen begnügt, bis ich vor nunmehr zehn Jahren den Nachweis erbrachte , dass jene Gruppe in zwei völlig verschiedene zerfiel . Damals führte ich den Nachweis für drei badische Klöster : Reichenau (bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts), Waldkirch und Säckingen¹) , schon vorher hatte ich gelegentlich der

Studien

über die Standesverhältnisse der Minnesänger den freiherrlichen 1 ) Schulte, Ueber freiherrliche Klöster. Festprogramm der Universität Freiburg, S. K. H. Grossherzog Friedrich zur Feier des 70. Geburtstags dargebracht. Freiburg 1896 8. 101-146.

166

Charakter der grossen schweizerischen Abteien Zürich, St. Gallen und Einsiedeln festgestellt ' ). Drei enthielten Mönche, drei Nonnen . Es wäre nun wunderbar, wenn zu diesen gehäuften Beispielen aus der allerdings an freiherrlichen Familien besonders reichen Landschaft um den Bodensee in anderen Landschaf ten des deutschen Reiches kein Gegenstück vorhanden wäre. Seit Jahren habe ich darauf geachtet, und die Studien einzelner darauf gelenkt :

Einer meiner Zuhörer hat den Nachweis er-

bracht, dass das Domkapitel von Strassburg nur solche edelfreie aufnahm , soeben hat ein anderer die gleiche Feststellung für das Kölner Kapitel vorlegt") und ein dritter beschäftigt sich zur Zeit mit den in Betracht kommenden Klöstern Westfalens und Sachsens. Längst war mir auch Werden aufgefallen, als mir jüngst cine Urkunde König Rudolfs bekannt wurde, in der er klipp und klar den freiherrlichen Charakter von Werden angibt. Er sagt : ,,cum in monasterio Werdinensi beatus Ludgerus Dei confessor eximius a fratribus ordinis s. Benedicti, quos omnes procreatos secundam seculi nobilitatem de sanguine cognovimus generoso, eclebriter veneretur

) . Ein solches Zeugnis würde vielleicht in

dem Munde eines andern Königs weniger besagen : Rudolf aber war inmitten der freiherrlichen Klöster aufgewachsen, in denen seine Vettern und Standesgenossen sich von den ministerialischen Emporkömmlingen absperrten. Ich nahm nun die soeben erschienene vortreffliche Bearbeitung der Werdener Urbare von Rudolf Kötzschke¹ ) in der Hoffnung zur Hand, dort den Beweis für den freiherrlichen Charakter zu finden. Allein der asgezeichnete Wirtschaftshistoriker, der

die innere Verwal-

1 ) Schulte, Die Standesverhältnisse der Minnesänger. Zeitschrift für deutsches Altertum Band 39. 2) Kothe, Wilhelm , Kirchliche Zustände Strassburgs im 14. Jahrhundert. Freiburg 1903. Kisky. Wilhelm , Die Domkapitel der geistlichen Kurfürsten in ihrer persönlichen Zusammensetzung im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert. Heft 3 der Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des deutschen Reiches, herausgeg . v. Karl Zeumer ". Weimar 1906. 8) Böhmer- Redlich 2489. Gedruckt Lünig Reichsarchiv 18a, 699 und Lacomblet, Urkundenbuch des Niederrheins 2. 543 . 4) Rheinische Urbare (Publikationen der Gesellschaft f. rhein . Geschichtskunde 20) . Zweiter Band . Die Urbare der Abtei Werden a. d . Ruhr. A. Die Urbare vom 9. - 13 . Jahrhundert. Bonn 1906. Vgl. auch Kötzschke, Studien zur Verwaltungsgeschichte der Grossgrundherrschaft Werden a. d. Ruhr. Leipzig 1901 .

167

tung des Klosters im zweiten Bande näher behandeln wird, hat sich mit der alten Anschauung begnügt . ,, So ist auch Werden, wie andere Benediktinerabteien um jene Zeit, eine Versorgungsanstalt für Herren des Adels geworden, die allein nach dem Zeugnis einer Urk. König Rudolfs vom 18. Juni 1291 im Konvente vertreten waren¹ ) .

Die Autorität Kötzschkes brachte mich einen

Augenblick ins Schwanken, aber das nachfolgende Studium der von ihm in mustergiltiger Weise vorgelegten Aktenstücke wie der anderen Werdener Quellen sicherten meine Anschauung. Es wäre nun sehr bedauerlich, wenn diese letzte grosse Bearbeitung Werdenscher Quellen nicht auch diese Frage zur Entscheidung brächte . Und sie ist wahrhaftig nicht gleichgiltig. Die jetzige Anschauung führt uns in ein Kloster mit einer grossen Zahl von Mönchen, die der allmählichen Ausdehnung des Adels folgen kann, sie nimmt Zustände, wie sie in fast allen deutschen Domkapiteln bis zur Säkularisation bestanden, auch für das 13. und 14. Jahrhundert an, also eine so breite Grundlage, dass alle Würden reichlich besetzt werden konnten, der Rückgang des Klosters in wirtschaftlicher Hinsicht habe die Zahl der Mönche gesenkt, während meine Annahme auch für Werden dasselbe Bild gibt wie in der Reichenau, in S. Gallen und Einsiedeln : eine enge naturgemäss immer mehr zusammenschrumpfende Zahl von edelfreien Mönchen" nutzt die gewaltige Erbschaft aus, ohnc irgendwie die Pflichten erfüllen zu können.

Da seit dem 12.

Jahrhundert ein freies Geschlecht nach dem andern ausstirbt eder durch Missheirat und andere Gründe veranlasst herabsinkt. so schmilzt der Konvent auf fünfzehn, zehn, fünf, endlich drei Leute herab, die nicht Priester sind.

Die

alte Organisation ,

auch die wirtschaftliche, ist auf grosse und imponierende Verhältnisse eingerichtet , die Zahl der vorhandenen Mönche, von denen schliesslich vielleicht keiner mehr Priester ist, macht das Kloster zu einer leeren Halle, in der die Edelmönche verschwinden. Den Bau haben die alten freien Geschlechter aufgeführt, die letzten Sprossen dieses verdorrten Blutes schleichen wie Schatten in ihm umher.

Das frühe und hohe Mittelalter hat

hier seine Ruinen. Die Untersuchung hat nun möglichst alles Material an Ce¹) S. XXIV and an anderen Stellen.

168

schlechtsnamen der Würdenträger und Mönche Werdens beizubringen. Ich habe mich auf das Gedruckte beschränkt, es ist möglich, dass der eine oder andere Name noch aus Archivalien sich ergeben könnte.

Allein wir haben

gerade

eben

durch

Kötzschke ein kritischesVerzeichnis der sämtlichen Würdenträger erhalten, so dass nur wenige Namen fehlen können. Ich beginne mit der Abtsliste. Die Klostertradition hat für fast alle Aebte seit den ältesten Zeiten einen Familiennamen, sie stiramen mit unserer Anschauung überein, indem sie

alle zu

Sprossen gräflicher und freiherrlicher Geschlechter machen ; in den Zeiten, in denen diese Namen erfunden wurden, hatte man noch eine Vorstellung von dem früheren Zustande¹ ). Einzeinen sind alle diese Namen

nicht zu

Doch im

gebrauchen

Kötzschke hat ganz mit Recht alle die Aebte unbenannt

und ge-

lassen, deren Geschlecht nicht aus uns zugänglichen Quellen erwiesen werden kann . Liste zu Grunde²).

Ich lege also für die Würdenträger diese

Abt Rutholf (1104-1105) wird in einer Tradition mit l'amiliennamen genannt : ,,per Ruotholfum pie memorie abbatem illum videlicet de Biege natum ". Hierzu bemerkt Kötzschke , dass dieser Geschlechtsname sich auch noch Ende des 12. Jahrhunderts bei einem andern Konventmitgliede Gerardus findet³) , und dass 1240 unter weltlichen Zeugen einer Urkunde Tidericus nobilis de Bige genannt werde (Crecelius, Traditionen 2 , rr. 144) . Um 1240 wurde aber dieses Prädikat nur den Edelfreien gegeber und auch noch später sind Ausnahmen sehr selten. Von den elf nächsten Nachfolgern ist der Name nicht sicher überliefert. Dann folgt Gerhard von Grafschaft (1226-51 ) , der einem genau bekannten sauerländischen

Edelgeschlecht ange-

hört¹) , von dem Seibertz einen Stammbaum gibt, der zeigt, dass 1 ) So sagt Saldenberg († 1608) : et ab illo tempore (1476 Reformation durch die Bursfelder Congregation) nulli reperiuntur amplius resedisse generosi et illustres personae, quemadmodum ante hoc et à prima fundatione fuere. Tanta mutatio dextrae Excelsi , deponens potentes et exaltans humiles" (Jacobs, Werdener Annalen S. 85 f.) . 2) Kötzschke, Urbare 1 , 542-7. 3) Crecelius, Traditiones Werdinenses 2, 139 ( Zeitschrift d. berg. Geschichtsvereins 6 und 7) . 4) Das folgt aus einer Urkunde des Abtes, unter deren Zeugen steht : " Waltherus de Grafschap frater ipsius abbatis " Behrens Diplomatarium 483.

169

bis 1450 ein Zweig der Familie noch keine Missheirat getan hatte. Wir können also gleich zwei andere Grafschafter mit erledigen : Guntram (Prior 1400. 1415 , Kellner 1424. 1430 und Propst 1417.

21 ) und Johann (Prior 1224. 27 , Kellner 1436 .

48 ) . Auf den Abt Gerhard von Grafschaft folgen drei, deren Namen unsicher sind. Mit Abt Heinrich I von Wildenberg

(1288--1310)

verbinde ich gleich Heinrich II (Abt von 1360-82 , vorher 1350 Küster, 1353. 1358 Propst) . Die Edelfreiheit dieser Familie verbürgt z. B. Lacomblet, 3 , 907.

Abt Wilhelm II von Hardenberg ( 1310-30) gehört cinem Geschlechte an, das dicht bei Werden seinen Sitz hatte. Nibelung von Hardenberg erscheint 1315 als edel (Lacomblet 3, 151 ) . Mehr Sorge und Mühe machte mir sein Nachfolger Johann I von Herne ( 1330-43 , vorher 1312 , 29 Propst), bis ich bei Sloet, Corkondenboek van Gelre nr. 674 für 1247 einen Theodericus dominus de Herne nobilis fand. Bei Johannes II von Arscheid (1343/4-60 ) hat bereits Kötzschke auf Lacomblet 3,283 von 1334 hingewiesen, wo Johann (der 1331 und 41 als Propst erscheint), mit Arnoldus de Arscheyt vir nobilis zusammen handelt.

Weitere Belege übergehe ich .

Auf den schon besprochenen Heinrich II von Wildenberg folgte Johann III Graf von Spiegelberg (1382-7 Abt. vorher 1376-1382 Küster) und dem gleichen Geschlecht gehörte Abt Adolf II an (Abt 1398-1436 ) , vorher 1389. 93 und 95 Prior und 1382. 95 und 96 Pförtner). Sie entstammten der Wesergegend bei Hameln und ihre hochadlige Qualität beweist allein die Tatsache, dass Simon v. Spiegelberg 1491–1524 Domherr in Köln war. Mit dem gleichen Argumente kann ich mich bei Brun von Rennenberg (Abt 1387-1398 , vorher

uad

gleichzeitig : 1382. 83 und 96 Küster, 1356 auch rector crypte Ponasterii Werdinensis) ') und Ernst (Kellner 1380 und 140 ) begnügen, im Kölner Domkapitel sassen von 1300-1500 nicht weniger als 9 Glieder dieses bei Erpel am Rheine heimischen Geschlechtes, der letzte resignierte 1450 .

1 ) Müller, Peter Franz Joseph, 1816 , S. 349.

Ueber das Güterwesen, Düsseldorf

170

Mit Johannes IV Steck (Abt von 1436-51 , vorher 1427 Küster, 1446 aber zugleich Abt , Küster und Pförtner) komme ich zu einem Geschlechte, bei dem man auf den ersten Blick nicht an edelfreien Stand denkt. Doch auch diese Steck aus dem Melbroch bei Holten fanden Einlass in das Kölner Kapitel , ich rähle dort Walther 1376-1402 , Johann 1400 ob unser Alt ? --- und Burkhardt 1456. Auch der Geschichtschreiber Gert von der Schüren nennt in seiner Clevischen Chronik die Steck : , vry edelen" (ed. Scholten S. 156 ) .

Dabei bleibt bestehen, dass

die Familie ursprünglich ministerialisch war, dann durch Tausch ans Reich kam und wie manche andere Reichsdienstmannenfanilie den Edelfreien gleich gestellt wurde¹). Der letzte freiherrliche Abt, der es aber nicht für notig fand, sich zum Priester weihen zu lassen, war Konrad von Gleichen , aus dem Hause der Grafen von Gleichen . Als er 22 Jahre, von 1452-1474, regiert hatte, ereilte ihn und den altadligen Konvent das Geschick.

Er wurde abgesetzt

und die

Bursfelder Kongregation reformierte das Kloster. Mit diesem Nachweise, dass bis dahin alle Acbte edelfie waren, ist nicht allein viel gewonnen ; es wäre ja sehr erklärlich, dass ein gemischter Konvent sich stets ein Haupt aus edelfreiem Blute gegeben habe — und ich darf wohl verraten, dass es solche Klöster gab. Doch das waren keine freiherrlichen Klöster in unserm Sinne, für sie wird man noch eine besondere Bezeichung finden müssen.

Dehnen wir also unsere Untersuchung auf

die übrigen noch nicht besprochenen Würdenträger aus ) . Beginnen wir mit den Pröpsten. Wir kennen da sechs noch nicht besprochene Geschlechter. Den Anfang macht Otto von Gennep 1450. 1347 zugleich auch Pförtner³) .

(Propst

1844,

Er gehörte der Familie

1 ) Vgl. die Untersuchung v. Meininghaus. Die Grafen v. Dortmund, in Beiträge zur Gesch. Dortmunds 14. 8 und 101 f. und die Urkunden bei Rübel, Dortmunder Urkundenbuch I nr. 272 und 372. 2) Auch diese bei Kötzschke , Urbare 1 , 558 f. zusammengestellt. 3) Er war nur Diakon , Papst Clemens VI. machte ihn 1352 anch zum Abt von S , Maximin vor Trier. Sauerland, Urkunden und Regesten z. Gesch. der Rheinlande aus dem vatik. Archive 3 nr . 1012. In den Registern dieses Werkes ist Werden und Kaiserswerth nicht getrennt worden. Auch sonst sind verschiedentlich Pröpste von Kaiserswerth irrtümlich nach Werden versetzt worden.

171

des hl. Norbert an, doch auch noch im 14. Jahrhuniert war sie edelfrei . Nobilis Johannes de Gennepe, Lacomblet 3 , 588 zu 1356 und im Kölner Domkapitel : Heinrich († 1345 ) Winand († 1250) , Wilhelm († 1362) und Dietrich († 1363 ) . Nicolaus valame Steine war 1367 und 1381 Propst in Werden. Als edelfrei sind Wilhelmus dominus de Lapide und Arnoldus kenntlich (Lacomblet 2 , 496 , 3 , 122 ( 1313 ) und 3, 211 ( 1326 ) . Folgt Berthold von Büren (Propst 1381. 1414). Wie der Vorname wahrscheinlich macht und durch andere Urkunden direkt bezeugt wird, haben wir es mit dem westfälischen edelfreien Geschlechte von Büren zu tun, für das Beweise zu erbringen überflüssig wire. Wir kommen zu Ernst von Oitgenbach (Propst 1422. 1436, Kellner 1417. 1421 ) und Johann (Küster 1399. 1490. 1421 ) , beide Brüder waren 1393 Professherren in Werden (Müller S. 343 ) , der letzte Oettgenbacher im Kölner Domkapitel starb 1402. Wir brauchen auch hier kaum Bedenken zu haben ; ich finde zudem Rorich von Oetgenbach Herr zu Ehrenstein edler Man zu 1339 bei Lacomblet 3 , 340. Den Abschluss in der Propstreihe machen zwei sehr bekannte Familien : Johann von Limburg aus dem Hause der Grafen von Limbarg (1441. 1465 Propst ) und Wilhelm von Reifferscheid (Kellner 1464. 1474, Propst 1473/74) . Gleichzeitig mit ihm war Heinrich von Reifferscheid 1466-75 Domherr in Köln. Bei dem Zusammenbruche der alten Werdener Herrlichkeit benahm sich Wilhelm am würdigsten, er legte sein Amt nieder, blieb aber am Orte wohnen und förderte auf alle Weise die neuen Mönche des Klosters . An sonstigen Würdenträgern sind ihrem Namen nach nur sechs, wahrscheinlich nur fünf bekannt : (Prior 1365. 69. 72 ,

Richwin von Gore

vielleicht auch 1341. 48. 50. 53 und 58,

Küster 1335. 1358, vielleicht auch 1369 Pförtner, also sicher 1335 72 im Kloster) , Godefrydus de Merhem (Kellner 1348. 1358 , vielleicht auch 1365. 72 ) , Walrave von Swalenberg (Prior 1382 ) , Heinrich von Werberg (Pförtner 1427 ) , Walram von Sombreff (Küster 1460. 1477) , endlich Bernhard von Gemen; da er aber als officiatus thesaurarie bezeichnez wird, ist er wohl nur ein Beamter des Küsters gewesen, muss also hier ausgeschieden werden, da er dann ja gar nicht dem

172

Konvente angehörte .

Aber es gab damals ( 1333 ) noch das west-

fälische Edelherrengeschlecht von Gemen. Mit dem Grafen von Schwalenburg ist es unnötig, sich weiter zu beschäftigen , das Geschlecht der von Werberg oder Warberg stand mit Werden seit langer Zeit in Verbindung ; denn diese Edelherren waren die nächsten Nachbarn des von Werden abhängiger Klosters in Helmstadt (Braunschweig) . Die Gore führen uns in die Nähe von Utrecht : schon 1178 finde ich einen als Freivogt der Kirche von Utrecht, 1228 wird einer als Graf bezeichnet (Sloet, Oorkondenbook v. Gelre s. Register) und Lei Lacomblet 2, 977 finde ich ,,nobilem virum Johannem advocatum de Gore". Die Merhem's waren ebenfalls edelfrei (nobilis vir Johannes de Lac. 2, 712 und 1345 Dietrich Edelherr nach Urkunde bei Fahne, Köln. Geschlechter 1 , 273) . Die Sombreff's eullich sind in ihrer Adelqualität dadurch gedeckt, dass zu gleicher Zeit zwei sich in Kapiteln finden , in die nur Edelgeborene aufgenorimen wurden : Domkapitel von Köln ( Georg † 1486 ) und das Stift Elten. Sic stammen aus Brabant. Die Zahl der Mönche, die wir ihrem Familiennamen nach kennen, ist ebenfalls sehr beschränkt.

In einer Tradition aus

der Zeit Abt Heriberts I ( 1183-97 ) (Crecelius Trad. 2. 139 ) sind mehrere Mönche genannt, bei zweien, die einen sehr gebräuchlichen Namen führten, ist auch der Geschlechtsname hinzugefügt : Gerado de Big e, über den ich schon oben gehandelt habe, und Godefrido de D anne. Ein Gerhardus de Hunenbroeke bezeichnet sich 1290 als Mönch von Werden (Westfäl . Urkundenb. 3, 1420, vgl. auch Müller a. a. O. 392 aber zum Jahre 1292). Einen sehr geringen Beitrag liefert auch der leider nur in Abschrift erhaltene und von Kötzschke S. 332--347 mit grosser Sorgfalt herasgegebene Memoirenkalender des Kiosters, der zwischen 1051 und 1174 angelegt , aber noch sehr lange fortgeführt wurde .

Wir können ihm nur zwei neue Namen ent-

nehmen. Zum 15. April heisst es ,, Henricus de Gore presbiter nostre congregationis consolatio proaepositi 7 s. , conventui 5 s., ad capellam sancti Johannis baptistae 3. sol. in Patberge" und zum 22 Dez. ..† Everhardus dictus de Barle monachus. consolatio 2 s. in Barle".

Das Alter dieser Einträge lässt sich

173

nicht feststellen.

In einer Zeugenliste

von

1348

erscheinen

ausser Prior, Kellner und Küster vier Mönche : ,,Wilhelmo de Ittere , Henrico de Wildenburgh (siehe oben), Thiderico de Helpensteyn, Walramo de Swalenbergh (s. oben) dominis er conventualibus dicti monasterii Werdinensis . (Kötzschke 1 , 402.)" Dem vatikanischen Archive verdanken wir eine Urkunde¹ ) , nach welcher der Erzbischof von Holte (1297-1304) den Versuch gemacht hat, den Abt Dietrich von München-Gladbach abzusetzen und diese Würde dann an ,,Ottonem dictum de Marlar monachum monasterii Werdinensis " zu geben. Der langjährige Streit wurde zu Ungunsten des Werdener Mönches entschieden Es ist nun bekannt, wie ungemein deutsche Eigennamen in den Papsturkunden entstellt worden sind. Den richtigen Namen muss man aus deutschen Dokumenten feststellen , und da bietet sich eine jüngere Gladbacher Chronik, die von dem Abte Otto etwas weiss, ihn aber doch nicht recht einfügen kann und sie nennt ihn nicht von Marlar, sondern Matla r² ) , und das ist, wie wir sehen werden, wiederum eine freiherrliche Familie. Falsche Hoffnungen erwecken uns zwei Stellen. Die erste ist der Anfang einer in Abschrift erhaltenen Urkunde von 1452 ") . Es heisst da : ,,Wij Conrayd van Gelijchen, van gotz gnaden abt, Johan van Lymburch provest, Evert van Lymborch coster [ am Rande : Wilhelm van Rifferschiet kellener, Ernst van Otyngen portener ] , ind vort wij gemeyne capittelspersonen des gegestichtes ind monisters to Werden, Herman ten Hoerne , Herman Hoveken, Bernt Buth, Johan Volmer, Thomas van Geseke , Evert Hoveke, ind vort wij gemeyn scheppen, rait ind gantz gereynheit der statt Werden." Auf den ersten Blick meint man erst die Würdenträger und unter ihnen neu den Ernst von Otingen, dann aber die gewöhnlichen Mönche zu erhalten . Beides ist ein Irrtum ; iá werde nachher zeigen, dass zwischen Konvent und Kapitel geschieden werden muss, aber auch der Name Otingen ist kein neuer : es ist doch wohl nur der Name Ernst von Otin-

1) Sauerland 1 nr. 186. 2) Fahno, Gesch. d. Dynasten von Bocholtz 3, 39. 3) Kötzschke I, 465.

174.

genbach abgekürzt . Es muss ein jüngerer Oettgenbach gewesen sein. Lassen wir ihn also ganz bei Seite und tragen nur den Ewert van Limburg , den Kötzchke in seine Liste einzutragen vergessen hat, nach. An der andern irreführenden Stelle ist offenber aus dem Namen Oetgenbach einmal Herkenbach und das andere Mal Bickenbach gemacht '). Gottfried von Danne wird durch eine Urkunde von 1130 als edelfrei erwiesen, die erst Grafen und Edelfreie, darunter leinricus de Danne, dann Geistliche, endlich Ministerialen in der Zeugenliste aufführt ( Lacomblet 1 , 525 ) . Die Itter ergeben sich durch das westfälische Urkundenbuch als ein Edelgeschlecht des nördlichen Hessen, die Helpenstein waren ein freiedles Gcschlecht bei Grevenbroich, deren Burg 1329 gebrochen wurde (nobilis vir Lacomblet 2 , 980. 3, 244. 492.

Zwei Glieder waren

auch im Kölner Domkapitel) , für die Hunenbrock bietet Lacomblet zu 1263 das Zeugnis : Wilhelmus vir nobilis de Hunenbrucke (Lac. 2, 593) , die Matlar waren ein Edelgeschlecht des Niederrheins im Gebiete von Jülich , 1317 war einer von ihnen im Këlner Domkapitel. Zu den von Kisky beigebrachten Beweisen für ihren edelfreien Stand füge ich noch Lacomblet 3, 324 hinzu, wo sie als Verwandte der Steck erscheinen, und dann die Urkunde von 1348 (,,Nos Luterus de Matlar canonicus eccl. s. Gereonis et Fridericus ejus frater, nobiles" Fahne, Gesch. der cöln. Geschl. 2, 91 ) hinzu. Somit bleibt nur Everhard von Barle übrig.

Ein freiherrliches Geschlecht dieses Namens habe ich

nicht gefunden, und ebensowenig den Vornamen Eberhard Lei den Clevischen Barle . Aber dürfen wir Eberhard zu den Freiherrn von Bare im Geldernschen zählen, die auch dem Kölischen Kapitel einen Domherrn lieferten und über die Baron Sloet in seinem geldernschen Urkundenbuch

(nr.

943.

1011.

1150) einige Nachrichten gibt ?

1 ) Es handelt sich um Zusätze Saldenbergs († 1608 ) zu der Dudenschen Chronik. Saldenberg gibt als capitulares für 1389 und 1390 auch „Johanues ab Bickenbach rector altaris sancti Johannis Baptiste et Ernestus de Bickenbach magister aegrotantium vulgariter Seckenmeister " an. (Jacobs, Werdener Annalen S. 76.) Derselbe , Gesch . der Pfarreien 518, citiert aber denselben Codex und dort heisst der erste „Johannes ab Herkenbach " . Es ist wohl kein Zweifel, dass Saldenberg oder seine Abschreiber den Namen Oetgenbach falsch gelesen haben.

175

Aber lassen wir diesen Namen bei Seite.

So haben wir bis

jetzt 35 Konventsgenossen kennen gelernt und nur bei dem Barle blieb die edelfreie Geburt unerwiesen und die Steek waren zur Edelreiheit empor gestiegen. Diese 35 Personen

verteilen.

sich auf 26 Familien , von denen nur 4 regelmässig den Grafentitel trugen. Eine Einrede wird mir der Leser machen. Warum habe ich oben die Namen der „ gemeinen Kapitelspersonen" bei Seite gelassen. Die Werdener Geschichtsforscher haben sich die Sache bisher nicht besonders klargemacht, aber es ist kein Zweifel. În Werden gab es neben dem Konvente edelfreier Mönche , von denen aber wohl nur sehr wenige Priester waren, Kapitulare, Kanoniker, unadlige Priester, die keine Ordensgelübde abzulegen hatten. Der Beweis ist nicht schwer. In den von Crecelius herausgegebenen Traditionen (Zeitschrift des berg. Gesch.-Vereins 6 und 7) heisst es 1 nr. 91 : „, in presentia omnium fratrum Auokonis prepositi, Gerhardi decani et cet. et canonicorum nostrorum Wendilgeri, Liuzonis, Salakonis, Bernhardi ", ähnlich 2 nr. 104 : „ Testes vero huius conventionis sive assipulationis fuere hi Valerius decanus, Adalvvigus prepositus, Rudolfus, Berewinus , Gere, Lindfridus, de canonicis etiam hi Eino, Bernhardus, Saligerus. “

Und danach glaube ich auch jene Urkunde von 1452

richtig interpretiert zu haben. Ich erkenne dabei an, dass eine genauere Untersuchung wünschenswert bleibt , sie wird sich vermutlich der Rechnungen bedienen können , sie wird aber auch aaf die Untersiegelung Siegel der Propstei, des Conventes und des Kapitels

Rücksicht nehmen müssen .

Seit wann ist denn aber diese enge Auswahl der Mönche, wie wir sie festgestellt haben, üblich ? Für diese äusserst schwierige Frage bieten die Werdener Quellen wenigstens einiges Material. Der zweite aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhundrts stammende Teil eines Traditionenverzeichnisses gibt eine Reihe von Vergabungen, die Vater oder Brüder beim Eintritt des Sohnes oder Bruders machten.

176

Stellt man sie zusammen, so ergibt sich folgende Liste :

Nr.

Schenkgeber nobilis homo unbestimmt

in ingressu

126 Udo filiorum 131 Adelbertus filii 133 Liudbertus 134 Herimannus de filiorum Honberge 136 filii Sigefridus 137 fratris Helmwigus 138 Rikhardus fratum 141 Theodericus fiorium 142 Liudgardis 143 Bernherus comes filii 144 Röbertus fratris 145 Weldricus et Heinricus ท 146 filiorum Beringerus 147 Erlolfus 148 Sigebertus 149 Heinricus filii 150 Godefrieus Mönzun " 151 Burchardus de Broke fratris 152 Wernerus de Linepe filiorum 154 Gerhardus de Tiverne filii

Name des Mönches

Ethelgcri et Udonis Godefridi

Bernheri et Pilegrimi Annonis Retheri Meinheri et Otberti Ethelgeri et Bertoldi Hardberti et Constantini Gerhardi 11

Flamiggi

Berewini et Heinrici Thietfridi et Wlframmi Bernheri et Bezzelini Lothuwici Godefridi Arnoldi Heriberti, Ricberti Weltherus

´Das sind zusammen 29 ingressus, von denen sich sofort 8 als die edelfreier erkennen lassen.

Aber die reiche Werdener Ueberlieferung dieser sonst so quellenarmen Zeit bringt uns noch etwas weiter. Liudbertus (nr. 133 ) heisst in einer anderen Werdener Aufzeichnung (Kötzschke 1 , 278) nobilis vir. Die vier letzten geben uns in den Geschlechtsnamen eine Handhabe und in allen vier Fällen kommen wir auf Edelfreie. weisbares

westfälisches

Die Munzu n sind ein leicht nach-

Edelherrengeschlecht vom Haupthof

Velmede bei Meschede , Burchardus de Brucke steht in der Zeugenliste einer Werdener Urkunde von 1148 (Lacomblet 1 , 364, Crecelius 2, 131 ) vor ,, Erenbertus de Mere, Arnoldus de Rothe, Harbernus de Helpenstein“ , die sich ohne Mühe als Freiherren nachweisen lassen. Wernerus de Line pe (152) und Gerhardus de Tiverne ( 154 ) nennt eine andere Werdener Ur-

177

kunde unter den liberi homines (Lacomblet 1 , 368, Crecelius 2; 133). Es kommen also zu den 8 noch weitere

6 Edelfreie,

bei

allen übrigen 15 fehlt jede Möglichkeit einer sicheren Bestimmung. Man kann aber beachten, dass die Stiftungen der Grafen und Edelfreien durchaus nicht höher sind, als die für die übrigen eintretenden Söhne. Es ist meines Erachtens gar kein Unterschied vorhanden. Wenn es sich in den eben besprochenen Fällen ganz zweifellos un cingetretene Mönche handelt, so ist das auch wohl bei den folgenden Traditionen der Fall : 127. Tradidit Gerhardus comes pro filio suo Bervelpo 3 s. in Cloheim . 132. Tradidit Evervordus homo nobilis pro filio suo berto in Berkhoven 4 s. et 6 d. 135. Tradidit frater noster Eskericus in

Lain-

conversione

sua

territorium unum in Strudhuson cum omni utilitate. 139. Tradidit Reinbertus pro fratre suo Heinrico 4 s. in Mile iuxta Toneburg. 140. Tradidit frater noster Hezel in conversione sua sancto Liudgero 4 s. in Hanepe. 141. Tradidit Wasigrimus in ingressu conversionis sue 6 s., 3 scilicet in Sualengeren et alios in Widehowe. Von diesen sechs erweisen sich wieder sofort zwei als edelfrei. Damit steigt die Zahl der Ingressus auf 35, von denen 16 als edelfrei erwiesen sind, während für den Rest kein Grund vorliegt, der Edelfreiheit ausschliesst.

Der Versuch nachzuwei-

sen, dass die in den Urkunden genannten Mönche mit denen in den Ingressen genannten übereinstimmen, m. and. Worten, dass alle eintretenden etwas gestiftet haben, alle in das Traditionsverzeichnis aufgenommen wurden und tatsächlich alle Mönche der Urkunden mit unsern Tradenten übereinstimmen, musste aufgegeben werden, da die Namen der Mönche in Urkunden doch zu selten sind und die Zeitgrenze unsers Traditionsverzeichnisses doch zu unsicher ist. Doch ich darf als Gesamtergebnis unserer Untersuchung feststellen :

Wir haben im Ganzen 52 Konven-

tualen ihrem Geburtsstande nach bestimmen können , alle erwiesen sich als edelfrei mit Ausnahme eines zweifelhaften Falles.

178

Es ist mir auch für die Zeit

des 12. Jahrhunderts wahr-

scheinlich, dass Söhne von Ministerialen und Unfreien sich nicht unter den Werdener Mönchen fanden. Wie sollte denn aber auch, nachdem es einmal ihnen gelungen war, Eingang zu finden, der Zutritt ihnen später versperrt worden sein, wo doch Macht, Selbständigkeit und Besitz dieser Dienstmannen gewachsen war ? Die von Lüdinghausen und Vittinghoff, die Bardenscheid und Rüdenscheid, die Landsberg und Bensheim waren gewiss mächtige Dienstmannen, aber nicht einer von ihnen fand Gnade vor den freigeborenen Mönchen . Ich glaube, dass der Werdener Konvent seit der Zeit jener Schenkungen, wenn nicht schon vorher, ein exklusiv freiherrlicher war. Der Bestand an solchen Geschlechtern ermöglichte, dass im 12. Jahrhundert, wo das alte Kloster seine letzte Blüte erlebte, der Konvent noch stark besetzt war. Aber dieser Stand hatte weit mehr Gefahren für seine Erhaltung, als ein anderer. Er teilte mit den Dienstmannen die Gefahren des ritterlichen Kampfes und Krieges, trug aber stärker als dieser an den Folgen des Cölibates.

Die Ministerialen hatten nicht die Gelegenheit, die nachgeborenen Söhne mit Eigenkirchen zu bepfründen , ihnen waren keine Klöster und Domstifte aufbehalten, sie hatten kaum eine Aussicht, eine Prälatur oder ein Bistum zu erhalten, alles das aber lockte die edelfreien Eltern, ihre Söhne in Stifter und Klöster zu geben, wozu sie die ererbte Frömmigkeit auch antrieb. Starb unerwartet der Stammherr ohne Kinder, so musste entweder der Kleriker laisiert werden oder das Geschlecht starb, wenn nicht verheiratete Brüder oder Vettern da waren, aus. Während der Stand der Ministerialen endlich von unten

ber

wuchs, warf jede Missheirat den Freiherrn aus seinem Stande heraus. Angesichts dieser drei Gründe musste sich die Zahl dieser und wir können dies überall beobGeschlechter vermindern und damit mussten die Konvente freiherrlicher Klöachten ster, wenn sie sich nicht dazu entschlossen, wenigstens Dienstmannen zuzulassen, immer kleiner werden. Wir haben für Werden eine Liste von 1209 , die den Eindruck macht, vollständig zu sein. Ist das richtig, so zählte der Konvent damals 20 Per-

179

sonen¹ ) .

Kötzschke meint, dass sich die Mitgliederzahl

dann

wieder gehoben habe ; sie habe um 1330 gegen 25 Personen betragen, denen ein Anspruch auf das sogenannte Kleidergeld zuEr bezieht sich dabei auf das Versprechen des Abtes Jo-

stand.

hann , dem Konvente jährlich 25 Mark Silber zu liefern²) . Das sicht nun freilich stark einer Pauschalsumme ähnlich. Aus den Beträgen des Kleidergeldes rechnet Kötzschke

weiter heraus,

dass es 1350 noch 15 Konventualen gegeben habe ) , aber unmittelbar darauf wurden bereits Priorat und Thesaurarie in einer Hand vereinigt, 1425 waren es nach Kötzschke noch 9 , 1449/50 nur 5 und kurz vor 1474 bestand der ganze Konvent (K. sagt Kapitel) nur noch aus Abt, Propst und Küster. Eine Nachpriifung ist mir erst nach Erscheinen des zweiten Bandes möglich , dech zählt der Konvent nach einer von Müller mitgeteilten Ürkunde 1393 nur 6 Mitglieder* ) . Werden ist geradeso wie die Reichenau, S. Gallen und Einsiedeln eingeschrumpft, weil die Konvente an der Forderung der Geburt festhielten, obwohl Jahrzehnt für Jahrzehnt die Zahl der Menschen geringer ward, die diesen Bedingungen genügen konnten.

Mindestens seit 1300 füllte kein starker lebensfähiger Kon-

vent mehr die grossartige und verwickelte Verwaltung aus, mit jedem Jahrzehnt wurde das Missverhältnis zwischen dem Apparat und der Zahl seiner Träger grösser.

Das Alte blieb äusser-

lich bestehen und wurde nicht auf den geringen Bestand

der

Herren Mönche zugeschnitten ; denn der schwerste Uebelstand bei den Benediktinern war die Schwierigkeit, Reformen durchzuführen.

1474 setzte die Bursfelder Kongregation

aber die

volle Reform durch, und nun verschwanden die vornehmen Herren für immer. Das ist, glaube ich, der wirkliche Hintergrund, den die Darstellung von Kötzschke vermissen lässt. Aber noch einmal möchte ich das hervorheben, dass im übrigen die Herausgabe des unge. mein weitschichtigen und schwierigen Quellenstoffes vortrefflich 1) Behrens, Diplomatarium mon . 8. Liudgeri prope Helmstede, in Neue Mitteilungen aus dem Gebiete historisch -antiquarischer Forschungen (Halle 1836) 2, 468. 2 ) Urkunde bei Kötzschke 1, 391 von 1330. 3) a. a. O. 1, XL. 4) Müller a. a. O. S. 343.

180

ist.

Ich selbst ziehe aber die Folgerung daraus, nun noch mehr

Krafte für die Erforschung und Feststellung der freiherrlichen Klöster zu gewinnen, zunächst auch für die übrigen ähnlichen Klöster und Stifter der Rheinprovinz, dann aber auch für die andern Landschaften Deutschlands, in denen derartige Klöster und Stifter sich nachweisen lassen.

Der Hauptarbeit hoffe ich

aber selbst meine Kraft unter Verwertung der Ergebnisse jener von mir geleiteten Studien widmen zu können.

II.

1.

Ueber

Werdener

Handschriften

bringt

Neues Archiv XXXII . Jahrg. 1907 S. 509 folgende Nachricht : Ad. Schmidt veröffentlicht im Zentralblatt für Bibliothekswesen XXII , 241--264 (abgedruckt in den Beiträgen zur Geschichte des Stiftes Werden XI, 1905, S. 113-137 ) ein Verzeichnis von 64 Werdener Hss. aus den in Darmstadt befindlichen Papieren des Kölner Sammlers Baron Hüpsch († 1805 ) und weist im einzelnen den Verbleib der meisten Hss. nach. Entgangen ist ihm die Bonner Hs. n. 366 , ein Palimpsest des 15. Jh . mit Heiligenleben (vgl. Klette in bibliotheca academica

und Staender, Chirographoru

Bonnensi servatorum

catalogus II,

106), dessen Herkunft sich aus dem alten Vermerk fol. 2 ergibt : "; Codex monasterii sancti Ludgeri episcopi in Werdena “, unzweifelhaft n. 39 des Verzeichnisses von Hüpsch.

Ich füge

hinzu, dass auch die Hs. n. 367, ebenfalls ein Palimpsest derselben Zeit und verwandten Inhalts (vgl. eb. S. 107 ; Hampe, N. A. XXV, 679 f.) aus demselben Kloster stammen dürfte, obgleich eine entsprechende Eintragung fehlt.

Es handelt sich

wohl um eine von den Nummern 6 (,, Legenda sanctorum"), 20, 22 ( Vitae quorundam sanctorum") und 45 (,,Vitae et passiones quorundam sanctorum ") des Verzeichnisses. Die Hss. sind als Geschenk des Werdener Geistlichen Prisack 1837 nach Bonu gelangt ; zur Herstellung beider Palimpseste

sind u. a.

auch

Blätter mit insularer Schrift benutzt worden (über 367 vgl. Hampe a. a. O. S. 679) , die ich ähnlich auch bei Werdener Hss.Resten in Düsseldorf gesehen zu haben glaube.

W. L(evison).

181

2. Im Britischen Museum befinden

sich

gemäss

freundlicher Mitteilung von Fräulein A n to nie Hopman nWerden zwei Inkunabeldrucke, die ehemals Bestandteile Werdener Klosterbibliothek waren, nämlich :

der

Robertus Caracciolus de Licio Opus quadragesimale de penitentia Köln : Ulrich Zel 17. Jan. 1473 f.º In Hain, dem bekannten Nachschlagewerke für Inkunabeldrucke, verzeichnet unter No. 4429. Originalband mit vielen kleinen Verzierungen. schriftlicher Inhaltsangabe. in Werdina.

Mit hand-

Aufschrift : Codex sancti Ludgeri

B. M. Signatur : J. B. 2955. Aus der Sammlung des Georgius Kloss, M. D. und Ludolphus de Saxonia Compendium vitae Christi Köln, Arnold ter Hoernen, c. 1482. 4.° Bei Hain nicht vermerkt. Aufschrift : Lib' mon. sti Luythgeri epi in W'den. B. M. Signatur : J. A. 3274.

Bemerkung der Schriftleitung. In den beiden die Einrichtung des Werdener Stiftes behandelnden Aufsätzen dieses Heftes werden in Betreff der Existenz eines Kanonikerstiftes neben dem Kloster sowie hinsichtlich der Topographie der Münsterkirche Ansichten vorgetragen, die mit den Ergebnissen der bisherigen Forschung nicht übereinstimmen.

Wir sind der Meinung, dass der Austrag derartiger Mei-

nungsverschiedenheiten der Erkenntnis der Wahrheit nur dienlich sein kann und teilen schon an dieser Stelle mit, dass das nächste Heft eine Abhandlung bringen wird, die für die Berechtigung der bislang geltenden Anschauungen eintritt.

182

Chronik

des

historischen

Vereins

für das Gebiet des ehemaligen Stifts Werden für 1905 und 1906.

Die Mitgliederzahl beträgt 159.

Während der Verein meh-

rere Mitglieder durch Tod verlor, worunter Herr Domkapitular Dr. I'ingsmann , der Verfasser einer Lebensbeschreibung des hl . Indgerus, und Herr Gewerke Heinrich Wulff, durch alte Fanilientraditionen mit Stadt und Stift eng verbunden, besonders : hervorgehoben zu werden verdienen , sind dem Vereine folgende Herren neu beigetreten :

1. Legationsrat Dr. Gustav Krupp von Bohlen und HalbachHügel. 2. Progymnasialdirektor Dr. Otto Schantz-Werden. 3. Religions- und Oberlehrer Thelen-Werden. 4. Regierungsbaumeister Jordan-Werden. 5. Freiherr Franz von dem Bottlenberg- Schirp-Baldeney. 6. Keller, Ludwig, Betriebsleiter, Werden.

7. Pellengahr, Rechtsanwalt, Werden. 8. Schaphaus Alois, Bürgermeister, Werden-Land. 9. Voossen, Hugo, Rentmeister, Linnep. 10. Grotkamp, Joh., Wirt, Werden. 11. Grüter, Alfons, Kaplan, Büderich. Generalversammlungen wurden gehalten am 15. Dezember 1905 und am 10. Januar 1907. Dieselben hatten sich beide . eines

recht

zahlreichen

Besuches

211

erfreuen.

In

der

ersteren wurde anstelle des ausgeschiedenen Herrn Bürgermeisters Trapp Herr Bürgermeister Breuer in den Vorstand ge wählt.

Herr Kaplan Quadflieg referierte

über

einige

alte

Rechtsstreitigkeiten zwischen Fiskus und der Werdener Pfarrgemeinde. Der Vortrag ist in diesem Hefte gedruckt. In der letztjährigen Generalversammlung wurden die ausscheidenden

183

Vorstandsmitglieder, die Herren Pastor Dr. Jacobs, Dr. Kranz, Bürgermeister Breuer, Matthias Wiese, Amtsgerichtsrat Engelhardt, Kentmeister Siepenkothen aus Werden und Flothinann sen. aus Kettwig wiedergewählt,

sowie neugewählt Herr Pro-

gymnasialdirektor Dr. Schanz und Herr Bürgermeister Schaphaus (Werden- Land) . Herr Professor Dr. Gottlob (Bonn) hielt. einen Vortrag über das Thema : Die Werdener Urbare an Hand der Publikation von Rudolf Kötzschke. Das Referat ist im vorliegenden Hefte veröffentlicht.

Unter Bezugnahme auf die von

Herrn Professor Dr. Gottlob gegebene Anregung

(cf. S.

161 ) machte der Vorsitzende bekannt, dass die Herausgabe eines Werdener Urkundenbuches bereits in die Wege geleitet sei.

Der I. Band, enthaltend Kaiser- und Papst-

urkunden, liegt in einer Bearbeitung von Dr. Franz Bendel (Wien) zum grossen Teile gedruckt vor und wird im nächsten Jahre an die Mitglieder verteilt werden. Die Rechnungslage erstreckte sich auf die Jahre 1905 und 1906.

Die Einnahme im Jahre 1905 betrug M. 755,33, im Jahre

1906 M. 687,43, zusammen M. 1442,76 .

Die Ausgaben beliefen

sich auf M. 1067,58 und M. 705 , zusammen auf 1772,58 . Kassenbestand ist M. 1014,84 .

Der

Dem Schatzmeister wurde nach

Prüfung der Rechnung durch zwei von

der Generalversanin-

lung gewählte Revisoren, nämlich die Herren Flügge und Berger. Decharge erteilt. Für die Vereinsbibliothek wurden durch Kauf erworben : Jostes , Westfälisches Trachtenbuch. Bielefeld 1904. Kötzschke, Die Urbare der Abtei Werden a. d. Ruhr, 1. Band : Die Urbare vom 9. - 13. Jahrhundert. Bonn 1906 .

Verzeichnis der Geschichtsvereine, mit denen der historische Verein im Verkehr steht, nebst Bericht über die durch Austausch in den Jahren 1905 und 1906 von denselben erhaltenen Schriften . 1. Aachener Geschichtsverein :

Zeitschrift . Bd.

XXVII, 1905 und Bd. XXVIII, 1906. 2. Dortmund , Historischer Verein für Dort mund und die Grafschaft Mark.

184

3. Düsseldorfer

Geschichtsverein :

Beiträge

zur Geschichte des Niederrheins , Jahrbuch Bd . XX, 1905 . Inhalt : 1. Dr. Peter Eschbach. Die Ratinger Mark. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des Niederrheins. 2. Ed. Wie pen, Neues über die Lebensverhältnisse des Geographen Mathias Quad von Kinckelbach. Ein Beitrag zur niederrhein . Gelehrten- und Kunstgeschichte. 3. Th. Levin,

Beiträge zur Geschichte der Kunstbestrebungen

in dem Hause Pfalz-Neuburg.

4. Dr. Bruno Kücke, Koeln, die Rheinschiffahrt zwischen Koeln und Düsseldorf

voin 17. bis 19. Jahrh. 5. Emil Pauls , der Düsseldorfer Geschichtsverein in den ersten 25 Jahren seiner Tätigkeit.

6. Kleine Mitteilungen. 7. Literarisches.

8. Vereins-

angelegenheiten. 4. Elberfeld, Bergischer Geschichtsverein : Zeitschrift Bd . 38 . 5. Essen , Historischer Verein

für Stadt und

Stift Essen : Beiträge . Heft 26 , 1905. Inhalt : 1. Franz Dinnendahl : Das Lebensbild eines deutschen Kunstmeisters.

Mit Einleitung und Ergänzungen von Con-

rad Matschoss, Cöln . 2. Geschichte der Juden in Stadt und Stift Essen bis zur Säkularisation des Stifts ( 1291-1802) . Beilagen und Stammtafel,

Mit urkundlichen

Von Dr. S. Samuel.

3. Die

Kluse bei Baldeney. Von Heinrich Weidemann. 4. Jahresbericht und Mitgliederverzeichn ) s. Heft 27, 1905. Inhalt : Die Ortsnamen des Kreises Essen und der angrenzenden Gebiete, von Prof. Dr. Theod. Inme, Oberlehrer am Kgl. Gymnasium zu Essen. Heft 28, 1906. Inhalt : Urkunden und Akten des Essener MünsterArchivs, herausgegeben von Dr. Heinrich Schaefer Franz Arens.

und

6. Frankfurt a. Main, Verein für Geschichte und Altertumskunde. Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst . Bd . VIII, 1905 und Geschichte der Musik in Frankfurt am Main vom Anfange Jahrh. von Caroline Valentin, 1906 .

des XVIII.

185

7. Freiburg ,

Deutscher Geschichtsforsch.-

Verein des Kantons Freiburg : Geschichtsblätter XI. und XII. Jahrg. 1905 und 1906. 8. Giessen , ein

Oberhessischer Geschichtsver-

Mitteilung. Bd . XIII und XIV, 1905 und 1906 .

9. Hannover , Historischer Verein für Niedersachsen : Zeitschrift 1905, Heft 4 und 190€ , Heft 1, 2, 3 und 4. 10. Hannover , Verein Stadt Hannover.

für

Geschichte

der

11. Heidelberg, Historisch - philosophischer Verein :

Neue

Heidelberger

Jahrbücher.

Jahrgang

XIII , Heft 2 , 1905 ; Jahrg. XIV, Heft 1 und 2 , 1906 . 12. Köln , Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde. Jahresberichte von 1905 und 1906.

* 13. Lemberg ,

Historischer Verein.

Kwartalnik

Historyczny, Jahrg. 1905 , 2. , 3. und 4. Quartal , 1906 , 1. , 2. , 3. und 4 Quartal , 1907 , 1. , 2. und 3. Quartal. 14. Mitau, Kurländische Gesellschaft für Literatur und Kunst : Jahrbuch für Genealogie , Heraldik und Sphragistik, Jahrgang 1906.

15. Mülheim ,

Geschichtsverein .

Zeitschrift :

Jahrg. I, Heft 1 ; Jahrg. II, Heft 1 und 2 , 1906 und 1907. 16. Münster und Paderborn, Verein für vaterAltertums ländische Geschichte u nd kunde.

Zeitschrift Bd. 62 , 1904 , Bd . 63 , 1905 und Bd .

64, 1906. Historisch-geographisches Register bis 50. 4. - 9. Lieferung. 17. Osnabrück , Verein

für

zu Band 1

Geschichte

und

Landeskunde. Mitteilungen : Bd. XXIX. 1904 , Bd . XXX. nebst Beiheft 1905 und Bd . XXXI. 1906. 18. Recklinghausen, Verein für Orts- und Heimatskunde im Veste und Kreise Reckling hausen . XXV, 1905.

Vestische Zeitschrift : Bd. XXIV, 1904 ; Bd .

186

19. Stockholm,

Kongl. Vitterhets - Historie-

och Antiquitets - Academien. 20. Wetzlar , Geschichtsverein . . Heft. 1906. 21. Witten , Verein

für

Orts-

Mitteilungen :

und

kunde in der Grafschaft Mark.

I.

Heimat Jahrbuch, 19.

Jahrg., 1904-1905. 22. Wolfenbüttel , Geschichtsverein für das Herzogtum Braunschweig. Jahrbuch : IV . Jahrg. 1905 und V. Jahrg. 1906. Jahrg. 1905 12 Hefte.

Braunschweigisches

Magazin ,

187

Mitglieder - Verzeichnis für 1907.

A. Ehrenmitglieder. "

;、, 1. Clemen Paul, Dr., Professor , u. , Prov.-Kons. , Bonn. 2. Effmann Wilhelm, Professor, Bonn. 3. Gottlob Adolf, Dr., Professor, Bonn. 4. Jostes Franz, Dr. , Professor, Münster.

B. Mitglieder. 1. Albermann Wilhelm , Professor, Cöln. 2. Algermissen, Dr. med ., Arzt, Kupferdreh. 3. Arnst Paul, Klempnermeister, Werden. 4. Beer M.

Frau, Kommerzienrat, U.- Bredeney.'

5. Bellenberg Ludger, Dr., Pfarrer, Oberdrees. 6. Bendir Karl, Jusitzrat, Werden. 7. Berg Robert vom, Rentner, Kettwig. 8. Berger Tillmann, Kaufmann, U.- Bredeney. 9. Bernhard Johann, Rendant, Mülheim-Rühr. 10. Bernsau Joh. Wilh., Gutsbesitzer, Bredeney. 11. Bertrams Franz, Pfarrer, Denklingen. 12. Bertrams Wilhelm , Hauptlehrer, Schuir. 13. Bickmann Ludg., Steinbruchbesitzer, Heidhausen. 14. Börk Richard, Gasthofbesitzer, Bonn. 15. Bonnenberg Theodor, Dr. med. , Arzt, Düsseldorf. 16. Bottlenberg Frhr. von dem, gt. v. Schirp , Baldeney. 17. Brahm Elise, Lehrerin, Werden. 18. Breuer Josef, Bürgermeister, Werden. 19. Brodzina Richard, Stadtsekretär, Werden. 20. Bruckmann Johann, Cöln.

Ehrendomherr

und Pfarrer,

21. Bruns Friedrich, Rentner, Werden. 22. Beitelsmann Ludger, Gutsbesitzer, Heidhausen. 23. Classen Johannes, Kaufmann, Aachen. -

188

24. Engels Karl, Gerichtsassessor, Werden, 25. Engelhardt Karl, Amtsgerichtsrat, Werden. 26. Engemann Karl, Pfarrer, Spich. 27. Ewald Heinrich, Stadtbaumeister, Werden. 28. Ferber Clemens, Rentner, Werden. 29. Fenser Heinrich, Bäckermeister, Werden. 30. Fromberg Götz von, Postdirektor, Zoppot. 31. Flothmann Friedrich, Rentner, Kettwig. 32. Flügel Heinrich

Frau, Kreisrentmeister, Neuss .

33. Flügge Wilhelm, Buchdruckereibesitzer, Werden. 34. Flügge Elise , Lehrerin, Heidhausen. 35. Fuchte Dr. , Schulrat, Essen. 36. Funke Joh., Wilh., Kaufmann, Werden. 37. Führkötter Ludger, Restaurateur, Hügel. 38. Füth, Dr. med., Arzt, Coblenz. 39. Fischer Heinrich, Rentner, Werden. 40. Gerling Friedrich, Fabrikant, Schuir. 41. Gerz B. , Gerichtssekretär, Bochum. 42. Gisbertz Lambert, Dechant , Werden. 43. Grevel Wilh. , Rentner, Düsseldorf. 44. Grotkamp Johann , Wirt, Werden. 45. Grüter Leo, Dr. med. , Arzt, Werden. 46. Grüter Alphons, Kaplan, Büderich. 47. Hartmann Wilhelm, Rektor , Kettwig. 48. Haverkamp Aug., Rentner, Werden. 49. Haverkamp Heinr. Frau, Werden. 50. Heimbach Nikolaus, Kaufmann, Werden. 51. Heinke Edmund, Amtsgerichtsrat , Werden. 52. Hellings Wilhelm, Pfarrer, Holzheim. 53. Hicking Alb., Dr. , Frau, Sanitätsrat, Werden.

54. Höfer Clemens, Kaufmann, Werden. 55. Hövel, Freiherr von, Reg. -Präsident, Coblenz. 56. Hopmann Adolf, Fabrikbesitzer, Werden. 57. Hofmann Wilh. , Brauereidirektor, Werden.

58. Hülsmann, Direktor der Handelschule,

Amsterdam.

59. Huffmann Ernst, Fabrikbesitzer, Werden. CO. Hülsmann Fritz , Hauptlehrer, Hamm. 61. Humpert Johann, Rentmeister, Kupferdreh.

189

62. Hartmann Theodor, Landwirt, Heidhausen. 63. Humann Georg, Rentner, Aachen. 64. Jacobs Peter, Dr. , Pfarrer, Werden . 65. Jordan P. , Regierungsbaumeister, Werden. 66. Jung August, Fabrikant, Fischlaken. 67. Kahmann Ludger, Buchhalter , Werden. 68. Kattenbusch Ferdinand, Dr. , Professor, Göttingen . 69. Kemper Stephan, Kaufmann, Bonn. 70. Keller Ludwig, Betriebsleiter, Werden . 71. Kimmeskamp Elise, Lehrerin , Fischlaken. 72. Klane Wilhelm, Rentner, Bredeney. 73. Klein Johann, Pfarrer, Rescheid. 74. König Alois, Rendant, Werden. 75. Königstein Johann, Gasthofbesitzer, Werden. 76. Kranz Gisbert, Dr. med. , Arzt, Werden. 77. Kronenberg Clemens, Kaufmann, Werden . 78. Krupp Frau, Geheimrat, Exzellenz , Hügel. 79. Krupp von Bohlen und Halbach Gustav, Dr. , Legationsrat, Hügel. 80. Kruttge E. , Reg.- und Baurat, Gumbinnen.

81. Küppers Peter, Hauptlehrer, Werden. 82. Kimmeskamp L. , Rentner, Fischlaken am Schwarzen. 83. Kreislehrer-Bibliothek, Essen. 84. Latz Gustav, Anstreichermeister, Werden . 85. Luhmann Wilhelmine, Lehrerin, Fischlaken.

86. Mackenberg, Dr. , Arzt, Kettwig. 87. Matena Wilhelm, Kaufmann , Cöln. 88. Maas Ludger, Gutsbesitzer, Fischlaken.. 89. Maas Ludger, Gutsbesitzer, Hamm. 90. Mintrop Wilhelm, Gutsbesitzer, Heidhausen. 91. Mintrop Clemens, Wirt, Werden. 92. Mittweg Albert, Kaufmann, Werden. 93. Müller Friedrich, Wirt, Werden. 95. Müller Leo, Hauptlehrer, Werden. 96. Müller Hans, Steuerinspektor, Werden. 94. Müller Wilhelm, Fabrik-Direktor, Werden. 97. Niermann, Dr. med, Arzt, Linn. 98. Oertgen Heinrich, Pfarrer, Bredeney.

190

99. Ostrop Franz, Gutsbesitzer, Bredeney. 100. Ossmann Joh., Grubenverwalter, Heidhausen. 101. Overhamm Aug., Rentner, Werden. 102. Overhamm Gregor, Apotheker, Werden. 103. Overhamn Bernhard, Dr. med., Arzt, Oberhausen. 104. Pellengahr, Rechtsanwalt, Werden. 105. Poerting Ludger, Pfarrer, Angermund . 106. Prentenborbeck, Wilh. , Gutsbesitzer, Heidhausen. 107. Rensing Franz, Dr. , Professor, Anholt . 108. Rindskopf Otto , Kaufmann , Werden . 109. Rötger, Landrat a. D. , Direktor, Essen. 110. Rosauer Wilhelm, Pfarrer, Kettwig. 111. Schantz Otto, Dr. , Progymnasialdirektor, Werden. 112. Schaphaus Alois, Bürgermeister, Werden - Land. 113. Scheuvens Alfons, Pfarrer, Schleiden. 114. Schiller Adolf, Kaplan, Werden.

115. Schlechtendahl von, Hauptmann, Berlin. རྟེན..... ན་ 116. Schmachtenberg J., Gutsbesitzer, Kettwig. 117. Scheidt Frau, Geh. Kommerzienrat, Kettwig. 118. Schmidt Karl, Grubendirektor, Godesberg. 119. Schmidtman H., Buchhalter, Heidhausen. 120. Schmitz Friedr. Apotheker, Werden . ' 121. Schneider, Dr. med., General-Oberarzt, Neisse. 122. Schulten Gertrud, Hauptlehrerin, Werden. 123. Schützdeller Franz, Grubenverwalter, Hamni. 124. Struwe August, Polizei-Kommissar, Werden. 125. Schulenburg von der, Reichsgraf, Oefte. 126. Schürenberg Heinrich, Kaufmann , Werden. 127. Servos Johann, Hauptlehrer, Fischlaken. 123. Siepenkothen H., Stadtrentmeister, Werden. 129. Simon Leopold, Fabrikant, Werden. 130. Sonnenschein Wilh., Gewerke , Werden. 131. Spee von Hubertus, Graf, Linnep . 132. Spelten Iosef, Dr. med, Arzt , Werden. 133. Stockebrand H. L. , Bäckermeister, Werden. 134. Strenge Adalbert, Justizrat, Werden . 135. Strötgen Paul, Gemeinderentmeister, Werden. 136. Strötgen Theodor, Kaufmann, Heidhausen.

191

137. Surman Elise, Lehrerin , Werden. 158. Tack Peter, Kaufmann, Ratingen. 139. Thelen, Religions- und Oberlehrer, Werden . 140. Thomer Josef, Rentner, Cöln. 141. Vogelsang Robert, Kaufmann, Werden .

142. Vogelsang Heinr. , Gewerke, Recklinghausen . 143. Voossen Hugo, Rentmeister, Linnep. 144. Waldthausen A. von, Gewerke, Essen . 145. Wiese Math. , Fabrikbesitzer, U.-Bredeney. 146. Wimber Adolf, Hauptlehrer, Heidhausen . 147. Wintgen Johann, Kaufmann , Düsseldorf. 148. Wulff Wilh. , Betriebsleiter, Kray. 149. Wusthoff Julius, Kaufmann, Werden . 150. Wirtz Josefa , Hauptlehrerin , Werden. 151. Stadtgemeinde Werden. 12. Stadtgemeinde Kettwig. 153. Gemeinde Werden-Land. 154. Gemeinde Bredeney. 155. Gemeinde Kupferdreh.

192

Inhaltsverzeichnis .

Zur Rechtsgeschichte und Topographie des Werdener Münsters. Von Dr. Heinrich Schaefer . S.

3-

12

13-

18

Ueber die Schicksale des Müllerschen Werkes, behandelnd die Geschichte von Werden. Von Dr. Franz Josef Bendel

S.

Rechtsgeschichtliche Studien über die Eigentumsverhältnisse der katholischen Kirchengemeinde

in Werden.

Von Pfarrer Pet. Quadflieg .

·



S.

18--130

Die Krankenpflege in Werden und Kettwig in älterer und neuerer Zeit. Von Dr. P. Jacobs . S. 131-156 Rudolf Kötzchkes I. Band der Werdener Urbare. S. 157-164

Referat von Prof. Dr. Gottlob Miscellen : 1. War Werden ein freiherrliches Kloster ? Von Prof. A. Schulte.

2.

Ueber Werdener

HandS. 165--181

schriften und alte Druckwerke Bemerkung der Schriftleitung .



Chronik des Vereins und Mitgliederverzeichnis .

S. 181 S. 182--191