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German Pages 11 [25] Year 1926
Beiheft zur
Deutschen Lauttafel Herausgegeben von
Dr. Paul M e n z e r a t h a. o. Professor a. d. Universität Bonn
B O N N 1926 A. Marcus & E. Webers Verlag (Dr. jr. Albert Ahn)
Nachdruck verboten. Alle Rechte einschl. der Rechte der Uebersetzung in fremde Sprachen vorbehalten
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Die Sprechwerkzeuge des Menschen (Schematischer
Durchschnitt)
a) Stirnbeinhöhle, b) Keilbeinhöhle, c,) Oberes c 2 ) Mittleres c 3 ) Untere Nasenmuschel, d) Oberlippe, e) Oberer Schneidezahn, f ) Hartgaumen, g) Weichgaumen (Gaumensegel), h) Zäpfchen, i) Oberer Schlundschnürer (Passavant'scher Wulst; die gestrichelte Zeichnung bedeutet Abschluß der Nasenhöhle, die ausgezogene Linie freien Durchgang zur Nasenhöhle), k) Ö f f n u n g der Ohrtrompete, 1) Zunge, la) Vorderzunge, Im) Mittel« zunge, lp) Zungenrücken, m) Unterlippe, n) Unterer Schneidezahn. o t ) Oberkieferbein, o 2 ) Unterkieferbein, p) Zungenbein, q) Kehldeckel, r) Schildknorpel, s) Ringknorpel, t) Gießbeckenknorpel, u) Rechte obere oder falsche Stimmlippe (Taschenband), v) Morgagnischer Ventrikel, w) Rechte Stimmlippe, x) Luftröhre, y) Speiseröhre, z) Wirbelsäule.
Vorbemerkungen. 1. Sprache und Schrift: Die S p r a c h e besteht aus L a u t e n , die S c h r i f t aus B u c h s t a b e n . Laut und B u c h s t a b e decken sich nicht. M a n s c h r e i b t nicht, wie man spricht und spricht daher a u c h n i c h t , w i e m a n s c h r e i b t . (Zur Wieder* gäbe der Lautung ist also eine phonetische Um* schrift erforderlich.) 2. Musteraussprache (Hochsprache): Für die deutsche Aussprache ist maßgebend die durch die Berliner Konferenz im Jahre 1898 namentlich für den Ge* brauch an der Bühne, im Vortrag usw. getroffene Regelung, die sich im wesentlichen an die nord* deutsche Aussprache anlehnt, allerdings in wichtigen Einzelheiten süddeutsche Lautung annimmt. Keine einzige deutsche Landschaft, Provinz usw. kann daher die Musteraussprache für sich beanspruchen. 3. Lauttafel: Die Einteilung geschieht entweder 1. nach der A r t der Hervorbringung eines Lautes (4 Mög* lichkeiten: Verschluß«, Enge», Verschluß und Enge*, öffnungslaute) oder 2. nach dem O r t , d. h. nach den Organen, die sich an der Artikulation aktiv bzw. passiv hauptsächlich beteiligen (5 Gebiete: Lippen*, Zahn*, Hartgaumen*, Weichgaumen*, Kehlkopf* Laute) (vergl. Beilage). Man beachte vor allem die Ein* reihung der Liquiden! 4. Stimmhaft-Stimmlos: S t i m m h a f t heißt ein Laut, bei dessen Aussprechen die Stimmlippen vibrieren. S t i m m l o s ist daher ein Laut, bei dem diese Vibrationen fehlen. Die Feststellung, o b ein Laut 3
stimmhaft ist oder nicht, geschieht durch folgende Hilfsmittel: 1. durch Anlegen der Fingerspitzen an den Schildknorpel (Adamsapfel) des Kehlkopfs (am leichtesten bei s - z , f - v , J - 3 ) ; 2. durch Auflegen der Handflächen auf den Schädel ( G u t z m a n n s „Vibrationsbezirke", die für jeden Laut verschieden groß sind); 3. Zuhalten der äußeren Ohrgänge; 4. Singprobe: stimmhafte Laute sind nach der Ton* leiter singbar, stimmlose dagegen nicht. 5. Vokale - Konsonanten und Schallfülle: V o k a l e s i n d K l ä n g e , die sich bilden durch den infolge der Stimmlippenvibration in der Kehle entstehenden Grundton (tönend ist die L u f t ! ) , zusammen mit den in Mund* und Nasenhöhle auftretenden Obertönen (nach H e l m h o l t z harmonisch, nach H e r m a n n durchweg unharmonisch zum Grundton). K o n s o n a n t e n sind entweder reine G e r ä u s c h e (stimmlose Konsonanten), die in der Kehle oder in der M u n d h ö h l e entstehen, oder eine M i s c h f o r m aus G e r ä u s c h und K l a n g (stimmhafte Kon* sonanten). Wesentlich ist für den Konsonanten aber das Geräusch (Consonat aliquid, ergo consonans). W e g e n ihrer Schallfülle („Sonorität", Reichweite) bilden die Vokale meist den schallkräftigsten, auf* fallendsten Teil der Silbe („Silbengipfel"). Vokal« lose Silben sind selten (pst, prr). Die Sonorität entspricht in ihren Stufen in etwa der durch die Querreihen der Lauttafel gegebenen Aufteilung (geringste Schallfülle haben die Verschlußlaute, größere die Reibelaute, größte die Vokale). 6. Konsonanten: W i c h t i g ist die dem Norddeutschen eigene Unterscheidung zwischen gespannten („harten", stimmlosen) und ungespannten („weichen", stimmhaften) Verschluß* und Reibelauten, also 1. p - b, t - d , k - g , während das Oberdeutsche für beide Laute 4
nur die g l e i c h e Aussprache kennt (sog. stimmlose lenis, d. h. einen ungespannten aber stimmlosen Laut), p, t, k vor Tonvokal sind aspiriert; 2. f-v, s - z , J'-3, c-j, x-(j, die der Norddeutsche eben« falls scharf scheidet, während der Oberdeutsche sie zusammenfallen läßt. Im Auslaut sind alle Verschluß* und Reibelaute ohne Ausnahme stimmlos. Haben zwei oder mehr aufeinanderfolgende Kon* sonanten eine zum Teil gleiche Artikulation, so werden die gleichen Bewegungen nur einmal aus* geführt (Gesetz von W i n t e l e r ) , z . B . Campe, Äattb. 7. Vokale. Zwei Hauptregeln: 1. In offener (d. h. vokalisch ausgehender) Silbe ist der betonte Vokal lang; in geschlossener (d. h. konsonantisch ausgehender) Silbe ist der betonte Vokal kurz. Bei den veränderlichen, flektierbaren Wörtern ist die Vokaldauer der flektierten Form maßgebend; also mit langem o [o:] nach flogen [o:]; 9\ab mit gestoßenem a [a-] wegen 9?äber [£•]. 2. L a n g v o k a l ist e n g (geschlossen), K u r z v o k a l i s t w e i t (offen) zu sprechen. Diese Regel ist als ausnahmslos gültig zu betrachten und ist namentlich bedeutsam für e und ö: alle langen e* und ö«Laute sind also geschlossen (wie in ???eer, Öl), z. B. in fe'rbe, Aerb usw. Kurzes e dagegen ist stets offen: (;e(i, elf, je^t. 8. Diphthonge kommen nur lang oder gestoßen vor; l a n g sind sie inlautend vor stimmloser Konsonanz: reiben, leiten; g e s t o ß e n sind sie vor stimmhafter Konsonanz oder Vokal: reifen, ieiben, ©er. 9. Für die zusammenhängende R e d e sind wichtig: 1. D a u e r (Lautquantität: kurz - gestoßen - lang, absolute und relative Dauer). Wir sprechen vom R e d e t e m p o , wenn die Schnelligkeit gemeint 5
ist, mit der die Laute, Silben oder Wörter auf* einanderfolgen (schnell - langsam). 2. N a c h d r u c k = Atemdruckverschiedenheit beim Aussprechen der verschiedenen Wort* oder Satz= teile (Akzent: stark - schwach). Der Nachdruck verteilt sich im Deutschen nach der logischen Bedeutung der Satz* oder Wortteile (Wertdruck). 3. T o n h ö h e (bzw. Satzmelodie, Intonation) = mu* sikalische Tonhöhe und Tonlage, in der ein Laut oder eine Lautfolge gesprochen wird (hochmittel - tief; steigend - eben - fallend; steigend fallend; fallend - steigend usw.). Steigende Melodie hat das Deutsche bei Nichtabschluß des Gedankens (O. Jespersen), also bei Fragen und im Vordersatz. Steigend - fallend ist der Aussagesatz. Ebene, gleichmäßige Intonation ist selten.
Den Lautzeichen der Tafel entsprechen die im Druck hervorgehobenen Buchstaben folgender Wörter:
I. Verschlußlaute. 1. [p, p h ]: [b]: 2. [t, t h ]: [d]: 3. [k,k h ]:
Spatf, S r e ^ e , i l i W ; trabt, ab. » i b e r ; (£bbe. S a t , raten; 9Satte, S r i t t ; ©tabt; S p r i n g e n , unb. bu, ieiben. Start; StHorb; Störten, Q3otf; ©Grift, (Stjaoö, filjor,