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German Pages 201 Year 1993
KHALIL MOHAMMED KHALIL ATTIA Beiträge privater ausländischer Direktinvestitionen zur Entwicklung Ägyptens unter Berücksichtigung der Investitions- und Geschäftsbanken
Schriften zu Regional- und Verkehrsproblemen in Industrie- und Entwicklungsländern Herausgegeben von J. Heinz Müller t und Theodor Dams
Band 57
Beiträge privater ausländischer Direktinvestitionen .. zur Entwicklung Agyptens unter Berücksichtigung der Investitions- und Geschäftsbanken
Von
Khalil Mohammed Khalil Attia
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Attia, Khalil Mohammed Khalil: Beiträge privater ausländischer Direktinvestitionen zur Entwicklung Ägyptens unter Berücksichtigung der Investitionsund Geschäftsbanken I von Khalil Mohammed Khalil Attia. Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriften zu Regional- und Verkehrsproblemen in Industrieund Entwicklungsländern ; Bd. 57) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07654-0 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0582-0170 ISBN 3-428-07654-0
Für Samiha, Ahmed, Ali, Abdul-Rahman und Abdullah
Vorwort der Herausgeber Die wachsende Verschuldung von Ländern der Dritten Welt ist ein großes Hindernis für Wachstum und Entwicklung dieser Staaten. Ein erheblicher technologischer Rückstand sowie Mängel in Management und Marketing verschärfen diese prekäre Lage. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, daß die Entwicklungspolitik - zusätzlich zu den Leistungen der öffentlichen finanziellen und technischen Hilfe - in zunehmendem Maße versucht, das privatwirtschaftliche Engagement von Investoren zu fördern. Das Institut für Entwicklungspolitik an der Universität Freiburg hat in seinem über 25-jährigen Bestehen einen besonderen Schwerpunkt seiner Forschungstätigkeit darin gesehen, die Voraussetzungen und Auswirkungen privater direkter Auslandsinvestitionen in Entwicklungsländern zu analysieren und aus dem empirisch abgestützten Ergebnissen Handlungsalternativen - unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Niveaus der Wirtschaftstätigkeit des jeweiligen Landes - für die praktische Wirtschaftspolitik abzuleiten. Bei den bisherigen Länderstudien (u.a. Korea, Philippinen, Senegal, Nigeria, Ekuador) wurden private Direktinvestitionen im Industriesektor untersucht. In den letzten Jahren hat aber nicht nur die Einschätzung der Bedeutung privater ausländischer Direktinvestitionen für die Entwicklung der Dritten Welt generell zugenommen, sondern auch die Struktur dieses Kapitaltransfers hat sich grundlegend verändert. Die Dienstleitungen - im weitesten Sinne des Wortes treten stärker in den Vordergrund; das gilt vor allem für den Bankensektor. Vor diesem Hintergrund ergab sich die wissenschaftliche Fragestellung der vorliegenden Untersuchung. Die von Khalil Mohammed Khalil Attia vorgelegte Studie setzt folgende Schwerpunkte: 1) Erfassung des Zusammenhanges zwischen Entwicklungsstand des Landes und Umfang des Zuflusses von Auslandskapital (Makro-ökonomische Daten und Indikatoren)
VIII
Vorwort der Herausgeber
2) Analyse der Wechselwirkungen zwischen Wandel des Wirtschaftssystems und ökonomischer EntwickJung des Landes. 3) Darstellung der gesetzlichen und institutionellen Ralunenbedingungen einer Förderung privater ausländischer Direktinvestitionen vor dem Hintergrund der Liberalisierungspolitik. 4) Ausweisung der Auswirkungen der privaten ausländischen Direktinvestitionen aus makro-ökonomischer Sicht im Hinblick auf formulierte Zielsetzungen der Liberalisierungspolitik. 5) Beleg der Entwicklungsbeiträge der privaten ausländischen Direktinvestitionen im Bereich der Investitions- und Geschäftsbanken auf der Grundlage mikro-ökonomischer Untersuchungen. Der Studienaufenthalt des Autors vom Oktober 1985 bis September 1989 wurde durch ein Stipendium des DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) ermöglicht; die empirischen Erhebungen wurden im Jahre 1988 durchgeführt. Von Anfang 1990 bis Ende 1991 übernahm die Regierung Ägyptens die finanzielle Unterstützung. Für die DruckJegung der Untersuchung leisteten der DAAD und die Regierung Ägyptens eine Finanzhilfe. Die Herausgeber danken - auch im Namen des Verfassers - dem Deutschen Akademischen Austauschdienst und der Regierung Ägyptens für die nachhaltige Unterstützung der Durchführung der Untersuchung. Freiburg i. Br., im März 1992 J. Heinz Müller
Theodor Dams
Vorwort Die Bedeutung privater ausländischer Direktinvestitionen (PADI) ist in den vergangenen Jahren für die wirtschaftliche Entwicklung der Entwicklungsländer im Urteil der wissenschaftlichen Entwicklungspolitik immer höher eingeschätzt worden. Die Struktur der PADI hat in den letzten Jahren grundlegende Veränderungen aufgewiesen, wobei insbesondere die Investitionen im Dienstleistungssektor mehr Bedeutung gewannen. Im deutschsprachigen Raum befaßt sich das Institut für Entwicklungspolitik der Freiburg Universität seit Jahren mit den Auswirkungen der (PADI) in verschiedenen Entwicklungsländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. In diesen Studien stand jeweils der industrielle Sektor im Mittelpunkt, wogegen Studien über Effekte der PADI im Dienstleistungssektor kaum vorliegen. Ausgehend vom eklektischen Ansatz von Dunning bilden die Untersuchung der Auswirkungen der PADI im allgemeinen und der Investitions- und Geschäftsbanken (IGB) in besonderen auf die wirtschaftlichen Entwicklung Ägyptens den Kern der vorliegenden Arbeit. Die Untersuchung richtet sich an folgenden Hauptfragen aus: 1. Analyse makroökonomischer Indikatoren der ägyptischen Wirtschaft, da der Zuf1uß und die Auswirkungen der PADI vom Entwicklungszustand abhängig sind. Es wird ein Versuch unternommen, den möglichen Zusammenhang zwischen dem herrschenden System und den wirtschaftlichen Veränderungen festzustellen. 2. Darstellung der gesetzlichen und institutionellen Rahmenbedingungen der PADI im Rahmen der Liberalisierungspolitik (LP) Ägyptens. 3. Auswirkungen der PADI aus makroökonomischer Sicht vor dem Hintergrund der angekündigten Zielsetzung der LP. 4. Im empirischen Teil werden die Entwicklungsbeiträge der IGB aus mikroökonomischer Sicht behandelt. Es werden die in Ägypten ansässigen 34-IGB untersucht. Die empirischen Materialien (Fragebogen über die Tätigkeiten der 1GB) wurden durch einen Forschungsaufenthalt in Ägypten für vier Monate im
X
Votwort
Frühling und Sommer 1988, die durch den DAAD fmanziert wurden, erhoben. Der Verfasser dankt dem DAAD für die Finanzierung des größten Teils des Studiums (Okt 1985 bis Sept. 1989). Für die Finanzierung der restlichen Zeit (Anfang 1990 bis Ende 1991) dankt der Verfasser der ägyptischen Regierung. Die Arbeit wurde Oktober 1991 abgeschlossen.
Freiburg i. Br., im November 1991 Khalil Mohammed Khalil Attia
Inhaltsverzeichnis 1.
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Problemstellung . . . . . 1.2. Methodisches Vorgehen 1.3. Aufbau der Arbeit . . . .
... ... ... ...
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. . I . 3 . 5
l.
Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Kapitaltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. 2.3. Die Erklärungsansätze der Marktunvollkommenheiten . . . . . . 2.4. Internalisierungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5. Der marxistische Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6. Empirische Überptüfung der Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7. Der eklektische Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8. Auswirkungen der ADI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die marktwirtschaftliche Auffassung . . . . . . . . . . 2.8.1. 2.8.2. Die neomarxistische Auffassung . . . . . . . . . . . . . Die "Dependencia-Theorie" . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.3. 2.9. Fazit: Arbeitshypothesen für das weitere Vorgehen . . . . . . . .
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. . . .
3.
Die wirtsdtaftllche Entwicklung Ägyptens seit den SOer Jahren . . . . 3.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Entwicklung des Wirtschaftssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Periode 1952-56 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1. 3.2.2. Die Periode 1956-1967 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3. Die Periode 1967-74 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.1. Die nationale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.2. Die regionale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.3. Die internationale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1. Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung und Struktur des BIP . . . . . . . . . . . . 3.3.2. 3.3.2.1. Dassektorale Wachstum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.1.1. Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.1.2. Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.1.3. Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Investitionen und Ersparnisse . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3. 3.3.4. Zahlungsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5. Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.6. Staatshaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.7. Inflation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.8. Einkommensverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6 6 8 9 13 15 17 19 26 26 28 30 34 35 35 35 37 38 39 39 41 43 45 45 48 49 49 50 52 53 56 61 64 66 67
XII
Inhaltsverzeichnis
3.3.8.1. 3.3.8.1.1. 3.3.8.1.2. 3.3.8.2. 3.3 .8.2.1. 3.3.8.2.2. 3.3.8.2.3. 3.3.8.2.4. 3.3.8.2.5. 3.3.8.2.6. 3.3.8.2.7. 4.
5.
Einkommensverteilung vor der Liberalisierungspolitik . . . . . Gini-Koeffizient-Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Annutsgrenzen-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkungen derwirtschaftspolitischen Maßnahmen während der Liberalisierungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Gesundheitspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnungsbaupolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Agrarpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subventionspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gastarl>eiteJiiberweisWlgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Indikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Institutionellen und gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Förderung der privaten ausländischen Direktinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Die Entwicklung der gesetzlichen und institutionellen staatlichen Rahmenbedingungen in der Periode 1952-74 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1. Die Periode 1952-56 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2. Die Periode 1956-67 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3. Die Periode 1967-74 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3. Zielsetzung der Liberalisierungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4. Gesetzliche Förderung privater ausländischer Direktinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 . Investitionsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2. Errichtung der GAFI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3. Steuerbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4. Regelungen des ausländischen Kapitalverlcehrs . . . . . . . . . . 4.4.5. Errichtung von freien Produktionszonen (FPZ) . . . . . . . . . . Sonstige Garantien und Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.6. 4.5. Die institutionelle Förderung der privaten ausländischen Direktinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1. Gesetz Nr. 118 von 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2. Wechselkurs-Gesetz Nr. 97 von 1976 . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3. Aussetzung der bilateralen Handelsabkommen . . . . . . . . . . 4.5.4. Sanierung des öffentlichen Sektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.5. Indirekte Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Auswirkungen privater ausländischer Direktinvestitionen auf die wlrtschaft· liehe Entwicklung Ägyptens aus makroökonomischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. Die Bedeutung der PADI im Hinblick auf den Kapitaltransfer . . . . . . . 5.3. Die Verteilung der PADI nach Herkunftsländern . . . . . . . . . . . . . . . 5.4. Diesektorale Verteilung der PADI-Untemehmen . . . . . . . . . . . . . . . 5.5. Die regionale Verteilung der PADI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6. Beschäftigungseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7. Zahlungsbilanzeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8. Technologie-Transfer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9. Einkonunenseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68 68 69 69 69 70 71 72 73 74 74 77 77 77 78 79 80 81 82 82 83 84 86 87 89 90 90 91 92 92 93 94
95 95
96 100 101 105 I 06 109 112 114
Inhaltsverzeichnis
5.10. 6.
7.
Zusammenfassung............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die StMiktur des Bankensektors und Beiträge der Investitions und Geschäftsbanken zur Entwicklung Ägyptens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2. Struktur des Bankensektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1. Die staatlichen Geschäftsbanken (SGB) . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2. Die spezialisierten Banken (SPB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3. Die Handelsbanken (HB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.4. Investitions- und Geschäftsbanken (1GB) . . . . . . . . . . . . . 6.3. Zielsetzung der 1GB und die Bedeutung der Investitionen im Bankensektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4. Die Entwicklungsbeiträge der IGB aus makroökonomischer Sicht . . . 6.4. I. Die Entwicklung der finanziellen Situation der IGB . . . . . 6.4.2. Die Investitions- bzw. Kreditpolitik der IGB . . . . . . . . . . 6.5. Empirische Untersuchung der Rolle der IGB zur wirtschaftlichen Entwicklung Ägyptens aus mikroökonomischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1. Die Motive ausländischer Investoren im Bankensektor . . . . 6.5.2. Auswirkungen der IGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2.1. Mobilisierung einheimischer Ersparnisse und Anziehung des ausländischen Kapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2.2. Finanzierung der einheimischen Entwicklungsprojekte . . . . 6.5.2.3. Wettbewerbseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2.4. Einkonunenseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2.5. Beschäftigungseffekte (Arbeitsklima bzw. Arbeitsbedingungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hemmnisse für Investitionen im Bankensektor . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7.
XIII 116 119 119 119 120 121 122 122 123 124 124 127 131 132 134 135 139 142 144 147 150 152
Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
165
Anhang........ . ...... . ....... . . . .............. . ...
177
Abkürzungverzeichnis
Abb. ADI AF Al BIP BS
BMZ
CAMPS ders. Fed.
FPZ
GAFI GK ha. HB Hg. IB
IDI
IF IGB JV LIBOR LE LP Mio. MNK Mrd. OADE ODI OIS PADI PÄB
s.
$ SGB SPB Tab. UNCTAD UNCTC ZB
Abbildung Ausländische Direktinvestitionen Ausländische Filiale Ausländische Investitionen Bruttoinlandsprodukt Bilanzsumme Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Central Agency for Public Mobilisation and Statistics (Ägypten) derselbe Feddans (l Fed.= 0,42 Ha.) Freie Produktionszone General Authority for Foreign Investment and Free Zones (Ägypten) Gini-Koeffizient Hektar Im Rahmen der LP gegründete Handelsbanken Herausgeber Islamische Bank Inward-Direktinvestitionen Investmentfonds Investitions- und Geschäftsbanken Joint-Ventures London Inter Bank Offered Rate Ägyptisches Pfund (LE= 0,38 US$ im Oktober 1989) Liberalisierungspolitik Million(en) Multinationale Konzerne Milliarde(n) Obligatorische Abgabe der Agrarernte Outward-Direktinvestitionen Own-lmport-System Private ausländische Direktinvestitionen Private ägyptische Banken Seite US-Dollar Staatliche Geschäftsbanken Staatliche spezialisierte Banken Tabelle United Nations Conference on Trade and Development United Nations Centre on Transnational Corporations Zentralbank (Ägyptens)
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2-1:
Eifass~mg
wichtiger Bestimmungsfaktoren der Investitionen im Ausland
18
Abb. 2-2:
Formen des Marktengagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
Abb. 2-3:
Bestimm~mgsfaktoren der "inward/outward"-Direktinvestitionen gemäß dem "investment-deve1opment-Cycle" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
Abb. 2-4:
Erldänmg der für Handels- und Investitionsbanken entscheidenden Eigentums-, Standort- und Internalisierungsvorteile im Rahmen des eklektischen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
Abb. 3-1:
Identifizierung des politischen und wirtschaftlichen Systems Ägyptens, 1952-1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
Abb. 3-2:
Bestimm~mgsfaktoren der gegenwärtigen Entwicklung Ägyptens und die Rolle privater ausländischer Direktinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
Abb. 3-3:
Die Entwickl~mg der Investitions-Ersparnis-Lücke von 1952-1989 . . . .
55
Abb. 3-4:
Die Entwickl1mg der Import-Export-Lücke von 1950-1987 . . . . . . . . .
58
Abb. 4-1:
Trägerstruktur der Förderungsmaßnahmen von PADI in Ägypten . . . . .
85
Abb. 5-1:
Beurteilungsschema der Auswirkungen der privaten ausländischen Direktinvestitionen auf die Entwickl~mg Ägyptens aus makroökonomischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
Die gegenwärtige Struktur des Bankensektors Ägyptens . . . . . . . . . .
123
Gründe für Investitionen im Bankensektor 1md Beiträge der Investitions· und Geschäftsbanken zur Entwicklung Ägyptens im Rahmen der Liberalisierungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136
Abb. 6-1:
Abb. 6-3;
BeurteiliDigsschema der Beiträge der 1GB zur wirtschaftlichen Botwiek-
l~mg Ägyptens aus mikroökonomischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138
Tabellenverzeichnis
Tab. 3-1:
Bevölkerungsentwicklung Ägyptens, 1952-1989 . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
Tab. 3-2:
SelbstversorgWlgsgrad bei wichtigen Agrarerzeugnissen, 1965 - 1983 (in%) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
Tab. 3-3:
Anbaufläche wichtiger Agrarprodukte 1950-86 (in Tsd. Fed.) . . . . . . .
49
Tab. 3-4:
EntwicklWlg der Investitions- und Sparquote, 1952-89 (in % des BIP) .
53
Tab. 3-5:
Die EntwicklWlg der Import-Export-Lücke, 1952-1989 (%vom BIP) . .
58
Tab. 3-6:
Importe gemäß des "Own-Import"-Systems (OIS), 1978-1985/86 . . . . .
59
Tab. 3-7:
EntwicklWlg der Exportstruktur während der Liberalisierungspolitik, 1975-1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
Tab. 3-8:
Regionale VerteilWlg der Exporte und Importe während der Liberalisierungspolitik, 1974-1985 (in%) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
Tab. 3-9:
Sektorale VerteilWlg der ägyptischen Aroeitskräfte, 1952-1985 (%) . . .
61
Tab. 3-10:
Gini-Koeffizienten der Konsumausgaben der Haushalte (1958-1975) . .
68
Tab. 3-11:
Schätzung der ländlichen Wld städtischen Armut in Ägypten (1958-1975) 69
Tab. 5-l :
EntwicklWlg der Gastarbeiterüberweisungen und der Erdöl-Einnahmen, 1983-1988 (in Tsd. US$) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
Tab. 5-2:
Kapitalfluß nach Ägypten im Rahmen der Liberalisierungspolitik (in Mio. US$), 1970 - 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
Tab. 5-3:
Von der GAFI genehmigte bzw. durchgeführte Vorhaben zum 31.12.1987 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
Tab. 5-4:
VerteilWlg des Kapitals der bis 31.12.1987 genehmigten PADI-Vorhaben nach Herkunftsländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100
Tab. 5-5:
Sektorale VerteilWlg der von der GAFI zugelassenen Vorhaben zum 31.12.1987 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
101
Tab. 5-6:
Sektorale VerteilWlg der durchgeführten PADI bis Ende 1987 . . . . . .
102
Tabellenverzeichnis
XVII
Tab. 5-7:
Anzahl der genehmigten und gegründeten Banken bis 30.6.1985 . . . .
102
Tab. 5-8:
Sektorale Verteilung der PADI-Untemehmen in den FPZ bis Mitte 1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
Tab. 5-9:
Verteilung des in der Industrie investierten Kapitals bis Mitte 1985 . .
104
Tab. 5-10:
Regionale Verteilung der bis 30.6.1983 genehmigten PADI-Vmhaben
105
Tab. 5-11:
Beschäftigung in den genehmigten bzw. durchgeführten Vorhaben bis 31.12. 1987 (nach Sektoren) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107
Tab. 5-12:
Entwicklung des Handelsbilanzdefizits und Anteil der PADI-Unternehmen, 1978-1984 (in Mio. LE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
109
Tab. 5-13:
Struktur der Importe von PADI-Untemehmen, 1981-1984 (in Mio. LE)
110
Tab. 5-14:
Sektorale Verteilung der Importe der in den FPZ angesiedelten PADIUntemehmen bis 30.6.1985 (in Mio. LE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111
Tab. 5-15:
Sektorale Verteilung der Exporte der in den FPZ angesiedelten PADIUnternehmen bis 30.6.1985 (Mio.LE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
112
Tab. 5-16:
Investitionskosten je Arbeitsplatz in PADI-Untemehmen zum 31.12. 1987 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113
Tab. 5-17:
Durchschnittliche Löhne in den genehmigten und durchgeführten Vorhaben bis Ende 1987 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
114
Tab. 6-1:
Anzahl und Struktur der IGB bis Ende 1987 . . . . . . . . . . . . . . . . . .
122
Tab. 6-2:
Entwicklung der Einlagen bei der 1GB und HB, 1975-1986 . . . . . . . .
125
Tab. 6-3:
Struktur der Einlagen bei den IGB, HB und SGB (%). . ..... . . . . .
125
Tab. 6-4:
Einige Indikatoren der Beziehungen der IGB und HB zu den SGB . . .
126
Tab. 6-5:
Die Beziehungen der SGB zu anderen Banken . . . . . . . . . . . . . . . . .
127
Tab. 6-6:
Indikatoren zur Investitions- bzw. Kreditpolitik der 1GB und HB . . . .
128
Tab. 6-7:
Von der ZB vorgeschriebene Schuldzinssätze, 1987 (in %) . . . . . . . .
129
Tab. 6-8:
Indikatoren zur Investitions- bzw. Kreditpolitik der SGB . . . . . . . . . .
130
Tab. 6-9:
Indikatoren zum Gewinntransfer der IGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
130
Tab. 6-10:
Motive der Investitionen im ägyptischen Bankensektor
133
Tab. 6-11:
Zinssätze·fiir Guthaben bei den befragten JV-Banken, (Stand: Juli 1988) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139
2 Attia
XVIII
Tabellenverzeichnis
Tab. 6-12:
Verteilung der von den befragten IGB vergebenen Kredite nach Kreditnehrnem bis Mine 1988 (%) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139
Tab. 6-13:
Verteilung der Bankenkredite auf die inländischen Unternehmen nach Wirtschaftssektoren, Juni 1983 (in Mio. LE) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
141
Tab. 6-14:
EntwicklUng der Investitionen in inländischen Staatspapieren ausgewählter AF- und JV-Banken, 1976-1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
141
Tab. 6-15:
Fristigkeit der Kredite der befragten IGB, Juni 1988 (in%) . . . . . . . .
142
Tab. 6-16:
Rentabilität des Eigenkapitals ausgewählter AF, 1985 (in Mio. US $) .
146
Tab. 6-17:
Rentabilität des Eigenkapitals ausgewählter JV -Banken, 1985 (in Mio. LE). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
147
Tab. 6-18:
Kriterien der Einstellung bei den befragten IGB, Mitte 1988 . . . . . . .
148
Tab. 6-19:
Herkunft der Arbeitskräfte in den befragten IGB, Mine 1988. . . . . . .
149
1. Einleitung
1.1. Problemstellung Nach der politischen Unabhängigkeit Ägyptens 1952 wurde das Wirtschaftssystem mehrfach grundlegend verändert. Während die Wirtschaftspolitik in den 50er Jahren durch starke staatliche Interventionen gekennzeichnet war, legt die Liberalisierungspolitik (LP) seit 1974 das Schwergewicht auf eine Entwicklungsstrategie, die auf einem zunehmend wettbewerblieh ausgerichteten privaten Sektor, auf ausländischem Kapitalzufluß und Technologietransfer basiert. In den 60er und fruhen 70er Jahren führte die Intervention des Staates in fast allen Wirtschaftssektoren zu unbefriedigenden Ergebnissen.' Neben dem Mißrnanagernent in den öffentlichen U ntemehrnen litt die ägyptische Wirtschaft an Devisenrnangel, niedriger Produktivität und teilweise ungenutzten Kapazitäten.2 Daruber hinaus hatte die Fehlentwicklung im Rahmen der sozialistischen Orientierung eine Vergrößerung der Investitions-Spar- sowie der Import-Export-Lücke zur Folge. In den frühen 70er Jahren erkannte man in Ägypten die Notwendigkeit, wirtschaftliche Reformen durchzuführen. um Leistungsanreize zu schaffen und private Initiativen zu fördern. 1974 wurden günstigere Rahmenbedingungen für private ausländische Direktinvestititionen (PADI) mit dem Ziel geschaffen, das Wirtschaftswachsturn zu beschleunigen. Dabei zielte diese Politik konkret darauf ab, neue Technologien einzuführen und damit die Produktivität zu erhöhen. Als umfassendes "Paket" aus Kapital, Technologie, Know-how und Management bieten sich PADI als erfolgversprechender Weg zur Bewältigung der obengenannten Problerne an. Zahlreiche Untersuchungen 3 haben sich mit den Auswirkungen der LP bzw. mit den PADI und ihren Einfluß auf die wirtschaftliche Entwicklung
1
2
Vgl. Weltentwicklungsbericht 1983 Vgl. ebenda
3 Vgl. z.B. Carr (1979), El-Shagi El-Shagi (1982), Kerr I Yasin(l982), Abde1-Kha1ek (1982), ders. (1982a), Abdel-Mawla (1 985) und Abde1-Rahman (1985)
2
I. Einleitung
Ägyptens beschäftigt.• Diese Untersuchungen konzentrierten sich in der Regel auf die makroökonomischen Fragen, wobei vornehmlich der industrielle Sektor Forschungsobjekt war. 5 Dagegen waren mikroökonomische Aspekte, im Sinne einer betriebswirtschaftliehen Analyse der Aktivitäten ausländischer Unternehmen, von untergeordneter Bedeutung. Im deutschsprachigen Raum haben sich in den letzten zwei Dekaden zahlreiche Arbeiten mit den Fragen der PADI und ihren Auswirkungen in verschiedenen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas befaßt. Dabei stand jeweils der industrielle Sektor im Mittelpunkt. Studien über Auswirkungen der PADI im Dienstleistungssektor liegen dagegen kaum vor.6 Für die Wahl des Themas der vorliegenden Arbeit, die sich mit dem Beitrag der PADI, insbesondere des Bankensektors, zur Entwicklung Ägyptens beschäftigt, waren folgende Faktoren bedeutend: - PADI, ein entwicklungspolitisches Instrument der privatwirtschaftliehen Zusammenarbeit, sind komplementär zur staatlichen Entwicklungspolitik. Mit dem Kapitalzufluß ist auch Technologietransfer und Vermittlung unternehmenscher Kenntnisse verbunden. - In den letzten Jahrzehnten veränderte sich die sektorale Verteilung der internationalen Direktinvestitionen: Die PADI des Dienstleistungssektors nahmen sowohl in industriell entwickelten Ländern, wie in Entwicklungsländern anteilungsmäßig zu.7 Im Falle Ägyptens konzentrieren sich die PADI vor allem im Bankensektor. - Die PADI in Ägypten werden insbesondere im Bankensektor, mit der zunehmenden Schuldenlast Ägyptens und dem damit einhergehenden Mangel an ausländischen Devisen, immer wichtiger. Hier bieten JointVentures zwischen ausländischen und ägyptischen Banken oder die Einrichtung ausländischer Filialen einen verbesserten Zugang zu ausländischen Devisen.8
4 "Entwicklung" schließt in der vorliegenden Arbeit nicht nur Wirtschaftswachsturn, sondern auch die Einkommensverteilung sowie den wirtschaftlichen Strukturwandel ein, die mit Wachstum und Verteilung verbunden sind. Vgl. Dams (1986), S. 297 ' PADI beziehen sich in der vorliegenden Arbeit auf Vorhaben, die im Rahmen der Investitionsgesetze durchgeführt wurden. Diese Projekte wurden in Form von Joint-Ventures oder Filialgründungen ausländischer Firmen durchgeführt. Vgl. General Authority for Foreign Investment and Free Zones (GAFI), Investitionsgesetze • Vgl. z.B. Dams (1978), ders. (1980), Ahn, S.K. (1978), Dietermann (1978) Liem (1980), Friese (1982), Vieser (1982) und Elkmann (1983) 7 Vgl. Dunning (1989), S. 112 und Casson (1988), S. 215 sowie die Weltentwicklungsberichte verschiedener Jahrgänge, insbesondere von 1983, 1986, 1987, 1988, 1989 und 1990 'Vgl. Polak (1989), S. 137
1.2. Methodisches Vorgehen
3
In der Arbeit soll untersucht werden, welche Beiträge PADI zur Entwicklung Ägyptens lieferten. Eine makroökonomische Analyse und Bewertung wird dabei durch eine mikroökonomische Analyse der Entwicklungsbeiträge der Investitions- und Geschäftsbanken (1GB) konkretisiert. Dabei wurden auch die Aktivitäten anderer Bankenkategorien [vor allem der staatlichen Geschäftsbanken (SGB) und der im Rahmen der LP gegründeten Handelsbanken (HB)] behandelt.9 Darüber hinaus versucht die vorliegende Untersuchung, die Motive des Engagements ausländischer Investoren im Bankensektor sowie die Hindernisse für ihr Engagement offenzulegen. Zwei Vorfragen sind zu klären: Ein erstes Teilziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens in der Periode 19521989 und mögliche Zusammenhänge mit dem Interventionsgrad des Staates zu analysieren. Als erster Schritt soll der Umfang der finanziellen Lücke (Investitions-Spar- und Import-Export-Lücke) Ägyptens untersucht werden. Ferner stellen sich hinsichtlich der PADI die Fragen, inwieweit die betriebene Wirtschaftspolitik den Umfang und die Art der PADI bestimmt und ob die Förderungsmaßnahmen als erfolgreich bezeichnet werden können.
1.2. Methodisches Vorgehen Für die Analyse der ägyptischen Wirtschaft in der Periode von 1952 bis 1989 wird ein Referenzrahmen entwickelt, der die Bestimmungsfaktoren der Entwicklung Ägyptens erlaßt. 10 Das Schwergewicht liegt dabei auf der nationalen Wirtschaftspolitik dieser Periode und der Bedeutung der PADI als einer Determinante des Entwicklungserfolgs. Die makroökonomische statistische Analyse der Wirtschaft stützt sich vor allem auf bisherige Studien zu den Entwicklungsproblemen Ägyptens. Diese Analyse dient als Grundlage, um die Auswirkungen der P ADI zu untersuchen. Dabei wurde beabsichtigt, zwischen den Auswirkungen der nationalen Wirtschaftspolitk und denen der PADI zu differenzieren. Um die Beiträge der IGB zur Entwicklung Ägyptens zu untersuchen, wird, ausgehend vom Ansatz Dunnings, ein Beurteilungsschema entwickelt. 9 Die Investitions- und Geschäftsbanken (1GB) wurden gemäß des Gesetzes Nr. 120 von 1975 wie folgt definiert: Sie sind Banken, die ihre Geschäfte auf die Mobilisierung der Ersparnisse richten, um Investitionen entsprechend des wirtschaftlichen Entwicklungsplanes zu finanzieren. Weitere Ziele der 1GB sind die Errichtung von Investitionsgesellschaften sowie die Finanzierung des Außenhandels. Vgl. El-Bawab (1980), S. 27 10 Vgl. Kapitel 3, insbesondere Abb. 3-2
4
l. Einleitung
Es erfaßt die maßgeblichen Faktoren für die Entstehung ausländischer Investitionen im Bankensektor sowie deren Auswirkungen. u Zudem wurde ein Fragebogen erstellt, mit dem die Tätigkeit von 34 in Ägypten engagierten IGB erfaßt wurde. 12 Die befragten Banken sind JointVenture-Unternehmen und ausländische Filialen multinationaler Banken. 13 Mit Hilfe dieser Umfrage wurden folgende Daten erhoben: -
Motive der Investoren im Bankensektor Finanzielle Ressourcen der IGB Investitions- und Kreditpolitik der IGB Einkommenseffekte der IGB Arbeitsbedingungen in den IGB Hemmnisse für Engagements im Bankensektor
Die Befragung der Banken wurde auf zwei Ebenen durchgeführt: Zum einen wurde dem Bankdirekor bzw. seinem Stellvertreter ein Fragebogen vorgelegt. Dabei wurde davon ausgegangen, daß die erforderlichen Daten über das Engagement und die Personalpolitik der Bank beim Bankdirektor verfügbar waren. Zum anderen wurde jeweils ein neueingestellter Beschäftigter (mit Hochschulabschluß) befragt. Dabei spielte der leichtere Zugang zu solchen Angestellten eine Rolle. Da die monatlichen Gehälter der Neueingestellten (mit Hochschulabschluß) in den öffentlichen Unternehmen und SGB bekannt sind, wurde durch diese Befragung ein Vergleich zwischen den Gehältern der Neueingestellten in den IGB und SGB möglich, um letztendlich dadurch die Einkommenseffekte der IGB zu beleuchten. Die vorliegende Arbeit stützt sich so weit wie möglich auch auf veröffentlichte Daten bundesdeutscher Forschungsinstitute, der Weltbank und des IMF. Da von den oben erwähnten Organisationen nicht alle für die Arbeit notwendigen Daten erhältlich waren, wurden mehrere Unterlagen der "General Authority for Foreign Investment and Free Zones" (GAFI) und der ZentralVgl. Kapitel 6, insbesondere Abb. 6-3 Vgl. den Anhang 13 In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur gibt es veschiedene Definitionen, die sich auf die Fragestellung der Partnerschaft und Kontrolle beziehen. Nach Fiedmann und Kaimanoff ist ein Joint-Venture ein "Type of association which implies collaboration for more than a very transitory period". Für Tomlinson ist sie "a commitment for more than a very short duration, of funds, facilities and services, by two or more legally separate interests to an enterprise for their mutual benefit". Ergänzend fügt Lamers "sharing of control and risk" hinzu. Nach der umfassenden Definition Sukijasovics ist sie durch vier Eigenschaften charakterisiert: "a comrnunity of interests involving doing business in comrnon, the sharing of profits, the sharing of business risks and Iosses and longevity of co-peration". In der vorliegenden Arbeit wurde von der letzteren Defmition ausgegangen. Vgl. die Quellenangaben bei Buckley (1985), S. 45-51 11
11
1.3. Aufbau der Arbeit
5
bank Ägyptens (ZB) verwendet. Das Material ist zum Teil bisher unveröffentlicht. Das gewählte methodische Vorgehen verbindet eine makroökonomische Analyse der PADI hinsichtlich ihres gesamtwirtschaftlichen Einflusses und eine mikroökonomische Analyse der Entwicklungsbeiträge der 1GB.
1.3. Autbau der Arbeit Die Auswirkungen der PADI im allgemeinen und der 1GB im besonderen auf die Entwicklung Ägyptens bilden den Kern der vorliegenden Arbeit. Ausgehend von der These Dunnings - der Entwicklungsstand bestimmt Zufluß und Auswirkungen der PADI - liefert das dritte Kapitel eine Analyse makroökonomischer Indikatoren der ägyptischen Wirtschaft (BIP, Beschäftigung, Investitionen und Ersparnisse, Zahlungsbilanz usw.). Dabei wird zunächst die finanzielle Lücke (Investitions-Ersparnis- bzw. Import-ExportLücke) ermittelt, die dann mit dem Umfang der PADI verglichen werden kann. Es wird das politische und wirtschaftliche System vor und während der LP identifiziert, um den möglichen Zusammenhang zwischen dem herrschenden System und den wirtschaftlichen Veränderungen festzustellen. Dabei werden auch die Ursachen der Liberalisierungspolitik von 1974 analysiert. Im Kapitel 4 werden die gesetzlichen und institutionellen Rahmenbedingungen zur Förderung der PADI im Rahmen der LP ausführlich diskutiert. Unter Berücksichtigung der im Kapitel 4 angeführten Förderungsmaßnahmen für PADI und der Zielsetzung der LP werden die Auswirkungen der PADI aus makroökonomischer Sicht im fünften Kapitel untersucht. Im Anschluß daran befaßt sich das sechste Kapitel mit den Entwicklungsbeiträgen der 1GB aus mikro- und makroökonomischer Sicht. Zusätzlich werden, im Sinne einer Motivanalyse, die Beweggründe bzw. Investitionshemmnisse ausländischer Investoren im Bankensektor herausgearbeitet. Die vorliegende Arbeit wird mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse abgeschlossen.
2. Theoretische Grundlagen
2.1. Einleitung In der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion wurde in den letzten Jahren den ausländischen Direktinvestitionen (PADIY zunehmende Bedeutung als Eckpfeiler einer Entwicklungsstrategie für die in fmanzielle Schwierigkeiten geratenen Entwicklungsländer beigemessen. PADI wurden zudem wegen der zunehmenden Verschuldung vieler Länder der Dritten Welt immer wichtiger. Viele Länder waren aufgrund ihrer abnehmenden Kreditwürdigkeit in Schwierigkeiten geraten. Von 1981 bis 1987 stieg der durchschnittliche Anteil der Schulden am BIP der Entwicklungsländer von 23% auf 42 %. 1987 betrug diese Quote in afrikanischen Ländern sogar 85 %, in Lateinamerika 52 %. 2 Direkte Investitionen aus dem Ausland wurden außerdem deshalb besonders wichtig, weil die Realzinsen weltweit anstiegen und dementsprechend die Geschäftsbankenkredite an die Schuldnerländer seit 1982 zurückgingen. 3
1 Direktinvestitionen werden verstanden als .. Kapitalanlagen, die vom Investor in der Absicht vorgenommen werden, einen unmittelbaren Einfluß auf die Geschäftstätigkeiten des kapitalnehmenden Unternehmens zu gewinnen oder einem Unternehmen, an dem der Investor maßgeblich beteiligt ist, neue Mittel zuzuführen ... Vgl. Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, Nr. 12 (!965), s. 19 Dabei stellen private ausländische Direktinvestitionen (PADI) den überwiegenden Teil aller ausländischen Direktinvestitionen (AD!) dar. In der theoretischen Diskussion wird jedoch vom allgemeinen Oberbegriff ADI ausgegangen, da ein geringer Teil der ADI, der aus Ostblockländern stammt, nicht privat ist. 2 Der US-Finanzminister James Baker hat in der Diskussion der Schuldenkrise in Seoul (Südkorea) 1985 betont: .. Foreign borrowings have to be repaid with interest-equity investment, on the other hand, has a degree of perrnanence and is not debt-creating. Moreover, it can have a compounding effect on growth, bring innovation and technology, and help to keep capital at harne ... Vgl. IMF Summary Proceedings (SP) (1985), P. 55, zitiert nach Polak (1989), S. 137 3 Eine IMF-Studie kam zum Schluß, daß .. the long-terrn possibilities substitution between direct investment and comercial bank debt can be significant .. ..... these Countries (those for which net bank lending is likely to be particularly constrained) could find it advantageaus to encourage a greater inflow of direct and portfolio equity capital ... to support an adequate growth rate, as weil as to reduce vulnerability to any future deterioration in economic conditions... Zitiert nach Polak (1989), S. 138
2.1. Einleitung
7
In den letzten Jahrzehnten wies die Struktur der internationalen Produktion grundlegende Veränderungen auf, die sich in folgenden Sachverhalten ausdrücken: Erstens nahm der Anteil des DienstleistlUlgssektors und der technologieintensiven Industrien an den "outward"-Direktinvestitionen (ODI) zu. 4 Diese Veränderung ging auf Kosten der Investitionen in der Rohstoffgewinnung und der rohstoffverarbeitenden Industrien. 5 Der Anteil des Dienstleistungssektors am Gesamtbestand der ADI nahm von 20 % in den frühen 50er Jahren auf 25% in den 70er Jahren bzw. 40 % Mitte der 80er Jahre zu. Allein in der ersten Hälfte der 80er Jahre flossen mehr als 50 % (etwa 50 Mrd. US$ jährlich) der gesamten ADI in den Dienstleistungssektor; davon entfielen zwei Drittel auf Vorhaben im Finanz- und Handelssektor. 6 Zweitens haben viele Entwicklungsländer in Asien und Lateinamerika sowie einige Länder Mrikas selbst ODI vorgenommen. 7 Obwohl ADI, die durch multinationale Konzerne (MNKs) der Entwicklungsländer vorgenommen wurden, weniger als 3 % (1985) am Gesamtbestand der weltweiten ADI ausmachen, haben diese Unternehmen beachtliche Größen erreicht. Weiterhin wurden während der letzten zwei Dekaden von sozialistischen Ländern MNKs gegründet. Die staatlichen Unternehmen der sozialistischen Länder haben bis Mitte der 80er Jahre 590 Tochtergesellschaften und Filialen im Ausland errichtet.8 Insgesamt veränderte sich die regionale Verteilung der ADI wesentlich. Während die BedeutlUlg der ADI Japans und Westeuropas stark zunahm, gingen die Auslandsinvestitionen der USA anteilsmäßig zurück. In den USA wurden 40% (1985) der Gesamt-"Inward"-Direktinvestitionen (IDI) vorgenommen, gegenüber 12 % im Jahr 1975.9 Der Anteil Japans am Gesamtbestand der ODI stieg von 6,5 % (1975) auf 10,7 % (1985); der Anteil Westeuropas stieg auf 50,4% (1985) an, verglichen mit 36,6 % im Jahr 1975. 10 Um die beschriebene Entwicklung internationaler Investitionen zu erklären, ist ein theoretisches Erklärungsmodell zu entwickeln und folgende Fragen zu untersuchen: - Warum investiert ein Unternehmnen im Ausland, und warum beschränken sich die vorgenommenen Investitionen auf bestimmte Standorte?
• "outward"-Direktinvestitionen (ODI) eines Landes werden als die im Ausland vorgenommenen Investitionen verstanden, während sich "inward"-Direktinvestitionen (IDI) eines Landes auf die von anderen Ländern in diesem Land durchgeführten Investitionen beziehen. ' Vgl. UNCfC (1988), S. 370 6 Vgl. ebenda, S. 370 7 Vgl. Casson (1988), S. 216 I Vgl. UNCfC (1988), s. 38 f. 9 Vgl. ebenda, S. 76 10 Vgl. ebenda, S. 77
2. Theoretische Grundlagen
8
- Wie lassen sich die grundlegenden Veränderungen in der sektoralen Verteilung der PADI zugunsten des Dienstleistungssektors erklären? - Wie läßt sich die Beteiligung der MNKs der Entwicklungsländer an der internationalen Produktion begründen? - Wie lassen sich die Veränderungen im Investitionsverhalten der einzelnen Länder erklären? Die Klärung der oben aufgeworfenen Fragen sind Gegenstand dieses Kapitels. Die gefundenen Antworten dienen gleichzeitig als Maßstab zur Beurteilung der verschiedenen Theorien, die sich mit der Erklärung der ADI befassen. In Ergänzung hierzu werden die Theorien behandelt, die sich mit den Auswirkungen der ADI beschäftigen.
2.2. Kapitaltheorie Mit dem Modell des vollkommenen Wettbewerbs und der Betrachtung der Direktinvestitionen als reine Kapitaltransaktionen wurden ADI bis Mitte der 60er Jahre als Folge von internationalen Zinsdifferenzen erklärt. Diese Zinsdifferenz entsteht durch unterschiedliche nationale Faktorproportionen. 11 Demnach fließt das Kapital in solche Länder, in denen die Differenz zwischen erwartetem Grenzertrag und Grenzkosten des Kapitals größer ist als im kapitalexportierenden Land. 12 Aus der Anwendung der Kapitaltheorie folgt, daß Direkt- und Portfolioinvestitionen von relativ kapitalreichen zu relativ kapitalarmen Ländern fließen. Ein Zinsausgleich zwischen den Ländern findet durch die Kapitalströme, also aufgrund veränderter Nachfrage- und Angebotsstrukturen, statt. 13 Der Beitrag der Kapitaltheorie zur Erklärung der ADI ist jedoch aus mehreren Gründen beschränkt: Erstens kann diese Theorie, die zur Erklärung des Zuflusses internationaler Portfolioinvestitionen entwickelt wurde, die ADI nur partiell erklären. So implizieren zum einen die ADI im Gegensatz zu Portfolioinvestitionen keine Veränderungen im Kapitaleigentum, zum anderen spielen nicht nur Profitabilität, sondern auch andere Faktoren (z.B. Marktbedingungen) für die Entscheidung einer ADI eine Rolle. 14
Vgl. Vgl. 13 Vgl. •• Vgl. 11
12
Kindleberger (1973), S. 227 Dunning (1973), S. 299 Jahrreiß (1984), S. 185 f. Dunning (1973), S. 300 ff.
2.3. Die Erklärungsansätze der Marktunvollkommenheiten
9
Zweitens erklärt die Kapitaltheorie die Entstehung der ADI nicht, da sie sich nur mit der Frage beschäftigt, inwieweit die Allokation der Direktinvestitionen die Profitrate und das Wachstum des Marktes mitbeeinflußt. 1s Drittens trifft die These der vorherrschenden Richtung von ADI aus kapitalreichen in kapitalanne Länder in der Realität nicht zu. Es zeigt sich, daß zum einen die Industrieländer (kapitalreiche Länder) den Hauptanteil der IDI erhalten. 16 Zum anderen können Direktinvestitionen von Ausländern durch Kreditaufnatune in den Empfängerländern vorgenommen werden. 17 So gibt diese Theorie keine Antworten für die eingangs in Kapitel 2.1 gestellten Fragen.
2.3. Die Erklärungsansätze der Marktunvollkommenheiten Ausgehend von Marktunvollkommenheiten stellen Hymer (1960) 18 und Kindleberger (1969) 19 fest, daß der Kapitalexport in Form von Direktinvestitionen mit zwei Bedingungen verbunden ist: Zum einen muß die Profitrate, die bei Investitionen im Ausland erzielt werden kann, höher sein als diejenige im Ursprungsland. Zum anderen müssen die direkt investierenden Unternehmen Vorteile gegenüber den einheimischen Konkurrenten des Gastlandes haben, um die Nachteile, die mit den Aktivitäten in anderen Ländern verbunden sind, zu kompensieren, so daß sie nicht vom Auslandsmarkt verdrängt werden. Als Konkurrenzvorteile werden eine hochwertige Technologie, hohe Skalenerträge, qualifizierte Beschäftigte, größere Fähigkeit zur Produktdifferenzierung, hohe Forschungs- und Entwicklungsbeiträge sowie bessere Management- und Marketingmethoden genannt. 20 Obwohl die genannten monopolistischen Vorteile für das Unternehmen im Ausland von größter Bedeutung sind, reichen sie nicht aus, um die Art der ausländischen Aktivitäten zu erklären. Unternehmen, die diese Vorteile
" Vgl. Jahrreiß (1984), S. 185 f. Während sich auf die Industrieländer (hauptsächlich USA, Westeuropa und Japan) 76,7% des Gesamtbestandes der IDI (1985) konzentrierten, fanden 23,3 % dieser Investitionen in den Entwicklungsländern statt. Vgl. UNCTC (1988), S. 76 16
Vgl. Jahrreiß (1984), S. 185 f. Hymer argumentiert, daß der Wunsch des Unternehmens nach der Kontrolle des ausländischen Engagements das Hauptmotiv für die Direktinvestitionen sei. Vgl. Hymer (1 976) s. 25 19 Vgl. Kindleberger (1969), S. II und Lall I Streeten (1980), S. 18 f. '"'Vgl. Kindleberger (1969), S. 19 und Hymer (1976), S. 34-54 17 11
2. Theoretische Grundlagen
10
besitzen, können nämlich auch andere Strategien wie z.B. Lizenzierung, Verpachtung oder Verkauf wählen. 21 Der Beitrag Hymers zur Theorie der ADI geht darüber hinaus, in dem die MNKs als Institutionen der internationalen Produktion thematisiert werden. Er stellt fest, daß die Entstehung von MNKs eine Folge von Marktunvollkommenheiten ist. 22 Hymers Erklärung der Entstehung der MNK weist jedoch Mängel auf. So vernachlässigt er die Informationskosten und die Standortvorteile des Gastlandes als wichtige Ursache für die Entstehung der MNKs. Er behauptet, daß deren Entstehung nur auf monopolistische Vorteile zurückgeführt werden kann. Ferner betrachtet er die vertikale Integration als Mittel, um höhere Gewinne zu erzielen. Gleichzeitig wird die horizontale Integration als "competitive weapon against non integrated firms, to reduce costs or increase revenue" von ihm vernachlässigt. 23 Auf diesem Weg (monopolistische Vorteile als Motiv für ADI) ging Heidhues (1969) 24 einen Schritt weiter. Er betonte als Hauptmotive Wachstumsstreben und Existenzsicherung des Unternehmens, nicht aber die Gewinnmaximierung. Nach Heidhues kann bei der vorherrschenden oligopolistischen Marktstruktur im Ursprungsland ein Unternehmen dort nur ungenügend wachsen, weil hohe Wachstumsraten schnell zu Überkapazitäten führen und damit die Gefahr eines Preiskrieges heraufbeschwören. Um dies zu vermeiden, bieten sich ADI an. Darüber hinaus müssen die Unternehmen, die im Ausland investieren wollen, über Konkurrenzvorteile gegenüber den einheimischen Unternehmen verfügen, um die Risiken eines Engagements im fremden Gastland zu kompensieren. Unbeantwortet bleibt bei diesem Ansatz die Frage, warum die im Ausland investierenden Unternehmen ihre internationalen Konkurrenzvorteile nicht durch andere Strategien wie z.B. Warenexporte oder Lizenzierung nutzen. Ebenso bleiben die Standortvorteile des Gastlandes unberücksichtigt. Einen weiteren Ansatz zur Erklärung des Entstehens der ADI bietet die Theorie des Produktzyklus von Vernon (1966, 1979). Nach ihm besteht der "Produktzyklus" aus drei Phasen. 25 In der ersten Phase "forschungsintensiver Investitionen" 26 wird das neue Produkt vom innovativen Unternehmen hergestellt und auf dem Markt des hochentwickelten Landes verkauft. Denn hier lassen sich Forschung und Vgl. Vgl. 23 Vgl. 24 Vgl. '"' Vgl. 26 Vgl. 21
22
Agarwal (1980), S. 745 Dunning I Rugman (1985 ). S. 229 ebenda, S. 230 Heidhues (1969), S. 183 Vernon (1 966), S. 190-207 ebenda und Buck.ley (1985), S. 6
2.3. Die Erklärungsansätze der Marktunvollkommenheiten
II
Entwicklung sowie Produktion besser koordinieren; Nachfrage nach dem Produkt ist gegeben. Die zweite Phase ist durch Maturität und Export des Produktes in die weniger entwickelten Länder charakterisiert. In dieser Phase erreicht das Unternehmen die Massenproduktionsphase. Die Nachfrage nach den neuen Produkten wächst rapid an. Dabei besteht die Gefahr, daß andere ausländische Unternehmen die Herstellung dieses Produktes mit niedrigeren Produktionskosten aufnehmen. Um den Exportmarkt zu sichern, muß das Unternehmen des hochentwickelten Landes deshalb zur Auslandsproduktion übergehen (die Phase der ADI). Die dritte Phase ist durch die vollständige Standardisierung des Produktes und der Produktionstechnik charakterisiert. Die Technologie ist nicht mehr im exklusiven Besitz des Innovators. Die Preiskonkurrenz mit anderen Erzeugern zwingt die betreffenden Unternehmen, in den Entwicklungsländern zu investieren, um Kostenvorteile (Arbeitskosten) zu realisieren. 27 Der Erklärungswert der Theorie des Produktzyklus beruht darauf, daß "betriebswirtschaftliche Anpassungen im Produktionsbereich mit Marktformen und internationalem Handel in Verbindung gebracht werden". 28 Weiterhin berücksichtigt die Theorie die Bedeutung der Standortvorteile des Gastlandes und ihre Veränderung im Zeitablauf. Die Theorie leistet damit einen maßgeblichen Beitrag zur Erklärung der Investitionsentscheidung eines Unternehmens. 29 Darüber hinaus erklärt die Theorie den Zeitraum bis zur Internationalisierung des Produktes durch ADI. 30 Zudem wird die Notwendigkeit der Innovation und der technologischen Überlegenheit als Bestimmungsfaktor für ADI erkannt. Obwohl die Aussagen der Theorie des Produktzyklus zur Erklärung der amerikanischen und westeuropäischen Direktinvestitionen durch empirische Untersuchungen zumindest für die Vergangenheit bestätigt wurden, stimmt das Investitionsverhalten anderer Länder (vor allem der sog. Schwellenländer) in neuerer Zeit mit diesen Ausagen nicht überein. Folglich kann man nicht von einen allgemeinen Modell zur Erkärung der ADI, insbesondere zur Erklärung der regionalen Verteilung der Produktion multinationaler Unternehmen, sprechen. 3 '
27 Vgl. "'Vgl. '-" Vgl. 30 Vgl. 31 Vgl.
Vernon (1966), S. 190-207 und Agarwal (1980), S. 751 Dams (1980), S. 36 Maltier (1988), S. 13 Buckley ( 1985), S. 4 ff. 1ahrreiß ( 1984), S. 77 ff.
2. Theoretische Grundlagen
12
Vernon selbst nennt das Produktzyklusmodell eine "deliberate simplification of reality" und vernachlässigt damit "the complex sociological, political and idiosyncratic factors", die das Investitionsverhalten beeinflussen. Er stellt weiter fest, daß sein Ansatz nur unzureichend die aktuellen globalen Strategien multinationaler Unternehmen erklären kann. 32 Kritik an dieser Theorie ergibt sich schließlich aus ihrer Unfähigkeit, ADI der Entwicklungsländer zu erklären, bei denen die monopolistischen Innovationsvorteile nicht maßgeblich sind. 33 Ein weiterer Versuch zur Erklärung der Entstehung von ADI kam von Caves (1974, 1982). Er geht davon aus, daß ein Teil der monopolistischen Vorteile wie technisches Wissen, Patente, Design, Werbung, Warenzeichen, spezielle Innovation und Marktkenntnis "intangibel" ist und gerade deshalb die Entstehung multinationaler Unternehmen erklären kann. 34 Das Eigentum an diesen Vorteilen ist für Erfolg und Profit eines Unternehmens verantwortlich. Jedoch stellt sich die folgende Frage: Warum nutzt ein Unternehmen diese Vorteile in Form von ADI, anstatt des Verkaufs dieser Vorteile? Caves argumentiert mit unvollkommenen Märkten für "intangible" Vorteile. Die Eigentumsrechte an diesen Vorteilen können den Charakter eines öffentlichen Gutes haben. Um die Eigentumsrechte an solchen Vorteilen nutzen zu können und Konkurrenten von der Nutzung auszuschliessen, müssen sie exklusiv formuliert werden. 35 Der Markt für "intangible" Vorteile ist unvollkommen und die Preise für diese Vorteile sind verzerrt. Diese Preisverzerrungen entstehen durch mangelnde Marktübersicht oder durch Verhandlungsmacht der Vertragspartner. Die dadurch entstehenden Transaktionskosten36 führen zu Internalisierung dieser Vorteile. 37 Für das Entscheidungskalkül des Unternehmens stellt sich die Frage, ob die Transaktionskosten des Marktes höher sind als die der Hierarchie. Zeigt sich die HierarchieAlternative als kostenminimale Lösung, so wird das Unternehmen die "intangiblen" Vorteile internalisieren, um Konkurrenten davon auszuschließen.
Vgl. Vernon (1979), S. 255-67 und Mattler (1988), S. 16 Lai stellt fest, daß sich die Theorie der industriellen Organisationen, insbesondere der Produktzyklus mit hochentwickelten Technologien bzw. komplizierten Produkten befasst, während ein wesentlicher Teil von P ADI in den Entwicklungsländern in der Produktion von einfachen Produkten tätig sind. Vgl. Lai (1975), Kapitel 1 und 2, zitiert nach Little (1982), S. 405 32
33
34
Vgl. Caves (1974), S. 290 und ders. (1982), Ch. 1
" Vgl. Jahrreiß (1984), S. 257 ff. 36 " ... zu diesen sog. Transaktionskosten werden die Kosten der Inforrnationsgewinnung, der Durchführung und der Kontrolle von Kontrakten sowie die Kosten des Transfers von Eigentumsrechten gezählt". Jahrreiß (1 984 ), S. 225 37 Vgl. Jahrreiß (1984), S . 199
2.4. Internalisierungsansatz
13
2.4. Internalisierungsansatz Im Rahmen der Theorien zur Erklärung internationaler Produktion haben, ausgehend vom Internalisierungsansatz, vor allem Buckley, Casson, Dunning und Rugman die Idee der "intangiblen" Vorteile ausführlich behandelt. Der Ansatz der Internalisierung zielt auf die Untersuchung der vertikalen und horizontalen Integration ab. Die Internalisierungsaktivitäten eines Unternehmens werden dabei verstanden als "... the integration of upwardstream or downwardstream activities into its own hierarchy". 38 Ausgehend von einer Kosten-Nutzen-Analyse internalisierter "intangibler" Vorteile erklärt dieses Konzept nicht nur ADI, sondern auch andere Formen ausländischen Engagements wie Export und Lizensierung. Wie in Kapitel 2.3. ausgeführt wurde, geht der Internalisierungsansatz sowohl auf dem Faktor- als auch auf dem Produktmarkt von Marktunvollkommenheiten aus, die eine effiziente Durchführung des internationalen Handels verhindern. Infolgedessen ermöglicht der Internalisierungsprozeß dem MNK, die von der Regierungen aufgestellten Marktbeschränkungen zu überwinden und gleichzeitig die unternehmensspezifischen Vorteile zu nutzen. 39 Gleichzeitig bedeutet Internalisierung von Vorteilen eine starke Barriere gegen den Neueintritt von Konkurrenten in diesen Markt. Folglich ist der "Multinationalismus" eine Folge von und zugleich eine Ursache für Marktunvollkommenheiten.40 Im Rahmen des Internalsierungsansatzes kann auch die vertikale Integration erklärt werden, wobei die MNKs beabsichtigen, durch vertikale Integration im Produktions- und Verteilungsprozeß die Versorgungs- und Absatzmärkte zu internalisieren, um langfristige Lieferverträge zu ersetzen. Dadurch können sie sowohl die Ungewißheit über die zukünftige Preisbildung vermindern als auch die Entwicklung der Transportkosten kontrollieren.41 Auch hinsichtlich der Qualitätskontrolle der Produktion im Ausland bietet eine Internalisierung durch ADI Vorteile gegenüber vertraglichen Vereinbarun-
31 Grosse (1989), S. 39 Nach Rugman wird die Internalisierung auch als Prozeß verstanden, in dem ein Markt innerhalb des Unternehmens geschaffen wird. "Intemalization is a process of making a market within the firm". Rugman (1981), S. 28 39 Vgl. Rugman (1981), S. 40 f. Manche MNKs neigen dazu, ihre monopolistischen Vorteile durch Lizensierung oder JV zu verwerten. Im ersten Fall können die MNKs das Risiko, das mit dem Engagement an bestimmten Standorten im Ausland verbunden ist, vermeiden. Im Falle von JV zielt die ausländische Firma darauf ab, die Vorteile des Gastlandes auszunutzen. Vgl. Parry (1985), S. 56 f. "'Vgl. Buckley (1985), S. 10 f. 41 Vgl. Parry (1985), S. 568 und Casson (1983), S. 1-33
14
2. Theoretische Grundlagen
gen mit Fremdunternehmen; "it may be easier to do (quality control) via an internal hierarchy than via contractual arrangements with third parties".42 Eine Internalisierung unternehmensspezifischer Vorteile gegenüber den Alternativen (Export oder Verfügungsrechte wie Patente und Warenzeichen) kann mehrere Vorteile sichem:43 - Sie verbessert die Planung und die Kontrolle der Produktion, insbesondere durch Koordinierung der Versorgung mit "kritischen", d.h. für die Produktion notwendigen Inputs. - Sie befähigt das Unternehmen, die Marktkonstellationen durch Preisdiskriminierung auszunutzen. - Durch die Internalisierung kann das Unternehmen, die Ungewißheit bezüglich des Transfers von Informationen vermeiden. die bei den Alternativen Export und Lizensierung existieren. 44 - Sie ermöglicht dem Unternehmen, die Transaktionskosten zu minimieren. - Sie erlaubt dem Unternehmen, Interventionen der Regierungen, z.B. durch "Transfer Pricing", auszuweichen. Gegen den Internalisierungsansatz wird zunächst eingewendet, daß der Besitz von unternehmensspezifischen Vorteilen als notwendige Bedingung für die Entstehung von MNKs nicht ausreicht. Denn die Entscheidung, im Ausland zu investieren, hängt zusätzlich von anderen Faktoren, wie z.B. länderspezifischen Gegebenheiten, Handelsbarrieren oder der staatlichen Wirtschaftpolitik im Gastland, ab. Diese Faktoren bestimmen darüber hinaus die Wahl zwischen ADI und alternativen Engagements.45 Diesektorale Verteilung der ADI bleibt durch den Internalisierungsansatz ungeklärt. 46 Der Ansatz der Internalisierung entzieht sich einer umfassenden empirischen Überprüfung, da eine Ermittlung der Transaktionskosten nicht befriedigend gelingt. " .. .lntemalisation requires restrictions on the relative sizes of internal and external transaction costs to have any empirical content, and without a theory of this incidence, remains tautological" .47 Folglich konzentrierten sich empirische Untersuchungen nur auf die Frage der Internalisierung von "technical Know-how". Da sich Know-how-orientierte
Vgl. Parry (1985). S. 568 f. Vgl. ebenda, S. I 0 "" "... avoidence of uncertainties in the transfer of knowledge between Parties which may exist in the alternative (market) solution". Buckley (1 985), S. 10 45 Vgl. Mattler (1 988), S. 27 46 Vgl. Dunning I McQueen (1 982). S. 79 47 Vgl. Buckley (1985), S. 18 42
43
2.5. Der marxistische Ansatz
15
Untersuchungen auf den industriellen Sektor beschränken, bleibt der Dienstleistungssektor gänzlich unberücksichtigt. 48
2.5. Der marxistische Ansatz Bei einer Analyse der Internationalisierung des Kapitals und des internationalen Handels ist bis in die 60er Jahre der Begriff Lenins des "Imperialismus" verwendet worden. Nach Lenin entspricht der Imperialismus dem Kapitalismus in der monopolistischen Phase: "... der Imperialismus ist das monopolistische Stadium des Kapitalismus" oder " ...der Imperialismus ist der Kapitalismus auf jener Entwicklungsstufe, wo die Herrschaft der Monopole und des Finanzkapitals sich herausgebildet hat, der Kapitalexport hervorragende Bedeutung gewonnen hat, die Aufteilung der Welt durch die internationalen Trusts begonnen hat und die Aufteilung des gesamten Territoriums der Erde durch die größten kapitalistischen Länder abgeschlossen ist" .'9 Aufgrund der Veränderung der politischen Umstände50 hat sich die marxistische Interpretation der ADI weiterentwickelt. 5: Nach der Auffassung der "Neuen Marxisten", z.B. Baran, Magdoff. Sweezy u.a., kann die industrielle und regionale Expansion der MNKs durch ihren Wunsch erklärt werden, die Monopolpreise zu sichern und die Konkurrenten zu verdrängen. 52 Für Amin ist die internationale Produktion eine Folge des Paradoxons im kapitalistischen Produktionsprozeß; d.h. der Widerspruch zwischen der Produktionsfähigkeit und der Konsumfähigkeit eines Landes kann durch die Ausdehnung des Marktes nach außen überwunden werden. "... Da während des 19. Jahrhunderts (bis etwa 1880) die Reallöhne im Zentrum nicht ausreichend gestiegen sind, war eine Form des "Expansionismus" notwendig, die der Peripherie gewisse Aufgaben übertrug. In den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts erhöhten sich die Reallöhne schneller. Dies führte zu bisher unbekannten Formen des Expansionismus der kapitalistischen Produktionsweise (Imperialisimus und Kapitalexport) und gab auch der
40
Vgl. Casson (1988), S. 217
49
Vgl. Lenin (1970), S. 270
so Solche Umstände manifestierten sich in" ... The depression of the 1930s, the Second World
War, the emergence of the United States as the undisputed hegemonic power in the capitalist world, the challenge of the growing sociali st b1oc. and its attenant creation of new demand of the capitalist wor1d if its system were to be maintained, the deco1onization of Africa, and Asia, and the beginning of the process of the transnationalization of capitalism ... ". Palma ( 1978), S. 909 "Vgl. Amin (1975), S. 57 ff. " Vgl. Baran ( 1966), Kapitel vi 3 Attia
16
2. Theoretische Grundlagen
Peripherie neue Funktionen". 53 Folglich ist der Ausdehnungsprozess des kapitalistischen Systems durch die ADI ein Mittel, um sinkende Profite zu verhindern.S4 Die Dominanz des Zentrums zwingt die Peripherien fortwährend, sich den Bedingungen der Akkumulation im Zentrum anzupassen. 55 Dementsprechend dienen MNKs also dazu, die Verfallsphase des kapitalistischen Systems zu verlängern. Zur Überwindung der Krise der kapitalistischen Wirtschaft in den 80er Jahren dieses Jahrhunderts (vor allem Verlangsamung des Wirtschaftswachstums und Krise der internationalen Liquidität) verändert sich das kapitalistische System nach Voraussage von Amin in zwei Richtungen, die sich negativ auf die Peripherien auswirken " ... Die erste Richtung ist die Integration Osteuropas in die Binnenhandelsbeziehungen des Zentrums, seine Modernisierung unter sowjetischer Vorherrschaft oder auch in der Form der Unabhängigkeit der Staaten (jugoslawisches Modell). Die zweite mögliche Richtung wäre die Spezialisierung der Dritten Welt auf die klassische industrielle Produktion (einschließlich von Ausrüstungsgütern), während sich das Zentrum die ultramodernen Branchen (Automation, Elektronik, Weltraumfahrt, Atom) reservieren würde. Die Peripherie würde also Formen einer neuen ungleichen Spezialisierung hinnehmen, um dadurch der ungleichen Entwicklung des Weltsystems eine weitere Atempause zu verschaffen ... ". 56 Für die marxistisch orientierten "Dependencia" - Theoretiker, vor allem Frank und Dos Santos, sind die Peripherien zu allen Zeiten abhängig vom Zentrum. Dos Santos betrachtet die Entwicklung in Lateinamerika in drei Phasen; die Abhängigkeit während der Kolonialzeit, die finanzielle Abhängigkeit durch die Industrialisierung sowie ihre Verstärkung durch Entstehung und Expansion der MNKs in der Dritten Welt nach dem Zweiten Weltkrieg. 57 Gegen den marxistischen Ansatz werden vor allem zwei Kritikpunkte erhoben: Zum einen konzentriert sich der marxistische Ansatz mehr auf die Auswirkungen der ADI58 als auf die Erklärung der Entstehungsgründe
" Vgl. Amin, S. (1975), S. 60 f. Mit "Zentrum" werden die industrialisierten Länder, mit "Peripherie" die Entwicklungsländer bezeichnet. 54 " ... Wird Kapital ins Ausland geschickt, so geschieht es nicht, weil es absolut nicht im Inland beschäftigt werden könnte. Es geschieht, weil es zu höherer Profitrate im Ausland beschäftigt werden kann ...". Vgl. Amin, S. (1975), S. 146, der dabei Marx zitiert " ,. " "
Vgl. Vg!. Vgl. Vgl.
Amin, S. (1975), S. 140-172 Amin (1975), S. 152 und Baran (1966), Kapitel vi Dos Santos (1970), S. 232. Eine ähnliche Analyse hat auch Frank (1969) vorgelegt. Kapitel 2.7.2
2.6. Empirische Überprüfung der Theorien
17
ausländischer Direktinvestitionen. Zum anderen geht der marxistische Ansatz (einschließlich der sog. "Neuen Imperialismus- und "Dependencia-Theorie") von der Vorabentscheidung aus, daß die internationale Produktion von negativen Auswirkungen auf die Entwicklungsprozesse in der Dritten Welt begleitet wird. 59 Dieser Ansatz unterschätzt dabei die Möglichkeiten der nationalen Wirtschaftspolitik, günstige Rahmenbedingungen für positive Beiträge der ADI zu schaffen.60
2.6. Empirische Überprüfung der Theorien Zahlreiche empirische Untersuchungen haben sich seit Mitte der 50er Jahre mit den Bestimmungsfaktoren der Auslandsinvestitionen befaßt. Die Befragungen der im Ausland investierenden Unternehmen, die aus Industrieund Entwicklungsländern stammen, konzentrieren sich vor allem auf die Motive und Bestimmungsfaktoren der ADI. 61 Abb. 2-1 faßt die empirischen Ergebnisse zusammen und zeigt die Eigentums-, Internalisierungs- und Standortvorteile auf, die die Investitionstätigkeit im Ausland beeinflussen. Insgesamt können folgende Schlußfolgerungen abgeleitet werden: - Für die im Ausland vorgenommenen Investitionen stehen die marktbezogenen Faktoren wie Erhaltung des Marktanteils oder Marktwachstum im Vordergrund, erst nachrangig geht es um die Umgehung von Handelsbarrieren. Dabei fällt auf, daß die Erwartung höherer Investitionsrenditen eine untergeordnete Rolle spielt.62 - Für die US-amerikanischen Investoren hatte die Erwartung höherer Gewinne eine größere Bedeutung als für deutsche Investoren.63 Die Lohnkosten sind nach wie vor das entscheidende Motiv der USamerikanischen Unternehmen, in den Entwicklungsländern zu investieren.64 - Für deutsche Investitionen in den Industrie- und Entwicklungsländern dominieren als Motive die marktbezogenen Faktoren und die Überwin-
59 Vgl. Agarwal (1980), S. 739 f. "' Für weitere Kritik an den neomarxistischen Ansätzen, insbesondere an der Betrachtung von Amin. vgl. Williams (1978), S. 925-936, Little (1982), S. 263ff. und Smith (1980), S. 5-21 61 Vgl. Pott (1983 ), S. 46 61 Vgl. ebenda, S. 46 f. und Jahrreiß (1984), S. 278 ff. 63 Vgl. Jahrreiß (1984), S. 278 ff. "' Vgl. UNCTC (1988), S. 80 f.
2. Theoretische Grundlagen
18
dung von Handelsrestriktionen. Die Lohnkosten sowie das Investitionsklima haben weniger Relevanz. 65 In den Industrie- und Entwicklungsländern nahm die Bedeutung der politischen Stabilität (als Beweggrund für ADI) im Zeitablauf zu, während die Bedeutung der Lohnunterschiede merklich zurückging. 66 Das Umgehen von Handelsbarrieren (besonders in den USA und Westeuropa) sowie der Zahlungsbilanzüberschuß sind maßgebliche Motive für die ADI Japans. Dabei spielt der Erwerb von neuer Technologie auch für die japanischen Unternehmen eine Rolle. In den 70er Jahren war die Rohstoffsicherung das Hauptmotiv für die im Ausland tätigen Unternehmen. 67 Standortbezogene Faktoren
Spezifische monopolistische Vorteile der investierenden Unternehmen
Bestimmungsgründe der Internalisierung
Marktgröße bzw. Sicherung des Marktwachstums. Niedrige Lohnkosten. - Verfügbarkeil von Rohstoffen, bzw. von Produktionsinputs. - Staatliche Begünstigungen. Politische Stabilität.
- Technologische Überlegenheit. - Größere Forschungs- und Entwicklungstätigkeit, bzw. Forschungsintensität - Fähigkeit zur Produktdifferenzierung. - Kenntnis der Gegebenheiten des potentiellen Gastlandes. - Zugang zum Kapitalmarkt.
- Realisierung hoher Gewinne. - Einsparung von Transportkosten. - Umgehen von staallichen Restriktionen. - Verwertung von eigenen Patenten. - Qualitätskontrolle.
Abb. 2-1: Quelle:
Erfassung wichtiger Bestimmungsfaktoren der Investitionen im Ausland Zusammengestellt aus: Jahrreiß (1984 ), Pott (1983 ), S. 33-46, UNCTC (1988), Dunning (1989), S. 136 ff.
Das Engagement westeuropäischer Unternehmen in den USA ist erklärbar mit den besseren Wachstumserwartungen der amerikanischen Wirtschaft. Weitere Motive sind die Sicherung von Marktanteilen in einem großen "homogenen" Binnenmarkt sowie der Zugang zu moderner Technologie.68 Seit 1985 induzierte die Abwertung des USDollars zusätzliche Investitionen aus Westeuropa und Japan.69
., Vgl. Jahrreiß ( 1984), S. 278 ff. 66
67 61
Vgl. ebenda, S. 278 ff. Vgl. UNCTC (1988), S. 76 Vgl. ebenda, S. 74
"' Vgl. ebenda, S. 74
2.7. Der eklektische Ansatz
19
- Die Verfügbarkeil von Rohstoffen und von billigen und qualifizierten Arbeitskräften sowie die Marktgröße sind für die westeuropäischen Investitionen in den Entwicklungsländern wichtig. - Für die ADI aus den Entwicklungsländern erwiesen sich das Überwinden von Handelsbarrieren und niedrigere Lohnkosten als entscheidende Motive.70 - Für staatliche Unternehmen der sozialistischen Länder liegt das Investitionsmotiv im Ausland darin, eine "Marketing-Infrastruktur" zur Förderung der Exporte zu schaffen.7 1 Ein wichtiger Beitrag der empirischen Untersuchungen besteht darin, den globalen Trend der Investitionseinflußfaktoren sowie die Entwicklung der Motive im Zeitablauf zu verdeutlichen. Sie weisen jedoch einige Schwächen auf. Zunächst richtet sich die Kritik gegen das Verfahren der Datenerhebung (Umfragen und Interviews). Die Verfälschung der Fakten durch die Befragten, absichtlich oder unabsichtlich, ist durchaus nicht auszuschließen. 72 So kann die Bedeutung mancher Faktoren künstlich überschätzt, die von anderen unterschätzt werden. Darüber hinaus bestehen "Überlappungen" sowie eine "kausale Dependenz" zwischen den Bestimmungsfaktoren, was die konkrete Aussagefähigkeit der Befragung verringert. 73 Der empirische Ansatz bietet keine Erklärung für die bestehende sektorale Verteilung der internationalen Produktion und ihre Veränderung im Zeitablauf. Darüber hinaus fehlt in diesem Ansatz die Verbindung zwischen ADI und anderen Formen des Engagements im Ausland, wie Export und Lizenzvergabe. Folglich läßt sich aus den ausgewiesenen Ergebnissen kein umfassender Ansatz formulieren, der die Entstehung der internationalen Produktion erklären kann.
2.7. Der eklektische Ansatz Die in den Abschnitten 2.2. bis 2.6. dargestellten Ansätze berücksichtigen nur partiell die Bestimmungsfaktoren der ADI. Sie befassen sich entweder mit der Internalisierung der monopolistischen Vorteile der MNKs oder mit den Standortvorteilen des Gastlandes als Entstehungsgrund für ADT.74 Folglich
70
71 72 73 74
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
ebenda, S. 38 ebenda, S. 40 Pott (1983), S. 45 ebenda, S. 45 Buckley (1985), S. 13
20
2. Theoretische Grundlagen
bestand Bedarf nach einer Theorie, die die verschiedenen Erklärungsansätze der Bestimmungsgründe der ADI zusammenfaßt Der eklektische Ansatz geht insbesondere auf Dunning ( 1979, 1981, 1982, 1989) zurück. Er geht davon aus, daß ADI eine Funktion von Eigentums-, Internalisierungs- und Standortvorteilen sind. Es werden die Kerngedanken der Außenhandelstheorie, die auf den komparativen Kostenvorteilen basiert, der Theorie der Standortvorteile und der Theorie der Internalisierung zusarnmengefaßt, d.h. der eklektische Ansatz formuliert eine Synthese aus verschiedenen Ansätzen. 75 Dunning nennt drei Bedingungen, die das Unternehmen erfüllen muß, um ADI durchzuführen: Erstens muß das Unternehmen exklusive und transferierbare Vorteile (Eigentumsvorteile) gegenüber anderen Unternehmen im Gastland besitzen.76 Solche Vorteile sind z.B.: 77 - Eine überlegene Unternehmungsgröße (im Vergleich zu den im Gastland angesiedelten Unternehmen). Daraus ergeben sich Vorteile in Form von Kostensenkungen durch Skalenerträge und erhöhte Markleintrittsbarrieren für andere Firmen. - Verfolgung eines kapitalintensiven Produktionsverfahrens und Einführung neuen Know-hows. - Höhere Qualifikation der Arbeitskräfte. - Größere Möglichkeit zur Produktdifferenzierung. - Höhere Forschungs- und Entwicklungsintensität Diese Vorteile müssen die Nachteile, die mit der sog. "Fremdheit" (mangelnde Kenntnisse der Sprache, des Marktes, der Sitten und der Gewohnheiten) verbunden sind, überkompensieren. Zweitens müssen vom Unternehmen die Internalisierungsnutzen der obengenannten Vorteile durch ADI höher eingeschätzt werden als die anderer Lösungen, wie z.B. Lizenzierung oder Export. Wenn das mit dem Engagement im Gastland verbundene Risiko die aufgeführten Vorteile aus der Sicht des investierenden Unternehmens übersteigt, kann dies zur Optimallösung in Form von Lizenzvergaben oder JV führen.78 Drittens muß das Gastland gegenüber dem Ursprungsland über Standortvorteile wie niedrige Lohnkosten, Marktgröße, billigere Energie oder Rohstoffe verfügen. 79
15 76
77 7' 79
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Mattler (1 988), S. 45 Dunning ( 1979), S. 269-295 Jahrreiß (1984), S. 268 f. ebenda, S. 269 Dwming (1979), S. 269-295
2.7. Der eklektische Ansatz
21
Die Aussagen des eklektischen Ansatzes lassen sich wie folgt zusammenfassen: Je mehr Eigentumsvorteile ein Unternehmen eines Landes in einer gegebenen Zeit im Vergleich zu Unternehmen anderer Ländern besitzt, um so stärker sind die Anreize, diese Vorteile zu internalisieren und desto größer ist seine Neigung (und die des ganzen Landes), sich in der internationalen Produktion zu engagieren.80 Der eklektische Ansatz ist geeignet, alle Erscheinungsformen von ADI (wie z.B. ausländische Filialen, JV usw.) zu erklären. Er berücksichtigt die verschiedenen Formen ausländischen Engagements (Direktinvestitionen, Export und andere vertragliche Vereinbarungen wie Lizenzierung, ManagementKontrakte etc.) und erklärt weiter, wann eine bestimmte Form einer anderen vorzuziehen ist. 81 Eine Übersicht über die Aussagen des eklektischen Ansatzes von Dunning gibt Abb. 2-2, wobei die Eigentumsvorteile eine Vorbedingung für alle Arten ausländischen Engagements sind. Insgesamt werden die Theorien des Außenhandels und der Direktinvestitionen beim eklektischen Ansatz als Einheit dargestellt; d.h. die Wahl zwischen Export, Lizensierung und ADI wird als Auswahl zwischen alternativen Strategien des Engagements auf ausländischen Märkten betrachtet.82 Eigentwn
Vorteile
Internalisierung
Ausländische Standorte
Strategien der Marktbedienung
ADI
Exporte Vertragliche Vereinbarungen
Abb. 2-2: Quelle:
JA JA
JA JA
JA
JA
NEIN
NEIN
NEIN
Formen des Marktengagements Dunning (1981}, S. 32
Dunning hat auch die Beziehungen zwischen der internationalen Investitionsfähigkeit eines Landes und seinem Entwicklungsstand untersucht. Entsprechend der Entwicklungsphase (gemessen am Pro-Kopf-Einkommen) kann die Entwicklung des Investitionszyklus (lnvestment-development cycle) in vier Stufen eingeteilt werden:83
10
11 82 83
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Dunning (1981), S. 31 f. ebenda, S. 32 f. Mattler (1988}, S. 45 Dwming (1981), S. 38
2. Theoretische Grundlagen
22
In der ersten Stufe gibt es keine ODI, da die Unternehmen des Landes über keine Eigentumsvorteile verfügen. Da keine ausreichenden Standortvorteile (wie z.B. Infrastruktur und qualifizierte Arbeitskräfte) vom Gastland angeboten werden, um ADI anzuziehen, entstehen auch keine IDI. Auf dieser Stufe befinden sich die meisten Enwick.lungsländer, die Konsumgüter ausländischer Unternehmen importieren, anstau sie selbst zu produzieren. Aufgrund der Vergrößerung der Binnenmärkte und der Senkung der variablen Kosten setzen in der zweiten Stufe IDI ein. Dabei können verschiedene Typen der IDI unterschieden werden: Die iiT_Iportsubstituierenden Investitionen in der verarbeitenden Industrie, die in Uberbevölkerungs- und Schwellenländern durch offizielle Importbarrieren entstehen. Die Investitionen, die an der Ausnutzung der Binnenressourcen, wie z.B. Erdöl, Rohstoffe und Nahrungsmittel, orientiert sind. Diese sind von der Verfügbarkeil der geeigneten Transport- und Kommunikationsmittel abhängig. Die Investitionen, die die Vorteile der billigeren, ungelernten oder auch angelernten Arbeitskräfte auf dem Binnenmarkt ausnutzen wollen. 84 Auf dieser Stufe bleiben die ODI noch gering, da die Unternehmen eines Landes über keine (oder nur sehr geringe) Eigentumsvorteile verfügen, um die Handelsbarrieren anderer Länder zu überwinden oder mit den einheimischen Unternehmen zu konkurrieren. In der dritten Stufe nimmt die Differenz von IDI und ODI ab. Das kann durch folgende Faktoren bedingt sein: 85 Rückgang der ursprünglichen Eigentumsvorteile der ausländischen Investoren. Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Unternehmen, wobei sie die Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen ersetzen. Zunahme der ODI als Folge sich ausbildender komparativer Eigentumsvorteile der einheimischen Unternehmen. Diese Stufe kann als Anfang des Engagements eines Landes in Form von ODI betrachtet werden. Darüber hinaus versucht ein Land auf dieser Stufe, IDI in jene Bereiche zu lenken, in denen es die stärksten komparativen einheimischen Standortvorteile besitzt und in denen seine Unternehmen über die schwächsten komparativen Eigentumsvorteile verfügen. Gleichzeitig fördert es eigene Unternehmen, damit diese im Ausland in denjenigen Sektoren investieren, in denen sie die stärksten komparativen Eigentumsvorteile und geringsten inländischen Standortvorteile besitzen.
,. Vgl. ebenda, S. 39 f . " Vgl. Dunning (1981 ), S. 39 f.
2.7. Der eklektische Ansatz
23
Auf der vierten Stufe ist ein Land ein "Netto-outward-Investor", d.h. seine ODI übersteigen den Zufluß an IDI. Dies spiegelt die zunehmenden Eigentumsvorteile der Unternehmen dieses Landes wieder und/oder die wachsende Neigung dieser Unternehmen, die Eigentumsvorteile zu internalisieren. Dabei sind zwei Gründe ausschlaggebend: Zum einen nehmen die Arbeitskosten in den investierenden Ländern häufig zu, während die Wachstumsrate der Produktivität abnimmt. Zum anderen versuchen diese Unternehmen, durch Internalisierung ihrer Vorteile, zusätzliche Ressourcen, im Sinne von Ausnutzung der Standortvorteile in den Gastländern, zu erhalten. Damit sollen ihre Wettbewerbsfahigkeit im Weltmarkt verbessert und Handelsbarrieren umgangen werden. Abb. 2-3 zeigt, wann nach dem Ansatz Dunnings in einem Land "inward/outward"-Direktinvestitionen vorgenommen werden.
Ein Land kann ADI anziehen, wenn:
Ein Land kann im Ausland investieren, wenn:
- es reich an Rohstoffen und Humanressourcen ist; - es einen großen einheimischen Markt hat; - es eine entwickelte Infrastruktur und einen akzeptablen gesetzlichen und I oder kommerziellen Rahmen bietet; - seine einheimischen Unternehmen nicht fähig sind, Eigentumsvorteile zu entwickeln, die den erfolgreichen Wettbewerb mit ausländischen Unternehmen ermöglichen.
- sein Binnenmarkt begrenzt ist; - seine endogenen und einheimischen Ressourcen nicht effizient zu nutzen sind; - sein ökonomisches und politisches Klima für alle Investitionsarten ungünstig ist; - seine Regierung die wenig konkurrenzfähigen Branchen unterstützt, damit auch diese im Ausland investieren können.
Abb. 2-3: Quelle:
Bestimmungsfaktoren der "inward/outward"-Direktinvestitionen gemäß dem "investment-development-Cycle" Zusammengestellt nach Dunning (1981 ), S. 46 f.
Der "Investment-development Cycle" kann sowohl das Investitionsverhalten der USA, der westeuropäischen Länder und Japans als auch das von Entwicklungs- und Schwellenländern erklären.86 Während manche Entwicklungsländer (wie z.B. Nigeria, lndonesien und Kenia) den Schritt von der ersten zur zweiten Stufe bereits vollzogen haben, befinden sich manche Schwellenländer (wie z.B. Hongkong, Singapur, Südkorea und Brasilien) schon im Übergang von der zweiten zur dritten Stufe. So spiegelt z.B. die Steigerung des Verhältnisses von "outward" zu "inward"-Direktinvestitionen in der verarbeitenden Industrie Großbritanniens von 1960 bis 1976 sowohl die verbesserten Eigentumsvorteile der englischen Unternehmen als auch den Rückgang der Vorteile Großbritanniens als Standort für die internationale Produktion wieder.
86
Vgl. ebenda, S. 42
2. Theoretische Grundlagen
24
Ebenso erklärt dieser Ansatz die rasche Steigerung des Verhälhlisses von ODI zu IDI in Ländern wie Hongkong, Singapur und Südkorea als Folge der zunehmenden Eigentumsvorteile der dort ansässigen Unternehmen, gegenüber den Unternehmen anderer Länder.87 Zusammenfassend liefert der eklektische Ansatz eine umfassende Theorie, die alle in Kapitel 2.2. bis 2.6. angeführten Ansätze umfaßt. Während sich die bisherigen Ansätze entweder mit den Standortvorteilen des Gastlandes oder mit der Internalisierung der monopolistischen Vorteile der MNK.s als Entstehungsursache für die ADI beschäftigen, berücksichtigt der eklektische Ansatz alle Aspekte, die zur Entstehung der MNKs führen. Dabei wird auf die Eigentums-, Internalisierungs- und Standortvorteile des Ursprungs- und des Gastlandes abgestellt. Auch im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung des Diensleistungssektors für internationale Investitionen bietet der eklektische Ansatz einen geeigneten Referenzrahmen. In Abb. 2-4 wird der eklektische Ansatz von Dunning auf den Bankensektor (vor allem auf Handels- und Investitionsbanken) angewendet. Dabei sind die entscheidenden Eigentums-, Internalisierungs- und Standorvorteile für die internationale Produktion im Bankensektor aufgeführt. 88 Zur Verwendung des eklektischen Ansatzes im Dienstleistungssektor stellt Yannopoulos (1983) fest, daß " ...the explanatory power of the theory is at its strongest when applied in banking" .89 Empirische Untersuchungen konnten z.B. auch für den Hotelbereich durchgeführt werden. 90 Außerdem scheint der Ansatz geeignet, die ADI der Entwicklungsländer zu erklären, wie eine Untersuchung der ADI Indiens zeigt. 91 Dies belegt den umfassenden Charakter des Ansatzes, im Sinne seiner Fähigkeit, die ADI aus Industrie- und Entwicklungsländern zu interpretieren. Durch diesen umfassenden Charakter des eklektischen Ansatzes, ist auch der Einfluß des Entwicklungszustandes des Gastlandes sowie der Wirtschaftspolitik als wichtige Faktoren zur Induzierung von ADI erklärbar. Für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik (im Sinne einer Maximierung des sozialen Nutzens der MNKs) formuliert Dunning eine Vorgehensweise in fünf Stufen:
87 Vgl. " Vgl. "'Vgl. 90 Vgl. 91 Vgl.
ebenda, S. 60 UNCfC (1988), S. 439-442 Yannopolous (1983), S. 257 Dunning I McQueen (1982), S. 79-106 Agarwal (1985)
25
2.7. Der eklektische Ansatz
Auf der ersten Stufe geht es um die Schätzung der möglichen Auswirkungen der MNKs auf den Output der Industrie, in die sie investieren wollen, und auf die Handelstruktur des Gastlandes. Auf der zweiten Stufe sollen die Kosten und Nutzen der Tätigkeit der MNKs evaluiert werden. Auf der dritten Stufe sollte festgestellt werden, welche Faktoren die Entscheidungen der MNKs beeinflussen. Das Ziel besteht darin, das Verhalten der MNKs und der einheimischen Unternehmen zu vergleichen. Auf der vierten Stufe geht es um die Evaluierung der Kosten und Nutzen einer alternativen Politik unter Ausschluß von MNKs. Auf der letzten Stufe trifft die Wirtschaftspolitik des Gastlandes auf der Basis der vorherigen Stufen eine Entscheidung, um die gesetzten Ziele durch die Anwerbung von MNKs zu verwirklichen. 92 Banken
Eigentumsvorteile (WettbewerbsvorteiJe)
Standortvorteile (Konfigurationsvorteile)
InternalisierungsVorteile
Handelsbanken
-Zugang zu multinationalen Kunden. - Professionelle Expertise. -Zugang zum Kapitalmarkt. -Effektives Absatzund Distributionsnetz. -Realer Wert von Reservewährungen.
- Erforderlicher persönlicher Kontakt. - Staatliche Vorschriften - Oft zentralisierte "high value"Aktivitäten. - Niedrigere Transaktions- bzw. Geschäftskosten im Ausland. - "Psychische Entfemung" (islamisehe Banken).
- Qualitätskontrolle. - Skalenvorteile. - Koordinierung des Kapitalzuflusses. - Möglichkeit der internationalen Arbitrage. - Mögliche Kooperationen.
Investitionsbanken
-Ruf und professioneUe Kenntnisse. - Größere Kapitalba-
- Nähe zu den Kunden. - Nähe zum internationalen Kapital- und Finanzmarkt sowie zu den Hauptkonkurrenten. - Verfügbarkeil von fachlichen Arbeits kräften.
-Komplexität und ganzheitlicher Charakter der angebotenen Dienstleistungen. - Protektion gegenüber politisch motivierten Unsieherheilen der Wechselkursen!wicklung.
SlS.
- lnfonnationen über den internationalen Kapitalmarkt und die Wechselwirkungen zwischen dem Unternehmen und dem internationalen Kapitalmarkt. - Finanzinnovationen. Abb. 2-4: Quelle:
92
Erklärung der für Handels- und Investitionsbanken entscheidenden Eigentums-, Standort- und Internalisierungsvorteile im Rahmen des eklektischen Ansatzes Dunning (1989), S. 136 ff.
Vgl. Dunning (1981), S. 34 ff.
2. Theoretische Grundlagen
26
2.8. Auswirkungen der ADI Hinsichtlich der Auswirkungen der ADI bestehen sehr große Meinungsunterschiede zwischen den Vertretern eines marktwirtschaftliehen Systems auf der einen Seite, und den Anhängern der "Neomarxistischen Schule" sowie der "Dependencia-Theorie" auf der anderen Seite. Die Verfechter einer freien Marktwirtschaft argumentieren, daß die Marktwirtschaft der geeignete Weg für eine rasche Industrialisierung und die wirtschaftliche Entwicklung der Länder der Dritten Welt ist. Dabei betonen sie die Rolle des ausländischen Kapitals und des Technologietransfers, die häufig als Paket mit Direktinvestitionen bzw. der Tätigkeit von MNKs verbunden sind. 93 Dagegen vertreten die Anhänger der "Neomarxistischen Schule" und der "Dependencia-Theorie" die Auffassung, daß ADI eine Ausbeutung der Entwicklungsländer darstellen.
2.8.1. Die marktwirtschaftliche Auffassung Nach der marktwirtschaftliehen Auffassung ist der Mangel an Kapital einer der entscheidenden Engpässe von Entwicklungsländern. Durch die ADI verbessert sich die nationale Investitionsquote und damit das Entwicklungspotential. Durch ADI wird demnach die Lücke zwischen angestrebter Investitionsquote und tatsächlichen mobilisierbaren Ersparnissen geschlossen.94 Je größer die Nachfrage der ausländischen Unternehmen nach den einheimischen Ressourcen ist bzw. je mehr die einheimischen Produktionsfaktoren zur Wertschöpfung der ausländischen Unternehmen herangezogen werden, umso höher sind die positiven Entwicklungsbeiträge.95 Der mögliche Deviseneffekt ausländischer Unternehmen beschränkt sich nicht nur auf die Verkleinerung der Investitions-Spar-Lücke, sondern kann sich auch auf eine Verringerung des Zahlungsbilanzdefizits auswirken. Der Zufluß von ADl kann, durch den Aufbau von exportorientierten Industrien, einen wichtigen Beitrag zur Handelsbilanz und Exportdiversifizierung leisten, wenn die Zunahme von Exporten nicht von höheren Importen und somit von einer Verschlechterung der Handelsbilanz begleitet ist. 96
93 " •••The Multinational Corporation has become one of the main vehicles of transfering technology from developed to developing countries...". Streeten (1975), S. 7 94 Vgl. Todaro (1981), S. 400 f. 95
Vgl. Hemmer (1988), S. 250
"" Vgl. Todaro (1981), S. 400 f.
2.8. Auswirkungen der ADI
27
Ferner kann die Lücke zwischen dem geplanten und dem tatsächlichen Steueraufkommen durch eine stärkere steuerliche Belastung der MNK.s verkleinert werden. Negative Auswirkungen treten in einem solchen Fall dann nicht auf, wenn der internationale komparative Steuervorteil noch gegeben ist. 97 Neben der finanziellen stellen ADI eine administrative und technische Hilfe für die Entwicklungsländer dar. Um die Technologie- und Managementlücke zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern möglichst zu verkleinem bzw. deren Vergrößerung zu verhindern, ist der Transfer des Know-how ausländischer Unternehmungen durch Ausbildung von Fachleuten und Schulung potentieller einheimischer Unternehmer von größter Bedeutung.98 Insgesamt können die Zuflüsse ausländischen Kapitals durch ADI eine beträchtliche wirtschaftliche Dynamik in Form von "Linkage"-Effekten hervorrufen und damit das gesamtwirtschaftliche Wachstum in den Entwicklungsländern stimulieren. Hinzu kommen die Vorteile durch die Produktivitätssteigerungen, wovon nicht nur die ausländischen Unternehmen, sondern auch die Arbeitskräfte des Gastlandes in Form von Lohnerhöhungen Nutzen ziehen. 99 "It is likely that [MNKs] achieve greater output or value-added per worker (than local firms) because they are concentrated in industries which are capital-intensive, they use more modern technology or are able to reap economies of scale". 100 Falls die ADI zur Reduzierung der Produktionskosten beitragen, können viele Güter zu niedrigeren Preisen angeboten werden. Darüber hinaus können die einheimischen Konsumenten aus einer breiteren Palette von Waren auswählen, wenn die ausländischen Unternehmen neue Produkte einführen.101
Vgl. McDougall (1960), S. 129 f. most host countries view the main benefits of foreign direct investment as increasing their technological and scientific capacities and narrowing any technological or managerial gaps which may exist between them and other countries". Dunning (1981a), S. 367 97
98 "
"' Vgl. Lall (1978); S. 277 In diesem Zusammenhang ist ferner zu erwähnen, daß Hirschman als wichtige Funktion ausländischer Investitionen betont "to enable and to ernbolden a country to set out on the path of unbalanced growth" und "to take the first unbalancing in growth sequences", da die nationale Regierung und die einheimischen Investoren unfähig sind, solche Projekte, die zum dynamischen Wachstum führen, selbst durchzuführen. Vgl. Hirschman (I 965), S. 205 Vgl. Lall ( 1984), S. 46 f. In seiner Untersuchung der handelsorientierten japanischen Investitionen stellt Kojima fest, daß die Produktivität im Gastland, insbesondere in den arbeitsintensiven Industrien, durch ADI steigt. Diese Steigerung der Produktivität ist nach Kojima eine Folge der Kombination internationaler mobiler Inputs, die durch die investierenden Unternehmen transferiert werden (wie z.B. Führungs- und Organisationskenntnisse und Marketingmöglichkeiten). und einheimischer immobiler Inputs (vor allem billige Arbeit im Gastland). Vgl. Buckley (1 985), S. 15 f. in 100
10 1
2. Theoretische Grundlagen
28
2.8.2. Die neomarxistische Auffassung Die Vertreter der sog. "Neomarxistischen Schule", vor allem Baran, Sweezy und Amin, gehen davon aus, daß ADI eine Form des Kolonialismus sind, um die Entwicklungsländer weiter auszubeuten. Sie stellen dabei das Phänomen ADI als "Nullsummenspiel" dar, bei dem die Gewinne der ausländischen Investoren stets Verluste des Gastlandes (bzw. des Entwicklungslandes) implizieren. 102 Baran stellt fest, daß nach der direkten Ausbeutung im kolonialen 18. und 19. Jahrhundert, die ausländischen monopolistischen Unternehmen im 20. Jahrhundert das Hauptinstrument sind, um durch ADI die imperialistische Herrschaft zu festigen und die Entwicklung der Dritten Welt zu verhindern. (Übergang vom "Handelskapitalismus" zum "Industriekapitalismus"). 103 Nach Baran sind die meisten vorgenommenen ausländischen Investitionen bzw. MNKs exportorientiert. Solche Unternehmen können jedoch nachteilige Auswirkungen auf den Entwicklungsprozeß der Dritten Welt hervorrufen, da sie ausschließlich zur Marktausdehnung in den Industrieländern und nicht in den Entwicklungsländern führen. Die meisten Forschungs-und Entwicklungsausgaben werden im Mutterland getätigt. Ebenso werden die meisten Kapitalgüter in den Industrieländern hergestellt. Außerdem konzentrieren sich die ADI häufig im Primär- oder im Tertiärsektor. Der dadurch ausgelöste Strukturwandel der einheimischen Wirtschaft wirkt somit zugunsten der entwickelten Länder und führt zur Verarmung der Massen in den Entwicklungsländern. 104 Vier Gründe sprechen -nach Auffassung der Neomarxisten- für die These, daß ADI negative Einkommenseffekte auf die Gastländer ausüben: 105 Erstens bezahlen die ausländischen Unternehmen niedrige Löhne für die einheimischen Arbeitskräfte. Der größte Teil dieser Löhne wird -ausgerichtet an westlichen Verbrauchmustern- konsumtiv verwendet. Daraus folgt oftmals eine Veränderung des Konsumprofils zugunsten von Luxusgütern, wodurch die ausländischen Unternehmen in den Entwicklungsländern weiter gefördert werden. 106 Zweitens benutzen die ausländischen Unternehmen häufig
Anlehnung an Kojima (1978) 102 Vgl. Amin, S. (1975), S. 165-172 und Baran (1 966), S. Kapitel v and vi "" Vgl. Baran (1966), S. 305 ff. Vgl. ebenda, S. 330 f. •os Gegen diese These argumentiert Little, daß die Entwicklung der Einkommensverteilung in Taiwan, Südkorea und Hong-Kong eine gleichmäßigere Einkommensverteilung aufweisen als andere Entwicklungsländer, die weniger in den Weltmarkt integriert sind und weniger PADI erhalten. Vgl. Little (1982), S. 263 106 Vgl. ebenda, S. 334 f. und Senghaas (1977), S. 177 104
2.8. Auswirkungen der ADI
29
kapitalintensive Technologien, wodurch die Nachfrage nach den inländischen Arbeitskräften abnimmt. 107 Drittens werden die Gewinne in großem Umfang zur Finanzierung von Investitionen in den hochentwickelten Ländern verwendet.' 08 Dieser Trend verstärkt sich mit der Ungewißheit und der Verschlechterung des Investitionsklimas in den Gastländern der Dritten Welt. Viertens führt die vom Entwicklungsland errichtete Infrastruktur nicht zur Ausdehnung des Binnenmarktes, da sie hauptsächlich den exportorientierten Unternehmen zugute kommt.' 09 Hinzu kommen die Kosten, welche die Regierung eines Gastlandes in Form von Steuerbefreiungen u.ä. für die Durchführung bestimmter Projekte übernehmen muß, um ADI anzuziehen. Folglich übersteigen -so die Argumentation- die oben aufgeführten Kosten den Nutzen der ADI für die Gastländer in der Dritten Welt. 110 Zudem besteht die Gefahr, daß die einheimischen Unternehmen mit den MNK.s bei der Ausbeutung der Dritten Welt kooperieren, so daß die negativen Effekte verstärkt werden. Solche Kooperationen nehmen zu, da die einheimischen Großunternehmen, die dem Interesse eines Entwicklungslandes dienen, zu schwach sind, um mit den großen internationalen Unternehmen konkurrieren zu können. 111 Nach Amin hat jede Phase der Expansion des kapitalistischen Systems ihr eigenes AkkumulationsmodelL Die Phase der ADI ist nicht mehr als ein Versuch oder eine Strategie der entwickelten Länder, die Kapitalakkumulation auf Weltebene zu maximieren. Die Folgen sind ungleiche Entwicklung 112 und
101 Vgl. ebenda, S. 334 ff. Für empirische Belege dieser These in verschie-denen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas, vgl. Lall (1984), S. 47-51 101 Auch in der nicht-marxistischen Kritik deuten Barnet und Müller auf die bedeutende Rolle des Finanzkapitals in der Vergangenheit und in der Gegenwart hin; es diene dazu, die Unterentwicklung der Dritten Welt zu zementieren. Die hohen Gewinne (in Form von Überschüssen, Dividenden, Zinsen und Gebühren) wurden nicht für die Entwicklung der Dritten Welt verwendet, sondern wurden in die Metropolen transferiert. Manche Entwicklungsländer sind heutzutage wichtige Zentren für die Produktion hochwertiger Technologien mit billigen Arbeitskräften. Die Produkte werden jedoch hauptsächlich in die reichen Länder, die über disposible Einkommen verfügen, verkauft. Vgl. Barnet und Müller (1974), S. 133 und 214 109 Vgl. Kraus (1971), S. 149-153 110 Vgl. Baran (1966), S. 304 und Meier (1976), S. 374. Dazu wird auch darauf hingewiesen, daß die Länder der Dritten Welt durch das Angebot von "exzessiven Vergünstigungen" miteinander konkurrieren, um mehr ADI anzuziehen. Dies führt zur Verstärkerung der Position der MNKs gegenüber den Gastländern und verringert die Vorteile der Aussiedlung von MNKs für die Gastländer. Vgl. Fröbel (1986), S. 493 ff. 111 Vgl. Lecraw (1985), S. 242 112 Durch die Verbindung des "Law of lncreasing Firm Size" mit dem "Gesetz der ungleichen Entwicklung" sieht Hymer die MNKs als Mittel des Transfers von Reichtum und Macht der unterentwickelten Ländern (Peripherien) in die entwickelten Nationen (Zentrum). Vgl. Buckley (1985), S. 7 in Anlehnung an Hymer (197 I)
30
2. Theoretische Grundlagen
eine Urbanisierung ohne reale Industrialisierung sowie eine zunehmende Abhängigkeit der Peripherien (Entwicklungsländer) von den Industrieländern. 113
2.8.3. Die "Dependencia-Theorie" Die Verfechter der "Dependencia-Theorie" haben die These von Baran weiterentwickelt. Innerhalb der "Dependencia"-Schule werden drei Richtungen unterschieden, die sich mit den Wechselwirkungen zwischen inländischen (bzw. endogenen) und ausländischen (bzw. exogenen) Determinanten der Entwicklung (bzw. Unterentwicklung) befassen. Frank, Dos Santos, Marina, Pizarro u.a. vertreten die erste Richtung, die als Fortsetzung der marxistischen Gedanken hinsichtlich der Entwicklung des kapitalistischen Systems betrachtet werden kann. Diese Richtung betont die exogenen Faktoren (Kolonialherrschaft, wirtschaftliche Beziehungen etc.) als entscheidende Ursachen für die Unterentwicklung der Dritten Welt. Sunkel und Furtado vertreten die zweite Richtung, wobei neben den exogenen Determinanten der Entwicklung die inländischen Variablen (vor allem die Struktur der Gesellsehrt in den unterentwickelten Ländern, sowie die Beziehungen zwischen der Elite in den unterentwickelten Ländern und der Bourgeoisie in den entwickelten Ländern) in Betracht gezogen werden. Obwohl diese Richtung mit der ersten Richtung darin übereinstimmt, daß die Unterentwicklung der Dritten Welt ein Ergebnis der wirtschaftlichen Beziehungen mit den industriellen kapitalistischen Ländern ist, vertritt Furtado die Auffassung, daß die Unterentwicklung nicht eine universale Phase, die jede Wirtschaft erleben muß, sondern eine Folge spezifischer historischer Umstände ist. Während Furtado von kultureller Abhängigkeit als Folge der Tätigkeit der MNKs spricht, unterstreicht Sunkel die technologische Abhängigkeit durch Verfolgung der Importsubstitutionsstrategie. Ausgehend von der unterschiedlichen wirtschaftlichen Lage der unterentwickelten Länder, gehen die Anhäger der dritten Richtung, vor allem Cardoso, Faletto, Pinto und Palma, davon aus, daß es unmöglich ist, von einer allgemeinen Theorie zu sprechen, die die heutige Entwicklung der Länder der
113 Vgl. Amin, S. (1974), S. 122 und ders. (1975), S. 159 Im Gegensatz dazu stellt Little fest, daß die internationalen Wirtschaftsbeziehungen und die intensive Integration im Weltmarkt keine notwendige Bedingung für die Unterentwicklung der Länder der Dritten Welt darstellen. Der Grund liegt darin, daß " (Hong-Kong, Südkorea, Taiwan und Singapur) the highest trading economies in the world, and, since they adopted trading policies, have been the fastest growing" ; "They all welcome foreign investment and permit free transfer of profits; but except in the case of Singapore, it is far from dominant". Die unerwünschten Fehlentwicklungen in vielen Ländern der Dritten Welt sind nicht Auswirkungen der Entwicklung des kapitalistischen Systems und der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Zentrum und Peripherien. Sie sind vielmehr auf die Vernachlässigung der Landwirtschaft mit "forced import-substituting industrialization, with emphasis on modemity and capital intensity" zurückzuführen. Die Verfolgung der Importsubstitution in Indien ist als ein klares Beispiel zu nennen. Vgl. Little (1982), S. 261-266 und auch Senghaas (1987)
2.8. Auswirkungen der ADI
31
Dritten Welt erklären kann. Dementsprechend besteht Bedarf an Studien, die die Besonderheit jeder Gesellschaft (im Sinne von sozialer Struktur) und ihre historische Entwicklung berücksichtigen. 114 Nach Lall kann die Dependencia-Theorie im Hinblick auf die Wachstumschancen der Entwicklungsländer in drei Katogerien klassifiziert werden: "i) the strong position (Andre Gunder Frank) that dependence Ieads to immiserisation; ii) the medium position (early Furtado, Sunkel and Dos Santos) that it runs into market constriction and stagnation; and iü) the mild position (Cardoso) that some growth is possible but always in a subservient or role". 115 Nach Furtado führen die ADI zu Strukturdefekten (vor allem zur Entstehung einer "duailistic economy") in den Entwicklungsländem. 116 Sie dienen als Instrument zur Erhaltung der Abhängigkeit und zur "Entwicklung der Unterentwicklung". Der Fall Brasilien wird als Beispiel genannt. 117 Darüber hinaus verursachen die ADI eine Belastung der Zahlungsbilanz in den Entwicklungsländern, da sie bei der Verfolgung einer Importsubstitutionsstrategie die Zunahme von Kapitalgüterimporten ·und z.T. von Zwischenprodukten bedingen} 18 Die Regierungen in den Entwicklungsländern sind nicht in der Lage, mit den MNKs zu verhandeln, die notwendigen Investitionen vorzunehmen bzw. die erforderlichen Industrien zu errichten. Die Folge ist "a ragbag of industries, without any pattern and showing virtually zero integration with the rest of the economy"} 19
114 Vgl. Frank (1969), Furtado (1964), Sunkel (1979), DosSantos (1970), Seers (1 979), ders. (1983), Cardoso und Faletto (1976) und Palma (1978) 115 Vgl. Lall (1985), S. 16 ff. 116 Vgl. Senghaas (1976), S. 57 f. und Furtado (1964), S. 129 In seinen neueren Veröffentlichwtgen sieht Senghaas die Beziehung zwischen der Unterentwicklung wtd den internationalen Wirtschaftsbeziehwtgen wie folgt: I. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den hoch entwickelten und wenig entwickelten Gesellschaften führen zum "Peripherisierwtgsdruck". 2. Der Peripherisierungsdruck führt zur tatsächlichen Peripherisierung, wenn wtgünstige sozioökonomische, institutionelle Rahmenbedingungen vorliegen. 3. Die Aufgabe der nationalen Wirtschaftspolitik ist es, solche Rahmenbedingungen durch eine teilweise Öffnung nach außen bei gleichzeitiger Entkopplung bzw. teilweiser Abkopplung von der internationalen Arbeitsteilung zu schaffen. Daraus folgt, daß die nationale Wirtschaftspolitik in der Dritten Welt mitentscheidend für mögliche negative Effekte der ADI ist. Vgl. Senghaas 3 ff. (1987),
s.
Vgl. Senghaas (1977), S. 51 ff. 111 Vgl. ebenda, S. 180. Seers stellt fest, daß die MNKs die Flexibilität des Außenhandels verringern können, da ihre Interessen nicht mit denen von einheimischen Firmen in Einklang gebracht werden können. Vgl. Seers (1983), S.82 119 Vgl. Seers, (1983), S. 82 117
4 Ania
2. Theoretische Grundlagen
32
In diesem Zusammenhang faßt Polak die möglichen negativen Auswirkungen der ADI auf die Zahlungsbilanz wie folgt zusammen: "Foreign companies can reduce profits in some countries by selling part of their output to the parent company or affiliates in third countfies at low prices; it has been claimed that international pharmaceutical companies engaged in this practice on a !arge scale. Transfers to cover local expenditure (and, at the same time, exchange risks) can be minimised by borrowing as much as possible in local currency from host country banks. Through these and other practices, companies can own and operate foreign subsidiaries without the host country balance of payments receiving any important contribution to capital account of its balance of payment". 120 Nach Furtado liefern die MNKs die geeignete Technologie, um Güter (meistens Luxsusgüter) für die einheimische Elite in den unterentwickelten Ländern herzustellen. Dabei werden kapitalintensive Produktionsverfahren verwendet, die eine begrenzte Zahl von Arbeitsplätzen mit höheren Löhnen auch für die Elite schafft. Daraus resultieren langfristig Konsum- und Produktionsstrukturen, die langsames Wachstum und Massenmarginalisierung verursachen. 121 Infolgedessen blockieren sie die Expansion des Binnenmarktes und verringern die Investitionsmöglichkeiten im Gastland. 122 Die MNKs können überdies. aufgrund ihrer starken Position im Wettbewerb, die einheimischen Unternehmen verdrängen. Dies kann insbesondere bei kapitalintensiven Verfahren die Beschäftigungsprobleme der Entwicklungsländer verschärfen. 123 Darüber hinaus können die MNKs durch ihre ökonomische Macht die Regierungen der Gastländer veranlassen, eine Wirtschaftspolitik zu ihren Gunsten zu verfolgen. Diese kann die Form von übermäßiger Protektion, Steuervergünstigungen und billigerer Bereitstellung notwendiger staatlicher Dienstleistungen annehmen. In vielen Fällen steht eine solche Finanz- und Wirtschaftspolitik mit dem Entwicklungsplan der Länder in Konflikt. Dabei können die Nachteile der MNK-freundlichen Politik die Vorteile des Engagements der MNKs für die Gastländer überkompensieren. 124
Zitiert nach Polak ( 1989), S. 139 Vgl. Furtado (1973), S. 2 ff. Die Verwendung von kapitalintensiven Verfahren wird u.a. mit dem leichten Zugang der MNKs zum Kapitalmarkt und der Gewährung von Krediten mit niedrigen Zinssätzen erklärt. Vgl. Collier I Lal (1986), S. 159 122 Vgl. Dos Santos (1970), S. 234 f. "Developing countries can, and, as Sunkel in bis Jater writings and Furtado argue, do turn to international capitalist markets for their continued expansion, and in this sort of they are no different from any capitalist country, rieb or poor, which has its fortunes tied to the development of the whole system. Some dependent economies can manage the integration better than others, and the reasons for this are major area for political-economic investigation, but there is no common dynamic element in their experience which we can put down to dependence (as distinct simply from their under-development)". Vgl. Lall (1985), S. 18 113 Vgl. Wohlmuth (1976), S. 97 und Senghaas (1977), S. 177 124 Vgl. Todaro (1981), S. 406 120
121
2.8. Auswirkungen der ADI
33
Ein anderer negativer Effekt der ADI liegt darin, daß die ausländischen Unternehmen die Steuerbelastung im Gastland verringern können, indem die realisierten Gewinne niedriger ausgewiesen werden; dies geschieht durch Überfaktorierung der Preise der importierten Zwischenprodukte und Unterfaktorierung der Preise der Exporte. 125 Dieses Phänomen des "Transfer Pricing" läßt sich von der Regierung des Gastlandes kaum kontrollieren; es ist für die Firmen vorteilhaft, solange die Körperschaftssteuersätze von einem Land zum anderen unterschiedlich sind. 126 Durch die Verlagerung von umweltfeindlichen Produktionsstufen bzw. Produktionsverfahren können die MNKs zur Verschärfung der Umweltprobleme der Gastländer beitragen. 127 Dies gilt insbesondere dann, wenn das Wirtschaftswachstum ohne Rücksicht auf negative technologische externe Effekte im Vordergrund der politischen Zielvorgaben steht. 128 Schließlich besteht auf der politischen Ebene oft die Gefahr, daß MNKs politische Entscheidungen zu beeinflussen versuchen. 129 Vernon hat sowohl auf die Konflikte zwischen MNKs und den Regierungen der Gastländer als auch auf den zunehmenden Einfluß der MNKs in den Industrie- und Entwicklungsländern hingewiesen. Er sieht voraus, daß der Kampf für mehr Souveränität der Staaten (Industrie- und Entwicklungsländer) in der Zukunft mehr Bedeutung gewinnen wird. 130 Die theoretische Debatte zwischen den Befürwortern und Gegnern der ADI, deren Argumente in vielen Fällen nicht intersubjektiv nachprüfbar sind, ist bisher zu keinem Ergebnis gelangt. Aus diesem Grund gewinnt die
125 In den Ländern. die hinsichtlich der Zwischenprodukte kaum abhängig vom Ausland sind und in denen der größte Teil der Importe durch den Staat kanalisiert wird, ist der Effekt des "Transfer-Pricing" nicht sehr stark. Vgl. Lall (1984), S. 44 1"" "Tax administration is hampered by transfer pricing (setting prices of traded goods at Ievels so that profits accrue in whichever country the Transnational Corporation wishes, usually to minimize total tax liability. sometimes to evade exchange control)". Seers (1983), S. 68 127 Frank stellt fest, daß Industrien mit Strukturproblemen in den Industrieländern selbst (wie Textil-, Schuh-, Stahl-, Schiffbau- und petrachemische Industrie) im Rahmen der Entwicklung des kapitalistischen Systems und im Zuge der internationalen Arbeitsteilung in die Entwicklungsländer verlagert werden. Vgl. Frank (1984), S. 234
Vgl. Strecten (1975). S. 7 "Govemment where these companies [MNKsl have thei r head office will try to protect them by diplomatic intervention, backed by aid to the govemment in extreme cases by military means". Dabei ist das Beispiel von ITT in Chile zu erwähnen. Vgl. Seers (1983), S. 81 sowie Todaro (1981). S. 406 und Kraus (1971), S. 151 130 Vgl. Vernon (1977), S. 25 1 ff. 121
129
34
2. Theoretische Grundlagen
empirische Untersuchung der Auswirkungen der ADI zunehmende Bedeutung, um die Diskussion über die Beiträge der ADI zu versachlichen. 131 In diesem Zusammenhang betont Lall die Notwendigkeit der weiteren Forschung über die Auswirkungen der ADI wie folgt: " There are many unwarranted generalisations which are accepted unquestioningly by writers on [MNKs] and by concemed policymakers, about their good effects, or bad ones, on domestic enterprises and industrial structure and perfonnance. The evidence does not bear out any strong Statement on either side; all it provides a need for caution and further research". 132
2.9. Fazit: Arbeitshypothesen für das weitere Vorgehen Aus den in Kapitel 2 dargestellten theoretischen Grundlagen lassen sich folgende Arbeitshypothesen ableiten, die im folgenden zu überprüfen sind: - PADI sind ein geeignetes Mittel zur Schließung der finanziellen Lücke und für den Technologietransfer. - Zufluß und Umfang der PADI können durch die nationalen und/ oder regionalen Standortvorteile (bzw. Standortnachteile) erklärt werden. - Der Gesamtumfang, die sektorale und die regionale Verteilung der PADI können sowohl durch den Entwicklungsstand eines Landes als auch den Entwicklungsstand der benachbarten Länder erklärt werden. - Die Standortwahl der 1GB wird durch die Entscheidungsträger der PADI bzw. der MNKs mitbestimmt; sie reagieren sehr sensitiv auf die allgemeine und regionale Wirtschaftspolitik eines Landes. - Die IGB leisten einen großen Beitrag zur Mobilisierung der einheimischen Ersparnisse sowie zur Anziehung ausländischen Kapitals; dadurch spielen sie eine bedeutende Rolle im Hinblick auf die Finanzierung einheimischer Projekte. Ausgehend von der These, daß das Entwicklungsnivau eines Landes Ausmaß und Auswirkungen der PADI bestimmt, hat das folgende Kapitel die Aufgabe, den Entwicklungsstand Ägyptens zu analysieren. Auf dieser Basis können die Beiträge der PADI auf die Entwicklung des Landes aus makroökonomischer Sicht beurteilt werden.
111 Im Interesse einer Versachlichung der Diskussion über die Rolle der MNKs haben sich mehrere empirische Untersuchungen im deutschsprachigen Raum in den letzten Jahren mit den Beiträgen von PADI zur Entwicklung verschiedener Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika befaßt. Vgl. z.B. Dams (1978), ders. (1980), Liem (1980), Vieser (1981), Friese (1982) und Elkmann (1983) m Vgl. Lall (1984). S. 51
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren 3.1. Einleitung Wie viele Entwicklungsländer wies die ägyptische Wirtschaft in der Periode 1952-1989 verschiedene Grade von Staatsinterventionen auf. Während in den 50er Jahren die "mixed economy" dominierte, wobei der Privatsektor eine maßgebende Rolle spielte, herrschte in den 60er Jahren ein hoher Staatsinterventionsgrad. Ab 1974 ging die Bedeutung des Staates zurück, während der Privatsektor an Wichtigkeit zunahm. Die existierenden politischen und gesellschaftlichen Systeme (charakterisiert durch die unterschiedlichen Grade der Staatsintervention), die sich in verschiedenen Indikatoren ausdrücken, hatten die wirtschaftliche Performanz beeinflußt. Nach Dunning (vgl. Kapitel 2.7), bestimmt das Entwicklungsniveau eines Landes als entscheidender Faktor Ausmaß und Auswirkungen der PADI. Auf der Grundlage des in Abb. 3-2 skizzierten Zusammenhangs, wird in diesem Kapitel die Gesamtentwicklung Ägyptens untersucht. Die ausführliche Darstellung dient als Ausgangspunkt, um in Kapitel 4 die gesetzlichen und institutionellen Rahmenbedingungen der PADI und in Kapitel 5 ihre Auswirkungen zu untersuchen. Die Analyse der Entwicklung Ägyptens vor und während der LP zielt ebenfalls darauf ab, zwischen den Auswirkungen der nationalen Wirtschaftspolitik in der Periode 1952-1989 und den Effekten von PADI nach 1974 differenzieren zu können. Ein anderes Ziel besteht darin, die Ursachen der verschiedenen "Wenden", die die ägyptische Wirtschaft erlebt hat, aufzugreifen. Da die Beiträge der PADI zur Entwicklung des Landes (vgl. die Einleitung) eine der Kernfragen der Arbeit bilden, wird u.a. die Frage der Einkommensverteilung vertieft behandelt.
3.2. Entwicklung des Wirtschaftssystems Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und die fünf bundesdeutschen Forschungsinstitute haben
36
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren
anhand einer großen Zahl von Entwicklungsländern (darunter Ägypten) den möglichen Zusammenhang zwischen Wirtschaftsordnung (bzw. Wirtschaftssystem) Wld Entwicklungserfolg untersucht.' Aus diesen Studien kann folgendes abgeleitet werden: 2 - Hinsichtlich des in Ägypten im Zeitablauf herrschenden Wirtschaftssystems von 1952 bis 1980 gab es keine Übereinstimmung zwischen den Forschungsinstituten; während das System von einem Forschungsinstitut als "stark interventionistisch" bezeichnet wurde, wurde es von einem Zweiten als "mixed socialist" charakterisiert. Bei anderen Klassifizierungen wurde es einmal als "eher marktwirtschaftlich" eingestuft, ein weiteres Mal als "eher sozialistisch" beurteilt. - Die fehlende Übereinstimmung ist auf die Komplexität des Wirtschaftssystems und die Schwierigkeiten hinsichtlich der Determinierung des Wirtschaftserfolges zurückzuführen. Dabei haben die Forschungsinstitute unterschiedliche Kriterien verwendet, um das herrschende Wirtschaftssystem zu klassifizieren. Der Unterschied im Hinblick auf die Klassifizierung des Systems führte zu verschiedenen Ergebnissen; während bei einem Institut kein signifikanter Zusammenhang zwischen Wirtschaftssystem und Entwicklungserfolgen festgestellt wurde, bestätigten die anderen diesen Zusammenhang. - Anhand der Studien der Forschungsinstitute kam der wissenschaftliche Beirat zum Schluß, daß die marktwirtschaftlich orientierten und mehr in die Weltwirtschaft integrierten bzw. durch weniger Intervention des Staates geprägten Wirtschaftssysteme bessere Wirtschaftserfolge schaffen können, als die sozialistisch orientierten Systeme (d.h. mit starker Staatsintervention und geringer Integration in die Weltwirtschaft). Obwohl die Klassifizierung des in Ägypten herrschenden Wirtschaftssystems mit sehr großen Schwierigkeiten verbunden ist, besteht die Aufgabe des vorliegenden Abschnittes u.a. darin, den Wandel des Wirtschaftssystems in der Periode 1952-1989 einzuordnen. Vor diesem Hintergrund bietet Abb. 3-1 einen Gesamtüberblick über die Veränderungen des Wirtschaftssystems in den 50er und 60er (Nasser-Ära) sowie während der LP (Sadat-Ära) 3•
1 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministeriwn für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, 1985 2 Vgl. ebenda
3 Die Mubarak-Ära wurde als Fortsetzung der Sadat-Ära betrachtet, da keine gravierende Systemänderung stattfand.
3.2. Entwicklung des Wirtschaftssystems
37
Die Periode 1952-1974 läßt sich in drei Abschnitte unterteilen:•
3.2.1. Die Periode 1952-56 Diese Periode kann als Fortsetzung des aJten Regimes betrachtet werden, da -außer der Landreform von 1952- keine umfassenden Änderungen in der Wirtschaft stattfanden. Die Rolle des Staates beschränkte sich auf die Gewährung eines günstigen Klimas für den Privatsektor. Der Anteil des Privatsektors am BIP betrug 1953 ca. 85 %. 5 Indikatoren
1952-1974 (Nasser-Ära)
1974-1989 (Sadat-Ära)
Eigentumsformen
- Bis zur "Ägyptisierungswelle" 1957 dominierte das Privateigentum. Danach, insbesondere ab 1960, gab es vorwiegend staatliches Eigentum in der Industrie, im Dienstleistungs· und Finanzsektor sowie im Außenhandel. - Obwohl der Staat durch Gesetze und Vorschriften eine große Rolle in der Landwirtschaft spielte, herrschte hier das Privateigentum vor.
- Staatliches Eigentum mit zunehmender Privatisierung der öffentlichen Unternehmen. - Das ausländische Eigentum, besonders im Finanz- und Dienstleistungssektor, nahm rapide zu.
Einstellung des Regimes gegenüber regionalen und internationalen Fragen
- Unterstützung von Befreiungsbewegungen. - Feindliche Politik gegen Israel. - Orientierung an der Sowjetunion und den Ostblockländern sowie Abneigung gegenüber den USA und Westeuropa sowie den konservativen arabischen Regimen.
- Friedliche Politik mit den konservativen arabischen Regimen. - Friedliche Politik mit Israel. - Starke Zusammenarbeit mit Westeuropa und USA und Abwendung von der Sowjetunion.
Struktur des Außenhandels
- Exporte zum größten Teil in die Sowjetunion und Ostbloccländer. - Importe überwiegend aus Westeuropa und USA. - Baumwolle als Hauptquelle der Exporter! Öse. - Der Staat als Hauptimporteur.
- Exporte und Importe orientierten sich vor allem nach den USA und Westeuropa - Erdöl ersetzte Baumwolle als Hauptquelle der Exporterlöse. - Neben dem Staat spielte der Privatsektor eine bedeutende Rolle im Hinblick auf die Importe.
4 In der folgenden Analyse wird die Periode 1952-1974 in drei Perioden geteilt, während in Abb. 3-1 die drei Perioden (1952-1956, 1956-67 und 1967-1974) als eine betrachtet wurden. ' Vgl. O'Brien (1966). S. 69
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren
38
Fortsetzung Abb. 3-1 Verteilung der politischen Macht
Art der Wirtschaftslenkung (Fazit)
Abb. 3-1: Quelle:
- Innenpolitisch dominierte die Regierung (Freie Offiziere), wobei es nur eine politische Partei gab. - Die links- und panarabischorientierten Mitglieder der Regierung hatten die Oberhand. - Die Gewerkschaft wurde von der Regierung eingesetzt, um die Massen für die Regierung zu mobilisieren. - Streiks waren verboten. - In der arabischen Region konzentrierte sich die Macht in Ägypten, dem "Zentrum der Revolution". - Führende Rolle in der blockfreien Bewegung.
- Bis 1955 überwiegend Marktmechanismen, wobei der Privatsektor die führende Rolle spielte. - Ab 1956 staatliche Lenkung durch Gesetzte und Verordnungen sowie Fünf-jahrespläne. - Der öffentliche Sektor dominierte der Wirtschaft.
- Innenpolitisch gab es ein Mehrparteiensystem, jedoch war der Spielraum der Opposition immer begrenzt. - Parteien auf religiöser Basis dulften nicht gegründet werden. - Die Rolle der Gewerkschaften war nach wie vor begrenzt. - Relativ große Pressefreiheit. - Die politische Macht in der Region hatte sich zu den arabischen Ölländem "PetroDollar-Zentrum" ver-lagert. - Abnehmde Bedeutung in der blockfreien Bewegung. - Staatliche Lenkung mit zunehmendem Spielraum für marktwirtschaftliche Regelungselemente.
Identifizierung des politischen und wirtschaftlichen Systems Ägyptens, 19521989 eigene Erfassung
Die Regierung favorisierte in dieser Phase, im Interesse einer Industrialisierung, die Förderung des Privatsektors gegenüber direkten Interventionen. Die private Industrie und die neugegründeten "Joint Ventures" wurden durch verschiedene Protektionsmaßnahmen, wie Zollerleichterungen für importierte Kapitalgüter oder Steuerbefreiungen, gefördert.6
3.2.2. Die Periode 1956-67 Die Periode 1956 - 1967 ist geprägt von einer Kette von politischen Ereignissen, die die Abwendung der Wirtschaftspolitik Ägyptens von Westeuropa und den USA mit sich brachten und zusätzliche Interventionen des Staates hervorriefen.
6
Vgl. O'Brien (1966), S. 68 ff. und Abdel-Malek (1971), S. 156
3.2. Entwicklung des Wirtschaftssystems
39
Die Verschlechterung der politischen Beziehungen zwischen Ägypten und der westlichen Welt nach dem Suez-Krieg von 1956 führte zur Beschlagnahmung und Verstaatlichung allen englischen, französchen und jüdischen Eigentums bzw. der Firmen, Banken und Versicherungen und anderer EigentumstiteL Im Jahre 1957 wurden die sogenannten "Ägyptisierungsgesetze" erlassen.7 Auf der politischen Ebene unterstützte Ägypten als "Zentrum der Revolution"8 die Unabhängigkeitsbewegungen seiner arabischen und afrikanischen Nachbarn. Anfang der 60er Jahre entstand eine Union mit Syrien, die jedoch nach kurzer Zeit wieder aufgelöst wurde. Die Unterstützung der Unabhängigkeitsbewegungen im Ausland war national mit massivem Druck auf das "reactionary, feudalist and capitalist element" und der Enteignung von 850 Bürgern verbunden.9 In dieser Zeit wurde Ägypten in der Region als Land angesehen, das die Revolution exportieren könne. 10 Der Staat kontrollierte bis 1958 alle spezialisierten Banken und fünf Versicherunggesellschaften, deren Aktivitäten mehr als 68 % des gesamten Versicherungsgewerbes ausmachten. Alle ausländischen Banken, Versicherungsgesellschaften und Handelsagenturen wurden gezwungen, sich innerhalb von fünf Jahren in Aktiengesellschaften mit einheimischer Mehrheitsbeteiligung umzuwandeln. 11
3.2.3. Die Periode 1967-74 In der Periode 1967 - 1974 kam es zu einer Reihe politischer und wirtschaftlicher Ereignisse, die die Wende von 1974 vorbereiteten. Es handelte sich um Ereignisse auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene, die die Umorientierung der Wirtschaftspolitik Ägyptens unvermeidbar machten:
3.2.3.1. Die nationale Ebene
Die Niederlage im Juni-Krieg von 1967 führte zur Erschütterung des Vertrauens in das Regime bzw. zu einem tiefgreifenden Autoritätsverlust der 7 Vgl. Carr (1979), S. 24 ' Vgl. Tibi (1984), S. 101 9 Vgl. Carr (1979), S. 25 10 Vgl. Amin, G. (1982) S. 295-300 11 Vgl. O'Brien (1966), S. 95-103 sowie Driscoll (1978), S. 7
40
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren
Regierung. Um diese Krise zu bewältigen und den Druck auf die Regierung zu mildern, wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen und neue Gesetze erlassen. Im Rahmen des Programms vom 30. März 1968 wurde der Anteil des Militärs im Kabinett von 65 % auf 40 % reduziert. Ferner wurden Repräsentanten der wohlhabenden Schichten ins Kabinett berufen. Schließlich wurden die Grundrechte betont und die Bindung der Bevölkerung an die Staatspartei gelockert. Die Presse erhielt mehr Freiheit. Darüber hinaus erhielt die Oberschicht ihre politischen Rechte wieder, durch deren Verlust sie in der vorhergehenden Periode 1960-67 als "Opfer der Radikalisierung" galten. 12 Diese politische Entwicklung verstärkte den Einfluß der wohlhabenden Schichten auf die wirtschaftspolitischen Entscheidungen. 13 Nach der militärischen Niederlage von 1967 tauchte die Frage auf, wie sich das ägyptische System zukünftig verhalten sollte. Am Anfang hatten die Anhänger und Befürworter des Radikalismus die Mehrheit im politischen System. Im Laufe der Zeit und unter dem Druck der ökonomischen Krise gewannen die Vertreter einer Liberalisierung die Oberhand, was sich in der Förderung des Außenhandels und in der Verteilungspolitik ausdrückte} 4 In den 60er Jahren entstand eine Schicht, die sich aus dem "Topmanagement" der größten öffentlichen Unternehmen, den entlassenen Offizieren, Kleinhändlern, mittleren Grundbesitzern in den ländlichen Gebieten, privaten Unternehmern u.ä. Personen zusammensetzte. Dieser Bevölkerungsteil stärkte, durch seine Vertreter in der Regierung, die Liberalisierung und bildete die gesellschaftliche Basis für die LP. 15 Der Tod Nassers war der Auslöser für die Wende von 1974. Der militärische Erfolg von 1973 förderte das Vertrauen in das Regime von Sadat. Die Debatte zwischen den Befürwortern einer Liberalisierung und den Anhängern einer Radikalisierung wurde deshalb zugunsten der ersten Gruppe entschieden.•• In der zweiten Hälfte der 60er Jahre -insbesondere nach 1967- geriet die ägyptische Wirtschaft aufgrund des Devisenmangels, der militärischen Lasten sowie der Aussetzung der US-Nahrungsmittelhilfe in eine Krise}' Das System reagierte mit vielfältigen Maßnahmen, welche als "Abkehr vom Nasserismus"
Vgl. Pawelka (1985), S. 272 f. Mit der Reform vom 30. März 1968 versuchte das Regime, den Verlust an Massenloyalität durch die Unterstützung einer verläßlichen Minderheit zu kompensieren. Vg!. Pawelka (1985), S. 281 14 Vgl. Pawelka (1985), S. 277-281 und El-lssawi (1982a). S. 79-83 " Vgl. Ajami (1982), S. 476 ff. und El-lssawi (1982a), S. 83 ff. 16 Vgl. Amin, G. (1982a), S. 285-315 und Pawelka (1985), S. 282 17 Vgl. Bums (1985), S. 149-173 12
13
3.2. Entwicklung des Wirtschaftssystems
41
bezeichnet werden. 18 Im Außenhandelsbereich wurden z.B. die Beschränkungen für Importe gelockert. Besondere Erleichterungen wurden für Importe von Konsumgütern gewährt. Dies führte zur Zunahme des Privatkonsums, besonders bei den wohlhabenden Schichten. 19 Ein Markstein im Interesse einer Exportförderung war die großzügige Förderung des Privatsektors. Diese Förderung war mit heftiger Kritik am öffentlichen Sektor begleitet. Im Parlament und in den Medien wurde sehr frei über die Verluste, das Mißmanagement und die illegalen Gewinne der öffentlichen Unternehmen gesprochen. 20 Zur Förderung des Privatsektors zählte auch die Rücknahme der Enteignung von 300 Personen, die zuvor Opfer des "Commitee for the Liquidation of Feudalism" waren. 21 Dartiber hinaus wurden das Pachtsystem in den ländlichen Gebieten und die Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte (besonders für Obst und Gemüse) zugunsten der Großgrundbesitzer wesentlich geändert. 22 Hinzuweisen ist auch auf die Beschränkung der Staatsaktivitäten im öffentlichen Wohnungsbereich, die sich ungünstig auf die unteren Einkommensschichten auswirkte. 23 Durch das Programm vom 30. März 1968 wurden zum einen die privaten Devisenverwendungen für den Import von Konsumgütern erleichtert. Zum anderen strebte die Regierung, durch Finanz- und Verwaltungsreformen in Richtung einer Dezentralisierung, die Sanierung und Rationalisierung des öffentlichen Sektors an. 24
3.2.3.2. Die regionale Ebene
Die Niederlage von 1967 galt als Wendepunkt der politischen Machtverteilung in der arabischen Region. Daraus folgte zweierlei: Zum einen wurden die Position Ägyptens schwächer und die Ausdehnung des "Nasserismus" in
" Vgl. Ajami (1982), S. 472 Während in der Periode 1964/65-197ln2 die jährliche Zuwachsrate des Konsums von Weizen 2,5 %, von Linsen 3,8 %, von Schuhen -16 % und von Textilien (niedriger Qualität) 8,6 % betrug, lag sie für Kühlschränke bei 7 %, für Privatautos bei 9 % und für Aeisch bei 11 %. Vgl. Abdel-Fadil (1980), S. 66 f. und Ajami (1982), S. 475 f. ""Vgl. Ajami (1982), S. 476 21 Vgl. ebenda, S. 479 22 Als Folge stieg der Anteil des Privatsektors an den Exporten von ca. 3 % ( 1966) auf 15 % (1970). Darüber hinaus übertraf die Zuwachsrate seiner Investitionen die des öffentlichen Sektors. Vgl. Pawelka (1985), S. 274 23 Die Zahl der vom Staat gebauten Wohnungseinheiten nahm z.B. von 21.300 (1962/63) auf 20.500 (1965/66) bzw. 5.300 (1968) ab. Vgl. Ajami (1982), S. 477 24 Allein im Jahr 1970 wurden mehr Privatautos importiert als zwischen den Jahren 1963 und 1967. Vgl. Pawelka (1985), S. 274 19
42
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren
der Region eingeschränkt. Zum anderen erwarben die arabischen Öl-Staaten im Vergleich zu Ägypten ein stärkeres machtpolitisches Gewicht. Die Schwächung der politischen Rolle Ägyptens gegenüber den arabischen ÖlStaaten setzte sich durch den Tod Nassers, den Oktober-Krieg von 1973 und den Ölpreisanstieg nach der ersten Ölkrise im gleichen Jahr fort. 25 Der Wiederaufbau der ägyptischen Streitkräfte nach der Niederlage von 1967 machte finanzielle Hilfen aus Arabien noch notwendiger. Durch den neuerworbenen Reichtum der arabischen Öl-Länder entstand die nach Ibrahim (1982) benannte "New Arab Social Order". Der Schwerpunkt der politischen Macht in der Region verlagerte sich aus Ägypten in das sogenannte "Petro-Dollar-Zentrum". Dies geschah vor dem Hintergrund der Überbevölkerung Ägyptens, seiner militärischen und kulturellen Überlegenheit im Vergleich mit anderen arabischen Ländern, aufgrund seines Mangels an Devisen und der Unterentwicklung der ölreichen arabischen Länder. 26 In dieser neuen arabischen Ordnung entstand ansatzweise eine Arbeitsteilung, in der Ägypten zwei Aufgaben zufielen: - Militärische Verteidigung des arabischen Raums, besonders der konservativen Öl-Länder. - Transfer von Arbeitskräften in die arabischen Öl-Staaten, um deren Entwicklungsprojekte zu verwirklichen. Im Rahmen dieser regionalen Arbeitsteilung versprach sich Ägypten einen zusätzlichen Zufluß von Investitionen und finanziellen Hilfen aus den anderen arabischen Ländern. Während der Khartum-Konferenz von 1968 verpflichteten sich die arabischen Ölländer, Ägypten etwa 400 Mio. US$ jährlich zur Verfügung zu stellen. Dieser Betrag wurde unter der Bedingung zugesichert, daß Ägypten keine feindliche Politik gegenüber den konservativen arabischen Öl-Staaten betreiben würde. 27 Nach dem Oktober-Krieg von 1973 nahmen die Erdöleinnahmen der arabischen Ölländer sprunghaft zu; sie stiegen von 12,7 Mrd. US$ (1973) auf 53,6 Mrd. US$ (1974). 28 Dies hatte zwei Folgen: Zum einen wurden die arabischen Öl-Länder zu "Importpolen". Zum anderen wurde es notwendig, Investitionsfonds teilweise außerhalb der Erdöl-Staaten anzulegen. Dabei bot sich Ägypten als Investitionsstandort für die zunehmenden arabischen Erdöleinnahmen an. Die Zusammenarbeit mit den konservativen Nachbarländern und der Zufluß arabischen Kapitals konnten nicht verwirklicht werden ohne den
25 26 27
21
Vgl. Ibrahim, S.E. (1982), S. 17 f. Vgl. Tibi (1984), S. 101 -108 und lbrahim, S.E. (1982), S. 17 f. Vgl. Pawelka (1985), S. 330 Vgl. lbrahim, S.E. (1982), S. 21
3.2. Entwicklung des Wirtschaftssystems
43
Verzicht Ägyptens auf eine sozialistische Orientierung. Bedingung hierfür war, daß sich die neue liberale Politik durchsetzte. Die LP wurde insgesamt als politisch notwendige Anpassung an die veränderte regionale Umwelt betrachtet.29
3.2.3.3. Die internationale Ebene
Die internationale Situation wies ab Mitte der 60er Jahre wesentliche Veränderungen auf, die von größter Bedeutung flir die Umorientierung Ägyptens in den 70er Jahren waren: Zunächst verminderte die von Anfang der 50er Jahre bis Mitte der 60er Jahre betriebene Entspannungspolitik die Konflikte zwischen den Supermächten. Sie selbst kamen zum Schluß, daß die Gefahr einer Konfrontation weitmöglichst ausgeschlossen werden müßte. Ferner stimmten sie überein, daß jede Supermacht ihren Einfluß ausdehnen kann, ohne militärische Interventionen der anderen Macht befürchten zu müssen.Diese Entspannungspolitik bot geringen Spielraum für unabhängige oder nichtalliierte Länder der Dritten Welt. Es wurde immer schwieriger, eine "neutrale" Politik zu verfolgen. 30 Das Interesse der USA an Ägypten und der Nahost-Region wurde in der zweiten Hälfte der 60er Jahre stärker. Die USA setzten zwei Druckmittel auf Ägypten ein, um das Regime Nassers zu zwingen, die Interessen der USA nicht zu gefährden: 31 Einmal die unbegrenzte Unterstützung Israels und zum anderen die Manipulation ihrer bereits zugesicherten Hilfen; beispielsweise wurde die Lieferung von Nahrungsmitteln an Ägypten nach dem Juni-Krieg von 1967 total ausgesetzt. 32 Am Ende der Nasser-Ära verbesserten sich die ägyptisch-amerikanischen Beziehungen. Gleichzeitig wurde Nassers Stellung geschwächt. Dieses wurde u.a. daran erkennbar, daß Nasser den Rogers-Pian für den Friedenschluß mit Israel akzeptierte. Nach dem Juni-Krieg von 1967 war der de-facto-Frieden
"' Vgl. Amin, G. (1982a). S. 96 f. 30 Um ihren Einfluß zu sichern, war die Sowjetunion in den 60er Jahren bestrebt, Ägypten und seine Verbündeten, besonders während und nach dem Krieg von 1967 zu unterstützen. Eine Unterstützung, "die zu risikoreicher Eskalation mit den USA führen kann, mußte vermieden werden". Dawisha (1981), S. 34 Ähnlich war die Feststellung der ägyptischen Politiker nach dem Oktober-Krieg von 1973, daß die Sowjetunion nach der ägyptischen Niederlage von 1967 ihre Versprechungen nicht erfüllt hätte. Es wurde vermutet, daß die Sowjetunion eine nur begrenzte Menge von Waffen an Ägypten geliefert hatte, um einen Friedensschluß zwischen Ägypten und Israel zu ermöglichen. Vgl. Amin, G. (1982), S. 300 und Aubi (1982), S. 350 31
Vgl. Amin, G. (1982), S. 295 und Pawelka (1985), S. 285
32
V gl. Amin, G. (1982), S. 302 f .
44
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren
mit Israel eine pragmatische Lösung für die politische und ökonomische Krise des ägyptischen Regimes. 33 Nach dem Oktober-Krieg und der ersten Ölkrise reifte in Westeuropa und den USA die Erkenntnis, daß die arabische Region in die internationale Arbeitsteilung integriert werden müsse. Diese Integration konnte ohne die Lösung des arabisch-israelischen Konfliktes nicht zustandekommen. 34 Im Gegensatz zu den 50er und 60er Jahren wandten sich die Interessen der USA in den 70er Jahren mehr dem Nahen Osten zu. Gründe waren die verstärkte Konkurrenz mit den EG-Ländern und die verminderten Gewinnchancen in den USA und Westeuropa. Diese Entwicklung wurde durch die Lohnsteigerungen in Westeuropa unterstützt. 35 Aufgrund der Erdöleinnahmen nahmen die Importe der arabischen Ölländer erheblich zu. Dies führte dazu, daß ein gemeinsames Interesse der arabischen Staaten, der USA und Westeuropas an einer liberalen Politik bestand, die zu einer Sicherung des arabischen Marktes beitragen sollte. 36 So kam es zur Verlagerung bestimmter Industrien, um die komparativen Vorteile innerhalb der Region auszunutzen. Zwei Bedingungen mußten erfüllt werden, um ausländisches Kapital nach Ägypten zu ziehen: Zum einen mußte der Frieden mit Israel gesichert werden, um politische Stabilität in der Region zu gewährleisten. Der militärische Erfolg vom Oktober 1973 und der Anfang des Friedensprozesses durch den "Step-by-Step"-Friedensplan waren weitere Schritte auf diesem langen Weg, der mit dem Friedensschluß zwischen Ägypten und Israel 1979 ein Ende fand. 37 Zum anderen mußte eine geeignete Wirtschaftspolitik im Sinne einer wirtschaftlichen Liberalisierung betrieben werden.38 Man kann festhalten, daß die Umorientierung Ägyptens ab 1974 Folge einer Entwicklung auf drei verschiedenen Ebenen war; d.h. die LP kam durch die fortlaufende Anpassung an die nationale, regionale und internationale Ebene, besonders nach der militärischen Niederlage von 1967, zustande. Inwieweit sich die Wirtschaftentwicklung im Lauf der Zeit nach der politischen Unabhängigkeit verändert hat, und inwieweit dies im Hinblick auf den Grad der Staatsinterventionen erklärt werden kann. wird in den nächsten Abschnitten dargestellt.
33
Vgl. ebenda, S. 303
"' Vgl. " Vgl. 36 Vgl. 37 Vgl.
ebenda, S. 285 ebenda, S. 300 Pawelka (1985), S. 289 ebenda, S. 363
" Vgl. ebenda, S. 363
3.3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
45
3.3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung Anhand von makroökonomischen Wirtschaftsindikatoren wird die Entwicklung vor und während der Liberalisierungsperiode verglichen. Folgende Indikatoren werden untersucht (Vgl. Abb. 3-2) 1. Bevölkerung
2. EntwicklWlg und Struktur des BIP 3. Investitionen und Ersparnisse
4. ZahlWlgsbilanz 5. Beschäftigung 6. Staatshaushalt 7. Inflation 8. Einkommensverteilung
3.3.1. Bevölkerung Eines der größten Probleme Ägyptens ist die rasche Zunahme der Bevölkerung. Die Einwohnerzahl Ägyptens nahm vor der LP ständig zu. Die Zuwachsrate der Bevölkerung betrug in der Periode 1960-65 2,5 % p.a. verglichen mit 2,6% p.a. in der Periode 1965-74. Während der LP stieg die Zuwachsrate noch einmal auf 3 % p.a. an (vgl. Tab. 3-1). Tab. 3-1: Bevölkerungsentwicklung Ägyptens, 1952-1989 Jahr
Bevölkerung (Mio.Einwohner)
1952 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1989
21,44 22,99 25,98 29,50 33,07 36,95 42,12 48,50 50,10
Bemerkungen: Quelle:
jährliches Bevölkerungswachsturn(%) (I) 2.41 2,60 2,63 2,50 2,35 2,80 3,03 1.43
Geburtenrate (auf 1.000)
Sterblichkeilsrate (auf 1.000)
45,2 44 42,9 41,6 35,2 36,2 37,5 37,5 36(2)
17,8 17 16,9 14 15,1 12,2 10 9,1 10(3)
I= errechnet von den unten erwähnten Quellen. 2 und 3=1987 CAMPS 1987, Ikram (1980), S. 392f., Weltentwicklungsbericht 1989 und Nord-Süd-Aktuell, Statistischer Anhang.
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Abb. 3-2:
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Bestimmungsfaktoren der gegenwärtigen Entwicklung Ägyptens und die Rolle privater ausländischer Direktinvestitionen
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3.3. Gesamtwirtschaftliche EntwicklWJg
47
Für diese Entwicklung ist einmal die starke Abnahme der Sterblichkeitsrate infolge der Fortschritte in der medizinischen Betreuung und der besseren Hygiene verantwortlich; dazu kommt die Steigerung der Geburtenrate insbesondere während der LP (postwar baby-boom). 39 Maßnahmen der Familienplanung hatten sowohl in der Nasser-Ära als auch in der Sadat-Ära aus traditionellen, kulturellen und religiösen Gründen sehr geringe Erfolge. 40 Die geographische Verteilung der Bevölkerung zeigte eine starke Konzentration auf Großkairo (Kairo, Giza und Kaliubia), wo 1986 etwa ein Viertel der Bevölkerung Ägyptens wohnte. Im Großraum Kairo lebten damit mehr Einwohner als in den zehn größten Städten Mittel- und Südägyptens zusammen. Folglich bemißt sich die Bevölkerungsdichte 1986 in Kairo auf 28 Tsd. Einwohner/km 2 , während in Suez 13 Tsd./km 2 und 4 Tsd./km 2 in Wüstengebieten zu verzeichnen sind. 41 Da die Immigration nach Ägypten unbedeutend ist, sind die Abwanderungen aus den ländlichen Gebieten für die zunehmende Urbanisierung - von 38% (1960) auf 46% (1988)- verantwortlich. 42 Das oben beschriebene Bevölkerungswachstum führte neben der Abnahme der Anbau- und Erntefläche pro Kopf zur Verschlechterung des Selbstversorgungsgrades (vgl. Tab. 3-2 und 3-3). Die kultivierte Fläche pro Kopf sank von 0,13 ha (1947) auf 0,09 ha im Jahr 1960. Im Rahmen der LP sank sie weiter von 0,07 ha (1975) auf 0,04 ha im Jahr 1986.43 ) Die kultivierten Flächen wurden, mit hoher Flächenproduktivität je Fed., intensiv genutzt: Es gab zwei bis drei Ernten im Jahr. 44 Jedoch nahm die Erntefläche pro Kopf von 0,20 ha (1947) über 0,16 ha (1960) und 0,12 ha (1975) bis auf 0,09 ha (1986) ständig ab. 45
39 !kram weist jedoch darauf hin, daß die Qualität medizinischer Behandlung sehr niedrig ist und die hygienischen Verhältnisse in den ländlichen Gebieten sehr schlecht sind. Vgl. !kram (1980), s. 108 "' Z.B. wurde in ländlichen Gebieten irrtümlicherweise argwnentiert, daß Familienplanung im Islam verboten ist. Vgl. !kram (1980), S. 112 41 Vgl. CAMPS 1987 42 Vgl. !kram (1980), S. 113, Nohlen (1983), S. 42 und WeltentwicklWJgsbericht 1991 43 Vgl. CAMPS 1987 sowie !kram (1980), S. 117 44 Die landwirtschaftliche Produktivität je Fed. ist in Ägypten, weltweit verglichen, relativ hoch. Vgl. dazu Adams (1 985), S.711 ff., Aliboni (1984), S. 93 WJd Richards ( 1982), S. 220 f. 45 Vgl. Adams (1985), S. 719
S Attia
48
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren Tab. 3-2: Selbstversorgungsgrad bei wichtigen Agrarerzeugnissen, 1965-1983 (in %)
Jahr
Weizen
Mais
Reis
Linsen
Zucker
"Rotes" Fleisch*
1965 1970 1975 1980 1983
34 37 34 24 25
39 97 86 77 73
137 164 107 107 n.v.
93 64 42 10 7
99 117 81 65 54
81 89 87 75 73
Anmerkungen: Quelle:
* Es
handelt sich hierbei um Rind-, Kalb- und Lammfleisch. n.v.= nicht vedügbar Von Braun (1983), S. 21 und Richards (1984), S. 335
3.3.2. Entwicklung und Struktur des BIP Das BIP nahm in der Periode 1952-65 kontinuierlich zu. Während von 1952 bis 1960 die reale Wachstumsrate des BIP bei 4,4 % p.a. lag, stieg sie 1960-65 auf 6,4 % p.a. an. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre erlebte die ägyptische Wirtschaft aufgrund der Interventionen im Jemen-Bürgerkrieg und wegen des Krieges von 1967 eine spürbare Stagnation, wobei das BIP jährlich nur um 3,7 % zunahm.46) In den 60er Jahren vollzog sich in der ägyptischen Wirtschaft ein deutlicher StrukturwandeL Dabei sank der Anteil der Landwirtschaft von 34 % am BIP 1955/56 auf 28 % (1970), während der Anteil der Industrie von 18 % auf 21% im gleichen Zeitraum anstieg. 47 Jedoch entfällt der überwiegende Teil des BIP-Wachstums in den 50er und 60er Jahren auf die Entwicklung des tertiären Sektors, dessen Anteil etwa 46% betrug. 48 Während der LP floß zunehmend ausländisches Kapital nach Ägypten. Diese Phase war durch einen starken Anstieg des BIP geprägt. Das BIP nahm in der Periode 1973-84 um etwa 8,5 % jährlich zu.49 Die durchscnittliche jährliche Wachstumsrate betrug in der Periode 1980-1989 5,4 %.so Dabei war der Dienstleistungssektor nach wie vor die Hauptstütze des Wachstums .
.. Vgl. Sclun.idt (1980), S. 13 47 Vgl. lkram (1980), S. 32 sowie Hansen I Radwan (1982), S. 31 "Vgl. Hansen I Radwan (1982), S. 31 sowie Schmidt (1980), S. 20 49 Von 1980 bis 1984 nahm das BIP wegen sinkender Erdölpreise nur mit 4,7 % jährlich zu. Vgl. Weitentwicklungsberichte 1986 und 1988 50 Vgl. Weltentwicklungsbericht 1991
3.3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
49
3.3.2.1. Das sektorale Wachstum
3.3.2.1.1. Landwirtschaft In der Periode 1955/65 betrug das jährliche reale Wachstum in der Landwirtschaft durchschnittlich 3,5 %, während es in der zweiten Hälfte der 60er Jahre auf 1,6 % fiel. 51 Dieses Wachstum wurde u.a. durch eine Intensivierung der Ausnutzung der Anbaufläche erreicht. 52 In der Periode 1973-89 lag die durchscnittliche Wachstumsrate bei 2,6 % und damit unter derjenigen der Bevölkerung. Diese Entwicklung schließt nicht aus, daß sich die Wirtschaftspolitik der 50er und 60er Jahren stärker auf die Ausdehnung des kultivierbaren Bodens als auf die Einführung neuer und fortgeschrittener Technologien in der Landwirtschaft konzentrierte. 53 Trotz einer kostspieligen Landgewinnungspolitik der Regierung, insbesondere in den 70er und 80er Jahren, nahm die Nutzfläche landesweit durch den gesteigerten Wohnungsbau ab.s.c Die Erntefläche verringerte sich von 1974 bis 1986 um 9 %. 55 Dagegen verdoppelte sich der Anteil der Anbaufläche für Obst und Gemüse (vgl. Tab. 3-3). Tab. 3-3: Anbaufläche wichtiger Agrarprodukte, 1950-1986 (in Tsd. Fed.) Ernte
1950/ 1954
1955/ 1959
1960/ 1964
1965/ 1969
1970/ 1974
1986
Weizen Klee Zwiebeln Reis Baumwolle Mrus Linsen Obst, Gemüse
1600 2200 26
1500 2300 36 641 1800 1800 80 400
1400 2400 44 791 1750 1700 77 450
1300 2600 45 1020 1700 900 65 670
1300 2800 33 1090 1500 800 64 750
1200 2700 21 1000 1450 1800 21 1500
Bemerkungen: Quelle:
505
1800 1800 74 260
Die Angaben sind Durchschnittswerte für die jeweiligen Zeiträume Richards (1982), S. 188 und CAMPS 1987
" Vgl. Mabro (1974), S. 172 sz Vgl. ebenda, S. 172 " Vgl. Aliboni (1984}, S. 88 " Die jährliche Abnahme der kultivierten Fläche als Folge des Wohnungsbaus wurde mit etwa 60-70 Tsd. Fed. (etwa 1% der gesamten Anbaufläche) geschätzt. Vg!. Hansen I Radwan (1982}, S. 121-1 37 " Vgl. !kram (1980), S. I 17 und CAMPS 1987
50
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren
Die Daneben setzte die Verkaufspreise der landwirtschaftlichen Schlüsselprodukte, wie z.B. Weizen und Baumwolle, weit unterhalb der internationalen Marktpreise fest. 56 Die Landwirte wurden verpflichtet, die Ernte ganz oder teilweise zu fixierten Preisen an die Regierung abzugeben (sog. "Cooperative Marketing" der Agrarprodukte). 57 Zwar entlastete eine solche Preispolitik, wegen der verringerten Subventionen für Massenkonsumgüter, den Staatshaushalt, doch traten folgende negative Effekte auf: - Erstens nahm u.a. der Gartenbau zu, mit dem Landwirte die Preiskontrollen und die sog. kooperative Vermarktung umgehen konnten. 58 Diese Änderung trug dazu bei, daß sich die Produktion von Grundnahrungsmitteln in den 70er und 80er Jahren verringerte. - Zweitens sank die Investitionsbereitschaft allgemein. 59 -
in der Landwirtschaft
Drittens verstärkte diese Preispolitik die Abwanderung aus den ländlichen Gebieten.60
Die Preispolitik und das kooperative Marketingsystem für Agrarprodukte wurden im Rahmen der LP fortgesetzt. Darüber hinaus ging der Anteil der Landwirtschaft an den Gesamtinvestitionen zurück (vgl. Kapitel 3.3.3).
3.3.2.1.2. Industrie Nach der Unabhängigkeit Ägyptens wurde der Industrialisierung große Bedeutung beigemessen, so daß in den 50er und 60er Jahren zunehmend in den Industriesektor investiert wurde (vgl Kapitel 3.2.3). Folglich nahm der Anteil der Industrie am BIP von 19 % (1953) auf etwa 24 % im Jahr 1960 bzw. 28 % (1970) erheblich zu. 6 ' Die in den 50er und 60er Jahren durchgeführten Vorhaben waren meist ohne "Cost-Benefit-Analyse" geplant worden. Für die Investitionsentscheidung spielten Kriterien wie Prestige, Verfügbarkeil von Devisen, politische
l6
" " "' "' 61
Vgl. Mabro ( 1974 ), S. 124 und Aliboni (1984), S. 94 "'Es ist in der Tat Regierungsvermarktung". Kureiym (1982), S. 194 Vgl. Aliboni (1984), S. 94 Vgl. Mabro (1974), S. 124 Vgl. Aliboni (1 984), S. 94 Vgl. Noblen (1983), S. 50 und !kram (1980), S. 32
3.3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
51
Machtverteilung im Kabinett, usw. eine Rolle. 62 Dies hatte zur Folge, daß viele Industrien bzw. viele Unternehmen unwirtschaftlich mit zu hohen Produktionskosten arbeiteten und deshalb auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig waren. 63 In den 50er und 60er Jahren und während der LP stand die Gründung von importintensiven sowie kapitalintensiven Industrien im Vordergrund. Die arbeitsintensiven Branchen waren im Nachteil. Trotz dem erklärten Ziel einer Importsubstitution waren viele Projekte importintensiv. Dies verschärfte zum einen das Devisenproblem. Zum anderen verringerte sich die Aufnahmekapazität der Industrie für neue Arbeitskräfte. Die Investitionskosten pro Arbeitsplatz betrugen 1976 12-24 Tsd. LE. Dabei blieben die komparativen Vorteile Ägyptens (Verfügbarkeit von Arbeitskräften) außer Acht. 64 In bezug auf den Strukturwandel der Industrie ist festzustellen, daß 1970 die Konsumgüterindustrie mit 62 % der industriellen Wertschöpfung eindeutig dominierte. 65 Gleichzeitig stieg der Anteil der Zwischenprodukte von 25 % (1952) auf 27 % (1960) bzw. 31 % (1970) an, während der Anteil der Investitionsgüter von 4 % auf 4,5 % bzw. 7 % in derselben Periode zunahm. 66 Dies deutet darauf hin, daß die Industrie in der ersten Phase der Importsubstitution (Produktion von Konsumgütern) stecken blieb. 67 In den 50er und 60er Jahren wurde der größte Teil der staatlichen Investitionen in der Industrie eingesetzt. Diese Investitionen konzentrierten sich vor allem auf die Errichtung neuer Industrieanlagen. Dabei wurde die Erhaltung und Modernisierung existierender Anlagen vernachlässigt. Dies führte zu einer Ausbreitung unausgenutzter Kapazitäten. 68 Während der LP wurde versucht, die angestauten Probleme der 60er Jahre, insbesondere die Probleme der Ersatzteillieferung und der ungenutzten Kapazitäten, mit Hilfe importierten Kapitals zu lösen. Das Wachstum des Industriesektors betrug in der Periode 1973-84 10 % jährlich.69 Dieses Wachstum ist zum größten Teil auf die enorm gestiegene Erdölproduktion
Vgl. Girgis, S. 197 Während Hansen und Nashashibi (1975) nachwiesen, daß die Eisen- und Stahl-, die Autound zum Teil auch die Papierindustrie nicht konkurrenzfähig waren, kamen Mabro und Radwan (1977) zum Ergebnis, daß die Zucker-, die Zement- und die Alkoholindustrie bis 1965 konkurrenzfähig waren. Textilien sind dagegen aufgrund der Verwendung hochwertiger ägyptischer Baumwolle international wettbewerbsfähig. Vgl. Ikram (1980), S. 258 f. 64 Vgl. Schmidt (1980), S. 110 f. und El-Gritly (1977), S. 100 ff. os Vgl. Waterbury (1983), S. 192 66 Vgl. ebenda, S. 192 67 Vgl. Waterbury (1983), S. 192 68 Vgl. Girgis (1977), S. 225 "' Vgl. Weltentwicklungsbericht 1986 62 63
52
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren
zurückzuführen. 70 Deren Anteil am BIP stieg von 6 % (1978) auf 16 % (1989) an. Dagegen sank der Anteil der verarbeitenden Industrie arn BIP von 23 % (1974) auf 14 % (1989). 71 Insgesamt ergaben sich in der Industrie wesentliche Strukturänderungen. So nahm der Anteil der Nahrungs- und Textilindustrie an der industriellen Wertschöpfung bei Textilien von 30 % (1975) auf 20% (1988) ab, während der Anteil der Rohstoffgewinnung stark zunahm.72
3.3.2.1.3. Dienstleistungen
Die ägyptische Wirtschaft ist durch eine starke Ausweitung des Tertiärsektors gekennzeichnet, dessen Anteil arn BIP bereits in den 50er Jahren 47 % betrug und in den 60er Jahren etwa die Hälfte des BIP ausmachte.73 Während der LP setzte sich die Ausdehnung des tertiären Sektors fort, wobei sein Anteil am BIP 52 % (1989) erreichte.74 Die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate des tertiären Sektors betrug von 1973 bis 1984 11 % bzw. 7,1% (1980-1989).75 Das rapide Wachstum des tertiären Sektors ist auf drei Gründe zurückzuführen: Einmal wurde die in den 60er Jahren betriebene Beschäftigungspolitik im Rahmen der LP fortgesetzt. Zum zweiten erlebte der Finanzsektor ein starkes Wachstum; er nahm von 18 % des BIP 1974 auf 27 % (1987) zu.76 Zum dritten wurde 1975 der Suez-Kanal wiedereröffnet, dessen Einnahmen einen steigenden Trend aufwiesen; sie stiegen von ca. 348 Mio. US$ (1976) auf 1 Mrd. US$ im Jahr 1985.77 Die Ausdehnung des tertiären Sektors war mit der Abnahme der staatlichen Ausgaben im Sozialbereich von 23 % des BIP (1974) auf 8,5 % (1987) verbunden, was sich aus der LP ergab.78 Dies hat die Bezieher
In den ägyptischen Statistiken wird der Erdölsektor dem Industriesektor zugeordnet. Vgl. Handusa (1987), S. 8 und Weltentwicklungsbericht 1991 72 Vgl. UNCTAD (1990) und Weltentwicklungsbericht 1991 73 Vgl. Mabro (1974), S. 168 ff. " Vgl. Weltentwicklungsbericht 1991 15 Vgl. Weltentwicklungsberichte 1978, 1986, 1988 und 1991 76 Vgl. Handusa (1987), S. 5 n Vgl. Möller (1980), S. 51 und Krämer (1986), S. 21 .,. Dagegen verdoppelte sich der Anteil der Sozialleistungen des Staates (Govenunent services) von ca. 14 %des BIP in den 50er Jahren auf ca. 33 % in den 60er Jahren. Vgl. Mabro (1974), S. 168 ff. 10
71
3.3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
53
niedriger Einkommen benachteiligt. Gleichzeitig deutet dies darauf hin, daß die starke Staatsintervention in den 60er Jahren mit gewissen Erfolgen auf der sozialen Ebene verbunden war (vgl. Kapitel 3.3.8.).79
3.3.3. Investitionen und Ersparnisse Die Investitionsquote zeigte in der betrachteten Periode ( 1952-1989) einen zyklischen Verlauf: Zwischen 1952-65 einen zunehmenden Trend, einen abnehmenden Trend in der zweiten Hälfte der 60er Jahre bis in die frühen 70er Jahre und dann wieder eine zunehmende Tendenz im Rahmen der LP (vgl. Tab. 3-4). Für die abnehmende Sparquote vor der LP sind die militärischen Ausgaben und der zunehmende öffentliche Konsum [17% (1955) bzw. 26 % (1971) des BIP] in den 60er Jahren verantwortlich.80 Da die einheimischen Ersparnisse niedrig und die Kreditaufnahme im Ausland begrenzt, die Investitionsziele aber hoch angesetzt waren, wurden die Investitionen zum großen Teil durch Geldschöpfung finanziert (vgl. Kapitel 3.3.6).81 Ferner wurde ein erheblicher Teil der Investitionen durch ausländische Entwicklungshilfe gefördert, die von 1960 bis 1974 zwischen 20 und 33 % der Investitionen ausmachte. 82 Tab. 3-4: Entwicklung der Investitions- und Sparquote, 1952-1989 (in %des BIP) Jahr
Sparquote
1952 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1987 1989
11,9 15,1 14,1 13,6 8,2 7,3 17,0 16,0 8,0 7,0
Quelle:
Investitionsquote 13,6 16,3 15,5 18,1 13,0 27,3 30,0 25,0 19,0 24,0
Für 1952-1975 !kram (1980), S. 369 f. und für 1980- 1989, Weltentwicklungsberichte 1983, 1987, 1989 und 1991
"'Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (1985), s. 18 f. 10 Vgl. Ikram (1980), S. 42 " Vgl. Waterbury (1983), S. II4 12 Vgl. Richards (1984), S. 325
54
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren
Die sektorale Verteilung der Investitionen verdeutlicht die dominierende Rolle der Industrie (einschließlich Energiesektor), die von 30 % der Gesamtinvestitionen in der Periode 1952-56 auf 34 % (1960-65) und 43 % (1970) zunahm. Gleichzeitig stieg der Anteil der Landwirtschaft an den Gesamtinvestitionen von 11 % auf 23 % wesentlich an, sank dann aber wieder auf 17% im entsprechenden Zeitraum. 83 Der Bau- und Dienstleistungssektor wurde in geringerem Maße berücksichtigt, was zur Verschärfung des Wohnungsproblems sowie zu einer Verschlechterung des Transport- und Verkehrssystems in den 70er Jahren beitrug. Während der Anteil des Bausektors von 32,5 % im Durchschnitt der Periode 1952-57 auf 10% (1970) stark abnahm, sank der Anteil des Dienstleistungssektors von 9% auf 8 % im gleichen Zeitraum; bei den Dienstleistungen entfiel die Hälfte auf das Erziehungs- und Gesundheitswesen sowie auf die anderen staatlichen Dienste.84 Auch in den 70er Jahren dominierte die Industrie in der sektoralen Verteilung der Investitionen, wobei ihr Anteil zwischen 1974-80 bei 40 % der Gesamtinvestitionen lag. Seither entwickelte sich der tertiäre Sektor mit 49% (1983)85 der Gesamtinvestitionen zum wichtigsten Sektor, verglichen mit 20 % für die Industrie. Der Anteil der Landwirtschaft an den Gesamtinvestitionen ging von 17,7 % (1966-73) auf 7 % (1974-83) stark zurück, wodurch die Vernachlässigung der Landwirtschaft im Rahmen der LP belegt wird.86 Die Investitions-Ersparnis-Lücke vergrößerte sich während der LP (vgl. Abb. 3-3). Die Bruttoinlandsersparnisse nahmen von 7,3 % des BIP (1975) auf 7 % (1989) gering ab, die Bruttoinlandsinvestitionen stiegen von 27,3 % (1975) auf 30 % (1980) an und sanken 1989 wieder beträchtlich auf etwa 24 %.87 Die Abnahme der Sparquote während der LP ist auf drei Faktoren zurückzuführen; zunächst stieg der private Konsum von 73,5 % des Gesamtkonsums (1974) auf 77 % (1988) an.88
., Ein großer Teil der Investitionen in der ersten Hälfte der 60er Jahre wurde für den Bau des Assuan-Hochdamms eingesetzt. Vgl. Mabro (1974), S. 285 und Nohlen (1983), S. 47 ,. Vgl. Mabro (1974), S. 186 ff. 15 Davon sind etwa die Hälfte im Verkehrssektor und zum Ausbau des Suezkanals eingesetzt worden. Diese Investitionen ermöglichten wesentliche Verbesserung im Verkehrs- und Kommunikationsbereich. Vgl. CAMPS 1987 ,. Vgl. Nohlen (1983), S. 47 und CAMPS 1987 87 Vgl. Weltentwicklungsbericht 1991 " Vgl. Weltentwicklungsberichte 1986, 1988 und World Bank (1989)
55
3.3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
34 32 30 28 26 24 22 20
ln 'llo vom BIP
Investitionsquote ....- ....- "'- . . . ._
r
l~nvestitions- un~\
18 16
14 12 10 8
. . . ._
/~--....-----
....-......._
/
. . . ._
"'-...;
I
I
I Ersparnis-LOcke
V
1
Sparquote
6 4 2
OL-----~----~----~----~----~L-----L-----~----~
1960
Abb. 3-3: Quelle:
1966
1960
1966
1970
1976
1980
1986
1990
Die Entwicklung der Investitions-Ersparnis-Lücke von 1952-1989 Für die Jahre 1952-1975: !kram (1980), S. 369 f.; für 1980 -1989: Weltentwicklungsberichte 1983, 1987, 1988,1989 und 1991
Zur Zunahme des Privatkonsums trug die Subventionspolitik erheblich bei.89 Zum zweiten hat die Zinspolitik die Ersparnisbildung gehemmt, da der Diskontsatz zwar von 7 % (1977) auf 13% (1987) anstieg, die Inflationsrate aber von 12,7 % auf 25 % im gleichen Zeitraum zunahm. 90 Schließlich war das Steuersystem nicht in der Lage, das Steueraufkommen zu erhöhen (vgl. Kapitel 3.3.7). Da es nicht gelang, einheimische Ersparnisse zu mobilisieren, war eine ausländische Verschuldung unausweichlich, um die hochgesteckten Investitionsziele zu verwirklichen. Im Zeitraum von 1970 bis 1989 stieg die ausländische Verschuldung von 1,7 Mrd. US$ (bzw. 22,5 %des BIP) auf 49 Mrd. US$ (bzw. 159% des BIP des jeweiligen Jahres einschließlich kurzfristiger Kredite). 91 Der Schuldendienst nahm von 29% (1970) des Wertes der Ausfuhren an Waren und Dienstleistungen auf 32% (1981) zu. Begünstigt durch die erhebliche Exportzunahme bei Erdöl betrug der Schuldendienst 1989 nur noch 20 %. 92
19 90
91 92
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Krämer (1986), S. 16 f. El-Shagi EI-Shagi (1984), S. 214 und ZB (1987a), S. 2 ff. Noblen (1983), S. 35 und Weltentwicklungsbericht 1991 Noblen (1983), S. 35 und Weltentwicklungsbericht 1991
56
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren
3.3.4. Zahlungsbilanz Nach dem Zweiten Weltkrieg wies die ägyptische Leistungsbilanz (Handels-, Dienstleisungs- und Übertragungsbilanz) zunächst ein steigendes Defizit auf. Das durchschnittliche Defizit stieg von 20 Mio. LE in den 50er Jahren auf 76 Mio. LE (3,5 % des BIP) zum Ende des ersten Fünfjahresplanes 1965.93) Aufgrund der Importrestriktionen und der fmanziellen Hilfe der arabischen Ölländer in der zweiten Hälfte der 60er Jahre betrug das Defizit (1968) 5,3 Mio. LE und (1970) 19 Mio. LE.94 Das Handelsbilanzdefizit fiel kontinuierlich von 1952 bis 1960 von 8 % des BIP auf 4 %. In den 60er Jahren vergrößerte es sich dann auf durchschnittlich 8-10 % des BIP. 95 Die Exporte wiesen in den 50er Jahren einen deutlichen Strukturwandel auf, wobei die Bedeutung von Textilien, Obst und Gemüse zu Lasten der Baumwolle zugenommen hat. Der Anteil der Baumwolle an den Gesamtexporten ging von 86 % (1950) auf 70 % (1960) bzw. 45 % (1970) stark zurück. 96 Von 1950 bis zum Ende der 60er Jahre stieg der Anteil der Textilien von 2 % auf etwa ein Fünftel der Gesamtexporte an, während der Anteil von Obst und Gemüse von 1 % auf 9 % zunahm. 97 Hinsichtlich der Struktur der Importe nahm der Anteil der Konsumgüter von 45 % (1950) auf 32 % (1970) ab, dagegen verdoppelte sich der Anteil der Kapitalgüter von 15 % auf 32 %. 98 Der Anteil der Zwischenprodukte ging gering von 40 % (1950) auf 36 % (1970) zurück. 99 Dieser Strukturwandel der Importe zugunsten der Kapitalgüter war Folge einer importsubstituierenden Industrialisierungsstrategie. Der Rückgang des Konsumgüteranteils ist auf die Beschränkung der Importe in der zweiten Hälfte der 60er Jahre zurückzuführen. Die regionale Verteilung der Importe und Exporte in den 50er und 60er Jahren wies eine erhebliche Unausgewogenheit auf (vgl. Abb. 3-1). Während der Anteil der ägyptischen Exporte in Ostblocldänder (einschließlich Sowjetunion und VR China) 1950 von 11 % auf 42 % (1960) bzw. 61 % Vgl. EI-Gritly (1977), S. 142 f. Vgl. Girgis (1977), S. 90 f. 95 Vgl. Mabro (1974), S. 167 und Hansen I Nashashibi (1975), S. 15-22 96 Vgl. Hansen I Nashashibi (1975), S. 15-22 97 Vgl. ebenda, S. 15 ff. 98 Der Anteil der Nahrungsmittel an den Gesamtimporten nahm von 23 % (1952) auf 21 % (1970) ab. Vgl. Hansen I Nashashibi (1975), S. 21 "'Vgl. Hansen I Nashashibi (1975), S. 21 f. 93
94
3.3. Gesamtwirtschaftliche EntwicklWlg
57
(1970) stark anstieg, betrugen 1970 die Importe aus den westeuropäischen Ländern und den USA etwa zwei Drittel der Gesamteinfuhren, was den großen Bedarf Ägyptens an Importen aus diesen Ländern zeigt. 100 Die Orientierung der ägyptischen Exporte hin zu den Ostblockländern und die Abhängigkeit bei Importen vom Westen hat dazu beigetragen, daß zum einen die Qualität der exportierten Güter im Rahmen der bilateralen Abkommen vernachlässigt wurde.' 0 ' Zum anderen verschärfte sich die Devisenknappheit, da die Ostblockländer ihre Importe nicht mit "harten" Devisen beglichen (vgl. Kapitel 3.2). Das entstandene Leistungsbilanzdefizit wurde bis zum Anfang der 60er Jahre vornehmlich durch den Abbau der großen Devisenreserven finanziert, die während des Zweiten Weltkriegs akkumuliert worden waren. Die Devisenreserven Ägyptens reduzierten sich von -gerechnet in Inlandswährung232 Mio. LE (1952) auf 16 Mio. LE Anfang der 60er Jahre.' 01 Als Folge stieg die ausländische Verschuldung, um das Defizit zu finanzieren. 103 Während der LP erhöhte sich das jährliche Leistungsbilanzdefizit von 462 Mio. US$ (1970) auf 2.383 Mio. US$ (1975). In der zweiten Hälfte der 70er Jahre ging es auf ca. 436 Mio. US$ jährlich zurück und stieg in den 80er Jahren wieder auf 1.691 Mio. US$ im Jahr 1989 an.' 04 Zwar wirkten in den 70er und 80er Jahren die Überweisungen der Gastarbeiter sowie die Einnahmen des Suez-Kanals und aus dem Tourismus auf eine Entschärfung des Leistungsbilanzdefizits hin. 105 Doch stieg das Handelsbilanzdefizit von 15 Mio. US$ (1970) auf 2.532 Mio. US$ (1975) bzw. 2.845 Mio. US$ (1988) an (vgl. Abb. 3-4 und Tab. 3-5).'06 Folglich
Vgl. ebenda, S. 22 Vgl. Ikram (1980), S. 256 102 Vgl. Mabro (1974), S. 167 103 Die ausländischen Kredite nahmen von ca. 2,2 Mio. LE (bzw. 0,23 % des BIP) (1955) auf ca. 11 Mio. LE (bzw. 0,86% des BIP) (1 960) zu. Sie stiegen dann auf 81 Mio. (bzw. 4 % des BIP) (1965) und ca. 162 Mio. LEim Jahr 1970 (bzw. 24 % des BIP) weiter an. Vgl. Nohlen (1983), S. 72, El-Gritly (1 977), S. 143, Girgis (1977), S. 90 f. Wld Mabro (1 974), S. 167 104 Vgl. UNITAO 1987 und Weltentwicklungsbericht 1991 105 Die Gastarbeiteroberweisungen aus den arabischen Ölländem stiegen von ca. 33 Mio. US$ (1970) auf ca. 2.845 Mio. US$ (1989) stark an, während die Einnahmen des Suezkanals von 0,7 % des BIP (1975) nach der Wiederöffnung auf 3% des BIP (1985) anstiegen. Die Tourismuseinnahmen nahmen gleichzeitig von 1,3 % des BIP (1970) auf 2,7 % (1985) zu. Vgl. Ikram (1980), S. 400, Waterbury (1983), S. 198, Handusa (1987), S. 3 und Weltbank 1989 106 Hier verursachte die starke Zunahme der Erdölexporte die MindefWlg des Handelsbilanzdefizits mit; die Erdöl-Einnahmen stiegen von 5 % der Exporte 1970 auf 45 % (1985) bzw. 39 % (1986) an. Vgl. UNITAO 1987 und Weltentwicklungsbericht 1991 100 101
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren
58
verschlechterte sich die Export-Import-Deckungsquote von 97 % (1970) auf ca. 34 % (1989).1()7
55
ln "vom BIP
50 46
Import-
40
Export-Lücke
35 30
...._
25
20
--,,.....
I
Import
"'--
15 10
--
I
I
1\
\
\
\
/1
\
-----//
Export
\ "- "-
5 0~----~----~----~----~------~----~----~----~
1960 Abb. 3-4: Quelle:
1966
1960
1965
1970
1975
1980
1985
1990
Die Entwicklung der Import- Export-Lücke von 1952 . 1989 1952- 1975: !kram (1980), S. 396 f.; 1980-1989: Weltentwocklungsberichte 1983, 1987, 1988 und 1991
Tab. 3-5: Die Entwicklung der Import-Export-Lücke, 1952-1989 (% vom BIP) Jahr
Importe
Exporte
1952 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1987 1989
28,7 25,7 20,5 19,8 18,7 39,5 52,0 37,0 25,0 23,5
26,9 24,5 19,2 15,3 14,0 19,5 34,0 14,0 12,0 8,1
Quelle:
Von 1952 bis 1975 vgl. !kram (1980), S. 396 f., für 1980-1989 vgl. Weltentwicklungsberichte von 1983, 1987, 1988, 1989 und 1991.
107 Die Export-Import-Deckungsquote betrug 1952 etwa 79 % gegenüber 84 % im Jahr 1960. Vgl. UNCTAD 1987 und Weltentwicklungsbericht 1991
59
3.3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
Auch trug das 1977 eingeführte "Own-Import-System" (OIS) zur Verschlechterung des Handelsbilanzsaldos bei. Die im Rahmen des OIS importierten Güter betrugen in den letzten Jahren etwa ein Viertel der Gesamtimporte (vgl. Tab. 3-6). Tab. 3-6: Importe gemäß des "Own-lmport" -Systems (OIS), I 978 - 1985/86 Gesamtimporte (in Mio. LE)
Jahr
1978 1979 1980/81 1981/82 1982/83 1983/84 1984/85 1985/86 Quelle:
3698 4673 6679 6569 6382 7349 7496 6845
OIS-Importe (in Mio. LE)
Verhältnis von OIS-lmporten zu Gesamtimporten (in %)
587 839 1251 876 1396 1899 1898 1825
16 18 19
13
22 26 25 27
Errechnet nach National Bank of Egypt (1986), Statistischer Anhang
Die Entwicklung der Export- und Importstruktur kann zum größten Teil den Trend der Handelsbilanz erklären. So stieg der Anteil der Nahrungsmittelimporte von 23 % (1970) auf 27 % (1989) an. Im gleichen Zeitraum stiegen die Importe von Zwischenprodukten auf mehr als die Hälfte der Gesamtimporte an, was auf die großen Industrialisierungsanstrengungen im Rahmen der LP zurückzuführen ist. 108 Im Hinblick auf die Exportstruktur zeigt Tab. 3-7, daß seit 1978 Erdöl das wichtigste Exportgut ist. Die Baumwollexporte, die 1975 noch ein Drittel der Exporterlöse beitrugen, lieferten 1988 nur noch 8% der Exporterlöse.' 09 In den 70er und 80er Jahren verlagerte sich das Schwergewicht der Exporte auf die westeuropäischen Länder und die USA; dies ging zu Lasten der Sowjetunion und der Ostblockländer. Die Importe aus westeuropäischen Ländern und den USA nahmen während der LP stark zu (vgl. Tab. 3-8).
100 109
Vgl. UNCfAD 1987 und Weltentwicklungsbericht 1991 Vgl. UNefAD 1990
3. Die wirtschaftliche EntwicklWig Ägyptens seit den 50er Jahren
60
Tab. 3-7: Entwicklung der Exportstruktur während der LP, 1975 - 1985 Jahr
Summe (Mio. LE)
548
1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985
595
668 680 1288 2132 2263 2148 2250 2198 2600
%
Brennstoffe, Mineralien und Metalle
Baumwolle
Andere Rohstoffe
Zwischenprodukte
Industrielle Produkte
9 25 24 28 42 64 64 66 62 57 68
36 26 27 19 21 14 14 13 14 15 II
8 12 12 10 6
16 13 13 22 16 10 10 8 8 9 7
29 7 23 21 15 7 7 7 9 II 9
5 5
6 7 6
5
National Bank of Egypt (1986), statistischer Anhang
Quelle:
Tab. 3-8: Regionale Verteilung der Exporte Wld Importe während der LP, 1974 - 1985 (in %) Jahr
Importe
Exporte
1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985
(I)
(2)
(3)
(I)
(2)
(3)
55
30 14 32 35 44 64 60 52 53 44 51 47
15 12 19
24 19 15 16 14 14 13 13 13 14 14 15
63 65 68 69 69 73 73 54 73 71 70 70
13 16 17 15 17 13 14 33 14 16 16 15
74 49 44 35 26 17 18 18 19 22 25
Bemerkungen: Quelle:
11
21 10 23 30 29 37 27 28
I= Sowjetunion und osteuropäische Länder 2= USA und Westeuropa 3= Entwicklungsländer National Bank of Egypt (1986), statistischer Anhang
Während der LP fielen die Tenns of Trade (gemessen als die relative Veränderungen der Ausfuhrpreise gegenüber denjenigen der Einfuhrpreise) von 110 (1974) auf 68 (1986) (1980 100)_ 110
=
110
Vgl. ebenda Wld Weltentwicklungsbericht 1988
3.3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
61
3.3.5. Beschäftigung Die Zahl der Arbeitskräfte nahm von 7 Mio. (1947) auf 7,7 Mio. (1960) bzw. 8,3 Mio. (1970) zu. 111 Während der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten an den Gesamtbeschäftigten von 1947 bis 1960 ungefahr 57 % betrug, sank dieser Anteil in den 60er Jahren auf 49 % (vgl. Tab. 3-9). Tab. 3-9: Sektorale Verteilung der ägyptischen AJbeitskräfte, 1952-1985 (%) Landwirtschaft
Jahr
58 57 51 49 47 37 34
1952 1960 1965 1970 1974 1980 1985 Bemerkungen: Quelle:
Industrie 9 10 16 II 15 19(1) 19(2)
Dienstleistungen 33 35 33 38 38 44 47
I, 2= einschließlich Erdöl-, Elektrizitäts- und Bausektor Ikram (1980), S. 134 f.; Mabro (1974), S. 206 f.; Hansen I Radwan (1982), S. 58 f.; CAMPS (1987); Welten
Die in der Landwirtschaft freigesetzten Arbeitskräfte wurden nur zu einem geringen Teil vom Industriesektor aufgenommen, der größte Teil fand im tertiären Sektor Beschäftigung. 11 2 Dies zeigt den strukturellen Wandel des Arbeitsmarktes bzw. das große und weiter zunehmende Gewicht des tertiären Sektors. Die Zuwachsrate der Arbeitsplätze verdeutlicht dieses Bild. In den 50er Jahren wurden 21 %der neuen Arbeitsplätze in der Landwirtschaft geschaffen, während der Anteil der Industrie 19 % und des tertiären Sektors 60 % ausmachte. In den 60er Jahren konnten immerhin noch 46 % der neuen Arbeitsplätze durch den tertiären Sektor geschaffen werden, während auf die Landwirtschaft 33 % und auf die Industrie 21 % entfielen. 113 Während der LP setzte sich die Ausweitung des tertiären Sektors fort (vgl. Tab. 3-9); von 1974 bis 1984 wies der tertiäre Sektor damit eine Zuwachsrate von etwa 9 Prozentpunkten auf. 114
111
Vgl. Mabro (1974), S. 207
Vgl. Abdel-Fadil (1980), S. 13 und Mabro (1974), S. 204-208 in den 60er Jahren betrug der Anteil des Dienstleistungssektors an den neu geschaffenen Arbeitsplätzen etwa 58 %. Vgl. Mabro (1974), S. 315 114 In der Periode 1974-84 wurden etwa 59 % der neuen Arbeitskräfte durch den Tertiärsektor absorbiert, während die Landwirtschaft und die Industrie zusanunen nur 40 % der neuen Arbeitskräfte aufnahmen. Vgl. !kram (1980), S. 134 und CAMPS 1987 112 113
62
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren
Für den Strukturwandel des Arbeitsmarkts in den SOer und 60er Jahren zugunsten des Dienstleistungssektors lassen sich folgende Gründe anführen: - Die Landwirtschaft -durch begrenzte Ressourcen, wenig leistungsfähige Institutionen, niedrige Produktivität und sehr arbeitsintensive Technologien in Familienbetrieben gekennzeichnet- konnte kaum zur Schaffung neuer Arbeitsplätze beitragen.lls - Die Industrie konnte trotz der zunehmenden Investitionen in den SOer und 60er Jahren das Beschäftigungsproblem nicht lösen, da sie sich im Rahmen der Importsubstitionspolitik auf kapitalintensive Verfahren mit modernen Technologien (Chemie, Metallindustrie usw.) konzentrierte. 116 - Der zunehmende Anteil industrieller Arbeitsplätze war keine Folge der gestiegenen Investitionen in den 60er Jahren, sondern wurde durch die Beschäftigungspolitik der Regierung in den verstaatlichten Unternehmen verursacht. 117 Mabro analysiert das Beschäftigungsproblem Ägyptens wie folgt: "... Egypt departed from the pattern of development described by Clark and Fisher and hence from the historical experience of advanced countries on which their modes are based. The country is moving from a stage where agriculture was dominant to the third stage, where the share of tertiary activities is becoming very large: the lang intermediary phase during which the growth of industry precedes that of services seems to have been bypassed. lt also departed from a Lewis Pattern, where labour is reallocated from agriculture to industry and rural unemployment gradually resorbed." "... The reallocation instead has taken place in favour of services, a mixed sector comprises many activities whose economic significance is suspect". 118 Die Fortsetzung der Ausbildung nach der Hauptschule wurde von den einzelnen Familien als lukrative Investitition betrachtet, da die Löhne im öffentlichen Dienst und in staatlichen Unternehmen ausbildungsabhängig waren, und das Erziehungswesen auf allen Stufen seit Anfang der 60er Jahre kostenfrei geworden war. 119 Als Folge wuchs die Zahl der Studenten und Schüler; von 1961 an werden für die Absolventen Arbeitsplätze durch die
Vgl. Mabro (1974), S. 208 Vgl. EI-Gritly (1977), S. 100 f. und Waterbury (1983), S. 193 f. 117 Vgl. Abdel-Fadil (1980), S. 61 "' Vgl. Mabro (1 974), S. 209 119 Die Anzahl der Ausbildungsjahre ist positiv korreliert mit dem Lohnniveau. Vgl. Möller (1980), S. 59 11'
116
3.3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
63
Regierung garantiert. Die Zahl der Absolventen von höheren Schulen und Hochschulen nahm von 1,8 Mio. (1952/ 53) auf 5,3 Mio. (1970) zu. Möller ging in diesem Zusammenhang davon aus, daß sich das Bildungsund Beschäftigungssystem weniger an wirtschaftlichen Kriterien als am Ziel einer "sozialen Ruhestellung" orientierte.'20 Dies führte zur Überbeschäftigung im öffentlichen Sektor 121 , die sich zusammen mit der von der Regierung betriebenen Preispolitik negativ auf die gesamtwirtschaftliche Produktivität auswirkte. 122 In den 70er und 80er Jahren nahm die Zahl der Beschäftigten weiter zu. Sie stieg von 8,3 Mio. (1970) auf 11 Mio. (1976) und erreichte Ende 1986 13,7 Mio. (27 % der Bevölkerung); d.h. in der Periode 1970-86 nahm die Beschäftigung jährlich um 4 % zu. 123 Aufgrund der Beschäftigungspolitik ging die Arbeitslosigkeit in den 50er und 60er Jahren ständig zurück. Sie fiel von 5 % (1947) auf 4,8 % (1960) bzw. 1,4 % (1972). Trotz der Emigration zahlreicher ägyptischer Arbeitskräfte in die arabischen Ölländer stieg die Zahl der Arbeitslosen dagegen in den 70er und 80er Jahren wieder stark an [15 % (1986) gegenüber 9 % im Jahr 1976J_I2A Die offiziellen statistischen Arbeitslosenzahlen sind jedoch kaum aussagekräftig, und die Arbeitslosenquote als Relation zwischen der Zahl der Beschäftigten und den Erwerbspersonen bzw. Erwerbswilligen entspricht kaum der realen Situation auf dem Arbeitsmarkt. 125 Deshalb ist es sinnvoller, das Ausmaß der Arbeitslosigkeit über andere Indikatoren zu untersuchen; dazu
Vgl. ebenda, S. 59 f. Es wurde geschätzt, daß die Beschäftigung im öffentlichen Sektor etwa 20-30 % über den tatsächlichen Erfordernissen für die zu leistende Arbeit lag. Vgl. Waterbury (1983), S. 112 122 Vgl. Mabro (1974), S. 138 123 Vgl. CAMPS 1987 124 Nach einer Schätzung Choucris (1986) beträgt der Anteil der ausgewanderten Arbeitskräfte etwa 8-9 % der Bevölkerung bzw. ein Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung Ägyptens. Krämer schätzt diesen Wert für 1983 auf 18 %. Vgl. Choucri (1986), S. 255, Krämer (1986), S. 22 und Richards (1984), S. 328 120 121
m Die ägyptische Wirtschaft wies ein emebliches Maß an versteckter Arbeitslosigkeit auf. Dies ist auf die Einstellungspolitik der Regierung in den staatlichen Unternehmen zurückzuführen. Es wurden Schul- und Universitätsabsolventen aufgenommen, unabhängig von ihren Qualifikationen und Fachrichtungen. Darüber hinaus kann sich die Arbeitslosenquote emöhen, wenn eine starke Rückwanderung der in den arabischen Ölländern tätigen Arbeitskräfte, aufgrund politischer oder wirtschaftlicher Gründe (wie etwa der Golf-Krieg 1991), einsetzt. Vgl. Möller (1980), S. 59-62 und El-Shagi El-Shagi (1984), S. 201 ff. 6 Attia
64
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren
zählen die Unterbeschäftigung, die sich in niedriger Arbeitsproduktivität niederschlägt, oder die Beschäftigungsquote von Frauen am Arbeitsmarkt.' 26
3.3.6. Staatsbaushalt Der Staatshaushalt Ägyptens wies seit der Unabhängigkeit ein steigendes Defizit auf; es stieg von 16 % des BIP (1962/63) auf 17 % (1965/66) an. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre verringerte sich das Defizit, aufgrund gekünter öffentlicher Ausgaben, auf 8 % des BIP.'Z7 Das Defizit war in diesem Zeitraum auf zwei Faktoren zurückzuführen: Zum einen konnte die ägyptische Wirtschaft als "Kriegswirtschaft" gekennzeichnet werden, zum anderen wurde versucht, durch zunehmende Subventionen, soziale Gerechtigkeit und eine gleichmäßigere Einkommensverteilung zu realisieren.' 28 Der größte Teil der öffentlichen Einnahmen wurde in den 50er und 60er Jahren durch indirekte Steuern aufgebracht. 1960 betrug der Anteil der indirekten S teueren am B IP 11 % ; er stieg bis 1970 auf 15 % an. Dagegen sank der Anteil der Einnahmen aus der Einkommenssteuer von 5 %auf 2,5% im gleichen Zeitraum. 129 Bezogen auf die laufenden Einnahmen nahm die Bedeutung der Einkommenssteuer von 17 % 1952 auf 19 % (1960) bzw. 24,5% (1970) zu; der Anteil der Verbrauchssteuer stieg von 70 % (1952) auf 70,5 % (1970) nur gering. Darüber hinaus nahm der Anteil der Vermögensund Kapitaltransfersteuer von 13 % der laufenden Einnahmen 1952 auf 5 % (1970) stark ab. 130 Das Haushaltsdefizit wurde in den 50er und 60er Jahren zum größten Teil durch Geldschöpfung finanziert. Dadurch wurde es möglich, daß etwa 90 % des Defizits 1962/63 bzw. 81 % (1965/66) und 100 % (1970) durch einheimische Verschuldung finanziert wurden, mit der Konsquenz einer steigender Inflationsrate. 131
126 Die Frauenerwerbsquote betrug 1986 11 %, während der Frauenanteil an der Gesamtbevölkerung 49 % ausmachte. Hätte sich die Zahl der erwerbswilligen Frauen, die eine Beschäftigung aufnehmer. möchten, erhöht, könnte eine Steigerung der Arbeitslosenquote kaum vermieden werden. Vgl. CAMPS 1987 und EL-Shagi EI-Shagi (1984), S. 201 f.
121 121
129 130
Vgl. !kram (1980), S. 315 Vgl. ebenda, S. 315 Errechnet nach Abdei-Fadi1 (1980), S. 72 und Mabro (1974), S. 167 Vgl. Abdel-Fadil (1980), S. 72
"' Eigene Rechnung nach !kram (1980), S. 408
3.3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
65
Das öffentliche Haushaltsdefizit fiel 1974 im Rahmen der LP von 19 % des BIP auf 16 % (1980) bzw. 12 % (1987/88). 132 Während umfangreiche Militärausgaben die Hauptursache für das Haushaltsdefizit in den 60er Jahren waren, spielten während der LP die Subventionen für Nahrungsmittel die Hauptrolle. So sanken 1970 die Militärausgaben anteilsmäßig von 33% der Staatsausgaben auf 24 % im Jahr 1975 bzw. 18 % (1986), während die Nahrungsmittelsubventionen von 2 % (1970) auf 25 % (1975) bzw. 27 % (1980) zunahmen. 133 Infolge des Drucks von IMF und Weltbank wurde 1986 diese Quote auf 12 % reduziert} 34 Während der LP wurde das Defizit durch zunehmende Kredite des Bankensystems finanziert. Das durch die einheimische Verschuldung finanzierte Haushaltsdefizit wurde auf 85 % (1974 bzw. 75 % (1981) und 61 % (1987/1988) geschätzt. 135 Obwohl das BIP im Rahmen der LP stark stieg, leisteten die indirekten Steuern (Verbrauchs- und Außenhandelssteuem) den größten Beitrag zum Steueraufkommen. Der Anteil der Außenhandelssteuern stieg von 22 % der gesamten laufenden Einnahmen 1974 auf etwa ein Drittel im Jahr 1987 an. 136 Diese Entwicklung entspricht der erheblichen Zunahme der Importe; sie vervierfachten sich z.B. von 1973 bis 1984. 137 Der Anteil der Verbrauchssteuern stieg leicht von 19 % (1974) auf 21 % (1986/87) an. 118 , für die Einkommens- und Körperschaftssteuer nahm der Anteil von 25 % der laufenden Einnahmen 1974 auf 39 % (1986/87) zu. Obwohl sich die gesamten Steuereinnahmen während der LP von 1974 bis 1984 von 1,6 Mrd. LE auf 11 Mrd. LE versiebenfachten, war die Steuerverwaltung nicht in der Lage, alle Steuerschulden einzutreiben. 139
"z Vgl. lkram (1980), S. 408 sowie Weltentwicklungsberichte 1978 und 1988 m Die Subventionen wurden von der Regierung als Mittel zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit betrachtet. Nach den Januar-Unruhen von 1977 galten sie als Mittel, um die politische Ruhe im Land aufrechtzuerhalten. 134 Die direkten Subventionen beliefen sich 1984/85 auf etwa 2 Mrd. US$ , während die indirekten Subventionen als Differenz zwischen dem Inlands- und dem Weltmarktpreis hauptsächlich durch die Überbewertung des ägyptischen Pfundes entstanden - mit etwa 7-8 Mrd. US$ für 1985/1986 zu beziffern sind. Vgl. Krämer (1986), S. 29, Springborg (1989), S. 260, ZB (1985a), S. 13 ff. und ders. (1985c), S. 9 sowie Grant (1985), S. 16 "' Vgl. ZB (1987a), S. 18-26 und Grant (1985), S. 32 136 Vgl. lkram (1980), S. 410 f. und ZB (1987a), S. 22 137 Vgl. Wilson (1986), S. 486 131 Vgl. !kram (1980), S. 410 f. und ZB (1987a), S. 19-26 139 Vgl. El-Bahwaschi (1986), S. 44
66
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren
3.3.7. Inflation In der Periode 1952-56 herrschte in Ägypten weitgehend Geldwertstabilität Nach dem Suezkrieg 1956 machte sich infolge der expandierenden Staatsausgaben ein Inflationsdruck bemerkbar. 140 Ab Mitte der 50er Jahre griff die Regierung auf die Kredite des Bankensystems zurück, um das Defizit des Staatshaushalts auszugleichen. Folglich nahmen die Verbindlichkeiten der Regierung gegenüber dem einheimischen Bankensystem stark zu. Sie stiegen von 66 Mio. LE (1954) auf 975 Mio. LE (1970). 141 Gleichzeitig wuchsen die Verbindlichkeiten des Nichtregierungssektors gegenüber dem Bankensystem in der Zeitspanne 19541970 um 70 %. Trotz dieser Entwicklung entstand in den 50er und 60er Jahren keine spürbare Inflation; der Preisindex stieg um 0,5 % jährlich an. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß aufgrund der staatlichen Preispolitik die Inflation in den 60er Jahren unterschätzt wurde. 142 Im Rahmen der LP wuchs die Geldmenge mit einer jährlich steigenden Zuwachsrate von 5 % (1970), 25 % (1974) bzw. 30 % (1981). 143 In der Periode 1980-86 betrug die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate der Geldmenge 23,2 %. 144 Nach Angaben der Zentralbank Ägyptens betrug die Inflationsrate 1987 25%, während nach einer anderen Schätzung die Inflationsrate von 1987 bei 30 % lag. 145 Unter dem Druck des IMF begann die Regierung, Subventionen abzubauen, so daß die Inflationsrate zunahm. Die Geldschöpfung war Hauptursache der hohen Inflation in Ägypten. Jedoch müssen zusätzlich externe Faktoren, wie die Transferleistungen der im Ausland tätigen ägyptischen Arbeitskräfte in den 70er und 80er Jahren und
Vgl. El-Gritly (1977), S. 132 Vgl. ebenda, S. 132 und Grant (1985), S. 24 142 Nach dem Juni-Krieg von 1967 wurde eine deflationäre Politik verfolgt, die den Inflationsdruck minderte. Die Zahlungsmittel (Geldmenge außerhalb der ZB und der Geschäftsbanken sowie private vorläufige Einlagen in einheimischer Währung) stiegen von 670 Mio. LE Mitte 1967 auf 774 Mio. LE 1971 moderat an. Vgl. El-Gritly (1977), S. 133-137 und EI-Shagi El-Shagi (1984), S. 197 143 Vgl. Bruton (1983), S. 704 144 Vgl. ZB (1987a), S. 8 ff., !kram (1980), S. 31, Raschen (1986), S. 397 und Weltentwicklungsbericht 1988 14' Vgl. ZB (1987a), S. 2 und Euchner (1987), S. 49 140
141
3.3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
67
der erhebliche Zufluß ausländischen Kapitals im Rahmen der LP, berücksichtigt werden. 146 Ein weiterer Faktor, der den Inflationsdruck in Ägypten verschärfte, war die erhebliche Ausdehnung der von den Banken vergebenen Kredite, die von 583 Mio. LE (1970) auf 22,5 Mrd. LE (1985) stark zunahmen. 147
3.3.8. Einkommensverteilung Eine Analyse der Einkommensverteilung ist sehr schwierig. Wir verwenden deshalb im folgenden, aufgrund der Datenlage, zwei Methoden: 1. Vor der LP (die Periode 1952-1974):
- Gini-Koeffizient (GK) - Armutsgrenzen-Analyse 2. Während der LP: Da es keine detaillierten Daten über die Einkommensverteilung nach 1975 gibt, werden im Rahmen der Armutsgrenzen-Analyse die Verteilungswirkungen der folgenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen untersucht: 148 1. 2. 3. 4. 5.
Bildungspolitik Gesundheitspolitik Wohnungsbaupolitik Agrarpolitik Subventionspolitik
Daneben werden u.a. die Verteilungseffekte der Gastarbeiterüberweisungen dargestellt.
146 Raschen ( 1986) vertrat der Meinung, daß die Gastarbeiterüberweisungen nicht entscheidend für die einheimische Inflation waren. Ein Teil der Transferleistungen nahm nämlich die Fonn von Warenimporten an; sie dehnten das Güterangebot aus und schwächten dadurch die Inflation ab. Vgl. Raschen (1986), S. 399 147 Vgl. ebenda, S. 400 ,., "Würde Annut als Unterprivilegierung verstanden, so müßten jene als ann gelten, die in einem oder mehreren Lebensbereichen wie Wohnen, Gesundheit, Bildung, Freizeit und Erholung etc. hinter den erreichten gesellschaftlichen Standards zurückstehen." Vgl. Vaskovics (1986), S. 342
68
3. Die wirtschaftliche EntwicklWJg Ägyptens seit den 50er Jahren
3.3.8.1. Einkommensverteilung vor der LP
3.3.8.1.1. GK-Ergebnisse
Aus den in Tab. 3-10 dargestellten Konsumausgaben lassen sich folgende Schlüsse ziehen: - Die Verteilung der Konsumausgaben der Haushalte wurde im Untersuchungszeitraum gleichmäßiger. So verringerte sich 1958/59-1974n5 die Ungleichverteilung -gemessen als Gini-Koeffizient- von 0,42 auf 0,38. In der Periode 1959-1965 wiesen ländliche Gebiete geringere Ungleichgewichte auf als städtische Gebiete. In der Periode 1959-1965 wurde in den ländlichen Gebieten eine Einkommensnivellierung als in den städtischen Gebieten beobachtet. In der Periode 1965-1975 verringerte sich die Ungleichheit in den städtischen Gebieten, während sie sich in den ländlichen Gebieten vergrößerte. Tab. 3-10: Gini-Koeffizienten der Konswnausgaben der Haushalte (1958-1975) ländliche Gebiete
Jahr
1958/59 1964/65 1974n5 Quelle:
0,37 0,35 0,39
städtische Gebiete
Landesweit
0,40 0,40 0,37
0,42 0,40 0,38
Hansen und Radwan (1982a), S. 543
Während verringerte Unterschiede der Kosumausgaben in den 50er Jahren und in der Periode 1960-65 vor allem auf die Landreformen 1952 und 1962 sowie auf die Sanierung des Pachtsystems zurückgeführt werden können, waren mangelnde Investitionen in der Landwirtschaft der Hauptgrund für die ungleichere Einkommensverteilung der Periode 1965-75. 149 Neben der Zunahme der Subventionen 150 erklären zwei Gründe die Einkommensnivellierung in den städtischen Gebieten während der Periode 1965-75: Erstens nahmen die Investitionen in der Industrie während dieser Periode ständig zu. Da sich die meisten Industriezweige in den städtischen Gebieten ansiedelten, hatten zunehmende Teile der Bevölkerung Beschäftigung gefunden; infolgedessen wurde eine gleichmäßigere Einkommensverteilung
149 150
Vgl. Hansen I Radwan (1982), S. 19 und El-lssawi (1982), S. 122-129 Vgl. Waterbury (1983), S. 214
3.3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
69
realisiert. 151 Zweitens führten die sogenannten "sozialistischen Gesetze von 1961" zur hohen Einstellung von Arbeitskräften und damit zu einer Begünstigung der unteren Einkommensschichten. 152
3.3.8.1.2. Die Armutsgrenzen-Analyse
Tab. 3-11 bestätigt die obigen Ergebnisse hinsichtlich der Einkommensverteilung in den Zeitabschnitten 1958/1959-1964/1965. In der Periode 1965-75 ergab sich nach Ibrahim, im Gegensatz zu GKAnalyse, eine zunehmende Ungleichverteilung der Einkommen in den städtischen Gebieten. Gründe dafür sind die wirtschaftliche Stagnation in der zweiten Hälfte der 60er Jahre und der Rückzug des ägyptischen Sozialismus, im Sinne einer zunehmenden Bedeutung des Privatsektors und abnehmender Staatsinterventionen im sozialen Bereich, während der LP. 153 Tab 3-11: Schätzung der ländlichen und städtischen Armut in Ägypten (1958-1975) 1958/59
1964/65
1974n5
Armutsgrenze
Land Stadt
93,0 121,0
125,0 163,0
270,0 351,0
Familien unterhalb der Armutsgrenze
Land
35,0
26,8
44,0
Stadt
30,0
27,8
34,5
(in LE)
(%)
Quelle:
Ibrahim, S.E. (1982a), S. 384
3.3.8.2. Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Maßnahmen während der LP
3.3.8.2.1. Bildungspolitik
Obwohl das Bildungssystem (gemessen an der Zahl der Schüler und Studenten/Einwohner, der Pro-Kopf Erziehungsausgaben u.ä.) im Zuge der LP
'" Vgl. EI-Issawi (1982), S. 122 f. " 1 Vgl. Kapitel 3.3.2 " 3 v gl. lbrahim, S.E. (1982a), S. 382-385
70
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren
weiter expandierte, konnten breite Bevölkerungsschichten keine hinreichende Ausbildung erhalten. Qualiftzierte Berufe blieben Absolventen privater Schulen vorbehalten. Die Absolventen der staatlichen Schulen wurden benachteiligt. 154 Die Zahl der an Privatschulen eingeschriebenen Schüler in der Primarstufe stieg von 277 Tsd. (1965/66) auf 302 Tsd. im Jahr 1977 (das sind 5 % der Gesamtzahl der Schiller in der Primarstufe}, während die Zahl in der Sekundarstufe von 55 Tsd. auf 91 Tsd. (23 % der Gesamtzahl} in derselben Periode zunahm. 155 Die Erziehungsbedingungen verschlechterten sich in den staatlichen Schulen. Das zeigt sich an der Überbesetzung der Klassen und an der mangelnden Unterrichtsqualität, die u.a. als Folge der Auswanderung hochqualifizierter Lehrer und der Beschäftigungspolitik der Regierung in den 70er und 80er Jahren weiter abnahm} 56 Dadurch nahm das Privatschulwesen wiederum an Bedeutung zu. 157 Eine Zementierung der sozialen Schichtung zeigte sich darin, daß Kinder wohlhabender Schichten in Privatschulen ausgebildet wurden und dann auch universitäre Studienplätze in Medizin, Ingenieurwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft u.ä. erhielten. 158 Da die Absolventen dieser Fakultäten bedeutend höhere Einkommen erzielten und die Kinder der Niedrigeinkommensbezieher von diesen Fakultäten wegen der hohen indirekten Gebühren (Bücher, Labormaterial, usw.) praktisch ausgeschlossen wurden, konnte diese Entwicklung zu einer stärkeren Ungleichverteilung der Einkommen führen. 159
3.3 .8.2.2. Gesundheitspolitik
Durch die Förderung des Privatsektors im Rahmen der LP nahm die Zahl der privaten Krankenhäuser in verschiedenen Städten zu. Allein in Kairo
tS4
Vgl. Abdei-Fadil (1982), S. 357
"' Es ist argwnentiert worden, daß die Ausdehnung der Privatschulen in Richtung einer Nivellierung der Einkommensverteilung gewirkt habe: Durch den Privatisierungsprozess wurden nämlich Plätze in den staatlichen Schulen für die schwachen Einkommensschichten frei. Jedoch ist dieser positive Effekt kawn wirksam geworden, da zunehmende Diskrepanzen zwischen der Ausbildungsqualität der privaten und der staatlichen Schulen entstanden. Die Folge war ein "eheaper and inferior educational product" in den staatlichen Schulen und "best services" in den privaten Schulen. Vgl. Abdel-Fadil (1982), S. 356 1'" Die durchschnittliche Schülerzahl pro Klasse nahm von 41 ,5 (1973n4) auf 44 (1985/86) in der Primarstufe, von 36 auf 40,5 in den "preparatory" Schulen und von 34 auf 40 in der Sekundarstufe zu. Vgl. Abde1-Fadil (1982), S. 343 und CAMPS (1987) 1" Vgl. Tuma (1988), S. ll90 ff.
"' Vgl. Pawelka (1985), S. 419 tS9 Vgl. Ibrahim, S.E. (1982), S. 339-409
3.3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
71
wurden bis 1984 etwa 16 private Krankenhäuser mit einem Eigenkapital von 42 Mio. LE und Investitionskosten von 98 Mio. LE gegründet; diese entsprachen 1984 etwa 20 % der öffentlichen Ausgaben für Gesundheitswesen, soziale und religiöse Dienste. 160 Der Standard der medizinischen Behandlung im privaten Sektor ist, verglichen mit staatlichen Krankenhäusem, sehr hoch. Niedrige und mittlere Einkommensschichten können die Kosten nicht tragen. Die zunehmende Privatisierung des Gesundheitswesens ist deshalb nur dann annetunbar, wenn sie mit einer Verbesserung der Lage in den staatlichen Krankenhäusern verbunden ist. Das ist in Ägypten jedoch kaum der Fall.
3.3.8.2.3. Wohnungsbaupolitik Durch die LP, die rapide Bevölkerungszunahme und die ausgeprägte Urbanisierung verschärften sich die Wohnungsprobleme. Obwohl zunetunend staatliche Investitionen im Bausektor eingesetzt wurden, die anteilmäßig von 6 % der Gesamtinvestitionen des Landes (1979) auf 12% (1984) anstiegen 161 , war dies nicht mit einer Verbesserung der Wohnungssituation der unteren Einkommensschichten verbunden. Die Grunde liegen darin, daß zum einen mehr Luxuswohnungen errichtet wurden. Die Zahl der jährlich neu erstellten Sozialwohnungen nahm um 7 % (1981-1986) ab, während die der Luxuswohnungen im gleichen Zeitraum mit 105,5 % wuchs. 162} Zum anderen wurde, im Gegensatz zur Nasser-Ära, während der LP die Mietkontrolle durch zwei Wege umgangen. So "erhoben die Vermieter ein illegales Schlüsselgeld, dessen Höhe inflationär anstieg". 163 Außerdem wurden die möblierten Wohnungen und die Eigentumswohnungen in großem Umfang vermehrt, womit die Vermieter bzw. Bauherren sich den bestehenden Mietkontrollgesetzen entziehen konnten. 164 Darüber hinaus trugen die folgenden Phänomene zu einer ungleichen Einkommensverteilung bei:
1"' 161
Vgl. GAFI (1985b) und ZB (1985c), S. 13 f. Vgl. Nohlen (1983), S. 47 und CAMPS 1987
Vgl. CAMPS 1987 Vgl. Pawelka (1985), S. 436 164 Während die armen und sehr reichen Bevölkerungskreise von der Mietkontrolle profitierten, diente die Vermietung der möblierten Wohnungen und der Bau von Eigentumswohnungen sowie das Schlüsselgeld eher den gemäßigt wohlhabenden Schichten. Vgl. Mohie El-Din (1982a), S. 64 f. und Möller (1980), S. 73 162 163
72
3. Die wirtschaftliche EntwicklWlg Ägyptens seit den 50er Jahren
- Der Anteil der einheimischen Zementproduktion nahm im Zuge der LP erheblich ab, was die Baukosten deutlich erhöhte. 16s Wegen der geringen staatlichen Förderungen des Wohnungssektors stieg folglich die Nachfrage-Angebots-Lücke im Wohnungsbereich stark an. 166 - Während der 70er und 80er Jahre ließ sich eine wachsende Anzahl von Menschen unter unmenschlichen Bedingungen auf Friedhöfen nieder; auf den Friedhöfen von Kairo wohnen heute etwa eine Mio. Menschen. Dartiber hinaus leben etwa 500 Tsd. Einwohner auf Dächern; dabei stehen ihnen 0,4-0,7 m2 pro Person zur Verfügung. 167 - Die Konzentration der neuen Wohnungen auf den zuvor landwirtschaftlich genutzten Gebieten hat zu erheblichen Preissteigerungen im Immobilienbereich geführt. So haben sich die Kosten je Wohnungseinheit von Mitte der 60er Jahre bis Anfang der 80er Jahre verdreifacht.168 -
Während in den 60er Jahren der öffentliche Sektor den größten Teil der Wohnungen errichtet hatte, wurde ab Mitte der 70er Jahre etwa 6070 % der Wohnungen privat gebaut. Der Grund liegt vor allem darin, daß die Investitionen im Bausektor (Schlüsselgeld, möbilierte Wohnung und Eigentumsbau) lukrativer geworden waren. 169
3.3.8.2.4. Agrarpolitik Das System der "Obligatorischen Abgabe der Agrarernte" (OADESystem), das in den SOer Jahren eingeführt wurden war und für viele Agrarprodukte galt, war zur Besteuerung der Bauern konzipiert worden. 170 Es beschränkte sich während der LP auf die Produkte Baumwolle, Reis und Rohrzucker. 171 Durch das OADE-System entstand eine zunehmende Einkommenslücke zwischen Betrieben mit traditionellen Produkten, wie z.B.
1"' Auch die Emigration der ägyptischen Arbeitskräfte in die arabischen Öl-Staaten in den 70er und 80er Jahren trug zur Lohnsteigerung der Bauarbeiter in Ägypten bei. 166 Anfang der 80er Jahre wurde der Bedatf auf 3,6 Mio. Wohnungen geschätzt. Der Wohnungsbau blieb mit etwa 150 Tsd. Wohnungen im jährlichen Durchschnitt der Periode 198086 weit hinter dem Bedatf zurück. Vgl. Pawelka (1985), S. 437, CAMPS 1987 und ZeitWl (1982), 417 167 Vgl. Pawelka (1985), S. 210 f. 168 Vgl. Möller (1980), S. 70 169 Vgl. ebenda, S. 73 und Pawelka (1985), S. 435 "" Vgl. Koreiym (1982), S. 169 171 Vor der LP umfaßte das OADE-System folgende Produkte: Weizen, Mais, Baumwolle, Reis, Zwiebeln, Linsen, Rohrzucker, Bohnen (Broad Beans) Wld Erdnüsse. Vgl. lbrahim, A. (1982), S. 203 f.
3.3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
73
Baumwolle und Reis, und jenen, die Obst und Gemüse anbauten. Das gilt auch innerhalb der ersten Gruppe, die die obige traditionelle Ernte anbauen; die Einkommensunterschiede zwischen den Landwirten variieren entsprechend der Höhe der Abgabequote (Pflichtverkauf an Staat) ihrer Ernte. Während die Ablieferung bei Baumwolle 100 % liegt, beträgt sie beim Weizen 21-43 % der Ernte. Darüber hinaus veränderte das Fruchtfolgesystem die Einkommensverteilung zugunsten der Großgrundbesitzer. Nur die Großgrundbesitzer konnten nämlich wegen ihrer größeren Anbaufläche ihren "Crop mix" zugunsten von Obst und Gemüse ändern. Sie konnten die Fruchtfolgen einhalten, wobei sie einen Teil ihrer Anbaufläche für die von der Regierung vorgeschriebenen Produkte verwendten und gleichzeitig durch Anbau von Obst, Gemüse und anderen Produkten höhere Ernteerträge erzielten. 172 Außerdem sind manche Produkte wie Obst und Gemüse nicht nur mit höheren Erlösen, sondern auch mit höheren Aufwendungen für Betriebsmittel verbunden. Nur vermögende Betriebe in den ländlichen Gebieten können die erforderlichen Finanzmittel aufbringen und so von den besseren Erlösmöglichkeiten profitieren. 173 Die zunehmende Anbaufläche von Obst und Gemüse während der LP hat deshalb tendenziell zu einer Einkommenskonzentration in den ländlichen Gebieten beigetragen. Ferner bevorzugten die Agrargenossenschaften bzw. Agrarbanken bei ihrer Kreditvergabe die Großgrundbesitzer, die die erforderlichen Sicherheiten bieten konnten; die Kreditvergabe war oft abhängig von einer Mindestanbaufläche. 174 Die an die Landwirte vergebenen Kredite stiegen von 80 Mio. LE (1974) über 127 Mio. LE (1980) auf 1,4 Mrd. LE (1986) stark an. 175 Es ist anzunehmen, daß auch diese Kreditpolitik zu einer ungleicheren Einkommensverteilung beitrug bzw. beiträgt.
3.3 .8.2.5. Subventionspolitik
Ausgeprägte Verteilungseffekte hatte während der LP ferner die Subventionierung der Nahrungsmittel. Abgesehen von negativen Effekten der
tn Es wurde geschätzt, daß die Erlöse je Fed. bei Obst und Gemüse, die im freien Markt verkauft werden und nicht dem OADE-System unterliegen, dreimal so hoch wie bei traditionellen landwirtschaftlichen Produkten sind. Vgl. Zeitun (1982a), S. 292 173 Vgl. ebenda, S. 292 174 Das Landeigentum (als Sicherlleit bei Kreditvergaben) korrelliert positiv mit der Kreditaufnahme. Vgl. Ibrahim, A. (1982), S. 216 und Zeitun (1982a), S.288 ' 7' Vgl. ZB (1981), ders. (1987a) und Ibrahim, A. (1982), S. 213 ff.
74
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren
Subventionen auf die Ressourcenallokation, wirkten sie, insbesondere in den städtischen Gebieten, in Richtung einer nivellierteren Einkommensverteilung; sie schmälerten die regressiven Wirkungen der indirekten Steuem. 176 Da der größte Teil der subventionierten Nahrungsmittel in den städtischen Gebieten verteilt wurde, trugen die Subventionen zur Vergrößerung der Einkommenslücke zwischen ländlichen und städtischen Gebieten bei.177
3.3 .8.2.6. Gastarbeiterüberweisungen
In der Periode 1977-81 gab es Hinweise darauf, daß die zunehmenden Gastarbeiterüberweisungen in Richtung einer gleichmäßigeren Einkommensverteilung wirksam würden. 178 Zum einen gehörte der größte Teil der Gastarbeiter zu den Niedrigeinkommensschichten, die hauptsächlich Lohnbezieher sind. Außerdem wurden die im Ausland verdienten Löhne nicht in Ägypten besteuert; deswegen war das transferierte Lohneinkommen höher als die offiziell mitgeteilte Lohnsumme der im Ausland täti_gen Arbeitnehmer. 179 Zum zweiten führte die Auswanderung in die arabischen Olländer zur Erhöhung der realen Löhne in den ländlichen und städtischen Gebieten, insbesondere in der zweiten Hälfte der 70er Jahre. 180
3.3.8.2.7. Andere Indikatoren
Aufgrund der lückenhaften Daten zur Einkommensverteilung ist auf konventionelle Statistiken zur Einkommensverteilung bzw. -konzentration nicht unbedingt Verlaß. Trotzdem sollen eine Reihe von Schätzungen bzw. Hilfsindikatoren präsentiert werden: - Nach einer Schätzung der "AI-Ahram Iktisadi" 181 erhielt Anfang der 70er Jahre die obere Einkommensklasse (5 % der Bevölkerung) 17 %
Vgl. El-Issawi (1982). S. 103 m Dabei ist darauf hinzuweisen, daß die Steigerungen der Verbraucherpreise in der Periode 1970-83 in den ländlichen Gebieten höher als in den städtischen Gebieten ausfielen. Vgl. ElShagi El-Shagi (1984), S. 199 und El-Issawi (1982), S. 103 171 Vgl. Krämer (1986), S. 23 179 Vgl. Amin. G. (1987), S. 101 1"" Vgl. ebenda, S. 101. Negative Auswirkung auf die Einkommensverteilung können jedoch im Falle einer forcierten Rückwanderung, wie etwa vor und während des Golf-Krieges, auftreten. Vgl. Kapitel 5.2 181 Ägyptische Wochenzeitschrift 176
3.3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
75
des Volkseinkommens Ende der 70er Jahre bereits 22%. Gleichzeitig verringerte sich der Anteil der Ärmsten (20 % der Bevölkerung) am Volkseinkommen von 7 % auf 5 %} 82 - Außerdem gibt es Hinweise auf eine Verschiebung der Einkommensverteilung durch die Entstehung einer "neuen Klasse", die durch Export-Import-Geschäfte, Immobilienspekulationen oder Korruption zu Einkommen und Vermögen gekommen war. - In der Periode 1971/72-1983 war die Zuwachsrate der Löhne geringer als die Zuwachsrate der Arbeitsproduktivität. Während die Zuwachsrate der Löhne 0,6 % (1973) bzw. 4,4 % (1983) betrug, war die Zunahme der Arbeitsproduktivität in den gleichen Verteilungsjahren 4,4 % bzw. 5,1 %. Zusätzlich hatte die zunehmende Inflation zu einer verschärften Ungleichheit der Einkommensverteilung während der LP beigetragen.183 - Im Rahmen der LP wurden zunehmend Investitionen für Verkehr (einschließlich Suezkanal) und Kommunikation eingesetzt. Der Anteil stieg von 19 % (1973) der Gesamtinvestitionen auf 24 % (1983) an. 184 Trotz dieser Entwicklung wurde die Verkehrslage Ägyptens nicht wesentlich verbessert; das ist hauptsächlich auf die Bevölkerungsexplosion zurtickzuführen. - Die Zahl der Versicherten der staatlichen Sozialversicherung nahm während der LP stark zu. Sie stieg von 3 Mio. 1971 (im Vergleich zu 878 Tsd. 1960) auf 4,8 Mio. 1986 an. Der "Überschuß der Versicherungsbeiträge über die aktuellen Leistungen" stieg von 109 Mio. LE (1971) [im Vergleich zu 19 Mio. LEim Jahr 1960] auf 1.356 Mio. LE im Jahr 1986; dies deutet auf wesentliche Verbesserungen zugunsten der Niedrigeinkommensbezieher hin. 185 Zusammenfassend kann man feststellen, daß in der Periode 1952-74 sozialpolitische Maßnahmen eine hohe Priorität genossen, während Wirtschaftserfolge im Sinne einer Realisierung von hohen Wachstumsraten untergeordnete Bedeutung hatten. Im Zuge der LP wurde dem Wachstum eine höhere Priorität als den Verteilungsaspekten beigemessen. Die Ziele der Verteilungspolitik in den 50er und 60er Jahren wurden durch Maßnahmen wie Landreformen, Verstaatlichung und Beschäftigungsplatzgarantien verfolgt. Im Rahmen der LP wurde versucht, die Einkommensverteilungsziele durch Subventions-, Beschäftigungs- und Steuerpolitik umzusetzen.
132
113 184 1"
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
El-Shagi El-Shagi (1984), S. 203 ebenda, S. 202 Nohlen (1983), S. 47 und CAMPS 1987 Abdel-Fadil (1980), S. 119 und CAMPS 1987
76
3. Die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens seit den 50er Jahren
Während in den 50er und 60er Jahren die Verringerung der Ungleichverteilung auf die nationale Wirtschaftspolitik zurückzuführen war, war die Einkommensnivellierung während der LP u.a. eine Folge der exogenen Faktoren (Suezkanai-Einnahmen, Export von Erdöl und Gastarbeiterüberweisungen); ihnen kam auch entscheidende Bedeutung für den Wachstumserfolg in den 80er Jahren zu. Der Frage, inwieweit während der LP - verglichen mit der Politik der 50er und 60er Jahre- günstige institutionelle und gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen wurden, wird im folgenden Kapitel nachgegangen. Insbesondere geht es darum, ob durch die Förderung der PADI besondere Entwicklungsbeiträge geleistet werden konnten.
4. Die institutionellen und gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Förderung der privaten ausländischen Direktinvestitionen 4.1. Einleitung Dieses Kapitel befaßt sich zunächst mit der Entwicklung der gesetzlichen und institutionellen Rahmenbedingungen in der Periode 1952-74.' Im Vordergrund steht die Entwicklung der Einstellung der Regierung gegenüber den PADI (bzw. der Tätigkeit ausländischer Unternehmen) in den SOer und 60er Jahren (Nasser-Ära). Das Kapitel wird mit der Analyse der Investitionsgesetze in der Phase der LP abgeschlossen. Es behandelt somit die Frage, inwieweit die gesetzlichen und institutionellen Rahmenbedingungen nach 1974 für die Förderung von PADI geeignet waren bzw. sind und inwieweit sich das Investitionsklima während der LP im Vergleich zu den SOer und 60er Jahren geändert hat.
4.2. Die Entwicklung der gesetzlichen und institutionellen staatlichen Rahmenbedingungen in der Periode 1952-74 Die Periode 1952-1974 läßt sich in drei Abschnitte unterteilen:
1 Unter den gesetzlichen Ralunenbedingungen werden in der vorliegenden Arbeit die staatlichen Gesetze und Vorschriften, die direkt mit den PADI zusammenhängen, verstanden. Mit institutionellem Rahmen sind indirekte Maßnalunen, die von der Regierung im Rahmen der Vorbereitung des Landes zur Förderung des Zuflusses der PADI getroffen werden, gemeint. Es handelt sich bei letzteren um Gesetze und Erlasse, die urspriinglich nicht auf die Interessen der ausländischen Investoren zielen, sondern der allgemeinen Förderung von günstigen Investitionsbedingungen dienen. Es geht u.a. vor allem um die Sanierung des öffentlichen Sektors, Abbau der Handelshemmnisse und die Entzerrung des Wechselkurses durch den Abbau staatlicher Interventionen.
78
4. Die institutionellen und gesetzlichen Rahmenbedingungen
4.2.1. Die Periode 1952-56 Wie im Kapitel 3 erklärt wurde, favorisierte die Regierung in dieser Phase im Interesse einer Industrialisierung die Förderung des Privatsektors gegenüber direkten Interventionen. Die private Industrie und die neugegründeten "JointVentures" wurden durch verschiedene Protektionsmaßnahmen, wie Zollerleichterungen für importierte Kapitalgüter oder Steuerbefreiungen, gefördert. 2 Entsprechend den Gesetzen Nr. 156 von 1953 und Nr. 475 von 19543 erhielten die ausländischen Investoren folgende Vorteile: 4 Den ausländischen Investoren wurde erlaubt, die Mehrheit der Aktien (51 %) zu übernehmen. 5 Der Transfer der Gewinne und des Kapitals wurde erleichtert. Während im Rahmen des Gesetzes Nr. 156 von 1953 nur 10 % der realisierten Gewinne in das Ausland transferiert werden durften, beinhaltete das Gesetz Nr. 475 von 1954 keine Obergrenze.6 Darüber hinaus eröffnete das letztgenannte Gesetz ausländischen Anlegern die Möglichkeit, das Gesamtkapital in das Ursprungsland zu retransferieren. Bis dahin konnten nur 20 % des Kapitals pro Jahr rückgeführt werden. Im Bergbaugesetz von 1953 wurde die Konzessionierung der ausländischen Investoren in gleicher Weise wie die der nationalen Erdöl-Unternehmen geregeie Die staatliche Förderung des Privatsektors zielte auf gemeinsame Projekte von Staat und privatem Sektor (einschließlich ausländischer Investoren) ab. Während z.B. eine Hälfte des Kapitals des Eisen- und Stahl-Projektes in Helwan (Bezirk in Kairo) von der Regierung kam, stammte die andere Hälfte von privaten Firmen (einschließlich ausländischen Firmen wie z.B. dem deutschen Stahlunternehmen "Demag"). Ein anderes Beispiel ist das "National Production Council",
2 Trotz aller Förderungsmaßnahmen zugunsten eines Engagements des Privatsektors in der Industrie, wurden bis I 955 nur 7,7 Mio. LE in der Industrie eingesetzt, während im Bausektor etwa 28,5 Mio. LE investiert wurden. Vgl. O'Brien (1966), S. 68 ff. und Abdel-Malek (1971), s. 156 3 Das Gesetz Nr. 475 von 1954 war eine Modifizierung des Gesetzes Nr. 156 von 1953, wobei mehr Vergünstigungen für die ausländischen Investoren gewährt wurden. Vgl. Driscoll (1978), S. 6 4 Vgl. Carr (1979), S. 23 und Abdel-Khalek (1983), S. 79 sowie O'Brien (1966), S. 70-75 ' Darüber hinaus durften die ausländischen Anteile diese 51 % übersteigen, wenn die einheimischen Investoren nicht in der Lage waren, ihren Anteil von 49 % innerhalb eines Monates zu übernehmen. Vgl. O'Brien (1966), S. 71 6 Vgl. Driscoll (1978), S. 6 7 Vgl. Carr (1979), S. 23 Im Jahr 1953 wurde das Gesetz Nr. 66 erlassen, wonach die ägyptische Nationalität nicht erforderlich ist, um im Erdölbereich investieren zu dürfen. Vgl. Refaat (1980a), S. 14
4.2. Die Entwicklung der gesetzlichen und institutionellen swtlichen Rahmenbedingungen
79
das den größten Teil der Finanzierung eines Düngemittel- und Zementprojektes übemahm.8 Trotz der obengenannten Vorteile war der Zufluß ausländischen Kapitals sehr gering. Fünf Jahre nach Erlaß des Gesetzes Nr. 156 von 1953 betrugen die gesamten PADI etwa 1,9 Mio. LE (bzw. 0,25 % der Gesamtinvestitionen Ägyptens im gleichen Zeitraum). Unklarheiten im Hinblick auf das zukünftige Verhalten des Regimes dürften für den geringen Umfang der PADI zum Teil verantwortlich gewesen sein.9 Ein anderer Grund besteht in Widersprüchen zwischen den auf die PADI bezogenen Gesetzen und den Aussagen der politischen Führer bezüglich einer sozialistischen Orientierung. Außerdem gab es Bedenken, daß Vorhaben wie die der Landreform im Industriesektor durchgeführt werden könnten. Folglich verhielten sich die inländischen und ausländischen privaten Investoren abwartend.
4.2.2. Die Periode 1956-67 Nach dem Suez-Krieg und im Rahmen der "Ägyptisierungs- bzw. Verstaatlichungsgesetze" wurde das Eigentum aller englischen, französischen und jüdischen Firmen, Banken und Versicherungen bzw. andere Eigentumstitel beschlagnahmt oder verstaatlicht. Danach wurde ein Gesetz verabschiedet, nach dem ausländische Investoren nur weniger als SO % des Kapitals von Aktiengesellschaften besitzen durften. 10 Die Einstellung der Regierung gegenüber ausländischen Aktivitäten kann durch die "National Charter" und Gesetze bzw. präsidentielle Dekrete dokumentiert werden: Die Formen der ausländischen Aktivitäten bzw. der ausländischen Entwicklungshilfe wurden hinsichtlich ihrer Vorzüge gestaffelt: Der ungebundenen ausländischen Entwicklungshilfe wurde der erste Rang eingeräumt; auf den zweiten Rang kamen die ungebundenen ausländischen Kredite. Den PADI verblieb der letzte Rang. PADI waren nur in denjenigen Industriezweigen willkommen, in denen neue Technologien und gelernte Arbeitskräfte erforderlich waren. 11 lnfolge der sozialistischen Orientierung Ägyptens und der häufigen
' Vg!. O'Brien (1966), S. 72 Vgl. Driscoll (1978), S. 6 10 Vgl. Carr (1979), S. 24 11 Vgl. Driscoll (1 978), S. 7
9
7 Ania
4. Die institutionellen Wld gesetzlichen RahmenbedingWlgen
80
Interventionen des Staates in den Wirtschaftsprozeß verloren die PADI in dieser Periode an Bedeutung. Der praktizierte Sozialismus war nichts anderes als die Ausdehnung des öffentlichen Sektors; dies war jedoch nicht mit einem tiefgreifenden institutionellen Wandel verbunden. Der Staat kontrollierte bis 1958 alle spezialisierten Banken und fünf Versicherungsgesellschaften, deren Aktivitäten mehr als 68% des gesamten Versicherungsgewerbes ausmachten. Alle ausländischen Banken, Versicherungsgesellschaften und Handelsagenturen wurden gezwungen, sich innerhalb von fünf Jahren in Aktiengesellschaften mit einheimischer Mehrheitsbeteiligung urnzuwandeln. 12 Die P ADI beschränkten sich insbesondere auf die Erdöl- und die Pharma-Industrie. Zu den in den 50er Jahren investierten 8 Mio. LE kamen in den 60er Jahren keine signifikanten Zuwächse. 13
4.2.3. Die Periode 1967-74 Kurz nach dem sog. "Correction Movement" im Mai 1971, nachdem die linksorientierte Gruppierung in der Regierung entmachtet wurde, ersetzte das Gesetz Nr. 60 von 1971 das Gesetz Nr. 32 von 1966. Nach dem neuen Gesetz wurden ausländisches und einheimisches Kapital gleich behandelt (vgl. Kapitel 3.2). 14 Zur Integration Ägyptens in die Weltwirtschaft ging die Führung mit dem Gesetz Nr. 90 von 1971 einen Schritt weiter, wobei Ägypten ab 1971 die "Convention on the Settlement of Investment Disputes administered by the World Bank" in Kraft setzte. 15 Darüber hinaus wurde mit dem Präsidial-Dekret Nr. 109 von 1972 die Gründung einer arabischen Oq~anisation für die "Safe guarding of Investment" ins Auge gefaßt. Später hat Agypten ein Abkommen über "Investment and Movement of Arab Capital" mit anderen arabischen Ländern geschlossen. 16 Ein bedeutendes Gesetz zur Förderung der PADI war das Gesetz Nr. 65 von 1971. Unter zahlreichen Vergünstigungen wurden für ausländische Investitionen insbesondere folgende Anreize und Garantien gewährt: 17 - Fünfjährige Steuerbefreiung ab dem ersten Fiskaljahr nach Beginn der Aktivitäten. - Das im Wohnungsbereich investierte Kapital wurde von der
12
13 14 15 16
17
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
O'Brien (1966), S. 95-103 sowie Driscoll (1978), S. 7 Carr (1979), S. 41 Driscoll ( 1978), S. 8 Carr (1979), S. 41 ebenda, S. 41 Driscoll (1978), S. 12 ff.
4.3. Zielsetzung der LP
81
Mietkontrolle befreit. - Die im Rahmen dieses Gesetzes tätigen U ntemehmen wurden als private Unternehmungen betrachtet, unabhängig von der Herkunft des Beteiligungskapitals. - Außer in Fällen öffentlichen Interesses durfte das investierte Kapital nicht beschlagnahmt oder verstaatlicht bzw. enteignet werden. 18 - Im Rahmen des Gesetzes gab es keine Beschränkungen für die Investitionsbereiche; allerdings wurden Prioritäten gesetzt: 1. Exportorientierte Projekte sowie die Projkte, die den Tourismus fördern. 2. Projekte, die Importe substituieren, die fortgeschrittene Technologie erfordern oder die ein Patent bzw. einen Markennamen verwenden. 3. Projekte im Wohnungsbereich, die Wohneinheiten mittlerer Qualität errichteten. - Eine weitere administrative Erleichterung des Zuflusses ausländischen Kapitals war die Gründung der "General Authority for Foreign Investment and Free Zones" (GAFI), die als einzige Institution für Angelegenheiten ausländischer Investoren zuständig ist (vgl. Kapitel 4.4.2). Obwohl das Gesetz aus der Sicht der ausländischen Investoren gewisse Unzulänglichkeiten hatte -wie z.B. die zu kurze Zeit der Steuerbefreiung-, bedeutete seine Verabschiedung eine Abkehr von der früheren restriktiven Einstellung der Regierung gegenüber den PADI. Die wichtige Rolle der PADI für die Entwicklung des Landes wurde von der Regierung anerkannt. 19 Übermäßiger Erfolg war diesem Gesetz nicht beschieden. Von ca. 151 geplanten Vorhaben wurden nur etwa 46 genehmigt, davon erreichten fünf Projekte die Produktionsphase.20 Dies deutet darauf hin, wie schwierig es für die Regierung blieb, ausländische Investitionen mit hoher Rentabilität anzuziehen und gleichzeitig die Unsicherheit sowie die Zurückhaltung der Investoren abzubauen, die in Ägypten investieren sollten.
4.3. Zielsetzung der LP Die LP bedeutete u.a. die "Rückkehr" zu guten Beziehungen zu den USA, Westeuropa und den konservativen Regierungen der arabischen Ölstaaten; der Privatsektor erlangte eine größere Chancengleichheit mit dem öffentlichen
11 Im Falle einer Enteignung aufgrund öffentlichen Interesses müssen die benachteiligten Partner (ausländische Investoren) ausreichend entschädigt werden. Vgl. ebenda, S. 12 19 Vgl. Driscoll (1978), S. 14 20 Vgl. ebenda, S. 14
82
4. Die institutionellen und gesetzlichen Rahmenbedingungen
Sektor.21 Es ging dabei nicht nur um "wirtschaftspolitische Impulse", sondern es wurde eine "allgemeine gesellschaftliche und kulturelle Westorientierung eingeleitet". 22 Die Ziele der umfassenden Änderung der ägyptischen Wirtschaftspolitik nach 1974 -im "Oktoberpapier" von 1974 formuliert- waren die folgenden: 23 Höheres Wirtschaftswachstum, Sanierung des öffentlichen Sektors, Liberalisierung der Aktivitäten des Privatsektors bezüglich Kapital und Außenhandel, Wiederherstellung bzw. Ausbau einer leistungsfähigen Staatsverwaltung und einer Infrastruktur, um die Grundlagen für eine wirtschaftliche Expansion zu schaffen, adäquate Anreize für ausländische und einheimische Investitionen und Restrukturierung der staatlichen Investitionen.
4.4. Gesetzliche Förderung der PADI Außer zahlreichen Privilegien für PADI im Rahmen der Investitionsgesetze (Gesetz Nr. 43 von 1974 und Nr. 32 von 1977)24 wurden weitere Vorteile gewährt, die im folgenden erläutert werden sollen:
4.4.1. Investitionsbereiche Die Bereiche, in denen PADJ gewünscht wurden, erstreckten sich auf fast alle Branchen der Wirtschaft. Im besonderen werden genannt:n - Industrie, Bergbau, Energie, Tourismus und Transport. - Vieh- und Geflügelhaltung, Landerschließung mit einer Pachtdauer von bis zu 50 Jahren.26 - Wohnungs- und Baubereich. - Investmentfonds, die für die von den Investitionsgesetzen zugelassenen Bereichen Kapital bereitstellen.
21
Vgl. Klöwer (1976), S. 9 und Nohlen (1983), S. 51
Vgl. Pawelka (1985), S. 306 Vgl. ebenda, S. 306 f. ,.. Im folgenden werden diese Gesezte als Investitionsgesetze bezeichnet. '-' Vgl. GAFI, lnvestitionsgesetze, S. 5 ff. und Driscoll (1978), S. 18 f. 22
13
26
Diese lange Periode kann noch verlängert werden.
4.4. Gesetzliche Förderung privater ausländischer Direktinvestitionen
83
Investitions- und Handelsbanken sowie Rückversicherungsgesellschaften, die ihre Transaktionen in Devisen durchführen. Banken, die ihre Transaktionen in einheimischer Währung durchführen, soweit sie JV sind. Jedoch muß der ägyptische Kapitalanteil höher als 50 % sein. Besondere Prioritäten wurden für die folgenden Projekte festgelegt: I. Exportorientierte Projekte. 2. Projekte zur Belebung des Tourismus. 3. Importsubstitutionierende Projekte. n Technische Beratungen, die als JV organisiert sind, in den obengenannten Bereichen. Aus dieser Aufstellung ist ersichtlich, daß die ägyptischen Investitionsgesetze im Vergleich zu anderen Entwicklungs- und Schwellenländern ausländischen Investoren besonders weite Bereiche anbieten. Während in Ägypten alle Sektoren auf einmal für die PADI geöffnet wurden, vollzog sich die Offnung in vielen anderen Ländern nur allmählich.28
4.4.2. Errichtung der GAFI Um die Genehmigungsverfahren und andere Formalitäten für einheimische und ausländische Investoren zu beschleunigen, wurde eine spezielle Behörde, die GAFI, gegründet. Unter den zahlreichen Aufgaben dieser Investitionsbehörde sind insbesondere die folgenden zu nennen: 29 Auflistung von Projekten, die für ausländische Investoren ökonomisch besonders interessant sind,
27 Mit Ausnahme von 18 Gütern, die in Staatsbetrieben hergestellt wurden. wurde der Außenhandel Ägyptens vollkommen liberalisiert. Diese Politik geht bedeutend weiter als in anderen Ländern Asiens. ln Korea z.B. wurde der Außenhandel erst 1980 teilweise liberalisiert, wobei der Liberalisierungsgrad der Importe 93 % (1987) erreichte; 1988 wurden die Importe aller Verarbeitungsprodukte liberalisiert, womit der Liberalisierungsgrad 95,5 %betrug. Vgl. Ahn, D.S. (1989), s. 451
21 Die Liberalisierung z.B. der koreanischen Wirtschaft begann nur in einigen lndustriebranchen, und dehnte sich im Zeitablauf auf andere Sektoren aus. Das bedeutet, daß die Liberalisierung in diesem Land den Bedürfnissen der nationalen Wirtschaft angepaßt wurde. Manche Dienstleistungsbranchen, die international nicht konkurrenzfähig waren, wurden von der Liberalisierung ausgeschlossen. Der Bankensektor wurde z.B. erst ab 1984 für die ausländischen Investitionen geöffnet, obwohl das relevante Investitionsgesetz bereits im Jahr 1966 erlassen worden war. Ein weiteres Beispiel ist lndonesien, wo ab 1967 eine Wirtschaftsreform und eine Liberalisierung durchgesetzt wurden, ausländischen Banken jedoch nur ein begrenzter Marletzutritt gestattet wurde. Auch in Ecuador wurden Investitionsprojekte in denjenigen Branchen nicht genehmigt, die von den bestehenden Firmen in ausreichendem Maße versorgt wurden. Solche Beschränkungen gibt es in Ägypten nicht. Vgl. Ahn, S.K. (1978), S. 50 f., Ahn, D.S. (1989), S. 447-460, Dickie I Layman (1988), S. 39 und Friese (1982), S. 66 "' Vgl. GAFI, lnvestitionsgesetze, S. 18 ff. und Driscoll (1978) S. 19
84
4. Die institutionellen und gesetzlichen Rahmenbedingungen
- Bearbeitung der Investitionsanträge von Investoren und Überprtifung der Geschäftsberichte, - Registrierung des zugeflossenen Kapitals, - Genehmigung des Gewinntransfers ins Ausland. Entsprechend Artikel Nr. 7 des ministeriellen Dekretes Nr. 375 von 1977 wurden am Geschäftssitz der GAFI spezielle Büros eingerichtet, die seitdem für verschiedene Angelegenheiten der ausländischen Investoren zuständig sind (vgl. Abb. 4-1). Diese Büros repräsentieren die verschiedenen Verwaltungseinheiten Ägyptens, wie z.B. Büro für die Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen.3o
4.4.3. Steuerbefreiung Die realisierten und reinvestierten Gewinne der im Rahmen der Investitionsgesetze tätigen Unternehmen sind von der Körperschaftssteuer und von gewerblichen Steuern befreit. In gleicher Weise sind die Gewinne frei von Stempelsteuern. Darüber hinaus sind die Grtindungsverträge der Projekte von Stempelsteuer, Beglaubigungs- und EintTagungsgebühren befreit. 31 Die in Artikel 18 angeführten Steuerbefreiungen umfassen auch die Anleihen, die der ägyptische Teilhaber zur Finanzierung seines Kapitalanteils aufnimmt. Die Steuerbefreiung für den ägyptischen Kapitalanteil beschränkt sich nicht nur auf Anleihen von Auslandswährungen. 32 Darüber hinaus sind die Maschinen- und Transportanlagen, die für die genehmigten Vorhaben erforderlich sind, von Steuern, Zöllen und Gebühren befreit. Die Löhne, Gehälter und Bonuszahlungen für ausländische Arbeitnehmer in den PADI-Untemehmen werden nach Artikel 20 von der Einkommenssteuer befreit.33 Die Investitionsgesetze gewähren für alle Projekte 5 Jahre Steuerbefreiung. Unter bestimmten Bedingungen kann die Freistellungsperiode auf 8 Jahre verlängert werden. Dies hängt ab von der Größe des Beitrages zur Entwicklung, d.h. vom Grad der Nutzung einheimischer Rohstoffe und dem Beitrag zur Exportsteigerung.
30 31 32 33
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
GAA, ministerielles Dekret Nr. 375 von 1977, S. 6 Driscoll (1978}, S. 17 GAA, Investitionsgesetze, S. 13 ff. ebenda, S. 14
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Abb. 4-1:
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Arbeitsmlnlsterium
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Aufenthaltsbüro
Trägerstruktur der Förderungsmaßnahmen von PADI in Ägypten
Innenminlsterlum
Zollbüro
Steuerbüro
I Justizmlnlsterlum
I
Arbeitserlaubnisbüro
General Authority for Foreign Investment and Free Zones (GAFI)
Finanzminlsterium
Ausländisehe Unternehmen
Staatspräsident
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