117 89 71MB
English, French, German Pages 737 [738] Year 1983
MAX ·PLAN CK ·INSTITUT FtrR AUSLXNDISCHES UND INTERNATIONALES SOZIALRECHT
Beiträge zu Geschichte und aktueller Situation der Sozialversicherung
Schriftenreihe für Internationales und Vergleichendes Sozialrecht Herausgegeben von Hans F. Zacher, München
Band 8
Beiträge zu Geschichte und aktueller Situation der Sozialversicherung Colloquium des Max-Planck·Instituts für ausländisches und internationales Sozialrecht
Herausgegeben von
Peter A. Köhler und Hans F. Zacher
DUNCKER&HUMBLOT/BERLIN
AlLe Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1983 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany
© 1983 Duncker
ISBN 3 428 05294 3
Vorwort Der vorliegende Band enthält die Verhandlungen des Colloquiums "Ein Jahrhundert Sozialversicherung - Bismarcks Sozialgesetzgebung im internationalen Vergleich", das vom 16. bis 20. November 1981 in Berlin vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht (München) ausgerichtet wurde. Dem Colloquium waren zwei wesentliche Vorarbeiten vorausgegangen, auf die hier noch einmal hingewiesen werden soll: ein ebenfalls internationales und interdisziplinäres Colloquium über "Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Sozialversicherung", das von der damaligen Projektgruppe für internationales und vergleichendes Sozialrecht der Max-PlanckGesellschaft 1978 in Tutzing abgehalten worden war (Schriftenreihe für Internationales und Vergleichendes Sozialrecht, Bd. 3, Berlin 1979) und Landesberichte für die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich und die Schweiz (SchriUenreihe für Internationales und Vergleichendes Sozialrecht, Bd. 6, Berlin 1981). Diese Landesberichte wurden ins Englische und ins Französische übertragen. Die englische Version ist unter dem Titel "The Evolution of Social Insurance 1881-1981 Studies of Great Britain, France, Switzerland, Austria and Germany" 1982 bei Francis Pinter (London) erschienen. Die französische Version ist derzeit im Druck. Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht hat allen, die zusammengewirkt haben, daß dieses Colloquium zustande gekommen ist, vielmals zu danken. Das sind einerseits alle Vortragenden, die Vorsitzenden, welche die Abteilungen geleitet haben, die Berichterstatter, welche die Diskussionsberichte verfaßt haben, die Übersetzer, welche die Zusammenfassungen übertragen haben. Das waren aber auch alle diejenigen Institutionen, die das Colloquium finanziell und tätig gefördert haben. An anderer Stelle ist im einzelnen gesagt, um wen es sich dabei handelt (s. u. S. 729 ff.). Ich möchte den Leser mit Nachdruck auf diese Ehrentafel der Förderer hinweisen. Noch einmal möchte ich aber den über 300 Teilnehmern danken. Sie kamen aus Wissenschaft, Politik, Sozialverwaltung und Rechtsprechung. Sie kamen aus fast allen europäischen Ländern, aber auch aus einer Reihe außereuropäischer Länder und internationaler Organisationen. Sie kamen
Vorwort
6
endlich aus den verschiedensten Disziplinen: Juristen und Historiker, Ökonomen und Soziologen, Politikwissenschaftler und Vertreter anderer Disziplinen. Die weit gespannte Vielfalt ihrer Kompetenzen und Erfahrungen gab dem Colloquium seinen ganz besonderen Charakter. München, im April 1982
Hans F. Zacher
Inhaltsverzeichnis
CoHoquium:
Ein Jahrhundert Sozialversicherung im internationalen V·ergleich Programm
Bimnarcks Sozialgesetzgebung 13
Eröffnung Hans F. Zacher:
Eröffnungsworte
19
Anke Fuchs:
Grußwort der Parlamentarischen Staats5ekretärin im rium für Arbeit und Somalordnung
Bund~mlniste-
23
Guy Perrin:
L'asSiurance sociale - ses particularites - son röle dans le passe, le present et l'avenir . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resurne . .. . . . .. . . .. . .. . . . .. .. .. . ... . .. .... . .. . . .. . . . ...... . . . . ... Zusammenfassung . . ... . .. . . .. .. .. .. . . . ...... . . .. ... .. . .. . .. ..... . Summary ... .. . .. .. . .. .. . .. . .... . ... . .... ... . . .... .. . . . ........ . .
29 70 71
74
Sozialversicherung Soziale Sicherheit - Sozialpolitik I. Die Situation vor 100 Jahren Gerhard A. Ritter:
Die Entstehung der Sozialversicherung besonders in Deutschland und Großbritannnien ..... . .. .. .... .... .. . ... . ..... . .. . .............. . 79 Zusammenfassung . .. . ..... . ...... . . . . . . ................ . . . . .. ... . 105 Summary ... . . . .. . ............. ... .. . .. .. ... . .. .. . .... ... . .. .. . . . 106 Resurne 108
Inhaltsverzeichnis
8
11. Die Entwicklung Gaston V. Rimlinger:
The Emergence of Social Insurance: European Experience before 1914 111 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Zusammenfassung 122
Resurne
123
Urs Ch. Nef:
Die Entwicklung zwischen den beiden Weltkriegen 125 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Summary .................................... . ........... . ... . . .. 138 139 Resurne Hans Günter Hockerts:
Die Entwicklung vom Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart 141 ZusammenfasSJUllg . . .... .. ...... .. . . ... . . . . . ....... . ... . .. . .. ..... 161 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 164 Resurne Diskussionsbericht (Marion Friedrich-Ma1·czyk) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
III. Situation und Entwicklungstendenzen der Gegenwart
Introduction by the Chairman of the Sessdon, Mr. Vladimir Rys . . . . . . . . 171 Peter R. Kaim-Caudle:
The Present Position of Social Security Provisions and their Future Trends ......... . . ... .. .. . .. . .. . . . ... .. .. . . . ..... .. .. ...... . ....... 175 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Resurne .............. ... . . ............ . .. .. .... . .. . ....... . ...... 203
IV. Stellungnahmen der Verfasser der fünf Landesberichte Detlev Zöllner:
Bundesrepublik Deutsch1and . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Yves Saint-Jours:
France
210
Anthony Ogus:
Great Britain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
Inhaltsverzeichnis
9
Herbert Hofmeister:
Osterreich
217
Alfred Maurer:
Schweiz
227
Diskussionsbericht (Alexander Peltner)
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Entwicklung und Entwicklungstendenzen des Schutzes für die wichtigsten Risiken Otto Ernst Krasney:
Krankheit und Mutterschaft Zusammenfassung Summary
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Disk=ionsbericht (Alexander Peltner)
Einführung des Vorsitzenden der Arbeitsgruppe, Dro Friedrich Watermann
235 266 268 269 271 279
Elisabeth Kunst:
Invalidität und Unfall Zusammenfas•sung Su:rrunary
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281 350 352
353 Eröffnung der Diskussion durch den Vorsitzenden der Arbeitsgruppe 357 Diskussionsbericht (Rolf Schuler) 360 0
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Einführung des Vorsitzenden der Arbeitsgruppe, Dro Rudolf Kolb
367
Bernd von MaydeH:
Alter und Tod
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Zusammenfassung S u:rrunary
Resurne
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Diskussionsbericht (Gerhard Igl)
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403 405
Adrian Sinfield:
Unemployment Summary
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Diskussionsbericht (Thomas Simons)
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415 465
466 467 472
Inhaltsverzeichnis
10
Die Sozialversicherung im Rahmen der Aufgaben, Möglichkeiten und Vorhaben einer europäischen Sozialpolitik Introduction by the Chairman of the Session, G. M. J. Veldkamp . . .. .. 485 Richard Draperie:
Röle et p1ace de la ~securite sociale dans la Communaute economique europeenne ......... . ..... .. ..... . . . .... . ................... . .. . . 489 503 503 504
ZUS>ammenfassung Summary Hans Wiebringhaus:
Die Sozialv>ersü:herung im Rahmen der Funktionen, der Möglichke,i t1e n und der sozialpolitischen Vorhaben des Eu'roparats .. . ..... . . .. . . 507 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resurne Diskussionsbericht (Bernd Schulte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
529 533 536 539
Die Rolle der Sozialversicherung in den Entwicklungsländern Detlev Zöllner:
Die Rolle der Sozialversicherung in den Entwicklungsländern Zus,a mmenfassung Summary Res.ume
557 574 575 576
S. L. Mulozi:
The Role of Social Insurance in Developing Countrie•s. An Example from Africa (Zambia) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Summary Zusammenfassung Resurne
579 584 585 586
A. N. Ambo:
The Role of Social Insurance ·in Developing Countr'ies. An Example from Asia (India) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Summary Zusammenfassung Resurne
589 604 605 606
Inhaltsverzeichnis
11
Jorge E. Brenes C.:
The RoLe of Sooial Insurance in Developing Countries. An Example from Latin-America (Costa Rica) ...... . . . . . ... ...... . .. . ...... . . ... 609 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636 Zus.ammenfas·sung
638 640 Diskussionsbericht (Maximi lian Fuchs) ..... . . . . .. ......... . ... . ... . 643
Die Sozialversicherung im Wirken der internationalen Arbeitsorganisation Einführung des
Vo~sitzenden
der Arbeitsgruppe, Dr. Winfried Haase . . . 647
Giovanni Tamburi:
L'Orgal'lliisation internationale du Travail et l'evolution des assurances sociales dans le monde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649 Resurne ...... .......... .. .. ... .... ...... ... .... ...... .. .... ...... 696 ZusammenfasSJUng . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 699 ................................................. 703 Eröffnung der DiskuSISion durch den Vorslitzenden .. . .......... . . . .. 708 Diskussionsbericht (Maximilian Fuchs) .... .. . . .. . ............... . . . 709
Summary
Zusammenfassung und Schlußwort Georg Wannagat:
Zusammenfassung der Ref.erate und DiskUJSisionen des Colloquiums. . 713 Hans F. Zacher:
Schlußwort
729
Verzeichnis der Mitwirkenden
733
COLLOQUIUM
Ein Jahrhundert Sozialversicherung Bismarcks Sozialgesetzgebung im internationalen Vergleich Berlin, 16. bis 20. November 1981 Programm 16. November Eröffnung
Hans F. Zacher Grußworte namens der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland: Anke Fuchs Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Bonn namens des Senats der Stadt Berlin: Prof. Dr. Wilhelm A. Kewenig Senator für Wissenschaft und kulturelle Angelegenheiten Sozialversicherung- ihre Eigenart gangenheit, Gegenwart und Zukunft
ihre Rolle in der Ver-
Referent: Guy Perrin, Genf Sozialversicherung - soziale Sicherheit -
Sozialpolitik
1. Die Situation vor 100 Jahren
Referent: Gerhard A. Ritter, München Vorsitz: Klaus Hoffmann, Berlin 17. November
Festakt der Bundesregierung
18. November 2. Die Entwicklung a) Die Entwicklung bis zum ersten Weltkrieg Referent: Gaston V. Rimlinger, Heuston b) Die Entwicklung zwischen den beiden Weltkriegen Referent: Urs Ch. Nef, St. Gallen
14
Colloquium- EinJahrhundert Sozialversicherung c) Die Entwicklung vom zweiten Weltkrieg bis in die 80er Jahre Referent: Hans G. Hockerts, München Diskussion Vorsitz: Dieter Schewe, Bonn 3. Situation und Entwicklungstendenzen der Gegenwart Referent: Peter R. Kaim-Caudle, Durharn
Stellungnahmen der Verfasser der fünf Landesberichte Detlev Zöllner, Bann Yves Saint-Jours, Paris Anthony I. Ogus, Newcastle upon Tyne Herbert Hofmeister, Wien Alfred Maurer, Zürich Diskussion Vorsitz: Vladimir Rys, Genf 19. November ·Entwicklung und Entwicklungstendenzen des Schutzes für die wichtigsten Risiken Referate mit anschließender Diskussion 1. Krankheit und Mutterschaft
Referent: Otto-Ernst Krasney, Kassel Vorsitz : Kurt Friede, Essen 2. Invalidität und Unfall
Referent: Elisabeth Kunst, Wien Vorsitz: Friedrich Watermann, Bann 3. Alter und Tod
Referent: Bernd von Maydell, Berlin Vorsitz: Rudolf Kolb, Frankfurt 4. Arbeitslosigkeit
Referent: Adrian Sinfield, Edinburg Vorsitz: Josef Stingl, Nürnberg Die Sozialversicherung im Rahmen der Aufgaben, Möglichkeiten und Vorhaben einer europäischen Sozialpolitik a) der Europäischen Gemeinschaften Referent: Richard Draperie, Brüssel Andre Laurent, Brüssel b) des Europarats Referent: Hans Wiebringhaus, Straßburg Diskussion Vorsitz: G. M. J . Veldkamp, 's-Gravenhage
Colloquium- Ein Jahrhundert Sozialversicherung
15
19. November :Die Rolle der Sozialversicherung in den Entwicklungsländern Generalreferat: Detlev Zöllner, Bonn
Kurzvorträge: a) ein afrikanisches Beispiel Referent: S. L. Mulozi (Sambia) b) ein asiatisches Beispiel Referent: A. N. Ambo (Indien) c) ein lateinamerikanisches Beispiel Referent: Jorge E. Brenes C. (Costa Rica) Diskussion Vorsitz: Johannes Schregle, Genf 20. November Die Sozialversicherung im Wirken der internationalen Arbeitsorganisation Referent: Giovanni Tamburi, Genf Diskussion Vorsitz: Winfrid Haase, Bonn
Zusammenfassung Georg Wannagat, Kassel
Schlußworte Hans F. Zacher
Eröffnung
Eröffnungsworte Von Hans F. Zacher Herren Senatoren! Frau Staatssekretärin! Herr Präsident des Bundessozialgerichts! Meine Damen und Herren! Lassen Sie sich alle sehr herzlich hier begrüßen. Das gemeinsame Interesse an der Sozialversicherung - ihrer Geschichte, ihrer Gegenwart und ihrer Zukunft - hat uns heute hier zusammengeführt: aus Politik, Verbänden, Verwaltung, Rechtsprechung und Wissenschaft, aus der Geschichtswissenschaft, aus der Rechtswissenschaft, aus der Ökonomie und dem weiten Kreis der Sozialwissenschaften, aus den verschiedensten Ländern (Belgien, Costa Rica, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Indien, Italien, Jugoslawien, Liechtenstein, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Schweden, Schweiz, Spanien, USA, Zambia, Zypern), aus supranationalen und internationalen Organisationen (den Europäischen Gemeinschaften, dem Europarat, der Internationalen Arbeitsorganisation und der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit). Das ist ein einzigartiges wissenschaftliches und sozialpolitisches Ereignis. Ich wünsche uns allen eine Woche fruchtbaren internationalen und fachlichen Austausches, nicht weniger aber eine Woche glücklicher menschlicher Begegnung. Die internationale Gemeinde derer, die sich nicht nur praktisch, sondern auch wissenschaftlich um soziale Sicherheit bemüht, kennt sich noch zu wenig, ist als solche nicht organisiert. Dieses Colloquium könnte und sollte ein wichtiger Schritt auf dem Wege sein, daß sie sich ihrer Existenz bewußt wird.
Der Anlaß des Colloquiums Am 17. November 1881 wurde hier in Berlin dem Reichstag die Kaiserliche Botschaft zur sozialen Frage vorgelegt, mit der die Sozialversicherungsgesetzgebung des Deutschen Reiches eingeleitet wurde. Schon 1883 erging das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, 1884 das Unfallversicherungsgesetz, 1889 das Gesetz betreffend die Invali'ditäts- und Altersversicherung. Binnen acht Jahren war also das erste 2•
20
Hans F. Zacher
umfassende Sozialversicherungssystem geschaffen worden. Vielfach ausgeweitet und verändert stellt es noch heute ein zentrales Element unseres Sozialstaates dar. Die Bundesregierung wird dieser Anfänge morgen gedenken. Dieses Colloquium teilt damit den Anlaß. Aber es konzentriert sich nicht auf ihn. Es gilt vielmehr den Zusammenhängen, in denen wir jene Anfänge heute sehen müssen. Die Spannweite des Colloquiums
In diesem Sinne ist das Konzept des Colloquiums "Ein Jahrhundert Sozialversicherung- Bismarcks Sozialgesetzgebung im internationalen Vergleich" auf vier Dimensionen hin angelegt: -
auf eine sachliche: sozialpolitische,
-
auf eine methodische: interdisziplinäre,
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auf eine internationale und auf eine evolutionäre Dimension.
1. Mit der sachlich-sozialpolitischen Dimension ist gemeint, daß die Sozialversicherung von vornherein ein Element der Sozialpolitik war. Später weitete sich das, was mit der Sozialversicherung von Anfang an gewollt war, zum Horizont der sozialen Sicherheit. Aber Sozialversicherung blieb weltweit eine wichtige Technik der sozialen Sicherheit. Die Phänomene der Sozialpolitik, der sozialen Sicherheit und der Sozialversicherung sind sich in der Weise zugeordnet, daß Sozialversicherung eine spezifische Technik sozialer Sicherheit, soziale Sicherheit ihrerseits ein wichtiges Element der Sozialpolitik ist. Das Colloquium sollte dazu beitragen, diesen Zusammenhang aufzuhellen. Aber es ist notwendig, hier gleich das Wasser der Kritik in den Wein des Konzepts zu gießen. Die Referenten haben diesen Zusammenhang, so deutlich er im Programm zum Ausdruck gebracht war, sehr unterschiedlich aufgegriffen. Es wird eine wichtige Aufgabe der Diskussionen sein, spezifische Funktion und den spezifischen Wert der Sozialversicherung im Rahmen von sozialer Sicherheit und Sozialpolitik tieferdringend zu definieren.
2. Sozialversicherung in dieser Weise umfassend zu erörtern, kann nicht Sache einer einzelnen Disziplin sein; es ist ein interdisziplinäres Geschäft. Zur Vorbereitung dieses Colloquiums hat 1978 in kleinerem Rahmen ein internationales und interdisziplinäres Colloquium über "Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Sozialversicherung" stattgefunden. Spätestens seither wissen wir, wie viele Historiker und Juristen, Ökonomen und Soziologen hier voneinander zu lernen haben. Immer wieder trat im Verlauf der weiteren Vorbereitungen zutage, wie fragmentarisch das Wissen um die Entwicklung der Sozial-
Eröffnungsworte
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versicherung in den einzelnen Disziplinen ist. Und auch in dieser Woche wird sich zeigen, wie viel mehr die Begegnung der Disziplinen geeignet ist, Anstöße zu geben als Ergebnisse zu fixieren. 3. Die Sozialgesetzgebung des Deutschen Reiches, die 1881 begann, war ein nationales Ereignis. Aber die Sozialversicherung, die damals zum ersten Mal in einer kohärenten Gesetzgebung eingeführt wurde, war und blieb kein nationales deutsches Phänomen. Die deutsche Sozialversicherung hatte Vorläufer auch im Ausland. Und heute ist die Sozialversicherung eine universale internationale Erscheinung. Um den internationalen Kontext verläßlich in das Colloquium einzubringen, wurde im Anschluß an das Vorcolloquium von 1978 die Entwick:lung der Sozialversicherung im Laufe dieser hundert Jahre für Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich und die Schweiz dargestellt: Osterreich als ein deutsch-sprachiges Nachbarland, in dem die Entwicklung im engen Austausch mit der deutschen verlief; die Schweiz als ein vorwiegend deutsch-sprachiges Nachbarland, dessen sozialpolitische Entwicklung die von dem deutschen Muster ausgehenden Impulse gebrochener und später aufnahm und im System immer Distanz wahrte; Frankreich und Großbritannien als zwei große westliche Industrienationen, deren sozialpolitische Antworten auf die Herausforderungen der Zeit das Instrument der Sozialversicherung in anderer Abfolge und in anderem Umfang nutzten als Deutschland. Der Band mit diesen Berichten ist 1981 erschienen. Wir hoffen, daß er 1982/ 1983 auch in englischer und französischer Sprache erscheinen wird. Aber die vergleichende Arbeit soll sich nicht auf diese fünf Länder beschränken. Das Colloquium greift vielmehr auf andere Länder aus. Wir haben Refer enten, Moderatoren und Teilnehmer aus fast ganz Europa und aus vielen anderen Ländern eingeladen und nunmehr hier. Schon dies sollte eine umfassende internationale Sicht gewährleisten. Der größte Schritt wird aber wohl dort getan, wo die Rolle der Sozialversicherung in den Entwicklungsländern erörtert wird. Die "eine Welt", in der wir leben, kann ohne das, was in den Entwicklungsländern geschieht, nicht verstanden werden. Und auch die Rolle der Sozialversicherung muß von dem Europazentrismus befreit werden, unter dem unser Denken so oft leidet. Die internationale Dimension weist aber auch noch eine andere Besonderheit auf. 1881 war Internationalität einerseits ein Nebeneinander von Staaten, andererseits die internationale Kommunikation von Regierungen, Organisationen und Persönlichkeiten durch Konferenzen. Seither hat sich die Völkergemeinschaft mehr und mehr organisiert- weltweit und weltregionaL Europa hat sich Statuten gegeben: im Europa
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Hans F. Zacher
der Zehn ebenso wie im Europarat. Die Internationale Arbeitsorganisation ist zum weltweiten Motor der Sozialpolitik geworden. All das versucht das Programm zu reflektieren. 4. Das Colloquium steht aber, wie bemerkt, nicht nur im Spannungsverhältnis national - international. Es steht auch im Spannungsverhältnis zwischen dem historischen Charakter der Bismarckschen Sozialgesetzgebung und der Entwicklung der Sozialversicherung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Dimension der Entwicklung wird zunächst in der historischen Darstellung hervortreten, die in vier Stufen aufsteigen soll: von der Situation vor hundert Jahren über die Entwicklung bis zum 1. Weltkrieg, und die Entwicklung zwischen den beiden Weltkriegen bis zur Entwicklung vom 2. Weltkrieg bis in die Gegenwart. Die Entwicklung soll aber nicht nur rückschauend gesehen werden. Am Ende der geschichtlichen Darstellung soll daher der Blick auf die Tendenzen der Gegenwart gerichtet werden, die mutmaßen lassen, welchen Weg die Sozialversicherung in der Zukunft nimmt. Das soll vor allem für die genannten fünf Länder geschehen, für Europa und für die Entwicklungsländer, welche die "Entwicklung" ja in ihrem Namen tragen. Wird so die Entwicklung zunächst in primär zeitlicher Stufung verfolgt, so wendet sich das Colloquium später also mehr den aktuellen Entwicklungen spezifischer Weltregionen zu. Dazwischen aber liegt eine Phase des Programms, in der die Entwicklung in den wichtigsten immanenten Strukturen der Sozialversicherung gesehen werden soll: in den Bahnen der Risiken - spezifisch also für Krankheit und Mutterschaft, Invalidität und Unfall, Alter und Tod sowie Arbeitslosigkeit. Allgemeiner Zweck
Sozialpolitik ist zu einem zentralen Zweck und Instrument der modernen Staaten geworden, die sich Sozialstaaten oder Wohlfahrtsstaaten nennen. Um keiner anderen Funktionwillen ist der moderne Staat dem modernen Menschen wichtiger. Gleichwohl steht die wissenschaftliche Sorge um die Sozialpolitik und die wissenschaftliche Hilfe für eine gute Sozialpolitik außer jedem Verhältnis zu ihrer Bedeutung. Dieses Colloquium will deshalb nicht nur beschreiben, was die Sozialpolitik getan hat. Es will auch zeigen, wie viel die Wissenschaft noch zu tun hat.
Grußwort der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Anke Fuchs Sehr geehrter Herr Professor Zacher, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich, Sie alle hier in Berlin willkommen zu heißen. Sie sind in die Stadt gekommen, in welcher vor hundert Jahren die Grundlage für das deutsche Sozialversicherungssystem geschaffen wurde. Der morgige Festakt der Bundesregierung wird dies sicher gebührend würdigen; ich brauche dem also nicht vorzugreifen. Gleichzeitig möchte ich Ihnen allen, aber vor allem den zahlreichen Gästen aus dem Ausland, die Grüße der Bundesregierung überbringen. Gerade im Bereich der Sozialversicherung wäre eine Art von "nationaler Kirchturmpolitik" schon im Ansatz verfehlt: Wir müssen in unsere eigenen Überlegungen die Anregungen aus dem Ausland aufnehmen. Andererseits weiß ich auch, daß gerade im Ausland das Interesse an der sozialpolitischen Entwicklung in Deutschland groß ist. Sie, meine Damen und Herren, wenden sich als Sachkenner des · Sozialversicherungsrechts in dieser Woche den Fragen der Entwicklung der Sozialgesetzgebung zu. Sie verbinden hiermit vergleichende Untersuchungen im Bereich des internationalen Sozialrechts. Zu Ihren Themen gehört auch die Sozialversicherung im Rahmen der europäischen Sozialpolitik. Ich bin überzeugt, daß die europäische Integration ohne eine starke sozialpolitische Komponente auf Dauer nicht erfolgreich sein kann. Ich erinnere hier nur an Ludwig Rosenberg, den unvergessenen ersten Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes nach dem Kriege, der Inhalt und Sinn des europäischen Zusammenschlusses immer auch unter sozialpolitischen Gesichtspunkten sah. Er meinte nämlich: "Nicht einen Supermarkt für Konzerne oder einen Naturschutzpark für Gemüseproduzenten zu schaffen ist Sinn dieses Zusammenschlusses, sondern die Sicherung der individuellen und kollektiven Freiheit, die Schaffung und Erweiterung menschenwür digen Lebens für alle und die größtmögliche soziale Gerechtigkeit."
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Diese Sicherung der Freiheit, ohne ständige Angst vor Verelendung durch Arbeitsplatzverlust, durch Krankheitsfolgen und altersbedingte Leistungseinbuße, setzt solidarische Sicherung voraus. Deshalb verzichten Arbeitnehmer seit nunmehr hundert Jahren auf einen Teil ihres Einkommens, deshalb gibt es den Generationenvertrag, und deshalb gibt es das Sozialversicherungssystem. Damit haben wir auch ökonomisch gute Erfahrungen gemacht. Gegenwärtig gibt es in Europa ja mindestens zwei wirtschaftspolitische Denkrichtungen, die diese Erfahrungen beiseite schieben wollen: Die eine achtet die ökonomische Stabilisierung gering, die durch den Sozialstaat erzielt wird. Sie erhofft sich von einer unbehinderten Freisetzung der Güterproduktion die Lösung aller aktuellen Probleme. Übersehen wird dabei, daß damit der Gerechtigkeit, dem sozialen Frieden und damit einer Voraussetzung des wirtschaftlichen Wachstums der Boden entzogen wird. -
Die andere Denkrichtung neigt dazu, den Beitrag freier Produktion zu der beispiellosen Wohlstandsmehrung in den Industriestaaten zu unterschätzen. Sie vertraut auf Planung und Lenkung und hält Selbständigkeit für eine überholte Ideologie.
Bei:de Denkrichtungen sehen in dem Verhältnis von staatlicher Rahmensetzung und selbständiger Ausfüllung dieses Rahmens so eine Art Null-Summen-Spiel, in dem die eine Seite immer verliert, was die andere gewinnt. Die bundesdeutsche Erfahrung lautet anders: Nur wenn wir beide Seiten entwickeln, beide an die sich ständig verändernden Rahmenbe-
dingungen anpassen, können wir dem gemeinsamen Ziel näher kommen: nämlich individuelle Freiheit auf der Grundlage materieller Sicherheit zu verwirklichen. Wenn es gegenwärtig eine sinnvolle Debatte über den Sozialstaat gibt, dann um die Frage: Wie sieht unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen das Verhältnis von Verantwortung des einzelnen, staatlicher Sicherung und ökonomischer Leistung aus? Die Frage ist nicht mit Kahlschlägen zu beantworten. Alle drei Elemente sind kein Selbstzweck. Sie dienen alle drei dazu, Voraussetzungen zu schaffen, daß menschliche Freiheit in einer solidarischen Gesellschaft wirklich werden kann. Denn: Nur eine Kombination, eine Symbiose von starker, vom Staat herbeigeführter sozialer Sicherung, vom Staat durch Gesetzgebung eingelöster sozialer Gerechtigkeit mit einer marktwirtschaftliehen Ordnung liefert die Grundlage, auf der die Zukunft zu meistern ist.
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Ich stimme deshalb mit Ihrem Expose, Herr Professor Zacher, voll überein, in dem es heißt: "Sozialpolitik ist zu einem zentralen Zweck und Instrument der modernen Staaten geworden, die sich Sozialstaaten oder Wohlfahrtsstaaten nennen. Um keiner anderen Funktionwillen ist der moderne Staat dem modernen Menschen wichtiger." Ich stimme mit Ihnen auch darin überein, daß die wissenschaftliche Hilfe für eine gute Sozialpolitik noch sehr verbessert werden kann. Auch hierzu erhoffe ich mir von diesem Colloquium fruchtbare Anregungen. Die gegenwärtigen Attacken gegen den Sozialstaat werden ja - leider, wie mir scheint- oft genug von einem wenig gediegenen "Wissenschafts"-Journalismus unterstützt. Von Professor Dahrendorf beispielsweise ist zu lesen, man habe sich "schon zu lange Zeit auf die Unterprivilegierten konzentriert"(!), sein Kollege Helmut Schelsky klagt gleichmäßig- und gleichlautend über den "Sozialperfektionismus" eines freiheitsraubenden Staates, und Friedrich August von Hayek meinte gar, das Postulat der sozialen Gerechtigkeit sei nicht mehr als eine "Fata Morgana". All dies trägt, so meine ich, in der öffentlichen wie veröffentlichten Meinung dazu bei, daß "Trendwenden" gefordert werden. Man ist schnell bei der Hand mit Etiketten wie: "Das soziale Netz ist längst zur Hängematte degeneriert" oder auch: Sozialspinner in vielen Amtsstuben würden "Schmarotzer" und "Sozialschnorrer" auch noch hätscheln. Auf dem Hintergrund solch sozialfeindlicher Plakatierung werden die "Grenz·en des Sozialstaats" ausgemacht. Nun ist solche Kritik an der sozialen Sicherung weder neu noch originell. Selbst aus den 50er Jahren könnte ich Ihnen ähnliche oder gar gleichlautende Stellungnahmen zitieren; ich erinnere nur an den erbitterten Widerstand der Arbeitgeber gegen die erste tarifliche Durchsetzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall im Jahr 1957. Aber mangelhafte Originalität ist bei diesem Thema nicht entscheidend. Entscheidend ist, daß die altbekannten Vorwürfe ge·g en Sozialpolitik weder durch ständige Wiederholungen noch durch die Einschränkung auf die Regierungszeit der sozialliberalen Koalition richtiger werden. Es stimmt erstens nicht, daß die Sozialpolitik weitgehend kontraproduktiv wirkt und die sozialen Problemlagen der Bürger vergrößert statt sie zu lösen. Schon gar nicht trifft dies für die sozialpolitischen Maßnahmen der 70er Jahre in der Bundesrepublik zu. Die Arbeitnehmer in den Betrieben und ihre Gewerkschaften wissen jedenfalls, daß es bei uns vor 1969 ein nur sehr unvollkommenes Betriebsverfassungsgesetz gab, daß die Altersgrenze in der Rentenversicherung vor 1972 bei 65 Jahren la-g, sie wissen um die Anstrengungen zur Humanisierung des Arbeitslebens.
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Sie erfahren, daß bei Wechse! des Betriebes ihre Betriebsrente erhalten bleibt und daß die vorbeugende Sozialpolitik vor allem dem Schutz ihrer Gesundheit und ihrer Arbeitskraft dient.
Zweitens hat die soziale Sicherung eine unmittelbare und unverzichtbare ökonomische Funktion. Dies gilt für den Beitrag der Sozialleistungen zur Verstetigung der Güternachfrage ebenso wie für "die Akzeptanz des arbeitsparenden technischen Fortschritts", die, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erst vor einigen Monaten schrieb, weitgehend erst durch das soziale Netz ermöglicht wurde. Soziale Sicherung verbessert also die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch der Unternehmen. Und gute Sozialpolitik ist die entscheidende Voraussetzung für sozialen Frieden, für ·gesamtwirtschaftlich verantwortungsvolles Handeln der Gewerkschaften und für die Stabilität und Stärkung der Demokratie. Auch der Vorwurf an den Sozialstaat, er schränke Freiheit und Leistungsbereitschaft des einzelnen und damit seine Möglichkeiten zur Selbstentfaltung ein, steht auf tönernen Füßen. Mir scheint, daß dies vor allem von denjenigen beschworen wird, die von Leistung, Freiheit und Selbständigkeit reden, im Grunde aber ihren eigenen Standard einschließlich aller Sozialleistungen verteidigen. Die angeblichen "Grenzen des Sozialstaats" sind für mich ein schon oft in der Geschichte vorgebrachtes verteilungspolitisches Abwehrargumentall jener, die heute in und von diesem Sozialstaat gut und wahrlich nicht immer entsprechend ihrer Leistung bedacht werden. Beispiele dafür gibt es genug, wenn freilich auch nie so exakt und kurzfristig erfaßbar wie die Arbeitnehmereinkommen in der Lohnstatistik. Deshalb gelang es den Ärzten, die zur selben Zeit hier in Berlin eine Tagung unter dem Stichwort "Beherrschung statt Betreuung" veranstalten, noch vor wenigen Jahren, Ärzteeinkommen unterhalb der Facharbeiterlöhne für sich zu errechnen. Solche Beispiele ließen sich beliebig vermehren. Sie zeigen vor allem eines: Das Gerede vom Anspruchsdenken der Arbeitnehmer und Soziaileistungsempfänger soll vor allem dazu herhalten, die Privilegien der Gutsituierten zu sichern. Deshalb in aller Deutlichkeit: Wohlverstandene Sozialpolitik war und ist nach unserem Verständnis kein Züchten von überzogenen Ansprüchen. Unsere Sozialpolitik vermindert ökonomische Abhängigkeiten, verstärkt die rechtliche Stellung der abhängig Beschäftigten, verringert Gefahren für die Gesundheit und schafft materielle Absicherung gegen die wichtigsten Risiken des täglichen Lebens. Sie ist damit eine der wichtigsten Voraussetzungen, daß für abhängig Beschäftigte Freiheit und Selbstentfaltung erst ermöglicht wird.
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Der vielzitierte "soziale Friede" ist immer nur durch konkrete Politik erreichbar. Es gibt ihn nicht umsonst. Es gibt ihn vor allem dann nicht, wenn der fiskalische Ausgleich nur durch Eingriffe in Sozialleistungen rustande kommt, wie es von interessierter Seite immer wieder vorgeschlagen wird. Um noch deutlicher zu werden: Wenn der fiskalische Ausgleich sich verselbständigt und dadurch der soziale Ausgleich Schaden nimmt, stimmen alle Rechnungen nicht mehr - auch die politischen nicht. Bismarck muß so etwas wohl geahnt haben, als er vor hundert Jahren die "Soziale Frage", wie dies damals hieß, in Angriff nahm. Mit der "Kaiserlichen Botschaft" und dem Beginn der deutschen Sozialgesetzgebung wurde politisches Neuland betreten. Es gab keinen gewachsenen Boden, auf dem hätte aufgebaut werden können. Vergleichbare Lösungen in anderen Ländern waren nicht vorhanden. Widerstand rührte sich gerade in Bismarcks eigenem politischen Lager in starkem Maße. Dieser Beginn war, wie der Ausbau der sozialen Sicherheit in der Folgezeit und die Gestaltung ähnlicher Systeme in anderen Ländern zeigte, ein Schritt in die richtige Richtung. Die Tragfähigkeit der gefundenen Lösung war erstaunlich groß. Sie hat auch die Jahre 1918, 1933 und 1945 mit all ihrer Tragik überstanden. Dennoch kann nicht übersehen werden: Bismarck wollte nicht nur sozialen Schutz für die Arbeiter. Sein Ziel war, die Arbeiterschaft für die Regierung zu gewinnen und sie aus ihrer ablehnenden Haltung, in die sie vor allem durch das Verbot der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gedrängt wurde, herauszulösen und sie von ihrer Partei zu trennen. Dieser Versuch Bismarcks ist mißglückt. Die Einführung der Sozialversicherung konnte nicht zu ·e inem Verzicht der Arbeiterschaft auf Verwirklichung ihrer berechtigten Forderungen führen. Das Bemühen, die "Soziale Frage" - wie die Not und die mangelnde Integration der Arbeiterschaft in Staat und Gesellschaft genannt wurden - mit Hilfe der Sozialgesetzgebung zu regeln, hatte zur Folge, daß die Zielgruppe vor allem die politisch aktiven Industriearbeiter war. Es wurden nur die Leistungen gewährt, die zur staatspolitischen Integration der Arbeiterschaft als unbedingt notwendig angesehen wurden. Dieser Geburtsfehler, die teilweise falsche Zielsetzung der vor hundert Jahren beschlossenen Gesetzgebung, beschäftigt uns bis heute. Um einen Vergleich zu wählen: Zur damaligen Zeit wurde ein zwar modernes, aber viel zu kleines Haus gebaut, das im Lauf der Zeit mit vielen Anbauten, Verbindungstreppen und Zwischenetagen versehen werden mußte. In den zahlreichen Verwinkelungen kennen sich heute
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nur noch Fachleute aus. Qualitative Veränderungen, wie beispielsweise der Übergang vom kausalen zum finalen Denken in der Sozialversicherung, paßten nur nach großen Renovier- und Verbesserungsarbeiten in den ursprünglichen Bau. Gerade dieser intensive Ausbau des Sozialrechts über lange Zeiträume hinweg erbrachte jedoch eine Vielzahl von Sozialversicherungszweigen mit unterschiedlichen Leistungen. Eine Abstimmung der Zielsetzungen und eine Angleichung der Leistungen ist deshalb eine der großen Zukunftsaufgaben in der Sozialpolitik. Wir haben dies mit der Schaffung eines Sozialgesetzbuchs in Angriff genommen und haben auf diesem schwierigen Feld bereits Beachtliches erreicht. Dieser Weg muß fortgesetzt werden. Ich nenne hier nur die Kommission "Alterssicherungssysteme", die sämtliche Leistungen für das Alter vergleichen und bewerten soll. Ich bin sicher, daß die Wissenschaftler in dieser Kommission ebenso hilfreiche und fruchtbare Arbeit leisten wie die Wissenschaftler, die die Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung mit Rat und konstruktiver Kritik begleiten. Wie Sie wissen, muß die Reform der Hinterbliebenenversorgung am
1. Januar 1985 in Kraft treten. Sie wird ein weiterer Schritt dazu sein,
die volle Gleichstellung von Mann und Frau in der Rentenversicherung nicht nur im Prinzip, sondern auch in der Praxis durchzusetzen. Auch in Zukunft wird die finanzielle Stabilität der Sozialversicherung zusammen mit einer behutsamen, aber entschlossenen Weiterentwicklung des bestehenden Sozialrechts vorrangige Aufgabe aller verantwortlichen Sozialpolitiker sein. Ich bin überzeugt, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland hier auf dem richtigen Wege sind. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Aufenthalt in Berlin, fruchtbare Diskussionen und neue Erkenntnisse, also gute und erfolgreiche Arbeit auf Ihrem Colloquium.
L'assurance sociale- ses particularitesson röle dans le passe, le present et l'avenir Par Guy Perrin La commemoration du Message de Guillaume Ier au Reichstag en date du 17 novembre 1881 marque l'entree de l'assurance sociale dans la decennie de ses fastes seculaires. En effet, les trois lois allemandes qui ont jalonne l'avenement de cette institution ont ete adoptees au cours des annees quatre-vingtsl, en cette fin du XIXe siecle ou la question ouvriere se trouvait posee dans ses termes modernes, sous la pression croissante de l'industrialisation. L'Allemagne a su decouvrir alors une solution adequate a un problerne deja largement europeen et, pour cette raison, cette solution a bientot ete accueillie et transposee en d'autres pays du Vieux Continent2 • La priorite de l'Allemagne a cet egard doit etre rapportee aux particularites de son histoire nationale, mais son merite veritable se manifeste surtout dans la portee internationale de l'innovation sociale qu'elle a con. Jean Jaures, L'Armee nouvelle, troislieme edition, Paris 193·2, p . 335. 7 Du sort des ouvriers dans les manufactures, Revue mensuelle d'Economie politique, Paris, juillet et aout 1834. 8 Michelle Perrot, Mutualite et mouvement ouvrier au XIXe siede, Prevenir, Marseille, n° 4, octobre 1981. 9 Oscar Umrath, L'assurance sociale contre la maladie en Republique federale d'Allemagne, Bulletin de l'AISS, Geneve, mars 1961.- Karl Decurtins, La question de la protection ouvriere internationale. Memoire presente au Departement federal de !'Industrie et de l'Agriculture, Berne 1889.
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tive d'un personnel stable et qualifie incitaient a assimiler le travail un facteur de production non moins precieux que le capital.
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Face a ce conditionnement materiel et en interaction avec lui est apparue la conscience de valeurs sociales nouvelles, en ce sens taut au moins qu'elles sont devenues plus largement partagees, au point que le retournement des valeurs constate apres 1850 a pu etre impute a la conscience d'un « peche collectif de classe >> et a un veritable « remords social >>10• Deux mouvements de pensee concurrents, d'orientation politique et spirituelle, contestataires soit de la doctrine meme, soit des exces du liberalisme economique, ont favorise ce retournement et contribue a reintroduire la preoccupation de l'homme dans l'organisation du travail et de la vie economique. Il s'agit du socialisme et du christianisme social, tous deux en gestation dans le deuxieme tiers et destines a recolter les fruits de leurs efforts de reflexion et de persuasion dans le dernier tiers du XIXe siecle SOUS la forme d'un large succes d'opinion et de realisations sociales qui n'auraient pas ete possibles, ni aussi precoces, s'il n'avaient ete porteurs de valeurs capables d'inspirer la Salution des redoutables problemes humains iSSUS de la premiere revolution industrielle. Encore fallait-il compter avec les interventions reussies des agents createurs representes respectivement par les travailleurs, les employeurs et !'Etat. En effet, la viabilite d'une institution nouvelle tient souvent moins a l'innovation radicale qu'elle introduit et davantage a la maniere originale dont elle sait combiner les elements connus, en realisant la synthese des acquisitions anterieures et leur adaptation aux necessites du moment. A cet egard, l'assurance sociale est apparue non pas comme un commencement absolu, mais bien comme l'agencement heureux de tentatives diverses, qui visaient egalement a accorder aux travailleurs une protection a la mesure des defis sociaux de l'industrialisation. En fait, elle devait beaucoup aux initiatives distinctes des travailleurs et des employeurs qui ont inspire la synthese novatrice, sans pouvoir la n~aliser eux-memes, faute de disposer des capacites de connaissance et de decision attribuees a l'Etat. Les travailleurs etaient disposes a promouvoir la solidarite par affinite et obligation11 . Leur effort de defense sociale, entrepris dans des
1° Fran!;ois Bedarida, Le socialisme en Grande-Bretagne de 1875 a 1914, Histoire generale du socialisme, tarne II, Paris 1974, p. 352. 11 15• De plus, eile avait ete retions ouvrieres qui en soi embrassent a peu pres toutes les oeuvres >>. Leon XIII, Encyclique Rerum novarum, 15 mai 1891, Encycliques et Messages sociaux, Paris 1966, p. 54, 55 et 82. 14 L'interet de !'Etat pour le developpement de la prevoyance libre, s'est manifeste notamment en Belgique avec la loi du 8 mai 1850 instituant la Caisse generale de retraite et en France avec la creation de la Caisse nationale de retraite pour la vieillesse par la loi du 28 juin 1860 et de la Caisse nationale d'assurances contre les accidents par la loi du 11 juillet 1868. 15 Observons . .. la distribution des travaux et des moyens de subsistance et nous verrons qu'il serait impossible de conserver ces moyens dans le meme degre et ... d'entretenir la meme masse de population, si un grand nombre d'individus cessaient de n'avoir pour subvenir presque entierement a leurs besoins et a ceux de leur famille que leur industrie et ce qu'ils tirent des capitaux employes a l'acquerir ou a en augmenter le produit. Or, la
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commandee a l'encontre de risques particuliers dans les propositions de plusieurs precurseurs, comme Daniel Defoe, le comte de Boulainvilliers, Chamousset ou Amedee de la Rousseliere16• Mais l'invention de l'assucon:servation de l'nne et de l'autre de ces ressources depend de 1a vie, de la sante meme du chef de chaque famille. C'est, en quelque sorte, une fortune viagere ou meme plus dependante du hasard, et il en resulte une difference tres reelle entre cette classe d'hommes et celle dont les ressources ne sont point assujetties aux memes risques, soit que le r·evenu d'une terre, ou l'interet d'un capital presque independant de leur industrie, fournisse a leurs besoins. Il existe donc une cause necessaire d'inegalite, de dependance et meme de misere qui menace sans cesse la classe la plus nombreuse et la plus active de nos societes. Nous montrerons qu'on peut la detruire en grande partie en opposant le hasard a lui-meme; en assurant a celui qui atteint la vieUlesse un secours produit par ses epargnes, mais augmente de celles des individus qui, en faisant le meme sacrifice, meurent avant le moment d'avoir besoin d'en recueillir le fr.uit; en procurant, par l'effet d'une compensation sem.blable, aux femmes, aux enfants, pour le moment ou ils perdent leur epoux ou leur pere, une ressource egale et acquise au meme prix, soit pour les familles qu'afflige une mort prematuree, soit pour celles qui conservent leur chef plus longtemps; enfin, en preparant aux enfants qui atteignent l'äge de travailler pour eux-memes et de fonder une famille nouvelle, l'avantage d'un capital necessaire au developpement de leur industrie, et s'accroissant aux depens de ceux qu'une mort trop prompte empechent d'arriver a ce terme. C'est a l'application du calcul aux probabilites de la vie, aux placements d'argent, que l'on doit l'idee de ces moyens, deja employes avec succes, mais jamais avec cette etendue, avec cette var.iete de formes qui les rendraient vraiment utiles, non pas seulement a quelques individus, mais a la masse entiere de la societe qu'ils delivreraient de cette ruine periodique d'un grand nombre de familles, source toujours renaissaute de corruption et de misere. Nous ferons voir que ce moyen, qui peut etreemploye au nom dela puissance sociale, et dev·enir un de ses plus grands bienfaits, peut etre aussi le resultat d'associations particulieres, qui se formeront sans aucun danger, lorsque les principes d'apres lesquels les etablissements doivent s'organiser seront devenus plus populaires, et que les erreurs qui ont detruit un grand nombre de ces associations cesseront d'etre a craindre pour elles. >> Condorcet, Esquisse d'un tableau historique des progras de l'espdt humain, Paris 1971, p. 261 et s. 16 Dans son Essai sur divers projets de 1697, Daniel Defoe imagine l'institution d'assurances specifiques en cas de maladie, vieillesse ou deces, destinees a prevenir la pauvrete et la misere, de sorte que «taute creature, si miserable et si pauvre qu'elle soit, puisse revendiquer sa subsistance comme un du, au lieu de l'implorer comme une aumöne ». Le comte de Boulainv.i lliers suggeve d'instituer des « boui1Ses communes » alimentees par le prelevement obligatoire d'un cinquieme du salaire des journaliers, domestiques et compagnons a charge de pourvoir a l'education de leurs enfants et de les assister dans la maladie ou la misere. Memoire presente a Mgr le duc d'Orleans contenant les moyens de rendre ce royaume tres puissant .et d'augmenter consLderablement les revenus du Roy et du peuple, La Haye, Amsterdam 1727, p. l&----74. Cite par Jean-Pierre Gutton, La societe et les pauvres en Europe (XVIe-XVIIIe siecles), Paris 1974, p.165. Pour sa part, le Maitre des comptes Chamousset proposa d'utiliser la technique de l'assurance pour garantir des secours aux malades dans le cadre de « maisans d'association ».Memoire sur l'etablLssement de compagnies 3*
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rance sociale a represente bien davantage, puisqu'elle a propose l'institution legale d'un mode coherent de protection collective procedant d'une philosophie politique et disposant d'une technique comme d'une forme d'organisation etroitement associees aux necessites et aux capacites du milieu industriel en formationo La philosophie politique qui a inspire l'adoption des premiers regimes legaux d'assurance sociale est issue de la reflexion des economistes de l'Ecole du Socialisme de la Chaire sur les problemes humains du developpement, tels qu'ils se posaient de maniere experimentale, avec une particuliere acuite, en relation avec l'industrialisation allemandeo D'abord restreinte au milieu universitaire auquel appartenaient les plus eminents de ses membres, cette Ecole a gagne en influence gräce au relais opportun de 1'Association pour la politique sociale, fondee le 13 octobre 1873 au Congres d'Eisenacho A la difference des Ecoles economiques etrangeres, notamment celles de Manchester et de Lausanne, elle a beneficie de son orientation politique, qui se fondait sur le developpement relativement precoce du socialisme allemand, organise en parti politique, et sur la reconnaissance de la responsabilite etatique dans le domaine socialr7 Le rapprochement tres favorable de la competence economique, de l'inspiration socialiste et de l'etatisme social conferait au Socialisme de la Chaire des avantages appreciables dans la recherche d'une reponse a la question ouvriereo Cette reponse a consiste a proposer comme objectif politique l'integration du « Quatrieme Etat» represente par le proletariat industriel dans la nation18, en echo a la COn0
qui oa-ssureront en malaJdiie des secours, L'annee 1itteraire, tome V, 1770, Po 2650 Cite par Georges Robert, La sante et son histoire, 1981, roneoteo Enfin, Amedee de la Rousselit~re elabora le projet d'un regime de retvaite par repartifliono Leon-Eli Troclet, De la Rousseliere, Precurseur d 'un regime obHgatoire de pens.ions de retraite, 1862, Revue beige de securite sociale, no 2, Bruxelles 19760 17 La necessite de l'interv-ention etatique avait ete soulignee par Ducpetiaux, qui avait conteste la proposition de Villerme tendant a developper les premieres legislations sociales au moyen d'une entente internationale entre les employeurs : « o Il est impossible de fonder, comme quelques-uns le voudraient, l'oeuvre de l'amelioration de la class·e ouvriere exclusivement sur l'assentiment et le concours desinteresse des chefs d'industrie; c'est a la societe tout entiE~re, c'est a !'Etat qui la represente a prendre !'initiative de cette oeuvre et a la mener a bonne fin »o De la condition physique et morale des jeunes ouvriers et des moyens de l'ameliorer, Livre troisieme, tome second, Bruxelles 1843, Po 294 et So 18 Dans « La question sociale et l'Etat prussien >> Die soziale Frage und der preußische Staat, Preußische Jahrbücher, 1874, volume 3, no 4 - , Gustav Schmoller a parfaitement exprime cette motivation politique: « De meme que la royaute a reussi, dans une lutte seculaire, a sauver le Troisieme Etat, la bourgeoisie et les paysans, a le relever et a le reconcilier avec les classes privilegiees d'autrefois, de meme la royaute doit, au XIXe siecle, regler le differend du Quatrieme Etat avec les autres classes et le reintegrer, de maniere harmonieuse, dans l'organisme de l'Etat et de la societe >>o Traduit de Zur Social- und Gewerbepolitik der Gegenwart, Leipzig 1890. 0
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statation d'Auguste Comte qui le decrivait campant dans la cite sans y etre case19. Or precisement, l'assurance sociale representait le moyen privilegie d'atteindre cet objectif2{). L'acceptation de l'objectif et du moyen releve de l'histoire politicienne, sans qu'il soit permis de comparer l'intervention habile d'un pouvoir avise et l'anticipation creatrice qui commande de rendre hommage aux Maitres du Socialisme de la Chaire21 • Le caractere specifique de l'assurance sociale s'est egalement affirme des l'orig'ine dans la profonde mutation qu'elle a imposee a la technique de l'assurance, convertie en authentique institution de protection sociale. Si la technique de l'assurance demeurait l'instrument privilegie de la repartition des risques entre les membres de la collectivite protegee, avec perequation des charges financieres au moyen de cotisations, eile etait soumise, du fait de sa qualification nouvelle, a une finalite sociale qui modifiait profondement sa nature. D'une part, il s'agissait desormais d'une assurance obligatoire imposee par la loi a certaines categories de la population et constitutive de droits garantis sous la responsabilite de la puissance publique22 • D'autre part, les categories protegees etaient determinees en fonction de l'appreciation des besoins a satisfaire dans l'interet general de la societe comme dans l'interet particulier des assures, puisqu'elles concernaient, selon la delimitation du 19 « .•. La plupart des proletaires restent plutöt campes que cases dans nos cites anarchiques. >> Catechisme positiviste, Le proletariat dans la societe moderne, Paris, p. 169 et s. 20 Adolf Wagner, Der Staat und das Versicherungswesen, Sozialökonomische Studie, Tübingen 1881. 21 Pourtant l'echo des theses du Socialisme de la Chaire se retrouve dans le Message imperial du 17 novembre 1881 : > 30, avec une comLa preference des travaiUeurs a ete formulee notamment p.ar Hermann Molkenbuhr, dans le rapport et la resolution qu'il a presentes au nom de la d{üegation allemande au sixieme Congres socialiste international tenu a Amsterdam du 14 au 20 aoüt 1904, sous le dixieme point de !'ordre du jour consacre a la politique sociale et a l'assurance ouvriere : « Les frais de l'assurance et en premiere ligne ceux de l'invalidite et de la vieillesse et pour les veuves et les orphelins seront a prelever par des impöts sur le capital, le reveJ1JU et la succession. Lorsqu'il n'en est pas ai.nsi, les frais des assurances retombent sur le salaire des ouvriers, quand meme les patrons interviendraient. >> Campte rendu analytique publie par le Secretariat socialiste international, Bruxelles 1904, p. 29 et s. 29 En 1891 au Danemark, en 1898 en Nouvelle-Zelande, en 1900 en Belgique (loi du 10 mai 1900 pour les ouvriers), en 1908 au Royaume-Uni, en 1909 en AustraB-e et en Islande, puis en 1912 en Belgique de nouveau (loi du 11 mai 1912 pour tous les citoyens belges). Il convient de rappeler que, lors de l'elaboration de la premiere legislation allemande d'assurance-maladie, Bismarck avait propose d'instituer une contribution de !'Empire plutöt qu'une cotisation des travailleurs. 3~ Des le debut de sa vie politique, Jean Jaures s'est interesse aux virtualites de l'assurance sociale : >. Debats parlementaires, Chambre des Deputes, seance du 12 juillet 1905, Journal officiel du 13 juillet 1905, p. 2890 et s. Ce parti pris entrainait logiquement l'acceptation de la cotisation ouvriere, que Jaures a confirmee lors des debats parlementaires prealables a l'adoption de la loi fran~;aise du 5 avril 1910 sur les retraites ouvrieres et paysannes .. . > Sir William Beveridge, Insurance for all and everything, Landres 1924, p. 6 et s. 44 « ..• Considerant que le meilleur moyen de realiser une telle prevoyance [en vue de prevenir et de retablir taute perte des forces productrices des travailleurs] consiste dans l'institution de l'assurance sociale qui donne au benefic:iaire des droits nettement etablis .. . >> . 45 Cette conception a ete reaffirmee par !'Assemblee constitutive de la Conference internationale des Unions nationales de Societes de Secours mutuels et de Caisses d'assurance-maladie, tenue a Bruxelles les 4 et 5 octobre 1927, en ces termes : « .•• La forme la plus efficace de l'effort de prevoyance constant et systematique en vue de prevenir et retablir taute perte des forces product~ices des travailleurs consiste en l'institution de l'assurance obligatoire ... >> . Association internationale de la Securite sociale, Les origines de l'AISS, Documents historiques 1927-1947, R:ecueil de documents publie a l'occasion du Cinquantieme anniversaire de 1'AISS, Geneve, octobre 1977, p.12.
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travail et des maladies professionnelles ou l'employeur seul etait redevable de cotisations. Cependant, dans le domaine de l'assurance-pensions, une contribution complementaire des pouvoirs publies etait prevue, a titre d'obligation46 , alors qu'elle etait seulement facultative dans le cas de l'assurance-maladie. Le röle de la cotisation n'etait pas exclusivement d'ordre financier, car elle constituait aussi pour le travailleur un fondement sur du droit aux prestations justement qualifte de « droit gagne ,, et, pour le travailleur comme pour l'employeur, une justification serieuse de leur vocation a participer a l'administration des regimes. En quatrieme lieu, le modele international imposait la participation des travailleurs, des employeurs et des representants de l'Etat, selon le cas, a l'administration des regimes, comme un element distinctif de l'assurance sociale en tant qu'institution specifique et autonome de la nouvelle democratie industrielle47 • Enfin, la garantie de droit mise en ceuvre par l'assurance sociale devait comporter une faculte de recours reconnue a l'assure ou a ses ayants cause en cas de litige en matiere de prestations et il etait prevu de confier le reglement des litiges a des juridictions speciales pourvues d'assesseurs choisis parmi les representants des travailleurs et des employeurs48 • Ainsi, le modele international propose par l'OIT privilegiait singulierement les aspects institutionnels de l'assurance sociale par rapport aux conditions d'attribution, de calcul ou de service des prestations. Une telle option, plus formelle que technique, a certainement contribue a favoriser la structuration et la propagation d'un modele harmonise de l'assurance sociale, presentee comme l'institution la mieux adaptee aux necessites et aux particularites du milieu industriel en formation. En depit de ses caracteres communs de type institutionnel, ce modele etait fragmente 'e n branches diverses, elles-memes dissociees en regimes destines a des categories particulieres de travailleurs salaries. Cette double distinction etait revelatrice d'une conception parcellaire de l'assurance sociale, qui reproduisait les phases de son developpement historique et l'etat de ses realisations dans la plupart des Etats membres de l'OIT. Elle se justifiait aussi par des considerations tech46 Tautefais, s'il s'agissait d'une assurance-pensians etendue a taute la papulation, les emplayeurs n'etaient pas tenus de contribuer a san financement. 47 L'administratian directe de l'Etat eta;it neanmains admise, dans certaines circanstances, pour l'assurance-maladie et en tout ca:s paur l'assurancepensians. 48 La recommandatian (n° 23) sur la reparatian des accidents du travail (juridiction) a prapose des 1925 d'assacier les travailleurs et les employeurs aux h_Iridictions speciales chargees de regler les Conflits relatifs a la reparatian des accidents du travail, en considerant que leur participation a ces juridictions, campte tenu de leur competence professionnelle, pouvait permettre d'abautir a des solutions plus equitables.
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niques et pratiques, tenant d'une part aux variations propres a l'organisation des differentes branches et, d'autre part, a la facilite de ratification permise par des conventions diversifiees quant a leur champ d'application materiel et personnel. La pertinence des considerations techniques s'appliquait surtout a la distinction des branches couvertes, qui concernaient l'ensemble du domain ouvert a l'assurance sociale, a savoir les eventualites de maladie, de maternite, d'invalidite, de vieillesse, de deces du soutien de famille, d'accident du travail, de maladie professionneUe et de chömage. En revanche, la distinction entre les diverses categories de travailleurs proteges, a savoir les travailleurs salaries de l'industrie, du commerce, de l'agriculture et les gens de mer, ne s'imposait vraiment que pour les risques survenant a ces derniers en cas de navigation. A cette exception pres, en effet, les normes de protection etaient en general equivalentes pour toutes ces categories de travailleurs. Les considerations pratiques l'emportaient donc a cet egard, ainsi que la necessite de reserver la protection des gens de mer aux sessions speciales de la Conference internationale du Travail consacrees aux questions maritimes. En taut cas, les instruments de l'OIT relatifs a l'assurance sociale etaient parfaitement representatifs de la conception dominante de cette institution, destinee en priorite a la classe salariale et divisee par nature et par tradition en branches et regimes divers, a l'echelon international comme a l'echelon national. Mais, parallelement a la diffusion et a l'expansion de l'assurance sociale, cette conception meme etait remise en cause par le murissement d'idees nouvelles, qui avaient germe lentement dans la conscience ouvriere et dans la reflexion doctrinale. Ces idees etaient inspirees principalement par l'insatisfaction que les developpements concrets, encore que remarquables, de cette institution laissaient subsister dans l'ordre pratique et theorique. La conscience de cette insatisfaction s'etait manifestee en Allemagne meme, des 1903, dans une resolution du Reichstag sur l'unification legislative des assurances sociales, qui devait aboutir a la premiere codification de 1911. D'une part, SOUS l'aspect pratique, auquelles travailleurs etaient surtout sensibles, la protection instituee par l'assurance sociale souffrait de graves insuffisances, dues a son caractere partiel et parcellaire, auxquelles une progression trop lente tardait souvent a remedier. En effet, de maniere generale, elle concernait seulement certains des risques sociaux auxquels se trouvaient exposees certaines categories professionnelles, selon un degre d'extension et un ordre de priorite variables d'un pays a l'autre, au gre d'influences politiques qui ne s'interessaient pas toujours aux maux les plus repandus et aux situations les plus dignes d'interet. De plus, il etait encore exceptionnel que la legislation reconnut un droit derive aux membres de famille, con-
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formement a une notion familiale de la protection qui n'avait pas ete admise des l'origine, SOUS l'influence de l'assurance privee41l. Aussi les organisations syndicales ont-elles aborde relativement töt l'analyse rationneUe des besoins de protection propres aux travailleurs salaries, afin de leur assurer une garantie g!'merale de revenu social commune a tous les risques dont la realisation avait pour effet de reduire ou de supprimer le revenu professionnel. Des 1912, le Congres du Parti ouvrier socialdemocrate de Russie, tenu a Prague, a presente les conclusions rigoureuses de cette analyse d'une maniere qui prefigure la conception fonctionnelle de la securite sociale a laquelle devait parvenir plus tard la Conference internationale du Travail, au cours de sa 26e session, a Philadelphie, lors de l'adoption de la recommandation (n° 67) sur la garantiedes moyens d'existence, le 12 mai 1944. Ainsi, pour ce Congres historique, la fonction de l'assurance sociale avait pour objet de garantir, dans une mesure satisfaisante, le revenu professionnel du travailleur en toute eventualite ou il se trouverait dans l'incapacite ou l'impossibilite de travailler, a temps complet ou a temps partiel, pour une cause physiologique ou economique independante de sa volonte. Il etait donc clair a cette epoque, pour les interesses tout au moins, que seule une organisation coherente de la protection, par Opposition aux realisations partielles et parcellaires de l'assurance sociale, etait de nature a assurer aux travailleurs une securite complete. D'autre part, SOUS l'aspect theorique, la reflexion doctrinale a propose aussi des perspectives nouvelles d'extension et de rationalisation de l'assurance sociale, qui visaient a modifier profondement la conception traditionnelle de cette institution et annon>. 53 Karl Pribram, Le problerne de l'unification des assurances sociales, Revue internationale du Travail, Geneve, mars 1925. 54 Joseph L. Cohen, Social Insurance unljj'ied, Londlres 19·214. Les organes adminis·tr>atifs de l'assurance sociale, Revue jnternationa}e du Travail, Geneve, avril 1925. L'apport du Professor Cohen, de la Faculte des sciences economiques de l'Universite de Cambridge, en matiere d'unification de l'assurance sociale,
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leur organisation technique 55, administrative et financiere 56 • Malgre de nombreux obstacles dus tant a }a Situation economique qu'aux pesanteurs administratives, ces objectifs ont laisse des traces significatives dans les projets ou les realisations de l'entre-deux-guerres, par exemple en Australie dans un projet d'organisation de 1920 qui anticipait sur la conception fonctionnelle de la securite sociale~17 , en Autriche, avec la coordination des regimes d'assurance sociale entreprise sous l'impulsion des chambres representatives des interets des ouvriers et des employes en vertu de la loi du 26 fevrier 1920, et en France ou le regime des assurances sociales institue en 1928 et 1930 a beneficie de sa longue elaboration, de son adoption relativerneut tardive et de son introduction generale et simultanee pour toutes ses branches. De plus, il convient de rappeler aussi les premiers efforts de la cooperation technique internationale en ·faveur de la rationalisation de l'assurance sociale, qui se sont manifestes notamment dans la fusion administrative de la reparation des accidents du travail et des maladies professionnelles avec les branches relatives a la maladie, a l'invalidite et au deces d'origine non professionnelle, lors de l'adoption de la loi grecque du 23 septerobre 1934 sur les assurances sociales58• La Conference internationale du Travail a fait echo, a deux reprises, aux preoccupations et aux propositions qu'appelait alors l'etat de l'assurance sociale. D'une part, des 1925, elle a pris une resolution concernant les problemes generaux de l'assurance sociale, qui soulignait l'unite foneiere des regimes destines a couvrir l'ensemble des risques est comparable en importance a celui de Beveridge dans le domaine de l'extension du champ d'application materiel et personnel des regimes de l'entre-deux-guerres. 55 Alfred Manes, Les prestations de l'assurance sociale, Revue internationale du Travail, Geneve, mai 1925. 56 La rationalisation des assurances sociales, Les travaux du Premier Congres international des experts d'assur.ance soci.ale, Budapest 1935. 57 Une commission d'enquete gouvernementale instituee en Australie en septembre 1923 a propose, dans son premier rapport, la creation d'une organisationnationale d'hygiene pour les soins medicaux, preventifs et curatifs, a cöte d'une caisse nationale d'assurance pour les prestations en especes en cas de maladi;e, de maternite, d'invalidite, de v·i•edllesse, d•e deces et d'accident, ainsi que pour les charges de famille. Par1iament of the Commonwealth of Australia, First Progress Report of the Royal Commission on National Insurance, Imprimerie officielle de l'Etat de Victoria, 1925. 58 Une orientation analogue favorable a une protection de type finaliste, et non plus causaliste, avait ete recommandee egalement par Beveridge: «In any comprehensive re-organization of social insurance, workman's compensation would assuredly be absorbed in the provision made on the one hand for the disablement of the breadwinner, however caused, and on the other hand for the ·death of the breadwinner, however caus·ed, whether by d isease or by accident, whether in or out of the course of his ·employment. » Sir WHliam Beveridge, Insurance for all and everything. Ouvrage cite, p. 12.
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encourus par les travailleurs salaries, et eile a attire l'attention sur la necessite d'un effort constant et systematique en vue de prevenir toute perte ou diminution evitables de la capacite ou de la possibilite de gain a la disposition de ces travailleurs. D'autre part, lorsqu'elle a adopte la recommandation (n° 43) sur l'assurance-invalidite-vieillesse-deces, en 1933, eile a propose d'en etendre le benefice aux travailleurs independants economiquement faibles de l'industrie, du commerce et de l'agriculture, lorsque les circonstances economiques, sociales et administratives le permettraient59• Elle a contribue ainsi a rompre la liaison historique etablie entre l'assurance sociale et le mode de protection specifique de la classe salariale, tout en indiquant la voie d'une unification possible des regimes applicables a l'ensemble des travailleurs. En revanche, la Conference internationale du Travail n'a pas immediatement releve l'une des realisations legislatives les plus novatrices de l'epoque60, par rapport aux conceptions traditionnelles de l'assurance sociale, a savoir celle qui procedait de l'apparition des premieres legislations d'allocations familiales en Nouvelle-Zelande en 1926, sur le mode du service public, puis en Australie (Nouvelle-Galles du Sud) en 1927, en Belgique en 1930 et en France en 1932, au moyen de regimes de compensation finances exclusivement par les cotisations des employeurs. Or, ces legislations revelaient une orientation nouvelle de la protection sociale, car elles instituaient un mode de redistribution des revenus distinct de l'assurance sociale par son origine comme par sa finalite, liee a la garantie nouvelle d'un revenu social de compensation. Cependant, a la finde la periode consideree, l'action normative internationale de l'OIT a ete relayee utilement a l'echelon regional par les resolutions emanant de la Premiere et de la Deuxieme Conference du Travail des Etats d'Amerique membres de l'OI'r'\ qui ont ete reunies dans le Code interamericain des assurances sociales62 • Outre l'effort de codification internationale consigne dans ces resolutions, elles se recommandent aussi par leur option deliberee en faveur de l'assurance sociale dans le cadre general de la securite sociale63, dont elles ont 59 Une telle extension etait encore rarement prevue par les legislations nationales. Envisagee notamment par l'Italie en 1919 et par la Belgique en 1930, elle n'a guere ete suivie d'effet avant la premiere guerre mondiale qu'en Allemagne, ou une loi de 1938 a institue une assurance-pensions pour les artisans. 60 Alloc.ations familiales, Ebudes et documents, Serie D, no 13, Geneve 1924. 01 Santiaga du Chili (1936) et La Havane (1939). 62 Le Code international du Travail, 1951, volume II, Annexes, Geneve 1954, p. 708. 63 « Estimant que l'assurance sociale obligatoire constitue le moyen le plus rationnel et le plus efficace pour donner aux travailleurs la securite sociale a laquelle ils ont droit >>, la Conference du Travail des Etats d'Amerique membres de l'OIT en a souligne les avantages en ces termes : « Par rapport
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consacre l'appellation nouvelle a l'echelon international. Dans cette mesure, elles peuvent etre considerees a la fois comme la systematisation juridique de l'assurance sociale et une transition historique vers la doctrine moderne de la securite sociale. Cette double contribution a l'essor de l'assurance sociale en Amerique a ete confirmee par les resolutions relatives a la generalisation, a la coordination et a l'unification de la securite sociale, adoptees par la Premiere Conference interamericaine de securite sociale, reunie a Santiago du Chili du 10 au 16 septembre 1942, a !'initiative du Docteur Salvador Allende, en sa qualite de Ministre de la sante publique, de la prevoyance et de l'assistance sociale du Chili, et avec le concours de l'OI'f'H.
111. Securite sociale et assurance sociale L'apparition du premier systeme de securite sociale, representatif non plus seulement d'un changement formel de terminologie, comme la loi americaine du 14 aout 1935, mais bien d'une conception renovee de la protection, avec la loi neo-zelandaise du 14 septerobre 1938, a annonce la fin de l'ere triomphante ou l'assurance sociale imposait la consecration institutionneUe d'une technique de protection. La rupture consommee alors s'est accompagnee d'une mutation decisive, qui a substitue a l'assurance sociale un type d'institution, sinon radicalement nouveau, du moins profonderneut renouvele, dont l'origine se rattachait plus directement a l'assistance sociale. En effet, dans le premier systeme neo-zelandais de securite sociale, l'extension de la protection a toute la aux autres methodes de prevoyance collective, telles que l'assistance sociale ou les regimes de pensions non contributives finances entierement sur les fonds publies (lesquels peuvent toutefois constituer la seule methode praticable pour satisfaire a des besoins existants), l'assurance sociale obligatoire comporte des avantages sensibl-es : a) materiellement et moralement, elle associe les travailleurs interesses, desquels une contribution est exigee, a la protection de leur sante et de leur capacite de travail; b) elle comporte la creation d'institutions autonomes d'assurance destinees exclusivement a !'Organisation de la prevention et de Services de prestations medicales et en especes; c) elle accorde des prestations en vertu de droits definis, et ainsi sauvegarde la dignite du beneficiaire, qui est garanti contre des decisions arbitraires de la part de l'organisme charge d'accorder les prestations; d) elle garantit le paiement de prestations par l'affectation de ressources determinees et par la repartition des frais sur de longues periodes, conformement aJUX reg1es etablies par la science actuarielle. » Code interamericain des assurances sociales, I, Objectifs generaux des assurances sociales, point 6, Le Code international du Travail, ouvrage cite, p. 708 et 710. M Une structure nouvelle de la securite sociale, L'oeuvre de la Conference interamericaine de securite sociale de Santiago du Chili, Revue internationale du Travail, Geneve, decembre 1942.
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population, saus reserve d'une condition de ressources a observer pour le benefice des prestations en especes, aI'exception des pensions de vieillesse accordees a l'äge de 65 ans et des prestations familiales, relevait d'une systeme public de redistribution des revenus collectes au moyen de l'administration fiscale, en vue de garantir l'octroi des soins medicaux et d'un revenu de base dans toutes les eventualites reconnues, au moins pour les membres les plus defavorises de la collectivite nationale. L'originalite de la conception neo-zelandaise de la securite sociale, qui s'opposait trait pour trait a la conception traditionneUe de l'assurance sociale en ce qui concerne l'universalisation et les modalites de la protection, comme ses methodes d'organisation technique, financiere et administrative, temoignait d'une rigueur novatrice qui poussait a !'extreme la singularite d'une experience nationale. Au contraire, le modele britannique de securite sociale expose dans le Rapport de Beveridge sur l'assurance sociale et les services connexes (1942), dont le titre meme evoquait la continuite plus que le changement, et le modele international propese par la recommandation (n° 67) de l'OIT sur la garantie des moyens d'existence (1944) n'ont pas rompu avec la tradition de l'assurance sociale. Cependant, ils l'ont reduite au rang d'une technique sans doute privilegiee, mais neanmoins subordonnee, au Service d'une institution a competence generale et a vocation unitaire, chargee de garantir des moyens d'existence a la majeure partie ou meme a l'ensemble de la populationentaute eventualite, gräce a la conjonction ou a l'integration des techniques anterieures de protection65. Libre d'adapter ses moyens a ses finalites, sans s'identifier a aucun d'eux, la securite sociale devait determiner desormais le domaine et le röle de l'assurance sociale en fonction de ses propres objectifs. Encore tres etendu dans la doctrine moderne de la securite sociale, soit britannique soit internationale, le domaine de l'assurance sociale a ete progressivement delimite par l'evolution des legislations, qui ont procede aux adaptations techniques requises en vertu des principes essentiels d'universalisation et d'integration, tandis que son röle, diversement apprecie a l'origine, se precisait a l'egard de categories particulieres de la popu65 La question des limites de l'assurance sociale a ete posee des 1935 par un esprit aussi competent que clairvoyant : « Social insurance has undoubtedly a part to play in ushering in social security. But in our enthusiasm for it we should not give it more credit than it deserves. It is undoubtedly an ingenious method for safeguarding the interests of society against the undeserving claimant who is unwilling to participate in production; it is a concession to the frailty of our politicallife and our political institutions ... It will compeU the poor to keep the poor. >> Dr Evelline M. Bums, Can Social Insurance Provide Social S~urity, Social Security in the United States, A Record of the Eighth National Conrerence on Social Security, New York City, April 26 and 27, 1935, New York, American Association for Social Security, 1935, p. 124.
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lation protegee ou de fonctions specifiques de protection, face aux tendances nouvelles de la politique sociale visant a reduire les inegalites et a lutter contre la pauvrete.
A la difference du precedent associe a la legislation neozelandaise de 1938, la doctrine moderne de la securite sociale, tant dans le Rapport Beveridge que dans la recommandation (n° 67) de l'OIT, a attribue a l'assurance sociale un domaine a peu pres identique et fort important, en la considerant comme la technique de protection la plus appropriee a la garantie d'un revenu social de substitution au revenu professionnel, dans toutes les eventualites prises en charge par les regimes anterieurs d'assurance sociale, au moyen de prestations en especes de maladie, de maternite, d'accident du travail, de maladie professionnelle ou de chornage et de pensions d'invalidite, de vieillesse ou de survivants66 • En revanche, Beveridge recommandait le mode du service public pour les soins medicaux, saus la forme d'un service national de sante, et pour les prestations familiales, campte tenu de l'extension de ces prestations a taute la population, qui appelait a son avis un financement budgetaire, mieux adapte a l'institution d'un regime de solidarite nationale. De meme, la recommandation (n° 69) sur les soins medicaux, adoptee comme la recommandation (n° 67) le 12 mai 1944 par la Conference internationale du Travail a Philadelphie, orientait les Etats membres de l'OIT vers la formule du service national de sante, concurremment a l'assurance nationale, lors du passage de regimes parcellaires d'assurance-maladie a des regimes destines a mettre en reuvre l'universalisation du droit aux soins medicaux, tandis que la recommandation (n° 67) envisageait, outre le revenu social de substitution garanti par l'assurance sociale, l'octroi de prestations familiales et d'allocations aux invalides, aux vieillards et aux veuves indigents, depourvus de droit a pension, au moyen de regimes d'assistance sociale. Ainsi, la doctrine moderne de la securite sociale incluait d'une certaine maniere l'assistance sociale comme une technique de protection residuelle ou complementaire destinee, au moins a titre transitoire, a combler les lacunes et les insuffisances temporaires de l'assurance sociale quant a l'extension des legislations, a l'octroi Oll aU niveaudes prestations. La Situation enviable neanmoins maintenue a l'assurance sociale resultait d'abord de la reconnaissance de ses acquis incontestables, qui lui valait de conserver dans une large mesure le domaine qu'elle avait con-
66 « La garantie des moyens d'·existence devrait etre etablie, autant que possible, sur la base de l'assurance sociale obligatoire, les assures remplissant Les conditions exigees ayant droit, en consideration des cotisations payees a une institution d'assurance, a des prestations payables selon des taux et dans des eventualites fixees par la loi. » Recommandation (no 67), Principes directeurs, point 2.
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quis au cours de la periode precedente, pour l'attribution des prestations en especes de substitution taut au moins. Pourtant, le röle classique de l'assurance sociale subissait, selon les propositions de Beveridge, des alterations sensibles d'ordre technique, dues a la conception rigoureusement egalitaire du systeme de protection qui determinait une stricte uniformite des cotisations et des prestations, et d'ordre administratif, a cause de sa Suggestion de transferer la gestion de Ce systeme a l'administration publique. En consequence, la specificite de l'assurance sociale subsistait surtout au regard du financement, distinct du prelevement budgetaire, et en matiere d'ouverture des droits aux prestations, toujours fondee sur l'accomplissement de periodes de stage, avec les avantages et les inconvenients d'une methode qui permet d'accumuler des ressources, mais restreint necessairement la categorie des beneficiaires, sans nulle consideration des besoins effectifs de protection. Quant aux delegues a la Conference de Philadelphie, ils ont fait preuve d'une appreciation plus judicieuse des capacites eprouvees de l'assurance sociale, en particulier de sa vocation a accorder une protection individualisee contre les risques de nature a reduire Oll supprimer le revenu professionnel des travailleurs. Ainsi, d'une part, ils ont sauvegarde la caracteristique technique qui lui permet de garantir une fraction raisonnable du revenu assure, dans la limite d'un montant maximal fixe en relation avec le salaire moyen des travailleurs qualifies, par suite de la relation logique qui unit les cotisations et les prestations au revenu d'activite. Une teile garantiepersonneUe de revenu, apte a tenir campte du niveau de vie anterieur gräce au mecanisme specifique de I'assurance sociale, repondait mieux au besoin effectif de securite que la simple garantie d'un revenu de base. D'autre part, ils ont aussi preserve un trait essentiel de l'assurance sociale qui revetait une grande importance pour les Organisations professionnelles et syndicales, a savoir la structure de participation liee a I'autonomie des institutions gestionnaires. Il apparait donc que le röle reserve a l'assurance sociale, dans le cadre de la securite sociale, par la Conference internationale du Travail correspondait a une conception de la protection plus consciente des merites propres de l'assurance sociale et plus conforme aux exigences d'une securite authentique. Outre ces variations doctrinales quant au domaine et surtout au röle qui demeuraient confies a l'assurance sociale, celle-ci a du s'adapter aux objectifs proposespar la doctrine moderne de la securite sociale, notamment en relation avec les principes fondamentaux d'universalisation et d'integration de la protection. L'evolution des legislations de securite sociale depuis 1944 permet de preciser les effets de ces principes, qui ont modifie sensiblement l'emprise, la technique et meme l'organisation
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de l'assurance sociale. D'une part, le principe d'universalisation, compris en relation avec les eventualites couvertes, a contribue a ameliorer encore les positions anterieures de l'assurance sociale. Sans doute ne s'agit-il plus d'une technique exclusive, puisqu'elle est tenue de coexister avec d'autres techniques, inspirees de l'assistance sociale ou du service public et caracterisees par 1e financement budgetaire, l'absence ou la reduction des conditions de stage et la redistribution directe des revenus au moyen de prestations accordees du seul fait de la realisation de l'eventualite ou de la constatation des charges susceptibles d'etre compensees, avec ou sans condition de ressources, mais sans aucune selection prealable des beneficiaires par le filtre de l'assurance. La technique du service public s'est developpee en particulier dans le domaine des soins medicaux, sousforme de services nationaux de sante, ainsi que dans le domaine des pensions et des prestations familiales. Pourtant, ces developpements demeurent limites, car ils sont commandes par des traditionsoudes options politiques particulieres, qui impliquent l'acceptation d'exigences radicales en matiere d'egalite et de solidarite, tandis que la technique de l'assurance sociale, eventuellerneut convertie en assurance nationale, s'est maintenue aisement en raison des avantages de son financement independant et de son organisation autonome qui lui garantissent une plus grande souplesse d'adaptation. Il n'est donc pas surprenant que l'assurance sociale ait non seulement conserve dans une large mesure son domaine reserve, mais qu'elle l'ait parfois meme elargi gräce a la securite sociale, notamment en matiere de protection contre le chömage. En effet, l'evolution des regimes relatifs a cette branche et des regimes connexes concernant la garantie du salaire en cas de faillite ou d'insolvabilite de l'employeur indique une progression notable des regimes d'assurance-chömage par rapport aux regimes d'assistance-chömage, en tout cas pour la phase initiale de protection. De plus, l'assurance sociale est generalerneut utilisee dans les formes nouvelles d'assurance-education destinees a financer la formation continue ou l'education permanente. Enfin, elle a meme ete consideree recemment aux Pays-Bas comme une technique adaptee a la garantie d es prestations familiales accordees par le nouveau regime d'assurance generale entre en vigueur au ler janvier 1980. Si l'on considere maintenant les effets du principe d'universalisation quant aux personnes protegees, l'extension du champ d'application personne! des legislations a impose a l'assurance sociale un elargissement de son röle traditionnel a des categories sociales nouvelles. Si l'institution de l'assurance sociale avait bien ete associee principalement a la protection des travailleurs salaries, aucune incapacite technique ne s'opposait a ce qu'elle s'etendit a d'autres categories de travailleurs et
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meme a l'ensemble d'une population. Le Rapport Beveridge a r~com mande une teile extensionuniverselle dans certaines branches de prestations a long terme, choisies pour leur aptitude a admettre l'universalisation du droit, tandis que la recommandation (n° 67) a generalise la portee de la protection accordee sous forme de prestations en especes de Substitution en faveur de la communaute des travailleurs, salaries ou independants. Les legislations qui ont suivi l'extension universelle proposee par Beveridge, au moyen de l'assurance nationale, comme celles qui ont opte pour une generalisation limitee a l'ensemble des travailleurs, ont du abandonner le caractere de classe qui s'attachait a l'institution anterieure et proceder a diverses adaptations techniques, resultant de l'elargissement de l'assurance sociale a de nouvelles categories de personnes protegees, telles que les travailleurs independants ou la population non active, notamment en matiere de financement ou de conditions d'ouverture des droits.
Cependant, certaines adaptations techniques touchent a la conception meme de la protection. Ainsi, la condition de stage a parfois ete supprimee non seulement en consideration du risque couvert, comme en matiere de soins medicaux, sous l'influence des conventions (n° 24 et n° 25) de l'OIT, mais aussi en raison de l'universalisation de la protection, qui rend moins necessaire l'exigence du stage, lorsque cette exigence se justifiait surtout par la necessite d'etablir l'appartenance du requerant au groupe des personnes protegees dans un regime parcellaire. Si elle a ete maintenue, la condition de stage a bien souvent change de s'ignification, dans la mesure ou elle est utilisee desormais moins pour l'ouverture des droits que pour le calcul des prestations, en particulier dans les regimes de pensions. En contrepartie, la duree de stage liee au calcul des pensions a souvent ete allongee de maniere a se rapprocher de celle d'une carriere normale, au point que l'assurance fondee sur l'exercice d'une activite professionnelle tend a devenir le refuge et la reconnaissance ultimes du respect qui s'attache a la valeur sociale du travail, meme dans les societes ou elle est le plus vivement contestee. Enfin, il n'est pas rare que les stages soient associes a l'emploi, a l'activite professionnelle ou a la residence, plutöt qu'a l'assurance ou a la cotisation, de sorte que le droit depend directement de la participation des interesses a l'effort de production nationale ou de leur appartenance a la collectivite nationale ou residente, et non plus de la relation d'assurance concretisee par le versement d'une cotisation. Le droit a la protection et son financement se trouvent ainsi dissocies, ce qui souligne le caractere contingent de l'assurance reduite au röle technique de repartitiondes risques et de constitution des ressources, sans plus interferer a la limite dans la reconnaissance du droit. En effet, la primaute du droit a la securite sociale, reconnu dans certaines branches comme un
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veritable droit de l'homme, nepermetplus de refuser les prestations en vertu de conditions liees a la technique de l'assurance, alors que cette technique est au service de la protection, elle-meme garantie de droit. En consequence, l'assurance sociale tend a perdre son pouvoir de selection des beneficiaires pour se consacrer a la determination des prestations en fonction des merites Oll meme de la seule appartenance a la collectivite des personnes protegees. A cet egard, il convient de rappeler que le regime neerlandais de l'assurance-vieillesse generale a montre des 1956 les caracteristiques novatrices dont la conception de l'assurance nationale etait susceptible. De plus, l'extension universelle du champ d'application personnel des legislations de securite sociale a parfois determine l'abandon des regles d'autonomie et de participation qui caracterisaient l'administration traditionneUe de l'assurance sociale. Conforme a la Suggestion de Beveridge, le transfert de l'administration de la securite sociale aux services publics, tel qu'il a ete realise en NouveUe-Zelande et au Royaume-Uni par exemple, se justifiait par la vocation de l'administration etatique a gerer un systeme de protection sociale destinee a toute la population. Malgre la regression qui risque de s'ensuivre en matiere de democratie sociale, une orientation analogue a ete suivie dans certains pays d'Europe de l'Est, sous l'influence du modele sovietique d'organisation, notamment pour l'administration des regimes de pensions, bien qu'il ne s'agisse pas de regimes universels. D'autre part, le principe d' integration a exerce une influence encore plus attentatoire a la technique traditionneUe de l'assurance sociale, afin d'ameliorer l'equite sociale des regimes et de garantir une protection fondamentale a l'ensemble des personnes protegees. Mais il a aussi contribue a marquer les limites de cette technique au regard des exigences sociales du principe d'integration, qui ont trait a l'inclusion des personnes non actives dans le champ de protection et a la garantie d'un revenu social minimal. S'agissant tout d'abord de l'integration technique tentee par la securite SOCiale, elle a favorise la creation de regimes mixtes Oll de prestations composites qui associent des techniques derivees de divers modes de protection. Ces regimes se rencontrent notamment dans le domaine des pensions, mais ils concernent parfois aussi les prestations de chornage et meme, exceptionnellement, les rentes d'accident du travail ou de maladie professionnelle, lorsqu'elles sont assimilees a des pensions. En matiere de pensions, les regimes mixtes se presentent SOUS la forme de r egimes superposes qui se distinguent par leur extension, leur technique et leur fonction respectives, tandis que les prestations composites integrent un element fixe et un element variable avec le revenu professionnel.
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Les regimes mixtes, qui correspondent souvent a un stade initial de rationalisation des structures, avant de passerau stade ulterieur de leur unification en un regime fusionne accordant des prestations composites, sont issus de la necessite soit d'accorder une meilleure protection, en completant un regime de prestations de base, souvent non contributives et de montant uniforme, par un regime de prestations liees au gain professionnel, COn!;U Selon la technique de l'assurance socia}e et destine a adapter de maniere plus adequate la fonction de garantie du revenu aux aspirations et aux situations particulieres. Selon le modele suedois qui demeure le plus caracteristique, le regimedes pensions de base, issu de la conversion d'un regime anterieur d'assistance sociale en regime de Service public, garantit a toute }a population Une pension minimale d'un montant uniforme, tandis que le regime d'assurance sociale qui le complete accorde en principe a l'ensemble des travailleurs une pension complementaire dont le montant est lie au revenu professionnel. Plusieurs regimes peuvent ainsi s'ajouter au regime de base, de maniere a garantir a des categories plus restreintes de travailleurs une proportion equivalente de leur revenu professionnel anterieur. Une technique analogue s'applique aux prestations composites, constituees d'un element de prestation uniforme et d'un element lie au revenu professionnel, dans les regimes de pensions canadien, luxernbourgeois et norvegien, comme dans }e regime norvegien des rentes d'accident du travail Oll de ma}adie professionneUe et dans le regime fran!;ais des prestations de chömage. Deux modes differents de protection, correspondant respectivement au service public et a l'assurance sociale, se trouvent ainsi associes de maniere a concilier la generalisation d'une protection de base equivalente pour tous les interesses et la garantie d'un revenu social de substitution lie au revenu professionnel, jusqu'au niveau le plus eleve qu'il soit possible et justifie d'atteindre. Des regimes d'assurance sociale eux-memes, bien que fondes sur une technique leur permettant de proportionner leurs prestations aux gains anterieurs des b €meficiaires dans la juste mesure requise, ont du recourir pour une raison analogue a l'intervention de regimes complementaires, legaux ou professionnels, d'assurance sociale, lorsque le premier niveau de protection avait ete con~u deliberement comme elementaire Oll maintenu tel en fait. Le developpement de regimes complementaires de ce type, qui corrigent curieusement l'assurance par l'assurance, peut etre observe notamment dans la Republique federale d'Allemagne, en France, au Royaume-Uni et en Suisse. Inversement, les regimes d'assurance sociale qui avaient su tirer parti des capacites de leur technique pour accorder un niveau raisonnable de securite ont du faire face au besoin de garantir une protection minimale a ceux de leurs affilies qui ne justifiaient pas des conditions requises pour obtenir des prestations decentes. Une telle garantie, valable dans
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les limites du champ d'application personnel de ces regimes, a ete obtenue en general par l'octroi de prestations de base ou d'allocations complementaires non contributives, avant d'etre parfois integree en regime lui-meme et financee sur ses propres ressources. L'experience des regimes americain, belge, fran(;aiS, italien et luxernbourgeois en particulier illustre diverses solutions de ce problerne propre aux regimes d'assurance sociale dont la nature technique ne camporte pas normalement de garantie relative a un minimum de protection, sauf precisement par le moyen de prestations composites. Une tendance analogue se rencontre dans les regimes ou le taux des prestations varie en raison inverse du montant des gains assures, comme aux Etats-Unis et dans certains pays d'Europe orientale. Rien ne s'oppose donc en pratique a ce qu'un regime d'assurance sociale renonce au principe d'equivalence et associe la justice distributive a la justice commutative, a condition d'en imposer le cout a la collectivite des assures cotisants ou lies a un employeur cotisant, avec le concours eventuel des fonds publics. L'evolution contra:stee des regimes de prestations minimales vers un mecanisme de prestations complementaires liees au revenu professionnel et des regimes classiques d'assurance sociale vers une garantie fondamentale de protection minimale atteste l'obligation incombant a l'assurance sociale de composer avec d'autres techniques de protection, ainsi que son aptitude eminente a garantir une securite veritable, qui l'a imposee comme une technique indispensable a l'octroi de prestations en especes adaptees au revenu professionnel. De plus, une experience particulierement reussie d'integration technique a porter au credit de l'assurance sociale a consiste a revaloriser les gains pris en compte pour le calcul des prestations et les prestations elles-memes, en fonction de l'evolution du cout de la vie ou du niveau de vie. Alors que, dans une premiere phase, notamment pour les rentes d'accident du travail ou de maladie professionnelle, la revalorisation etait realisee par l'octroi d'allocations supplementaires non contributives, elle s'est etendue ensuite, apres la derniere guerre mondiale, a l'ensemble des prestations en especes, au moyen de mecanismes automatiques ou semi-automatiques qui utilisent l'aptitude de l'assurance a gager ses ressources et ses obligations sur la hausse des gains due a l'inflation ou a la progression du niveau de vie, gräce a une relation d'equilibre dynamique entre les unes et les autres. Le resultat remarquable que represente le maintien de la valeurreelle des prestations au regard d'une protection effective, en periode d'inflation continue, est largement du a l'actualisation des virtualites techniques de l'assurance sociale et il n'a ete remis en cause que recemment, en raison de la crise economique qui a compromis l'equilibre anterieur, en cumulant les tendances contraires a la baisse de l'activite economique et a la poursuite de l'inflation.
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A la finalite de l'integration technique, la securite sociale a ajoute un objectif d'integration sociale qui implique l'inclusion des personnes non actives dans le champ de protection et la garantie d'un revenu social minimal a taut membre de la societe, independamment de sa capacite contributive ou de son appartenance au systeme, mais campte tenu de son besoin effectif de protection. Quant au premier aspect, il est patent que certains regimes d'assurance nationale, directement confrontes au problerne de la protection des categories non actives, sont alles tres loin dans la voie de l'integration sociale. Tel est le cas en principe du regime britannique d'assurance-pensions, SOUSreserve de la faculte d'affiliation laissee aux categories non actives. Mais le regime neerlandais d'assurance-pensions, qui s'applique a l'ensemble des residents, constitue un modele plus strict d'assurance generalisee, pourvue d'une capacite redistributive et d'une finalite egalitaire tres developpees, gräce a la combinaison d'un financement a base de contributions assises sur les revenus plafonnes et d'une garantie de prestations uniformes, sans condition de stage pour l'assurance des veuves et des orphelins, ou sous condition de satisfaire a la duree de residence prescrite, correspondant en fait a une carriere complete d'assurance, pour l'eventualite de vieillesse. De meme, le regime suisse de pensions, regime universei d'assurance nationale, se conforme a une conception similaire, gräce a ses dispositions de solidarite tenant a la relation instituee entre des cotisations per~ues sur l'integralite des revenus professionnels, sans aucun plafond, et des prestations rigoureusement plafonnees. Mais de tels exemples, qui montrent la plasticite de la technique d'assurance au regard du principe d'integration sociale, demeurent encore relativement rares, alors que d'autres exemples indiquent que l'affiliation des personnes non actives sans contrepartie financiere est mal toleree par la conception traditionneUe de l'assurance sociale, a l'exception de la reconnaissance des droits derives accordes aux membres de famille dans certaines branches, depuis sa conversion a une conception familiale de la protection qui a marque une date historique dans l'evolution des regimes. La persistance de la logique technique et financiere de l'assurance sociale se manifeste dans de nombreux regimes qui se renvoient la charge des non-cotisants qu'ils sont tenus de proteger, en particulier les chömeurs et les personnes ägees, avec l'espoir de transferer leur deficit eventuel, ou meme qui recouvrent sur le regime de l'aide sociale les cotisations dues par les assures depourvus de ressources suffisantes. Aussi longtemps que l'assurance sociale se definit en dernier ressort par l'exigence d'une relation exclusive entre la cotisation et le droit, eile implique le recours aux regimes non contributifs pour la plupart des personnes non actives et, de ce fait, donne une satisfaction retrospective, mais partielle, aux revendications initiales des organisations syn5 Sozialversicherung
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dicales de la fin du siecle dernier, qui avaient exprime leur preference generale pour l'institution de tels regimes. De fait, l'extension de la securite sociale aux personnnes non actives, couplee avec les politiques contemporaines de reduction des inegalites et de lutte contre la pauvrete, s'est accompagnee d'un developpement des prestations non contributives, remarquablement diversifie quant ä l'objet et aux categories de beneficiaires. Ce developpement, qui interesse en principe la plupart des branches de la securitk sociale67 , manifeste une certaine difficulte de l'assurance sociale ä operer une redistribution verticale des revenus et surtout ä proteger efficacement les personnes depourvues d'activite et de ressources regulieres qui leur permettraient de satisfaire aux exigences de cotisation et de stage68 • Mais si un tel developpement est insuffisant ou trop tardif, il est douteux que le maintien de regimes d'assurance sociale conformes ä la conception traditionnelle, meme ameliores, puisse remplir de maniere satisfaisante toutes les fonctions confiees a la securite sociale, y compris surtout la garantie d'un revenu social minimal pour tous les membres de la collectivite. A cet egard, il est symptomatique que meme certains regimes d'assurance nationale doivent faire appel a des prestations dites supplementaires ou complementaires pour garantir un revenu social minimal, dans toutes les branches de prestations en especes au Royaume-Uni et exclusivement dailiS les branches de pensions €n Suisse69 • Ainsi s'explique que l'on ait pu associer parfois l'importance de la pauvrete residuelle et la fidelite au mode de protection constitue par I'assurance sociale dans cer87 Par exemple, la garantie minimale de moyens d'existence (Belgique), les allocations des Fonds nationaux de solidarite (France et Luxembourg), les pensions non contributives (Irlande et Royaume-Uni), les allocations d'aide sociale aux femmes abandonnees (Irlande), les pensions sociales (Italie, Grece, Portugal et Tchecoslovaquie), les prestations supplementaires et le supplement de revenu familial, les allocations d'aide,demobiliteetd'assistance constante (Royaume-Uni) et les prestations complementaires (Suisse) ainsi que les diverses prestations aux personnes handicapees. 68 Cette difficulte a meme ete consideree par Beveridge comme une veritable incompatibilite, a un certain stade d'evolution de sa pensee : « The problern is not that of guaranteeing an income at all times to everybody irrespective of his work and services. That way lies Communism. The problern is the narrower one of giving security against all the main risks of economic life to those who depend on continuous earning, of arranging that part of what such persans earn by their work shall take the form of provision for themselves and their dependants whenever their work is interrupted or stopped by causes beyond their control. This is the line of social insurance, maintaining individual freedom and responsibilities and the family as the unit of the State. » Sir William Beveridge, Insurance for all and everything, Ouvrage cite, p. 31. 89 Toutefois, cette necessite risque de remettre en cause la justification meme de l'assurance sociale lorsqu'elle concerne la majorite des beneficiaires et constitue ainsi une composante structurale du regime.
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tains pays developpes 70 • Encore faudrait-il souligner que la responsabilite incombe en l'occurence non pas a la technique de l'assurance sociale, mais bien soit a une application inadaptee de cette technique, soit a un recours insuffisant aux modes alternatifs de protection relevant de la securite sociale. L'evolution des legislations constatee depuis la seconde guerre mondiale a permis de preciser empiriquement le champ d'application de la technique de l'assurance sociale et, par opposition, ses limites au regard de finalites et de fonctions nouvelles de la securite sociale. Ce champ d'application recouvre a peu pres celui de l'institution originelle de l'assurance sociale, dans la mesure Oll il correspond a la garantie d'un revenu social de substitution au revenu professionnel pour les travailleurs dans leur ensemble et, plus generalement, a la garantie d'une contreprestation fondee sur une cotisation due par l'assure ou pour son campte. Cependant, dans certains regimes de conception plus recente, la technique de l'assurance sociale s'est assouplie et adaptee a l'exigence accrue de solidarite qui caracterise la securite sociale, au point de ne plus se distinguer en fin de campte des autres techniques de protection que par la specificite de son financement, qui n'exclut pas une mutation profonde des conceptions d'origine, tendant a reduire la part des travailleurs salaries et meme parfois a la supprimer, completement ou presque, au profitdes cotisations d'entreprise, comme en Islande, en Italie, en Suede et dans plusieurs pays d'Europe de l'Est. Une telle capacite de souplesse et d'adaptation, qui a profonderneut modifie l'assurance sociale traditionneUe sous tous autres rapports, explique qu'elle demeure aujourd'hui une technique de protection privilegiee au service de la securite sociale. Pourtant, ses limites se sont revelees plus netterneut face aux problemesposespar la protection des personnes non actives, surtout lorsque cette protection s'exerce dans le cadre d'un regime special et non pas au moyen d'une organisation generale de solidarite susceptible d'etre mise en reuvre par le mode d'une assurance nationale. La reside en fait la pierre d'achoppement de l'assurance sociale, qui suppose toujours une faculte contributive pour soi-meme ou pour autrui. A defaut, l'assistance sociale ou le service public doivent necessairement prendre le relai, comme il apparait dans les nombreux regimes de prestations non contributives charges de suppleer a l'absence d'un regime universel. Une necessite de ce genre se rencontre non seulement dans les pays oll la conception traditionnelle de l'assurance sociale demeure respectee pour l'essentiel, comme la Republique federale d'Allemagne par
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70 Wilfred Beckerman, Les programmes de maintien du revenu et lieur impact J.a pauVTete dans quatre pays developpes Geneve 1979. Alan Maynard, Social Policy ·and Negative Income Taxation, The Guaranteed Minim;um Income, Oslo 1981.
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exemple, mais aussi dans certains regimes d'assurance nationale, lorsque leurs dispositions techniques ne suffisent pas a garantir pour tous les beneficiaires une protection minimale conforme aux normes sociales collectives. Enfin, la fonction de la securite sociale associee a la garantie d'un revenu social minimal pour tous les membres de la population se heurte a des limites analogues qui imposent de recourir aux regimes non contributifs, au moins pour etendre cette garantie a tous ceux qui n'appartiennent pas normalement aux categories de personnes protegees ou qui se trouvent hors du cadre des eventualites reconnues.
Un siecle d'experience reussie, d'evolution creatrice et d'extension a l'echelle mondiale permet sans reserve de rendre pleinement justice a l'assurance sociale. Bien que devalorisee quant a son statut, d'institution novatrice et dominante en simple technique de protection, et profondement modifiee dans son organisation technique, administrative et financiere, SOUS l'influence des finalites propres a la securite sociale auxquelles elle est desormais subordonnee, elle a neanmoins garde un röle eminent et sans doute preponderant, non seulement dans les systemes developpes, gräce a sa remarquable faculte d'adaptation aux nouveaux problemes poses par l'elargissement et l'approfondissement de la solidarite entre les diverses categories sociales, mais plus encore dans les pays en developpement, ou la cooperation technique internationale a deliberement privilegie l'assurance sociale71• Elle a ainsi rempli avec succes, dynamisme et efficacite la mission d'integration que lui avaient assignee ses inventeurs au regard du proletariat industriel, avant de l'etendre a la classe ouvriere et a la population active dans son ensemble, en particulier sous l'influence de l'OIT, qui a recueilli leur message et etendu leur philosophie sociale a la dimension des aspirations modernes du monde du travail. Paradoxalement, cette mission d'integration a elle-meme revele Ies limites de l'assurance sociale, lorsqu'elle a du etre elargie a l'epoque contemporaine en faveur de la populationnon active, en vertu du principe d'universalisation inscrit dans la doctrine de la securite sociale et confirme par la Declaration universelle des Droits de l'Homme. La conscience de ces limites a contribue indirectement au renouveau de conceptions inspirees de l'assistance sociale et au developpement de regimes non contributifs, en particulier dans le domaine de la compensation des charges familiales et de la garantie d'un revenu social minimal. En 71 Le choix initial de la cooperation technique internationale en faveur de l'asJStwance soctale n'a pas obei a un dogme passeiste contraignant les pa)'lS en developpement a parcourir de nouveau l'evolution historique des pays plus avances. Il resulte de la reconnaissance des avantages de cette technique de protection pour les pays en voie d'industrialisation, auxquels elle s'est revelee parfaitement adaptee, tout au moins dans la premiere etape de realisation qui vise a proteger en priorite Ies travailleurs salariP.s.
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realite, il s'agit moins d'une resurgence du debat originel sur les avantages respectif.s de la protection contributive et de la protection non contributive que de la recherche d'un nouvel equilibre des techniques mises en reuvre par la securite sociale, dans la perspective de la rationalisation, aujourd'hui indispensable, de cette institution. En effet, l'histoire de l'assurance sociale, notamment dans ses relations avec la securite sociale, montre que le choix eclaire et judicieux des techniques de protection sociale n'est ni entierement libre, ni parfaitement neutre. A cet egard, la reflexion la plus utile a l'heure actuelle consiste vraisemblablement a serier les techniques et les fonctions principales de la securite sociale, puis a relier les unes aux autres de la maniere la plus rationnelle, en vue d'obtenir un rendement optimal. Ainsi tend a s'etablir un partage efficace, economique et raisonnable entre les secteurs de protection dont l'organisation est justiciable de la technique de l'assurance sociale, comme la garantie du revenu social de substitution au revenu professionnel, qui interesse au premier chef l'ensemble des travailleurs, salaries ou independants, et les secteurs qui relevent plutöt de la technique du service public, avec ou sans condition de ressources, selon qu'ils sont plus ou moins proches de leur matrice commune d'assistance sociale, comme Ia compensation des charges familiales et l'attribution d'un revenu social minimal, tandis que la protection sanitaire recourt, selon les pays, a l'une Oll a l'autre de ces techniques. L'effort de rationalisation qui s'impose parait donc de nature a consolider le domaine et a specialiser le röle de l'assurance sociale, en adaptant, le cas echeant, ses methodes traditionnelles aux nouveaux objectifs de Ia securite sociale. Dans ces conditions, l'assurance sociale restera vraisemblablement une technique irrempla~able pour le siecle qui l'attend, car ses merites, qui honorent Ia prescience de ses promoteurs, demeurent incontestables et inegales dans l'ordre de l'equite individuelle, de Ia solidarite professionnelle, de Ia responsabilite sociale, de l'independance financiere et de Ia participation administrative. Or ces merites, qui ont compte pour beaucoup dans l'humanisation des societes industrielles et dans leur lente accession au stade de Ia civilisation industrielle, soulignent son influence proprement culturelle, qui ne sera pas moins necessaire aux societes neo-industrielles, afin d'assurer Ia transmission des valeurs traditionnelles du milieu du travail et leur harmonisation avec les valeurs du nouveau milieu humain en gestation. Aussi l'assurance sociale peut-elle etre legitimement consideree, a l'instar du fabuleux oiseau Phlmix, comme une institution depassee, mais comme une technique de protection sociale a crediter d'un brillant avenir.
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Ce rapport vise a preciser la signification universelle de l'assurance sociale et son apport essentiel a l'evolution des modes de protection sociale. La naissance de l'assurance sociale a repondu a une necessite objective des pays en voie d'industrialisation, qui resultait de conditions materielles d'ordre demographique et economique. Sous la pression de ces conditions, l'apparition de valeurs sociales nouvelles apres 1850, en relation avec l'essor du .socialisme et du christianisme social, contestataires soit de la doctrine meme, soit des exces du liberalisme economique, a favorise la solutiondes problemes humains issus de la premiere revolution industrielle. Cependant, l'invention de l'assurance sociale en Allemagne, a partir du Message imperial du 17 novembre 1881, doit beaucoup aux initiatives reussies des agents createurs, travailleurs, employeurs et Etat en vue d'elaborer des mesures de protection sociale correspondant aux defis humains de l'industrialisation. Mais elle a su agencer ce.s initiatives anterieures de maniere novatrice et creer une nouvelle institution sociale, inspiree de la philosophie politique du Socialisme de la Chaire, qui se proposait d'integrer le proletariat industriel dans la societe. Identifiable par sa fonction, sa technique et son Organisation financiere et administrative, l'assurance sociale a du faire face, tout d'abord, a l'incomprehension Oll a l'hostilite des representants du mouvement ouvrier. Cependant, elle s'est imposee rapidement, en accord avec les plus lucides d'entre eux, en raison de son adaptation potentielle au milieu industriel en formation et de ses avantages institutionnels lies essentiellerneut a son autonomie financiere et administrative. La diffusion de l'assurance sociale de 1883 d 1938 s'est realisee en deux temps. Jusqu'en 1919, l'assurance sociale s 'est repandue de maniere lente et limitee sur la base du modele allemand, a partir et autour de l'aire culturelle germanique ou il avait pris naissance, avec l'appui d'associations nationales ou internationales de competence et sous l'impulsion decisive des Internationales syndicales et politiques. La diffusion geographique de l'assurance sociale s'est accompagnee d'une expansion interne a cette institution, qui s'est exercee dans le sens d'une extension progressive de ses interventions d'ordre personnel et materiel. Dans !'ordre personnel, l'expansion de l'assurance sociale a vise a proteger l'ensemble de la classe salariale, a l'exception de categories marginales, tandis que, dans !'ordre materiel, eile s'est effectuee en direction des risques assimilables aux risques deja couverts, comme la maternite, l'invalidite et la maladie professionnelle, ou meme assez graves pour justifier son intervention, comme le chömage. Apres 1919, la diffusion de l'assurance sociale s'est acceleree en Europe et hors d'Europe, dans la
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plupart des pays en voie d'industrialisation, notamment sous l'infiuence de !'Organisation internationale du Travail (OIT) qui a mis ses moyens d'information et de reglementation internationale au Service du developpement des regimes nationaux. En particulier, la Conference internationale du Travail a propose aux Etats membres un veritable modele legislatif international au moyen de ses conventions et recommandations. Cependant, la conception de l'assurance sociale etait remise en cause par le murissement d'idees nouvelles dans la conscience ouvriere et la n~fiexion doctrinale, qui preconisaient une organisation globale de la protection, generalisee et rationalisee, par opposition aux realisations partielles et parcellaires de l'assurance sociale, et qui annon~aient l'avenement de la securite sociale.
L'insertion de l'assurance sociale dans la securite sociale caracterise la derniere phase d'evolution des systemes de protection sociale, depuis la fin de la seconde guerre mondiale. A la difference de la conception du premier Systeme neo-zelandais, le modele britannique de la securite sociale propose par Beveridge en 1942 et le modele international constitue par la recommandation (n° 67) de l'OIT en 1944 n'ont pas rompu avec la tradition de l'assurance sociale. Cependant, ils l'ont r&luite au rang d'une technique, sans doute privilegiee, mais neanmoins subordonnee, au Service d'une institution a competence generale et a vocation unitaire, chargee de garantir des moyens d'existence a la majeure partie, ou meme a l'ensemble de la population en toute eventualite, gräce a la conjonction ou a l'integration des techniques anterieures de protection. Libre d'adapter ses moyen a ses finalites, la securite sociale devait determiner desormais le domaine et le röle de l'assurance sociale en fonction de ses propres objectifs. Le domaine de l'assurance sociale a ete progressivement delimite par l'evolution des legislations, qui ont procede aux adaptations techniques requises, en vertu des principes fondamentaux d'universalisation et d'integration, tandis que son röle se precisait a l'egard de categories particulieres de la population protegee ou de fonctions specifiques de protection. Ce röle demeure preponderant pour assurer la garantie d'un revenu social de substitution au revenu professionnel a l'ensemble des travailleurs, salaries ou non, dans toutes les eventualites anterieurement prises en charge par les regimes traditionnels d'assurance sociale, face aux tendances nouvelles de la politique sociale, visant a reduire les inegalites et a lutter contre la pauvrete. Zusammenfassung Mit diesem Bericht wird beabsichtigt, die umfassende Bedeutung der Sozialversicherung und ihren wesentlichen Beitrag zur Entwicklung von Art und Weise sozialen Schutzes genauer zu bestimmen.
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Die Entstehung der Sozialversicherung entsprach einer objektiven Notwendigkeit der Länder mit beginnender Industrialisierung, die sich aus den materiellen Bedingungen ihrer demographischen und ökonomischen Ordnung ergab. Unter dem Druck dieser Bedingungen hat das Aufkommen neuer sozialer Werte nach 1850 in Verbindung mit dem Aufschwung des Sozialismus und der christlichen Soziallehre, die die Lehre und die Exzesse des ökonomischen Liberalismus bekämpften, die Lösung der durch die erste ·industrielle Revolution hervorgerufenen sozialen Probleme begünstigt. Indessen verdankt die Einführung der Sozialversicherung in Deutschland seit der Kaiserlichen Botschaft vom 17. November 1881 viel den gelungenen Initiativen aller daran schaffenden Beteiligten, den Arbeitern, den Arbeitgebern und dem Staat bei der Ausarbeitung sozialer Schutzmaßnahmen gegenüber den menschlichen Herausforderungen der Industrialisierung. Mit der Einführung der So~ zialversicherung sind vorherige Initiativen auf bahnbrechende Weise zu einer neuen sozialen Institution zusammengeführt worden, die von der vom Heiligen Stuhl ausgehenden politischen Philosophie des Sozialismus, nach der das industrielle Proletariat in die Gesellschaft integriert werden sollte, inspiriert war. Gekennzeichnet durch ihre Funktion, ihre Technik und ihre finanzielle und administrative Organisation wurde der Sozialversicherung von Vertretern der Arbeiterbewegung zunächst Unverständnis oder Feindschaft entgegengebracht. Sie setzte sich jedoch mit dem Einverständnis der einsichtigeren unter ihnen aufgrund ihrer starken Anpassung an das sich herausbildende industrielle Milieu und ihrer institutionellen Vorzüge, die wesentlich auf ihrer finanziellen und administrativen Autonomie beruhten, schnell durch.
Die Ausbreitung der Sozialversicherung von 1883 bis 1938 vollzog sich in zwei Abschnitten. Bis 1919 verbreitete sich die Sozialversicherung langsam und begrenzt auf der Grundlage des deutschen Modells, ausgehend von dem deutschen kulturellen Klima und in dessen Umfeld, aus dem es entstanden war, mit Unterstützung der einschlägigen nationalen und internationalen Vereinigungen und mit entscheidenden Impulsen der gewerkschaftlichen und politischen Internationalen. Die geographische Ausbreitung der Sozialversicherung wurde begleitet von einer zunehmenden internen Ausweitung dieser Institution in personeller und sachlicher Hinsicht. In personeller Hinsicht wurde mit der Ausweitung der Sozialversicherung mit geringfügigen Ausnahmen die Einbeziehung der Gesamtheit der abhängig Beschäftigten bezweckt, während sie in sachlicher Hinsicht durch den Einbezug von Risiken bewerkstelligt wurde, die mit den bereits gedeckten vergleichbar waren, wie Mutterschaft, Invalidität und Berufskrankheit, oder von Risiken, wie die Arbeitslosigkeit, die so schwerwiegend waren, daß ein Einbezug zu rechtfertigen war. Nach 1919 beschleunigte sich die Ausbreitung der Sozialversiche-
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rung innerhalb und außerhalb Europas in der Mehrzahl der Staaten, die in der Industrialisierung begriffen waren, vor allem unter dem Einfluß der Internationalen Arbeiterorganisation (IAO), die ihre Informationsmittel und internationalen Regelungswerke in den Dienst der Entwicklung der nationalen Systeme gestellt hat. Insbesondere die Internationale Arbeitskonferenz hat den Mitgliedstaaten mit ihren Konventionen und Empfehlungen ein echtes internationales Regelungsmodell angeboten. Indessen wurde die Konzeption der Sozialversicherung in Frage gestellt durch das Heranreifen neuer Ideen im Bewußtsein der Arbeiterschaft und in den dogmatischen Überlegungen, wonach im Gegensatz zu den partiellen und stückhaften Gestaltungen der Sozialversicherung eine umfassende Organisation eines generalisierten und rationalisierten Schutzes befürwortet wurde und wonach sich das Aufkommen der Konzeption der sozialen Sicherheit ankündigte. Die Einbindung der Sozialversicherung in das Konzept der sozialen Sicherheit kennzeichnet die letzte Entwicklungsphase der sozialen Schutzsysteme nach dem 2. Weltkrieg. Anders als die Konzeption des ersten neuseeländischen Systems haben das von Beveridge im Jahre 1942 vorgeschlagene britische Modell der Empfehlung Nr. 67 der IAO aus dem Jahre 1944 nicht mit der Tradition der Sozialversicherung gebrochen. Dennoch wurde hier die Sozialversicherung auf den Platz einer zweifellos privilegierten, aber trotzdem untergeordneten Technik im Dienste einer Institution mit allgemeiner Reichweite und einheitlicher Bestimmung verwiesen, welche die Existenzmittel des überwiegenden Teils oder gar der Gesamtheit der Bevölkerung für alle Eventualitäten sichern sollte und dies in Verbindung mit oder unter Einbezug der früheren Schutztechniken. Die soziale Sicherheit, die darin frei war, ihre Mittel ihren Zielsetzungen anzupassen, mußte von jetzt an Gebiet und Rolle der Sozialversicherung in bezug auf ihre eigentlichen Ziele bestimmen. Der Bereich der Sozialversicherung wurde zunehmend eingegrenzt durch die Entwicklung der Gesetzgebungen, die aufgrund der grundlegenden Prinzipien der Universalisierung und der Integration zu den erforderlichen technischen Anpassungen fortgeschritten sind, während ihre Rolle im Hinblick auf bestimmte Kategorien der geschützten Bevölkerung oder bestimmter Schutzfunktionen präzisiert wurde. Diese Rolle bleibt immer noch in den Vordergrund gerückt, um der Gesamtheit der Erwerbstätigen, gleichgültig ob abhängig beschäftigt oder nicht, ein soziales, das Einkommen aus Erwerbstätigkeit ersetzendes Einkommen in allen früher von den traditionellen Systemen der Sozialversicherung abgedeckten Risikofällen zu garantieren und dies angesichts neuer Tendenzen der Sozialpolitik, die dahin zielen, Ungleichheiten zu vermindern und Armut zu bekämpfen.
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The aim of this report is to determine more exactly the comprehensive significance of social insurance and its essential contribution to the development of way and means of providing social protection. The emergence of social insurance corresponded to the countries' objective needs as industrialization began due to the material conditions of the demographic and economic order. Under the pressure of these conditions the ,appearance of new social values from 1850 onwards, along with the growth of socialism and of interest in the Christian social doctrine which opposed the doctrine and excesses of economic liberalism, contributed positively towards solving the social problems caused by the first Industrial Revolution. The introduction of social insurance in Germany after the Kaiser's Message of 17th November 1881 owes much to the joint action taken by everyone involved - the employed, the employers and the state- in elaborating social protection schemes, faced with the human challenge of industrialization. With the introduction of social insurance previous measures were consolidated in a way unknown hitherto to form a new social institution which was inspired by the Holy See's political philosophy of socialism according to which the industrial proletariat ought to be integrated into society. Known for its function, technique and financial and administrative organization, social insurance was either mrsunderstood or viewed with hostility initially by members of the labour movement. However, it soon grew in popularity once the more reasonable members of the labour movement realized that it was adapted to the industrial milieu that was evolving and that it had institutional advantages which were largely based on its financial and administrative autonomy. Social insurance expanded from 1883 to 1938 in two stages. Up until 1919 social insurance spread slowly and was limited to the basic features oftheGerman model which was a product oftheGeman cultural climate. It spread with the support of the relevant national and international associations and with decisive stimuli by trade union and political international movements. The geographical spread of social insurance was accompanied by the institution's increasing internal growth. As social insurance expanded all (dependently) employed persans with very few exceptions were covered by insurance. Expansion also meant including more risks which were comparable with those already covered, such as maternity, disability and occupational disease or risks such as unemployment that were so grave that they justified inclusion in insurance coverage. After 1919 the growth of social insurance accelerated both within and outside Europe in the majority of states undergoing industrialization. This process was especially infiuenced by the
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International Labour Organization (ILO) which made its information and international rules and regulations available for the development of the national systems. The International Labour Conference in particular with its conventions and recommendations provided member states with a true international model for rules and regulations. However, the concept of social insurance was questioned as new ideas matured in the labour force's consciousness and as dogmatic ideas calling for comprehensive organization of generalized and rationalized protection, in contrast to the partial and fragmentary structure of social insurance, pointed to the emergence of the idea of social welfare.
The integration of sociaL insurance into the concept of social security marks the last phase of development of social protection systems after World War II. In contrast to the first system in New Zealand, the British social security model proposed by Beveridge in 1942 and the international model (ILO recommendation no. 67) of 1944 did not break with the tradition of social insurance. Nevertheless, social insurance now became an undoubtedly privileged but nonetheless subordinate technique in the service of an institution with a general sphere of application and uniform provisions which was to ensure a means of subsistence for the greater part or indeed for the whole population for all eventualities; this wastobe linked to or to include earlier forms of protection. Social security, which was free to adapt its means to its aims, had to determine the sphere and role of social insurance in relation to its aims from now on. Social insurance has been increasingly limited with the development of legislation which, in accordance with the basic principles of universality and integration, has provided for the necessary technical adjustments; at the same time the role of social insurance regarding certain categories of the protected population or certain protective functions has been precisely defined. This role is still very much in the foreground in order to guarantee all gainfully employed persons - regardless of whether they are dependently employed or not - a social income as substitute for an income from employment in the case of all risks which were previously covered by the traditional systems of social ·insurance. This takes account of new trends in social policy which aim at reducing inequality and fighting poverty.
Sozialversicherung Soziale Sicherheit - Sozialpolitik
I. Die Situation vor 100 Jahren Die Entstehung der Sozialversicherung besonders in Deutschland und Großbritannien Von Gerhard A. Ritter I. Vor etwa 100 Jahren hat die bereits sehr viel ältere Diskussion der sogenannten sozialen Frage, unter der vor allem die Arbeiterfrage, d. h. die Integration der Industriearbeiterschaft in Staat und Gesellschaft, daneben zunehmend auch die Erhaltung des alten Mittelstandes der Handwerker und kleinen Kaufleute, verstanden wurde, vor allem in Mittel-, Nord- und Westeuropa eine neue Aktualität erlangt. Die Hauptursachen dafür waren einmal die schwere ökonomische Depression nach 1873, die den Glauben an die Selbstregulierung der Marktkräfte und die Fähigkeit des einzelnen, sich aus eigener Kraft gegen Armut, Elend und Ausbeutung zu schützen, erschütterte, und zweitens die tiefe Beunruhigung der herrschenden aristokratischen und bürgerlichen Schichten durch die Pariser Kommune von 1871, die das Gespenst einer sozialen Revolution an die Wand gemalt hatte. Diese doppelte Herausforderung durch die Krise der kapitalistischen Industriegesellschaft und die Herausbildung eines revolutionären Proletariats führte zur Neubelebung und Verstärkung der Kräfte, die das Konfliktpotential durch konkrete soziale Reformen entschärfen wollten. Neben den Kirchen spielten bürgerliche Sozialreformer, die oft in engem sozialem und geistigem Kontakt zu den Spitzen der Beamtenschaft standen, in der Kritik am Manchester-Liberalismus, der Erweckung des sozialen Gewissens, der Identifizierung sozialer Probleme und der Ausarbeitung spezifischer Vorschläge zu ihrer Lösung eine entscheidende Rolle. In der Arbeiterpolitik konnte neben dem Ausbau von Sozialversicherungen, die kennzeichnenderweise vor 1914 allgemein als Arbeiterversicherungen bezeichnet wurden, der Ausbau des Arbeiterschutzes oder in Ansätzen auch schon die Förderung konfliktregulierender Mechanismen der Interessenorganisationen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Vordergrund stehen.
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Die uns hier vor allem interessierende Sozialversicherung als eine neue Form der Daseinsvorsorge, die das traditionelle, auf eine relativ stabile agrarische Welt zugeschnittene System der Armenfürsorge zunehmend ablöste, ist seit den 1880er Jahren in Europa zu einem zentralen Element der Diskussion der sozialen Frage geworden. Die Ursachen dafür wird man zunächst in dem durch Industrialisierung, Urbanisierung und Binnenwanderung vorangetriebenen Prozeß des sozialen und ökonomischen Wandels sehen müssen. Die Auflösung von Ständegesellschaft und Zunftverfassung, das Ausscheiden von immer mehr Menschen aus der eine gewisse Sicherheit gewährenden Dorfgemeinschaft, die Überwindung der früher häufig erzwungenen Ehelosigkeit der Unterschichten, der Rückgang der Bedeutung der Familie als einer Gemeinschaft zur Vorsorge gegen Not, die Herausbildung neuer Formen des Pauperismus waren gewiß notwendige Voraussetzungen. Trotzdem ist Sozialversicherung, vor allem staatliche Sozialversicherung, nicht einfach Konsequenz eines bestimmten Stadiums wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung. Sonst hätte nicht Deutschland, sondern Großbritannien und Belgien die ersten Systeme staatlicher Sozialversicherung errichten müssen1 . Die Eigenart der jeweils dominierenden politischen und sozialen Traditionen, die spezifische Ausprägung des Verfassungssystems, die Stärke und das Prestige der staatlichen Bürokratie, die Konstellation der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Kräfte, Zeitpunkt und Ausmaß der politischen Mobilisierung der Arbeiterschaft, die Vitalität und Flexibilität der traditionellen Formen der Armenfürsorge durch Staat, Kommunen, Kirchen und private Wohltätigkeitseinrichtungen sowie die Stärke der Tradition der Selbsthilfe, schließlich auch Stand und Einfluß der empirischen Sozialwissenschaft, die Fähigkeit, soziale Risiken einzugrenzen und die Kosten ihrer Behebung versicherungsmathematisch zu berechnen, haben den Zeitpunkt der Entstehung und die Form von Sozialversicherung entscheidend beeinflußt. Daneben hat zweifellos auch das seit den 1880er Jahren bestehende deutsche Vorbild einer relativ umfassenden, funktionierenden, obligatorischen Arbeiterversicherung die internationale Diskussion wesentlich befruchtet. Dabei konnte neben der mehr oder minder vollständigen Übernahme des deutschen Modells, wie es etwa in Österreich, in Ungarn oder dem noch dem Zollverein angehörenden Luxemburg der Fall wa~, auch die Ausarbeitung alternativer Lösungen in kritischer Aus1 Vgl. Wolfram Fischer, Wirtschaftliche Bedingungen und Faktoren bei der Entstehung und Entwicklung von Sozialversicherung, in: Hans F. Zacher (Hrsg.), Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Sozialversicherung. Colloquium der Projektgruppe für Internationales und Vergleichendes Sozialrecht der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin 1979, S. 91-102, bes. S. 91. 2 Dr. [Georg] Zacher (Bearb.), Die Arbeiter-Versicherung im Auslande, 5 Bde., Berlin 1900-1908 (einzelne Hefte erschienen seit 1898), bes. Bd. 1,
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einandersetzung mit dem deutschen Vorbild, wie sie in den westeuropäischen Ländern zunächst vorherrschte, stehen. Neben dem deutschen Modell obligatorischer staatlicher Versicherungen fand vor allem die auf dem liberalen Grundsatz der Hilfe zur Selbsthilfe beruhende staatliche Unterstützung freiwilliger Versicherung vor 1914 noch weite Verbreitung. Die deutsche Regierung und die höhere Beamtenschaft, in den letzten Jahren vor 1914 schließlich auch die Arbeiterbewegung, waren sich der Ausstrahlungskraft des deutschen Vorbilds voll bewußt. Seine Übernahme durch andere Länder, deren Versicherungssysteme man mit größter Aufmerksamkeit studierte, wurde z. B. auf den internationalen Arbeiterversicherungs-Kongressen seit 1889, in deutschen Beiträgen zu den Weltausstellungen und durch umfassende Information ausländischer Experten und Politiker massiv propagiert3 • Nach der Meinung des ersten Präsidenten des Reichsversicherungsamtes, Tonio Bödiker, der 1895 "Die Arbeiterversicherung in den europäischen Staaten" untersuchte, handelte es sich bei der Arbeiterversicherung auf "moralischem Gebiete" wie bei der Dampfkraft und Elektrizität "auf dem materiellen Gebiete" "um ein segenbringendes Prinzip von großer Tragweite"\ dessen Ausdehnung auf andere Länder eine durch die "Solidarität der Interessen der besitzenden Klassen" bedingte internationale Pflicht sei: "Natürlich hat auch die im Mittelpunkt Europas befindliche deutsche Nation ein Interesse daran, daß auswärts diese Pflichten erfüllt werden, wie jeder Nachbar vom anderen wünscht, daß er sein Haus nicht in Brand stecke oder wenigstens, wenn es brennt, es Iösche5 ." Heft VII, Die Arbeiterversicherung in Österreich, 1899; Heft VIII, Die Arbeiterversicherung in Ungarn, 1899; Bd. 2, Heft XIV, Die Arbeiterversicherung in Luxemburg, 1901. Zu diesen Heften erschienen Nachträge im 3., 4. und 5. Bd., Hefte VIIa, VIlla, XIVa und VIIIb. - Das Werk von Georg Zacher, der von 1890 bis 1905 .im Reichsversicherungsamt wirkte, ehe er Direktor am Kaiserlichen Statistischen Amt wurde, gibt einen guten Überblick über den Stand des Sozialversicherungswesens um 1900. Vgl. zu .diesem Werk, in dem im 4. und 5. Bd. u. a. auch das Sozialversicherungswesen in den Vereinigten Staaten (Heft XVII) und die für die britische Entwicklung teilweise vorbildhafte "Arbeiterversicherung in Australien und Neu-Seeland" (Heft XVIII) behandelt wurden, Peter A. Köhler und Hans F. Zacher, Die Sozialversicherung im Europa der Jahrhundertwende, in: Die Sozialgerichtsbarkeit, 28. Jahrgang 1981, Heft 10/11, S. 42~32. 3 Ein im Auftrage des Reichsversicherungsamtes für die Weltausstellung von Chicago von Dr. Zacher zusammengestellter "Leitfaden zur Arbeiterversicherung des Deutschen Reichs" (Berlin 1893) erschien in deutscher, englischer und französischer Sprache. Er kostete bei größeren Bestellungen nur 10 Pfennig pro Stück und war 1895 bereits in 100 000 Exemplaren abgesetzt worden. Ahnliehe Publikationen erschienen zu den anderen Weltausstellungen. Viel Beachtung im Ausland fand insbesondere die Sonderausstellung über die deutsche Arbeiterversicherung auf der Weltausstellung in St. Louis 1904. 4 T.[onio] Bödiker, Die Arbeiterversicherung in den europäischen Staaten, Leipzig 1895, S. III. s Ebd., S. 238. 6 Sozialversicherung
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1907, 20 Jahre nach der Einführung der Sozialversicherung in Deutschland, bestanden nach dem Ergebnis einer umfassenden zeitgenössischen Untersuchung über "Die Arbeiterversicherung im Auslande" in 8 von 14 untersuchten europäischen Ländern obligatorische staatliche Unfallversicherungen, in 4 obligatorische Krankenversicherungen, während eine die Masse der Arbeiterschaft erfassende obligatorische Alters- und Invalidenversicherung noch immer nur im Deutschen Reich existierte. In weiteren Ländern bestanden eine generelle Haftpflicht der Unternehmer für Betriebsunfälle sowie gesetzliche Regelungen und oft auch staatliche Unterstützungen für freiwillige Versicherungen gegen Krankheit, Alter und Invalidität bzw. eine aus staatlichen Mitteln finanzierte, von der Armenfürsorge abgekoppelte Unterstützung der bedürftigen Alten6 • Leider ist es hier nicht möglich, anhand von generellen Hypothesen die Entstehung von Sozialversicherung in der Welt oder auch nur in Europa vergleichend zu untersuchen. Das würde nicht nur die Kraft eines einzelnen übersteigen, sondern auch eine sehr viel günstigere Situation der vielfach noch in den Anfängen steckenden Forschung voraussetzen. Der Vortrag wird sich daher nunmehr auf eine vergleichende Untersuchung der Entstehung und des Charakters der neuen Systeme der Daseinsvorsorge, wie sie sich mit kennzeichnenden zeitlichen Verschiebungen in den Jahrzehnten von 1880 bis 1914 in Deutschland und Großbritannien herausbildeten, beschränken. Dabei mußte für Deutschland, in dem zwei Anläufe zur systematischen Untersuchung der Entstehung der deutschen Sozialversicherung vor 1933 und im 2. Weltkrieg durch äußere Umstände abgebrochen werden mußten\ z. T. auf archivalische Quellen zurückgegriffen werden. Die Auswahl der beiden Länder erklärt sich dadurch, daß damit zwei Haupttypen der Daseinsvorsorge als case studies erfaßt werden können. Das in den Forschungsvorhaben des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Sozialrecht stark berücksichtigte Österreichische Sozialversicherungssystem wurde in enger Anlehnung an das deutsche geschaffen, wenn es auch in der stärker gegen den Liberalismus als gegen die Sozialdemokratie gerichteten politischen Motivation, in der Funktion als Klammer der durch nationale Gegensätze gespaltenen Monarchie und der heterogenen Koalition politischer Kräfte in den 1880er Jahren sowie in dem noch größeren Einfluß der Bürokratie von diesem abweicht8 • In Frankreich 8 Vgl. die tabellarische übersieht "Die Arbeiterversicherung in Deutschland und im Auslande", in: Zacher, Arbeiter-Versicherung, Bd. 5, Heft XIX,
8.186-193.
7 Zur Forschungsgeschichte vgl. Walter Vogel, Bismarcks Arbeiterversicherung. Ihre Entstehung im Kräftespiel der Zeit, Braunschweig 1951, S. 3-6.
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hat dagegen, wie in Großbritannien, die Stärke des politischen und ökonomischen Liberalismus wie auch die tiefe Verwurzelung eines ausgeprägten Individualismus die Ausbildung eines obligatorischen staatlichen Versicherungssystems lange verzögert. Erhebliche Differenzen zu Großbritannien liegen dagegen in Frankreich in der viel schwächeren Ausbildung der Selbsthilfeorganisationen, dem weitgehend durch die größere Bedeutung der Kleinbetriebe bedingten schärferen Widerstand der Unternehmerschaft und der von syndikalistischen Ideen stark bestimmten französischen Gewerkschaften gegen die zwangsweise Erhebung von Beiträgen11• II. Es ist allgemein bekannt, daß die deutsche Sozialversicherung besonders früh entstanden ist - nicht etwa erst in den 1880er Jahren, sondern in ihren Vorläufern noch um Jahrzehnte früher. Unter den viel diskutierten Ursachen dieser "Verfrühung" seien besonders hervorgehoben: 1. Die Auffassung von der besonderen Rolle und Funktion des Staates als eines Instruments zur Förderung von Wohlfahrt und sozialer Kontrolle blickte in Deutschland auf eine alte Tradition zurück. Sie stützte sich nicht zuletzt auf die altständische Vorstellung vom Anspruch des Untertanen auf angemessene Subsistenzvorsorge, sobald und solange der Untertan seinen Pflichten gegenüber der Obrigkeit genügte. Auf einer eigenen Tradition beruhte überdies die interventionistische Verwaltungspraxis deutscher Staaten, die auch im 19. Jahrhundert nicht abgerissen ist. 2. Diese Tradition lebte erstmals während der Revolution 1848/49 in Gestalt einer aktiven Sozialpolitik auf. Je mehr sich in diesen Monaten, die Gefahren eines herandrängenden Proletariats vor Augen, das politisch schwache Bürgertum mit dem Erreichten zufriedengab, desto 8 Für die Entstehung des Österreichischen Sozialversicherungssystems vgl. vor allem Herbert Hofmeister, Landesbericht Österreich, in: Peter A. Köhler und Hans F. Zacher (Hrsg.), Ein Jahrhundert Sozialversicherung in der BundesrepubHk DeutschLand, Frankreich, Großbritannien, Österreich und der Schweiz, Berlin 1981, S. 445-730, bes. S. 514-588; Kurt Ebert, Die Anfänge der Modernen Sozialpolitik in Österreich. Die Taaffesche Sozialgesetzgebung für die Arbeiter im Rahmen der Gewerbeordnungsreform (1879-1885), Wien 1975. 9 Vgl. Yves Saint-Jours, Landesbericht Frankreich, in: Köhler/Zacher, Ein Jahrhundert Sozialversicherung, S. 181-268, bes. S. 199-224; IrEme Bourquin, "Vie ouvriere" und Sozialpolitik: Die Einführung der "Retraites ouvrieres" in Frankreich um 1910. Ein Beitrag zur Geschichte der Sozialversicherung, Bern, Frankfurt am Main, Las Vegas 1977; Henri Hatzfeld, Du pauperisme a la securite sociale: essais sur les origines de la securite sociale en France 1850-1940, Paris 1971.
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freiere Hand gewannen nach der Revolution die deutschen Bundesstaaten in der scharfen Unterdrückung aller radikal- und sozialdemokratischen Bestrebungen. Diese Politik versuchten die größeren Staaten, darunter besonders Preußen, durch sozialpolitische Palliative zu entschärfen. So standen den repressiven einzelstaatlichen Vereinsgesetzen des Jahres 1850 und dem reaktionären Bundesbeschluß gegen die Arbeiterbewegung die Einrichtung der Gewerbeinspektionen sowie besonders das Unterstützungskassengesetz des Jahres 1854 gegenüber10• Aufgrund dieses Gesetzes konnten mittels Ortsstatuts Arbeiter und Gesellen zum Beitritt, die Arbeitgeber zu Zuschüssen für Unterstützungskassen gezwungen werden; das Gesetz verankerte die Selbstverwaltung der Versicherten und nahm auch hierin das Krankenversicherungsgesetz von 1883 vorweg. 3. In einer sehr umfassenden, auf den Gesamtprozeß gesellschaftlicher und politischer Modernisierung abzielenden Argumentation ist wiederholt behauptet worden, daß der Vorteil des "latecomers" in der Industrialisierung nicht zuletzt darin bestanden habe, sozusagen auf höherem Niveau und insbes{)ndere mit Hilfe der Erfahrungen der Vorreiter starten zu können11 • Wirtschaftliche Rückständigkeit provozierte, überspitzt gesagt, soziale Fortschrittlichkeit. - Eine genauere Untersuchung dieses Arguments würde Widersprüche zutage fördern und beispielsweise das eben erarbeitete Angstmotiv des Obrigkeitsstaates relativieren. Statt dessen sei auf die in einem engeren Sinne für die Entfaltung der staatlichen Sozialpolitik entscheidende wirtschaftliche und soziale Situation Deutschlands seit etwa 1870 hingewiesen: Die soziale Frage war durch die Aktualisierung des den Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts stets präsenten Alptraums einer sozialen Revolution in der Pariser Kommune von 1871, durch die Streikwellen 1869 bis 1872, die verstärkte politische Mobilisierung der Arbeiter in sozialistischen Parteien, die Wohnungsnot in den Großstädten und schließlich durch Massenarbeitslosigkeit und Elend als Konsequenzen der 1873/74 einsetzenden langjährigen schweren wirtschaftlichen Krise mit aller Schärfe erneut in das öffentliche Bewußtsein gerückt worden. Vor diesem Hintergrund entstand 1872 der Verein für Sozialpolitik, der sich 10 Vgl. Heinrich Volkmann, Die Arbeiterfrage im preußischen Abgeordnetenhaus 1848-1869, Berlin 1968, bes. S. 63 ff.; Stephan Poerschke, Die Entwick:lung der Gewerbeaufsicht in Deutschland, Jena 1911, S. 22 ff. 11 Eine glänzende Diskussion der auch von den Zeitgenossen intensiv erörterten Frage, warum Großbritannien - die eindeutig führende Industrienation noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts - auf wirtschaftlichem Sektor seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts von anderen Staaten und insbesondere vom Deutschen Reich eingeholt wurde, enthält David S. Landes, The Unbound Prometheus. Technological Change and Industrial Development in Western Europe from 1750 to the present, Cambridge University Press 1969, bes. S. 326-358.
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die Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen für eine Politik der Sozialreform, aber auch das konkrete Einwirken auf öffentliche Meinung und Gesetzgebung zum Ziel setzte. Die in dem Verein zusammengeschlossenen sogenannten Kathedersozialisten, neben denen aus christlichen Impulsen kommende, z. T. ältere sozialreformerische Ideen auf katholischer und evangelischer Seite standen, waren sich trotz ihrer unterschiedlichen, ihre mehr konservative, liberale oder staatssozialistische Einstellung spiegelnden Auffassungen zu konkreten Fragen der Sozialreform einig in dem Bestreben, die Gefahr einer "drohenden sozialen Revolution" zu verringern und eine Antwort auf die Herausforderung der Sozialdemokratie zu geben12• Der Versuch, der Sozialdemokratie durch konkrete Sozialreformen das Wasser abzugraben, war auch der letztlich entscheidende Grund für die Sozialversicherungsgesetze der 1880er Jahre. Für Bismarck war die angebliche Bedrohung von Staat und Gesellschaft durch die Sozialdemokratie, deren Identifizierung mit der Pariser Kommune13 und deren Erfolge in den Großstädten und Industriezentren bei den Reichstagswahlen von 187714 ihn zutiefst beunruhigten, zu einer fixen Idee geworden. Bekanntlich hat Bismarck dann die zwei Attentate auf den Kaiser im Mai und Juni 1878 dazu ausgenutzt, um neben der Sozialdemokratie auch die sozialistischen Freien Gewerkschaften durch ein Ausnahme12 Vgl. die programmatische Eröffnungsrede des Nationalökonomen und Historikers Gustav Schmoller auf der Gründungsversammlung des formell allerdings erst am 13. 10. 1873 endgültig konstituierten Vereins für Sozialpolitik in Eisenach am 6. 10. 1872 (Verhandlungen der Eisenacher Versammlung zur Besprechung der sozialen Frage am 6. und 7. October 1872, hrsg. vom Ständigen Ausschuß, Leipzig 1873, S. 1). 13 Vgl. Bebeis Reichstagsrede vom 25. 5. 1871 (Stenographische Berichte über die Verhandlungen d es Reichstags, I. LegisLaturperiode, I. Session, Bd. 2, S. 920 f.), die nach einer Äußerung Bismarcks in seiner Reichstagsrede vom 17. 9. 1878 während der Beratungen des Entwurfs des Sozialistengesetzes seine Einstellung zur sozialen Frage verändert habe: "Von diesem Augenblick an habe ich die Wucht der überzeugung von der Gefahr, die uns bedroht, empfunden ... jener Aufruf der Kommune war ein Lichtstrahl, der in die Sache fiel, und von diesem Augenblick an habe ich in den sozialdemokratischen Elementen einen Feind erkannt, gegen den der Staat, die Gesel1sch,a ft sich im Stande der Notwehr befindet." (Auszug der Rede in: Hans Rothfels (Hrsg.), Bismarck und der Staat. Ausgewählte Dokumente, W. Kohlhammer Verlag 3 1958, S. 344-346. 14 Die Sozialdemokratie hatte zwar insgesamt nur 9,1 Ofo der Stimmen und 12 von 397 Mandaten gewonnen. Sie war aber in dem stark industrialisierten Sachsen mit 38 °/o der abgegebenen Stimmen und 7 von 23 Mandaten zur stärksten Partei geworden und hatte auch in den 6 Wahlkreisen Berlins mit 39,2 °/o und den 3 Wahlkreisen Hamburgs mit 40,0 Ofo erhebliche Erfolge erzielen können (vgl. Gerhard A. Ritter unter Mitarbeit von Merith Niehuss, Wahlgeschichtliches Arbeitsbuch. Materialien zur Statistik des Kaiserreichs 1871-1918, München 1980, bes. S. 38, 69, 89, 95).
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gesetz zu unterdrücken und sich eine neue Reichstagsmehrheit für den konservativen Umschwung der Innen- und Handelspolitik zu verschaffen. Es ist jedoch kennzeichnend, daß schon in den bald nach dem zweiten Attentat von verschiedenen preußischen Ministerien ergangenen Erlassen, in denen zum festen Vorgehen gegen sozialistische Tendenzen bei Beamten und Arbeitern der Staatsbetriebe aufgefordert wurde, die untergeordneten Behörden gleichzeitig veranlaßt wurden, durch "verständige Bemessung der Arbeiterlöhne und der Arbeitszeit", die Herstellung von Arbeiterwohnungen und den Ausbau der Wohlfahrtseinrichtungen "-dem Geist der Unzufriedenheit und der Ausbreitung der sozialistischen Bewegung" den Boden zu entziehen1 5 • Die Funktion der Sozialversicherungsgesetzgebung als positive Ergänzung des Sozialistengesetzes wurde von der Regierung immer wieder betont. Durch die Sozialversicherungsgesetze sollten die von der sozialdemokratischen Agitation noch nicht erfaßten Arbeiter gegen diese immunisiert, die bereits infizierten Arbeiter von ihren Führern getrennt und geheilt und die Arbeiterschaft insgesamt "durch erkennbare direkte Vorteile" 16 enger an den Staat gebunden werden. Politischen Erwägungen kam daher Priorität zu: So wurden die von der sozialistischen Partei am stärksten gefährdeten gewerblichen Arbeiter, und nicht Landarbeiter, Dienstboten und Heimarbeiter, deren Not sehr viel größer war, die ersten und eigentlichen Adressaten der Sozialversicherungsgesetze. Dennoch sollte man letztere aber nicht nur als eine Strategie zur Bekämpfung der Arbeiterbewegung und zur sozialen Kontrolle der Arbeiter im Rahmen der bestehenden monarchischen Staats- und Gesellschaftsordnung interpretieren, sondern auch die ökonomischen und sozialen Motive der Gesetzgebung stärker, als das oft der Fall ist, berücksichtigen. Starker Reformdruck hatte sich angestaut durch die Erhöhung der Unfallgefahren in den Fabriken, durch die höchst unbefriedigenden Konsequenzen des Reichshaftpflichtgesetzes von 1871, das etwa 80 °/o der gemeldeten Betriebsunfälle unentschädigt ließ17 und die Beziehungen zwischen Arbeitern und Unternehmern erheblich belastete, durch die geringe Zahl der über Hilfskassen gegen Krankheit versicherten 15 Vgl. Erlaß des preußischen Handelsministers an die Vorsitzenden der Köni-glichJen Eisenbahn-Commissariate vom 3. 6. 1878, Staatsarchiv Münster, Oberpräsidium Münster 2693 I, BI. 9 f.; Erlaß des preußischen Handelsministers an dlie Regierungspräsidenten vom 14. 6. 1878, ebd., BI. 18 f. 16 Vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betr. die Unfa.Uversicherung der Arbeiter, in: Sammlung sämtLicher Druckisaehen des Reichstags, IV. Legislaturperiode, IV. Session 1881, Bd. 1, Nr. 41, S. 17. 17 A. von Miaskowski, Zur Geschichte und Literatur des Arbeiterversicherungswesens ·in Deutschland, in : Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, N. F. 4, 1882, S. 474-496, hier S. 477.
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Personen18 und durch die Verkürzung der Lebensarbeitszeit der Beschäftigten in der an älteren Arbeitskräften nicht interessierten Industrie, endlich überhaupt durch den von hoher geographischer Mobilität beschleunigten Verfall der alten Formen der Daseinssicherung in Familien und Geburtsgemeinden und durch die zunehmende Belastung der Armenfürsorge. Die Sozialversicherungsgesetzgebung muß schließlich in einem stärkeren Umfang, als das meist geschieht, im Zusammenhang nicht nur mit dem Sozialistengesetz, sondern auch mit den zentralen Zielen der Wirtschafts- und Finanzpolitik Bismarcks seit dem Ende der 1870er Jahre gesehen werden. Man kann mit vollem Recht argumentieren, daß durch die Schutzzollpolitik von 1879 und vor allem die Erhöhung der Getreidezölle auf das Fünffache bis 1887 eine Verteuerung der Lebenshaltung der Arbeiterfamilien eintrat19, die die Aufwendungen für die Daseinsvorsorge durch die Beitragsanteile der Unternehmer zu allen Versicherungen und den Zuschuß des Reiches zur Rentenversicherung mehr als aufwog. In Bismarcks subjektiver Einschätzung diente die Zollschutzpolitik jedoch dem "Schutz der nationalen Arbeit" und kam damit als ein Mittel zur Überwindung der Wirtschaftskrise und Verringerung der Arbeitslosigkeit gerade auch den Arbeitern zugute~0• In Bismarcks Innenpolitik nahm von der Mitte der 1870er Jahre bis zu seiner Entlassung die Sicherung der Reichsfinanzen und die Umverteilung der Steuerlasten in einem von der historischen Forschung noch keineswegs erkannten Maße den zentralen Platz ein. Durch die Steigerung der indirekten Steuern, vor allem aber die Einführung eines Tabakmonopols des Reiches, sollte die Abhängigkeit des Reiches von den jährlich durch Beschluß des Reichstages festgesetzten Matrikularbeiträgen der Bundesstaaten beseitigt, der Einfluß des Reichstages reduziert und z. B. in Preußen die Möglichkeit zur Abschaffung der schwer auf den Unterschichten lastenden Klassensteuern gegeben werden. Bis18 Nach Florian Tennstedt (Sozialgeschichte der Sozialversicherung, in: Maria Blohmke (Hrsg.), Handbuch der Sozialmedizin, Bd. 3, Stuttg·a rt 1976, S. 385--492, hier S. 386) waren um 1880 nur etwa 5% der Bevölkerung in irgendeiner Kasse versichert oder wurden von ihr erfaßt. 19 Man hat geschätzt, daß aufgrund der Zollschutzpolitik die Kosten für Lebensmittel, die im Durchschnitt etwas über die Hälfte aller Lebenshaltungskosten in Arbeiterhaushalten ausmachten, in Deutschland 1905 etwa um 8% höher als in Großbritannien lagen (vgl. Gerhard A. Ritter, Staat, Arbeiterschaft und Arbeiterbewegung .in Deutschland. Vom Vormärz bis zum Ende der Weimarer Republik, Berlin/Bonn 1980, S. 17). 20 Vgl. seinen äußer st aufschlußreichen vertraulichen Erlaß vom 13. 3. 1879 an den preußischen Gesandten in Sachsen, Kar! Graf von Dönhoff, Hamburger Bibliothek für Sozialgeschichte und Arbeiterbewegung, Nachlaß Schulz, Gesandtschaftsberichte Dresden, 5, S. 44-46.
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Gerhard A. Ritter
marck ist mit seiner Steuerpolitik am Widerstand des Reichstages gescheitert. Deshalb ließ sich auch Bismarcks ursprünglicher Plan, die Alters- und InV'alidenversicherung ohne Beiträge der Arbeiter aus Reichsmitteln zu finanzieren2 \ nicht durchführen. Einige der wesentlichen, sie vom englischen System unterscheidenden Kennzeichen der deutschen Sozialversicherung- z. B. die ursprünglich nicht vorgesehene Staffelung der Beiträge und Leistungen in der Rentenversicherung nach dem Verdienst der Versicherten22 wie auch das hohe Maß der Selbstbeteiligung der Versicherten und die geringe Beteiligung des Reiches entsprachen so nicht dem ursprünglichen Konzept der Regierung. Die starke Verankerung des Selbstverwaltungsgedankens, der wahrscheinlich entscheidend zur Wirksamkeit und wachsenden Popularität des Sozialversicherungssystems beigetragen hat, war letztlich ebenfalls weniger die Folge eines bewußten Anknüpfens an ältere korporative Traditionen als vielmehr eine notwendige Konsequenz der Art der Finanzierung der Versicherung. Die Selbstverwaltung kam bei der im Umlageverfahren ausschließlich aus Beiträgen der Arbeitgeber finanzierten Unfallversicherung vor allem den Unternehmern, in den mit Ausnahme der freien Hilfskassen zu zwei Dritteln aus Beiträgen der Versicherten getragenen Krankenversicherungen vor allem den Arbeitern zugute. Allein in der von Landesversicherungsanstalten, allerdings unter Kontrolle paritätisch zusammengesetzter Vertretungskörperschaften von Arbeitgebern und Versicherten ·getragenen Alters- und Invalidenversicherung hat von vornherein das staatlich-'bürokratische Element überwogen. An der Entstehung der Sozialversicherungsgesetze haben die verschiedensten Einflüsse und Kräfte mitgewirkt. Obwohl man Bismarcks Identifizierung mit den Gesetzen nicht überbetonen darf - so bezeichnete er das Invalidenversicherungsgesetz nach seiner Entlassung abfällig als einen "parlamentarische[n] und geheimrätliche[n] Wechsel21 Vgl. Votum Bismarcks an das preußische Staatsministerium vom 11. 9. 1887, in: Bismarck. Die gesammelten Werke, Bd. VIc, Berlin 1935, S. 364 f. Bismarck hatte, wie auch aus dem Protokoll der Sitzung des preußischen Staatsministeriums vom 15. 8. 1881 hervorgeht, ursprünglich vor, gemeinsam mit dem 2. Entwurf des Unfallversicherungsgesetzes und dem Entwurf eines Krankenversicherungsgesetzes auch die Grundzüge eines durch ein Tabakmonopol des Reiches finanzierten Altersversicherungsgesetzes dem Reichstag vorzuleg-en (Geheimes Staatsarchiv, Berlin-Dahrem, Rep. 90, Bd. 1244), hat dann aber davon Abstand genommen. Auch in der Kaiserlichen Botschaft vom 17. 11. 1881 wird die Forderung nach Einführung des Tabakmonopols hervorgehoben. 22 Vgl. die vom Reichsamt des Inneren an die Regierungen sämtlicher deutscher Bundesstaaten außer Preußen am 6. 7. 1887 übersandte "Denkschrift betr. Alters- und Invalidenversicherung", Geh. Staatsarchiv, Rep. 90, Bd. 1263, in der ausdrücklich von der Höhe des Lohns unabhängige gleiche Beiträge für alle Versicherten vorgesehen werden. Allerdings soilte die Höhe der Rente nach der Länge der BeitragszahlJung abgestuft sein (S. 13 f.) .
Die Entstehung der Sozialversicherung
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balg"23 - und die vielfach gebrauchte Bezeichnung "Bismarcks Versicherungsgesetzgebung" wegen des großen Anteils anderer Personen und Kräfte in ihrer Vorbereitung und Durchführung irreführend ist, darf man doch auch seine Rolle nicht zu sehr herunterspielen, wie das in der neuen Literatur z. T. geschieht24 • Ohne Bismarcks Macht und Energie wären die Gesetze jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht durchgesetzt worden. Die politische Zielsetzung der Gesetze und ihre Ausrichtung auf die gewerbliche Arbeiterschaft gehen unmittelbar auf ihn zurück. Auch die Geschlossenheit des Gesetzgebungswerkes, das außer der Arbeitslosigkeit alle wesentlichen Lebensrisiken erfaßte, die Verankerung des Prinzips des Versicherungszwanges und die Bildung öffentlichrechtlicher Zwangsversicherungen als Organisationsform unter völliger Ausschaltung der von Bismarck scharf abgelehnten kommerziellen Versicherungen25 sind von ihm durchgesetzt worden. Die starke Berücksichtigung der Unternehmerinteressen, die besonders in der Unfallversicherung zum Ausdruck kam, entsprach ebenfalls Bismarcks Bestreben, die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu erhalten. Dieses Motiv, darüber hinaus die Ablehnung einer die Autorität der Unternehmer untergrabenden intensiven Kontrolle der Betriebe durch staatliche Beamte, aber auch das Argument, daß mit der Einschränkung des Rechts der Arbeiter, über ihre eigene Arbeitskraft und die ihrer Frau und ihrer Kinder frei zu verfügen, man nicht nur sein Einkommen beschneide, sondern auch seine Autorität als Familienvater beeinträchtige, haben Bismarck dazu veranlaßt, den erst nach seiner Entlassung vorgenommenen Ausbau der Fabrikinspektion und der Arbeiterschutzgesetzgebung, für den bereits in den 1880er Jahren eine Mehrheit im Reichstag vorhanden war, zu blockieren26 • Damit 23 Ansprache Bismarcks an die Abordnung der Anhalter am 21. 4. 1895, abgedruckt in: Horst Kohl (Hrsg.), Reden und Ansprachen des Fürsten Bismarck. Historisch-kritische Gesamtausgabe in 14 Bänden, Bd. 13, 1890-1897, Neudruck der Ausgabe Stuttgart 1905, Aalen 1970, S. 369-373, bes. S. 372. 24 Ein krasses Beispiel dafür ist der Aufsatz von Jürgen Tampke, Bismarck's Soci:aJ Legislation: a Genuine Breakthrough?, >in: W. J. Mommsen (Hrsg. in Zusammenarbeit mit Wolfgang Mock), The Emergence of the Welfare State in Britain and Germany 1850-1950, London 1981, S. 71-83. 25 Vgl. bes. seine Reichstagsrede vom 2. 4. 1881, Abdruck in: Die gesammelten Werke, Bd. 12, Berlin 2 1929, S. 236---249, bes. S . 243. 26 Vogel, Arbeiterversicherung, S. 135 ff., 161 ff., 168 f.; Bismarck, Erinnerung und Gedanke, Bd. XV der gesammelten Werke, Berlin 1932, S. 489 f. Vgl. weiter einen im Auftrag Bismarcks geschriebenen Brief Rottenburgs an den Staatssekretär im Reichsamt des Innem, Karl Heinrich von Boetticher, vom 28. 10. 1885, in dem die vom Zentrumsführer Windthorst geforderte und vom Freikonservativen Stumm unterstützte Einführung einer obligatorischen Sonntagsruhe abgelehnt wird. "Nach Ansicht seiner Durchlaucht ist die Hauptschwierigkeit in der Frage enthalten: Wie ist ein Ersatz für den Lohnausfall der Arbeiter zu beschaffen." (Nachlaß Boetticher im Bundesarchiv Koblenz, Nr. 46).
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Gerhard A. Ritter
wurde Deutschland im Gegensatz zu Österreich, in dem zwischen 1883 und 1885 eine für die Zeitverhältnisse sehr fortschrittliche Arbeiterschutzgesetzgebung erlassen wurde27, auf diesem Gebiet bis 1891 auf einem Niveau gehalten, das "weit hinter dem in England bis zum Jahre 1847 erreichten Stand der Fabrik- und Gewerkschaftsgesetzgebung und eines staatlich sanktionierten Arbeiter-Selbsthilfesystems herhinkte"28 . Trotz der wichtigen Rolle einzelner Beamter, so war Theodor Lohmann der Hauptschöpfer des Krankenversicherungsgesetzes29, wäre es verfehlt, die vielfach von der Wissenschaft beeinflußte Beamtenschaft mit Walter Vogel als "eigentliche Trägerin der sozialen Gesetzgebung" 30 anzusehen. Wichtiger war vielmehr für die Gestaltung des Unfallversicherungsgesetzes, zum Teil auch für d~e Invaliditäts- und Altersversicherung, der Einfluß der Unternehmer und für die Gesamtgesetzgebung die Rolle des Reichstages. Gewisse Teile der Unternehmerschaft, besonders die Groß- und Schwerindustrie, haben vor :allem den ersten Entwurf des Unfallversicherungsgesetzes sehr wirksam unterstützt. Sie haben auch in der weiteren Entwicklung, allerdings zumeist vergeblich, versucht, ihre auf eine finanzielle Entlastung der Industrie, eine Reduzierung der Beteiligung der Arbeiter an den Selbstverwaltungsorganen und eine Steigerung der Möglichkeiten zur Disziplinierung der Arbeiter hinauslaufenden Vorstellungen zur Geltung zu bringen31. Von den deutschen Parteien hat vor allem das Zentrum, dessen Zustimmung für die Mehrheitsbildung im Reichstag bis zur Kartellwahl von 1887 unerläßlich war, als "Partner", aber auch "Gegenspieler" Bismarcks32 einen entscheidenden Einfluß auf die Sozialversicherungs27 Vgl. Ebert, Anfänge der Sozialpolitik, bes. Kapitel VI-VIII (S. 115249), und die zusammenfassende Erörterung der hinter der Gesetzgebung stehenden Motive und Kräfte, S . 250 ff. 28 So Hans Rosenberg, Große Depression und Bismarckzeit. Wirtschaftsablauf, Gesellschaft und Politik in Mitteleuropa, Berlin 1967, S. 213. 29 Hans Rothfels, Thoedor Lohmann und die Kampfjahre der staatlichen Sozialpolitik (1871-1905). Nach ungedruckten Quellen bearbeitet, Berlin 1927, s. 54-56, 82. 30 Vogel, Arbeiterversicherung, S.117. 31 Vgl. Hans-Peter Ullmann, Industrielle Interessen und die Entstehung der deutschen Sozialversicherung 1880---1889, in : Historische Zeitschrift 229, 1979, S. 574-610; Vogel, Arbe ; l'importance des prestations sociales pour la stabilite de l'economie fut a nouveau souligm'!e. 2. La Deuxieme Guerre mondiale encouragea un essor, « essor tel un meteorite >>, du terme et du programme de la « social security >>. Trois facteurs sont a souligner : la pression exercee par la societe par suite de l'experience accrue au point de vue incertitude ; l'accroissement de solidarite nationale lors de la guerre ; l'elargissement de la capacite interventionniste de l'Etat, elargissement du a la guerre. 3. Le plan Beveridge (1942) et la conference internationale du travail a Philadelphie (1944) donnerent au programme de la « social security >> sa forme paradigmatique (inclusion de toute la nation; conception globale de la securite du salaire et de la protection sanitaire; uniformisation de l'organisation; flat-rate-principle (Beveridge).
II. L'evolution de la politique sociale apres la guerre (1945-1950) Immediatement apres la guerre le mouvement de « social security >> conduisit a des reformes legislatives. Cependant, cette evolution etait forterneut liee aux conditions differant selon les pays. Le developpement en Grande-Bretagne, en France et en Allemagne est cite comme exemple.
III. Les forces motrices de l'expansion de la securite sociale apres 1950 1. Le progres medico-technique et la translation de la structure d'äge de la population sont des facteurs de l'expansion qui ont un effet « automatique >>.
2. L'evolution economique {a) causa 'd e nouveaux problemes sociaux , (b) accrut les ressources disponibles pour la politique sociale, (c) augmenta, en generalisant le travail d ependant, la demande pour une securite sociale. 3. Etant donne que, dans les democraties parlementaires, les partis se firent concurrence pour recevoir des suffrages, la politique sociale devint le point principal de la legitimation du pouvoir politique. La legitimation de l'Etat-providence prit la releve des methodes de legitimation traditionnelles de l'Etat national.
Hans Günter Hockerts
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IV. Les evolutions concernant l'expansion de la securite sociale De
fa~on
selective et sommaire on distingue 4 tendances typiques :
1. La generalisation des personnes protegees,
2. la protection du statut social relatif, calcule d'apres le revenu, 3. la dynamisation du systeme des prestations sociales, 4. l'allongement et la 'differentiation de la Hste des prestations de la securite sociale qui sont accompagnes par une superposition croissante des prestations sociales qui, elles, ne sont pas liees aux assurances sociales ou qui n'y sont liees que par des phenomenes transitoires.
V. Cesure 1974/75 La recession et l'inflation en liaison avec un nombre croissant de chömeurs et de retraites et l'explosion des frais medicaux introduisirent une nouvelle phase. Les caracter,istiques en sont entre autres :
1. une crise de financement (accroissement des prestations freine, raccourcissement partiel des prestations),
2. la tendance a une augmentation de l'efficacite des systemes de securite sociale, 3. une reprise des debats sur >. Il y etait egalement indique qu'en matiere de securite sociale > . D'ou l'interet d'identifier ces problemes communs, au fur et a mesure que l'evolution elle-meme les suscite et de leur donner des reponses adequates, bref, de definir progressivement des objectifs communs. . Les deux premiers exercices ont couvert la periode 1970- 1980. Ils comportent, outre les resultats des previsions a moyen terme des depenses et des recettes en ce domaine, une analyse des principales tendances d'evolution en liaison avec 1'-environn:ement economique previsible. La Commission s'oriente aujourd'hui vers des budgets sociaux de meme nature, mais plus succincts et a echeance annuelle ce qui doit permettrede mieux prendre en compte les effets des changements legislatifs et des morlifications de la situation economique, dont les parametres conditionnent les previsions. Ainsi il sera possible de disposer regulierement de veritables tableaux de bord a l'usage a la fois des instances de concertation et des responsables politiques et economiques nationaux et communautaires.
e) La Lutte contre La pauvrete La premiere manifestation communautaire de lutte contre la pauvrete trouve egalement son origine dans la resolution du Conseil du 21 janvier 1974. Elle prevoyait le lancement - en cooperation avec les Etats membres - de projets et etudes pilotes. La mise en reuvre de cette action fit l'objet de deux decisions du Conseil: les 22 juillet 1975 et 12 decembre 1977. La premiere decision fut le point de depart reel du programme de projets pilotes et d'etudes pilotes pour combattre la pauvrete. La duree de cette premiere phase fut de deux ans, suivie d'une deuxieme phase de trois ans consecutive a la decision de 1977. Meme si le lecteur non averti peut avoir l'impression que ce programme a une duree d'un plan : 5 ans, la realite est toute autre : il y a eu deux programmes successifs, ce qui - d'une certaine fa~on - a constitue un handicap important pour la planification des travaux et des operations, tant au niveau communautaire que national.
Röle et place de la securite sociale
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Quoiqu'il en soit, ce programme- compose de projets pilotes, d'etudes pilotes et de rapports sur les politiques menees dans chacun des Etats membres contre la pauvrete, et dote de 20 millions d'U.C. - a permis a la Commission - malgre son caractere experimental - de mieux cerner les causes de la pauvrete qui sont multidimensionnelles, les groupes de populations qui sont le plus menaces, les domaines ou une action est necessaire (revenu, education, formation professionnelle, logement, sante, etc.) et en particulier de faire apparaitre l'insuffisance ou l'inefficacite relative des systemes de securite sociale et d'assistance comme reponse a certains besoins sociaux. La Commission a d'ailleurs ete invitee par le Conseil a lui soumettre - avant le 30 juin 1981 - un rapport comportant une evaluation des resultats obtenus a l'occasion du programme precite. Cette evaluation portera sur l'ensemble des activites mentionnees precedemment, qui se sont deroulees dans le cadre de ce programme, et sera accompagnee de propositions - tant au niveau national que communautaire - pour la poursuite de la lutte contre la pauvrete, en prenant en consideration notamment l'impact de la situation economique sur le developpement de la pauvrete. Le Conseil aura alors a se prononcer sur les .propositions contenues dans le rapport d'evaluation. Pour eviter un hiatus trop grand entre La fin du programme 1975-1980 et le lancement eventuel d'un deuxieme programme, la Commission a demande au Conseil son accord pour un prO'gramme interimaire, accord donne le 22 decembre 1980. Ce programme- d'une duree d'un an- ne porte que sur des etudes et des seminaires, et ldevra combler certaines lacunes du premier programme, et fournir l'amorce d'actions ulterieures dans des domaines jusqu'ici negliges. Le Parlement europeen et le Comite economique et social ont apporte un large appui a la Commission dans son action- limitee - de lutte contre la pauvrete. En 1981, la Commission inscrivait dans son programme annuel d'action la Securite sociale comme une de ses quatre priorites, au meme titre que l'emploi et la lutte contre le chömage. Dans la foulee, eile a decide de soumettre prochainement au Conseil un memorandum sur la securite sociale. Ce memorandum, en cours d'elaboration et dont la Commission doit se saisir prochainement, propose d'examiner les orientations qui pourraient etre donnees aux politiques de securite sociale dans les annees a venir. Trois exigences complementaires doivent a cet egard etre prises en consideration: -
la maitrise de la croissance des depenses sociales, le reexamen des modes de financement et un renforcement de l'efficacite sociale des systemes existants.
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Richard Draperie
Le memorandum s'est inspire lar:gement des resultats des travaux menes dans le cadre de la Cancertation des politiques de protection sociale. Il vise a apporter sa contribution dans le grand debat ouvert sur la place et le röle dans le futur de l'Etat Providence (Welfare State), debat ouvert officiellement en octobre 1980 par l'O.E.C.D. dans la Conference sur >. Il est encore trop töt pour dire quel accueil le Conseil reservera a ce memorandum et surtout quelles suites concretes il lui donnera. Le fait cependant qu'il ait accepte de traiter enfin ce genre de problemes parait en soi important, puisque comme je l'avais souligne au debut de man expose, la politique de securite sociale n'avait jusqu'ici guere suscite de debat au sein du Conseil, en dehors du cadre de la libre circulation des travailleurs, ce que j'ai denomme la coordination. Fait aussi important et peut-etre encore plus significatif, la prise en consideration de la securite sociale parmi les problemes du nouveau programme de politique a moyen terme de la Communaute pour la periode 1981-1985. Il incombera a la Commission que le debat accepte par les responsables politiques nationaux et communautaires, saus ses 2 aspects sociaux et economiques, s'ouvre reellement et debouche sur des solutions equilibrees. Quand on contemple le chemin parcouru dans ce domaine depuis la naissance du Marche commun, on ne peut qu'etre finalement optimiste. Toutes les activites, de diverse nature, que je viens de mentionner prouvent a l'evidence le regain d'interet - qui n'est pas seulement intellectuel - manifeste par les Etats membres depuis quelques annees a l'egard de la securite sociale au niveau communautaire. Et cet interet n'est pas pret de retomber bien au contraire. La Commission, a cet egard, a joue et joue un röle determinant. En effet, depuis deux ans deja, la Commission avait fait entrer dans les themes traites dans le cadre de la concertation, la retlexion sur les problemes actuels de la securite sociale. Cette initiative repondait a une preoccupation nee du changement complet de l'environnement economique caracteristique des decennies 50 et 60. La croissance qui les caracterisait avait porte tout le developpement prodigieux de la securite sociale depuis l'apresguerre. Il n'en va plus de meme. Or, en l'absence d'une croissance economique soutenue, il n'existe plus de surplus a consacrer aux besoins sociaux, du moins dans la logique de nos systemes actuels et de la macro-economie traditionnelle.
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Resurne
Les activites communautaires en matiere de Securite Sociale font J'.objet d'une double approche: a) La premiere, liee a la mise en rnuvre du principe de libre circulation des personnes, a pour objet d'etablir des relations solides et continues entre les regimes de securite sociale des Etats membres au profit des travailleurs se depla>. Sur ce sujet, la Conference adopta neanmoins une solution de compromis: dans les pays qui n'avaient pas de legislation d'assurance obligatoire lors de l'entree en vigueur .de la Convention re;spective, tout systeme alors existant de pensions non-contributives serait considere comme satisfaisant a la Convention, a condition qu'il.garantisse un droit individuel a ipension, dansdes conditions speciales definies dans la Convention meme. L'application üu critere de besoin etait aussi admise, mais la legislation nationale se devait de garantir le .droit de recours a tout requerant. Une fois de plus, la question de l'assurance libre fut soulevee. Le groupe patronal suggera de reconnaitre non seulement l'assurance obUgatoire mais aussi des annees trente que le phenomene du chornage atteignit - comme on le sait- des proportians alarmantes, voire catastrophiques. Presque tous les pays furent obliges de secourir leurs chömeurs pardes systemes d'assistance de nature diverse organises ou subventionnes par l'Etat. Les prestations legales des caisses d'assurance chornage obligatoires - la ou elles existaient - ne pouvaient pas suffire ä. satisfaire les dernarrdes des chomeurs. D'ailleurs, les reserves de ces caisses furent rapidement epuisees. Ce rawel historique, tres incomplet sans doute, doit nous aider ä. comprendre la pasition prise par l'OIT et les normes qu'elle a adoptees en la matiere.
L'OIT et l'evolution des assurances sociales dans le monde
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Des sa premiere Session (Washington, 1919), la Conference adopta la Convention (n° 2) sur le chornage visant notamment a promouvoir l'egalite de traitement €ntre nationaux et non-nationaux en matiere d'a:ssurance chornage sur une base de reciprocite. Cette Convention etait accompagnee d'une Recommandation tendant a ce que « chaque Membre de l'OIT organise un systeme effectif d'assurance contre le chomage, soit au moyen d'une institution ·du Gouvernement, soit en accordant des subventions du Gouvernement aux associations dont les statuts prevoient, en faveur de leurs membres, le paiement d'indemnites de chornage "· Les tendances prevalant a l'epoque etaient respectees. L'impact de la crise economique des annees trente fut tel que l'OIT ne pouvait pas rester longtemps indifferente a la tragedie du chomage. Elle essaya meme de lancer un programme international de travaux publies pour y pallier. En 1932, le Conseil d'administration decida d'inscrire la question des prestations de chornage a l'Ordre du jour de la Conference de 1933. Il n'est pas clairement etabli si l'intention du Conseil etait de promouvoir l'adoption d'une Convention proprement dite- sur le meme plan que celles portant sur les autres branches de l'assurance sociale - ou de faire elaborer par la Conference un instrument non contraignant. De toute maniere le Secretariat (le BIT) abordait le sujet a la lumiere des enseignements redoutables qu'il pouvait tirer de la crise economique en cours. Le premier con:stat etait le suivant : en presence d'un problerne d'une telle ampleur, l'epargne individuelle, la generosite privee, les societes de secours mutuels ou les syndicats etaient indiscutablement impuissants. La deuxieme conclusion generale etait que pour eviter des consequences economiques et sociales desastreuses, la collectivite dans son ensemble devait prendre a sa charge une part du cofit des indemnites de chomage. La troisieme reflexion decoulait de l'evolution historique des moyens mis en oeuvre par la plupart des pays : les systemes d'assurance et d'assistance en cas de chomage avaient, en general, commence par etre facultatifs et locaux pour devenir progressivement des systemes contributifs s'etendant a tout le territoire, souvent obligatoires et dont les pouvoirs publies assumaient une partie importante du cofit total. Dans les circonstances du moment, toute reglementation internationale se devait de jouer a la fois la carte d e l'assurance et celle de l'assistance. D'ailleurs la ligne de demarcation entre les deux methodes etait en 1933 singulierement floue. Cela posait de delicats problemes de terminologie. Mais l'enjeu etait ailleurs : comment obtenir que les legislations nationales fournissent des garanties gräce auxquelles le chömeur involontaire remplissant certaines conditions puisse recevoir des prestations lui permettant de surmonter la periode de chornage dans
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Giovanni Tamburi
des conditions decentes? Pour atteindre cet objectif il etait sage de ne pas s'en tenir a un seul >, Dans cet esprit la Conference elabora la nouvelle Convention (n° 44) assurant aux chömeurs involontaires des indemnites ou des allocations, qui fut adoptee en 1934 par 80 voix contre 8. Quant au champ d'application on decida cette fois d'exclure les salaries agricoles de la portee de la Convention. La liste des categories de salaries pouvant etre exceptes en vertu de la legislation nationale etait plus longue et plus etendue que dans Ies articles analogues des Conventions analysees precedemment. Le texte de l'article 1 de la Convention contient la solution finale de compromis sur le choix des moyens a mettre en oeuvre. Il est important d'en reproduire integralerneut le texte. Article 1 > de l'assurance maladie obligatoire. Il s'agissait de mobiliser les caisses ou les institutions d'assurance maladie deja nombreuses en Europe occidentale, couvrant des effectifs importants et representant en quelque sorte des avant postes des travailleurs organises. Cette initiative du BIT pour mettre a profit l'influence d'organisations bien etablies et en plein essor, au niveau national, au dela des syndicats ouvriers en principe deja mobilises, n'etait pas banale. Il faut se souvenir, en effet, qu'en 1927 l'action du BIT ne faisait pas l'unanimite des milieux responsables. La politique sociale qu'il preconisait se heurtait a une opposition considerable, qui devait s'intensifier, quelques annees plus tard, lors de la grande depression. Les nouvelles Conventions sur l'assurance maladie mettaient en relief- entre autres le principe de la participation des assures a la gestion de l'assurance obligatoire, principe sans doute sage et clairvoyant qu'il faillait Cependant defendre energiquement contre le feu des opposants. Encourage par le BIT, un Comite d'organisation fut rapidement constitue. Avant la fin de l'annee 1927, la « Conference Internationale de la Mutualite et des Assurances Sociales {CIMAS) >> etait nee. Les statuts de la nouvelle organisation en definissaient ainsi ses objectifs : « coordonner sur le plan international et intensifier les ·e fforts pour la defense, le developpement et le perfectionnement de l'assurance sociale et en particulier de l'assurance maladie par:
a) l'organisation de reunions internationales periodiques des representants des societes mutuelles et des caisses d'assurance maladie; b) l'echange d'information et la confrontation d'experiences portant plus specialement sur l'activite pratique des societes et caisses >>. Pouvaient faire partie de la CIMAS toutes les unions nationales de societes mutuelles ou de caisses maladie gerees en tant qu'institutions autonomes par les interesses. Les institutions nationales d'assurances sociales dont relevait, en vertu de la legislation, l'assurance maladie, pouvaient egalement etre admises, a condition d'etre autonomes. Les organes de la CIMAS etaient constitues par une Assemblee generale, un Comite international ·et un Secretariat. Or, la charge de Secretaire general fut assumee par le chef de la Section des Assurances sociales du BIT: Adrien Tixier d'abord, Oswald Stein ensuite. Le BIT fournissait aussi a la jeune Organisation un precieux Support administratif et technique. Avec une telle liaison internationale et gräce a l'impulsion de personnalites eminentes du mouvement mutualiste et des dirigeants des
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Giovanni Tarohuri
caisses maladie, la CIMAS organisa d'importantes assemblees internationales. Les resolutions adoptees preconisaient la ratification des Conventions de l'OIT ainsi que la consolidation et la perfectionnement des methodes de gestion des regimes de maladie maternite. Des etucles et des rapports fort documentes furent prepares et publies. La septieme Assemblee generale (Prague, 1936) - la derniere avant la guerre apporte aux statuts de la CIMAS un amendement important en vertu duquel toutes les institutions d'assurance sociale chargees de l'administration, non seulement de l'assurance maladie, mais aussi des aussurances invaliclite vieillesse et survivants, etaient admises a faire partie de l'association. Cette demarche n'etait pas fortuite. Le BIT, comme nous l'avons explique plus haut, venait d'adopter une serie d'importantes Conventions internationales sur l'assurance pension clont il s'agissait de stimuler la ratification. En deuxieme lieu an avait constate que pendant la crise economique, de nombreux travailleurs, ne pouvant pas trauver un emploi du fait de leur äge et ayant epuise tout clroit aux allocations de chömage, feignaient l'incapacite de travailler afin d'obtenir des indemnites de maladie. La reaction des caisses maladie fut de preconiser l'institution d'une assurance sociale obligatoire invalidite vieillesse et clone cle soutenir au sein du BIT et de la CIMAS toutes les actions pouvant oeuvrer dans ce sens. La huitieme Assemblee generale de la CIMAS qui devait se tenir a Liege en 1939 n'aura pas lieu. Le conflit mondial obligea l'Association a suspendre ses activites. Mais il etait taut naturel que des la fin du conflit les anciennes personnalites de la CIMAS et les nouveaux responsables des assurances sociales au BIT remettent l'ouvrage sur le metier en puisant une inspiration nouvelle dans les doctrines de Beveridge, explicitees et renforcees sur le plan international par les principes generaux des Recommandations sur la Securite sociale adoptees par l'OIT a Philadelphie en 1944. La CIMAS allait se doter de nouveaux statutsclont les premiers projets furent elabores par le BIT. Pour marquer clairement le nouveau clepart et l'ambition d'universalite, l'Association changea de nom: l'Association Internationale de la Securite Sociale (AISS) etait formellement constituee en 1947. Avec une composition elargie et un mandatplus conforme a l'evolution des regimes nationaux d'assurance et de securite sociale, l'Association amorc;a ainsi sa courbe ascendante, a partir des coordonnees administratives et techniques tracees en cooperation avec le Bureau international du Travail. Influencee par le precedent des l{~gislations europeennes et par l'eveil progressif d'une consience sociale cristallisee essentiellement
L'OIT et l'evoluticn des assurances sociales dans le monde
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par les forces syndicales, l'assurance sociale obligatoire avait commence sa percee en Amerique Latine dans les annees trente. La premiere legislation sur les assurances sociales, adoptee au Chili, date en realite de 1924. Debuts modestes concentres dans les pays du sud du continent (Argentine, Uruguay, Chili) Ollune importante emigratio.n hispanique, italienne et des pays d'Europe centrale avait indiscutablement joue un röle de propagation. Le terrain n'etait pas favorable a l'epanouissement de systemes nationaux a l'image de ceux dont s'etait dotee l'Europe des le debut de siede. Des regimes autoritaires, conservateurs et instables n'etaient guere propices a des reformes sociales. La premi