Begriff, Bewusstsein und Bedeutung: Zum Verhältnis von Sprache, Mentalem und Bezugsobjekt 9783111241555, 9783111240923

Meanings are located neither "inside" or "outside" the mind. Consciousness, the outside world, and l

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German Pages 317 [318] Year 2023

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Table of contents :
Inhalt
Einleitung
Kapitel I Intension und Extension
1 Die philosophische Tradition
2 Zeichen und Referenz
Kapitel II Bewusstsein und Bedeutung
1 „Substance“ und „Chemical Description“. Locke über reale und nominale Wesenheiten
2 „Innen“ und „Außen“
3 Substanz und Erfahrbarkeit. The Twin Earth Experiment
4 Physikalische Entität, kausale Wirkung und sprachliche Verwendung
Kapitel III Identifikation und Referenz
1 Zum Begriff möglicher Welten
2 Referenz und Gebrauch. Das Urmeter
3 Farbe und Ordnungszahl. Bemerkungen zu blauem Gold
4 Identität und natürliche Artbegriffe
Schlussbemerkung
Literatur
Personenregister
Sachregister
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Begriff, Bewusstsein und Bedeutung: Zum Verhältnis von Sprache, Mentalem und Bezugsobjekt
 9783111241555, 9783111240923

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Volker A. Munz Begriff, Bewusstsein und Bedeutung

Philosophical Analysis

Edited by Katherine Dormandy, Rafael Hüntelmann, Christian Kanzian, Uwe Meixner, Richard Schantz, and Erwin Tegtmeier Editorial Advisory Board: Natalja Deng, Michał Głowala, Thomas Grundmann, Jani Hakkarainen, Wolfgang Huemer, Markku Keinänen, Max Kistler, Robert Koons, Ingolf Max, Bruno Niederbacher, Francesco Orilia, Elisa Paganini, Marek Piwowarczyk, Maria Reicher-Marek, Benjamin Schnieder, Oliver Scholz, Henning Tegtmeyer, Peter van Inwagen, and Barbara Vetter

Volume 86

Volker A. Munz

Begriff, Bewusstsein und Bedeutung Zum Verhältnis von Sprache, Mentalem und Bezugsobjekt

Veröffentlicht mit Unterstützung der Fakultät für Kultur- und Bildungswissenschaften und des Forschungsrates der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

ISBN 978-3-11-124092-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-124155-5 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-124197-5 ISSN 2627-227X Library of Congress Control Number: 2023937070 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Für Barbara

Inhalt Einleitung

1

Kapitel I Intension und Extension 13 1 Die philosophische Tradition 13 1.1 Empiristische Grundannahmen 1.2 Epistemische Privatheit und Privatheit der Bedeutung 1.3 Enge und weite Bewusstseinszustände 29 41 1.4 „Grasping a concept.“ Sinn und Verstehen

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2 Zeichen und Referenz 52 52 2.1 Ulmen, Buchen und Gold 2.2 Aluminium und Molybdän. „Switches of Words“ und „Switches of Meanings“ 59 2.3 „Wasser“, H2O und XYZ 75

Kapitel II Bewusstsein und Bedeutung 1

„Substance“ und „Chemical Description“. Locke über reale und nominale Wesenheiten 89 89 1.1 Substanz, Name und abstrakte Idee 1.2 Wort, Idee und Anwendung 97 2 „Innen“ und „Außen“ 107 2.1 Proposition, Gegenstand und Name 107 2.2 Bedeutung und kausale Geschichte. Davidsons Sumpfmann und der Aspekt des Scheins 118 2.3 „Are Meanings in the Head?“ 127 2.3.1 Searle versus Putnam 127 2.3.2 Putnams Replik 147

VIII

Inhalt

3 Substanz und Erfahrbarkeit. The Twin Earth Experiment 158 158 3.1 Vorstellbarkeit und Möglichkeit 3.2 Natürliche Umwelt, innere Struktur und phänomenale Eigenschaften. Lockes Qualitäten 162 3.3 Saphire, Mais und die X-Allergie 171 4

Physikalische Entität, kausale Wirkung und sprachliche 180 Verwendung 4.1 Russells „private space“ und „physical space“ 180 4.2 Zwillingserden und Engelstränen 187 4.3 Erlebnisgehalt, physikalisches Wissen und sprachlicher Bezug. 4.3.1 „What is it like to be?“ 192 4.3.2 Farben und Farbbegriffe. Fred und Mary 203

Kapitel III Identifikation und Referenz 1

Zum Begriff möglicher Welten

221

2 Referenz und Gebrauch. Das Urmeter 231 231 2.1 Wittgenstein und der Einheitsstab 2.2 Gegenstand und Zuschreibung 234 2.3 Maßeinheit und metrisches System 241 3

Farbe und Ordnungszahl. Bemerkungen zu blauem Gold

4 Identität und natürliche Artbegriffe 258 4.1 Identität, Kontingenz und Notwendigkeit 258 4.2 Bedeutung, Erfahrung und natürliches Phänomen 266 4.3 Identität und wissenschaftliche Erkenntnis 272 4.4 Kripkes Marsianer. Variationen eines Themas 277 Schlussbemerkung Literatur

293

Personenregister Sachregister

290

301 303

248

192

Einleitung Die folgenden Untersuchungen basieren auf meinen Forschungen und Lehrtätigkeiten am Institut für Philosophie der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, das mir in großzügiger Weise und mit tatkräftiger Unterstützung den zeitlichen und inhaltlichen Freiraum einräumte, sie auch in der hier vorgelegten Form zu präsentieren. Dafür sei an allererster Stelle mein Dank ausgesprochen. Des Weiteren möchte ich all denen danken, die, in welcher Form auch immer, diese Arbeit ermöglicht, inspiriert und mitgestaltet haben. Was nun daraus geworden ist, hat allein der Autor zu verantworten. Den Schwerpunkt der Untersuchungen bilden die drei Bereiche Sprache, Bewusstsein und extramentales Bezugsobjekt sowie ihre Beziehung zueinander. Dementsprechend ist die Arbeit auch in drei Kapitel unterteilt. Gliederungsgrundlage für das erste und Teile des zweiten Kapitels bildet Hilary Putnams „The Meaning of ‘Meaning’“, insbesondere seine circa zwanzig Jahre später verfasste „Introduction“ für eine ihm gewidmete Chronik über Zwillingserden (Pessin und Goldberg 1996). Der erste Teil befasst sich dabei verstärkt mit sprachlichen Zeichen und Begriffen. Da Putnam der philosophischen Tradition eine einigende Auffassung zum Verhältnis von psychischen Zuständen, Intensionen und Extensionen unterstellt, werden wir zunächst diese Tradition etwas genauer betrachten und zu zeigen versuchen, dass Putnams Rekonstruktion nicht flächendeckend auf sie anwendbar scheint. Das gilt sowohl für empiristische Grundkonzeptionen, welche sich auf das Verhältnis von Zeichen und Begriffen („Ideas“) beziehen als auch für Auffassungen, die das Verhältnis von Sinn (Intension) und Bedeutung (Extension) betreffen. In diesem Zusammenhang werden wir auch die Frage stellen, was es überhaupt heißt, einen Begriff zu erfassen. Dabei wird sich zeigen, dass sich begriffliches Wissen weder in einem psychischen Zustand erschöpft, noch durch eine strikte Beschränkung auf extramentale Bezugsobjekte zu explizieren ist, sondern sich vielmehr in einer Fähigkeit zeigt, Begriffe zu verstehen und dementsprechend auf Referenzgegenstände anzuwenden, auch wenn dabei Fehler unterlaufen können. Vor allem die Diskussionen der Putnam’schen Zwillingserdenszenarien sollen diese Differenz zwischen falscher Anwendung und fehlender bzw. alternativer Bedeutung eines Zeichens verdeutlichen. Im zweiten Kapitel stehen das Bewusstsein und seine Rolle in der Konstitution von Bedeutung im Vordergrund. Dabei ist zunächst John Lockes Differenzierung in „real essence“ und „nominal essence“ von zentraler Relevanz. Im Anschluss daran werden wir der Frage nachgehen, ob Bedeutungen sich „innerhalb“ oder „außerhalb“ des Kopfes befinden und inwieweit eine mögliche Antwort darauf etwas zum Bedeutungsdiskurs beiträgt. Damit eng verbunden zeigt sich die Beziehung zwihttps://doi.org/10.1515/9783111241555-001

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Einleitung

schen Bewusstsein und Bezugsobjekt hinsichtlich externer kausaler Kräfte, denn auch sie enthält wesentliche Gesichtspunkte für die Frage der Semantik sprachlicher Zeichen. In diesem Kontext ist auch das Verhältnis zwischen physikalistischen Aspekten und der Annahme subjektiver Erlebnisgehalte zu sehen, das wir anhand ausgewählter Experimente genauer zu beleuchten versuchen. Im letzten Kapitel wenden wir uns schließlich dem Begriff möglicher Welten zu und befassen uns mit der Frage, inwieweit bestimmte physikalische Qualitäten extramentaler Objekte Einfluss auf die Bedeutung und Gebrauchsweisen sprachlicher Ausdrücke nehmen und welche Rolle dabei der Identifikation und Referenz zukommen. Grundlage dieses abschließenden Teils bilden zentrale Aspekte des semantischen Externalismus Saul Kripkes. Allgemein gesprochen liegt die Zielsetzung der folgenden Überlegungen darin, anhand ausgewählter philosophischer Gedankenexperimente die variierenden Spielräume in der Beziehung zwischen Begriffen, Bewusstsein und Bedeutung offenzulegen und kritisch zu hinterfragen. In allen zu behandelnden Texten werden daher immer wieder mit dieser Problematik verknüpfte Fragen aufgeworfen. Die methodologische Vorgehensweise, sich an ausgewählten Texten und Experimenten zu orientieren, ist auch als eine strategische gedacht, um die Gefahr zu mindern, die Diskussion eines zugegebenermaßen äußerst umfangreichen und subtilen Themas ausufern zu lassen oder philosophietheoretisch zu überladen. Insofern bilden die verschiedenen Gedankenexperimente auch wesentliche Gliederungspunkte des hier vorgelegten Textes. Das hat zur Folge, dass zentrale, insbesondere die Philosophie des Geistes dominierende metaphilosophische Punkte nur angerissen bzw. gar nicht behandelt werden, ein Punkt, der mir aufgrund der genannten Komplexität und des weitreichenden Umfangs der Thematik jedoch entschuldbar erscheint. Neben diesem methodologischen und formalstrategischen Aspekt sind philosophische Gedankenexperimente darüber hinaus in zahlreichen problematischen Punkten geeigneter, empirische, metaphysische, epistemische und begriffliche Aspekte sowie deren interne Verflechtung deutlicher herauszuheben, als abstrakte philosophische Argumentationsstränge dies zu leisten vermögen. Es ist vielmehr so, dass Gedankenexperimente meist gar nicht den Charakter eines streng logischphilosophischen Argumentes aufweisen. Der theoretische Überbau wird stattdessen durch die individuelle Gestaltung der Experimente und ihrer Voraussetzungen ersetzt. Dabei wird oftmals eher an unsere menschlichen Intuitionen appelliert, als sich philosophisch-theoretischer Argumente zu bedienen. In diesem Sinne bezeichnet Daniel Dennett einen solchen Typus von Gedankenexperimenten auch als „intuition pumps“ und bemerkt ganz entsprechend:

Einleitung

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A popular strategy in philosophy is to construct a certain sort of thought experiment I call an intuition pump […]. Such thought experiments […] are not supposed to clothe strict arguments that prove conclusions from premises. Rather, their point is to entrain a family of imaginative reflections in the reader that ultimately yields not a formal conclusion but a dictate of “intuition”. Intuition pumps are cunningly designed to focus the reader’s attention on “the important” feature, and not to reflect the reader from bogging down in hard-to-follow details. There is nothing wrong with this in principle. Indeed one of philosophy’s highest callings is finding ways of helping people see the forest not just the trees. But intuition pumps are often abused, though seldom deliberately. (Dennett 2015: 13)

Die Rolle menschlicher Intuitionen zu betonen, ist im Kontext philosophischer Gedankenexperimente sicher wesentlich, aber auch nicht unproblematisch. Das soll konkret an einigen der noch zu diskutierenden kontrafaktischen Entwürfe verdeutlicht werden. In diesen gewinnt man zumindest gelegentlich den Eindruck, dass man ausgehend von einem scheinbar völlig harmlosen, intuitiv nachvollziehbaren gedanklichen Entwurf innerhalb eines vorgegebenen Begriffsrahmens das Experiment weiterverfolgt und zu rekonstruieren versucht, ohne dabei zu bemerken, bereits durch die Ausgangsituation in eine philosophische Falle getappt zu sein. So bemerkt etwa Wittgenstein im Zusammenhang der Diskussion mentaler Zustände und des Behaviorismus im Rahmen seiner Debatte einer möglichen Privatsprache: Wie kommt es nur zum philosophischen Problem der seelischen Vorgänge und Zustände und des Behaviourism? – Der erste Schritt ist der ganz unauffällige. Wir reden von Vorgängen und Zuständen, und lassen ihre Natur unentschieden! Wir werden vielleicht einmal mehr über sie wissen – meinen wir. Aber eben dadurch haben wir uns auf eine bestimmte Betrachtungsweise festgelegt. Denn wir haben einen bestimmten Begriff davon, was es heißt: einen Vorgang näher kennen zu lernen. (Der entscheidende Schritt im Taschenspielerkunststück ist getan, und gerade er schien uns unschuldig.) (Wittgenstein 1989a, PU: § 308)

Statt „Betrachtungsweise“ könnte man hier auch von einer festgelegten Sprechweise reden. Und diese bezieht sich nicht nur auf den Begriff „einen Vorgang näher kennenlernen“, sondern auch auf Ausdrücke wie „enger“ und „weiter mentaler Zustand“, „innerhalb“ oder „außerhalb“ des Kopfes „subjektiver Erlebnisgehalt (Quale)“, „innere Struktur“ etc. Insofern ist es auch ein Anliegen dieser Untersuchungen, die jeweiligen Rahmenbedingungen und Ausgangsszenarien speziell ausgewählter philosophischer Gedankenexperimente genauer zu untersuchen, inwieweit sie etwa an unsere Intuition appellieren und ihre Voraussetzungen daher weniger als argumentierte Bedingungen eingeführt werden. Denn gerade dadurch wollen sie oftmals den Charakter ihrer Unschuldigkeit unterstreichen. So bemerkt Ned Block in Zusammenhang der Bedeutung des Qualiabegriffes: „You ask: What is it that philosophers

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Einleitung

have called qualitative states? I answer, only half in jest: As Louis Armstrong is said to have said when asked what jazz is, ‘If you got to ask, you ain’t never gonna get to know’.“ (Block 1980: 281) Nach genauerer Untersuchung von Ausgangsprämissen der Form „Was wäre, wenn …“ „angenommen, dass …“, „given that …“, oder „let’s assume that …“, werden wir im Anschluss den Fokus darauf richten, inwieweit der Einleitungsentwurf mit dem Fortgang der experimentellen Schritte eine inhärente Kohärenz aufweist und das Gedankenexperiment selbst einer internen Prüfung unterziehen. Hier wird dann zu fragen sein, ob es tatsächlich im Sinne Dennetts um das Sichtbarmachen des ganzen Waldes geht und welche Rolle die einzelnen Bäume dabei spielen. In der Philosophie des Geistes hat die Diskussion über subjektive Erlebnisgehalte gerade in den letzten Jahrzehnten massiv an Bedeutung zugenommen. Dabei wird die Frage der Beziehung zwischen ihnen und entsprechenden sprachlichen Ausdrücken jedoch kaum berücksichtigt bzw. irreführend expliziert. Es geht jedoch nicht nur darum, zu zeigen, in welchem Sinn Sprache mit unserem Bewusstsein verknüpft ist, sondern auch, in welcher Beziehung die Verwendungsweisen von Zeichen zu Referenzgegenständen „außerhalb“ unseres Bewusstseins stehen. Denn diese drei Komplexe sind, wie die folgenden Untersuchungen zeigen sollen, untrennbar miteinander verbunden. Eine Variante der Sprache-Welt-Relation ist die, in Form entsprechend konzipierter kontrafaktischer Gedankenexperimente oder Zwillingserdenszenarios bestimmte Eigenschaften von Gegenständen zu variieren und das sprachliche System entweder unverändert zu übertragen, oder den Objektmanipulationen anzupassen. Dabei wird die Voraussetzung zugrunde gelegt, dass die konstruierten extramentalen Veränderungen keinerlei oder die gleichen Auswirkungen auf die mentalen Zustände der involvierten Personen aufweisen dürfen, da es sich nicht um potenziell wahrnehmbare Qualitäten handelt, sondern vielmehr um den Dingen zugrundeliegende strukturelle Differenzen. Diesen Punkt werden wir an zwei Gedankenexperimenten von Hilary Putnam genauer betrachten. Jene Experimente dienen insbesondere dazu, traditionelle internalistische Positionen als falsch auszuweisen, welche die beiden Thesen vertreten, das menschliche Bewusstsein als eine Art „privates Theater“ determiniere die Intension sprachlicher Ausdrücke und diese wiederum die Extension. Variationen der extensionalen Elemente sollen daher verdeutlichen, dass sich bei Konstanthaltung der intensionalen Bestimmungen dennoch semantische Konsequenzen ergeben und somit die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke nicht streng internalistisch rekonstruiert werden kann. In diesen Experimenten kommt vor allem den natürlichen Arten und ihren basalen Substanzen besonderes Gewicht zu. Denn jenen Szenarien liegt eine Differenzierung in Oberflächeneigenschaften und Tiefenstrukturen zugrunde, die verdeutlichen soll, dass es insbesondere (Putnam) bzw. ausschließlich

Einleitung

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(Kripke) letztere sind, welche für die Semantik sprachlicher Zeichen Relevanz besitzen. Die phänomenalen Eigenschaften werden dabei grundsätzlich der Intension zugeordnet, die inneren Strukturen natürlicher Arten hingegen den Extensionen. Dadurch eröffnen sich Fragen zu realen und nominalen Wesenheiten und damit verbunden metaphysischen und epistemischen Notwendigkeiten. Diese Punkte werden uns in Putnams und Kripkes Diskussion faktischer Zwillingserden bzw. möglicher Welten näher beschäftigen. Eine Variante zu Putnams Relation von Sprache und Bewusstsein im methodisch-solipsistischen Kontext enger mentaler Zustände besteht darin, bestimmte Gegenstände bzw. spezifische ihrer Eigenschaften einer gegebenen Welt und die damit verbundenen sprachlichen Ausdrücke zu invertieren, um aus den Objektvariationen potenzielle Folgen für den Gehalt subjektiver Erlebnisse abzuleiten. Diese Szenarien basieren zunächst auf der Grundidee, es sei widerspruchsfrei vorstellbar, dass sich zwei Menschen bezüglich der Verwendung von beispielsweise Farbbegriffen und entsprechenden farblichen Differenzierungen, die sie treffen, nicht unterscheiden, obgleich die Farben, welche eine Person sieht, systematisch von den Farbperzeptionen einer anderen abweichen. Ein solches Experiment diskutiert etwa Wittgenstein in seinen Aufzeichnungen über „private Erfahrungen“ und „Sinnesdaten“ (vgl. Wittgenstein [1968] 1993b). Oder aber man erwägt mögliche Konsequenzen im Fall distinkter Ideen, die durch den identischen Gegenstand ausgelöst werden. Eine solche Denkoption findet sich beispielsweise in Lockes Essay. Locke bemerkt, dass selbst in Fällen, in welchen ein Gegenstand in unterschiedlichen Personen distinkte Ideen hervorruft, etwa aufgrund differenter Strukturen unserer Organe, keine Zuschreibung von Falschheit bezüglich unserer Ideen folge. Bereits dort zeigt sich also die enge Verknüpfung der drei Bereiche Sprache, Bewusstsein und extramentaler Weltbezug. Weitere Fortsetzungen bzw. Erweiterungen dieses Typus von Gedankenexperiment finden sich dann in zahlreichen Variationen zu inversen Spektren, wie wir sie etwa bei Ned Block oder Sydney Shoemaker finden (vgl. Block 2007; Shoemaker [1982] 2003a, [1983] 2003b). Kurz gesprochen könnten wir uns hierbei neben unserer eigenen Welt 1 auch eine Welt 2 vorstellen, in der uns alle roten Gegenstände grün, sowie alle grünen Dinge rot erscheinen und zugleich die beiden sprachlichen Ausdrücke „rot“ und „grün“ vertauscht sind. Darüber hinaus bleibt alles andere unverändert. Auch hier soll gezeigt werden, dass unsere Sprache von unseren Wahrnehmungserlebnissen in einer Weise abgekoppelt werden kann, dass jemand zwar behaupten könnte, sie sehe etwas Rotes bei Vorlage eines roten Gegenstandes, ihre Perzeption hingegen der entspricht, wenn wir etwas Grünes wahrnehmen. Dies hätte zur Folge, dass wir aus den sprachlichen und anderen menschlichen Verhaltensweisen prinzipiell nicht erkennen bzw. erschließen können, ob eine Person tatsächlich auch das wahrnimmt, was sie sprachlich zum Ausdruck bringt

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(vgl. u. a. T. Nagel 1987: 19 – 26). Denn, so das Argument, die Fähigkeit zu Farbunterscheidungen alleine besagt nichts über die Bezeichnung unserer inneren Erlebnisse, da sie selbst bei gleichen Verhaltensweisen distinkt sein können und funktionalistische Erklärungsweisen diese Denkoption nicht erfassen (vgl. Searle 2004: ch. 3, 58 – 74). Grundsätzlich bemerkt ist das Verhältnis zwischen sprachlichen Ausdrücken und ihren Referenzobjekten deshalb von zentraler Bedeutung, da bestimmte Mögliche-Welten-Szenarien gerade die „innere“ gegen die „äußere“ Welt, bzw. spezifischer formuliert, die Welt unserer „subjektiven“ Erfahrungen gegen die Welt der Wissenschaften auszuspielen versuchen. Auch hier zeigt sich meist, dass die Frage, welche Funktion unserer Sprache dabei zukommt, vor allem hinsichtlich ihrer Verwendungsweisen, teilweise oder völlig ausgeblendet wird. Sprache wird stattdessen nur dem einen oder anderen Bereich eingegliedert. Das zeigen etwa die Differenzierung in „phänomenologische“ versus „physikalische Sprache“ bzw. die semantische Internalismus/Externalismus-Debatte, ohne dabei auf den übergreifenden Zusammenhang zwischen Wortverwendung, Bewusstsein und Welt zu achten. In Sense and Sensibilia weist John Austin im Zusammenhang der dichotomen Begriffe „Sinnesdatum“ und „materieller Gegenstand“ darauf hin, dass es grundsätzlich nicht darum gehen kann, eine von zwei möglichen Varianten sprachlicher Bezugnahme als die richtige und ihre Gegenposition als die falsche aufzuweisen. Vielmehr sollte sich dadurch, dass offensichtlich beide Begriffe einander bedingen, weniger der Verdacht regen, es stimme nur mit einer der beiden Positionen etwas nicht, sondern dass auch die Gegenposition diskussionswürdig sei. So bemerkt er in der ersten Vorlesung: […] our ordinary words are much subtler in their uses and mark many more distinctions, than philosophers have realised; and […] the facts of perception, as discovered by, for instance, psychologists but also as noted by common mortals, are much more diverse and complicated than has been allowed for. It is essential, […], to abandon old habits of Gleichschaltung, the deeply ingrained worship of tidy-looking dichotomies. (Austin 1964: 3)

Mit Bezug auf das exemplarische Verhältnis zwischen den Ausdrücken „Sinnesdatum“ und „materieller Gegenstand „ bemerkt Austin ein wenig später: „One of the most important points to grasp is that these two terms ‘sense-data’ and ‘material thing’, live by taking in each other’s washing – what is spurious is not one term of the pair, but the antithesis itself“, mit der anschließenden Fußnote: „[…] In philosophy it is often good policy, where one member of a putative pair falls under suspicion, to view the more innocent-seeming party suspiciously as well.“ (Austin 1964: 4) Dieser Punkt ist, wie wir sehen werden, in gleicher Weise auf die Internalismus/Externalismus-Debatte anwendbar.

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Die den folgenden Überlegungen zugrundeliegende Idee, welche sich gleichsam als roter Faden durch den Text ziehen soll, besteht daher in der Überzeugung, dass man die Frage des Verhältnisses zwischen Sprache und Bewusstsein einerseits und Sprache und der uns umgebenden Welt anderseits, nicht losgelöst voneinander diskutieren kann, bzw. dass die Relation zwischen Sprache und Geist respektive Sprache und Welt keine Entweder-Oder-Struktur besitzt. Sprache bildet vielmehr das interne Bindeglied zwischen Bewusstsein und extramentalen Bezugsobjekten. Generell lässt sich für die Beziehung zwischen mentalen Erlebnissen und sprachlichen Ausdrücken feststellen, dass sie einerseits zu weit, andererseits zu eng gefasst wird. Zu weit bzw. lose insofern, als dass sie ausgehend von einer ihr inhärenten Willkürlichkeit die Möglichkeit eröffnet, mentale Erlebnisse völlig losgelöst von ihren entsprechenden sprachlichen Ausdrücken zu begreifen, wie bereits in den skizzierten Gedankenexperimenten im Kontext subjektiver Erlebnisgehalte angedeutet. Die willkürliche Verknüpfung von Sprache und Bewusstsein dient dabei als entscheidende Voraussetzung für das Gelingen der gedanklichen Konstruktionen. Auf den zentralen Punkt jener arbiträren Verbindung hat bereits Locke hingewiesen, wenn er im Dritten Buch des Essays seine Auffassung der Bedeutung von Wörtern diskutiert. Interessanterweise spricht er hier explizit von Annehmlichkeiten und Vorteilen einer Gemeinschaft, die nur durch die Vermittlung von Gedanken erreicht werden kann. Und gerade zu diesem Zweck dienen Wörter als Zeichen von Ideen: Thus we may conceive how Words, which were by Nature so well adapted to that purpose, came to be made use of by Men as the Signs of their Ideas; not by any natural connexion that there is between particular articulate Sounds and certain Ideas, for then there would be but one Language amongst all Men; but by a voluntary Imposition, whereby such a Word is made arbitrarily the Mark of such an Idea. (Locke [1689] 2011: III, ii, 1; 405)

Gleiches gilt neben den Ideen als Bedeutungsstifter auch für extramentale Gegenstände. Auf Grundlage dieser willkürlichen Verknüpfung von sprachlichen Ausdrücken und ihren Referenzobjekten dienen bestimmte Gedankenexperimente nun dazu, eine ontologische bzw. epistemische Auffassung als falsch auszuweisen, so beispielsweise den Physikalismus. Dabei rechtfertigt genau jene Arbitrarität die Abkopplung sprachlicher Verwendungen von ihren „subjektiven“ Bezugsgegenständen. Dies gilt interessanterweise gleichermaßen für „private“ innere Objekte, wie für natürliche Substanzausdrücke, deren Bedeutung sich aus externalistischer Sicht ebenfalls nicht durch ihre Verwendung erklären und rechtfertigen lässt. Ziel der hier vorgestellten Überlegungen ist im Gegenzug zu zeigen, dass, obgleich die Beziehungen zwischen sprachlichen Ausdrücken und ihren Bezugsgegenständen nicht auf natürliche Weise zu bestimmen sind, die Einführung eines sprachlichen Zeichens mittels bestimmter semantischer Verwendungsregeln den-

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Einleitung

noch zu notwendigen Konsequenzen für die Beziehung zwischen einem Wort und seiner Bedeutung führt. Insofern gilt es zu untersuchen, welche Rolle den grammatischen Regeln eines begrifflichen Bezugssystems innerhalb einer Sprachgemeinschaft zukommt, denn hier wird der interne Zusammenhang eines Zeichens und seiner Verwendung oftmals übersehen. Konstituiert wird sie zunächst durch die Angabe „grammatischer“ Bestimmungen, welche nicht unmittelbar durch die Realität zu rechtfertigen und insofern willkürlich sind. Oder wie es Wittgenstein formuliert: „Die Grammatik ist keiner Wirklichkeit Rechenschaft schuldig. Die grammatischen Regeln bestimmen erst die Bedeutung (konstituieren sie) und sind darum keiner Bedeutung verantwortlich und insofern willkürlich.“ (Wittgenstein 1993a, PG: 184) Insofern wären auch andere Begriffsschemata und ihnen zugrundeliegende semantische Regulierungen möglich.¹ Die Funktion dieser Regeln eines bestimmten Begriffsrahmens ist nach ihrer Einführung allerdings eine wesentliche. Denn sie entscheiden, ob man ein Wort richtig oder falsch verwendet und das heißt überhaupt verstanden hat, denn: „[…] wer sich nach andern grammatischen Regeln richtet, als etwa den üblichen, spricht darum nichts Falsches, sondern von etwas Anderem.“ (Wittgenstein 1993a, PG: 185). Das gilt für innere und äußere Gegenstände in gleicher Weise. Gerade dadurch wird, ausgehend von einer willkürlichen Verknüpfungsherstellung, eine interne Beziehung zwischen einem Wort und seiner Verwendungsweise erzeugt. Dies gilt analog auch für die Regeln eines Spiels wie Schach, welche determinieren, dass beispielsweise der Turm nur vertikal bzw. horizontal oder der Läufer ausschließlich diagonal ziehen darf. Auch diese Regeln sind zunächst willkürlich konstituiert, insofern es keinen „natürlichen“ Grund gibt, eine Figur nur auf eine Weise bewegen zu dürfen. Allerdings bestimmen sie nach ihrer Einführung in der Summe genau das, was wir „Schach“ nennen. Die Bedeutungen der Wörter „Schach“, „Turm“ oder Läufer“ etc. beziehen sich also auch hier weder auf das Material der Figuren, noch auf das, was sie in abstrakter Weise symbolisieren bzw. repräsentieren. Für die Verwendung sprachlicher Zeichen heißt dies allerdings auch, dass ihre Beziehung zur Lebenswelt in einem konstanten Zusammenspiel gründet. So spricht Wittgenstein von der „Harmonie zwischen Wirklichkeit und Gedanken, welcher in Wahrheit eine Form unserer Sprache entspricht“ (Wittgenstein 1993a, PG: 135) bzw.: „Wie alles Metaphysische ist die Harmonie zwischen Gedanken und Wirklichkeit in der Grammatik der Sprache aufzufinden.“ (Wittgenstein 1993a, PG: 162). Und im spezifischen Fall des Gewichts eines Körpers bemerkt er, „[e]in Körper hat auch sein Gewicht nicht nur während er

1 Dieser Punkt alternativer Begriffsrahmen zeigt sich exemplarisch an Alfred Ayers Diskussion über Sinnesdaten, insbesondere im Zusammenhang des sogenannten „Argument from Illusion“ (vgl. Ayer 1963: 1 – 57).

Einleitung

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gewogen wird. (Begriffsbestimmung.)“ (Wittgenstein 1991c, LPP: § 673). Würden Gegenstände kontinuierlich ihre Maße ändern, verfügten wir wohl nicht über die uns vertrauten metrischen Systeme. Aus der Perspektive einer spezifischen internalistischen Position wird die Beziehung zwischen mentalen Zuständen und entsprechenden sprachlichen Ausdrücken aber nicht nur, wie im obigen Sinne, als zu lose aufgefasst. Wir können, im Gegenteil, auch Kontexte erkennen, in welchen jene Relation als zu eng verstanden wird. Das zeigt sich etwa in der Diskussion um die (Un‐)Möglichkeit einer privaten Sprache (vgl. exemplarisch Hacker 2001; Mulhall 2007; Rhees [1954] 1970). Hier entsteht der Eindruck, dass es sich mit Bezug auf das Verhältnis zwischen mentalen Prädikaten und Erlebnisgehalten um ein Modell referentieller Semantik handelt, nach dem unsere Bewusstseinszustände und -prozesse die subjektiven Bedeutungsträger entsprechender Zeichen sind. Insofern werden ganz in Analogie zu einer externalistischen Bedeutungstheorie die Ideen unseres Bewusstseins ebenfalls als Gegenstände aufgefasst, wenn auch nicht „öffentlicher“, sondern „privater“ Natur. Gleiches gilt für die Frage des epistemischen Zugangs. Diese spezifische internalistische Position wird vor allem in der Diskussion des Putnam’schen semantischen Externalismus eine wesentliche Rolle spielen, da er sie als Ausgangspunkt seiner Kritik und den daraus entstandenen Gedankenexperimenten formuliert und sie zugleich flächendeckend einer philosophischen Tradition unterstellt. Dabei wird sich jedoch zeigen, dass internalistische Positionen nicht per se zur Annahme des menschlichen Bewusstseins als ein in sich abgeschlossenes System mit privilegiertem epistemischem Zugang und entsprechender privater Semantik verpflichtet sind. Eine zum Teil irreführende oder falsche Beziehungsbestimmung finden wir allerdings, wie bereits angedeutet, nicht nur für das Verhältnis zwischen Sprache und Bewusstsein, sondern auch für die Relation zwischen Sprache und extramentalen Bezugsobjekten. Auch hier lässt sich von einer Fehleinschätzung im Sinne einer einerseits zu losen und andererseits zu engen Verknüpfung sprechen. Das gilt für die Konsequenzen einer Sprachauffassung, welche die Bedeutung exklusiv auf bewusstseinsimmanente Entitäten beschränkt in gleicher Weise wie für Modelle referentieller Semantiken, ausschließlich angewendet auf den extramentalen Gegenstandsbereich. Zu lose in dem Sinne, in welchem etwa Locke explizit betont, dass niemand ihre oder seine sprachlichen Ausdrücke zu Zeichen von Eigenschaften von Dingen oder Ideen im Bewusstsein anderer machen kann (vgl. Locke 2011: III, ii, 2; 406). Zu eng, wie im Fall der Wittgensteinʼschen Abbildrelation zwischen Sprache, Gedanken und Welt. Hier spricht Wittgenstein davon, dass Namen Gegenstände bedeuten bzw. der Gegenstand die Bedeutung des Namens ist (vgl. Wittgenstein 1989a, TLP: 3.203). In dieser Konzeption ist der Bereich subjektiver Erfahrungen gänzlich ausgeblendet, da für die Bestimmung, dass wir uns Bilder von Tatsachen

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machen, wesentlich gilt, dass wir uns überhaupt Bilder machen können. Die Existenz eines psychologischen Subjekts wird dabei explizit ausgeschlossen. Mit Bezug auf den Begriff des Gedankens steht Wittgenstein hier offensichtlich ganz in der Tradition Freges. Ein weiteres Beispiel wären verschiedene Ausprägungen eines semantischen Externalismus, wie beispielsweise Putnams Zwillingserden oder Kripkes Identifizierung von Phänomenen wie Licht oder Wärme mit Photonenströmen bzw. erhöhten Molekülbewegungen, oder aber von Wasser mit der chemischen Struktur H2O. Die zentrale Frage, wie Sprache mit unserem Bewusstsein und der Welt um uns zusammenhängt, lässt sich anhand von Gedankenexperimenten oftmals klarer veranschaulichen als durch komplexe philosophisch-theoretische Argumentationsketten. Die folgenden Experimente sollen sichtbar machen, wie die Bereiche unserer Sprache, unserer Erfahrungswelt und der „inneren“ Strukturen extramentaler Gegenstände miteinander verknüpft sind und welche Rolle die einzelnen Bestandteile in diesem Geflecht spielen. Die Untersuchungen verzichten dabei bewusst auf eine Einbettung spezifischer Gedankenexperimente in ihren metaphilosophischen Diskurs. Denn sie verstehen sich nicht als einen weiteren Beitrag zur generellen Debatte über Funktion und Wirksamkeit solcher Experimente bzw. ihre inhaltlichen Vorzüge und Nachteile, sondern möchten vielmehr aus einer Innenperspektive heraus Voraussetzungen, Gestaltung und argumentative Durchschlagskraft ausgewählter Beispiele diskutieren. Zum Verständnis der Putnam’schen Gedankenexperimente sollen im Folgenden zunächst einige theoretische und philosophiehistorische Vorbemerkungen dienen. Denn Putnam rekonstruiert mit Bezug auf eine philosophiehistorische Tradition eine internalistische Position, die er als Ausgangspunkt seiner eigenen externalistischen Auffassung setzt. Dabei wird jedoch zu hinterfragen sein, inwieweit Putnam dieser Tradition tatsächlich gerecht wird und nicht vielmehr eine sehr spezifische internalistische Ausprägung vor Augen hat, welcher er mit seinen Gedankenexperimenten entgegentreten möchte. In Bezug darauf erweisen sich viele seiner Argumente als schlagkräftig und daher werden wir jene internalistische Ausprägung auch parallel zu Putnams semantischem Externalismus diskutieren. Dabei soll sich jedoch auch zeigen, dass der Internalismus nicht grundsätzlich zu jener spezifischen Auffassung des menschlichen Bewusstseins und einer damit verbundenen referentiellen Semantik verpflichtet ist.

Kapitel I Intension und Extension

1 Die philosophische Tradition 1.1 Empiristische Grundannahmen Eines der ersten Gedankenexperimente, dem wir uns hier widmen werden, ist Hilary Putnams berühmtes Twin-Earth-Experiment, das er in „The Meaning of ‘Meaning’“ aus dem Jahre 1975 entwickelt und in welchem er gegen die aus seiner Sicht traditionelle Auffassung argumentieren möchte, sprachliche Bedeutungen seien im Kopf. In der Rezeption dieses inzwischen klassischen Texts wurde Putnams Auffassung auch mit dem Label des „semantic externalism“ versehen (vgl. u. a. Putnam 1996a: xv). Bevor wir uns diesem und anderen Experimenten genauer zuwenden, sind einige theoretische Vorüberlegungen angebracht, vor allem, um die für ihn wesentlichen Begriffe der Intension und Extension besser nachzeichnen zu können. In diesem Zusammenhang wollen wir zunächst die Frage stellen, welche philosophischen Traditionen Putnam genau im Fokus hat. Denn es sind gerade diese Traditionen, denen er unterstellt, zwei zentrale semantische Thesen zu vertreten, nämlich, dass man sich erstens in einem bestimmten psychischen Zustand befinden muss, um einen Ausdruck zu verstehen, und zweitens, dass dieser Zustand gleich der Intension die Extension bestimme (vgl. Putnam 1996a: xv; Putnam 1996b: 6, 9). Widmen wir uns dazu zunächst Putnams „Introduction“ zu der 1996 erschienenen Anthologie The Twin Earth Chronicles, in welcher er auf seinen vor einundzwanzig Jahren erschienenen Text selbst Bezug nimmt. Zur besseren Rekonstruktion der Putnam’schen Kritk am Internalismus betrachten wir zu Beginn etwas genauer seine summarische Darstellung philosophischer Traditionen zur Frage der Beziehung zwischen sprachlichen Zeichen, mentalen Vorkommnissen und extramentalen Bezugsgegenständen. Dabei wird es hilfreich sein, einige Originalstellen ausführlicher zu zitieren und zu betrachten, um zu sehen, inwieweit Putnam den jeweiligen klassischen Auffassungen tatsächlich gerecht wird. Zunächst verweist Putnam auf einige philosophiegeschichtliche Kontroversen etwa zwischen Platon und Aristoteles bzw. Nominalismus und Konzeptualismus. Allerdings herrsche, so Putnam, trotz aller Variationen innerhalb des metaphysischen Diskurses Einigkeit darüber, dass Begriffe einheitlich aufgefasst werden, als etwas, das vollständig im Bewusstsein enthalten sein kann: „concepts were uniformly thought of as capable of being completely contained in or recollected by ‘the mind’ […]“ (Putnam 1996a: xv). Entscheidend ist dabei, dass das Bewusstsein nach Putnam als eine Art „private theatre“ aufgefasst wird, von anderen Bewusstseinen und der externen Welt gänzlich isoliert. Diese Zusammenfassung philosophiegeschichtlicher Positionen Putnams erinnert zunächst stark an Hume, Locke, Berkeley und Descartes. https://doi.org/10.1515/9783111241555-002

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1 Die philosophische Tradition

In Hume Variations bemerkt Jerry Fodor über Humes Traktat: „Hume’s Treatise is the foundational document of cognitive science: it made explicit, for the first time, the project of constructing an empirical psychology on the basis of a representational theory of the mind“ (Fodor 2005: 135), bzw. „For Hume, as for our contemporary cognitive science, the mind is preeminently the locus of mental representation and mental causation.“ (Fodor 2005: 8) Auch Barry Stroud betont in seiner Hume-Monographie die Zielsetzung der Hume’schen Philosophie und die damit verbundene Methodologie: [Hume] was interested in human nature, and his interest to the form of seeking extremely general truths about how and why human beings think, feel and act in the ways they do. […] he wanted to answer the more fundamental philosophical questions of how people even come to have a conception of the world, or of themselves. […] These questions were to be answered in the only way possible – by observation and inference from what is observed. Hume saw them as empirical questions. (Stroud 1977: 222)

Da Putnam Hume explizit erwähnt, betrachten wir im Folgenden zunächst einige seiner zentralen Thesen im Kontext eines „private theatre“, um zu sehen, ob Hume als ein möglicher Verfechter dieser Bestimmung des menschlichen Bewusstseins infrage kommt. Hume selbst spricht im Treatise vom „mind“ als einer Art Theaterbühne, auf der sich die verschiedenen Perzeptionen darstellen, betont jedoch zugleich, dass uns diese Parallele nicht in die Irre führen darf. Den Kontext, in welchem Hume diesen Vergleich zieht, hat zudem nichts mit der Frage eines methodischen Solipsismus zu tun, sondern mit der nach Hume irreführenden Annahme einer geistigen Substanz, eines „Self“: The mind is a kind of theatre, where several perceptions successively make their appearance; pass, repass, glide away, and mingle in an infinite variety of postures and situations. There is properly no simplicity in it at one time, nor identity in different […]. The comparison of the theatre must not mislead us. They are the successive perceptions only, that constitute the mind; (Hume 1985: 300 – 301)

Wesentlich bestimmt ist seine Ablehnung einer personalen Identität vor allem durch sein Sinnkriterium, welches besagt, dass ein Ausdruck nur dann „significance“ besitzt, wenn wir ihn mit einer Idee verknüpfen können, die selbst wiederum auf einen Eindruck rückführbar sein muss. In Section VI „Of Personal Identity“ ist Humes Argument zunächst, dass wir vom Selbst keine Idee haben, die wir von einem zugrundeliegenden Eindruck herleiten könnten. Erst im Abstract stellt Hume dann eine Verbindung her zwischen Ideen, Impressionen und sprachlichen Ausdrücken, basierend auf der für ihn zentralen „Copy-These“:

1.1 Empiristische Grundannahmen

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[…] no discovery could have been made more happily for deciding all controversies concerning ideas than this, that impressions always take the precedency of them, and that every idea with which the impression is furnished, first makes its appearance in a corresponding impression. […] Accordingly, wherever any idea is ambiguous, he [the author] has always recourse to the impression, which must render it clear and precise. And when he suspects that any philosophical term has no idea annexed to it (as is too common) he always asks from what impression that idea is derived? And if no impression can be produced, he concludes that the term is altogether insignificant. (Hume 1980: 17– 18)

Als Beispiele solcher bedeutungslosen Ausdrücke nennt Hume „Substance“ und „Essence“ (vgl. Hume 1980: 17– 18). Wenn wir allerdings Humes Bemerkungen zum Impressionsbegriff zu Beginn des Treatise betrachten, wird deutlich, dass ihr passiver Charakter im Gegensatz zu den weniger lebhaften Ideen ausschließt, dass ein menschliches Wesen ohne zugrundeliegende Erfahrungen entsprechende Begriffe haben oder bilden kann, zumindest was die „impressions of sensations“ angeht. So sieht Hume das zentrale Unterscheidungskriterium zwischen Impressionen und Vorstellungen […] in the degrees of force and liveliness, with which they strike upon the mind, and make their way into our thought or consciousness. Those perceptions, which enter with most force and violence, we may name impressions; and under this name I comprehend all our sensations, passions and emotions, as they make their first appearance in the soul. (Hume 1985: 49)

Die Verwendung von Ausdrücken wie „most force“, „strike upon“ oder „violence“ zeigen jedenfalls deutlich, dass sich das menschliche Bewusstsein mit Bezug auf Empfindungen, Leidenschaften und Emotionen rein passiv perzeptiv verhält. Sind bestimmte Voraussetzungen für den Erwerb von Impressionen nicht gegeben, wie etwa bei Blind- oder Taubgeborenen, dann fallen solche Eindrücke und ihre korrespondierenden Ideen für dieses Bewusstsein aus. Gleiches gilt nicht nur im Fall organischer Schäden, sondern bereits dann, wenn entsprechende Körperteile nie zur Erzeugung eines bestimmten Eindrucks verwendet wurden. Insofern sind wir beispielsweise nicht in der Lage, eine Vorstellung vom Geschmack einer Ananas zu bilden, wenn wir sie vorher nie gekostet haben (vgl. Hume 1985: 53). Hier zeigt sich Humes empiristisches Grundprinzip, nachdem wir alleine mittels unserer Einbildungskraft keine Ideen bilden können, deren zugrundeliegende „impressions of sensations“ wir nicht erfahren haben; (auf die von Hume selbst eingeräumte Ausnahme der „missing shade of blue“ sei hier nur hingewiesen). Anders verhält es sich bei den „impressions of reflection“, die wir nicht aus unbekannten Ursachen gewinnen, sondern aus bereits bestehenden Ideen, welche wir selbst wiederum aus Eindrücken gebildet haben. So erzeugen wir beispielsweise Impressionen von Hoffnung und Furcht aus den Ideen von Vergnügen oder

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Schmerz, die selbst gebildet sind aus Eindrücken wie Hungergefühlen, Hitze- oder Kälteempfindungen (vgl. Hume 1985: 55). Mit anderen Worten: „[…] all our ideas, or weak perceptions, are derived from our impressions, or strong perceptions and […] we can never think of any thing which we have not seen without us, or felt in our own minds.“ (Hume 1980: 14) Die für uns wesentliche Frage, ob wir auch dann über die Kenntnis eines Begriffs verfügen können, wenn wir die damit verbundenen Erfahrungen nie gemacht haben, wird uns im zweiten Kapitel dieser Untersuchungen wieder begegnen, wenn es darum geht, ob eine Person in der Lage ist, ein Wort richtig zu verwenden und zu verstehen, wenn sie nicht über eine entsprechende Erfahrung verfügt, auf die sich dieser Ausdruck bezieht, etwa im Fall von Farben und Farbbegriffen oder aber Schmerzzuschreibungen. Mit Humes empiristischem Grundprinzip wäre diese Annahme jedenfalls nicht vereinbar. Für die Sinnhaftigkeit eines Ausdrucks ist ausschließlich die Frage entscheidend, ob wir für diesen eine Idee angeben können, die gemäß der Hume’schen „Copy-These“ selbst wiederum auf einen entsprechenden Eindruck rückführbar sein muss. Ziel ist für Hume dabei eine ausschließlich bewusstseinsbasierte Entwicklung einer psychologistischen Erkenntnistheorie unter Ausklammerung der Frage nach der Beschaffenheit und Rolle der extramentalen Außenwelt. Über die „impressions of sensation“ betont Hume daher auch ganz explizit, dass sie ursprünglich in der Seele aus unbekannten Ursachen („from unknown causes“) entstehen (vgl. Hume 1985: 55). Und ganz entsprechend bemerkt er an späterer Stelle: As to those impressions, which arise from the senses, their ultimate cause is, in my opinion, perfectly inexplicable by human reason, and it will always be impossible to decide with certainty, whether they arise immediately from the object, or are produced by the creative power of the mind, or are derived from the author of our being. Nor is such a question any way material to our present purpose. (Hume 1985: 132)

Hier nimmt Hume also implizit den skeptischen Einwand vorweg, wir könnten keine absolute Gewissheit darüber erlangen, ob die Ursachen unserer „impressions of sensation“ in den Gegenständen, dem Bewusstsein oder sogar dem Schöpfer unseres eigenen Seins zu suchen sind, betont jedoch zugleich, diese Frage sei für sein Unterfangen nicht zweckdienlich. Entscheidend für das psychologistische Programm Humes ist vielmehr die bewusstseinsimmante Kohärenz unserer Perzeptionsinhalte, unabhängig von der Frage angemessener bzw. unangemessener Repräsentation der äußeren Welt. Insofern ist es im Fall Humes nicht zu sehen, inwieweit er ein Verfechter der beiden Thesen sein sollte, der psychische Zustand bestimme die Bedeutung und diese wiederum die Extension, da nicht klar ist, wie im Rahmen des Hume’schen Psychologismus die zweite These, die Intension determiniere die Extension, zu

1.1 Empiristische Grundannahmen

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explizieren sein könnte, auch wenn sein angesprochenes Sinnkriterium klar zur Stützung der ersten These Putnams dienen kann. Sollen die Ideen und die ihnen zugrundeliegenden Eindrücke jedoch bedeutungsstiftend für die entsprechenden Zeichen sein, dann können wir sie nicht als streng privat auffassen, in dem Sinne, dass nur das jeweilige Subjekt diese Ideen haben bzw. von ihnen wissen kann. Die von Hume behauptete Beziehung zwischen Perzeptionen und sprachlichen Zeichen verlöre dadurch völlig ihren kriterialen Charakter. Aus diesem Grund und der fallibilistischen Position Humes folgt daher keineswegs zwingend eine methodologisch solipsistische, zumindest was die Frage der Semantik sprachlicher Zeichen betrifft. Insbesondere bezüglich der „abstract ideas“, die in Putnams Diskussion eine zentrale Rolle spielen werden, ist Hume ganz in der Tradition Berkeleys ein expliziter Gegner des Locke’schen Konzeptualismus. Das kommt vor allem in Buch I, I, 7 des Treatise zum Ausdruck, in welchem er zunächst die Frage stellt, ob abstrakte oder generelle Ideen tatsächlich generell oder nicht vielmehr partikulär sind: „A great philosopher [Dr. Berkeley] has disputed the received opinion in this particular, and has asserted, that all general ideas are nothing but particular ones, annexed to a certain term, which gives them a more extensive signification, and makes them recall upon occasion other individuals, which are similar to them.“ (Hume 1985: 64) Exemplarisch sei hier nur auf zwei Bemerkungen Berkeleys hingewiesen. Zu Beginn seiner Principles betont Berkeley zunächst allgemein: „[…] an idea, which considered in itself is particular, becomes general, by being made to represent or stand for all other particular ideas of the same sort.“ (Berkeley [1734] 1999: Introduction, § XII, 13) Am Beispiel einer konkreten Demonstration, bei der eine Gerade in zwei Teile zerlegt wird, betont Berkeley dabei explizit die Gültigkeit einer singulären Zerlegung für sämtliche Geraden allgemein, denn: „[…] as that particular line becomes general, by being made a sign, so the name line, which taken absolutely is particular, by being a sign, is made general“ (Berkeley 1999: 14). Berkeley verneint also die Abstraktionstherorie Lockes, allerdings nicht die Option einer Generalisierung von Vorstellungsinhalten. Die Verallgemeinerung bezieht sich dabei jedoch ausschließlich auf die relationale Qualität der Ähnlichkeit. Nur in diesem Sinn repräsentiert oder bezeichnet eine Partikularidee andere partikulare Ideen. Ganz entsprechend dieser Argumentationslinie Berkeleys versteht auch Hume abstrakte Vorstellungen als in sich individuell, in ihrer Repräsentanz hingegen generell. Demnach sind sämtliche „general ideas“ nichts als Partikularvorstellungen, die es in entsprechenden Kommunikationssituationen ermöglichen, andere, ähnliche Individualvorstellungen hervorzurufen, basierend auf der Hume’schen Grundannahme, dass unser Verstand ohne eine präzise Idee nicht in der Lage ist, Vorstellungen einer bestimmten Qualität oder Quantität zu bilden. Hume hält hier also am Prinzip fest: „every thing in nature is individual“ (Hume 1985: 67).

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1 Die philosophische Tradition

Interessant ist für unsere Zwecke nun besonders, dass auch Hume den Aspekt der Anwendbarkeit von Ideen und ihre Zweckmäßigkeit für unsere alltäglichen Lebenszwecke betont, die jedenfalls nicht für einen methodischen Solipsismus sprechen, auch wenn Hume seine Epistemologie und den damit wesentlich verknüpften Begriff der Perzeptionen rein bewusstseinsimmanent, das heißt, im Sinne der Putnam’schen These (I) entwickelt: Abschließend zu Hume sei daher nochmals eine für unsere Überlegungen zentrale Stelle zitiert, in welcher er sehr pointiert die Funktion von Namen und ihre Verknüpfung zu Ideen verdeutlicht: This application of ideas beyond their nature proceeds from our collecting all their possible degrees of quantity and quality in such an imperfect manner as may serve the purposes of life, […]. When we have found a resemblance among several objects, that often occur to us, we apply the same name to all of them, whatever differences we may observe in the degrees of their quantity and quality, and whatever other differences may appear among them. After we have acquired a custom of this kind, the hearing of that name revives the idea of one of these objects, and makes the imagination conceive it with all its particular circumstances and proportions. But as the same word is supposed to have been frequently applied to other individuals, that are different in many respects from that idea, which is immediately present to the mind; the word not being able to revive the idea of all these individuals, but only touches the soul, […], and revives that custom, which we have acquired by surveying them. They are not really and in fact present to the mind, but only in power; nor do we draw them all out distinctly in the imagination, but keep ourselves in a readiness to survey any of them, as we may be prompted by a present design or necessity. The word raises up an individual idea, along with a certain custom; and that custom produces any other individual one, for which we may have occasion. (Hume 1985: 67– 68)

Hume verknüpft die Verwendung sprachlicher Zeichen also mit einer Art Gewöhnung (custom), welche auch in seiner Epistemologie eine zentrale Rolle spielt und seinen Psychologismus mitetabliert. So können wir aufgrund der Bemerkung, dass es sich vielmehr um eine dispositionelle Eigenschaft handelt, zu bestimmten Zwecken Ideen in das Bewusstsein zu rufen, auch vermuten, dass Hume die Verwendung sprachlicher Ausdrücke als eine Fähigkeit im Sinne eines „knowing how“ versteht, die im Begriff des „custom“ oder „habit“ ihren Niederschlag findet. So fordert er an anderer Stelle PhilosophInnen in rhetorischer Weise auf, „[…] to explain the act of the mind, which we call belief, and give an account of the principles, from which it is deriv’d, independent of the influence of custom on the imagination […]“ (Hume 1985: 228). In Concept of Mind zieht Gilbert Ryle in kritischer Weise eine Grenze zwischen geistigen Fähigkeiten und reiner Gewohnheit: „The ability to apply rules is the product of practice. It is therefore tempting to argue that competences and skills are just habits. They are certainly […] acquired dispositions, but it does not follow from this that they are mere habits.“ (Ryle [1949] 1986: 41 – 42; zu „Intelligent Capacities

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versus Habits“ siehe 41 – 44) Auch Fodor skizziert mit Verweis auf Stroud die funktionale Komponente von Begriffen in folgender Weise: „[…] the essence of a concept is in the way we apply it to things in the world, together with the inferences that we use it to draw. Correspondingly, having the concept is being able to make such applications and draw such inferences.“ (Fodor 2005: 14) Die Ontologie der Hume’schen „Theory of Ideas“ impliziere hingegen, dass Begriffe keine dispositionalen Konstruktionen zur Klassifikation von Gegenständen sind, sondern mentale Objekte. Und diese Auffassung verschleiere die eigentliche Verbindung zwischen dem Verfügen über einen Begriff und seiner Rolle mit Bezug auf unsere kognitiven Tätigkeiten und Verhaltensweisen. Auch David Pears betont ganz im Sinne der hier vorgelegten Untersuchungen den pragmatischen Aspekt von Begriffen. Nach seiner Lesart unterschätzt Hume gerade diesen funktionalen Aspekt: When a concept manifests itself as (e. g.) a particular image occuring in a person’s mind at a particular time, it cannot just be identified with that image. […] Rather we have to add that it is only the image with its special function. […] We so easily forget that the power of one of these images is almost entirely bestowed on it by the way in which we use it. (Pears 1990: 25; siehe auch Fodor 2005: 15)

Auch wenn Fragen der Semantik in Humes Epistemologie keine zentrale Rolle einnehmen, scheint diese Kritik nicht unberechtigt, denn sie verweist auf eine inhärente Schwierigkeit des Hume’schen Ideenbegriffs, verstanden als „mental object“ bzw. „mental image“, und seine Rolle im Zusammenhang des Gebrauchs sprachlicher Ausdrücke. Sie berechtigt deshalb jedoch keineswegs zu einer Konzeption des menschlichen Bewusstseins als eine Art privates Theater rein privater DarstellerInnen. Auch in unserer noch folgenden Diskussion zentraler Thesen der theoretischen Philosophie John Lockes werden uns trotz seines von Hume abweichenden Konzeptualismus dennoch verblüffende Parallelen begegnen, gerade wenn es um die Frage der Nützlichkeit oder Zweckdienlichkeit bestimmter philosophischer Annahmen geht und um das Verhältnis zwischen Ideen und Wörtern. Was zunächst die Unterteilung der menschlichen Perzeptionen in äußere und innere Wahrnehmungserlebnisse betrifft, finden wir in Locke bereits einen Vorläufer von Hume, wenn er die menschlichen Perzeptionen unterscheidet in „ideas of sensations“ und „ideas of reflection“ und analog zu den „äußeren Sinnen“, die auf unsere Wahrnehmungen bezogen sind, auch von einem inneren Sinn spricht, durch den wir die Begriffe des Wahrnehmens, Denkens, Glaubens, Zweifelns, Erkennens, Schließens und anderer Tätigkeiten des Geistes gewinnen: This Source of Ideas, every Man has solely in himself. And though it be not Sense, as having nothing to do with external Objects; yet it is very like it, and might properly enough be call’d

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internal Sense. But as I call the other Sensation, so I call this REFLECTION, the Ideas it affords being such only, as the Mind gets by reflecting on its own Operations within it self.” (Locke 2011: II, i, 4; 105)

Auffällig ist bereits hier die Abgrenzung des inneren vom äußeren Sinn, durch den fehlenden Bezug zu extramentalen Objekten („external objects“), welcher dadurch eine starke Nähe zu Putnams „narrow mental states“ aufweist. Allerdings spielen die durch den internen Sinn gewonnenen Ideen in Putnams Gedankenexperimenten keine unmittelbare Rolle. Nach Locke beziehen sie sich nicht auf spezifische Gehalte, sondern vielmehr auf die Tätigkeiten des menschlichen Geistes, welche Russell später „sensations“ nennen wird, um im Rahmen seiner Berkeley-Kritik die Bewusstseinsakte von den Inhalten psychischer Zustände abzugrenzen (vgl. Kapitel II.4.1). Bestimmte internalistische Positionen wendeten dieses Verfahren der Reflexion bzw. Introspektion in der Folge auch auf Wahrnehmungsinhalte wie Farben oder innere Empfindungen wie Schmerzen an. Und wie wir noch sehen werden, rekonstruiert auch Putnam in seiner Internalismuskritik das Wissen um die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks nach dem Muster innerer subjektiver Empfindungen wie Schmerz (vgl. etwa Putnam [1981] 2004: 42). Das erklärt zumindest seine Abgrenzung in enge und weite mentale Zustände (vgl. Kapitel I.1.3). Lockes „ideas of sensations“ hingegen entsprechen ganz den Hume’schen Impressions: First, Our Senses, conversant about particular sensible Objects, do convey into the Mind, several distinct Perceptions of things, according to those various ways, wherein those Objects do effect them: And thus we come by those Ideas, […], which when I say the senses convey into the mind, I mean, they from external Objects convey into the mind what produces there those Perceptions. (Locke 2011: II, i, 3; 105)

Diese Quelle, aus welcher wir die meisten Ideen überhaupt beziehen, hängt vollständig von unseren Sinnen ab und leitet sich auch ausschließlich von ihnen ab (vgl. Locke 2011: II, i, 3; 105). Darin begründet sich ein wesentliches empiristisches Grundprinzip. Aus einer repräsentationalen Wahrnehmungstheorie alleine und unter Ausklammerung der reflektiven Ideen folgt daher auch bei Locke noch keineswegs zwingend die Bestimmung des menschlichen Bewusstseins als von anderen „minds“ und der extramentalen Welt vollständig isoliert, wenn nicht zugleich Einwände im Sinne eines methodischen Zweifels Anwendung finden. Für die Annahme eines streng privaten Theaters bedarf es also explizit skeptischer Zusatzprämissen mit Bezug auf die Frage des Fremdpsychischen und der Existenz der Außenwelt. Solche finden sich etwa in Descartes’ Traumargument bzw. Berkeleys Widerlegung des Argumentes für die Annahme einer materiellen Au-

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ßenwelt, basierend auf ihrer kausalen Verantwortlichkeit für die wahrgenommenen Ideen in unserem Bewusstsein. Descartes berühmtes Traumargument wirft im Kontext seines methodischen Zweifels sofort die Frage auf, ob und auf welche Weise wir insbesondere empirische Begriffe erwerben bzw. über sie verfügen, sollten wir uns in einem permanenten Traum befinden, da gemäß seines zweiten skeptischen Arguments mit Bezug auf die Sinne, Wachzustand und Traumzustand nicht auf Grundlage gesicherter Kennzeichnen differenzierbar sind (vgl. Descartes 1994: 13; AT VII: 10). Dieser Schwierigkeit war sich Descartes offenbar bewusst, auch wenn es ihm primär um ontologische und nicht semantische Erwägungen ging. So bemerkt er etwa: […] so muß man fürwahr doch gestehen, das während des Schlafes Geschaute verhalte sich gleichsam wie gemalte Bilder, die nur nach dem Muster wahrer Dinge sich abmalen konnten, daß also wenigstens dies allgemeine: Augen, Haupt, Hände und überhaupt der ganze Körper, als nicht eingebildete, sondern wirkliche Dinge existieren. […] In gleicher Weise muß man, wenn gleich sogar dieses Allgemeine: Augen, Haupt, Hände und dergleichen nur in der Einbildungskraft vorhanden sein könnte, doch notwendig gestehen, dass wenigstens gewisse andere, noch einfachere und allgemeinere Dinge wirklich vorhanden sind, mit denen als den wirklichen Farben, alle jene, seien es wahre oder falsche Bilder von Dingen, die wir in unserem Bewußtsein haben, sich in uns malen. (Descartes 1994: 13−14; AT VII: 11)

Dazu zählt Descartes die Natur des Körpers, seine Ausdehnung, Gestalt, Größe, Zahl der Dinge und den Ort an dem sie sich befinden, Eigenschaften, welche uns später in Lockes Bestimmung primärer Qualitäten wieder begegnen werden. In der Originalversion von „The Meaning of ‘Meaning’“ nennt Putnam auch explizit Descartes als Vertreter der logischen Möglichkeit eines körperlosen Geistes, welcher sich in einem bestimmten psychischen Zustand befindet. Die Möglichkeit ist deshalb eine logische, da nach der Auffassung solcher VertreterInnen keine notwendige begriffliche Verknüpfung zwischen Körper bzw. Materie und Geist besteht. Und es wird genau diese Frage begrifflicher Abhängigkeiten bzw. Unabhängigkeiten zwischen Körperlichem, im Speziellen Verhaltensweisen und geistigen Zuständen bzw. Prozessen sein, die in unserer Diskussion von Gedankenexperimenten eine der Grundvoraussetzungen ihres Gelingens bzw. Misslingens bilden wird (vgl. z. B. Kapitel III.3, bzw. III.4.4). Eine ähnliche Argumentationsfigur wie bei Descartes finden wir auch in Berkeleys Principles, die sich gegen die Annahme der Existenz materieller Substanzen außerhalb und unabhängig von unserem Bewusstsein wendet, da sie weder durch die Sinne noch durch die Vernunft erkannt werden können. Und daher so Berkeley: […] it is granted on all hands (and what happens in dreams, phrensies, and the like, puts it beyond dispute) that it is possible we might be affected with all the ideas we have now, though no bodies existed without, resembling them. Hence it is evident the supposition of external

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bodies is not necessary for the producing our ideas: since it is granted they are produced sometimes, and might possibly be produced always in the same order we see them in at present, dialogues without their concurrence. (Berkeley 1999: Part I, § 18, 31)

Diese von Berkeley beschriebene Denkmöglichkeit liefert offensichtlich genau Putnams internalistische Angriffsfläche, wenn Berkeley betont, dass wir auch mit sämtlichen Ideen, die wir jetzt besitzen, affiziert werden könnten, wenn keine Körper außerhalb unseres Bewusstseins existierten. Die Bewusstseinszustände in solch einer Variante wären dann genau, wie wir noch sehen werden, Putnams enge mentale Zustände. An diesen beiden Textstellen Descartes’ und Berkeleys wird jedoch auch deutlich, dass sie im Kontext der Frage nach der Existenz einer bewusstseinsunabhängigen, materiellen Außenwelt anzusiedeln sind. Daher ergibt sich meines Erachtens für Putnam auch hier die Schwierigkeit, die Behauptung zu rechtfertigen, in solchen Szenarien bestimme die Intension die Extension, wenn wir uns im Kontext rein bewusstseinsimmanenter Entitäten befinden.

1.2 Epistemische Privatheit und Privatheit der Bedeutung Wie die bisherigen philosophiehistorischen Skizzen zeigen sollten, folgt alleine aus der Annahme kausalen Wirkens auf Grundlage eines repräsentationalen Modells noch keineswegs zwingend ein Verständnis des menschlichen Bewusstseins als eine Art privates Theater. So bemerkt Wittgenstein im Rahmen seiner Diskussion einer möglichen Privatsprache: Schau auf das Blau des Himmels, und sag zu dir selbst „Wie blau der Himmel ist!“ – Wenn du es spontan tust – nicht mit philosophischen Absichten – so kommt es dir nicht in den Sinn, dieser Farbeneindruck gehöre nur dir. Und du hast kein Bedenken, diesen Ausruf an einen Andern zu richten. Und wenn du bei den Worten auf etwas zeigst, so ist es der Himmel. Ich meine: Du hast nicht das Gefühl des In-dich-selber-Zeigens, das oft das ‚Benennen der Empfindung‘ begleitet, wenn man über die ‚private Sprache‘ nachdenkt. Du denkst auch nicht, du solltest eigentlich nicht mit der Hand, sondern nur mit der Aufmerksamkeit auf die Farbe zeigen. (Wittgenstein 1989a, PU: § 275)

Unter Ausklammerung solcher skeptischen Szenarien, wie wir sie aus den Bemerkungen Descartes’ und Berkeleys kennen, folgt nur aus der Bezugnahme auf Sinneseindrücke also noch keineswegs die Annahme privater Gegenstände, von denen nur ihre Besitzerin wissen kann. Was sich darüber hinaus ebenfalls andeutet, ist die Unterscheidung in Eindrücke, die wir aus der Wahrnehmung gewinnen und solchen, die wir dem Bereich der Empfindungen zuordnen: „It is not the case that perceptual experience as we normally enjoy it announces to us, or gives a sense that, there is a private object possessing, and presenting to us the

1.2 Epistemische Privatheit und Privatheit der Bedeutung

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qualities in appearance. Whereas with experiences of sensations our experience itself invites our intention inwards and the idea of an inner object seems more attractive.“ (Snowdon 2011: 407) Wie wir noch sehen werden, lehnt auch Putnam in seiner internalistischen Rekonstruktion das Wissen um die Bedeutung eines Wortes im Sinne der Intension zunächst an Empfindungserlebnisse an und nicht an perzeptuellen Erfahrungen. Rein auf der Gundlage von Vorstellungen und zugrundeliegenden Eindrücken und ohne weitere Differenzierungen folgt also auch nicht zwingend die Konsequenz einer privaten Sprache, deren Wörter sich ausschließlich und exklusiv auf die jeweiligen inneren privaten Zustände und Prozesse einer Person als ihre Bedeutung beziehen, und die nur von dieser Person alleine gewusst, angewendet und verstanden werden kann (vgl. hierzu u. a. Wittgenstein 1989a, PU: §§ 243 – 315). Die Tatsache, dass in speziellen Kontexten ein identischer Gegenstand aus unterschiedlichen Gründen, etwa einer spezifischen Sehschwäche oder anderer körperlicher Dysfunktionen, künstlichem Lichteinfall etc., zu unterschiedlichen Wahrnehmungsinhalten führen kann, ist natürlich unbestritten. Dessen ist sich auch Locke bewusst, wie wir an seinem bereits angedeuteten Beispiel von Farbinversion sehen: Locke argumentiert hier, dass selbst in Situationen, in welchen ein Gegenstand in unterschiedlichen Personen unterschiedliche Ideen hervorruft, etwa aufgrund differenter Strukturen unserer Organe, keine Zuschreibung von Falschheit bezüglich unserer Ideen folge. Als Beispiel wählt Locke ein Veilchen, welches in Person A eine Idee verursacht, die der einer Ringelblume in Person B entspricht und vice versa. Dass dies der Fall sein kann, wäre jedoch nie erkennbar, da das Bewusstsein der Person A nicht in den Körper der Person B eindringen könnte, um wahrzunehmen, welche Erscheinung durch die Organe des B hervorgerufen würden (vgl. Locke 2011: II, xxxii, 15; 389). Daraus zieht Locke jedoch den Schluss, dass in solchen Fällen weder die Ideen noch ihre entsprechenden Namen verwechselt werden. Denn beide verwenden in Situationen, in welchen sie ein Veilchen wahrnehmen, den Ausdruck „blau“ und sind auch in der Lage entsprechende Farbunterscheidungen durchzuführen. Das verweist bereits auf die Rolle menschlicher Bewusstseinsinhalte für die Semantik sprachlicher Ausdrücke: […] For all Things, that had the Texture of a Violet, producing constantly the Idea, that he called Blue; and those which had the Texture of a Marigold, producing constantly the Idea, which he as constantly called Yellow, whatever those Appearances were in his Mind; he would be able as regularly to distinguish Things for his Use by those Appearances, and understand, and signify those distinctions, marked by the Names Blue and Yellow, as if the Appearances, or Ideas in his Mind, received from those two Flowers, were exactly the same, with the Ideas in other Men’s Minds. (Locke 2011: II, xxxii, 15; 389)

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Das ist eine äußert interessante Bemerkung, da sie sehr anschaulich die Rolle von Ideen im Kontext der Verwendung sprachlicher Ausdrücke verdeutlicht und damit auch Lockes Auffassung von Bedeutungen. Nehmen wir an, es wäre epistemisch ausgeschlossen, eine solche Inversion zu identifizieren, dann öffneten sich Tür und Tor für die Annahme einer privaten Sprache. So findet sich eine ganz analoge Stelle in den Philosophischen Untersuchungen, in welcher Wittgenstein seinen philosophischen Gegner und zugleich Verfechter einer solchen scheinbar denkbaren Privatsprache folgendermaßen zu Wort kommen lässt: „Das Wesentliche am privaten Erlebnis ist eigentlich nicht, daß Jeder sein eigenes Exemplar besitzt, sondern, daß keiner weiß, ob der Andere auch dies hat, oder etwas anderes. Es wäre also die Annahme möglich – obwohl nicht verifizierbar – ein Teil der Menschheit habe eine Rotempfindung, ein anderer Teil eine andere.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 272) Wir sehen hier, dass es nicht nur um Bewusstseinsinhalte und ihren ontologischen Status geht, sondern auch bzw. vor allem um die Frage des privilegierten epistemischen Zugangs. Diese Differenzierung macht sich auch Putnam in seinen Zwillingserdenexperimenten zu Nutze. In den Lectures on Similarity liefert Wittgenstein diesem Gegner dann eine überzeugende Antwort, indem er bei zunächst gleicher Ausgangslage nun doch die Möglichkeit einräumt, jemand Außenstehendes hätte Zugriff auf die eigenen inneren Zustände: Suppose that in order to draw on the blackboard with crayons – white, blue, etc. – each person has a private colour chart, […]. Each looks up the colour from the chart. The assumption is that I don’t know what is on your colour chart. The colours on the chart may have changed. You look the colours up and point according to my orders – “Blue! Red!”, etc. One day, someone comes in and inspects. Your red patch has changed to green, etc., or all your patches are grey. But you look the colours up from your chart and draw them or point to them correctly. Are we to say that the word “green” means something different to you from what it means to us, or are we to say that it means the same? We don’t know here what “using the chart” means. Your chart has now nothing in common with an ordinary chart at all. […] Malcolm and I (before using our private chart) both learnt the words “green”, “blue”, etc. How did we learn to use the table on our charts? – We learnt the private chart by learning the public chart. (Munz und Ritter 2017: 94 – 95; vgl. auch Wittgenstein 1989a, PU: § 275)

So ist es möglich, sich den Fall des richtigen Identifizierens einer Farbe auf der Grundlage ständig wechselnder privater Farbmuster vorzustellen und somit kann diese Form der richtigen Bezugnahme nicht auf dem Gebrauch der eigenen, subjektiven Farbtabelle beruhen. Wir wüßten gar nicht, was „using my private colour charts“ meinen sollte. Wollte man nun einwenden, dieses Experiment greife nicht, da es prinzipiell ausgeschlossen sei, private Farbtabellen verschiedener Subjekte überhaupt prüfen zu können, dann kann man die Möglichkeit streng privater Bewusstseinsinhalte nur

1.2 Epistemische Privatheit und Privatheit der Bedeutung

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noch behaupten, ohne sie philosophisch rechtfertigen zu können, außer mit dem Argument logischer Widerspruchsfreiheit. Es wäre dann nur ein leerlaufendes Rad im Mechanismus des Gedankenexperimentes. Oder wie es Wittgenstein an einem anderen Beispiel im Kontext seiner Diskussion einer Privatsprache formuliert: Denke dir einen Menschen, der es nicht im Gedächtnis behalten könnte, was das Wort ‚Schmerz‘ bedeutet – und der daher immer wieder etwas Anderes so nennt – das Wort aber dennoch in Übereinstimmung mit den gewöhnlichen Anzeichen und Voraussetzungen des Schmerzes verwendet!“ – der es also verwendet, wie wir Alle. Hier möchte ich sagen: das Rad gehört nicht zur Maschine, das man drehen kann, ohne daß Anderes sich mitbewegt. (Wittgenstein 1989a, PU: § 271)

Natürlich ist es unbestritten, dass es Situationen geben kann, in denen etwa die Normalbedingungen (Lichteinstrahlung, Sehfähigkeit etc.) nicht erfüllt sind und dadurch potenzielle Wahrnehmungsdiskrepanzen entstehen. Philosophisch relevant ist hier vielmehr der zunächst harmlos wirkende Übergang von einer solchen spezifischen Situation, in der die beschriebenen Abweichungen gegeben sind und in der Regel auch diagnostiziert werden, beispielsweise im Fall von Rot-Grün-Blindheit, hin zu den generell vorstellbaren Fällen, in denen diese Unterschiede nicht erkennbar sein sollen. So liefert uns auch Wittgenstein ein Gedankenexperiment, welches zunächst die Möglichkeit eines intrapersonalen inversen Spektrums beschreibt, wenn er notiert: Consider this case: someone says “I can’t understand it, I see everything red blue today and vice versa.” We answer “it must look queer!” He says it does and, e. g., goes on to say how cold the glowing coal looks and how warm the clear (blue) sky. I think we should under these or similar circumstances be inclined to say that he saw red what we saw blue. And again we should say that we know that he means by the words ‘blue’ and ‘red’ what we do as he has always used them as we do. (Wittgenstein 1993b, PO: 231)

Das wäre der philosophisch harmlose Fall, in welchem eine Person von anderen abweichende Wahrnehmungsinhalte erlebt, ausgehend von gleichen extramentalen Gegenständen, hier dem Himmel und einem glühenden Stück Kohle. Aus dem Beispiel wird jedoch klar, dass diese Farbinversion keinen Einfluss auf die Bedeutung der Ausdrücke „rot“ und „blau“ hat, da die Person, welche der Inversion unterliegt, die Ausdrücke ganz entsprechend unserer Verwendung gebraucht, die wir die glühende Kohle als rot und den Himmel als blau erleben. Anders verhält es sich allerdings im folgenden Fall, der klar an Putnams Gedankenexperiment erinnert, in welchem nicht nur die Materialien Aluminium und Molybdän auf einer Zwillingserde vertauscht sind, sondern auch die entsprechenden Bezeichnungen (siehe Kapitel I.2.2). Wittgenstein fährt fort:

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On the other hand: Someone tells us today that yesterday he always saw everything red blue, and v[ice] v[ersa]. We say: But you called the glowing coal red, you know, and the sky blue. He answers: That was because I had also changed the names. We say: But didn’t it feel very queer? and he says: No, it seemed all perfectly ordinary /natural/. Would we in this case too say: …? (Wittgenstein 1993b, PO: 231)

Und die Antwort scheint klar zu sein, denn wir wüssten nicht, mit welchem Recht wir sagen könnten, die Person verwende die Ausdrücke „blau“ und „rot“ noch in derselben Weise wie wir. Abweichende Wahrnehmungssituationen wie die des Veilchen- und Ringelblumensehens sind nach Locke sogar zu vernachlässigen: I am nevertheless very apt to think, that the sensible Ideas produced by any Object in different Men’s Minds are most commonly pretty near and undiscernably alike. For which Opinion, I think, are many Reasons offered: but that being besides my present Business, I shall not trouble my Reader with them; but only mind him, that the contrary Supposition, if it could be proved, is of little use, either for the Improvement of our Knowledge or Conveniency of Life; and so we needn’t trouble our selves to examine it. (Locke 2011: II, xxxii, 15; 389)

Besonders hervorzuheben ist der von Locke explizit betonte Aspekt der Nützlichkeit („of little use“) solcher Gedankenexperimente, unabhängig von der Frage ihrer potenziellen Erkennbarkeit. Denn sie entscheidet letztlich über die Sinnhaftigkeit von Gedankenexperimenten ganz generell und nicht nur ihrer Denkmöglichkeit, wie wir vor allem noch in der Diskussion über kontrafaktische Welten sehen werden. Darin wird sich zeigen, dass die Denkoption, gerechtfertigt alleine durch begriffliche Unabhängigkeiten und Vermeidung logischer Widersprüche, nicht über die Funktionalität und Überzeugungskraft eines Gedankenexperimentes entscheidet. So bemerkt auch Wittgenstein im Kontext der Debatte über private Sinnesdaten völlig zu Recht: Now I want to draw your attention to one particular difficulty about the use of the ‛sense datum’. We said that there were cases in which we should say that the person sees green what I see red. Now the question suggests itself: if this can be so at all, why should it not be always the case? It seems, if once we have admitted that it can happen under peculiar circumstances, that it may always happen. But then it is clear that the very idea of seeing red loses its use if we can never know if the other does not see something utterly different. (Wittgenstein 1993b, PO: 285)

Zur Plausibilisierung dieses Gedankens stellt Wittgenstein die Frage, ob wir uns nicht einerseits vorstellen könnten, alle blinden Menschen sähen eigentlich so gut wie Normalsichtige, nur mit dem Unterschied, dass sie sich anders verhielten, und

1.2 Epistemische Privatheit und Privatheit der Bedeutung

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andererseits, dass sie tatsächlich blind seien. Gerade an dieser Überlegung sehen wir sehr klar die Frage nach der begrifflichen Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit von Wahrnehmungserlebnissen, wie denen des Sehens und entsprechenden Verhaltensweisen. Nehmen wir eine begriffliche Unabhängigkeit an, dann wären beide Szenarien denkbar und die Frage würde dadurch scheinbar auch eine sinnvolle werden: „For if I can imagine these possibilities, then the question, even if never answerable makes sense.“ (Wittgenstein 1993b, PO: 285) Wie allerdings können wir uns eine solche Möglichkeit tatsächlich vorstellen? Und selbst wenn wir sie explizieren könnten, gäbe sie der Frage nach ihrer Denkbarkeit tatsächlich einen Sinn? „Imagine a man, say W., now blind, now seeing, and observe what you do! How do these images give sense to the question? They don’t, and you see that the expression stands and falls with its usefulness.“ (Wittgenstein 1993b, PO: 285) Neben dieser generellen, aber sehr zentralen Erkenntnis, dass auch für Gedankenexperimente gelten sollte, dass sie mit ihrer Nützlichkeit stehen und fallen, wird hier darüber hinaus bereits der philosophische Trick deutlich, den ich in der Einleitung angedeutet habe: Warum sollte aus der Möglichkeit eines Einzelfalles, in welchem etwa eine Person ein inverses Spektrum erlebt, nicht folgen, dass es sich in allen Wahrnehmungssituationen so verhalten könnte, das heißt, der Schritt vom intrapersonalen zum interpersonalen inversen Spektrum völlig legitim sei? Diesen Übergang finden wir etwa in Shoemakers Ausführungen zu inversen Spektren (vgl. Shoemaker 2003a, insb. 327– 336) oder aber der Rechtfertigung von SinnesdatentheoretikerInnen, die sich zur Legitimation ihrer Theorie genau dieser Generalisierung bedienen, von Einzelfällen individueller Sinnestäuschungen oder Illusionen hin zur Behauptung, dass auch in allen veridischen Wahrnehmungssituationen Sinnesdaten die Perzeptionsinhalte bilden, aufgrund ihrer Ununterscheidbarkeit von nicht-veridischen Erlebnissen (vgl. hierzu exemplarisch Ayer 1963b: ch. 1 und Austin 1964: ch. 1 – 3). Entscheidend an Wittgensteins Beispiel ist also der Übergang von einer spezifischen Situation bestimmter Wahrnehmungsdiskrepanzen, welche auch diagnostiziert werden können, hin zur widerspruchsfreien Denkoption, es könne sich ganz generell so verhalten, dass sämtliche Bewusstseinsinhalte streng privat und epistemisch unzugänglich seien, das heißt, die perzeptiven Unterschiede nicht erkennbar wären. Die empirisch festgestellten Beispiele der ersten Art machen das ganze Gedankenexperiment als Ausgangssituation also zunächst sehr plausibel und lassen daher auch den Übergang zum zweiten Typus harmlos erscheinen. Das heißt: „[…] Der entscheidende Schritt im Taschenspielerkunststück ist getan, und gerade er schien uns unschuldig.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 308) Für Locke hingegen, der diesen generalisierenden Schritt gerade nicht macht, stellt sich dadurch auch kein grundsätzliches philosophisches Problem. Im Gegenteil, er hält, wie bereits gesehen, solche Fälle, in denen ein Gegenstand unter-

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schiedliche Wahrnehmungserlebnisse hervorruft, aufgrund seiner Seltenheit für absolut vernachlässigbar. Im Gegensatz dazu bildet diese Möglichkeit für VertreterInnen der Existenz von Qualia gerade die zentrale Ausgangslage für die Annahme ihres Bestehens. Denn nach dieser Auffassung können wir grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass sich zwei Menschen nur aufgrund der Tatsache, dass sie den gleichen sprachlichen Ausdruck verwenden, auch auf den gleichen Erlebnisinhalt beziehen bzw. sich im gleichen geistigen Zustand befinden. „The idea that the other person sees something else than I, is only introduced to account for certain expressions: whereas it seems that this idea can exist without any reference to expressions.“ (Wittgenstein 1993b, PO: 285) Als exemplarisch für diesen Punkt können wir eine Bemerkung von Thomas Nagel anführen, welche er im Kontext des Problems des Fremdpsychischen entwickelt: How do you know that red things don’t look to your friend the way yellow things look to you? Of course if you ask him how a fire engine looks, he’ll say it looks red, like blood, and not yellow, like a dandelion; but that’s because he, like you, uses the word “red” for the color that blood and fire engines look to him, whatever it is. Maybe it’s what you call yellow, or what you call blue, or maybe it’s a color experience you’ve never had, and can’t even imagine. (T. Nagel 1987: 21)

Putnam hingegen baut seine externalistische Position gerade auf der Grundannahme auf, seine zwei Protagonisten Oskar 1 und Oskar 2 seien im gleichen mentalen Zustand, um zu zeigen, dass die Bedeutungen nicht durch diesen bestimmt sein können, soll sein Gedankenexperiment der Twin Earth doch gerade die Option verdeutlichen, dass ein Ausdruck auch dann unterschiedliche Bedeutung haben kann, wenn sich zwei Personen unter Verwendung desselben Ausdrucks im gleichen psychischen Zustand befinden. Insofern kann er seine Argumentationsstrategie nicht einer philosophischen Tradition entgegensetzen, indem er dieser von Beginn an ein Verständnis von Bewusstsein und Bewusstseinserlebnissen in Form eines privaten Theaters mit privaten AkteurInnen unterstellt, wie es etwa Nagels Bemerkung oder das „Argument from Illusion“ veranschaulichen soll. Denn dieses skeptische Ausgangsszenario wäre auch mit Putnams eigener Ausgangslage nicht mehr vereinbar, bildet die Typenidentität mentaler Zustände doch einen wesentlichen Aspekt seiner Argumentation für eine externalistische Semantik. Insofern liegt auch Putnams Zwillingserdenexperiment einer repräsentationalen Wahrnehmungsauffassung zugrunde und unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von einer nichtskeptischen Perzeptionstheorie, wie etwa Humes Sinnkriterium exemplarisch gezeigt hat. Anders ausgedrückt, legen wir methodologisch eine solipsistische Ausgangssituation zugrunde, dann stellt sich die Frage, ob eine solche

1.3 Enge und weite Bewusstseinszustände

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Grundvoraussetzung nicht von vornherein die Möglichkeit zweier identischer mentaler Zustände verbietet. Das scheint jedenfalls eine Konsequenz des „Argument from Illusion“ zu sein bzw. der von Nagel skizzierten subjektiven Erlebnisgehalte. In diesem Kontext können wir aus einer externen Perspektive rein auf Grundlage des sprachlichen Gebrauchs keine Annahmen über ihren Inhalt treffen. Vielleicht ist diese Schwierigkeit auch einer der Gründe, warum Putnam in seiner Einleitung zwanzig Jahre später dann nicht mehr von der Gleichheit zweier psychischer, sondern vielmehr physischer Zustände spricht. In Putnams Twin-Earth-Beispiel geht es daher, wie wir noch sehen werden, vor allem um das Verhältnis von Wahrnehmungserlebnissen einerseits und intrinsischen Eigenschaften extramentaler Gegenstände andererseits bzw. um die Unterscheidung in Oberflächen- und Struktureigenschaften eines natürlichen Stoffes bzw. einer Art, wie Gold, Wasser, Aluminium oder Molybdän. Diese können jedenfalls nicht rein bewusstseinsimmanent gewonnen werden. Putnam gebraucht zur Klärung der Metapher des privaten Theaters zunächst, wie bereits erwähnt, den Ausdruck „narrow mental state“, welchen er in „The Meaning of ‘Meaning’“ im Kontext eines methodischen Solipsismus einführt. Im Folgenden werden wir uns daher seiner Differenzierung in „narrow mental states“ und „broad mental states“ widmen. Der Begriff der „engen geistigen Zustände“ findet sich in der hier diskutierten Einleitung Putnams aus dem Jahre 1996 allerdings nicht mehr, möglicherweise auch aus den genannten Gründen.

1.3 Enge und weite Bewusstseinszustände In seiner Einleitung zu The Twin Earth Chronicles nimmt Putnam Bezug auf eine Unterscheidung, welche er bereits in „The Meaning of ‘Meaning’“ einführte und welche die Rechtfertigung für seinen Vorwurf des privaten mentalen Theaters bildete. Er bemerkt: Of course, denying that meaning are in the head must have consequences for the philosophy of mind, but at the same time I wrote these words I was unsure as to just what those consequences were. After all, such accomplishments as knowing the meaning of words and using words meaningfully are paradigmatic “mental abilities”; yet, I was not sure, when I wrote “The Meaning of ‘Meaning,’” whether the moral of that essay should be that we shouldn’t think of the meanings of words as lying in the mind at all, or whether […] we should stop thinking of the mind as something “in the head” and think of it rather as a system of environment-involving capacities and interactions. (Putnam 1996a: xvii–xviii)

Bereits Ryle warnt uns vor der irreführenden Metapher „im Geiste“. Üblicherweise verwenden wir diesen Ausdruck in gleicher Weise wie die weniger irreführende

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1 Die philosophische Tradition

Metapher „im Kopf“, wenn ich etwa im Kopf rechne, mir eine Melodie durch den Kopf geht, ich im Kopf ein Gedicht aufsage etc. (vgl. Ryle 1986: 36). Allerdings, so Ryle: „The phrase ‘in the mind’ can and should always be dispensed with. Its use habituates its employment to the view that minds are queer ‘places’, the occupants of which are special-status phantasms.“ (Ryle 1986: 40) Ziel seines Buches ist es daher, zu zeigen, „that exercises of qualities of mind, do not, save per accidens, take place ‘in the head’, in the ordinary sense of the phrase, and those which do so have no special priority over those, which do not“ (Ryle 1986: 40; zur Frage der Lokalisierung mentaler Gehalte vgl. auch Szanto 2012: Kap. 3.1.1). Auch Wittgenstein macht in diesem Zusammenhang folgende interessante Bemerkungen: „Eine der philosophisch gefährlichsten Ideen ist, merkwürdigerweise, daß wir mit dem Kopf oder im Kopf denken“ (Wittgenstein 1992, Z: § 605) und „Die Idee vom Denken als einem Vorgang im Kopf, in dem gänzlich abgeschlossenen Raum, gibt ihm etwas Okkultes“ (Wittgenstein 1992, Z: § 606). In der jüngeren Philosophy of Mind hat sich vor allem Putnams zweite Moral, man solle die Idee aufgeben, Bewusstsein sei etwas „im Kopf“ und es stattdessen als ein System begreifen, welches umweltbedingte Faktoren, Sprechhandlungen und Interaktionen einschließt, in eine Richtung entwickelt, welche man mit den Schlagwörtern „Enactivism“, „Extended Mind“, oder „Embedded Mind“ skizzieren kann. Dabei verstand sich der Enaktivismus in gleicher Weise wie Putnams „The Meaning of ‘Meaning’“ als eine Antwort auf die aus externalistischer Perspektive fehlerhafte Auffassung des Bewusstseins als etwas abgeschlossenes Inneres und die damit verbundene Bestimmung von Bewusstseinsinhalten als intentionale Gehalte auf Grundlage eines internalistischen Repräsentationalitätsmodells. Der Enaktivismus vertrat dabei wesentlich die These, dass „the vast sea of what humans do and experience is best understood by appealing to dynamically unfolding, situated embodied interactions and engagements with worldly offerings“ (Hutto und Myin 2013: ix), bzw.: „[…] enactivism and extended mind promote an understanding of mentality – cognition, perception, memory, emotion – as enacted, embodied, embedded and extended/extensive. Such approaches are united in rejecting traditional representationalist approaches that favour internalist assumptions.“ (Moyal-Sharrock, Munz und Coliva 2015: XI; zum Begriff des „Extended Mind“ vgl. insb. Clark und Chalmers 1998: 7– 19). Im Zuge der Ausprägung dieser philosophischen Richtung gab es dabei zahlreiche Bestrebungen, auch Wittgenstein als einen zentralen Vertreter des Enaktivismus bzw. „extended mind“ zu lesen (vgl. hierzu exemplarisch Moyal-Sharrock, Munz und Coliva 2013). Mit Bezug auf die zentrale Rolle von Praktiken, Fähigkeiten und der uns umgebenden Umwelt, sind die Parallelen auch völlig berechtigt. Jedoch fällt auch in dieser Ausrichtung unmittelbar auf, dass sie kaum sprachliche Aspekte,

1.3 Enge und weite Bewusstseinszustände

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das heißt Zeichen und ihre Anwendung in kommunikativen Kontexten berücksichtigt (vgl. hierzu Hutto und Myin 2013: xviii und Weichold 2013). Die Diagnose dieser Schwäche führte in der Folge zu verschiedenen Versuchen einer Synthese zwischen der zentralen Funktion menschlicher Sprache und externalistischen Positionen, welche sich insbesondere oder ausschließlich auf die Bezugsobjekte sprachlicher Zeichen zur Bestimmung ihrer Semantik stützen. So bestimmt etwa Brandon Absher „Embedded Externalism“ wie folgt: „Embedded externalism treats linguistic practice as embedded within an encompassing environmental context and emphasizes that such practice is, not only interrelated with, but indeed intimately attuned to the encompassing environmental context within which it is situated.“ (Absher 2013: 11) Absher betont dabei zunächst ebenfalls die berechtigte Kritik an einer Rekonstruktion des menschlichen Bewusstseins als innere, abgeschlossene und somit private Einheit, ganz im Sinne von Putnams „narrow mental states“, erkennt aber zugleich in externalistischen Positionen unter anderem die beiden irreführenden Annahmen: „the privilege of theoretical cognition over practical-existential involvement and the privilege of the designative over the expressive dimensions of linguistic practice.“ (Absher 2013: 11; Absher verweist in diesem Zusammenhang auch auf Taylor 1985). Die Beschränkung auf wissenschaftlich-realistische Aspekte im Zusammenhang von Substanzen und ihren inneren, verborgenen Strukturen finden wir neben Putnam insbesondere in Kripke. Gleiches gilt für die semantische Reduktion von Namen auf das, was sie bezeichnen und die Rolle referentieller Ausdrücke als „starre Desginatoren“ (vgl. hierzu insb. Kapitel III.1 und III.3). Absher betont daher völlig zu Recht: „[…] externalists have generally missed the ways in which linguistic practice is intimately attuned to the world. By contrast, […] Wittgenstein presents a compelling alternative to other externalist theories in which precisely the intimacy between language and world is insisted upon.“ (Absher 2013: 11) Diese Bemerkung steht ganz im Einklang mit der hier vertretenen Position. Da Putnam jedoch seinen Zwillingserdenexperimenten eine spezifisch internalistische Position als Ausgangspunkt voranstellt, müssen wir uns im Folgenden genauer mit seinen Bestimmungen der „narrow mental states“ und „broad mental states“ befassen, gleichsam aus interner Perspektive, um zu sehen, inwieweit seine internalistische Rekonstruktion angemessen erscheint und in dieser Form die experimentelle Voraussetzung seiner externalistischen Gegenposition bilden kann. Zur Zeit von „Meaning of ‘Meaning’“ konnte sich Putnam zwischen der Entweder-oder-Position – „we shouldn’t think of the meanings of words as lying in the mind at all, or […] we should stop thinking of the mind as something ‘in the head’ and think of it rather as a system of environment-involving capacities and interactions“ (Putnam 1996a: xviii) – nicht eindeutig entscheiden, was seine dort eingeführte Differenzierung in enge und weite mentale Zustände verdeutlicht hat.

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Denn in einem engen Sinne von „mental state“, so Putnams damalige Auffassung, befinden sich die entsprechenden Bewusstseinszustände eindeutig und vollständig in meinem Kopf. Im Fall der „broad mental states“ hingegen werden die entsprechenden geistigen Zustände vielmehr durch unsere Beziehungen zu unserer Umwelt und anderen SprachteilnehmerInnen und nicht einfach durch bewusstseinsimmanente Rekurse individuiert. In „The Meaning of ‘Meaning’“ dürfen es jedoch ausschließlich die engen mentalen Zustände sein, die er seinem Zwillingserdenexperiment zugrunde legt und nicht die durch bestimmte Fähigkeiten bedingten Umgänge mit sprachlichen Ausdrücken. Wenn Putnam nun von „capacities“ und „interactions“ spricht, trifft er die Grundauffassung der hier vorgestellten Überlegungen zum Verhältnis von Bewusstsein, Bedeutung und extramentaler Welt sehr pointiert. Allerdings müssen wir uns zum Verständnis seines Experimentes den engen mentalen Zuständen zuwenden, da sie den Ausgangspunkt seines Experimentes und seines Slogans bilden, Bedeutungen seien nicht im Kopf. Zwar bemerkt Putnam in seiner Einleitung zu The Twin Earth Chronicles, dass er„knowing the meaning of a word“ zu den „broad mental states“ zählt (vgl. Putnam 1996a: xviii), in seinem Essay hingegen sind es gerade die „narrow mental states“, die ihn zu seiner Verwerfung klassischer philosophischer Traditionen führen. Demnach kann es sich ursprünglich auch nicht um ein „knowing-how“ mit Bezug auf die Kenntnis sprachlicher Ausdrücke gehandelt haben, sondern um eine Art von „knowledge by acquaintance“ im Gegensatz zum „knowledge by description“, wie wir es von Russell kennen, zumindest, wenn wir Putnams unterstellte internalistische Bestimmung von Wissen in der folgenden Weise verstehen: „Knowledge of meanings is private mental property“ (Putnam 1996a: xvi), bzw. […] knowing the meaning of [term] A and knowing the meaning of B are psychological states in the narrow sense.“ (Putnam 1996b: 8). Anders formuliert, hätte Putnam schon zu Zeiten von „The Meaning of ‘Meaning’“ die Überzeugung vertreten, bei Wissen um die Bedeutung eines Wortes handle es sich um „knowing how“, „ability“ oder „capacity“, wäre seine Differenzierung in enge und weite mentale Zustände hinfällig gewesen, da es sich bei letzteren Bestimmungen offensichtlich nicht um mentale Zustände handelt. Darüber hinaus zielen Putnams Zwillingserdenexperimente ja gerade darauf ab, zu zeigen, dass die Extensionen (Metalle, H2O, XYZ etc.) wesentlichen Anteil an der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke haben. Wenn wir nun hingegen behaupten, die „broad mental states“ stellten den Bezug zur extramentalen Außenwelt dar, ist nicht mehr zu sehen, warum der Extension noch diese Rolle zukommen sollte bzw. inwieweit wir dann nicht noch immer an der internalistischen These festhalten sollten, die Intension bestimme die Extension. Vor allem in Kapitel 5 der Problems of Philosophy expliziert Russell seine Auffassung zweier verschiedener Erkenntnisarten, des „knowledge by acquain-

1.3 Enge und weite Bewusstseinszustände

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tance“ und „knowledge by description“ . Den Begriff der Bekanntschaft bestimmt Russell dabei als das, was uns unmittelbar, das heißt unabhängig von irgendwelchen inferentiellen Schlüssen, sowie ohne vorausgehende Kenntnis von Wahrheiten und logisch unabhängig davon bewusst ist. Wie Russell am Beispiel des Tisches zeigt, sind es nichts anderes als die Sinnesdaten der Farbe, Form, Härte, Oberflächenbeschaffenheit etc., welche die Erscheinungen des Tisches ausmachen. Über die verschiedenen Farbschattierungen oder Oberflächenbeschaffenheiten lassen sich zwar Urteile bilden, welche Wahrheiten über die entsprechenden Eigenschaften vermitteln können, was jedoch nicht dazu führt, dass ich dadurch die spezifischen Eigenschaften wie Farbe oder Glätte besser kenne: […] so far as concerns knowledge of the colour itself, as opposed to knowledge of truths about it, I know the colour perfectly and completely when I see it, and no further knowledge of it itself is even theoretically possible. Thus the sense-data which make up the appearance of my table are things with which I have acquaintance, things immediately known to me, just as they are. (Russell [1912] 1980: 25)

Im Fall des „knowledge by description“ hingegen wissen wir über den Tisch nur Wahres bzw. Falsches, da wir ihn selbst nie unmittelbar wahrnehmen. Daher ist uns der Tisch als physikalisches, reales Ding strenggenommen überhaupt nicht bekannt. Wir kennen lediglich die verschiedenen Beschreibungen und wissen, dass es genau einen Gegenstand gibt, der sie erfüllt, auch wenn uns das Objekt selbst nicht unmittelbar bewusst ist. Wir sehen bei Russell also eine strikte Trennung in Erfahrungsraum und physikalischen Raum, welche uns bei der eigentlichen Diskussion des Twin-Earth-Experimentes wieder begegnen wird. Und seine Begriffe des „knowledge by acquaintance“ und „knowledge by description“ erfüllen dabei offensichtlich genau die Putnam’schen Bestimmungen enger und weiter psychischer Zustände: „It will be seen that among the objects with which we are acquainted are not included physical objects (as opposed to sense-data), nor other people’s minds. These things are known to us by what I call ‘knowledge by description’ […].“ (Russell 1980: 28) Bei Carnap finden wir ebenfalls eine Unterscheidung, die der Russells mit Bezug auf das Kriterium der Wahrheitswertfähigkeit ähnelt, allerdings ohne Russells erkenntnistheoretische Implikationen. Das zeigt sich sehr pointiert in Carnaps kritischer Bestimmung des Problems des Realismus versus Idealismus und des Fremdpsychischen als philosophische Scheinprobleme. Unabhängig davon führt Carnap mit Bezug auf die Frage der Wahrheitswertfähigkeit in Paragraph 8 seiner Scheinprobleme die Unterscheidung zweier verschiedener Vorstellungstypen ein, zum einen Sachverhaltsvorstellungen, welche gegeben sind, wenn ihr vorgestellter Inhalt einen Sachverhalt zum Ausdruck bringt, der besteht oder nicht besteht und insofern ein wahres oder falsches Urteil zum Ausdruck bringen kann, zum anderen

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reine „Gegenstandsvorstellungen“. Stelle ich mir einfach eine spezifische Person vor, etwa meine Schwester, ohne dabei bestimmte Eigenschaften zu intendieren, handelt es sich um eine Gegenstandsvorstellung. Bin ich hingegen der Meinung, dass sich diese Person zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort aufhält, dass sie sich die Haare gefärbt hat und dergleichen, handelt es sich um eine Sachverhaltsvorstellung. Nach Carnap hängt es dabei „wesentlich von der Intentionsrichtung ab, ob eine Vorstellung Sachverhaltsvorstellung oder bloße Gegenstandsvorstellung ist; im ersten Falle enthält das Erlebnis noch einen Urteilsakt, der das Bestehen des Sachverhaltes bejaht oder verneint“ (Carnap 1966: 55). Darüber hinaus können Sachverhaltsvorstellungen den Inhalt einer Aussage bilden, nicht jedoch Gegenstandsvorstellungen. Denn der sprachliche Ausdruck für eine Gegenstandvorstellung ist lediglich ein Substantiv, der einer Sachverhaltsvorstellung ein Satz, welcher einen bestehenden oder nichtbestehenden Sachverhalt zum Ausdruck bringt, das heißt entweder wahr oder falsch ist. Im Unterschied zur Vorstellung eines bestimmten Objektes, einer Person etc. hat die Sachverhaltsvorstellung propositionalen Charakter und dementsprechend handelt es sich beim Wissen eines bestimmten Sachverhaltes um propositionales Wissen. Die Frage, ob es sich beim Wissen um unsere subjektiven Erlebnisgehalte um ein Wissen durch Bekanntschaft, Beschreibung oder Wissen anderer Art handelt, wird uns wieder in der Qualiadiskussion begegnen. Dort soll das „acquaintance knowledge“ als „no propositional knowledge“ im Gegensatz zum physikalischen Wissen dazu dienen, den Physikalismus – zumindest in epistemologischer Hinsicht – als falsch auszuweisen, wie etwa Frank Jacksons Gedankenexperiment der Superwissenschaftlerin Mary zeigen soll. Auch nach Earl Conee erfordert „acquaintance knowledge“ „the person to be in the most direct way that it is possible for a person to be aware of that thing“ und „experiencing a quality is the most direct way to apprehend a quality“ (Conee 1994: 144). Dieser Punkt soll hier zunächst nur verdeutlichen, in welcher inhaltlichen Nähe die Auflassung Conees und seiner MitstreiterInnen zu Russells Bestimmung von „knowledge by acquaintance“ und den Sinnesdaten als den entsprechenden Erkenntisobjekten steht. Auch Putnam macht in diesem Zusammenhang eine interessante Bemerkung mit Bezug auf den Wissensbegriff im Kontext eines psychischen Zustandes und einer wahren Überzeugung: Let us call a mental state a pure mental state if its presence or absence depends only on what goes on ‘inside’ the speaker. Thus whether or not I have a pain depends only on what goes on ‘inside’ me, but whether or not I know that snow is white depends not only on whether or not something goes on ‘inside’ me (believing or being confident that snow is white), but also on whether or not snow is white, and thus is something ‘outside’ my body and mind. Thus pain is a pure mental state but knowledge is an impure mental state. There is a (pure) mental state component to knowledge, but there is also a component which is not mental in any sense: this

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is the component that corresponds to the condition that what a man believes is not knowledge unless the belief is true. I am not in the ‘state’ of knowing that snow is white if I am not in a suitable pure mental state; but being in a suitable pure mental state is never sufficient for knowing that snow is white; the world has to cooperate as well. (Putnam 2004: 42)

Seinen internalistischen GegnerInnen hat Putnam jedoch stets „narrow mental states“ mit Bezug auf die Kenntnis intensionaler Bestimmungen unterstellt, welche zugleich psychische Zustände seiner Protagonisten Oskar 1 und Oskar 2 beschrieben und die Ausgangslage seiner Twin-Earth-Experimente bildeten. Hätte jene Differenzierung Putnams Einwände gegen These (II), die Intension bestimme die Extension, nicht neutralisiert? An der Bemerkung wird jedenfalls deutlich, dass Putnam in seiner internalistischen Explikation offensichtlich auch Wahrnehmungsituationen im Rahmen seiner Gedankenexperimente an der Rekonstruktion von „sensations“ wie Schmerzen als „pure mental states“ anlehnt, das heißt ohne jeglichen Bezug auf extramentale Referenzobjekte und nur so eine Typenidentität zwischen den beiden Bewusstseinszuständen von Oskar 1 und Oskar 2 rechtfertigen kann. So bemerkt etwa Paul Snowdon: „It is not the case that perceptual experience […] gives a sense that, there is a private object possessing, and presenting to us the qualities in appearance. Whereas with experiences of sensations our experience itself invites our intention inwards and the idea of an inner object seems more attractive.“ (Snowdon 2011: 407). Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass Putnam die erste der drei klassischen Wissensbedingungen ins Spiel bringt, welche das Zusammenwirken mit der Welt außerhalb meines Bewusstseins erfordert. In unserer späteren Diskussion subjektiver Erlebnisgehalte lässt sich nämlich ganz analog die Frage stellen, ob man von einer Person, die seit ihrer Geburt unwissentlich unter einer nicht-feststellbaren rot-grün Farbinversion leidet, tatsächlich sagen kann, sie wisse, dass sie einen Roteindruck habe, wenn sie über eine grüne Wiese läuft, obgleich sie als kompetente Sprecherin der deutschen Sprache in allen Fällen von subjektiven Roterlebnissen das Wort „grün“ verwendet und vice versa, das heißt in völligem Einklang mit den anderen Gliedern einer Sprachgemeinschaft. Die „Bekanntschaft“ mit dem Roterlebnis alleine scheint dabei keineswegs so eindeutig, wie es Russell vermuten lässt, auch ein begriffliches Wissen über den Erlebnisinhalt zu implizieren. Vielleicht ist es dieser Punkt, der Putnam dazu veranlasst hat, zwischen dem Erfassthaben der Intension I eines Terms A und dem propositionalen Wissen, dass es sich dabei um die Intension I des Ausdruckes A handelt, zu unterscheiden. Allerdings ist nicht zu sehen, wie eine solche Differenzierung mit seinen Bestimmungen enger mentaler Zustände zu vereinbaren sein könnte. Insofern wird aus Putnams internalistischer Rekonstruktion zunächst nicht klar, ob er die Kenntnis der Bedeutung von Wörtern nun als propositional oder nicht-propositional aufgefasst wissen

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wollte. Betrachten wir daher kurz seine Explikation bzw. internalistische Rekonstruktion eines „narrow mental state“ in „The Meaning of ‘Meaning’“, da sie die Ausgangssituation seiner Internalismuskritik und zugleich seiner externalistischen Gegenexperimente bildet. Nach Putnam verknüpften traditionelle PhilosophInnen sogenannte psychologische Zustände mit einer Annahme des methodischen Solipsismus: „This assumption is the assumption that no psychological state, properly so called, presupposes the existence of any individual other than the subject to whom the state is ascribed.“ (Putnam 1996b: 7) Oder wie es Thomas Szanto formuliert: „Methodological solipsism is the assumption that all one need grasp in order to know the properties of the state of affairs to which an individual subject refers to is the organization of the inner mental representations mirrored on the functional level of the brain of that individual subject.“ (Szanto 2006) Zu den klassischen VertreterInnen einer solchen Auffassung zählt etwa Jerry Fodor (vgl. z. B. Fodor 1981). Der methodische Solipsismus ging nach Putnam sogar so weit, dass ein psychologischer Zustand Z auch von einem körperlosen Bewusstsein gehabt werden kann. Dieser Grundgedanke ist uns spätestens seit Descartes’ ersten beiden Meditationen wohlvertraut. Die logische Möglichkeit eines solchen Experimentes erklärt sich dabei, wie bereits in der Einleitung angedeutet, dadurch, dass man keine begrifflich notwendige Verknüpfung zwischen Geistigem und Körperlichen annimmt. Insofern wäre es widerspruchsfrei denkbar, als reine res cogitans zu existieren, welche sich auch unabhängig von Leib und existierender Außenwelt in psychischen Zuständen befinden kann. Dies gilt nach Putnam jedoch nur für die engen mentalen Zustände. Denn sollten sich meine mentalen Vorkommnisse auf etwas außerhalb meines Selbsts beziehen, etwa im Fall eines Eifersuchtsgefühls einer anderen Person gegenüber, lässt sich so eine Empfindung nicht adäquat auf der Ebene rein enger Zustände rekonstruieren bzw. nur in der Form, auf ein Gebilde meiner Einbildungskraft eifersüchtig zu sein. Die psychologischen Zustände im engen Sinne bestimmt Putnam als „permitted by methodological solipsism“ und solche, für die das nicht gilt, als „psychological states in the wide sense“ (Putnam 1996b: 7). Eine genauere Fixierung dieser unterschiedlichen Typen von psychischen Zuständen ist für Putnam zentral, da sie den entscheidenden Teil einer der zwei Annahmen bilden, die er der philosophischen Tradition einer Theorie der Bedeutung zuschreibt: „(I) That knowing the meaning of a term is just a matter of being in a certain psychological state […]. (II) That the meaning of a term (in the sense of ‘intension’) determines its extension (in the sense that sameness of intension entails sameness of extension).“ (Putnam 1996b: 7) Nehmen wir also an, A und B wären zwei Ausdrücke mit verschiedenen Extensionen. Dann folgt aus Annahme (II) auch Intensionsverschiedenheit. Und gemäß Annahme (I) sind knowing the meaning of A und knowing the meaning of B psy-

1.3 Enge und weite Bewusstseinszustände

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chische Zustände im engen Sinne. Diese Zustände müssen nun gemäß internalistischer Tradition die Extension der Ausdrücke A und B bestimmen, gleich den Bedeutungen im Sinne von „Intensionen“. Zur Plausibilisierung dieser klassischen Auffassung nehmen wir mit Putnam einfach die gegenteilige Position an. So kann es keine zwei Ausdrücke A und B geben, die extensionsverschieden sind und knowing the meaning of A und knowing the meaning of B sollen dennoch derselbe mentale Zustand sein (vgl. Putnam 1996b: 8). Leider liefert uns Putnam an dieser Stelle kein Kriterium für die Identität mentaler Zustände im engen Sinne und auch nicht für den speziellen Zustand, eine Intension zu kennen. Möglicherweise ist er hier zunächst der Auffassung, dass zwei enge mentale Zustände genau dann identisch sind, wenn ihre jeweiligen intentionalen Gegenstände dieselben sind, sodass ein und derselbe Inhalt auch von zwei Subjekten, die sich in den relevanten Hinsichten in nichts unterscheiden (sie sind etwa funktional identisch) gehabt werden, völlig unabhängig von der Frage, ob das im engen Zustand repräsentierte Objekt auch tatsächlich existiert (z. B. Halluzination), bzw. in anderer Weise besteht (z. B. Sinnestäuschung). Im Fall der weiten Zustände gälte dann ganz entsprechend, dass sie denselben Inhalt genau dann haben, wenn er sich auf dasselbe extramentale Objekt in gleicher Weise bezieht. Dabei ist weder die qualitative Identität von zwei Subjekten (in den relevanten Punkten) noch ihre funktionale Gleichheit erforderlich (vgl. hierzu u. a. Szanto 2012: 263; zu Argumenten pro und kontra „narrow mental states“ und „broad mental states“ siehe Brown 2016). Mehrere Personen könnten sich dann sogar zu unterschiedlichen Zeiten in qualitativ gleichen mentalen Zuständen befinden. Nach Frege lässt sich diese gegenteilige Formulierung Putnams einfach dadurch begründen, dass ein und derselbe Gedanke nicht zugleich wahr und falsch sein kann, da das Wahre und das Falsche die Bedeutungen (im Sinne von Extensionen) solcher Funktionsausdrücke sind, die, um ein Argument ergänzt, einen Satz ergeben. Gleicher Sinn ist daher nicht mit verschiedener Bedeutung vereinbar, da wir einem Gedanken sonst zwei verschiedene Wahrheitswerte zuschreiben müssten. Das gilt natürlich nicht für die umgekehrte Variante, dass zwei sprachliche Ausdrücke dieselbe Bedeutung haben können, auch wenn sie in ihrem Sinn divergieren, wie das Beispiel des Morgensternes und Abendsternes gezeigt hat (vgl. Frege [1919] 1969 g: 275 – 276 und Frege [1892] 2011b: 144). Das nimmt Putnam hier offensichtlich nicht als Kriterium der Intensionsverschiedenheit an. Stattdessen merkt er lediglich an: „If A and B are different terms, then knowing the meaning of A is a different state from knowing the meaning of B, whether the meaning of A and B be themselves the same or different.“ (Putnam 1996b: 8). Das scheint schlicht zu heißen, dass A und B Teile des psychischen Zustandes bilden, die Bedeutung von A zu kennen, bzw. die Bedeutung von B zu kennen und sich die Verschiedenheit dieser Zustände aus der Verschiedenheit der Terme A

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1 Die philosophische Tradition

und B ableitet. So zeigt sich immerhin eine Abhängigkeit der psychischen Zustände von den entsprechenden Termen A und B. Und dabei, so Putnam, spielt es keine Rolle, ob die Ausdrücke dieselbe oder verschiedene Bedeutungen haben.Vermutlich spielt er hier auf die Möglichkeit an, psychische Zustände auch alleine über die Beziehung der jeweiligen Terme zueinander, unabhängig von der Intensionsgleichheit oder -verschiedenheit, in die Relation der Identität oder Differenz zu setzen. Für die Gleichheit des Terms bei unterschiedlicher Intension lässt sich nach Putnam ganz entsprechend argumentieren: […] if I1 and I2 are different intensions and A is a term, then knowing that I1 is the meaning of A is a different psychological state than knowing that I2 is the meaning of A. Thus, there cannot be two different logically possible worlds L1 and L2, such that, say, Oscar is in the same psychological state (in the narrow sense) in L1 and in L2 (in all respects), but in L1 Oscar understands A as having the meaning I1 and in L2 Oscar understands A as having the meaning I2. (Putnam 1996b: 8)

Hier wird also die Verschiedenheit der psychischen bzw. psychologischen Zustände nicht über die Verschiedenheit der sprachlichen Ausdrücke, sondern über die differenten Intensionen I1 und I2 erklärt. Putnam zieht daher die folgende, allgemein gültige Konsequenz aus seiner internalistischen Lesart: In short, if S is the sort of psychological state we have been discussing – a psychological state of the form knowing that I is the meaning of A, where I is an “intension” and A is a term – then the same necessary and sufficient condition for falling into the extension of A “works” in every logically possible world in which the speaker is in the psychological state S. (Putnam 1996b: 8)

Denn die Intension wird durch den Zustand Z erst determiniert und liefert die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass etwas Teil der Extension eines Begriffes bildet. Interessant ist jedoch auch, dass Putnam die psychologischen Zustände, zu wissen, dass I die Intension von A ist, hier als propositional auffasst und sie zugleich den „narrow states“ zuordnet. Der „öffentliche“ Charakter psychischer Zustände impliziert für Putnam ebenfalls, dass zwei Personen, wenn sie einen Ausdruck verschieden verstehen, auch in verschiedenen psychologischen Zuständen sein müssen: „For the state of knowing the intension of A to be, say, I is the same state, whether Oscar or Elmar be in it. Thus two speakers cannot be in the same psychological state in all respects and understand the term A differently.“ (Putnam 1996b: 9) Und darin liegt für mich die eigentliche Überraschung mit Bezug auf Putnams enge Zustände. Sie zeigt sich erst in seinen Abschlussbemerkungen des Abschnittes „‘Psychological State’ and Me-

1.3 Enge und weite Bewusstseinszustände

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thodological Solipsism“, in welchem er eine Art Frege’sche Auffassung über Gedanken zu vertreten scheint, obgleich er am Begriff des „engen“ Zustandes weiterhin festhält und sie dennoch mit dem „Frege-Carnap view“ vereinen möchte. Denn unabhängig von der Frage, ob es sich bei Bedeutungen um platonische oder mentale Entitäten handelt, ist das Erfassen eines Begriffs in Putnams internalistischer Rekonstruktion nach wie vor ein psychischer Zustand im engen Sinn. Und selbst unter der Annahme, dass dieser enge Zustand die Bedeutung wäre, sei Freges Auffassung über den bewusstseinsunabhängigen Gedanken nicht gefährdet: „For psychological states are ‘public’ in the sense that different people (and even people in different epochs) can be in the same psychological state. Indeed, Frege’s argument against psychologism is only an argument against identifying concepts with mental particulars, not with mental entities in general.“ (Putnam 1996b: 9) Dass es sich bei Gedanken und den Sinnen von Eigennamen bzw. Begriffswörtern nicht um „mental entities“ welcher Art auch immer handeln kann, werden unsere späteren Untersuchungen noch zeigen (vgl. Kapitel II.2). Um zu sehen, wie weit Putnams Frege mit Bezug auf „psychological states“ eigentlich von Frege entfernt ist, sollen die folgenden kryptischen Bemerkungen mit Bezug auf Putnams Einleitung zeigen: In „Der Gedanke“ stellt auch Frege die Frage, ob es sich noch um einen identischen Gedanken handeln kann, wenn er zu verschiedenen Zeiten von zwei verschiedenen Personen ausgesprochen wird. Zur Beantwortung dieser Frage führt Frege zunächst den Begriff der Vorstellung ein: Auch der unphilosophische Mensch sieht sich bald genötigt, eine von der Außenwelt verschiedene Innenwelt anzuerkennen, eine Welt der Sinneseindrücke, der Schöpfungen seiner Einbildungskraft, der Empfindungen, der Gefühle und Stimmungen, eine Welt der Neigungen, Wünsche und Entschlüsse. Um einen kurzen Ausdruck zu haben, will ich dies mit Ausnahme der Entschlüsse unter dem Worte „Vorstellung“ zusammenfassen. (Frege [1918] 1993: 40)

Um anschließend die Frage zu beantworten, ob auch die Gedanken der Innenwelt angehören und einen Teil der Vorstellungen bilden, grenzt Frege zunächst Vorstellungen von den Gegenständen der Außenwelt ab: 1.) Im Gegensatz zu extramentalen Objekten können Vorstellungen nicht sinnlich erfasst werden. 2.) Vorstellungen werden gehabt und eine Vorstellung, die jemand hat, gehört zum Inhalt seines Bewusstseins. Inhalt eines Bewusstseins zu sein, gehört zum Wesen jeder Vorstellung. 3.) Vorstellungen bedürfen eines Trägers. Gegenstände sind in dieser Hinsicht selbstständig. „Es scheint uns ungereimt, daß ein Schmerz, eine Stimmung, ein Wunsch sich ohne einen Träger selbständig in der Welt umhertreibe. Eine Empfindung ist nicht ohne einen Empfindenden möglich. Die Innenwelt hat zur Voraussetzung einen, dessen Innenwelt sie ist.“ (Frege 1993: 41) Allerdings gilt 4.) dass jede Vorstellung stets nur einen Träger hat, zwei Menschen können also nicht

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1 Die philosophische Tradition

dieselben Vorstellungen haben. Gilt das nun auch für das Gebiet der Gedanken? Wären Gedanken tatsächlich nichts anderes als Vorstellungen? Wenn ein Gedanke, zum Beispiel der, welcher im Satz des Pythagoras ausgesprochen wird, von zwei oder mehreren Personen als wahr anerkannt werden kann, dann kann er nicht Teil des menschlichen Bewusstseins sein und bedarf somit auch keines Trägers. Daraus ist klar ersichtlich, dass Gedanken nicht die Bestimmungen von Vorstellungen erfüllen. Sie bedürfen keines Denkenden, werden von keinem Denkenden gehabt und sind auch nicht auf das Bewusstsein jeder einzelnen Person beschränkt. Ansonsten bezöge sich die Anerkennung der Wahrheit eines Gedankens nur auf den Bewusstseinsinhalt einer bestimmten Person. In anderen Worten: „Wenn jeder Gedanke eines Trägers bedarf, zu dessen Bewußtseinsinhalte er gehört, so ist er Gedanke nur dieses Trägers, und es gibt keine Wissenschaft, welche vielen gemeinsam wäre […]; sondern ich habe vielleicht meine Wissenschaft, nämlich ein Ganzes von Gedanken, deren Träger ich bin, ein anderer hat seine Wissenschaft.“ (Frege 1993: 41) Insofern ist auch Freges Forderung nach einem dritten Bereich zu verstehen, deren Inhalte sich von den Vorstellungen dadurch abgrenzen, dass sie keines Trägers bedürfen, zu dessen Bewusstsein sie gehören. Wenden wir diese Überlegungen Freges auf Putnams Konzeption gleicher psychischer Zustände im engen Sinne an, dann müssen wir diese gemäß der Annahme des methodologischen Solipsismus offensichtlich eindeutig dem Bewusstsein einer einzelnen Person zuschreiben, welche dessen Träger ist. Dann fielen sie allerdings in den Bereich der Vorstellungen, von denen ausgeschlossen ist, dass sie von mehr als einer Person gehabt werden können. So bemerkt Frege mit Bezug auf die Farbeigenschaften eines Gegenstandes in Abgrenzung zu Bewusstseinsinhalten: Denn das Wort „rot“, wenn es nicht eine Eigenschaft von Dingen angeben, sondern meinem Bewusstsein angehörende Sinneseindrücke kennzeichnen soll, ist anwendbar nur im Gebiete meines Bewusstseins; denn es ist unmöglich, meinen Sinneseindruck mit dem eines andern zu vergleichen. Dazu wäre erforderlich, einen Sinneseindruck, der einem andern Bewußtsein angehört in einem Bewußtsein zu vereinen. (Frege 1993: 41)

Putnams Bestimmung, „psychological states are ‘public’ in the sense that different people […] can be in the same psychological state“ (Putnam 1996b: 9), kann dann nicht mehr auf sie angewendet werden. Oder aber wir fassen diese Zustände tatsächlich als „öffentlich“ auf, dann sind sie allerdings nicht mehr mit dem Begriff des „narrow mental state“ vereinbar, welcher keines anderen Subjektes bedarf, außer desjenigen, welchem der Zustand zugeschrieben wird. Das heißt, Putnam muss auch hier konsequenterweise an seiner definitorischen Bestimmung enger psychischer Zustände festhalten und nicht einfach die reine Denkmöglichkeit behaupten, zwei Personen könnten sehr wohl im typengleichen engen mentalen Zustand sein, auch wenn sich das nicht feststellen ließe.

1.4 „Grasping a concept.“ Sinn und Verstehen

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Klar scheint also, dass entweder die Zustände im Sinne des „narrow mental state“ eines Trägers bedürfen, der alleine diese Zustände haben kann und der alleine von ihnen wissen kann, wenn er sich gerade darin befindet, dann sind sie nicht mit Freges Begriff des Gedankens vereinbar. Oder aber die Zustände sind entsprechend der Frege’schen Gedanken in den relevanten Hinsichten „öffentlich“, dann können wir sie nicht mehr als enge Zustände des Bewusstseins bezeichnen. Insofern ist es auch kein Zufall, dass Putnam in Reason Truth, and History wie bereits erwähnt von den „pure“ und „inpure mental states“ spricht, wobei von ersteren gilt, dass ihr Bestehen bzw. ihre Abwesenheit ausschließlich davon abhängt, was im Inneren des Subjektes vor sich geht, analog zu einem konkreten Schmerzerlebnis. Zu wissen, dass etwas der Fall ist, bedarf hingegen zwar eines „pure mental states“ als notwendige, nicht jedoch hinreichende Bedingung. In „The Meaning of ‘Meaning’“ hat Putnam die internalistische Position als zugleich eng oder „pure“ und propositional rekonstruiert, wie wir zumindest an den ausgewählten Bemerkungen zu Beginn dieses Abschnittes gesehen haben. Für Fälle propositionalen Wissens bedarf es nun jedoch eines weltlichen Bezuges außerhalb des menschlichen Bewusstseins (vgl. Putnam 1998: 42).

1.4 „Grasping a concept.“ Sinn und Verstehen Abgesehen von Putnams philosophiehistorischer Rekonstruktion des Bewusstseins im Sinne eines privaten Theaters, bestand nach seiner Auffassung bei fast allen PhilosophInnen darüber hinaus Einigkeit insofern, als dass: […] the idea in the mind, or the possession or recollection of the idea by the mind, determines the extension of the “name” associated with the idea or concept: a name, say, “dog,” is true of a particular thing inasmuch as that particular thing falls under the concept in the mind, or the concept recollected by the mind. In short, it is a feature of all these views that one individual in isolation can, in principle, grasp any concept whatsoever, and that the individual’s grasp of his or her concepts totally determines the extension of all the individual’s terms. Knowledge of meanings is private mental property. (Putnam 1996a: XV–XVI)

Interessant ist hier vor allem, dass Putnam in diesem Zusammenhang bereits den Begriff der Extension verwendet und somit auf die zweite der beiden Kernthesen von „The Meaning of ‘Meaning’“ verweist, die Bedeutung eines Ausdruckes determiniere seine Extension. Die Formulierung, welche Putnam in obigem Zitat gebraucht, erinnert dabei allerdings sehr stark an eine Position, die wir prima facie keineswegs irgendeiner subjektivistischen Bedeutungstheorie zuschreiben würden, sondern im Gegenteil einer Auffassung, bei welcher psychische Zustände einer Person oder subjektive Vorstellungsinhalte für die Bedeutung und den Umfang ei-

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1 Die philosophische Tradition

nes Ausdruckes keine wesentliche Rolle spielen. Dies hätte zur Folge, dass wir nicht mehr an der ersten These festhalten könnten, der psychische Zustand bestimme die Bedeutung. Eine solche Konsequenz gilt insbesondere für Freges Unterscheidungen von Zeichen, Sinn und Bedeutung, Gedanke und Vorstellung sowie Gegenstand und Begriff. In Bezug auf diese letzte Differenzierung spricht Frege an zahlreichen Stellen explizit davon, dass ein Gegenstand unter einen Begriff fällt (vgl. u. a. Freges Brief an Husserl vom 24. Mai 1891 – Frege 1976a: 96; sowie Frege [1892 – 1895] 1969b: 131). Dieses Fallen eines Gegenstandes unter einen Begriff vollzieht sich jedoch im Gegensatz zu Putnams Explikation ausschließlich auf der Bedeutungs- und nicht auf der Sinnebene, wie die Skizze in seinem Brief an Husserl klar veranschaulicht. Eine Weiterführung dieser Frege’schen Auffassung von Sinn und Bedeutung und des Fallens eines Gegenstandes unter einen Begriff finden wir dann in Rudolf Carnaps Meaning and Necessity, wo er die Begriffe „Intension“ und „Extension“ einführt. Allerdings zeigt sich auch hier, dass die Eigenschaften eines Prädikators „P“ nicht als etwas Geistiges aufzufassen sind (vgl. Carnap 1947: ch. 1, insb. 23 – 41) und dass die Beziehung zwischen Intension und Extension ausschließlich funktionaler Natur ist. Anders ausgedrückt ist mit der These, dass jedem Zeichen – zumindest idealiter – genau ein Sinn und eine Bedeutung zukommen sollte und wir so für jeden Gegenstand eindeutig sagen können müssen, ob er unter einen Begriff fällt oder nicht, auch hier keineswegs die Idee einer privaten Bedeutung impliziert. Insofern erscheint es durchaus überraschend, dass Putnam Frege und Carnap (zumindest nach Logischer Aufbau) als Vertreter einer philosophischen Tradition auffasst (vgl. Putnam 1996b: 5−6), die nach seiner Lesart auch behauptet, der psychische Zustand bestimme die Intension, obwohl sich ihre Auffassung ganz offensichtlich auf die Vertretung der zweiten These beschränkt. In Analogie zu Berkeley und Hume haben wir also auch hier den Fall, dass zwar eine der beiden Thesen auf die jeweiligen Positionen anwendbar ist, nicht jedoch ihre Konjunktion. Was den Beginn des obigen Zitates betrifft, verweist Putnam wohl wieder implizit auf Locke. Denn dieser betont in Buch III, iii seines Essays zunächst, dass die Klassifizierung unter einem bestimmten Namen eindeutig eine Leistung des Verstandes sei, welcher aufgrund von Ähnlichkeitsrelationen, die er bei natürlichen Dingen erkennt, eine abstrakte Idee bilde. Diese soll künftig als Muster dienen zur Beurteilung, ob ein bestimmter Gegenstand ihr zuzuordnen ist oder nicht, abhängig vom Grad der Übereinstimmung zwischen ihr und dem Objekt. Das meint Locke damit, Einzeldinge unter einer Art bzw. „abstract idea“ zu subsumieren, in diesem Fall die des Hundes (vgl. Locke 2011: III, iii, 6 – 7; 410 – 411). Und zu Beginn des sechsten Kapitels bemerkt Locke:

1.4 „Grasping a concept.“ Sinn und Verstehen

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[…] Essence, in the ordinary use of the word, relates to Sorts, and that it is considered in particular Beings no farther than as they are ranked into sorts, appears from hence: that, take but away the abstract Ideas by which we sort Individuals, and rank them under common Names, and then the thought of anything essential to any of them instantly vanishes: we have no notion of the one without the other: which plainly shows their relation (Locke 2011: III, vi, 4; 440).

Hier zeigt sich allerdings lediglich die begriffliche Abhängigkeit vom Wesens- und Artbegriff, insofern außerhalb des Einreihens von Einzeldingen unter spezifische Arten am Individuum selbst nicht Essentielles zu bestimmen wäre, oder wie Locke es sehr treffend formuliert: „‘Tis necessary for me to be as I am; GOD and Nature has made me so: but there is nothing I have, is essential to me.“ (Locke 2011: III, vi, 4; 440). Wie wir später noch sehen werden, sind bei Locke die Artbegriffe Produkte des menschlichen Geistes, die auf der Verknüpfung unterschiedlicher Ideen beruhen (vgl. Locke 2011: III, vi, 1). Diese distinkten Ideen selbst sind jedoch ursprünglich auf unsere Wahrnehmungen extramentaler Gegenstände bzw. deren (primäre) Qualitäten zurückzuführen, die für sie kausal verantwortlich sind. Hier wird besonders der Aspekt möglicher Erfahrbarkeit für die Bezeichnung von Substanzausdrücken deutlich, die uns im Zusammenhang mit Putnams Zwillingserde wieder begegnen wird. Auffällig ist an der oben zitierten Stelle darüber hinaus, dass Putnam davon spricht, einen Begriff „zu fassen“ („to grasp a concept“), eine Ausdrucksweise, welche ebenfalls stark an Frege erinnert, wenn dieser davon spricht, einen Gedanken zu fassen (vgl. u. a. Frege 1993: 35, 39). Das Fassen eines Begriffs im Sinne Freges kann alleine allerdings noch nicht seine Extension bestimmen, abgesehen davon, dass für Frege – etwa im Gegensatz zu Carnap – die Bedeutung eines Begriffswortes nicht seine Extension ist, sondern vielmehr der Begriff selbst. Unabhängig davon hängen Sinn und Bedeutung eines sprachlichen Zeichens nicht davon ab, ob sie vorher von einem Subjekt erfasst wurden. Denn Sinn und Bedeutung sind bewusstseinsunabhängige Entitäten. Und es ist gerade der Sinn, den wir zu fassen versuchen und der alleine daher seiner Fassung vorangehen muss und nicht mit ihr identifiziert werden kann. Für Frege sagt das Fassen eines Gedankens etwas darüber aus, ob eine Person den Sinn eines Satzes verstanden hat oder nicht, ob sie die entsprechenden sprachlichen Zeichen in anderen Kontexten richtig verwenden kann etc. Der Gedanke selbst ist jedoch völlig subjektunabhängig und sein Erfassen durch ein menschliches Bewusstsein für den Gedanken selbst unwesentlich: „Unwesentlich wird man eine Eigenschaft eines Gedankens nennen, die darin besteht oder daraus folgt, daß er von einem Denkenden gefaßt wird“ (Frege 1993: 52), bzw.:

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Der Gedanke verlässt bei der Mitteilung das Machtgebiet des Mitteilenden nicht; denn im Grunde hat der Mensch keine Macht über ihn. Indem der Gedanke gefasst wird, bewirkt er Veränderungen zunächst nur in der Innenwelt des Fassenden; doch bleibt er selbst im Kerne seines Wesens davon unberührt, da die Veränderungen, die er erfährt, nur unwesentliche Eigenschaften betreffen. (Frege 1993: 53)

Diese Bemerkungen sind offenbar nicht mit Putnams internalistischer Lesart vereinbar. Dabei soll natürlich keineswegs bestritten werden, dass das Fassen von Gedanken durchaus Veränderungen im Bewusstsein der Erfassenden bewirken kann, sondern lediglich, dass diese inneren Veränderungen Einfluss auf den Gedanken bzw. seine Bedeutung hätten. Hier ist die kausale Stoßrichtung der These, welche Putnam als falsch ausweisen möchte, also gerade diametral entgegengesetzt, wenn er sie etwa mit den bereits bekannten Worten skizziert: In short, if S is the sort of psychological state, we have been discussing – a psychological state of the form knowing that I is the meaning of A, where I is an “Intension” and A is a term – then the same necessary and sufficient condition for falling into the extension of A “works” in every logical possible world in which the speaker is in the psychological state S. For the state S determines the intension I, and by assumption (II) the intension amounts to a necessary and sufficient condition for membership in the extension. (Putnam 1996b: 8)

Dementsprechend betont Putnam explizit, dass sein berühmtes Gedankenexperiment der Zwillingserde zeigen soll, dass der psychische Zustand gerade nicht die Extension bestimmen kann, was er seinen bisher skizzierten philosophischen GegnerInnen offensichtlich unterstellt (vgl. Putnam 1996b: 9). Auch mit Verweis auf Platon spricht Putnam zu Beginn seiner Einleitung davon, die platonischen Ideen seien extramentale Entitäten. Insofern wäre der platonische Realismus ebenso nicht mit Lockes Konzeptualismus vereinbar. Das Wissen über die Ideen sei allerdings angeboren, bewusstseinsimmanent und jederzeit ins Bewusstsein zu rufen „by an act of ‘recollection’“ (vgl. Putnam 1996a: xv). Es ist hier jedoch zunächst nicht einzusehen, warum das Wissen um einen Begriff nur aufgrund der Bestimmung, dass es sich beim Wissen um einen Bewusstseinszustand im Sinne Putnams handelt, eo ipso „privat“ sein soll. Gleiches gilt für die Annahme angeborenen Wissens von Ideen. Denn analog zum Haben von Begriffen bzw. „Ideas“, folgt auch aus der Behauptung, dass das Verstehen eines Ausdrucks, sein Erfassen oder das Wissen seiner Bedeutung ein psychischer Zustand sei, – „[…] knowing the meaning of a term is just a matter of being in a certain psychological state […]“ (Putnam 1996b: 6), – keineswegs zwingend, dass das Wissen privat sei, oder wie Putnam es formuliert: „Knowledge of meanings is private mental property“ (Putnam 1996a: xvi). Denn wenn dies gälte, müsste man auch für bestimmte

1.4 „Grasping a concept.“ Sinn und Verstehen

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Kenntnisse, etwa in der Mathematik, argumentieren, dass alleine aufgrund der Tatsache, dass wir im Kopf multiplizieren, schon folge, das daraus gewonnene Wissen sei „privater“ Natur. Im Abschnitt „In my Head“ seines The Concept of Mind bemerkt Gilbert Ryle über die alltägliche Verwendung des Ausdrucks „in my head“, dass sie vielmehr zur Abgrenzung des Rechnens auf dem Papier, am Rechenschieber oder Taschenrechner diene: „When I do mental arithmetic, I am likely to say that I have had the numbers, with which I have been working ‘in my head’ and not on paper;“ (Ryle 1986: 36). Zudem stellt er die enge semantische Verknüpfung der Ausdrücke „geistig“ bzw. „im Geiste“ mit dem Begriff der Vorstellung bzw. Imagination fest: „It is an interesting verbal point that people sometimes use ‘mental’ and ‘merely mental’ as synonyms for ‘imaginary’.“ (Ryle 1986: 39) Im Zusammenhang der Frage, ob Gedanken Vorstellungen seien, bemerkt Frege daher auch: „Wenn der Gedanke, den ich im pythagoreischen Lehrsatz ausspreche, ebenso von andern wie von mir als wahr anerkannt werden kann, dann gehört er nicht zum Inhalte meines Bewußtseins, dann bin ich nicht sein Träger und kann ihn trotzdem als wahr anerkennen.“ (Frege 1993: 42) Im Gegensatz dazu liegt darin gerade einer der wesentlichen Punkte der Putnam’schen Gedankenexperimente, dass es die psychischen Zustände sind, welche die Extension, bzw. in der Terminologie Freges, die Wahrheitswerte von Gedanken bestimmen, und dass sich zwei Personen in typengleichen psychischen Zuständen befinden können, trotz ihrer Charakterisierung als „privat“. Zwar betont Putnam den öffentlichen Charakter von Bedeutung (Intension) bzw. Gedanken in der Philosophie Freges oder Carnaps insofern, als dass mehrere Personen zugleich oder zu unterschiedlichen Zeitpunkten denselben Gedanken erfassen können, räumt gleich im Anschluss allerdings abschwächend ein, dass das Erfassen der entsprechenden abstrakten Entitäten im Sinne der internalistischen Tradition noch immer ein individueller psychischer Vorgang sei. Anders ausgedrückt hätten selbst VertreterInnen eines platonischen Ideenrealismus bzw. eines separaten Reichs der Gedanken neben der Innen- und Außenwelt nie bezweifelt, dass man sich in einem spezifischen psychischen Zustand befinden muss, um die Intension zu erfassen. Gleiches gilt für den Fall, dass wir uns, um beispielsweise im Kopf Zahlen in Primfaktoren zerlegen zu können, ebenfalls in einem bestimmten psychischen Zustand befinden müssen (vgl. Putnam 1996b: 6). Hier gewinnen wir den Eindruck, das Verstehen eines Ausdrucks bzw. das Erfassen einer Intension sei abhängig davon, sich in einem bestimmten psychischen Zustand zu befinden. Dieser Eindruck wird besonders dann bestärkt, wenn Putnam bemerkt „[…] knowing the meaning of [term] A and knowing the meaning of B are psychological states in the narrow sense […]. But these psychological states must determine the extension of the terms A and B just as much as the meanings (intensions) do.“ (Putnam 1996b: 8) Diese

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Bemerkung ist überraschend, insofern wir bei genauer Betrachtung des Zwillingserdenexperimentes noch sehen werden, dass der gleiche psychische Zustand durch die Verwendung desselben sprachlichen Ausdrucks, bzw. die gleiche Kenntnis der Oberflächeneigenschaften definiert wird, welche in der Intension enthalten sind und nicht etwa umgekehrt. Und wenn, wie Putnam selbst einräumt, keine/r der VertreterInnen einer solchen Auffassung wie Frege oder Carnap damit behaupten, die Kenntnis der Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks sei selbst ein „continuous state of consciousness“ (Putnam 1996b: 6), wird die Rolle eines solchen mentalen Zustands zusätzlich verwässert. In einem wichtigen Sinn kann „,etwas wissen‘ heißt, sich in einem bestimmten Zustand zu befinden“, schlicht bedeuten, dass wir, um einen Begriff zu erfassen und einen Ausdruck anzuwenden, auch bei Bewusstsein sein müssen. Zum Verhältnis von Gedanke und sprachlichem Ausdruck bemerkt Frege in diesem Zusammenhang: Die Verbindung eines Gedankens mit einem gewissen Satze ist keine notwendige; dass aber ein uns bewusster Gedanke mit irgendeinem Satze in unserm Bewusstsein verbunden ist, ist für uns Menschen notwendig. Das liegt aber nicht an dem Wesen des Gedankens, sondern an unserem eigenen Wesen. Es ist kein Widerspruch, Wesen anzunehmen, welche denselben Gedanken wie wir fassen können, ohne dass sie ihn in eine sinnliche Form zu kleiden brauchen. (Frege [1924/25] 1969 h: 288)

Hier wird zum einen die grundsätzlich willkürliche Verknüpfung zwischen Gedanken und Sprache deutlich und zum anderen die notwendige Verknüpfung beider Elemente im menschlichen Bewusstsein. Diese Notwendigkeit gilt jedoch nur für uns menschliche Wesen, und zwar insofern, als dass es widerspruchsfrei denkbar wäre, andere Wesen fassten einen Gedanken gänzlich ohne Verwendung von Sprache. Die Beziehung des Gedankens zum menschlichen Erfassen mittels Sprache kommt besonders klar in einer Fußnote aus „Der Gedanke“ zum Ausdruck, wenn Frege bemerkt: Ich bin nicht in der glücklichen Lage eines Mineralogen, der seinen Zuhörern einen Bergkristall zeigt. Ich kann meinen Lesern nicht einen Gedanken in die Hände geben mit der Bitte, ihn von allen Seiten recht genau zu betrachten. Ich muß mich begnügen, den an sich unsinnlichen Gedanken in die sinnliche sprachliche Form gehüllt dem Leser darzubieten. (Frege 1993: 40, Anm. 4).

Bereits diese wenigen Bemerkungen Freges zeigen die Abhängigkeitsrelation zwischen Sprache und Gedanken, bzw. nicht-fregeanisch gesprochen, von Zeichen und Bedeutung (im Sinn von Intension) und fallen daher nach meinem Verständnis nicht in die von Putnam anvisierte philosophische Tradition des semantischen In-

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ternalismus, die er zu kritisieren versucht. Dass für uns Menschen das bewusste sprachliche Erfassen eines bewusstseinsunabhängigen Gedankens den einzigen Zugang zum Sinn bildet, kann daher auch nicht die Angriffsfläche sein, die Putnam in seiner Kritik vorschwebt, denn darin kommt einem bestimmten psychischen Zustand keine bedeutungsstiftende Rolle zu. Wenn Putnam in der„Introduction“ von „grasping a concept“ spricht, scheint es gelegentlich auch so, dass das Fassen eines Begriffes seine Extension festlegt und nicht die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks (im Sinne der Intension), entsprungen einem „privaten Theater“. Daher spricht er auch davon „that the individual’s grasp of his or her concepts totally determines the extension“ und vom Wissen der Bedeutungen als privater mentaler Eigenschaft (vgl. Putnam 1996a: xv– xvi; Hervorhebung V.M.). Dieser Punkt wird uns in Putnams eigentlichem Essay ebenfalls wieder begegnen und wirkt wohl nur dann berechtigt, wenn die Privatheit des Bedeutungsbesitzes auch die entsprechende Kenntnis darüber „privatisiert“. Denn die Verwendung der Ausdrücke „his or her concepts“ könnte zumindest suggerieren, dass nicht nur das Wissen um die Begriffe, sondern auch die Begriffe selbst „Privateigentum“ des Subjektes sind. Dann wäre allerdings zu zeigen, was es heißt, als Besitzerin der Bedeutungen diese auch noch zu erfassen, sowie, ob man sinnvoll vom Besitz subjektiver Bedeutungen sprechen kann, ohne zugleich auch Kenntnis davon zu haben. Mit Bezug auf die Möglichkeit, die Intension eines Ausdrucks zu erfassen, ohne zugleich auch zu wissen, dass sie die Intension dieses Ausdrucks ist, macht Putnam die wenig überzeugende Bemerkung: […] knowing the meaning of A isn’t just “grasping the intension” of A, whatever that may come to; it is also knowing that the “intension” that one has “grasped” is the intension of A. Thus, someone who knows the meaning of “wheel” presumably “grasps the intension” of its German synonym Rad; but if he doesn‘t know that the “intension” in question is the intension of Rad he isn’t said to “know the meaning of Rad”. (Putnam 1996b: 8)

An dieser Stelle bleibt völlig offen, was Putnam mit „grasping an intension“ meint, ohne zugleich auch zu wissen, die Intension von A erfasst zu haben. Es ist jedenfalls nicht zu erkennen, warum man sagen sollte, eine Person habe die Intension eines Ausdrucks A erfasst und verfüge somit über sie, ohne es zu wissen. So könnte man zumindest fragen, ob sich Putnams Behauptung auf referentielle Begriffe beschränkt oder für sämtliche sprachliche Ausdrücke einer bestimmten Sprache gilt, selbst wenn wir ihrer gar nicht mächtig sind. Eine Intension bzw. einen Sinn erfasst zu haben, heißt, die Fähigkeit zu besitzen, den Begriff auch in anderen Kontexten zu verstehen oder in neuen Wortkombinationen anwenden zu können. Wie sollte das im Fall des Wortes „Rad“ für englische MuttersprachlerInnen möglich sein, wenn sie nicht mit der deutschen Sprache vertraut sind? Selbst Putnam räumt der Syntax

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im Komplex seines Bedeutungsbegriffes eine zentrale Rolle ein, indem er syntaktische Marker einführt. Insofern kann die Intension des Ausdrucks „wheel“ auch nicht die gleiche sein, wie die des Ausdrucks „Rad“, welche beispielsweise die Bestimmung als Neutrum enthält und daher mit dem bestimmten Artikel „das“ und nicht „die“ oder „der“ gebildet wird, eine Differenzierung, welche die englische Sprache nicht vorsieht und lediglich zwischen bestimmtem und unbestimmtem Artikel unterscheidet. Insofern bin ich ohne Kenntnis der Sprache auch nicht in der Lage, mit dem Wort „Rad“ syntaktisch wohlgeformte komplexe Ausdrücke zu bilden. Ich hätte in Putnams Beispiel jedoch die Intension eines Ausdrucks einer mir unbekannten Sprache bereits dann erfasst, wenn ich die entsprechende Übersetzung in meiner Sprache kenne, ohne allerdings in der Lage zu sein, sie in irgendeiner Weise sinnvoll anzuwenden. Wenn das die Unterscheidung zwischen „Intension I von A erfassen“ und „wissen, dass I die Intension von A ist“ sein soll, ist nicht zu sehen, warum ich vom Erfassen einer Intension sprechen sollte, auch wenn ich mir dessen nicht bewusst bin und nicht vielmehr behaupten sollte, ich hätte die Intension von „Rad“ nicht miterfasst. Darüber hinaus ließe sich fragen, ob sich der psychische Zustand, die Intension von „wheel“ wissentlich erfasst zu haben, von der Kenntnis der Bedeutung von „Rad“ unterscheidet. „Knowing the meaning of A“ und „knowing the meaning of B“ sind nach Putnam jedenfalls verschiedene psychische Zustände (vgl. Putnam 1996b: 8), da er an dieser Stelle die Verschiedenheit der psychischen Zustände durch die Verschiedenheit von A und B bestimmt. So liefert uns Putnam hier jedenfalls kein philosophisches Argument, welches seine Annahme, eine Sprecherin S, welche die Intension von „wheel“ erfasst, habe zugleich die Intension von „Rad“ miterfasst, rechtfertigen könnte. Ebenso unklar ist die Frage, ob sich der psychische Zustand, die Intension von A erfasst zu haben von dem, zu wissen, die Intension von A erfasst zu haben in irgendeiner Weise unterscheidet. Da Putnam psychische Zustände als enge aufgefasst haben möchte, das heißt als solche, die dem Subjekt auch unabhängig von der Existenz anderer Individuen zugeschrieben werden können, wäre diese Unterscheidung etwa gleich der, dass ich, um die Intension des Wortes „Schmerz“ zu erfassen, nicht nur Schmerzen haben, sondern darüber hinaus auch wissen muss, dass ich sie habe, bzw. dass es dann auch möglich wäre, Schmerzen zu haben, ohne es zu wissen. Oder wie Wittgenstein es an einer Stelle formuliert: „Von mir kann man überhaupt nicht sagen (außer etwa im Spaß) ich wisse, daß ich Schmerzen habe. Was soll es denn heißen – außer etwa, daß ich Schmerzen habe?“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 246) Nachzuvollziehen ist dieser Einwurf Putnams am ehesten, wenn wir davon ausgehen, die Bedeutung des Ausdruckes „Rad“ erschöpfe sich vollständig in seiner Extension. Und insofern ich die Extension des Wortes „Rad“ erfasst habe, etwa

1.4 „Grasping a concept.“ Sinn und Verstehen

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mittels ostensiver Definition der Form: „dies hier wird ,Rad‘ genannt“, hätte ich damit auch die Intension seiner entsprechenden interlingualen Synonyme erfasst, ohne es zunächst zu wissen. Ich müsste bei Bedarf dann nur fragen, welchen Ausdruck man im Englischen für den entsprechenden Gegenstand verwendet. Wenn wir allerdings die Verwendungsweisen des Wortes „Rad“ im Deutschen betrachten, stellen wir fest, dass es im modernen Sprachgebrauch nicht mehr wie ursprünglich vorwiegend auf Wagen- bzw. Kutschenräder bezogen wird, sondern vor allem als Abkürzung für das Wort „Fahrrad“ dient (vgl. DWDS, „Rad“). So sagen wir etwa „Gehen wir zu Fuß oder nehmen wir das Rad?“, „Mir wurde mein Rad gestohlen“, „Ich habe mir ein neues Rad gekauft“ etc. Insofern ist auch die Definition des Wörterbuches der deutschen Sprache noch stärker durch die Etymologie des Wortes geprägt, wenn es heißt: „kreisrundes, scheibenförmiges Teil, das sich um seinen Mittelpunkt dreht und a) als Zubehör besonders einem Straßenfahrzeug die Fortbewegung ermöglicht bzw. b) das als Zubehör einer Maschine für die drehende Bewegung zur Übertragung von Kräften und Drehmomenten, zur Richtungsumlenkung von Seilen und Riemen dient.“ (DWDS, „Rad“). Durch den hohen technischen Fortschritt maschineller Ausstattungen ist die ursprüngliche Bedeutung auch in der zweiten Variante stärker in den Hintergrund gerückt. Darüber hinaus sind hier „übertragene“ Verwendungen völlig ausgeblendet, denken wir nur an Gebräuche wie: „Er ist nur ein kleines Rädchen“, „er ist das fünfte Rad am Wagen“, „sie scheint unter die Räder gekommen zu sein“ oder „bei ihm ist wohl ein Rad locker“. Im Englischen hilft uns der Ausdruck „wheel“ in allen diesen Gebräuchen nichts. Dem Wort „Rad“ im Sinne von Fahrrad entspräche das interlinguale Synonym „bike“. Das Rädchen in der Maschine wäre das Wort „cog“ etc. Im Englischen wiederum verwendet man das Wort „wheel“ etwa im komplexen Ausdruck „wheel chair“, welcher im Deutschen dem Ausdruck „Rollstuhl“ entspricht. In Erwiderung zu Putnams unbegründeten Bemerkungen über das unwissentliche Erfassen einer Intension von „wheel“ und „Rad“ könnte man mit Wittgenstein entgegnen: Das Verständnis der Sprache, quasi des Spiels, scheint wie ein Hintergrund, auf dem der einzelne Satz erst Bedeutung gewinnt. – Aber dieses Verständnis, die Kenntnis der Sprache, ist nicht ein Bewußtseinszustand, der die Sätze der Sprache begleitet. Selbst wenn es einen solchen Zustand im Gefolge hätte. Vielmehr ist es von der gleichen Art wie das Verstehen, Beherrschen eines Kalküls, also wie: multiplizieren können. (Wittgenstein 1993a, PG: 50)

Gleiches über das Verständnis von Sprache ließe sich auch über die Kenntnis eines singulären extramentalen Bezugsobjekts sagen. Die Bemerkung Wittgensteins lässt sich also durchaus auf beide Lager anwenden. Es ist genau dieser Hintergrund, den Putnam völlig zu übersehen scheint, insofern ein sprachlicher Ausdruck immer in ein ganzes System sprachlicher Zeichen

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eingebettet ist und nicht davon isoliert betrachtet werden darf. Die Intension eines Wortes erfasst zu haben, heißt eben gerade, mit diesem Ausdruck andere sprachliche Gebilde verstehen oder erzeugen zu können, in welchen dieser Ausdruck Verwendung finden kann, wenn ich auf etwas außerhalb meines Bewusstseins Bezug nehmen möchte. Oder wie Wittgenstein an anderer Stelle bemerkt: „Einen Satz verstehen, heißt, eine Sprache verstehen. Eine Sprache verstehen, heißt, eine Technik beherrschen.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 199). Und mit Bezug auf die Fähigkeit, durch vertraute Begriffe neue Sätze verstehen oder bilden zu können, bemerkt Frege ganz entsprechend: Die Möglichkeit für uns, Sätze zu verstehen, die wir noch nie gehört haben, beruht offenbar darauf, dass wir den Sinn eines Satzes aufbauen aus Teilen, die den Wörtern entsprechen. Wenn wir in zwei Sätzen dasselbe Wort, z. B. „Aetna“ finden, so erkennen wir auch in den entsprechenden Gedanken etwas Gemeinsames, das diesem Worte entspricht. Ohne dies wäre eine Sprache im eigentlichen Sinne unmöglich. Wir könnten zwar übereinkommen, dass gewisse Zeichen gewisse Gedanken ausdrücken sollten; wie die Signale bei der Eisenbahn (Strecke frei); aber auf diese Weise wären wir immer auf ein sehr enges Gebiet beschränkt und wir könnten nicht einen ganz neuen Satz bilden, der von einem Andern verstanden wird, obwohl ein besonderes Übereinkommen für diesen Fall nicht vorhergegangen ist. (Frege 1976d: 127)

Wenn wir Putnams Rekonstruktion der internalistischen Tradition „it is a feature of all these views [all the philosophers in the tradition] that one individual in isolation can, in principle grasp any concept whatsoever, and the individual’s grasp of his or her concepts totally determines the extension of all the individual’s terms“ (Putnam 1996a: xv–xvi) wohlwollend lesen möchten, meint er vielleicht lediglich, dass wir etwa im Sinne Lockes Begriffe bilden, und dass alleine das subjektive Verständnis der gebildeten Begriffe und der damit verbundene Begriffsumfang verantwortlich für die Frage seien, ob ein bestimmtes Einzelding unter das jeweilige Konzept fällt oder nicht. Man könnte dann sagen, dass, wenn die Intension Teil des psychischen Zustandes ist, die Intension des Ausdrucks A zu kennen, und die Intension die Extension determiniert, der psychische Zustand das auf die gleiche Weise tut, insofern die Intension in ihm enthalten ist. Allerdings dürfen wir dabei nicht vergessen, dass auch die Locke’schen „abstract ideas“ urprünglich auf Einzelideen beruhen, welche die Abstraktionsgrundlage bilden und selbst wiederum kausal abhängig sind von entsprechenden bewusstseinsunabhängigen Gegenständen und deren Qualitäten bzw. Kräften. Ausgangspunkt der Bildung von Artbegriffen ist also auch hier nicht das Subjekt, sondern die extramentale Außenwelt. Das Verständnis vom Wissen der Bedeutung als einer privaten mentalen Eigenschaft war jedenfalls einer der zentralen Punkte, gegen den sich „The Meaning of ‘Meaning’“ richten möchte. Denn wie Putnam in seiner „Introduction“ völlig zu Recht betont, ist das Wissen einer Bedeutung nicht möglich für eine Sprecherin in völliger Isolation. Es setzt Interaktio-

1.4 „Grasping a concept.“ Sinn und Verstehen

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nen mit Personen innerhalb einer Sprachgemeinschaft und Dingen in der Welt außerhalb meines Bewusstseins voraus. Somit geht es vielmehr um eine bestimmte Sprachkompetenz im Kontext mit anderen SprachbenutzerInnen, wobei den meisten TeilnehmerInnen die genaue Extension eines sprachlichen Ausdrucks oft gar nicht bekannt ist bzw. sein muss. Diesen Punkt soll vor allem Putnams Ulmen/Buchen-Beispiel verdeutlichen, auf das wir im folgenden Abschnitt zu sprechen kommen. Einen „thinker in isolation“, welcher jene Auffassung epistemischer Privatheit rechtfertigen könnte, nennt uns Putnam in „The Meaning of ‘Meaning’“ hingegen keinen, auch wenn seine Bestimmung der „narrow mental states“ einen solchen nahelegt. Insofern stellt sich die berechtigte Frage, ob Putnam seine internalistischen GegnerInnen tatsächlich adäquat rekonstruiert oder nicht vielmehr seinen eigenen Zwecken entsprechend formt, indem er sie mit VertreterInnen streng subjektiver Erlebnisgehalte und damit verbundener epistemischer Privatheit und Semantik identifiziert. In „The Meaning of ‘Meaning’“ versucht Putnam seine Auffassung eines semantischen Externalismus jedoch dadurch zu stützen, dass er Varianten an den Eigenschaften bestimmter bewusstseinsunabhängiger Gegenstände vornimmt, wie im Fall des H2O/XYZ oder der Vertauschung von Aluminium und Molybdän sowie der darauf bezogenen Ausdrücke. Allerdings sind auch die (Nicht‐)Kenntnis eines Begriffes und seines Bezugsobjektes oder bestimmter physikalischer Eigenschaften einer natürlichen Art keine Fälle von „Denkerinnen in Isolation“, deren Kenntnis sprachlicher Ausdrücke sich auf ihr privates Theater reduziert. Insofern gewinnt man an den Stellen der Einleitung zu Twin Earth Chronicles knapp zwanzig Jahre später den Eindruck, dass Putnam sich hier nicht mehr ausschließlich auf seine damaligen Auffassungen beschränkt. Gestützt wird die These auch durch seine Bemerkung, dass das Wissen um einen Begriff vielmehr ein „knowing how“ als ein „knowing that“ sei, ein Punkt, welcher sich ebenfalls nicht in „The Meaning of ‘Meaning’“ findet. Das „knowing how“ wird hierbei näher beschrieben als das Wissen, wie ich meine Rolle in einem komplexen System sozialer Kooperationen zu spielen habe und grenzt sich ab vom propositionalen Wissen der Eigenschaften eines bestimmten Gegenstandes (zum Verhältnis von „knowing how“ und „knowing that“ siehe insbesondere Ryle 1986: ch. II, 26 – 60). Der Begriff des „knowing how“ im Sinne einer bestimmten Sprachkompetenz innerhalb einer Sprachgemeinschaft wird uns auch in der Qualiadiskussion wiederbegegnen und dabei das zentrale Argument gegen die Verwerfung des Physikalismus auf der Grundlage erkenntnistheoretischer Überlegungen bilden. Betrachten wir daher in den folgenden Kapiteln einige Beispiele, die diese Wissensunterscheidung verdeutlichen und auch als Hinführung zu Putnams Zwillingserdenexperiment dienen sollen, da sie mit diesem einige Ähnlichkeiten, jedoch auch gravierende Unterschiede aufweisen.

2 Zeichen und Referenz 2.1 Ulmen, Buchen und Gold Die Gedankenexperimente, welche Putnam uns zur Untermauerung der Wissensdifferenzierung liefert, sind recht unterschiedlicher Natur. Am Beispiel der Ulme und Buche versucht er zunächst, die Unterscheidung in begriffliche Kompetenz einerseits und fachliches Wissen andererseits zu verdeutlichen. Das Wort „Ulme“ wäre für Putnam ein Wort, bei welchem er zwar über „knowledge of the meaning“ verfügt, obgleich er nicht in der Lage wäre, Ulmen von Buchen zu unterscheiden. Seine intensionale Kenntnis basiert dabei auf den rudimentären Bestimmungen, dass es sich bei Ulmen und Buchen um Laubbäume handelt, die verstärkt in Europa und den USA vorkommen und eine ihm bekannte Höhe haben. Das Wissen in diesem Beispiel bezieht sich also zunächst nicht auf ein unmittelbares Wahrnehmungserlebnis, sondern auf wenige und nicht sehr spezifische intensionale Bestimmungen. Mit Bezug auf die Frage der Bedeutung der Wörter „Ulme“ und „Buche“ spielt ein konkreter, perzipierter Gegenstand hier keine Rolle. Der Punkt des Beispiels scheint vielmehr zu sein, dass bereits eine begrenzte Kenntnis der definitorischen Merkmale einer Art ausreicht, um über begriffliches Wissen zu verfügen, auch wenn uns dieses Wissen nicht in die Lage versetzt, extensionale Elemente zu unterscheiden. Denn die Intensionen, die wir von beiden Ausdrücken kennen, sind die gleichen. Es handelt sich hier für Putnam also um semantisches Wissen einerseits und botanisches Wissen andererseits. Zumindest bemerkt er in der „Introduction“ zunächst: „I possessed what normally counts as ‘knowledge of meaning’ of the word ‘elm’“ (Putnam 1996a: xvi), und betont zugleich, dass er nicht in der Lage war, Ulmen von Buchen zu unterscheiden. Dennoch, „to say that I did not know the meaning of the word ‘elm’, could, pace John Searle, have been to confuse lack of botanical knowledge with lack of linguistic competence.“ (Putnam 1996a: xvi; zur Searle-Putnam-Kontroverse siehe Kapitel II.2.4). Der Bedeutungsbegriff wird in diesem Beispiel also zunächst nicht externalistisch eingeführt. So können wir uns eine Situation vorstellen, in der sich zwei Personen darüber unterhalten, wer mehr über den Begriff der Ulme bzw. Buche weiß. Insofern stellt sich die Frage, ob Putnams Differenzierung in die beiden Wissensformen tatsächlich angemessen ist. Man gewinnt jedenfalls prima facie den Eindruck, Putnam wolle den Bedeutungsbegriff in die beiden Bereiche Intension und Extension aufbrechen und zeigen, dass die Kenntnis der Intension bereits ausreicht, um über semantisches Wissen zu verfügen, ganz unabhängig von der Frage, ob ich in bestimmten Kommunikationssituatonen auch in der Lage bin, den Begriff auf den entsprechenden Gegenstand richtig anzuwenden. https://doi.org/10.1515/9783111241555-003

2.1 Ulmen, Buchen und Gold

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Wenn wir das Beispiel genauer betrachten, fällt zunächst auf, dass Ulmen und Buchen sich in ihrer visuellen Erscheinung nur sehr gering voneinander unterscheiden. Nehmen wir hingegen den Fall einer Tanne und Buche, sind wir ohne weiteres in der Lage, beide Bäume in konkreten Wahrnehmungssituationen zu differenzieren. Und selbst innerhalb der Laubbaumarten können wir diese Unterscheidungen treffen, wenn wir etwa wissen, dass Birken im Gegensatz zu Ulmen einen weißen Stamm besitzen, Eichenblätter über gerundete Wölbungen verfügen etc. Der Ulmen/Buchen-Fall ist hingegen ein sehr spezifischer, aufgrund der Schwierigkeit, wahrnehmbare Differenzen beider Baumarten unmittelbar zu erkennen. Daher hat Putnam wohl auch dieses Beispiel gewählt, um sinnvoll annehmen zu können, die intensionalen Bestimmungen beider Baumtypen unterschieden sich nicht voneinander. Grundsätzlich muss mich das begriffliche Wissen jedoch auch befähigen, die jeweiligen Zeichen auf konkrete Gegenstände anzuwenden und damit auch zum Ausdruck zu bringen, dass ich Objekte voneinander unterscheiden kann. Insofern ist nicht klar, warum Putnam die Kenntnisse von ExpertInnen auf die Seite der Extension zu schlagen scheint und nicht vielmehr der Intension, welche Bestimmungen umfasst wie Laubbaum zu sein und verstärkt dort und dort zu wachsen. Schimmert hier im Hintergrund von Putnams Differenzierung möglicherweise die Unterscheidung zwischen de-dicto- und de-re-Urteilen durch? Aber bedeutet die erweiterte Kenntnis von BotanikerInnen nicht vielmehr, dass sie über eine erweiterte Intension der Wörter „Ulme“ und „Buche“ verfügen, wenn sie etwa wissen, dass sich beide Blattformen im Grad ihrer Gezacktheit unterscheiden? Und ist es nicht genau diese erweitere intensionale Kenntnis, welche sie befähigt, in relevanten Situationen beide Baumarten zu differenzieren? Wenn ich mich also nicht nur, wie oben angedeutet, bei einem neutralen Gespräch über die Begriffe der Ulme und Buche unterhalte, sondern während eines gemeinsamen Spaziergangs behaupte, dort drüben eine Buche zu sehen, dann beziehe ich mich auf ein bestimmtes Gewächs und nicht auf einen bestimmten Begriff. Denn das heißt es ja gerade, die Bedeutung eines Wortes, insbesondere eines referentiellen Ausdrucks erfasst zu haben, wenn ich in der Lage bin, ihn auf entsprechende Bezugsgegenstände richtig (und in schwierigen Fällen gelegentlich auch falsch) anzuwenden. So bemerkt etwa Susanna Schellenberg: Possessing a concept grounds the ability to refer to the external, mind-independent objects or property-instances that the concept is of. This ability involves among other things being able to discriminate between the things that fall under the concept and those that do not. So a subject who possesses the concept of redness must be able to use it to refer to red things, which involves discriminating red things from things that are not red. (Schellenberg 2011: 17)

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2 Zeichen und Referenz

Dabei besteht natürlich stets die Möglichkeit, dass ich mich bezüglich der konkreten Zuschreibung irre. Und gerade hier kommt die Rolle der fachspezifischen ExpertInnen ins Spiel. Am zweiten Beispiel des Begriffes „Gold“ argumentiert Putnam zunächst noch analog zum Ulmen/Buchen-Beispiel. Falls ich nicht einer bestimmten ExpertInnengruppe angehöre (Chemikerinnen, Juweliere, Metallurgen), bin ich zwar nicht in der Lage, verlässlich zwischen Gold und Falschgold zu unterscheiden, kann aber problemlos über Gold sprechen und andere verstehen, die das Wort „Gold“ verwenden. Somit verfüge ich zumindest über ein „knowledge of meaning“ des Ausdrucks. Dieser Fall ist sogar noch spezifischer als das Ulmen/Buchen-Beispiel, da ich keine unmittelbaren Wahrnehmungsdifferenzen erkennen kann, sondern spezifische Hilfsmittel anwenden muss, um Unterschiede sichtbar zu machen. So könnten wir auch hier im Sinne Putnams argumentieren, es genüge nicht, nur die definitorischen Bestimmungen zu kennen. Jedoch steht nach meiner Auffassung nicht primär der Gegenstand im Vordergrund, sondern vielmehr der Gebrauch der entsprechenden sprachlichen Zeichen. Denn ich muss aufgrund meines begrifflichen Wissens auch in der Lage sein, den entsprechenden Ausdruck auf etwas anzuwenden, was sich außerhalb meines Bewusstseins befindet. Das ist der Punkt, an dem die Extension ins Spiel kommt. Denn der Begriff selbst referiert nicht. Und diese intensionalen Bestimmungen ermöglichen es mir etwa, in spezifischen Fällen, Gold von Silber oder Bronze zu unterscheiden oder Edelmetalle von Nichtedelmetallen etc. Darüber hinaus ist für die sprachliche Kompetenz kein spezifischer geistiger Zustand als ontologische Entität anzunehmen, welche exklusiv diese Fähigkeit determiniert. Damit wird keineswegs behauptet, dass nicht ein bestimmter geistiger Zustand das Äußeren des Wortes „Gold“ begleitet, sondern lediglich, dass dieser psychische Zustand nicht die Rechtfertigung dafür liefern kann, warum ich die Bedeutung des Wortes „Gold“ richtig erfasst habe, bzw. richtig zu verwenden imstande bin. Dem würde Putnam sicher zustimmen und scheint es gleichzeitig flächendeckend seiner internalistischen GegnerInnen zu unterstellen. Davidson betont im Zusammenhang der „objects of belief“ entsprechend: [to give up] the idea of treating the grammatical objects in belief sentences as terms that name psychologically real objects, objects known to or entertained by or grasped by the believer. The only object required for the existence of a belief is a believer. Having a belief is not like having a favorite cat, it is being in a state; and being in a state does not require that there be an entity called a state one is in. All that is necessary for the truth of an attitude attribution is that the predicate employed be true of the person with the attitude. (Davidson [1997] 2009d: 74)

2.1 Ulmen, Buchen und Gold

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Diese Bemerkung erinnert auch stark an Wittgensteins Kritik an der Vorstellung vom privaten Besitz mentaler Objekte, in welcher er zeigt, inwieweit man irrtümlicherweise den Ausdruck „haben“ im Sinne des Besitzens physikalischer Gegenstände rekonstruiert: „In ‘I have toothache’ the expression of pain is brought to the same form as a description ‘I have 5 shillings’.“ (Wittgenstein 1993b, PO: 263; vgl. auch Typoscript 303 in Wittgenstein 2000; zur Kritik an „Private Ownership“ und „Epistemic Privacy“ vgl. Hacker 2001: 17– 35, insb. 19 – 33) Gegenüber VertreterInnen einer solchen Auffassung privaten Besitzes und epistemischer Privatheit ontologisch aufgefasster „innerer Objekte“, ist Putnams Kritik also vollkommen gerechtfertigt. Nur scheint das nach meinem Verständnis lediglich eine spezifische Gruppe internalistischer VertreterInnen zu betreffen, auf die sich Putnams These (I) bezieht. Unsere Sprachgemeinschaft schließt selbstverständlich auch ExpertInnen ein, die uns genauen Aufschluss über echtes Gold und falsches Gold geben können. Putnam spricht in diesem Zusammenhang von einer „linguistic division of labor“. Dieser Arbeitsteilung räumt er auch einigen Raum in seinem Essay von 1975 ein. Interessant ist hier, wie auch in anderen Zusammenhängen, allerdings die Frage, inwieweit die Arbeitsteilung bzw. die Rolle von Expertinnen und Experten tatsächlich Einfluss auf mögliche unterschiedliche und erweiterte Bedeutungen des Ausdrucks „Gold“ und seine Verwendung innerhalb einer Sprachgemeinschaft hat. Putnams Punkt scheint auch hier zu sein, dass ich zwar über die Kenntnis einiger „oberflächlicher“ Kennzeichen von Gold verfüge, jedoch nicht in der Lage bin, auf reiner Grundlage meiner Wahrnehmungen und intensionalen Kenntnisse in spezifischen Situationen die Echtheit eines Stückes zu erkennen. Dazu bedarf es wohl genauerer mikrophysischer und chemischer Untersuchungen. Das heißt, anders als im Fall der Laubbäume, sind auch ExpertInnen nicht spontan fähig, Gold von Falschgold zu unterscheiden. Sie bedienen sich daher bestimmter experimenteller Methoden, wie etwa Säuretests, um die Echtheit bzw. den Reinheitsgehalt von Gold festzustellen, oder Münzwaagen zur Bestimmung des Gewichtes. Das ist es, was sie überlichweise von Laien unterscheidet, etwa die Kenntnis, dass Gold auf bestimmte chemische Substanzen anders reagiert als Falschgold, oder dass in vielen Fällen auch Punzen Auskunft über den Goldgehalt geben, sodass hier keine weiteren experimentellen Untersuchungen notwendig sind. Ist es daher nicht vielmehr so, dass gerade dieses ExpertInnenwissen über den Aussagegehalt von Punzen oder bestimmte Säureeigenschaften von Gold etc., SpezialistInnen befähigt, Urteile über spezifische gelbe Metallstücke zu bilden und angemessene Tests anzuwenden? Und wäre es somit nicht naheliegender, anzunehmen, dass sich die Expertise durch ein erweitertes intensionales Wissen erklärt? Oder anders formuliert: Ist Putnams Differenzierung in semantisches und faktisches Wissen tatsächlich angemessen?

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2 Zeichen und Referenz

Wenn ich irrtümlich eine Fälschung für echtes Gold halte, basierend auf meinen eingeschränkten Erfahrungen mit dem Material Gold, ändert die Rolle einer Gold-Expertin dann tatsächlich etwas an der Bedeutung des Wortes „Gold“ oder macht sie nicht vielmehr nur auf eine falsche Einschätzung des Metalls aufmerksam? Gerade hier wird doch die Unterscheidung zwischen der Bedeutung eines Wortes einerseits und seiner richtigen bzw. falschen Anwendung andererseits deutlich. Man könnte dann die Aussage einer Expertin vermuten wie „Dieses Stück ist bedauerlicherweise kein echtes Gold“ oder „Material mit sehr geringem Goldgehalt“ oder „nur vergoldet“ etc., wobei die Bedeutung des Ausdruckes „Gold“ in jenen Äußerungen gerade derjenigen einer kompetenten Sprecherin innerhalb einer Sprachgemeinschaft entspräche, die sich nicht aus ExpertInnen zusammensetzt. Denn natürlich kennt auch die Expertin die nicht-wissenschaftliche Verwendung des Wortes und verfügt lediglich über ein erweitertes Wissen der Intension des Ausdrucks. Ich, als Laie, hätte nur eine falsche Zuschreibung vollzogen, welche sich jedoch innerhalb eines bestehenden Begriffsrahmens vollzieht und nicht auf eine Bedeutungsalternative verweist, wie beispielsweise die Ordnungszahl von Gold, die chemische Zusammensetzung von Wasser oder die Identität von Licht und Photonenströmen, wie Kripke später argumentieren wird (siehe Kapitel III.4). Die Kenntnis bestimmter physikalischer oder chemischer Eigenschaften eines Klumpens Gold kann also mein entsprechendes intensionales Wissen erweitern, obgleich Putnam die chemische Struktur, wie wir im Fall des Wassers sehen werden, gerade nicht der Intension zuordnet. Nach der hier vorgestellten Auffassung wird mich die Erweiterung meiner Kenntnis des Goldbegriffs hingegen künftig eher davon abhalten, in unsicheren Situationen weitere, möglicherweise falsche Zuschreibungen zu vollziehen, mich auf öffentlichen Märkten oder Straßen auf Goldgeschäfte einzulassen etc. Ein Bedeutungswandel oder eine semantische Alternative ist hier jedenfalls nicht zu erkennen. Eine linguistische Arbeitsteilung wäre daher wohl nur durch die Behauptung zu rechtfertigen, die Extension sei die Bedeutung bzw. Teil der Bedeutung eines sprachlichen Ausdruckes, und dass ich als Laie, der ich die genaue Extension des Wortes „Gold“ nicht kenne, auch seine Bedeutung (im Sinne der Extension) nicht zu erfassen befähigt bin. Das entspräche ganz einer streng referentiellen Semantik. Oder aber ich zähle die Kenntnisse der ExpertInnen zur erweiterten Intension des Wortes, und genau dadurch würde sich die Tatsache erklären, dass ihre Verwendungen des Ausdrucks schlicht weniger fehlerhaft ausfallen, bzw. bei eindeutigen Identifizierungs- und Differenzierungskriterien nicht fehlreferieren. Diese Auffassung lehnt Putnam jedoch ab. Bereits Locke macht an einigen Stellen seines Essays darauf aufmerksam, dass die komplexen Ideen bei verschiedenen Menschen voneinander weit abweichen können, abhängig von dem jeweiligen Wissensstand und eigenen zugrundeliegen-

2.1 Ulmen, Buchen und Gold

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den Forschungen etc. Er betont jedoch zugleich, dass sie auch mit der Kenntnis nur einer geringen Anzahl von Qualitätsbestimmungen natürlicher Arten in der Lage sind, an alltäglichen Gesprächen darüber teilzuhaben: […] Men are far enough from having agreed on the precise number of simple Ideas, or, Qualities belonging to any sort of Things, signified by its name. Nor is it a wonder; […]. Most Men, wanting either Time, Inclination, or Industry enough for this, even to some tolerable degree, content themselves with some few obvious and outward appearances of Things, thereby readily to distinguish and sort them for the common Affairs of Life: And so, without further examination, give them names, or take up the Names already in use. Which, though in common Conversation they pass well enough for the signs of some few obvious Qualities co-existing, are yet far enough from comprehending, in a settled signification, a precise number of simple Ideas; much less all those which are united in Nature. (Locke 2011: III, vi, 30; 457)

Solche äußeren Erscheinungen wären etwa die Farbe oder Gestalt, die wir in vielen Fällen von natürlichen Arten als grundlegend auffassen (vgl. Locke 2011: III, vi, 29; 456). Diese Überlegungen, die wir bereits in Hume gesehen haben, sind auch auf Putnams Beispiel übertragbar. Denn Locke betont ebenfalls explizit die Fähigkeit, auf der Grundlage der Kenntnis bestimmter Ideen, Dinge bzw. in der Formulierung Lockes Erscheinungen von Dingen zu differenzieren bzw. in ein Ordnungssystem zu integrieren („readily to distinguish and sort them“, Locke 2011: III, vi, 29; 456). Auch Michael Dummett verweist in seiner Diskussion der Verwendung von Ortsnamen auf Putnams „linguistic division of labor“ und dessen Beispiele von „Gold“ und „Temperatur“, für die beide gilt: [both] serve as words of everyday discourse and as technical and theoretical terms, and of which the first use is held responsible to the second: everyday speakers acknowledge that, if a chemist or goldsmith says that a substance is not gold, than it is not. Of such words, some people, namely the experts, know the entire meanings, since they also know the everyday use. It is just that we count ordinary speakers as fully understanding the words, even though they acknowledge the superior authority of the experts over how to apply them. (Dummett 2014: 138)

Dieses Verständnis im Fall des Wortes „Gold“ berechtigt auch Laien, etwa Gold von anderen Metallen oder Nicht-Metallen zu unterscheiden, insofern es sich nicht um für das bloße Auge ununterscheidbares Falschgold handelt. Mit Bezug auf die Verwendung von Ortsnamen ist ein vollständiges Wissen darüber nach Dummett hingegen nicht möglich. Hier haben wir den klarsten aller Fälle, „in which the use of language exists only as interwoven with a multitude of non-linguistic practices“ (Dummett 2014: 138). Solche Praktiken hängen etwa mit der Frage potenzieller Anreiseoptionen zusammen, wie der Nutzung von Straßen, dem Vorhandensein von Flughäfen, Bahnhöfen, Reisebüros etc. Dieser Punkt lässt sich

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auch auf Putnams Beispiele anwenden, denken wir etwa nur an den Abbau oder den Handel mit Gold. Und es sind gerade diese Praktiken, die in den hier diskutierten Gedankenexperimenten entweder vernachlässigt werden oder überhaupt nicht in die Überlegungen zum Begriff der Bedeutung eingehen. Dummett erwähnt auch die den semantischen Diskurs mitbestimmende Unterscheidung von Alltagsgebrauch einerseits und Verwendung innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses andererseits und betont dabei explizit die Beziehung beider Gebräuche zueinander („the first use is held responsible to the second“). Diese differenten Diskurse werden uns auch bei Russells Differenzierung in „private space“ und „physical space“ oder Kripkes Diskussion theoretischer Identitäten wieder begegnen (vgl. Kapitel II.4.1 und III.4). Dabei soll vor allem gezeigt werden, dass es nicht um die Frage gehen kann, ob eine rein physikalisch-wissenschaftliche Bedeutung eines Ausdruckes die „richtige“ und eine rein erfahrungsbedingte die „falsche“ sei bzw. vice versa. Es geht vielmehr um die Erkenntnis, dass beide Verwendungen, wenn wir sie nicht in eine Relation zueinander setzen, sondern in diesem strengen, einander strikt ausschließenden Sinn verstehen, tatsächlich über etwas anderes sprechen, das heißt, über physikalische Entitäten einerseits und Gegenstände unserer alltäglichen Erfahrungswelt andererseits. Das scheint zumindest eine der Konsequenzen aus Putnams H2O/XYZ-Beispiel oder Kripkes Diskussion theoretischer Identitätssätze (vgl. Kripke [1972] 1981: Lectures II und III; vgl. dazu auch Kapitel III.4), eine Auffassung, die einen wesentichen Kritikpunkt der hier vorgestellten Untersuchnungen bildet. Denn auch Putnams externalistische Auffassung am Beispiel des Goldes wirft die zentrale Frage auf nach der Differenzierung zwischen der Bedeutung eines Wortes einerseits und wahren (bzw. falschen) Urteilen innerhalb eines semantischen Bezugsrahmens andererseits. Denn käme nach Putnam nicht jede falsche Zuschreibung tatsächlich der Sichtbarwerdung einer alternativen Bedeutung gleich? Dieser Punkt wird besonders in den diversen Twin-Earth-Experimenten deutlich. Wenn es jedoch nur um Situationen geht, in denen ich irrtümlich etwas Goldartiges bzw. Falschgold als echtes Gold auffasse, kann dieses Faktum alleine die Bedeutung des Wortes „Gold“ tangieren? Nach meinem Verständnis gälte das nur dann, wenn eine Sprachgemeinschaft permanent fehlreferierte, wie wohl das Beispiel der Flüssigkeit mit der chemischen Formel XYZ verdeutlichen soll, basierend auf der irrtümlichen Annahme, dass die in Seen und Flüssen enthaltene, vom Himmel herabregnende, durstlöschende, durchsichtige, durch unterirdische Kanalsysteme fließende Flüssigkeit der Zwillingserde nicht aus den Elementen XYZ sondern aus Wasserstoff und Sauerstoff bestünde. Auch Putnams Auffassung von „natural kind terms“ als quasi-indexikalische Ausdrücke stützt diese Vermutung offensichtlich. Überhaupt wird nicht nur an diesem Beispiel in „The Meaning of ‘Meaning’“ die Frage zu stellen sein, welche Konsequenzen sich aus seiner Bestimmung von Bedeutung für das begriffliche

2.2 Aluminium und Molybdän. „Switches of Words“ und „Switches of Meanings“

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Verständnis und die damit intern verknüpfte Anwendung sprachlicher Ausdrücke ergeben.

2.2 Aluminium und Molybdän. „Switches of Words“ und „Switches of Meanings“ Die Rolle der Referenzgegenstände wird auch in Putnams folgenden Erläuterungen seiner „Introduction“ deutlich, wenn er darauf verweist, dass für die Bedeutung nicht nur die SprecherInnen einer Sprachgemeinschaft wesentlich sind, sondern auch die dazugehörige Umwelt, einschließlich der Dinge, auf die wir uns in konkreten Sprechsituationen beziehen. Die wesentliche Rolle des Bezugsgegenstandes versucht Putnam am Beispiel der Ausdrücke „Aluminium“ und „Molybdän“ zu erläutern: Nehmen wir nach Putnam zunächst an, die beiden Wörter wurden auf einer Zwillingserde versehentlich vertauscht. Das heißt, „Aluminium“ bedeutet dort Molybdän und „Molybdän“ bedeutet Aluminium. Diese Annahme ist zunächst recht ungewöhnlich, denn die faktischen Bestimmungen auf der Erde (E) und der Zwillingserde (ZE) bleiben gleich, lediglich die sprachlichen Ausdrücke haben sich geändert. Wir haben es hier also nicht mit einem analogen Fall zu Wittgensteins Gedankenexperiment zu tun, in welchem einer Person über Nacht alles Rote blau und alles Blaue rot erscheint. Wie nun haben wir uns diesen Wortwechsel tatsächlich vorzustellen? Betrachten wir dazu als erstes die Formulierung des Experiments in seiner Originalfassung in „The Meaning of ‘Meaning’“, denn dort wird das Gedankenexperiment etwas anders eingeführt: Zunächst wissen wir nicht, ob man aus Molybdän auch Pfannen und Töpfe herstellen kann. Wäre eine solche Produktion möglich, dann wüssten wir nicht, ob bzw. wie sich Pfannen und Töpfe aus Aluminium von solchen aus Molybdän unterscheiden, obgleich wir mit den sprachlichen Ausdrücken „Aluminium“ und „Molybdän“ vertraut sind. Aus dieser Anfangsbedingung formuliert Putnam nun die offensichtlich allgemein geltende Tatsache „that molybdenum pots and pans can’t be distinguished from aluminum pots and pans save by an expert.“ (Putnam 1996b: 11) Insofern erinnert dieses Beispiel zunächst stark an den Fall des Goldes bzw. Falschgoldes. Nur Metallurgen, Juweliere, Goldschmiede oder andere Expertinnen könnten uns sagen, ob es sich bei einem Klumpen, der Oberflächeneigenschaften von Gold besitzt, tatsächlich um Gold oder vielmehr um Katzengold handelt. Wir haben es also auch hier mit einem Beispiel zu tun, in welchem die beiden infrage stehenden Bezugsobjekte einen so hohen Grad an Ähnlichkeit aufweisen, dass Laien in der Regel nicht in der Lage sind, ohne Zuhilfenahme technischer oder

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anderer Geräte zu urteilen, ob es sich bei einer konkreten Pfanne um Aluminium oder Molybdän handelt. Auch hier sind, wie in allen anderen Beispielen, die Intensionen deckungsgleich und nur ExpertInnen sind befähigt, die Extension der Wörter „Aluminium“ und „Molybdän“ zu bestimmen. So stellt sich auch hier die Frage, inwieweit dieses Experiment die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke tangiert und nicht vielmehr den Wahrheitswert von Sätzen, die das Wort beinhalten. Nun fügt Putnam die weitere Annahme mit Bezug auf die beiden Metalle ein, dass Molybdän bzw. Molybdängeschirr auf der Zwillingserde ähnlich verbreitet und gebräuchlich sei wie Aluminium auf der Erde und vice versa. „We will now suppose that molybdenum is as common on Twin Earth as aluminum is on Earth, and that aluminum is a [sic!] rare on Twin Earth as molybdenum is on Earth. In particular, we shall assume that ‘aluminum’ pots and pans are made of molybdenum on Twin Earth.“ (Putnam 1996b: 12) Bereits hier scheint Putnam allerdings seinen Anspruch eines Zwillingserdenszenarios zu verletzen, anders als im Fall des Wassers, da alleine die Verbreitung und Nutzung der beiden Metalle auf E und ZE gänzlich verschieden sind. Und das hätte natürlich zusätzliche, weitreichende Konsequenzen, etwa, was die Nachfrage und den Wert der Metalle angeht, ihre Verarbeitung, ihren Handel an der Börse und andere damit verbundene praktische Konsequenzen. Wir haben hier also zwei bewohnte Planeten, die über unterschiedliche Metallvorkommen verfügen, deren SprachteilnehmerInnen allerdings auf beiden Erden offensichtlich dieselbe Sprache beherrschen. Den bereits angedeuteten Wortwechsel zwischen „Aluminium“ und „Molybdän“ führt Putnam hier als Abschlussannahme ein: „Finally, we shall assume that the words ‘aluminum’ and ‘molybdenum’ are switched on Twin Earth: ‘aluminum’ is the name of molybdenum and ‘molybdenum’ is the name of aluminum.“ (Putnam 1996b: 12) Wie wir uns diesen Switch vorzustellen haben, lässt Putnam hier bedauerlicherweise gänzlich offen. Was wohl nicht gemeint sein kann, ist die Annahme, dass auf ZE das Wort „Aluminium“ schon immer Molybdän bedeutet hat, denn dann hätten wir lediglich ein gleiches Zeichen, eine gleiche Buchstabenfolge, für zwei unterschiedliche, wenngleich ähnliche, Metalle. In diesem Fall müsste Putnam auch annehmen können, zwei Personen seien im selben psychischen Zustand, wenn sie den Satz äußern „Wir treffen uns bei der Bank in der Glacisstraße“, wenn Person 1 damit die Bank Austria meint und Person 2 die Parkbank in der Nähe des Geldinstitutes. Insofern kann es auch keine Relevanz für die Bedeutung der Ausdrücke „Aluminium“ und „Molybdän“ haben, dass nur ExpertInnen genau sagen können, um welches Metall es sich im Einzelfall handelt. Offensichtlich denkt Putnam also eher an einen unerklärlichen, nächtlichen Switch der Ausdrücke, analog zu Wittgensteins erstem „harmlosen“ Beispiel des intrapersonalen inversen Spektrums.

2.2 Aluminium und Molybdän. „Switches of Words“ und „Switches of Meanings“

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Allerdings ist sich die betroffene Person dort bewusst, dass etwas mit ihrer Wahrnehmung passiert sein muss, wendet sie doch weiterhin die Begriffe „blau“ und „rot“ in gewohnter Weise an, etwa in der Form „Die blaue Kohle wirkt heute auf einmal so kühl auf mich“. Putnams Beispiel ist hingegen so angelegt, dass sich an den Gegenständen, also den Pfannen und Töpfen, nichts ändert mit Bezug auf ihre materiale Beschaffenheit oder die Wirkung, die sie für die auf ZE lebenden wahrnehmenden Subjekte verursacht, im Gegensatz zur blau scheinenden Kohle. Nach seiner Vorstellung ändert sich lediglich die vorhandene Quantität der Metalle, sind doch auf der Erde die meisten metallenen Kochgeschirre aus Aluminium und auf der Zwillingserde aus Molybdän. Darüber hinaus ist, abgesehen von MetallexpertInnen, niemand in der Lage, Aluminium von Molybdän zu unterscheiden und die SprecherInnen der ZE-Sprachgemeinschaft sind sich des Switches der Wörter offensichtlich nicht bewusst. Es handelt sich also weder um einen Einzelfall wie in Wittgensteins Beispiel, noch um einen Fall genereller Fehlreferenz, wie das H2O/ XYZ-Experiment veranschaulichen soll, denn nur diese scheint für die Frage alternativer Bedeutungen eines Wortes relevant. So betont Putnam selbst einen entscheidenden Unterschied zwischen seinem Aluminium/Molybdän-Beispiel und dem Wasserexperiment: An Earthian metallurgist could tell very easily that ‘aluminum’ was molybdenum, and a Twin Earthian metallurigst could tell equally easily that aluminum was ‘molybdenum.’ […] Whereas in 1750 no one on either Earth or Twin Earth could have distinguished water from ‘water,’ the confusion of aluminum with ‘aluminum’ involves only a part of the linguistic communities involved. (Putnam 1996b: 12)

Das heißt im Metallbeispiel haben wir nur Fälle partieller Fehlreferenz, bezogen auf die Gruppe der Laien, im Kontext des Wassers vor 1750 hingegen waren selbst die ExpertInnen nicht in der Lage, XYZ von H2O zu unterscheiden. Hier liegt also ein Beispiel genereller bzw. permanenter Fehlreferenz vor. Nehmen wir den Wechsel der beiden Metallbezeichnungen ernst, dann dürfte er eigentlich nicht nur die Gruppe der Laien betreffen, sondern auch jene der ExpertInnen. Sagten sie vor Tag T des Switches, diese Pfanne sei aus Molybdän, sagen sie nach Tag T, die Pfanne bestünde aus Aluminium, da vor Tag T „Aluminium“ Aluminium bedeutete und nun durch den Wortwechsel Molybdän. Meine „Aluminium“-Aktien wären nun „Molybdän“-Aktien, ohne dass sich an ihrem Wert etwas ändert, alle mit „enthält Molybdän“, „made of molybden“ etc., ausgezeichneten Pfannen und andere Gegenstände sind nun ausgewiesen mit „enthält Aluminium“, „made of aluminum“ etc. Wenn sich die SprachteilnehmerInnen dieses Switches nicht bewusst sind, so bleibt alles gleich, auch die intensionalen Bestimmungen, etwa, dass die meisten Pfannen und Töpfe aus dem entsprechenden Metall bestehen etc. Nur die Buchstabenfolge des Bezeichnungsausdrucks ist eine andere. Dann ist

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allerdings nicht zu erkennen, in welcher Weise dieses Experiment den semantischen Externalismus stärken sollte, denn auf beiden Erden beziehe ich mich in konkreten Sprechsituationen mit einem bestimmten Wort auf ein bestimmtes Metall. Bei Putnam gewinnt man hingegen einen anderen Eindruck, wenn er explizit die Notwendigkeit betont, dass, um überhaupt Aluminium zu meinen, wenn man das Wort „Aluminium“ ausspricht, das Referenzobjekt auch tatsächlich Aluminium sein müsse. Hier scheint es vielmehr so, dass das Metall als die Bedeutung des Wortes „Aluminium“ die Rechtfertigung für die Verwendung des Wortes liefert bzw. liefern muss, so, als ob eine interne Verknüpfung nur zwischen einem referentiellen Ausdruck und seinem Bezugsobjekt bestünde. Hier geht es also nicht um die Frage wahrer oder fehlerhafter Zuschreibungen, die aufgrund gleicher oder ähnlicher Oberflächeneigenschaften von Aluminium und Molybdän zustande kommen können, sondern darum, dass eine Sprachgemeinschaft offensichtlich die Bedeutung eines Ausdruckes nicht kennen kann, wenn sie ihn ausnahmslos auf falsche Bezugsobjekte anwendet. Die Frage ist allerdings, ob hier überhaupt ein Fall permanenter Fehlreferenz vorliegt, räumt Putnam doch immerhin den ExpertInnen ein, Aluminium eindeutig von Molybdän unterscheiden zu können. Wenn den Bewohnern des Zwillingsplaneten bekannt ist, dass die meisten Pfannen dort aus Molybdän bestehen, dann dient die ExpertInnenmeinung nur in Einzelfällen dazu, das richtige Material zu identifizieren, sollte es sich etwa um die Ausnahme einer Aluminiumpfanne handeln. Und da auf der Zwillingserde das Wort „Aluminium“ Molybdän bedeutet und vice versa, korrigieren die ExpertInnen lediglich die falsche objektbezogene Überzeugung eines Laien, indem sie eine Pfanne aus Aluminium identifizieren und bemerken, „Diese Pfanne besteht ausnahmsweise aus Molybdän und nicht aus Aluminium“. In seiner knapp zwanzig Jahre später erschienen Einleitung zu The Twin Earth Chronicles hingegen gibt uns Putnam eine vage Idee, wie sich der Switch der beiden Wörter vorstellen ließe: „I imagined at one point that the word ‘aluminum’ and ‘molybdenum’ had their meanings unintentionally switched by English speaking colonists on another planet“ (Putnam 1996a: xvi–xvii). Auch hier finden wir also den Begriff des Switches, nur bemerkt Putnam an dieser Stelle, dass er nicht die Wörter selbst, sondern deren Bedeutung betrifft. Diese Abweichung vom ursprünglichen Experiment bleibt nur dann ohne Konsequenzen, wenn die Bedeutung in nichts anderem besteht als dem Referenzobjekt selbst. Darüber hinaus enthält es implizit die Zusatzannahme, dass sich auch die Vorkommnisse beider Metalle auf der Erde und der Zwillingserde nicht mehr gleichen, da sich beide Mengenverhältnisse ebenfalls entsprechend umkehren müssen. Denn die Ausgangsannahme, dass die meisten Töpfe und Pfannen auf E aus Aluminium bestehen, würde bei einem reinen Wortwechsel auch weiterhin für ZE gelten, die Extension bliebe also konstant, nur dass wir uns auf das Material mit einem anderen Ausdruck beziehen. Werden

2.2 Aluminium und Molybdän. „Switches of Words“ und „Switches of Meanings“

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hingegen die Referenzobjekte geswitcht, heißt das auch, dass auf ZE die meisten Pfannen nicht mehr aus Aluminium bestehen, sondern aus Molybdän, ungeachtet der Tatsache, dass die Sprachgemeinschaft auf ZE zur Bezugnahme auf Aluminium nun das Wort „Molybdän“ verwendet. Verantwortlich für diesen Wechsel sind also mögliche Fremde, Reisende oder Kolonisten, welche in ignoranter Weise das Wort „Aluminium“ auf Molybdän und nicht auf Aluminium anwenden. Nun können wir uns natürlich fragen, warum sie das tun und welchen Einfluss das auf die BewohnerInnen der Zwillingserde haben kann. Im Zusammenhang dieses Bedeutungswechsels verweist Putnam zum besseren Verständnis auf einen historischen Kontext: „(Something like this happened when English-speaking colonists came to the United States and ignorantly applied words like ‘sparrow’ to species of birds which are not called ‘sparrows’ in England)“ (Putnam 1996a: xvi–xvii). Naheliegend wäre hier also die Annahme, dass die Kolonisten in Analogie zum Fall ähnlicher Oberflächeneigenschaften von Haus- und Weidensperlingen auch aufgrund der sinnlichen Ununterscheidbarkeit von Aluminium und Molybdän, das Wort „Aluminium“ fälschlicherweise auf Molybdän anwenden, sowie sie auch den Ausdruck „Haussperling“ irrtümlich zur Bezeichnung von Weidensperlingen gebrauchen. Richtet sich ihre Ignoranz dann aber nicht vielmehr auf die dort lebende Kommunikationsgemeinschaft als auf die entsprechenden Vogelarten? Und haben die Kolonisten nicht auf ihrem Heimatplaneten zunächst die etablierte Alltagsverwendung der Ausdrücke gelernt, welche sie nun „ignoranterweise“ und fälschlicherweise in ihrer neuen Kolonie auch auf Vögel anderer Art anwenden? Wäre das eroberte Gebiet seither völlig unbewohnt und sprachlich „inaktiv“ gewesen, eine Annahme, die wir bei Putnam zumindest nicht explizit vorfinden, würde das Experiment ganz in Analogie zum Wortwechsel von „Aluminium“ und „Molybän“ hinsichtlich möglicher Bedeutungsverschiebungen gar nichts zeigen. Ob die Kolonisten im nun neu besetzten und noch unbewohnten Gebiet den Ausdruck „Aluminium“ zur Bezeichnung von Molybdän einführen und umgekehrt, hätte keine praxisrelevanten Folgen, gälten für die Intensionen von „Aluminium“ auf der Erde die gleichen Bestimmungen wir für „Molybdän“ im neu besetzten Gebiet. Auch die Funktion der dort nun ansässigen ExpertInnen bliebe gleich, das heißt beispielsweise, in spezifischen Kontexten Laien auf falsche Zuschreibungen aufmerksam zu machen. Sollte jemand nach Etablierung des Bedeutungswechsels („Aluminium“ bedeutet nun Molybdän und umgekehrt) etwa irrtümlich eine Molybdänpfanne als „Molybdänpfanne“ bezeichnen und litt unter einer (nun bezeichneten) „Aluminiumallergie“ gegen Material aus Molybdän, würde die Expertise ihr dann vom Kauf dieser Pfanne abraten. Putnams Beispiel wirft allerdings noch weitere Fragen auf, weil gar nicht so klar ist, wie weit die Analogie tatsächlich gedacht sein soll: Nehmen wir an, in

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England gäbe es neben Spatzen bzw. Haussperlingen auch Weidensperlinge. In England wenden die EinwohnerInnen darüber hinaus in der Regel für beide Arten auch die entsprechenden Bezeichnungen in korrekter Weise an. Aufgrund ihrer optischen Ähnlichkeit unterlaufen dabei gelegentlich auch Fehler. Nach der Besiedlung eines Gebietes in Nordamerika bezeichnen die Kolonisten aus Ignoranz fortan unter Verwendung des Wortes „Haussperling“ bzw. „English sparrow“ eine Sperlingsart, die in England nicht mit dem Namen „English sparrow“, sondern mit „Spanish sparrow“ bzw. „Willow sparrow“ benannt wird. Gehen wir weiter davon aus, dass es im besetzten Gebiet sowohl Haus- als auch Weidensperlinge gibt und von den einheimischen BewohnerInnen für beides auch die entsprechenden Bezeichnungen verwendet werden. Was kann das Beispiel dann noch zeigen, außer die Ignoranz der englischen Siedler? Und diese wäre wohl recht leicht zu identifizieren und zu korrigieren. Dadurch, dass die Richtigkeit der Zuschreibung hier von der Beziehung auf die entsprechende Vogelart bestimmt ist, ließe sich durch Korrektur die Ignoranz der englischen Siedler verringern bzw. vermeiden. Was aber ändert sich dadurch für die Bedeutung der Wörter „Haussperling“ und „Weidensperling“ bzw. ihre englischen Synonyme? Bezieht sich dort nun flächendeckend der Ausdruck „Haussperling“ vielmehr auf Weidensperlinge? Oder sowohl auf Haus- als auch auf Weidensperlinge? Und selbst wenn diese Sprachregelung einheitlich für die Kolonisten im besetzten Gebiet gelten würde, was ändert es an der Verwendungsweise der dort lebenden Bevölkerung? Gleiches scheint für den Fall der Kolonisten zu gelten, wenn Putnam bemerkt: „[…] that the word ‘aluminum’ and ‘molybdenum’ had their meanings unintentionally switched by English speaking colonists on another planet“ (Putnam 1996a: xvi–xvii). In diesem Szenario verwenden die Kolonisten, nehmen wir die Analogie zu den „Sparrow Colonists“ ernst, offensichtlich zunächst genau wie die ErdbewohnerInnen die Ausdrücke „Aluminium“ für Aluminium und „Molybdän“ für Molybdän. Zumindest würde das den unbeabsichtigten „switch“ der Bedeutung erklären. Oder kannten sie vor ihrer Besetzung die Bedeutungen der beiden Ausdrücke etwa gar nicht oder in anderer Weise? So scheint es ohne weitere Zusatzannahmen auch hier naheliegend, dass die Wortverwechslung nur auf der oberflächlichen Ununterscheidbarkeit der beiden Metalle beruht, die sich allerdings einfach durch ExpertInnenmeinungen korrigieren ließe. Gleiches gälte für die ähnliche Optik von Haussperlingen und Weidensperlingen. Nehmen wir Putnams historisches Beispiel zur besseren Veranschaulichung des Wortwechsels ernst, ist auch nicht erkennbar, warum die englischen Kolonisten, wenn sie einen fremdes Gebiet okkupieren und irrtümlicherweise das Wort „sparrow“ auf eine andere Vogelart anwenden als die eigentliche, auf die sich die UreinwohnerInnen in richtiger Weise beziehen, dennoch im gleichen psychischen Zustand sein sollen, wie SprecherInnen des besetzten Gebiets, nur weil sich der

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psychische Zustand hinsichtlich seiner Terme nicht unterscheidet. Denn schließlich wären sie etwa in der Lage, entsprechende fehlerhafte Bezugnahmen der Kolonisten gegebenenfalls zu korrigieren. Also auch hier gilt nur die kriteriale Bestimmung enger Zustände als Rechtfertigung gleicher Zustände, da demnach sämtliche extramentalen Gegenstände Zustände, Abläufe etc. für den semantischen Gehalt der internen Repräsentation keine Rolle spielen dürfen. Man gewinnt hier also, im Gegensatz zur ursprünglichen Formulierung des Gedankenexperimentes, den Eindruck, dass es zu keinem ganzheitlichen Switch der beiden Ausdrücke auf ZE kam, sondern, dass die Wortverwechslung lediglich von Einreisenden importiert wurde und sich von ExpertInnen jederzeit korrigieren ließe. Darüber hinaus ist es unplausibel, anzunehmen, dass sich der Wortwechsel nun künftig auf ZE durchsetzen könnte, über alle bereits genannten Gepflogenheiten im Umgang mit den beiden Metallen hinweg. Denn natürlich sind etwa der krebserregende Aluminiumgehalt in Körperpflegeprodukten, der unterschiedliche Verbreitungsgrad, möglicherweise abweichende Wiedergewinnungsprozesse, der Marktwert der Stoffe etc. etablierte Determinanten beider Metalle und wesentlich mitverantwortlich für die richtige und falsche Verwendung der entsprechenden Ausdrücke. Putnams Erklärungsversuch als Kritik an der internalistischen Tradition verläuft hingegen wieder nur unter Bezugnahme auf mit diesen Wörtern verbundenen Assoziationen, also, allgemein gesprochen, bestimmten geistigen Zuständen oder Gehirnzuständen. Putnams Annahme folgend, dass ich mit dem Wort „Aluminium“ Ähnliches assoziiere, wie mit dem Ausdruck „Molybdän“, wäre es denkbar, sich zwei Sprecherinnen auf der Erde und der Zwillingserde vorzustellen, welche beim Aussprechen des Satzes, „Dieser Kessel ist aus Aluminium“ im selben Gehirnzustand wären, zumindest in den relevanten Aspekten. Dennoch würde eine der beiden sagen, der Kessel sei aus Aluminium, die andere hingegen, er sei aus Molybdän. Dieser Punkt ist zunächst insofern interessant, als dass Putnam hier, wie bereits angedeutet, von identischen Hirnzuständen spricht und nicht mehr von gleichen mentalen Zuständen, wie es noch in „The Meaning of ‘Meaning’“ der Fall war. Der Wandel hängt wohl, wie wir bereits gesehen haben (vgl. Kapitel I.1.3) mit der Schwierigkeit zusammen, zu bestimmen, was es heißen soll, „im gleichen mentalen Zustand“ zu sein, bilden dort doch psychische Zustände im Kontext eines „narrow mental states“ (Putnam 1996a: XVIII) die Basis, in welchem sich allerdings die Redeweise von „identischen psychischen Zuständen“ nicht adäquat rekonstruieren lässt. Die Bestimmung „im selben relevanten Hirnzustand zu sein“ wäre hingegen eine potenzielle Antwort gegen solche Einwände gleicher Zustände (vgl. Waismann 1976: 53 – 59, insb. 56). Für Putnam wird derselbe relevante Hirnzustand seiner beiden Hauptdarsteller allerdings wohl weiterhin ausschließlich über die Kenntnis der intensionalen

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Bedeutung bestimmt. Ganz entsprechend der Kritik an der möglichen Identität enger psychischer Zustände, kann man allerdings auch im Fall gleicher Hirnzustände den Einwand starkmachen, dass solche Zustände nicht wesentlich dazu beitragen, die richtigen Verwendungsweisen eines Wortes zu kennen, natürlich unbestritten der Tatsache, dass sich auch etwas in meinem Gehirn bzw. meinem Bewusstsein abspielt, wenn ich ein bestimmtes Wort ausspreche und ich über ein funktionsfähiges Gehirn verfüge. Aber können diese, einen Sprechakt begleitenden Zustände meines Gehirns als Rechtfertigungsinstanzen für meine Wortverwendung dienen, wenn ich gar keinen unmittelbaren erfahrungsartigen Zugang zu meinen Gehirnvorgängen habe? Insofern stellt sich auch die Frage nach der Relevanz möglicher gleicher Hirnzustände für die Bestimmung der extensionalen Bedeutung. Für die Plausibilität der Putnam’schen Argumente gegen den Internalismus sind sie jedoch wesentlich, da sie, gleich der Intension, die Extension sprachlicher Ausdrücke festlegen. Oder wie er selbst die Funktion seines Twin-Earth-Gedankenexperimentes beschreibt: „That psychological state does not determine extension will now be shown with the aid of a little science fiction“ (Putnam 1996b: 9), bzw. allgemein gesprochen stellt Putnam uns vor die Wahl „to give up the idea that psychological state (in the narrow sense), determines intension, or to give up the idea that intension determines extension“ (Putnam 1996b: 9). Nur insofern wir also Putnams Skizzierung internalistischer Positionen zustimmen, ist seine Kritik daran berechtigt und treffend. Das heißt jedoch keineswegs, dass sich die externalistische Alternative dadurch als die „richtige“ ausweist. Das Zwillingserdenexperiment bedarf deshalb zweier Personen, die sich unabhängig von ihrem Aufenthaltsort in nichts unterscheiden, um überhaupt sinnvoll von zwei gleichen psychischen Zuständen bzw. Hirnzuständen sprechen zu können. Und daher sind Putnams zwei Welten auch keine alternativen kontrafaktischen Welten, sondern tatsächliche Planeten, die wir auch bereisen können, in welchen sich ExpertInnen beider Erden austauschen und gegebenenfalls korrigieren können etc. Insofern unterscheidet sich das Zwillingserdenexperiment wesentlich vom Konzept möglicher Welten, wie wir im späteren Verlauf dieser Untersuchungen noch sehen werden. Wenn wir uns daher fragen, ob Putnams Aluminium/Molybdänoder H2O/XYZ-Experiment auch im Kontext einer Möglichen-Welten-Konstellation rekonstruieren ließe, müssen wir zumindest zwei Dinge bedenken: Zum einen gibt es in Putnams Beispielen zwei Welten mit zwei Kommunikationsgemeinschaften und zwei Sprachen, die sich zunächst in nichts unterscheiden dürfen. Diese Konstellation erlaubt allerdings auch die wechselseitige Option der Korrektur sprachlicher Verwendungen oder potenzieller Fehlreferenz, wenn wir aktiv in das Experiment eingreifen und sprachliche oder gegenständliche Variationen auf nur einem Planeten vornehmen. Das haben die bisherigen Diskussionen von Gold und den beiden Metallen zu zeigen versucht. Die vorgenommenen Variationen mit Bezug auf

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die faktische Welt können allerdings nicht wie im Fall kontrafaktischer Welten nur durch die Option der widerspruchsfreien Denkbarkeit erklärt werden, da es sich bereits um zwei gegebene Welten handelt. Dieser Punkt wird oft dadurch aufzufangen versucht, dass man schlicht annimmt, auf der Zwillingserde verhielten sich bestimmte Dinge anders als auf der Erde. Die Annahme wird allerdings meist nicht weiter kommentiert oder argumentativ gerechtfertigt. Eine solche Schwierigkeit besteht im Kontext alternativer möglicher Welten nicht, weil die Optionen gerade durch die alternativen Bestimmungen definiert sind. Denn im Kontext kontrafaktischer Welten gibt es zunächst nur eine, unsere faktische Welt und alternative Welten als potenzielle Variationen. Mögliche Welten lassen jedoch im Unterschied zu Zwillingserden keine Korrekturen partieller Fehlreferenzen zu. Die Sprache unserer faktischen Welt wird schlicht auf eine kontrafaktische übertragen. Das wiederum impliziert das Problem, wie ich einen sprachlichen Ausdruck in einer alternativen Welt rechtfertigen will, in welcher der entsprechende Bezugsgegenstand gar nicht existiert. Dieser Punkt wird uns in der Diskussion Kripkes über die notwendige Identität „Der Abendstern = Morgenstern“ wieder begegnen, die aufgrund ihres Notwendigkeitsanspruchs auch für mögliche Welten ohne die Venus gelten muss. Zweitens fasst Putnam, wie wir bereits I.1.3. gesehen haben, die engen psychischen Zustände als „öffentlich“ auf, in dem Sinne, dass zwei Personen, auch zu unterschiedlichen Zeiten, im gleichen psychischen Zustand sein können. Und diese Option ist grundlegend für alle Twin-Earth-Experimente. Gäbe es nur Oskar 1 und eine kontrafaktische Welt, können wir dann noch sinnvoll von gleichen psychischen Zuständen sprechen, wenn die „narrow mental states“ einer Person im Kontext eines methodischen Solipsismus rekonstruiert werden? Denn der Aspekt der „Öffentlichkeit“ mentaler Zustände und somit auch der dadurch gewährleistete öffentliche Charakter der gesprochenen Sprache sind in der Situation nur einer Person in einem solipsistischen Kontext nicht gegeben. In diesem fehlt uns ein öffentliches Kriterium, welches uns erlaubt, begründet zu behaupten, eine Person befände sich in einem gleichen psychischen Zustand, denn nur das Subjekt selbst wäre in der Lage, zu entscheiden, ob es sich um einen identischen oder verschiedenen Zustand handle. Und wenn es ihm schiene, als sei es der gleiche Zustand, dann wäre er es auch. Oder wie Wittgenstein im Kontext der Möglichkeit einer privaten Sprache bemerkt: Denken wir uns eine Tabelle, die nur in unsrer Vorstellung existiert; etwa ein Wörterbuch. Mittels eines Wörterbuchs kann man die Übersetzung eines Wortes X durch ein Wort Y rechtfertigen. Sollen wir es aber auch eine Rechtfertigung nennen, wenn diese Tabelle nur in der Vorstellung nachgeschlagen wird? – „Nun, es ist dann eben eine subjektive Rechtfertigung.“ – Aber die Rechtfertigung besteht doch darin, daß man an eine unabhängige Stelle appelliert. – „Aber ich kann doch auch von einer Erinnerung an eine andre appellieren. Ich weiß (z. B.) nicht, ob ich mir die Abfahrzeit des Zuges richtig gemerkt habe und rufe mir zur Kontrolle das

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Bild der Seite des Fahrplans ins Gedächtnis. Haben wir hier nicht den gleichen Fall?“ – Nein; denn dieser Vorgang muß nun wirklich die richtige Erinnerung hervorrufen. Wäre das Vorstellungsbild des Fahrplans nicht selbst auf seine Richtigkeit zu prüfen, wie könnte es die Richtigkeit der ersten Erinnerung bestätigen? (Wittgenstein 1989a, PU: § 265; vgl. auch Munz und Ritter 2017: 95 – 96)

Und einige Paragraphen zuvor heißt es aus dem Munde seines Gegners: „Eine Definition dient doch dazu, die Bedeutung eines Zeichens festzulegen. – Nun, das geschieht eben durch das Konzentrieren der Aufmerksamkeit; denn dadurch präge ich mir die Verbindung des Zeichens mit der Empfindung ein.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 258) Wittgensteins Erwiderung darauf macht auf den Punkt aufmerksam, dass das Konzentrieren der Aufmerksamkeit die Funktion erfüllen muss, stets die richtige Verbindung zwischen Empfindung und sprachlichen Ausdruck wiederherzustellen. Ansonsten wäre eine solche Zeremonie zwecklos. Die Schwierigkeit einer solchen Rekonstruktion liegt jedoch darin begründet, dass die Identifizierung und damit verbundene Rechtfertigung nur subjektiver Natur sein kann, da es keine öffentlichen Kriterien gibt zur Beurteilung, ob das Wort auch jedesmal richtig angewendet wird. Denn, so Wittgenstein: „,Ich präge sie mir ein‘ kann doch nur heißen: dieser Vorgang bewirkt, daß ich mich in Zukunft richtig an die Verbindung erinnere. Aber in unserm Falle habe ich ja kein Kriterium für die Richtigkeit. Man möchte hier sagen: richtig ist, was immer mir als richtig erscheinen wird. Und das heißt nur, daß hier von ,richtig‘ nicht geredet werden kann.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 258) Betrachten wir nun Putnams Aluminium/Molybdän-Beispiel, wie er es in seiner zwanzig Jahre späteren Einleitung rekonstruiert, genauer, müssen wir gleich zu Beginn zwischen den bereits genannten zwei alternativen Fällen unterscheiden. Insofern bestärkt das unsere bisherigen Überlegungen. Denn eingeleitet wird das Beispiel mit der Annahme, dass sich die Assoziationen etwa eines englischen Auswanderers mit dem Wort „Aluminium“ nicht sehr von den Assoziationen, die er mit dem Wort „Molybdän“ verbindet, unterscheiden. Diese Assoziationen sollen allerdings nicht eo ipso als Teile einer intensionalen Bestimmung von „Aluminium“ bzw. „Molybdän“ aufgefasst werden, sondern lediglich die Ausgangslage des Beispiels skizzieren. Über die infrage stehenden Assoziationen selbst macht Putnam keine Angaben. Lediglich in Klammern vermerkt er: „ […] if we prescind from the knowledge that pots and pans are often made of aluminum and not of molybdenum – but we can also imagine that on the colony, pots and pans are normally made of molybdenum“ (Putnam 1996a: xvii). Genau diese Bemerkung scheint also auch hier aus dem einen Fall tatsächlich zwei zu machen: Der erste wäre ein solcher, in welchem auch auf der Zwillingserde die meisten Pfannen aus Aluminium sind der zweite einer, in welchem sich genau diese Bestimmung zu der Tatsache verkehrt,

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dass auf der Zwillingserde die meisten Pfannen aus Molybdän und nicht aus Aluminium bestehen, bedingt durch die eingeräumte Zusatzannahme in Klammern. Dann wäre natürlich die Frage zu stellen, ob zwei Personen, nennen wir sie Oskar 1 und Oskar 2, Kenntnis von diesem Faktum haben und dieses Wissen durch entsprechende Assoziationen bestimmt ist, welche sie mit den Ausdrücken „Aluminium“ bzw. „Molybdän“ verbinden. Wenn dem so wäre, ist schwer zu sehen, in welchem Sinne Oskar 1 und Oskar 2 im selben mentalen Zuständen sein sollten. Gleiches könnte man über die Kolonisten sagen, denn wenn auf ZE die Verbreitung der mit Hausspatzen bzw -sperlingen zu verwechselnden Weidensperlingen weiter größer ist als auf der Erde, dann wären sie sicher auch vorsichtiger im Umgang mit dem Wort „Spatz“ bzw. „sparrow“. Darüber hinaus scheint das Beispiel auch in Putnams Explikation seiner Einleitung nicht zu implizieren, dass die beiden Metalle auf der Erde E und der Zwillingserde ZE vertauscht wurden, wenn wir seine Parallele der englischen Einwanderer ernst nehmen, welche lediglich ein falsches Wort auf die Vögel des Einwanderungslandes anwendeten, die nicht der Spezies der Spatzen angehörten. Die Behauptung, dass die meisten Pfannen und Töpfe aus Aluminium bestehen, gilt gleichermaßen für beide Erden, und nur der zweite Klammereinschub, wir könnten uns auch vorstellen, dass auf ZE die meisten Pfannen und Töpfe aus Molybdän bestehen, erzeugt ein alternatives zweites Szenario. Wenn wir im ersten Fall zunächst von der Kenntnis jener Tatsache absehen, dann kann die Einführungsprämisse, die Bedeutungen beider Ausdrücke seien auf E und ZE vertauscht, wohl nur meinen, dass sie auf beiden Erden eine verschiedene Extension haben, da Putnam keine intensionale Bestimmung beider Metalle angibt, welche die Bedeutung beider Ausdrücke fixiert, abgesehen von der Häufigkeit ihrer Verwendung, welche allerdings keine Rolle spielen darf. Insofern kann uns Putnam im Anschluss nur auffordern, anzunehmen, beide seien im selben Hirnzustand zumindest in allen relevanten Aspekten, wenn sie beide in einer bestimmten Situation den Satz „Dieser Topf besteht aus Aluminium“ aussprechen. Wenn wir hier nun ausschließlich von der Vertauschung der beiden sprachlichen Ausdrücke ausgehen, dann verwenden beide dasselbe Wort, hier „Aluminium“, um auf zwei verschiedenen Metalle Bezug zunehmen, nämlich auf Aluminium auf E und Molybdän auf ZE. Und insofern meinen sie trivialerweise auch etwas anderes, da Oskar 2 mit der Aussage ja gerade zum Ausdruck bringt, dass die Pfanne aus dem Element Molybdän besteht. Dann ist aber keineswegs gezeigt, dass sich beide im selben „brain state“ befinden, nur aufgrund der Tatsache, dass beide dieselbe Wortfolge aussprechen. Wenn derselbe Ausdruck auf zwei Erden verschiedenes bezeichnet, nur aufgrund eines Switches, dann meinen beide Oskars auch etwas anderes, einerseits Aluminium und andererseits Molybdän. Das gälte entsprechend für sämtliche Fälle von Homonymie bzw. Aquivokation.

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Gehen wir im Weiteren davon aus, dass nicht nur die meisten, sondern alle Pfannen und Töpfe auf E aus Aluminium bestehen und ebenso auf ZE (gemäß den Bestimmungen für den ersten Fall), dann ist Oskars 1 Behauptung, diese Pfanne sei aus Aluminium richtig und die von Oskar 2 falsch, da er ja unter Verwendung des Ausdrucks „Aluminium“ behauptet, sie sei aus Molybdän. Beide hätten dann eine wahre bzw. eine falsche Meinung, welche sich durch ExpertInnen korrigieren ließe. Wären sie dann aber auch wirklich im selben mentalen Zustand oder „brain state“? Mit Frege könnten wir die Frage eindeutig verneinen, da ein und derselbe Gedanke nicht zwei verschiedene Wahrheitswerte haben kann. Insofern können beide auch nicht denselben Gedanken erfasst haben und sich daher diesbezüglich auch nicht im selben Zustand befinden. Insofern ist Bedeutungsverschiedenheit hinreichend für eine Verschiedenheit der Gedanken. Daraus folgt jedoch keineswegs Sinngleichheit bei Bedeutungsgleichheit, was sich aus dem eingeschränkten Bereich der Bedeutung von Sätzen bzw. Gedanken erklärt, welcher sich in den Gegenständen des Wahren und Falschen erschöpft. Im Zusammenhang mit dem Problem informativer Identitätssätze bemerkt Frege daher: […] daß Gleichheit der Bedeutung nicht die Gleichheit des Gedankens zur Folge hat. Wenn wir sagen „der Abendstern ist ein Planet, dessen Umlaufszeit kleiner ist als die der Erde“, so haben wir einen anderen Gedanken ausgedrückt als in dem Satze ‚der Morgenstern ist ein Planet, dessen Umlaufszeit kleiner ist als die der Erde‘; denn, wer nicht weiß, daß der Morgenstern der Abendstern ist, könnte den einen für wahr, den andern für falsch halten. (Frege [1891] 2011a: 132)

Die Bedeutung der beiden Sätze ist allerdings dieselbe, da die beiden Teilausdrücke „Morgenstern“ und „Abendstern“ dasselbe bedeuten, den entsprechenden Himmelskörper. Im Fall von Sätzen gilt daher das Substitutionsprinzip Salva-veritate: „Wenn man in einem Satze oder Satzteile einen Bestandteil durch einen gleichbedeutenden, aber nicht gleichsinnigen Bestandteil ersetzt, hat der abgeänderte Satz oder Satzteil dieselbe Bedeutung wie der ursprüngliche, aber nicht denselben Sinn. Alles dies gilt von der gewöhnlichen, nicht von der ungeraden Rede“ (Frege 1969 g: 276). Gleiches gilt entsprechend für Namen und Begriffswörter: „Wie also Eigennamen desselben Gegenstandes unbeschadet der Wahrheit einander vertreten können, so gilt dasselbe auch von Begriffswörtern, wenn der Begriffsumfang derselbe ist“ (Frege 1969b: 128), bzw. anders formuliert, wenn sie auf dieselben Gegenstände zutreffen. Zur Wahrung des Salva-veritate-Prinzips in den angedeuteten, spezifisch intensionalen Kontexten der oratio obliqua, argumentierte Frege daher konsequenterweise, dass der eigentliche Sinn nicht-intensionaler Kontexte an Stelle der Wahrheitswerte die Rolle der Bedeutung übernehme: In diesen Fällen ist der Gedanke die Bedeutung des Satzes und nicht mehr sein Wahrheitswert: „Der Satz drückt dann den Gedanken nicht aus, sondern kann als dessen Eigenname ange-

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sehen werden“ (Frege 1969 g: 276). Ersetze ich in solchen Kontexten einen Teilausdruck durch einen anderen gleicher Bedeutung, (etwa „Morgenstern“ durch „Abendstern“), muss der ganze Satz dann nicht mehr den gleichen Wahrheitswert haben, abhängig davon, ob die Sprecherin, welche den Satz äußert, weiß, dass die beiden sprachlichen Zeichen bedeutungsgleich im Sinne der Extension sind. Das gilt natürlich auch für andere Arten propositionaler Einstellungen, wenn A glaubt, hofft, wünscht, bezweifelt etc., dass p. Wir hätten dann verschiedene Namen für verschiedene Gedanken bzw. Bedeutungen und wieder keinen Fall von Intensionsgleichheit und Extensionsverschiedenheit. Unabhängig von Frege finden wir einen ähnlichen, wenn auch ganz anders rekonstruierten Punkt in Tyler Burges Gedankenexperiment, in welchem ein Wort wie „Arthritis“ in zwei verschiedenen Welten Verschiedenes bezeichnet und dadurch die unterschiedlichen Gedanken bzw. Meinungen eines Erdenbewohners und eines Zwillingserdenbewohners bestimmen (vgl. Burge [1979] 2007a; [1982] 2007b). Nun könnte man einwenden, dies sei auch Putnams These. Das ist hier allerdings nicht der Punkt, denn vielmehr stellt sich die Frage, warum wir noch behaupten können, Oskar 1 und Oskar 2 seien im selben Gehirnzustand, außer, dass wir es, wie bereits mehrfach betont, einfach annehmen, da eine solche Annahme keinen offensichtlichen Widerspruch impliziert. Im zweiten Fall hingegen, in welchem nicht nur die sprachlichen Ausdrücke vertauscht wurden, sondern auch die Tatsache, dass auf ZE alle Pfannen und Töpfe aus Molybdän sind, meinen Oskar 1 und 2 ebenfalls etwas anderes, nämlich dass einerseits die Pfanne aus Aluminium bestehe (auf E) und andererseits aus Molybdän (auf ZE). Dann ist allerdings auch nicht klar, warum beide im selben Hirnzustand sein sollten, wiederum nur, weil sie dieselbe Wortfolge verwenden. Im Unterschied zum ersten Fall liegen hier nun zwei wahre Meinungen vor. Wenn darüber hinaus Oskar 1 und 2 davon Kenntnis haben, dass alle Pfannen aus Aluminium bzw. Molybdän sind, und sie aufgrund dessen urteilen, diese spezielle Pfanne sei aus Aluminium bzw. Molybdän, ist ebenfalls nicht ersichtlich, warum sich beide im selben Hirnzustand befinden sollten, nur aufgrund der Verwendung derselben sprachlichen Ausdrücke. Denn sie wissen ja zwei verschiedene Tatsachen. Wir sehen somit auch hier, wie alleine die Annahme, es lägen identische Zustände vor, das Experiment überhaupt funktionieren lässt, obgleich nicht zu erkennen ist, wie sich diese Annahme rechtfertigen ließe (vgl. Putnam 1996b: 12). Der Unterschied liegt also wiederum in den Möglichkeiten partieller Fehlreferenzen und nicht in den Bedeutungen der Ausdrücke „Aluminium“ und „Molybdän“, welche nur dann zum Zuge kämen, lägen permanente Fehlbezüge vor, wie bei der Flüssigkeit, welche aus XYZ besteht. In seiner Kritik an Searle hat man allerdings, wie wir noch sehen werden, durchaus den Eindruck, dass Putnam die Gleichheit bzw. Verschiedenheit von in-

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tentionalen Gehalten im Sinne Searles ausschließlich an den sprachlichen Ausdrücken festmacht, die einen Teil dieses Gehaltes bilden (vgl. Putnam 1996a: xix und Kapitel II.2.4). Putnam fährt fort mit den Worten: To mean aluminum when one uses the word “aluminum”, I argued, it is not enough to have certain associations, certain mental images, etc. it is necessary that the metal referred to in the linguistic community by that name actually be aluminum, and whether that is the case depends on whether one has certain direct or indirect interactions with aluminum itself, including interactions that go through experts in one’s community. (Putnam 1996a: xvii).

Natürlich impliziert die Sprachkompetenz ganz wesentlich, wie bereits mehrfach betont, dass man sich mit einem Ausdruck auf die Gegenstände bezieht, welche die entsprechende Bezeichnung tragen. Denn daran zeigt sich ja gerade, ob eine Sprachteilnehmerin, die der deutschen Sprache mächtig ist, einen Ausdruck beherrscht und somit richtig anwendet oder nicht. Wenn ihr dabei Fehler unterlaufen, können sie die anderen Gesprächsteilnehmerinnen entsprechend korrigieren. Sollte sie hingegen das Wort regelmäßig falsch anwenden, dann sind wir zu der Auffassung berechtigt, sie kenne die Bedeutung des Ausdrucks nicht. Putnams Gedankenexperiment ist wohl nicht von der ersten Art, da es sich hier offensichtlich nicht um einzelne Fehlanwendungen eines Wortes handelt, wie im Fall des Goldes bzw. Falschgoldes, sondern um eine echte Bedeutungsalternative der Wörter „Aluminium“ und „Molybdän“. Das heißt, was hier offensichtlich ausgeschlossen sein soll, ist die Tatsache, dass wir uns gelegentlich darin irren können, wenn wir entweder sagen oder meinen, dieser Topf sei aus Aluminium, und sich herausstellt, dass er aus Molybdän besteht. Denn das hieße keineswegs, wir hätten die Bedeutung dieser Ausdrücke nicht erfasst, auch unabhängig von der Frage, ob man „etwas zu meinen“ als den Ausdruck eines psychischen (bzw. physischen) Zustandes bestimmt oder nicht. Somit wird hier der permanenten Fehlanwendung eines Wortes die permanente Fehlreferenz gegenübergestellt, die wie in Situationen des durchgängigen Scheiterns, ein Wort richtig anzuwenden, ganz analog verdeutlichen soll, dass wir von einer Person, die stets auf etwas anderes referiert, nicht sinnvoll sagen können, sie habe in irgendeiner Weise die Bedeutung des Referenzterms erfasst. Was sich nun bei der Aufdeckung der neuen Tatsache auf der Zwillingserde ändern würde, wären wohl nicht die Bedeutungen der Ausdrücke „Aluminium“ und „Molybdän“, sondern vielmehr die Kenntnis des Faktums, dass die meisten Pfannen und Töpfe dort aus Molybdän und nicht, wie irrtümlich angenommen, aus Aluminium bestünden. Wenn sich dieser Irrtum jedoch nur auf Aluminium- und Molybdän-Laien bezieht, dann wäre es wiederum kein Fall permanenter Fehlreferenz wie bei XYZ, sondern lediglich partiell falscher Bezugnahme.

2.2 Aluminium und Molybdän. „Switches of Words“ und „Switches of Meanings“

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Die Bedeutung des Ausdruckes „Molybdän“ bzw. „Aluminium“ nach dem Switch könnte natürlich um die Bestimmung erweitert werden, dass alle Pfannen und Töpfe auf ZE aus diesem Material bestehen. Das heißt, die eigentliche Schwierigkeit liegt hier darin, dass die Möglichkeit besteht, falsche Überzeugungen zu korrigieren. Es handelt sich also nicht um eine abgeschottete Welt, in welcher auf unerklärliche Weise lediglich zwei Ausdrücke gewechselt wurden bei Beibehaltung aller anderen Bestimmungen und die ZwillingserdenbewohnerInnen ihr Leben und ihre Kommunikation einfach weiterführen, ohne dass sich durch diesen Switch etwas änderte. Die Annahme einer echten zweiten Erde ermöglicht vielmehr, dass potenzielle Einreisende die ZwillingserdenbewohnerInnen auf diesen Wortwechsel aufmerksam machen könnten und er korrigierbar wäre. Und diese Option räumt Putnam selber explizit ein, wenn er etwa in der Ursprungsversion (Putnam 1996b) bemerkt, Molybdän und Aluminium seien ununterscheidbar „save by an expert“ bzw. „[a]n Earthian metallurgist could tell very easliy that ‘aluminum’ was molybdenum, and a Twin Earthian metallurgist could tell equally easily that aluminum was ‘molybdenum’“ (Putnam 1996b: 11 – 12), wobei die Anführungszeichen die Verwendung auf der Zwillingserde andeuten sollen. Üblicherweise ist auch den Herstellern von Pfannen das verwendete Material bekannt und wird auf Etiketten entsprechend ausgewiesen, etwa aus Schutz vor möglichen Allergien oder anderen Erkrankungen, beispielsweise aufgrund krebserregender Inhaltsstoffe. Darüber hinaus werden Aluminium und Molybdän am Aktienmarkt anders gehandelt. Käme Oskar 1 im zweiten Fall zum Beispiel mit allen seinen Aluminiumaktien auf die Zwillingserde, um sie zu veräußern, wären sie dort aufgrund ihres seltenen Vorkommens sicher weit höher im Kurs als auf E. Wenn sich die von Putnam eingeführten Tatsachen über Nacht vertauschten, hätte diese neue Konstellation sicher auch Konsequenzen für die künftige Produktion und Nachfrage von Pfannen, wohl aber nicht für die Verwendung der Wörter „Aluminium“ und „Molybdän“, unter der Annahme, dieser wechselseitige Tatbestand würde entdeckt, auch wenn er sich wissenschaftlich nicht erklären ließe. So zeigt sich auch hier wieder deutlich die irreführende Anwendung der Ceteris-paribusAnnahme, bei der sich nur eine zu untersuchende Variable ändert unter Konstanthaltung anderer Determinanten, welche in einen spezifischen Lebens- und Sprachkontext eingebettet sind bzw. entsprechende Voraussetzungen bilden. Oder aber, gemäß Putnams Variante 1, bezeichnet das Wort „A-l-u-m-i-n-i-u-m“ auf der Zwillingserde einfach das Material, welches uns in unserer Sprachgemeinschaft eingeschlossen aller ExpertInnen als Molybdän bekannt ist. Denn die willkürliche Verbindung zwischen einem sprachlichen Ausdruck und seinem Bezugsgegenstand ermöglicht auch die Freiheit, dasselbe Ding in unterschiedlichen Sprachgemeinschaften unterschiedlich zu benennen. So könnten die Kolonisten im neu gewonnenen Gebiet etwa die im deutschsprachigen Raum bekannten grünen

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2 Zeichen und Referenz

Bohnen fortan als „Fisolen“ bezeichnen oder Blumenkohl als „Karfiol“, wenn die Gewächse die entsprechenden intensionalen „Erden“-Bestimmungen erfüllen. Darüber hinaus, wenn ich ein Wort wie „Aluminium“ verwende und auch Aluminium meine, – und warum sollte ich das Wort verwenden, wenn ich damit etwas anderes meine, außer in Fällen, in denen ich die Bedeutung des Ausdrucks nicht kenne? – bedarf es dazu, wie bereits mehrfach betont, nicht notwendigerweise bestimmter „bedeutungsstiftender“ Assoziationen oder geistiger Bilder, sondern einer Fähigkeit, Wörter auf entsprechende Referenzobjekte anzuwenden. Daraus folgt aber keineswegs Putnams externalistisches Verständnis von „meinen“. Denn „Meinen“ in seinem Sinne scheint vielmehr zu bedeuten, etwas richtig zu bezeichnen, bzw. nicht fehlerhaft zu referieren. Das hat sicher auch mit der Eigentümlichkeit und damit verbundenen Schwierigkeit des englischen Wortes „meaning“ und „mean“ zu tun, was im Deutschen sowohl mit „meinen“ als auch „bedeuten“ übersetzt werden kann (zu den unterschiedlichen Spielarten von Bedeutung siehe auch Millikan 2004, insb. ix–xi). Aber unabhängig davon, wenn ich sage, es handle sich bei dieser Pfanne um Aluminium, obwohl sie tatsächlich aus Molybdän besteht, habe ich keine „indirekte oder direkte Interaktion“ mit Aluminium, da hier eine fehlerhafte Zuschreibung vorliegt. Das heißt jedoch keineswegs, dass ich deshalb den Ausdruck „Aluminium“ in einer anderen Bedeutung verwende, da ich nach Putnam ja tatsächlich Molybdän meine. Um diesen Punkt noch einmal deutlich zu machen: Wenn die Bedeutung eines sprachlichen Ausdruckes durch entsprechende Regeln angegeben wird, welche seine Anwendung bestimmen, sind wahre und falsche Aussagen innerhalb des dadurch abgesteckten Bedeutungsspektrums möglich, abhängig davon, ob ich den entsprechenden Bezugsgegenstand richtig oder falsch identifiziere. Wird hingegen die Bedeutung nicht auf diese Weise bestimmt, sondern, ausgehend von der Substanz oder natürlichen Art, lässt sich nicht mehr adäquat die Unterscheidung zwischen der Bedeutung eines Ausdrucks einerseits und wahren und falschen Zuschreibungen andererseits explizieren. Mit anderen Worten müsste ich in den entsprechenden Gedankenexperimenten Putnams eigentlich davon ausgehen, dass tatsächlich permanent fehlreferiert wird. Das gälte allerdings nur für den Fall, dass nicht die beiden Wörter „Aluminium“ und „Molybdän“ vertauscht wurden, sondern die beiden Metalle, das heißt, dass alles, was auf ZE bisher aus Aluminium bestand nun aus Molybdän wäre und vice versa. Wenn hingegen nur die Ausdrücke sich austauschen, dann meint Oskar 2 mit Aluminium eben gerade deshalb etwas Anderes und zwar zu Recht, weil das Wort etwas anderes bezeichnet. Und so dürfte Putnams behauptete Intensionsgleichheit lediglich durch die Verwendung desselben sprachlichen Ausdrucks gerechtfertigt sein. Das müsste allerdings im Grunde für alle reinen Äquivokationen gelten.

2.3 „Wasser“, H2O und XYZ

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Wir haben hier also einen anderen Fall als den des falschen Goldes. Tatsächlich liegt hier gar kein Fehler vor unter der Annahme, dass die meisten Pfannen auf der ZE tatsächlich aus Molybdän sind. Wenn ich sage, dass die meisten Pfannen auf ZE aus Aluminium sind und die Buchstabenkombination „A-l-u-m-i-n-i-u-m“ Molybdän bedeutet, dann sage ich in der Tat, dass die Pfannen dort aus Molybdän sind. Zur Mehrdeutigkeit sprachlicher Ausdrücke bemerkt Putnam entsprechend: „The problem of a word’s having more than one sense is standardly handled by treating each of the senses as a different word (or rather, by treating the word as if it carried invisible subscripts, thus: ‘rabbit1’ animal of a certain kind; ‘rabbit2’ – coward; and as if ‘rabbit1’ and ‘rabbit2’ or whatever were different words entirely).“ (Putnam 1996b: 5). Insofern zeigen die vorangegangenen Diskussionen, dass Putnams Aluminium/ Molybdän-Experimente in beiden alternativen Fällen keine argumentative Schlagkraft haben. Ein bloßer Wortwechsel ohne Berücksichtigung irgendwelcher praktischer Folgen erscheint als reines Spiel mit Wörtern, ohne die Rolle der Extension zu berühren, oder aber räumt immer auch die Möglichkeit der Korrektur partieller Fehlreferenzen ein, wie das Beispiel der englischen Kolonisten zeigt. Eine Variation der Bedeutungen hingegen bricht das Gebot des Zwillingscharakters und ist ohne Berücksichtigung bzw. unter Ausklammerung der damit verbundenen faktischen Konsequenzen nicht durchführbar. Dieses Fazit ist insofern überraschend, als dass externalisitsche Semantiken zwar immer die zentrale Rolle extramentaler Faktoren wie Umwelt, soziales Umfeld, Kommunikationsgepflogenheiten etc. betonen, diesen Faktoren in den eigentlichen Gedankenexperimenten allerdings kein oder nur sehr geringes Gewicht zukommt.

2.3 „Wasser“, H2O und XYZ Das wohl berühmteste Beispiel aus „The Meaning of ‘Meaning’“ ist Putnams Gedankenexperiment der beiden Zwillingserden, die Flüssigkeiten mit unterschiedlichen chemischen Substanzen enthalten, ansonsten aber ununterscheidbar sind. Da wir uns am Ende dieses Kapitels noch einmal genauer mit diesem Experiment beschäftigen werden, möchte ich hier nur auf die Stelle aufmerksam machen, welche Putnam in seiner Einleitung zu The Twin Earth Chronicles zitiert. Dort führt er erstmals die neue Flüssigkeit ein, die ebenfalls „Wasser“ genannt wird, allerdings eine andere, sehr komplexe chemische Struktur besitzt, die wir der Einfachheit halber mit „XYZ“ abkürzen. Unter normalen Temperatur- und Druckzuständen soll diese Flüssigkeit von Wasser ununterscheidbar sein, das heißt etwa, dass sie nach Wasser schmeckt, Durst löscht, in Seen und Meeren enthalten ist und in Form von Regen niedergeht. Bereits hier fällt auf, dass sich Putnam ausnahmslos auf Eigen-

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schaften beruft, die prinzipiell erlebbar sind und sowohl die Intension des Ausdruckes „H2O“ als auch „XYZ“ bestimmen. Das gilt hingegen nicht für die chemische Zusammensetzung, weder für Sauerstoff und Wasserstoff noch für die Bestandteile X, Y, Z und die anderen darin enthaltenen Elemente. Bei späterer genauerer Betrachtung dieses Falles müssen wir daher untersuchen, inwieweit die Putnam’sche Substanz mit ihrer möglichen Erfahrbarkeit zusammenhängt, das heißt, ob bzw. in welchem Sinne uns die unterschiedlichen Bestandteile der Flüssigkeit in potenziellen Wahrnehmungserlebnissen gegeben sein können (siehe Kapitel II.3 und II.4). Dieser Punkt wird auch in Putnams Aluminium/Molybdän-Beispiel nicht klargemacht, da wir in dem Experiment nichts darüber erfahren, ob uns (abgesehen von ExpertInnen) der Unterschied dieser beiden Metalle in irgendeiner Form erfahrungsgemäß zugänglich ist, etwa in Form von Unverträglichkeiten, Allergien etc. Da in beiden Welten das Wort „Wasser“ zur Kennzeichnung der verschiedenen Flüssigkeiten verwendet wird, könnte man zunächst den Eindruck gewinnen, „Wasser“ bedeute in beiden Welten tatsächlich dasselbe, gestärkt durch die Zusatzannahme, dass sich Oskar 1 und Oskar 2 im selben geistigen Zustand befinden. Allerdings, so Putnam weiter: „The supposition will be corrected when it is discovered that ‘water’ on Twin Earth is XYZ, and the Earthian spaceship will report somewhat as follows ‘On Twin Earth, the word ‘‘water’’ means XYZ’.“ (Putnam 1996a: xvii) An dieser Stelle wird zunächst die Putnam’sche Gleichsetzung der Bedeutung eines Ausdrucks, mit dem, was er bezeichnet bzw. worauf er referiert, sehr deutlich. So bemerkt etwa auch Wittgenstein im Tractatus: „Der Name bedeutet den Gegenstand. Der Gegenstand ist seine Bedeutung.“ (Wittgenstein 1989a, TLP: 3.203) Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der Report des Erde-Raumschiffes tatsächlich besagen wird, die Bedeutung des Wortes „Wasser“ sei XYZ. Denn Putnam spricht davon, dass die Mannschaft des Erdenschiffs bei der Landung auf der Zwillingserde zunächst davon ausging, „Wasser“ hätte dort dieselbe Bedeutung wie auf der Erde, diese Annahme aber korrigiert würde, sobald man entdeckte, dass die vermeintliche Flüssigkeit eigentlich XYZ sei. Nun könnte man mit Putnams Formulierung annehmen, dass dieses Faktum auf der Zwillingserde bereits bekannt sei, zumindest seit dem Zeitpunkt als auch die chemische Zusammensetzung des Erdenwassers entdeckt wurde, um 1750. Dann wäre allerdings zu fragen, ob diese Tatsache nicht auch Teil der Intension des Ausdruckes „Wasser“ bilde, was allerdings verhindere, dass sich Oskar 1 und Oskar 2 im selben psychischen Zustand befinden könnten. Die Frage, warum die Beschreibung „Wasser besteht aus zwei Wasserstoff- und einem Sauerstoffatom“ auf der Erde nicht Teil der Intension des Ausdruckes „Wasser“ ist, diskutiert Putnam jedenfalls an keiner Stelle. Gleiches gilt für die Bestandteile von XYZ. Man würde dann, anders als Putnam, eher vermuten, dass die bisher auf beiden Erden existierende, übereinstimmende Auffassung über Wasser nach der

2.3 „Wasser“, H2O und XYZ

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Entdeckung revidiert werden müsse, da es sich bei beiden Flüssigkeiten nicht um die gleiche handle. Der Bericht würde dann nicht lauten „‚Wasser‘ auf ZE bedeutet XYZ“, sondern eher: „Das, was dort vom Himmel regnet, die Flüsse, Seen und Meere füllt und Menschen gegen den Durst trinken etc., besteht aus XYZ“. Das würde noch immer die beiden Möglichkeiten erlauben, zu sagen. „Wasser besteht dort aus XYZ“, wobei die Bedeutung des Ausdrucks „Wasser“ sich dann auf seine definitorischen Bestimmungen beziehen müsste. Wäre die Bedeutung von Wasser hingegen wesentlich durch seine Extension bestimmt, hieße jene Aussage nichts anderes als: „Das Wort ‚Wasser‘ ist gleichbedeutend mit ,XYZ‘“, obgleich Putnam in einer Fußnote betont, „Wasser“ und „XYZ“ seien keine Synonyme (vgl. Putnam 1996a: xxii). Im ersten Fall wäre dann allerdings zu klären, ob XYZ tatsächlich unter den Begriff des Wassers fällt oder ob man nicht eher sagen würde: „Das, was auf der Zwillingserde vom Himmel regnet, die Flüsse, Seen und Meere füllt und Menschen dort gegen den Durst trinken etc, ist kein Wasser“, obgleich wir nicht in der Lage wären, die Flüssigkeiten ohne Untersuchungen mittels eines Mikroskops voneinander zu unterscheiden. Bereits an diesen kurzen Bemerkungen wird der entscheidende Unterschied zwischen Frege und Carnap einerseits bzw. zwischen Putnam und Kripke andererseits deutlich. Nach der Auffassung, dass der Sinn bzw. die Intension die Bedeutung bzw. Extension festlegt und unter der Annahme, dass die chemische Zusammensetzung Teil der Intension ist, wäre die Flüssigkeit in der Zusammensetzung aus zwei Wasserstoff- und einem Sauerstoffatom und den bereits genannten Oberflächeneigenschaften, das, was die Bedeutung des Worts „Wasser“ bestimmt. In einer möglichen Welt, in welcher der Sinn des Ausdrucks „Wasser“ abweicht von den Sinnbestimmungen unserer aktuellen Erde, wäre die Extension des Ausdrucks „Wasser“ gerade nicht Wasser, sondern vielmehr die leere Menge bzw. wäre die aus XYZ … bestehende Flüssigkeit kein Wasser. In „Meaning and Reference“ diskutiert Putnam im Kontext von Rigidität und Indexikalität die Aspekte von Referenz und notwendiger Wahrheit. Grundlage hierfür bilden allerdings nicht seine zwei faktischen Erden, sondern zwei mögliche Welten W1 und W2 (vgl. Putnam 1973: 706 – 711). Das Wort „this“ greift dabei ein Muster jener Flüssigkeit heraus, auf die man mit dem Wort „Wasser“ Bezug nimmt in einer potenziellen Welt: Let W1 and W2 be two possible worlds in which I exist and in which this glass exists and in which I am giving a meaning explanation by pointing to this glass and saying “This is water.” Let us suppose that in W1 the glass is full of H2O and in W2 the glass is full of XYZ. We shall also suppose that W1 is the actual world, and that XYZ is the stuff typically called “water” in the world W2. (Putnam 1973: 706)

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Die Beziehung der englischen Sprachgemeinschaft von W1 und W2 entspricht dabei ganz dem Verhältnis der beiden englischen Sprachgemeinschaften der Erde und der Zwillingserde. Unter diesen Voraussetzungen können wir zwei semantische Auffassungen über das Wort „Wasser“ diagnostizieren, die jeweils in Verbindung zu den beiden bereits bekannten Thesen der „philosophischen Tradition“ stehen, dass (I) die psychologischen Zustände im engen Sinn die Intension determinieren und (II), dass die Intension die Extension bestimme. Wie wir wissen, plädiert Putnam für die zweite These und Verwerfung von (I), obgleich die Rolle der Extension für die Bedeutung eines Wortes, so wie Putnam sie versteht, nicht ohne weiteres vereinbar ist mit der Behauptung, die Intension bestimme die Extension. Im ersten Fall bliebe die Bedeutung des Wortes „Wasser“ jedenfalls konstant, sowohl auf der Erde als auch auf der Zwillingserde, und nur das denotative Objekt wäre weltrelativ verschieden, einerseits H2O, andererseits XYZ. Der Ausdruck hätte daher eine konstante, jedoch weltrelative Bedeutung, bzw. anders ausgedrückt wäre die Bedeutung (Intension) konstant, die Referenz hingegen verschieden. Oder wir nehmen an, Wasser bestünde in allen möglichen Welten aus H2O, dann wäre die Flüssigkeit auf der Zwillingserde kein Wasser, auch wenn es „Wasser“ genannt würde. „Wasser“ hätte dann auf der Erde und auf der Zwillingserde verschiedene Bedeutungen, oder anders ausgedrückt wäre die Denotation die gleiche, die Bedeutung hingegen weltrelativ verschieden. Die Auffassung, welche sich hinter dieser Theorie verbirgt, ist die, dass natürliche Artbegriffe wie „Wasser“, „Tiger“ etc. indexikalischer Natur sind und daher rigide. Hier liegt Putnam ganz auf der Linie Kripkes: „[…] Kripke’s doctrine that natural-kind terms are rigid designators and our doctrine that they are indexical are but two ways of making the same point.“ (Putnam 1973: 710) Die Rigidität bezieht sich hier natürlich auf dieselbe Art und nicht auf den Begriffsumfang. Das Wort „Wasser“ bezeichnet H2O in der aktuellen Welt und aufgrund seines rigiden Charakters auch in allen anderen kontrafaktischen Welten. Auf der Zwillingserde bezeichnet der Ausdruck „Wasser“ kein H2O, sondern XYZ und hat daher eine andere Bedeutung: „Then the theory we have been presenting may be summarized by saying that an entity x, in an arbitrary possible world, is water if and only if it bears the relation sameL (construed as a cross-world relation) to the stuff we call ‘water’ in the actual world.“ (Putnam 1973: 708) Bezüglich der Indexikalität natürlicher Artausdrücke liefert uns Putnam ebenfalls eine Zusammenfassung seiner Theorie: „[…] words like ‘water’ have an unnoticed indexical component: ‘water’ is stuff that bears a certain similarity relation to the water around here. Water at another time or in another place or even in another possible world has to bear the relation sameL to our ‘water’ in order to be water.“ (Putnam 1973: 710) Daher können These (I) und These (II) auf natürliche

2.3 „Wasser“, H2O und XYZ

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Artausdrücke aus denselben Gründen nicht zutreffen, wie bei den offensichtlich indexikalischen Ausdrücken „ich“, „dies“ etc. Wir haben also auch hier wieder die Option, an These (I) festzuhalten. „Wasser“ hätte dann dieselbe Bedeutung auf der Erde und der Zwillingserde, allerdings unterschiedliche Extension, wie im Fall der klassischen indexikalischen Ausdrücke. Das zwingt uns in der Konsequenz zur Aufgabe der These (II), die Intension bestimme die Extension, da demnach gleiche Intensionen zu gleichen Extensionen führen müssten. Oder aber wir verwerfen These (I), da bei natürlichen Artbegriffen eine unterschiedliche Extension zugleich eine differente Intension impliziert. Insbesondere das Zwillingserdenexperiment soll genau diese von Putnam vertretene Auffassung plausibilisieren. Das Problem der „sameness relation“ bzw. „similarity relation“ werden wir in Kürze wieder aufgreifen. Die Rolle indexikalischer Ausdrücke wird uns in der Diskussion der Searle’schen Einwände gegen Putnams externalistische Auffassung wieder begegnen (siehe Kapitel II.2.4). Auf eine Schwierigkeit der internalistischen Position, in welcher die Intensionen die Extensionen determinieren, möchte ich an dieser Stelle hinweisen, da sie sicher auch ein wesentlicher Grund für Kripkes Alternativkonzept möglicher Welten war. Denn in vielen nicht-wissenschaftlichen, alltagssprachlichen Kommunikationssituationen sind uns oft mehrere Sinne eines Ausdrucks gegeben, was zu der Frage führt, welche die relevanten intensionalen Bestimmungen sein sollen, die die Extension bestimmen und welche Folgen es für die Bedeutung eines Eigennamens hätte, wenn im Extremfall keine der Sinnbestimmungen auf die Person zuträfen, wie es Kripke an zahlreichen Beispielen zu veranschaulichen versucht. Auf diese Frage und die damit verbundene Schwierigkeit multipler Intensionen gab es diverse Reaktionen, wie etwa Searles oder Strawsons bündeltheoretischen Ansatz von Kennzeichnungen (vgl. Searle 1958 bzw. Strawson [1950] 1971) oder Wittgensteins Diskussion von Eigennamen (vgl. Wittgenstein 1989a, PU, insb. § 79). Auf das Problem der Schwankungen des Sinnes hat bereits Frege in seiner berühmten Fußnote aus „Sinn und Bedeutung“ hingewiesen, wenn er betont, dass im Fall von Eigennamen, wie „Aristoteles“, die Meinungen über den Sinn divergieren können, abhängig davon, wie uns die Person gegeben ist, etwa als Schüler Platons, als Lehrer Alexanders, als in Stagira gebürtig etc. „Solange nur die Bedeutung dieselbe bleibt, lassen sich diese Schwankungen des Sinnes ertragen, wiewohl auch sie in dem Lehrgebäude der Wissenschaft zu vermeiden sind und in einer vollkommenen Sprache nicht vorkommen dürfen.“ (Frege 2011b: 144, Fn 2) Für Kripke hingegen stellt sich dieses Problem nicht, da nicht die Kennzeichnungen zur Bestimmung der Bedeutung eines Ausdrucks dienen, sondern die ursprünglichen Bezugsgegenstände, seien es Personen, natürliche Arten, physikalisch-theoretische Entitäten etc. Im Anschluss an einen Taufakt bleiben diese selbst die Namensträger auch unter Variation ihrer willkürlichen Eigenschaften, welche wir ihnen in un-

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serer faktischen Welt zuschreiben. So wäre Aristoteles noch immer die Bedeutung von „Aristoteles“, auch wenn er nicht in Stagira geboren und vielleicht nie mit Philosophie in Berührung gekommen wäre. Nach dieser Auffassung würde es sich in Putnams Beispiel auch dann noch um Wasser in der extensionalen Bedeutung von H2O handeln, sollten nur wenige oder im Extremfall keine einzige der Qualitäten, über die der Gegenstand in der faktischen Welt verfügt, in einer alternativen Welt gegeben sein (vgl. Kripke 1981, insb. Lecture I und II sowie III). Das ist schlicht die Konsequenz, welche sich aus Kripkes Auffassung, auch „natural kind terms“ seien rigide Designatoren, ergibt. Der entscheidende Unterschied zu Putnams Twin Earth ist allerdings der, dass, wie bereits bemerkt, Putnams Zwillingserde keine alternative mögliche Welt ist, sondern eine parallel zu unserer aktuellen Erde existierende, zu bereisende etc. Und dieser Umstand ist wesentlich zur Beantwortung der Frage, wie sich in einer kontrafaktischen Welt, im Gegensatz zu einer wirklichen, das Vorhandensein bestimmter Begrifflichkeiten erklären ließe, sollten die entsprechenden Bezugsgegenstände in dieser Welt nicht existieren. Putnam hat andererseits die Schwierigkeit, einräumen zu müssen, dass die BewohnerInnen der Zwillingserde vor der Entdeckung der chemischen Zusammensetzung das Wort „Wasser“ als ein bedeutungsloses verwendeten, bzw. stets über etwas Bedeutungsloses sprachen, das gar nicht existierte, in diesem Fall H2O. Denn Putnams kausale Theorie der Referenz und seine indexikalische Auffassung von „natural kind terms“ (vgl. Putnam 1996b: 15 – 19) stützen vielmehr die These, die Bedeutung oder zumindest ein Teil der Bedeutung des Ausdrucks „Wasser“ auf ZE hätte auch schon vor der Entdeckung der chemischen Struktur in XYZ bestanden. Denn für Putnam zählt mit Bezug auf die Frage nach der Bedeutung gerade nicht der Gebrauch des Ausdrucks in der dortigen Sprachgemeinschaft, sondern sein Bezugsobjekt. So hatten die BewohnerInnen des Planeten auch schon vor 1750 die eigentliche Bedeutung des Ausdrucks „Wasser“ nicht erfasst: „[…] in 1750 neither community knew the chemical nature of the substance each called ‘water’. The meaning was different, because the stuff was different.“ (Putnam 1996a: xvii). Wittgenstein bemerkt im Zusammenhang von Wissenschaft und Bedeutung: Es ist nichts gewöhnlicher als daß die Bedeutung eines Ausdrucks in der Weise schwankt, daß ein Phänomen bald als Symptom, bald als Kriterium eines Sachverhalts angesehen wird. Und meistens wird dann in einem solchen Fall der Wechsel der Bedeutung nicht gemerkt. In der Wissenschaft ist es üblich, Phänomene, die genaue Messungen zulassen, zu definierenden Kriterien eines Ausdrucks zu machen; und man ist dann geneigt zu meinen nun sei die eigentliche Bedeutung gefunden worden. Eine Unmenge von Verwirrungen ist auf diese Weise entstanden. (Wittgenstein 1992, Z: § 438)

So scheint Putnam offenbar auch Bedeutung und Verwendung eines Ausdrucks trennen zu wollen, trotz seines Verweises auf Wittgensteins berühmten § 43 der

2.3 „Wasser“, H2O und XYZ

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Philosophischen Untersuchungen, „Man kann für eine große Klasse von Fällen der Benützung des Wortes ‚Bedeutung‘ – wenn auch nicht für alle Fälle seiner Benützung – dieses Wort so erklären: Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 43), da er einerseits dafür plädiert, XYZ auf ZE sei schon immer die Bedeutung von „Wasser“ gewesen, sich andererseits durch die Korrektur der Annahme, „Wasser“ bedeute auf E und ZE dasselbe, nun wohl der Gebrauch des Ausdrucks „Wasser“ auf ZE ändere. Da es sich hier um Gedankenexperimente handelt, können wir uns diese Konsequenz Putnams zwar vorstellen, dadurch, dass das Beispiel schlicht so eingeführt wird, eingeschlossen der sich daraus ergebenden Konsequenz des Bedeutungswechsels. Aus der Denkbarkeit folgt allerdings ebenso die Möglichkeit, dass die Menschen auf ZE, das Wort „Wasser“ trotz der neuen wissenschaftlichen Entdeckung weiterhin in der etablierten Weise verwenden, natürlich auch unter der Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, welche die Bedeutungen jedoch nicht ändern, sondern lediglich erweitern, zumindest für den Kreis der ExpertInnen. Und das scheint auch unseren natürlichen Intuitionen viel eher zu entsprechen. Die BewohnerInnen des Zwillingsplaneten würden weiterhin die Flüssigkeit, die vom Himmel regnet, aus der Leitung fließt, unseren Durst löscht etc., als „Wasser“ bezeichnen. Die Entdeckung der „neuen“ Substanz würde vermutlich, zumindest zunächst, nicht die Rolle übernehmen, die Putnam mit diesem und anderen Beispielen zu plausibilisieren versucht. Es wäre daher naheliegender, sich vorzustellen, dass in den Hauptabendnachrichten verkündet wird, WissenschaftlerInnen hätten festgestellt, Wasser bestünde aus anderen oder zusätzlichen Bestandteilen zu Wasserstoff und Sauerstoff und die relevanten Konsequenzen dieser neuen Erkenntnis würden nun von einem Team von WissenschaftlerInnen genauer untersucht werden, als anzunehmen, wir erführen aus den Nachrichten, ExpertInnen hätten festgestellt, dass es auf der Zwillingserde kein Wasser gäbe. Relevant könnte die neue wissenschaftliche Erkenntnis dann werden, wenn es um mögliche menschliche Unverträglichkeiten mit einem der Bestandteile der Flüssigkeit auf ZE ginge oder um Fälle von Dehydrierung, großer Dürre etc. (vgl. hierzu Kapitel II.3.2). Das wären solche von Dummett erwähnten nichtsprachlichen Praktiken und denkbaren Konsequenzen, welche den Gebrauch der darin involvierten Begrifflichkeiten wesentlich mitbestimmen. Diese oder ähnliche Konsequenzen würden mit der Zeit wohl dazu führen, das Wort „Wasser“ nicht mehr in seiner ursprünglichen Bedeutung zu verwenden. Solche möglichen veränderten praktischen Folgen spielen in Putnams Zwillingserdenbeispiel allerdings keine Rolle. Hier soll es vielmehr so sein, dass sich abgesehen von der abweichenden chemischen Zusammensetzung beider Flüssigkeiten keine Unterschiede auf E und ZE erkennen lassen, also auch nichts, was in irgendeiner Form mit der Verwendung der Flüssigkeit zu tun hat, wie anhand der obigen Beispiele angedeutet. Und gerade

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darin zeigt sich eine der Hauptschwächen des Gedankenexperimentes, dass es offensichtlich keine potenziell erfahrbaren bzw. praktischen Konsequenzen aus dem Bestehen unterschiedlicher Substanzen vorsieht. Denn das Beispiel Putnams kann nur funktionieren, wenn man mögliche Folgen ausklammert. Und da er uns keine Aufschlüsse über die Nutzung der Flüssigkeit XYZ auf der Zwillingserde gibt, müssen wir entgegen natürlicher Gesetzmäßigkeiten und chemischer bzw. physikalischer Erkenntnisse davon ausgehen, dass ihre BewohnerInnen schon vor der Entdeckung der chemischen Zusammensetzung mit jener Flüssigkeit gleich umgingen, wie die ErdenbewohnerInnen. Denn schließlich handelt es sich um eine Zwillingserde. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine Fußnote Putnams, in welcher er betont, dass er in „The Meaning of ‘Meaning’“ keineswegs behaupten wollte, „Wasser“ und „XYZ“ seien Synonyme, sondern vielmehr, dass die Extension beider Ausdrücke eine Bedeutungskomponente des Wortes „Wasser“ bilde. Dieser Punkt hängt natürlich mit seiner Verwerfung der These zusammen, der psychische Zustand einer Sprecherin bestimmte die Intension und diese in der Folge die Extension eines Ausdrucks. Im Zusammenhang der ursprünglichen Annahme, das Wort „Wasser“ auf der Erde habe dieselbe Bedeutung wie auf der Zwillingserde, bis ExpertInnen die eigentliche chemische Struktur der Zwllingserdenflüssigkeit entdeckten und bei ihrer Rückkehr zur Erde berichteten, die eigentliche Bedeutung des Wortes „Wasser“ sei XYZ, fügt Putnam folgende Bemerkung hinzu: „[…] I am not saying that on Twin Earth ‘water’ and ‘XYZ’ are synonyms, but rather that the extension – the substance referred to, not its chemical description – is one component of the meaning of the word ‘water’, both on Earth and on Twin Earth.“ (Putnam 1996a: xxii) Diese Bemerkung ist in mehrerlei Hinsicht interessant. Zum einen scheint hier deutlich zu werden, dass für Putnam die chemische Beschreibung der entsprechenden Substanz nicht Teil der Bedeutung ist, sondern vielmehr die Substanz selbst. Und ausgehend von der Grundthese, die Intension bestimme die Extension, kann die chemische Beschreibung dann auch nicht Teil der Intension des Ausdrucks „Wasser“ sein. Dafür liefert uns Putnam allerdings kein Argument. Zum Zweiten betont er, dass die Extension ein Teil der Bedeutung des Ausdrucks sei, die sich, wie wir im letzten Abschnitt von „Meaning of ‘Meaning’“ erfahren, zusammensetzt aus syntaktischen und semantischen Markern, Stereotypen und der Extension (vgl. Putnam 1996b: 48 – 49). Im Fall von Wasser wären das als syntaktischer Marker beispielsweise Massenterm, als semantischer Marker natürliche Art oder Flüssigkeit, als Stereotyp Oberflächeneigenschaften wie farblos, geschmacklos, durstlöschend, in Seen enthalten etc. und als Extension H2O (vgl. Putnam 1996b: 49). Putnams Begriff des Stereotyps übernimmt dabei offensichtlich die Rolle intensionaler Bestimmungen, wenn er ihn etwa skizziert als

2.3 „Wasser“, H2O und XYZ

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[…] a standardized description of features of the kind that are typical, or ‘normal’, or at any rate stereotypical. The central features of the steroype generally are criteria – features which in normal situations constitute ways of recognizing if a thing belongs to the kind or, at least, necessary conditions for membership in the kind. (Putnam 1996b: 15; auf die Zirkularität in der Bestimmung sei hier nur hingewiesen)

Natürlich können wir nicht bestreiten, dass die Gegenstände, auf die wir uns beziehen, wenn wir bestimmte Ausdrücke verwenden, auch etwas mit der Bedeutung des Wortes zu tun haben müssen, da wir etwa beim Gebrauch von Eigennamen auf entsprechende Gegenstände oder Personen Bezug nehmen. Wir verwenden dabei referentielle Ausdrücke, um diesen Bezug herzustellen, der Ausdruck alleine hat keine referentielle Kraft, oder wie Strawson völlig zu Recht betont: „‘Mentioning’ or ‘referring’ to is not something an expression does; it is something that someone can use an expression to do. Mentioning, or referring to, something is a characteristic of a use of an expression, just as ‘being about’ something, and truth-or-falsity, are characteristics of a use of a sentence.“ (Strawson 1971: 8). Rhees bemerkt im Kontext der Frage nach der Möglichkeit einer privaten Sprache: „Our words refer to things by the way they enter the discourse; by their connexions with what people are saying and doing, for instance, and by the way they affect what is said and done. – What we say makes a difference.“ (Rhees 1970: 55) Auch in der aktuellen Diskussion über Perzeptionen betont Schellenberg ganz entsprechend: „The ability to refer to objects and property-instances may be analyzed as constituting a kind of knowhow.“ (Schellenberg 2011: 17) Natürlich besteht, wie bereits mehrfach betont, ein Kriterium, ob ich die Bedeutung eines Wortes richtig erfasst habe, darin, auch in der Lage zu sein, es auf die entsprechenden Gegenstände anzuwenden, selbst wenn mir dabei gelegentlich Fehler unterlaufen. So erklären wir die Bedeutung eines Namens manchmal schlicht dadurch, dass wir auf die Person zeigen, die diesen Namen trägt (vgl. Wittgenstein 1989a, PU: § 43). Wende ich hingegen ein Wort permanent auf einen falschen Objektbereich bzw. individuelle Gegenstände einer Art, Klasse etc. an, dient dies als Kriterium, dass ich die Bedeutung des Ausdruckes nicht erfasst habe und daher auch nicht entsprechend seinen Regeln anwenden kann. In diesem Sinne können wir sagen, dass die Extension eines Ausdrucks mit seiner Bedeutung in Verbindung steht. Das ist aber offensichtlich nicht das, was Putnam meint, wenn er von „component of meaning“ spricht, denn in seinem Gedankenexperiment sind die SprachbenützerInnen außerhalb von chemischen Laboratorien gar nicht in der Lage, die Extension zu identifizieren bzw. zu erkennen, ob eine Teilnehmerin ein Wort richtig, falsch oder in einer gänzlich anderen Bedeutung verwendet, da uns die nach Putnam eigentliche Extension, hier eine komplizierte chemische Formel, in normalen Kommunikationssituationen gar nicht gegeben sein kann. Insofern wä-

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2 Zeichen und Referenz

ren wir auch nicht in der Lage, die Bedeutung des Ausdrucks „Wasser“ zu erklären, indem wir auf eine Flüssigkeit zeigen, von der es ungewiss ist, ob es sich um H2O oder XYZ handelt. Wenn ich die Definition des Ausdrucks „Wasser“ ostensiv einführe, dann muss das Muster mittels Anwendung auch in der Lage sein, künftig zu bestimmen, ob es sich bei einer Flüssigkeit um Wasser handelt oder nicht. Die chemische Struktur einer Flüssigkeit kann dies allerdings nicht leisten, da sie uns nicht erfahrungsmäßig gegeben ist, wenn ich etwa vor einem Glas mit einer durchsichtigen, geschmacklosen Flüssigkeit sitze. Zur genauen Bestimmung der eigentlichen Flüssigkeit bedarf es daher stets einer chemischen Untersuchung. Liegt allerdings das Ergebnis der Flüssigkeitsanalyse vor, dann brauche ich auch keine Stereotype mehr, da die Flüssigkeit bereits eindeutig bestimmt ist. Und selbst wenn die Untersuchung die chemische Formel H2O ergibt, können wir noch nicht automatisch von „Wasser“ sprechen, da Wasser auch noch andere Bestandteile enthalten kann, wie etwa Mineralien, Mikroorgansimen oder Schadstoffe. Die von Putnam eingeführten syntaktischen und semantischen Marker, sowie die Stereotype, lassen sich sicher dem Bereich der Verwendung des entsprechenden Wortes innerhalb einer Sprachgemeinschaft zuordnen. Das gilt jedoch nicht für den Teil der Bedeutung, welcher die Extension betrifft, diese ist im Sinne des wissenschaftlichen Realismus ausschließlich durch die Natur gegeben. Die Verknüpfung zwischen dem Gebrauch eines Ausdrucks und seiner Extension ist nach Putnam dann durch einen „starren“ referentiellen Teil und ein entsprechendes Muster gegeben, welches ostensiv eingeführt werden soll. Die Art bzw. der Stoff ist bestimmt durch die Menge aller Individuen, die in einer „sameness relation“ zum hinweisend eingeführten Ausdruck stehen: Suppose I point to a glass of water and say “This liquid is water” (or “this is called water,” if the marker “liquid” is clear from the context). My “ostensive definition” of water has the following empirical presupposition that the body of liquid I am pointing to bears a certain sameness relation (say x is the same liquid as y, or x is the sameL as y) to most of the stuff I and other speakers in my linguistic community have on other occasions called “water”. […] Thus the ostensive definition conveys what might be called a defeasable necessary and sufficient condition: the necessary and sufficient condition for being water is bearing the relation sameL to the stuff in the glass; (Putnam 1996b: 11; vgl. auch Putnam 1996b: 15 – 16).

Darin zeigt sich auch der enge Zusammenhang zwischen ostensiver Definition und Putnams Ähnlichkeitsrelation. Das Problem einer ostensiven Definition zur Einführung eines Musters wie im Fall von Wasser (und gleiches gilt für Aluminium/ Molybdän) werden wir wieder aufgreifen, wenn wir Kripkes Verständnis des Urmeters diskutieren (siehe Kapitel III.2). Aber der Konnex zwischen Muster und Ähnlichkeitsrelation erzeugt natürlich ganz analoge Schwierigkeiten. Denn bei der

2.3 „Wasser“, H2O und XYZ

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Anwendung eines Musters stellt sich gerade nicht die Frage, ob ein Gegenstand B die gleiche Farbe hat wie das Muster, da hier gar keine Form von Relation besteht. Die Frage ist vielmehr die, ob ein Gegenstand B die Farbe des Musters hat. Das ist das, was wir die Anwendung eines Musters nennen. Wenn ich mittels eines Farbmusters das Wort „Ocker“ eingeführt habe, dann will ich unter Anwendung des Musters wissen, ob ein beliebiger Gegenstand B genau diese Farbe Ocker besitzt und nicht eine gleiche Farbe wie das Muster. Das sage ich über andere Gegenstände, auf welche ich das Muster anwenden kann, so etwa: „Mein Auto hat die gleiche Farbe wie meine Wohnzimmergarnitur“. Insofern ist es irreführend, im Zusammenhang von ostensiven Definitionen von einer Relation zwischen Muster und infrage stehendem Objekt zu sprechen. Führe ich etwa das Wort „Kreis“ ein mit „Das ist ein Kreis“ ☞ ○, und frage im Anschluss, ob es sich bei einer bestimmten Figur um einen Kreis handelt, dann kann ich nicht fragen, ob sie, im Sinne einer zweistelligen Relation eine ähnliche Form hat wie das Kreismuster, sondern ob sie über genau diese Form verfügt. Und selbst wenn wir Ähnlichkeitsrelationen zulassen, können wir in Fällen, die sich auf mikrostrukturelle Eigenschaften beziehen, eine solche Beziehung ohne Zuhilfenahme chemischer Analysen gar nicht sinnvoll behaupten. Liegen uns die chemischen Daten vor, dann wird die Frage nach Stereotyp und Ähnlichkeitsrelation hingegen hinfällig. Peter Hacker bemerkt in diesem Zusammenhang: [I]t is confused to suppose that we can bridge the gap between stereotype and extension by means of an ostensive definition that picks out a standard member of the extension, and define a given substance as anything which has a ‘sameness relationʼ, construed in terms of inner constitution, the item pointed at. If the natural kind term (e. g. ‘water’) were introduced thus, then the mode of introduction would be no explanation of meaning. For in advance of discovering the inner constitution of water, no one is given any guidance in applying the term by this mode of introducing it. […] a sample employed in an ostensive definition is an object of comparison, which provides a standard of application of the definiendum. But here, no perceptible, usable feature of the putative sample is relevant to the use of the term. (Hacker 1996: 252)

Schließen wir an dieser Stelle vorerst die Bemerkungen zu H2O und XYZ ab, da wir auf dieses Beispiel immer wieder zurückgreifen werden. Im zweiten Kapitel widmen wir uns nun verstärkt der Rolle des Bewusstseins im Kontext der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke zu. Dabei ist zunächst Lockes Differenzierung in nominale und reale Essenzen von zentralem Gewicht, die bereits in Putnams zitierter Fußnote über Substanzen und chemische Beschreibungen angedeutet wurde. Im Anschluss daran wird die Frage zu beleuchten sein, inwieweit eine Abgrenzung in Bereiche „innerhalb“ und „außerhalb“ des Bewusstseins die Semantik linguistischer Zeichen bestimmt. Dabei werden neben Locke, Putnam und Searle auch Russell und Frege zu Wort kommen.

Kapitel II Bewusstsein und Bedeutung

1 „Substance“ und „Chemical Description“. Locke über reale und nominale Wesenheiten 1.1 Substanz, Name und abstrakte Idee Wenn Putnam in der bereits angesprochenen Fußnote am Ende seines Twin-EarthExperimentes bemerkt, „[…] that the extension – the substance referred to, not its chemical description – is one component of the meaning of the word ‘water’“, werden wir sehr stark an Lockes Differenzierung in nominale und reale Wesenheiten erinnert. Um Putnams Betonung von „substance“ versus „chemical description“ besser nachvollziehen zu können, scheint es mir an dieser Stelle hilfreich, auf Lockes Auffassung über Substanznamen zu verweisen, welche er in Kapitel vi des Dritten Buches seines Essays entwickelt: Zu Beginn dieses Kapitels hält Locke zunächst fest, dass gewöhnliche Substanznamen genau wie andere allgemeine Ausdrücke Arten benennen. Sie dienen dann als Zeichen komplexer Ideen, in denen mehrere Substanzen übereinstimmen oder zumindest übereinstimmen können. Im Kontext des Substanzbegriffes bei Locke weist Hans Werner Arndt auf eine ganz zentrale Unterscheidung hin, ohne die Lockes Erörterungen nicht ohne weiteres verständlich sind. Im Zusammenhang der Kritik Lockes, Bedeutungen sprachlicher Ausdrücke als eigenständige Entitäten aufzufassen, wie wir es dann später etwa bei Bolzanos „Satz an sich“ oder Freges „Gedanken“ finden, bemerkt Arndt: „Mit Locke müssen wir zunächst unterscheiden zwischen existierenden Einzeldingen oder individuellen ,Substanzen‘ und jenen vermeintlichen ‚allgemeinen Dingen‘ oder allgemeinen Substanzen, die wir den entsprechenden allgemein gebrauchten Wörtern der Sprache zuordnen. Locke schränkt den Ausdruck ‚Substanz‘ in diesen beiden Anwendungsformen auf natürliche Dinge, wie die oben genannten [Mensch, Tier, Gold] ein […].“ (Arndt 1986: 197) Recht schnell wird in Kapitel vi dann Lockes konzeptualistische Position deutlich, nach der die Artbegriffe in komplexen Ideen gründen, die vom Menschen selbst im Zuge von Abstraktionsprozessen geformt werden (vgl. Locke 2011: III, vi, 1; 438 – 439). Diese komplexen Ideen bilden das Wesen einer bestimmten Art, oder anders ausgedrückt, sind alle die Ideen, die in der abstrakten Idee enthalten sind, für diese spezielle Art wesentlich. Der Artbegriff bezeichnet dabei nichts anders als die entsprechende abstrakte Idee. Dennoch führt Locke an dieser Stelle die Unterscheidung in nominale und reale Wesenheiten ein und expliziert den Grund dafür und den internen Zusammenhang wie folgt:

https://doi.org/10.1515/9783111241555-004

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1 „Substance“ und „Chemical Description“. Lockes reale und nominale Wesenheiten

This, though it be all the Essence of natural Substances that we know, or by which we distinguish them into Sorts, yet I call it by a peculiar name, the nominal essence, to distinguish it from the real Constitution of Substances, upon which depends this nominal Essence, and all the Properties of that Sort; which, therefore, as has been said, may be called the real Essence […] (Locke 2011: III, vi, 2; 439).

Es ist daher naheliegend, dass es genau diese Unterscheidung in nominale und reale Wesenheit ist, welche Putnam in der Fußnote vorschwebt. In Lockes Bemerkung wird jedenfalls sofort deutlich, dass das nominale Wesen vom realen abhängt, ein Punkt, der offensichtlich auch mit seiner repräsentationalen Wahrnehmungstheorie zusammenhängt (vgl. etwa Locke 2011: II, viii) sowie seiner Auffassung, dass die Funktion sprachlicher Zeichen in nichts anderem besteht, als Ideen zu bezeichnen und zu vertreten (vgl. Locke 2011: III, i–iii). Betrachten wir zur Wesensunterscheidung zunächst Lockes Ausführungen zum Begriff des Goldes, ein Beispiel, welches ja auch Putnam in seiner Einleitung verwendet. Demnach besteht die nominale Wesenheit von Gold aus jener komplexen Idee, die durch den Ausdruck „Gold“ bezeichnet wird. Und das kann, so Locke weiter, zum Beispiel ein gelber Körper sein mit einem bestimmten Gewicht, der dehnbar, schmelzbar und feuerbeständig ist (vgl. Locke 2011: III, vi, 2; 439). Die hier genannten Eigenschaften sind alle grundsätzlich erfahrbar, ganz entsprechend den von Putnam genannten Stereotypen von Wasser, wie durstlöschend, in Gewässern enthaltend, herabregnend etc., die alle seine Intension bestimmen. Die reale Wesenheit hingegen so Locke weiter: „[…] is the constitution of the insensible parts of that Body, on which those Qualities and all the other Properties of Gold depend. How far these two are different, though they are both called Essence, is obvious at first sight to discover“ (Locke 2011: III, vi, 2; 439). Interessant sind hier zwei Punkte, zum einen die Betonung der sinnlich nicht wahrnehmbaren Teilchen des Goldklumpens und zum zweiten wiederum die Abhängigkeit der genannten und aller anderen Qualitäten des Goldes von diesen nicht wahrnehmbaren Elementen. Diese Abhängigkeit der nominalen Wesenheit von der realen kommt auch in folgender Bemerkung Lockes deutlich zum Ausdruck: „By this real Essence, I mean, that real constitution of any Thing, which is the foundation of all these Properties, that are combined in, and are constantly found to co-exist with the nominal Essence; that particular constitution, which every Thing has within it self without any relation to any thing without it.“ (Locke 2011: III, vi, 6; 442) Die Stoßrichtung wäre hier also auch hier von den nicht-wahrnehmbaren Teilchen des materiellen Stückes hin zu den kausal daraus entstandenen einfachen Ideen von gelb, dehnbar, schmelzbar etc. bis hin zur durch menschliche Tätigkeit gewonnenen „abstract idea“ des Goldes, welche durch das Wort „Gold“ bezeichnet wird. Die realen Beschaffenheiten des Goldes sind demnach kausal verantwortlich

1.1 Substanz, Name und abstrakte Idee

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für die entsprechenden „simple ideas“, welche uns in der Erfahrung des Klumpens gegeben sind. Locke bemerkt: Concerning the real Essences of corporeal Substances, […] there are, if I mistake not, two Opinions. The one is of those, who using the Word Essence, for they know not what, suppose a certain number of those Essences, according to which, all natural things are made, and wherein they do exactly every one of them partake, and so become of this or that Species. The other, and more rational Opinion, is of those, who look on all natural Things to have a real, but unknown Constitution of their insensible Parts, from which flow those sensible Qualities, which serve us to distinguish them one from another, according as we have Occasion to rank them into sorts, under common Denominations. (Locke 2011: III, iii, 17; 417– 418)

Dieser Punkt hängt natürlich wieder mit Lockes repräsentationaler Wahrnehmungstheorie zusammen und damit verbunden seinem Verständnis eines visuellen Wahrnehmungsaktes, wie wir es etwa aus Kapitel viii des Zweiten Buches kennen. Damit eng verknüpft ist auch seine Unterscheidung in Ideen einerseits und Qualitäten bzw. Kräfte andererseits, die er selbst wiederum in primäre, sekundäre und tertiäre aufteilt. Bezüglich der Unterscheidung in Idee und Qualität bemerkt Locke im achten Kapitel des Zweiten Buches etwa: „Whatsoever the Mind perceives in itself, or is the immediate object of Perception, Thought, or Understanding, that I call Idea; and the Power to produce any Idea in our mind, I call Quality of the Subject wherein that power is“ (Locke 2011: II, viii, 8; 134). So besitzt etwa ein Schneeball die Kraft, in uns Ideen von weiß, kalt, rund etc. zu produzieren. Diese Kräfte oder primäre Qualitäten sind von den jeweiligen Körpern nicht trennbar und in jedem Materiepartikel zu finden, obgleich die Partikel selbst nicht wahrnehmbar sind. Ayer weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich Lockes primäre Qualitäten offensichtlich an Newton orientieren, denn seine Zuschreibung von Eigenschaften der Materieteilchen entspricht genau Lockes Kategorisierung seiner primären Qualitäten (vgl. Ayer 1977: ch. iv). Auch mit Bezug auf seine Bestimmung von sekundären Qualitäten spricht Locke explizit davon, dass die primären Qualitäten von Objekten, wie Größe, Gestalt oder Beschaffenheit ihrer sinnlich nicht wahrnehmbaren Teilchen in uns Ideen erzeugen (vgl. Locke 2011: II, viii, 10). Schließlich auch mit Bezug auf die Frage, wie Körper in uns Ideen erzeugen, verwendet Locke die Phrase des „sinnlich nicht wahrnehmbar“: And since the Extension, Figure, Number, and Motion of Bodies of an observable bigness, may be perceived at a distance by the sight, ‘tis evident some singly imperceptible Bodies must come from them to the Eyes, and thereby convey to the Brain some Motion; which produces these Ideas which we have of them in us. After the same manner, that the Ideas of these original Qualities are produced in us, we may conceive, that the Ideas of secondary Qualities are also produced, viz. by the operation of insensible particles on our Senses. For, it being manifest

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1 „Substance“ und „Chemical Description“. Lockes reale und nominale Wesenheiten

that there are Bodies and good store of Bodies, each whereof are so small, that we cannot by any of our Senses discover either their bulk, figure, or motion − as is evident in the Particles of the Air and Water, and others extremely smaller than those […] (Locke 2011: II, viii, 12 – 13; 136).

Interessanterweise findet sich auch hier das Beispiel des Wassers. Nach Locke sind es also die primären Qualitäten der sinnlich nicht wahrnehmbaren Teilchen von Materie, die aufgrund ihrer inhärenten Kräfte in uns Ideen hervorrufen, wie Farbe, Gestalt, Temperatur etc. Näher als über diese kausale Kraft sind diese kleinsten Teilchen offensichtlich nicht zu bestimmen. Und da die sprachlichen Ausdrücke sich nach Locke ausschließlich auf die komplexen Ideen in unserem Geist beziehen, die selbst wiederum auf zuvor erfahrene Wirkungen wie gelb, schmelzbar oder dehnbar bzw. durstlöschend und reinigend, der im Körper innewohnenden Kräfte zurückzuführen sind, können diese materiellen Bestandteile offensichtlich nicht Teil der Bedeutung eines Ausdrucks wie „Gold“ oder „Wasser“ sein (zu Lockes Differenzierung der drei Qualitäten siehe insb. Kapitel II.3.2). Auch wenn Locke in folgender Bemerkung nicht von der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke, sondern vielmehr von der Irrelevanz realer Substanzen für unsere Erkenntnis spricht, lässt sich diese epistemische „Nutzlosigkeit“ sicher auch mit Bezug auf die Semantik behaupten: […] yet the supposition of Essences, that cannot be known; and the making them nevertheless to be that, which distinguishes the Species of Things, is so wholly useless, and unservicable to any part of our Knowledge, that that alone were sufficient to make us lay it by; and content our selves with such Essences, of the Sorts or Species of Things, as come within the reach of our Knowledge […] (Locke 2011: III, iii, 17; 418).

Obgleich also auch bei Locke die Stoßrichtung zunächst vom Objekt hin zum Subjekt geht, spielen die Materieteilchen für die Bedeutung eines sprachlichen Ausdruckes keine Rolle, da sie sich schlicht potenziellen Wahrnehmungen entziehen. Im Fall des Wassers, um Putnams Beispiel aufzugreifen, wäre dann die Frage berechtigt, ob zwei Flüssigkeiten mit völlig unterschiedlichen Bestandteilen in nichtskeptischen Szenarien überhaupt dieselben einfachen und daraus resultierenden abstrakten Ideen erzeugen können, eine Voraussetzung, die für das Gelingen des Putnam’schen Gedankenexperimentes erfüllt sein muss. Es handelt sich hierbei also nicht um ein analoges Beispiel zu Lockes Veilchen-Experiment, in welchem in Person A eine Farbidee erzeugt wird, die B mit dem Ausdruck bezeichnen würde, den sie auf die Idee anwendet, welche eine Butterblume in ihr erzeugt. Hier geht es nicht um einen Fall, in welchem ein und derselbe Gegenstand in unterschiedlichen Bewusstseinen unterschiedliche Ideen erzeugt, sondern darum, dass verschiedene Gegenstände (hier zählen auch die natürlichen Arten dazu) in zwei verschiedenen Personen die

1.1 Substanz, Name und abstrakte Idee

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exakt gleichen Ideen erzeugen. Und diese Identität zweier psychischer Zustände ist eine der wesentlichen Bedingungen für Putnams Twin-Earth-Szenario. Die andere Alternative wäre, dass die chemische Zusammensetzung von natürlichen Substanzen wie Wasser überhaupt keinen kausalen Einfluss auf unsere unmittelbaren Wahrnehmungserlebnisse hat. Das würde zumindest erklären, warum die chemische Zusammensetzung von Wasser für Putnam nicht der Intension bzw. dem Sinn, sondern der Extension zuzurechnen ist. In der eigentlichen Diskussion des Zwillingserdenbeispiels (siehe Kapitel II.3) möchte ich diese Frage der prinzipiellen Erfahrbarkeit daher nochmals aufgreifen und durch einige Varianten seines Experimentes neu diskutieren. Auch im Kapitel über Substanznamen (vgl. Locke 2011: III, vi) betont er an zahlreichen Stellen die fundamentale Differenzierung zwischen den Qualitäten als Bestandteile unserer Ideen und ihren Grundlagen. Darüber hinaus räumt Locke am Beispiel der Idee des Menschen ein, dass wir von ihm als einzelnen eine ganz andere Idee seiner Beschaffenheit hätten, verfügten wir etwa über die Kenntnis von Engeln oder Gottes, ganz analog der unterschiedlichen Idee, welche ein sachverständiger Uhrmacher von der Straßburger Uhr und ihrem Inneren hätte, im Gegensatz etwa zu einem einfachen Bauern, der sie nur von außen betrachtet. Das entspricht ganz Putnams Bestimmung von ExpertInnen. Diese Ansicht haben auch die Bemerkungen Lockes zur Verwendung von Artbegriffen in nicht-wissenschaftlichen, alltäglichen Kommunikationssituationen in Abschnitt 30 des sechsten Kapitels im Dritten Buch gezeigt. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass eine Chemikerin, die über die Kenntnis der chemischen Zusammensetzung von Wasser verfügt, eine andere, im Sinne einer erweiterten Idee mit dem Ausdruck „Wasser“ verbindet als der Laie, was allerdings auch bedeutet, dass dieses Wissen in der komplexen Idee von Wasser seinen Niederschlag findet und somit auch Teil der Intension von „Wasser“ bildet. Das entspräche auch ganz Dummetts Bemerkung zur linguistischen Arbeitsteilung. Dadurch wäre jedoch wiederum die Forderung eines gleichen psychischen Zustandes zwischen Expertin und Laie verletzt. Da sich nach Locke darüber hinaus die Begriffe „wesentlich“ und „unwesentlich“ nur auf die abstrakten Ideen und entsprechenden Namen beziehen, bedeutet das für einen konkreten Gegenstand nichts anderes, als dass er nicht unter den entsprechenden Artbegriff fällt, wenn er nicht über genau jene Qualitäten verfügt, die in der Nominaldefinition enthalten sind. Denn „wesentlich“ bzw. „unwesentlich“ wird eine Eigenschaft für ein Individuum nur entsprechend seiner Nominaldefinition. Insofern ist es für mich als Einzelindividuum nicht notwendig, zweifüßig oder vernunftbegabt zu sein, sondern erst dann, wenn sich die Frage stellt, ob ich unter den Artbegriff des Menschen falle oder nicht. Oder wie Locke bemerkt: „‘Tis necessary for me to be as I am; […] but there is nothing I have, is essential to me.“ (Locke 2011: III, vi, 4; 440)

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1 „Substance“ und „Chemical Description“. Lockes reale und nominale Wesenheiten

Der aristotelische Essentialismus hingegen bezieht den Begriff der Notwendigkeit auf in der Natur gegebene, real existierende natürliche Arten und ihre Qualitäten, welche es lediglich zu entdecken gilt. Dass Locke strikt gegen die Hypostasierung der Artbegriffe zu eigenständigen Entitäten argumentiert, haben wir bereits gesehen. Am Beispiel eines Stoffes etwa, der alle Eigenschaften von Eisen enthielte, allerdings nicht magnetisch wäre, betont Locke daher auch völlig zu Recht, dass die Frage, ob dem real existierenden Ding etwas Wesentliches fehlen würde, absurd sei (vgl. Locke 2011: III, vi, 5; 441 – 442). Daher können wir auch nur von spezifischen Unterschieden natürlicher Dinge sprechen, wenn wir sie in Bezug zur entsprechenden abstrakten Idee setzen, die das Wesen einer bestimmten Art bildet. Für die Intension von „Wasser“ hieße das entweder, dass, wenn seine chemische Zusammensetzung darin enthalten ist, es sich auf der Zwillingserde nicht um Wasser handelt, oder aber diese Bestimmung fehlt in der Intension, wie es zu Lockes Zeiten der Fall war, dann würden beide Flüssigkeiten auf E und ZE sehr wohl durch den Ausdruck „Wasser“ bezeichnet werden und er müsste im Zuge neuer Erkenntnisse entsprechend angepasst werden, etwa in Form von Indizes oder einer Aufspaltung in Unterartbezeichnungen. Nun finden sich in diesem sechsten Kapitel des Dritten Buches auch zahlreiche Parallelen zum bereits zitierten Kapitel viii des Zweiten Buches, in welchem Locke die Unterscheidung des Qualitätsbegriffs einführt. Auch in jenem sechsten Kapitel betont er dabei mehrfach die reale Wesenheit in den jeweiligen Gegenständen als Grundlage der Eigenschaften, die in der komplexen Idee, etwa von Gold, zusammengesetzt sind. Allerdings bezieht sich die Wesenheit auch in diesem Sinn immer nur auf eine Art und setzt sie demnach voraus, oder wie es Locke auch an einer Stelle formuliert: […] but there is no individual parcel of Matter, to which any of these Qualities are so annexed, as to be essential to it, or inseparable from it. That which is essential, belongs to it as a Condition, whereby it is of this or that Sort: But take away the consideration of its being ranked under the name of some abstract Idea, and then there is nothing necessary to it, nothing inseparable from it. Indeed, as to the real Essences of Substances, we only suppose their Being, without precisely knowing what they are: But that which annexes them still to the Species is the nominal Essence, of which they are the supposed foundation and cause (Locke 2011: III, vi, 6; 442).

Dieser Punkt über die menschliche Unwissenheit bezüglich Substanzen kommt an zahlreichen Stellen des Essays zum Ausdruck, am pointiertesten wohl in Kap. xxiii, 2 des Zweiten Buches, wenn Locke bemerkt:

1.1 Substanz, Name und abstrakte Idee

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So that if any one will examine himself concerning his Notion of pure Substance in general, he will find he has no other Idea of it at all, but only a Supposition of he knows not what support of such Qualities which are capable of producing simple Ideas in us; which Qualities are commonly called Accidents. […] The Idea then we have, to which we give the general name Substance, being nothing but the supposed, but unknown, support of those Qualities we find existing, which we imagine cannot subsist sine re substante, without something to support them, we call that Support Substantia; which, according to the true import of the word, is, in plain English, standing under, or upholding. (Locke 2011: 295 – 296; vgl. auch Locke 2011: II, xiii, 19)

Damit eng verbunden ist Lockes Auffassung über die möglichen Missbräuche der Sprache, in diesem Fall, Dinge zu bezeichnen, welche die sprachlichen Ausdrücke gar nicht bezeichnen bzw. bezeichnen können: „We may observe that, in the general names of Substances, whereof the nominal Essences are only known to us, when we put them into Propositions, and affirm or deny anything about them, we do most commonly tacitly suppose or intend, they should stand for the real Essence of a certain sort of Substances.“ (Locke 2011: III, x, 17; 499) Auch Locke räumt an dieser Stelle ein, dass Substanzausdrücke tatsächlich viel nützlicher seien, wären die realen Wesenheiten der Substanzen die Ideen in unserem Bewusstsein, welche jene Ausdrücke bezeichnen. „And ‘tis for want of those real Essences that our Words convey so little Knowledge or Certainty in our Discourses about them: And therefore the Mind, to remove that Imperfection as much as it can, makes them, by a secret Supposition, to stand for a Thing having that real Essence, as if thereby it made some nearer approaches to it“ (Locke 2011: III, x, 18; 500). Auf diese Weise erklärt sich die Annahme sowohl nominaler als auch realer Wesenheiten. Denn die einer komplexen Idee und ihrer Bezeichnung entsprechende nominale Wesenheit tritt schlicht an die Stelle der realen Wesenheit, die uns erkenntnismäßig nicht gegeben ist. Das ist insofern ein sehr origineller Gedanke, da die nominale Wesenheit erst durch den Namen, der die entsprechende komplexe Idee bezeichnet, substantiellen Charakter erhält. Das heißt, der Name erfüllt dieselbe Trägerfunktion im Sinne des tragenden Elementes der verschiedenen, in einer komplexen Idee wie Gold enthaltenen Ideen, wie Locke entsprechend die gegenständliche Substanz als Träger ihrer Eigenschaften beschreibt (vgl. z. B. Locke 2011: II, xxiii, 2; 296 bzw. II, xxiii, 4; 297). Die nominale Wesenheit setzt sich also zunächst nur zusammen aus einer Kombination weniger komplexer Ideen und erhält erst durch eine entsprechende Namensgebung ihre substantielle Funktion, indem diese weniger zusammengesetzten Ideen unter der jeweiligen Bezeichnung koexistieren. Erst hierin zeigt sich das einheitsstiftende Element, welches die nominale Wesenheit von den in ihr lediglich zusammengefassten Ideen unterscheidet (vgl. Locke 2011: II, xxiii, 6; vgl. auch Arndt 1973: 202).

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1 „Substance“ und „Chemical Description“. Lockes reale und nominale Wesenheiten

Im Fall von Gold etwa hieße das, dass seine nominale Wesenheit als ein gelber, dehn- und schmelzbarer etc. Körper bestimmt ist. Diese Eigenschaften und ihre Verbindung beruhen ihrerseits auf der Beschaffenheit der entsprechenden Partikel, über welche wir ebenso wenig sichere Erkenntnisse haben, wie über die zugrundeliegenden Trägersubstanzen. Oder wie es Locke an anderer Stelle formuliert: „Nor indeed can we rank and sort Things, and consequently (which is the end of sorting) denominate them, by their real Essences; because we know them not. Our Faculties carry us no further towards the knowledge and distinction of Substances, than a Collection of those sensible ideas which we observe in them“ (Locke 2011: III, vi, 9; 444), bzw. „[…] being ignorant of the real Essence it self, it is impossible to know all those Properties that flow from it, and are so annexed to it, that any one of them being away, we may certainly conclude that that Essence is not there, and so the Thing is not of that Species. We can never know what is the precise number of Properties depending on the real Essence […]“ (Locke 2011: III, vi, 19; 449). Ein weiteres Argument, welches Locke für die These anführt, nominale Wesenheiten seien Produkte des menschlichen Geistes, ist seine Behauptung, dass sie sich bei verschiedenen Menschen völlig unterschiedlich und andersartig gestalten und dass die nominale Wesenheit keiner einzigen Art von Substanzen sich bei verschiedenen Menschen gleiche, selbst bei den uns am besten vertrauten wie etwa der abstrakten Idee des Menschen (vgl. Locke 2011: III, vi, 26; 453). Dieser Punkt ist uns bereits aus seiner Bemerkung über den Uhrmacher bekannt. Und alleine darin zeigt sich, dass abstrakte Ideen keine unmittelbar durch die Natur der Dinge gegebenen sein können. Ein ganz analoges Argument findet sich in seiner Behandlung der Beziehung zwischen Ideen und ihren Bezeichnungen zu Beginn des Dritten Buches, Kapitel ii, wenn Locke betont, dass der Zusammenhang kein natürlicher sein kann, sondern rein willkürlich ist. Denn sonst würden wir nur über eine einzige Sprache verfügen (vgl. Locke 2011: III, ii, 1; 405). Oder wie er an anderer Stelle bemerkt und in Zusammenhang zum Gebrauch sprachlicher Ausdrücke stellt: „Words by long and familiar use, […], come to excite in men certain Ideas, so constantly and readily, that they are apt to suppose a natural connexion between them“ (Locke 2011: III, ii, 8; 408). Diese zentrale Erkenntnis Lockes über die willkürliche Verknüpfung zwischen Ideen und Namen wird uns im Rahmen der Diskussion über die Rechtfertigung von Qualia wiederbegegnen, deren Existenz gerade durch jene arbiträre Verbindung wesentlich gerechtfertigt wird (vgl. Kapitel II.4.3). Am Beispiel von Gold betont Locke zudem, dass die entsprechende komplexe Idee von Menschen ganz unterschiedlich gebildet wird, indem sie eine differente Art von Eigenschaften enthält, bei Kindern zum Beispiel nur die gelbe Farbe, bei anderen darüber hinaus auch Dehnbarkeit und Schmelzbarkeit etc. Wie wir bereits gesehen haben, reichen solche rudimentären Bestimmungen wie Farbe oder Gestalt

1.2 Wort, Idee und Anwendung

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für den Zweck gewöhnlicher Kommunikation völlig aus (vgl. u. a. Locke 2011: III, vi, 29 – 31; 456 – 459). Hier liegt Locke also in völliger Übereinstimmung mit Putnam. Ob ein bestimmter Klumpen Metall allerdings zur abstrakten Idee des Goldes zählen würde, der alle Eigenschaften von Gold besäße, ausgenommen der Dehnbarkeit, ließe sich nach Locke nur an den jeweiligen abstrakten Gold-Ideen unterschiedlicher Individuen entscheiden, abhängig von der Frage, ob die Dehnbarkeit Teil der nominalen Wesenheit der jeweiligen Personen ist oder nicht, oder anders ausgedrückt, ob es sich um Laien oder ExpertInnen handelt. Dass dies möglich ist, liefert für Locke ein weiteres Indiz dafür, dass Arten nur vom menschlichen Bewusstsein geschaffen werden können. So zeigt sich also auch an den diskutierten Bemerkungen Lockes, dass seine Unterscheidung von nominaler und realer Wesenheit zumindest nicht in vollem Umfang das ist, was Putnams Fußnote zur Einleitung zugrunde liegt, da sich gemäß der ersten Prämisse der traditionellen Philosophie Oskar 1 und Oskar 2 im selben psychischen Zustand befinden müssen, oder aber wir halten fest, dass Putnam diese denkbare Typengleichheit lediglich behauptet. Was Putnam jedoch sicher im Visier seiner Kritik hat, ist Lockes vielfache Betonung der Tatsache, dass die allgemeinen Substanzen Produkte des menschlichen Bewusstseins sind, auch wenn wir als Subjekte stets bestrebt sind, bestimmte, in der Wahrnehmung als konstante Verbindungen erfasste Qualitäten der Natur insofern zu entlehnen und nachzuahmen, als wir entsprechende komplexe Ideen von Substanzen bilden (vgl. Locke 2011: III, vi, 28 und 29). Dennoch: […] we may not be mistaken about Genera, and Species, and their Essences, as if they were Things regularly and constantly made by Nature, and had a real Existence in Things; when they appear, upon a more wary survey, to be nothing else but an Artifice of the Understanding, for the easier signifying such Collections of Ideas, as it should often have occasion to communicate by one general term; under which divers particulars, as far forth as they agreed to that abstract idea, might be comprehended. (Locke 2011: III, v, 9; 433 – 434)

1.2 Wort, Idee und Anwendung In den Abschnitten 46 bis 51 des sechsten Kapitels diskutiert Locke die Einführung eines Substanzterms am Beispiel Adams, der in den Bergen zufällig auf eine glänzend gelbe, harte und ungewöhnlich schwere Substanz stößt. Möglicherweise sind dies zunächst alle Qualitäten, die er an dem Klumpen wahrnimmt. Im Zuge eines Abstraktionsprozesses bildet Adam dann eine komplexe Idee, die aus einer Substanz mit eben diesen Qualitäten besteht und gibt ihr den Namen „zahab“. Alle Substanzen mit den eben beschriebenen sinnlichen Qualitäten erhalten nun diesen Namen. Im Gegensatz zu den Ideen gemischter Modi, bei welchen Adam aus-

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1 „Substance“ und „Chemical Description“. Lockes reale und nominale Wesenheiten

schließlich unter Anwendung seiner Einbildungskraft, gänzlich unabhängig von der Frage möglicher Existenz, Ideen zusammensetzt, bildet im Fall von Substanznamen das Fundstück in den Bergen den Ausgangspunkt. Die Stoßrichtung ist also auch hier wieder zunächst ausgehend von einem physikalischen Gegenstand. Dieser übernimmt nun die Funktion eines natürlichen Musters, welches in Folge als Maßstab dafür dient, ob ein bestimmter Klumpen ebenfalls unter den Begriff zahab fällt oder nicht. Wie bereits betont, kommt es dabei nicht auf eine Relation der Ähnlichkeit an, sondern für infrage stehende Gegenstände muss gelten, dass sie über eine genau definitorisch bestimmte Eigenschaft verfügen müssen, so beispielsweise über die Farbe des Musters und nicht etwa, wie Putnam vorschlägt, in einer „sameness relation“ zum ursprünglichen Muster zu stehen. Da Adam sich in Abwesenheit des Gegenstandes zumindest die entsprechend gebildete komplexe Idee vergegenwärtigen möchte, besteht sie auch nur aus den einfachen Ideen seiner Farbe, Festigkeit und seinem Gewicht, welche vom Gegenstand ausgehend unmittelbar wahrnehmbar sind. Der Komplex enthält natürlich keineswegs alle Qualitäten, da viele uns in der Wahrnehmung gar nicht gegeben sind bzw. sein können und selbst die wahrnehmbaren Eigenschaften noch nicht gänzlich erschöpft sind. Diesen Punkt haben wir auch bereits an Dummetts Beispiel von Ortsnamen gesehen. Entscheidend für die Musterfunktion des Urklumpens ist nun, dass die komplexe Idee eine möglichst getreue Kopie des Urbilds darstellt. Der Name „zahab“ vertritt dabei das Abbild und übernimmt auf diese Weise, wie wir gesehen haben, die Funktion der realen Substanz. Das Wesen des Namensträgers besteht zunächst in nichts anderem als den genannten Zuschreibungen „gelbglänzend“, „hart“ und „schwer“, da Adam bisher keinen Körper mit entsprechenden Eigenschaften erfahren hat. Durch intensive Forschungstätigkeiten treten nun weitere Qualitäten des ursprünglichen Klumpens zutage, wie etwa Dehnbarkeit, Feuerbeständigkeit oder Schmelzbarkeit. Nach Locke müssen diese neu entdeckten Eigenschaften nun aus demselben Grund wie die ursprünglichen in die komplexe Idee zahab aufgenommen werden, da keine Qualität irgendeiner anderen gegenüber als vorranging zu betrachten ist. Und, so Locke weiter: […] all the other Properties, which any farther Trials shall discover in this Matter, ought by the same Reason to make a part of the Ingredients of the complex Idea, which the Name Zahab stands for, and so be the Essence of the Species, marked by that Name. Which Properties, because they are endless, it is plain, that the Idea made after this fashion, by this Archetype, will be always inadequate. (Locke 2011: III, vi, 47; 469)

Diese Bemerkung ist in zumindest zweierlei Hinsicht interessant: Zunächst stellt Locke alle Eigenschaften des Gegenstandes auf eine gleichwertige Stufe, und das offensichtlich deshalb, weil am Objekt selbst keine Unterscheidung von wesentlichen und kontingenten Eigenschaften gezogen werden kann. Denn, wie wir gesehen

1.2 Wort, Idee und Anwendung

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haben, ist am individuellen Gegenstand selbst nichts essentiell. Wesentlich wird eine Eigenschaft nur in Beziehung zum entsprechenden Artbegriff, der durch die Nominaldefinition bestimmt ist. So hängt die Frage, ob ein Gegenstand eine Eigenschaft notwendigerweise oder nur willkürlich besitzt, davon ab, auf welche Weise er beschrieben wird (vgl. dazu auch Kripke 1981: 40). Hierin zeigt sich also eine klare Abgrenzung von Grundannahmen des wissenschaftlichen Realismus. Insofern hat auch die chemische Zusammensetzung gegenüber den in der Wahrnehmung gegebenen Eigenschaften keinen Vorrang und somit auch nicht hinsichtlich der Bedeutung des sprachlichen Zeichens. Zweitens, da alle durch Experimente neu gewonnenen Eigenschaften in den bisher bestehenden Ideenkomplex aufgenommen werden müssen und zugleich unzählig sind, wird die nach dem Urbild geformte Idee immer inadäquat sein. Allerdings wird jede neu gewonnene Qualität stets in die jeweilige Nominaldefinition integriert, was daher auch für die einmal entdeckte chemische Zusammensetzung gelten muss. Insofern wäre nicht nur die Extension eines Masseterms unterschiedlich bei differenter chemischer Zusammensetzung, sondern auch seine Intension. Für die Bedeutung des die komplexe Idee vertretenden Ausdrucks hieße das ebenfalls, dass zwei Dinge dann nicht unter denselben Artbegriff subsummiert werden können, wenn „zahab“ auf E die dort entdeckte chemische Struktur bedeute und auf ZE entsprechend eine andere, sondern, dass es sich auf ZE nicht um ein Element der Art zahab handelt. Wie bereits gesehen, ergibt sich nach Locke daraus die Konsequenz, dass Substanzausdrücke in ihrer Verwendung auch in ihrem Gehalt voneinander abweichende Bedeutungen haben, je nachdem, welche abstrakte Idee jeweils mit dem gleichen Namen verbunden ist, abhängig von der Kenntnis der Qualitäten. Dabei wäre allerdings ebenso vorausgesetzt, dass derselbe Name dann auch Verschiedenes bezeichnen könnte. Und gerade hierin sieht Locke den Grund für die Annahme realer Wesenheiten, aus denen sich alle Eigenschaften ableiten und die Art ihren Namen erhält. Allerdings, so Locke weiter: But they, not having any Idea of that real Essence in Substances, and their Words signifying nothing but the Ideas they have, that which is done by this Attempt is only to put the name or sound in the place and stead of the thing having that real Essence, without knowing what the real Essence is, and this is that which Men do when they speak of Species of Things, as supposing them made by Nature, and distinguished by real Essences. (Locke 2011: III, vi, 49; 470)

Da wir also über keine Ideen der realen Wesenheiten verfügen und sprachliche Zeichen lediglich Ideen benennen, wird nun der Name anstelle des Gegenstandes gesetzt, welcher über diese reale Wesenheit verfügt, basierend auf der Annahme, dass Arten sich aus der Natur ableiten und rechtfertigen ließen und nicht etwa durch menschliche Abstraktionsprozesse entstünden. Artspezifische Unterschiede lägen demnach in den unterschiedlichen realen Wesenheiten begründet. Das ent-

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1 „Substance“ und „Chemical Description“. Lockes reale und nominale Wesenheiten

spräche ganz einer wissenschaftsrealistischen Auffassung. Besonders anschaulich verdeutlicht Locke diesen Punkt wiederum am Beispiel von Gold. Wenn wir etwa Feuerbeständigkeit als Teil der Nominalwesenheit und somit als Teil der Definition von Gold verstehen, dann enthält eine Aussage wie „Alles Gold ist feuerbeständig“ lediglich die Bedeutung des Ausdrucks „Gold“. Hierin zeigt sich also bereits ein Vorläufer des analytischen Satzes im Sinne Kants (vgl. Kant A6/B10 und insb. Kant AA 17, 671, R4684, 1773 – 1775). Andererseits, so Locke, kann dieselbe Aussage, wenn sie nicht Teil der Definition des Ausdrucks bildet, als Eigenschaftszuschreibung einer entsprechenden Substanz gelten. Der Ausdruck „Gold“ vertritt nun diese Substanz, welche selbst die reale Wesenheit einer naturgegebenen Art enthält. Dann handelt es sich nicht mehr um eine begriffliche Bestimmung wie im Fall der Nominaldefinition, sondern scheinbar um eine Aussage über etwas in der Welt Befindliches, Reales. Das entspräche offensichtlich ganz Putnams Auffassung über Intension und Extension. Allerdings, so Locke, lässt sie sich nicht auf etwas Individuelles anwenden, da wir schlicht nicht wissen, was Gold genau ist, trotz der Bestimmung, dass sämtliches Gold, das heißt, alles, was über die reale Wesenheit von Gold verfügt, feuerbeständig ist (vgl. Locke 2011: III, vi, 50; 470). Dieser Punkt begründet sich einfach durch die Tatsache, dass uns die reale Wesenheit von Gold erfahrungsmäßig nicht gegeben ist. Insofern können wir auch nicht urteilen, welches Materieteilchen die entsprechende Wesenheit enthält, oder anders ausgedrückt, ob es sich bei einem bestimmten Klumpen um Gold oder einen anderen Stoff handelt. Wie wir bereits gesehen haben, erfüllt diese Funktion stattdessen das von Adam mittels einer hinweisenden Definition eingeführte Muster, welches uns künftig als Maßstab dafür dient, ob bei einem bestimmten Materiestück Gold vorliegt oder nicht. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass den Ausgangspunkt für die Formung der komplexen Idee des Goldes bestimmte Wahrnehmungen bzw. Beobachtungen eines realen Gegenstandes der Natur bildeten und die Idee als eine möglichst genaue Kopie des Urbildes zu verstehen ist. Über den Zusammenhang von Wort und Idee bemerkt Locke: The same Liberty also, that Adam had of affixing any new name to any Idea; the same has any one still, […]; but only with this difference, that, in Places where Men in Society have already established a Language amongst them, the significations of Words are very warily and sparingly to be alter’d. Because Men being furnished already with Names for their Ideas, and common Use having appropriated known names to certain ideas, an affected misapplication of them cannot but be very ridiculous. (Locke 2011: III, vi, 51; 470)

Locke betont hier ebenso explizit den Aspekt einer etablierten Sprache und einer gemeinsamen Verwendungsweise. Auch Martin Lenz widmet ein ganzes Kapitel seiner Lockemonographie der Locke’schen Sprachkonzeption, allerdings nicht in Form eines internalistischen Ansatzes, sondern ganz im Einklang mit unseren

1.2 Wort, Idee und Anwendung

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Überlegungen als einen „sozialen Externalismus“ in Abgrenzung zu einem semantischen Externalismus im Sinne Putnams oder Kripkes. Ausgehend von Lockes Grundthese „Words in their primary and immediate Signification, stand for nothing, but the Ideas in the Mind of him that uses them“ (Locke 2011: III, ii, 2; 405), betont Lenz deren Unvollständigkeit und gleichzeitig ihre Rolle als Eingangsvoraussetzung für die Anwendung von Sprache (vgl. Lenz 2010: 437). Zum besseren Verständnis dieser Eingangsbedingung und seiner Rolle im Kontext eines sozialen Externalismus sollten wir an dieser Stelle noch etwas genauer auf Lockes Auffassung über die Beziehung von Ideen und Wörtern eingehen, welche er insbesondere in den ersten beiden Kapiteln des Dritten Buches entwickelt. Dazu sollte man zunächst betonen, dass Lockes Sprachauffassung grundsätzlich mit der zentralen empiristischen Grundthese verknüpft ist, dass wir ohne die Quellen der „sensation“ und „reflection“ über keinerlei Ideen und somit keine Erkenntnisse verfügen würden und diese These im Rahmen einer repräsentationalen Perzeptionstheorie entwickelt wird. Auf die Schwierigkeiten eines solchen Verständnisses von Wahrnehmung hat Glock in überzeugender Weise hingewiesen (vgl. Glock 2015: 523 – 548). Diese zeigen sich vor allem in der Bestimmung des Bewusstseins und seiner mentalen Gehalte. Der Repräsentationalismus ließe sich dabei wie folgt zusammenfassen: „[…] the mind is pre-eminently the locus of mental representation and mental causation“ (Fodor 2005: 8; vgl. auch Glock 2015: 523). Und so bemerkt Glock ganz folgerichtig: In the wake of Descartes, “mind”, its equivalents and cognates have been treated as the label of a special kind of thing or realm […] Prominent among the denizens inhabiting this realm are cogitationes, ideas, Vorstellungen, etc., which both represent and are caused by phenomena – objects, facts, etc. – in the material world. Especially in the empiricist “way of ideas”, these mental proxies tended to be conceived of as images of the kind that occur to us when we imagine a visible phenomenon. (Glock 2015: 523)

Dieser Punkt ist uns auch bereits aus den Bemerkungen zu Hume bekannt. Und dadurch können sich tatsächlich semantische Schwierigkeiten in Bezug auf die Frage „privater“ und „öffentlicher“ Bedeutungen ergeben, wie wir es am Beispiel einer möglichen Privatsprache gesehen haben. Putnams Einwände scheinen in diesem Kontext daher am schlagkräftigsten. Das betrifft insbesondere Lockes „inner sense“ bzw. „reflections“ und die daraus gewonnenen Ideen in Form von Introspektion (zum Problem von Ideen als unmittelbare Gegenstände des Bewusstseins, Introspektion und „Inner Ostensive Definition“ siehe insbesondere Malcolm 1971: 8 – 16). Allerdings spielen die dabei gewonnenen Ideen geistiger Tätigkeiten, Locke nennt Wahrnehmen, Denken, Zweifeln, Glauben, Wollen etc. (vgl. Locke 2011: II, 1, 4; 105), in Putnams Überlegungen keine zentrale Rolle, da in seinen Beispielen vor allem der Wahrnehmungsinhalt im Vordergrund steht. Und es wäre zunächst auch

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1 „Substance“ und „Chemical Description“. Lockes reale und nominale Wesenheiten

nicht klar, wie die mit jenen durch Reflexion gewonnenen Ideen verbundenen Begriffe und ihre Bedeutung im Rahmen einer Intension-Extension-Differenzierung expliziert werden sollten. Und da auch Putnam in seiner Internalismuskritik eine repräsentationale Auffassung zugrunde legt, werden wir uns im Folgenden ebenfalls systemimmanent fortbewegen. Zunächst betont Locke das menschliche Erfordernis, Laute als Zeichen für innere Vorstellungen zu verwenden. Als Kennzeichen seiner eigenen Ideen werden diese auch für andere erkennbar, und so ist überhaupt der Austausch von Gedanken möglich (vgl. Locke 2011: III, i, 2). Wir Menschen verwenden jene Zeichen daher entweder, um unsere eigenen Gedanken im Gedächtnis zu speichern, oder sie anderen zu präsentieren bzw. mitzuteilen. Allerdings, so Locke weiter, „Words, in their primary or immediate Signification, stand for nothing but the Ideas in the Mind of him that uses them, how imperfectly soever or carelessly those Ideas are collected from the Things which they are supposed to represent.“ (Locke 2011: III, ii, 2; 405) Daher kann auch niemand Wörter zu sprachlichen Zeichen für Eigenschaften von bewusstseinsunabhängigen Gegenständen oder Ideen im Bewusstsein anderer machen, da sie sonst bedeutungslos wären. Auch an anderer Stelle betont Locke ganz explizit, dass sich zumindest die einfachen Ideen auf keine anderen „Wesenheiten“ beziehen, als auf die entsprechenden Wahrnehmungen, die ihre unmittelbaren Bedeutungen sind (vgl. Locke 2011: III, ix, 18). So bezeichnen nach Locke Wörter bzw. Laute im eigentlichen Sinne nichts anderes als „ideas“ in unserem Bewusstsein, und der Gebrauch von Wörtern besteht in ihrer stellvertretenden Zeichenhaftigkeit für entsprechende Ideen: „The use, then, of words, is to be sensible marks of ideas; and the ideas they stand for are their proper and immediate signification.“ (Locke 2011: III, ii, 1; 405) Insofern vertreten Wörter ihrer eigentlichen Bedeutung nach lediglich die Ideen im Bewusstsein der denkenden oder kommunizierenden Person. Und diese sind wie Locke bemerkt „all within his own Breast, invisible, and hidden from others, nor can of themselves be made to appear.“ (Locke 2011: III, ii, 1; 405) Insofern könnte man hier den Eindruck einer Art privater Bezugsobjekte gewinnen. Allerdings scheint das meinem Verständnis nach keineswegs zwingend, da wir uns in Alltagssituationen durchaus auf spezifische Empfindungen beziehen, einen Kopf- oder Zahnschmerz, den wir verspüren, ein Sausen in den Ohren oder eine gewisse innerliche Leere, die ich meinen GesprächsparterInnen nicht unmittelbar „in die Hände geben“ kann, wie Frege im Kontext von Gedanken bemerkt (Frege 1993: 40, Anm. 4). Und Locke betont im gleichen Atemzug auch die Wichtigkeit menschlicher Kommunikation: „The Comfort and Advantage of Society not being to be had without Communication of Thoughts, it was necessary that Man should find out some external sensible Signs, whereof those invisible Ideas, which his thoughts are made up of, might be made known to others.“ (Locke 2011: III, ii, 1; 405)

1.2 Wort, Idee und Anwendung

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Darüber hinaus ist es für Locke eine notwendige Voraussetzung, dass die SprachteilnehmerInnen, Laien wie ExpertInnen, die Wörter alle in gleicher Weise verwenden (vgl. Locke 2011: III, ii, 3). Und obgleich die Zeichen dabei eigentlich nur die unmittelbar im Bewusstsein der Sprechenden vorhandenen Ideen bezeichnen, setzen sie dennoch voraus, dass die Ausdrücke, welche sie verwenden, auch als Kennzeichen der Ideen anderer dienen, mit denen sie sich austauschen. Denn: For else that they should talk in vain, and could not be understood; if the Sounds they applied to one Idea were such, as by the Hearer, were to another, which is to speak two Languages. But in this, Men stand not usually to examine, whether the Idea they and those they discourse with have in their Minds be the same: But think it enough, that they use the word, as they imagine, in the common Acceptation of that Language, in which case they suppose that the Idea, they make it a Sign of, is precisely the same to which the Understanding Men of that Country apply that Name. (Locke 2011: III, ii, 4; 406 – 407)

Darüber hinaus, so Locke weiter: „Because Men would not be thought to talk barely of their own Imaginations, but of Things as really they are; therefore they often suppose their Words to stand also for the reality of Things“ (Locke 2011: 407). Diese beiden zentralen Punkte Lockes sprechen offensichtlich klar gegen eine Art privater Sprache bestehend aus privaten semantischen Gegenständen im geschilderten Sinne. Wörter bilden vielmehr Instrumente zur Mitteilung von Vorstellungen und Gedanken im zwischenmenschlichen Diskurs. Und Lockes Bemerkung, dass durch den regelmäßigen Gebrauch von Ausdrücken eine so enge Verknüpfung zwischen Lauten und entsprechenden Ideen bestünde, dass das Hören der Wörter oftmals Ideen hervorruft, als ob die sie verursachenden Gegenstände selbst gegeben wären (vgl. Locke 2011: II, ii, 6), bzw., dass Wörter aufgrund ihrer häufigen Verwendung regelmäßig und unverzüglich bestimmte Ideen wachrufen, scheint tatsächlich eine Charakteristik menschlicher Kommunikation zu treffen. Denken wir nur an unzählige alltägliche Kommunikationssituationen, in welchen ich beginne, von meinem Zahnschmerz zu sprechen und andere beim Zuhören sogleich von ihren vergleichbaren Erlebnissen berichten. Oder wenn man im Wartesaal eines Krankenzimmers den Gesprächen wartender PatientInnen lauscht, reiht sich meist eine Leidensgeschichte an die andere. Die Liste an Beispielen ließe sich beliebig erweitern und sie scheinen klar gegen eine strenge Privatheit von Bedeutungen zu sprechen, trotz der Auffassung Lockes, dass die Bedeutungsträger in „unserer Brust“ eingeschlossen sind und nicht unmittelbar für andere zugänglich. So versucht auch Lenz einen sozialen Externalismus Lockes zu entwickeln, aufbauend auf Lockes Grundbestimmung Wörter in ihrer primären und unmittelbaren Signifikanz stünden für nichts anderes als den Ideen in unserem Bewusstsein und betont dabei zugleich die Unvollständigkeit dieser Bestimmung und ihre Rolle als Grundvoraussetzung für den Gebrauch sprachlicher Ausdrücke:

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1 „Substance“ und „Chemical Description“. Lockes reale und nominale Wesenheiten

Wer einen Laut sinnvoll – und das heißt als sprachlichen Ausdruck – gebrauchen will, muß eine Idee mit diesem Laut verbunden haben. Wer nun meint, er gebrauche ein Wort einfach für ein Ding, wie es wirklich ist, täuscht sich. Vielmehr beruht dies auf einer impliziten Unterstellung, die – ideentheoretisch analysiert – darin liegt, daß die unmittelbar bezeichnete abstrakte Idee (Intension) in einer Konformitätsrelation zu den Ideen der Dinge (Extension) steht, die ihrerseits ein „Recht“ auf das für sie gebrauchte Wort haben. Die semantische Eingangsbedingung ist also in einem Konzeptualismus verankert, gemäß dem wir über abstrakte Ideen verfügen, deren Ursprung zwar aus den Dingen erklärt werden kann, die jedoch selbst generell bzw. auf Arten bezogen sind, die gemäß Lockes metaphysischem Partikularismus nicht existieren. (Lenz 2010: 437)

Diese Bemerkung steht also ganz im Einklang mit unseren Überlegungen. Interessant ist an dieser Stelle insbesondere, dass Lenz hier explizit von Sprachpraxis und Gebrauch sprachlicher Ausdrücke spricht, denn es ist gerade die Frage der Verwendung sprachlicher Ausdrücke, die Lockes Eingangsthese eben nur zu einem unvollständigen Ausgangspunkt macht. Und insofern uns die reale Essenz der Dinge epistemisch nicht unmittelbar zugänglich ist, kann uns die Sprache auch nicht als erkenntnistheoretische Vermittlerin über die Natur der Dinge bzw. ihre internen Ingredienzien und Strukturen dienen. Im Gegensatz zu Berkeley (vgl. dazu Berkeleys Kritik an abstrakten Ideen in Berkeley (1999 [1734]: Introduction) hat diese Einsicht für Locke nicht die Konsequenz, den Aspekt der Sprache auszublenden bzw. zu reformieren, sondern vielmehr, epistemologische Grenzen aufzuweisen. Insofern betont Lenz völlig zu Recht: „Das Maß für Korrektheit oder Adäquatheit kann demnach nicht in einer metaphysischen Richtigkeit liegen, sondern bestimmt sich relativ zu den Erfordernissen unseres Lebens. Die Anerkennung der sozialen und pragmatischen Dimension der Interdependenz zwischen Wörtern und Ideen schlägt die Brücke zurück zu Lockes Grundthese, nach der die Sprache das Band der Gesellschaft ist“ (Lenz 2010: 438), bzw. […] sind es nach Locke die Wörter in ihrer sozialen Dimension, die die Korrektheitsstandards fixieren. Während die Eingangsbedingung erklärt, wie wir Sprache sinnvoll verwenden können, und der Abstraktionismus erklärt, inwiefern die Ideen zu ihrem generellen Gehalt kommen, erklärt erst die Akzeptanz unseres Sprachgebrauchs von Seiten der Sprachgemeinschaft, wie dieser Gehalt als Standard fixiert wird. (Lenz 2010: 438 – 439)

Dieser Punkt sollte etwa am Beispiel Adams deutlich geworden sein. Und es ist gerade diese Akzeptanzbedingung, die aus der ursprünglich willkürlichen Verknüpfung zwischen Wort und Idee nun eine verbindliche macht. Denn nach der arbiträren Einführung eines Ausdruckes für eine Idee ist es die Akzeptanz, ein Ding auch künftig und „mit Recht“ so zu benennen, wie es eingeführt wurde, welche dadurch interpersonale Verständigung sichert. Diesen Punkt haben wir bereits zu Beginn unserer Untersuchungen angeführt und mit der Analogie zu den Regeln des

1.2 Wort, Idee und Anwendung

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Schachs zu plausibilisieren versucht. Es ist die Akzeptanz dieser Regeln, auch wenn sie völlig willkürlich eingeführt wurden, die als Voraussetzung dafür dienen, überhaupt regelkonform Schach zu spielen. Die von Lenz als unvollständig bezeichnete Eingangsvoraussetzung lässt sich nun nach den genannten Überlegungen wie folgt ergänzen: (1) Eingangsbedingung: Die primäre Signifikation liegt darin, daß ein Name die Art-Idee im Geist dessen, der den Namen gebraucht, unmittelbar bezeichnet. (2) Rechtsverhältnis: Die Dinge, die der Art-Idee entsprechen, haben ein Recht auf den Namen. (3) Akzeptanzbedingung: Das Rechtsverhältnis begründet die Akzeptanzbedingung, gemäß der unser Wortgebrauch nicht der common use zuwiderlaufen darf. (Lenz 2010: 450)

Dabei liefert die Eingangsbedingung die Grundvoraussetzung für den sinnvollen Gebrauch von Wörtern. Das Rechtsverhältnis gewährleistet, dass die SprecherInnengemeinschaft einer Sprache auf das Verhältnis zwischen Dingen, die unter eine Art fallen, und den entsprechend eingeführten Namen verpflichtet sind, wenn sie einen solchen Ausdruck gebrauchen. Und die Akzeptanzbedingung soll dazu dienen, von dem gewöhnlichen Sprachgebrauch abweichende Verwendungsweisen zu verhindern. In diesem Sinne ist auch der internen Verknüpfung aller drei Komponenten, Sprache, Ideen und Gegenstand, die die Grundthese der hier vorgelegten Untersuchungen bildet, vollständig Rechnung getragen. Abschließend können wir also festhalten, dass die Locke’sche Unterscheidung in nominale und reale Wesenheit wohl zunächst anwendbar ist auf Putnams Fußnote, in welcher er zwischen „the substance referred to“ und „its chemical description“ unterscheidet. Die weiteren Untersuchungen haben dann gezeigt, dass Locke keinen streng wissenschaftlichen Realismus vertritt, sondern die Einführung der realen Essenz lediglich dadurch gerechtfertigt sieht, den entsprechenden Namen an die Stelle der jeweiligen Substanz treten zu lassen. Die menschliche Unkenntnis über die Beschaffenheit der realen Wesenheit im Einzelfall erlaubt uns jedoch keine wahren Urteile über die konkrete Bestimmung eines infrage stehenden Objekts. Und das hat natürlich wesentliche Auswirkungen auf die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke. Dieses epistemische Argument Lockes gegen die semantische Rolle realer Substanzen wird Putnam (und auch Kripke) an späterer Stelle wieder aufgreifen. Darüber hinaus stellt sich auch die grundsätzliche Frage, inwiefern wir bei einem Einzelding tatsächlich von einer „wesentlichen“ Eigenschaft sprechen können und was eine solche Wesenseigenschaft einer willkürlichen gegenüber auszeichnet, wenn damit nicht die definitorische Bestimmung gemeint ist, die sie einer bestimmten Art zuweist oder nicht. So bemerkt etwa Wittgenstein in den Philosophischen Untersuchungen: „Das Wesen ist in der Grammatik ausgesprochen“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 371).

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1 „Substance“ und „Chemical Description“. Lockes reale und nominale Wesenheiten

Im Folgenden werden wir uns mit der Frage beschäftigen, welche Rolle Proposition, Gegenstand und Name im Kontext der Unterscheidung „innen – außen“ spielen und in welcher Weise die engen und weiten Bewusstseinzustände dabei ins Spiel kommen. Es ist hier sicher kein Zufall, dass Putnam in Fortsetzung seiner Einleitung gerade auf John Searles kritische Einwände reagiert, der für ihn wohl die eigentliche Gegenposition seiner Auffassung darstellt, Bedeutungen seien nicht im Kopf und das Bewusstsein sei vielmehr ein System von Fähigkeiten und Interaktionen unser Umfeld betreffend (vgl. Putnam 1996a: xviii). Daher werden wir uns später noch etwas genauer mit Searles Kritik und Putnams Reaktion befassen (siehe Kapitel II.2.4).

2 „Innen“ und „Außen“ 2.1 Proposition, Gegenstand und Name Auch Donald Davidson geht in seinem Artikel „Knowing one’s own Mind“ auf die Thematik enger und weiter mentaler Zustände ein und nimmt dabei Bezug auf Putnam. Ausgangspunkt bildet dabei Putnams Slogan, Bedeutungen seien nicht im Kopf, und die damit verbundene Auffassung, dass die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke von mehr abhängen muss, als was sich in unserem Bewusstsein befindet. Insofern wird deutlich, warum Putnam als Ausgangslage seines Gedankenexperimentes der Zwillingserde von engen mentalen Zuständen ausgehen muss. Es sind gerade diese, die völlig unabhängig von irgendwelchen Bezugnahmen auf etwas außerhalb unseres Bewusstseins gedacht werden können. Potenzielle extramentale Referenzobjekte wären etwa individuelle Gegenstände, natürliche Arten und ihre internen Strukturen oder die sprachlichen Gepflogenheiten einer Kommunikationsgemeinschaft wie in Burges sozialem Externalismus. Da hingegen bei den „narrow mental states“ keine referentielle Komponente auf etwas außerhalb des Bewusstseins gegeben ist bzw. sein muss, wird es überhaupt erst möglich, dass sich zwei Personen, Oskar 1 und Oskar 2, im selben psychischen Zustand befinden können. Denn sie müssen nur vermeintlich auf etwas außerhalb des Bewusstseins Bezug nehmen, das zwar in seiner Extension von einer anderen abweicht, nicht aber in der Intension, welche vollständig dem Bewusstsein zugeordnet wird, wie es der Fall von H2O und XYZ veranschaulichen soll. Hier zeigt sich auch eine schon seit der Antike zentrale Frage nach der ontologischen Beschaffenheit der Gegenstände, auf die wir mittels eines bestimmten Bewusstseinsaktes „intentional“ gerichtet sind (vgl. hierzu Brentano [1874] 1911). Schlagen wir sie dem Bereich der Außenwelt zu, dann sind damit Gedanken über fiktive, nicht-existierende oder noch nicht-existierende Gegenstände ausgeschlossen. Fassen wir sie hingegen als Bestandteile des Bewusstseinsaktes auf, dann wären Aussagen wie „Es gibt keine Einhörner“, „Es gibt keine runden Vierecke“ etc. nicht mehr gültig, insofern der Akt besteht und somit auch sämtliche seiner Teile. Räumen wir die Möglichkeit ein, dass die Bezugsobjekte unserer Gedanken, Überzeugungen etc. extramentaler Natur sind, dann wäre es denkbar, dass wir über unsere Gedanken, Glaubenseinstellungen etc. nicht vollständig im Bilde sind, weil wir die Gegenstände außerhalb unseres Bewusstseins nie vollständig erfassen können, wie wir schon in Dummetts Bemerkungen über geographische Gebiete gesehen haben oder auch in Humes Auffassung über die generalisierende Rolle partikularer Ideen. So wäre es im Extremfall sogar möglich, dass wir denken, behttps://doi.org/10.1515/9783111241555-005

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2 „Innen“ und „Außen“

stimmte Überzeugungen zu haben, die wir „tatsächlich“ nicht haben und vice versa. Dieser Punkt soll auch durch Burges Arthritis-Gedankenexperiment gestützt werden. Als prominenter Vorläufer einer solchen gleichsam externalistischen Auffassung gilt wohl auch Russell und seine Bestimmung von Propositionen, nach welcher es denkbar wäre, zu wissen, dass eine Proposition wahr sei, auch wenn sie Elemente enthielte, mit der die jeweilige Person nicht oder nicht vollständig vertraut sei (vgl. u. a. Davidson [1987] 2009b: 18). In der Folge sprach man dann auch gelegentlich von Einstellungen de re, das heißt, Einstellungen gegenüber Gegenständen bzw. allgemein gesprochen der Extension in Abgrenzung zu Einstellungen de dicto, welche sich auf die intensionalen Bestimmungen beziehen, wenn ich etwa behaupte, Junggesellen seien unverheiratete Männer, unabhängig von der Kenntnis, welche Elemente die Extension genau umfasst. Wir haben bereits im Ulmen/Buchen-Beispiel die Frage gestellt, ob im Hintergrund dieser Darstellung Putnams jene Unterscheidung mitschwang und inwieweit sie tatsächlich einer Kritk an der internalistischen Tradition dient. Denn zum einen bestehen ganz unabhängig von unserem Kontext durchaus differente Auffassungen über diese Zweiteilung und zum anderen scheint ihre Anwendung auf unsere Beispiele nicht zielführend, wenn wir sie auf konkrete Sprechsituationen beziehen wie „Dies dort ist ein Glas Wasser“. Denn dort referiere ich auf ein Glas mit einer bestimmten Flüssigkeit, welches ich vor mir auf dem Tisch stehen sehe. Eine mögliche Parallele wäre nur zu ziehen, wenn wir wie im Fall des Wasserbeispiels Oberflächenbestimmungen und Tiefenstruktur trennen und letztere ausschließlich der Extension zuschrieben. Sonst wäre zu zeigen, nach welchen Kriterien derselbe Satz begleitet mit einer Zeigegeste wie „Dort steht ein Glas Wasser“ sich einmal auf die intensionalen Bestimmungen, ein anderes Mal auf die Flüssigkeit selbst beziehe. Sitze ich andererseits in einem Café beim Lösen eines Kreuzworträtsels und suche nach „Laubbaum, der in den USA und Europa wächst“ mit fünf Buchstaben, stellt sich die Frage des unmittelbaren Bezuges auf ein spezifisches Referenzobjekt außerhalb meines Bewusstseins hier nicht (zur Schwierigkeit der Differenzierung in de dicto und de re vgl. Searle 1983: 208 – 218; zu Modalitäten de dicto und de re siehe auch Kripke 1981, Lecture I, insb. 39 ff.). In seinen Bemerkungen über die beiden Wissensformen der Bekanntschaft und der Beschreibung scheint Russell der von Davidson eingeräumten Option, zu glauben, eine Überzeugung zu haben, die man „tatsächlich“ nicht hat und vice versa, nicht uneingeschränkt zuzustimmen. Dieser Punkt ist wesentlich mit seinem Begriff der „acquaintance“ und Auffassung echter logischer Eigennamen verknüpft, welche garantiert, dass ein jeder solcher auch eine Bedeutung haben bzw. denotieren muss. Im Fall der Ausdrücke „this“ und „that“, die ausschließlich Bezug nehmen auf ein gegebenes Sinnesdatum, ist die Möglichkeit von Fehlreferenzen

2.1 Proposition, Gegenstand und Name

109

bzw. leerer Namen definitorisch ausgeschlossen. Denn wenn ich ein Sinnesdatum erlebe, weiß ich aufgrund meiner unmittelbaren Bekanntschaft mit ihm auch, dass ich es erlebe und kann mich darin nicht täuschen, unabhängig von der Frage, ob das Sinnesdatum eine extramentale Eigenschaft adäquat repräsentiert oder nicht. So formuliert er ganz entsprechend das Grundprinzip zur Analyse von Sätzen, welche Beschreibungen enthalten, folgendermaßen: „Every proposition which we can understand must be composed wholly of constituents with which we are acquainted“ (Russell 1980: 32). Und somit ist es für Russell auch kaum denkbar, „[…] that we can make a judgement or entertain a supposition without knowing what it is that we are judging or supposing about. We must attach some meaning to the words we use, if we are to speak significantly and not utter mere noise; and the meaning we attach to our words must be something with which we are acquainted.“ (Russell 1980: 32) Davidson hingegen sieht in der Auffassung, dass wir möglicherweise eine Einstellung zu haben glauben, welche wir tatsächlich nicht besitzen, zunächst eine Gefahr des Verlustes der Autorität der Ersten Person, da sie einen Bestandteil enthalten könnte, mit dem wir aufgrund seiner extramentalen Beschaffenheit nicht vertraut sind (vgl. Davidson [1984] 2009a, insb. 2 – 9; Davidsons Argument zur Sicherung dieser Autorität lässt sich jedoch formallogisch sichern und rechtfertigen). Das mögliche „Enthaltensein“ von Gegenständen in Propositionen spielte bereits eine zentrale Rolle in der philosophischen Auseinandersetzung zwischen Russell und Frege, welche besonders deutlich in Russells Briefwechsel mit Frege zum Ausdruck kommt. Hierin wird sichtbar, dass Frege sich vehement gegen die Auffassung wehrte, Gegenstände im Sinne fregianischer Bedeutungen könnten Teil des Sinnes bzw. Gedankens sein. So schreibt Russell zunächst in einem Brief an Frege vom 24. Mai 1903: Ueber Sinn und Bedeutung bin ich noch immer nicht ganz Ihrer Meinung. Darüber möchte ich folgendes sagen: Vorstellung und Urtheil haben beide in allen Fällen einen Gegenstand: was ich eine „Proposition“ nenne kann Gegenstand eines Urtheils sein, kann ebensowohl Gegenstand einer Vorstellung sein. Es giebt [sic!] also zwei Weisen auf denen man an ein [sic!] Gegenstand denken kann, falls dieser Gegenstand ein Komplex ist: man kann ihn vorstellen, oder man kann ihn urtheilen; doch ist der Gegenstand in beiden Fällen derselbe […]. (Russell 1976a: 242)²

Ganz entsprechend formuliert Russell die gleiche Auffassung an Freges konkretem Beispiel des Mont Blanc in einem Brief, etwa eineinhalb Jahre später vom 12. Dezember 1904:

2 Die fehlerhaften Schreibweisen in diesem und dem folgenden Brief Russells wurden nicht korrigiert. V.M.

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2 „Innen“ und „Außen“

Ich glaube, dass der Mont Blanc selbst, trotz aller seiner Schneefelder, Bestandtheil dessen ist was eigentlich behauptet wird im Satze „Der Mont Blanc ist mehr als 4000 Meter hoch“. Man behauptet nicht den Gedanken, der ja psychologische Privatsache ist: Man behauptet das Objekt des Gedankens, und dies ist meines Erachtens ein gewisser Complex (ein objektiver Satz, könnte man sagen) worin der Mont Blanc selber ein Bestandteil ist. Wenn man dies nicht zugesteht, so bekommt man zum Schluss dass wir über den Mont Blanc selbst überhaupt nichts wissen. Deshalb ist mir die Bedeutung des Satzes nicht das Wahre, sondern ein gewisser Complex der (im gegebenen Falle) wahr ist. Im Fall eines einfachen Eigennamens wie „Sokrates“ kann ich zwischen Sinn und Bedeutung nicht unterscheiden; ich sehe nur die Idee, die psychologisch ist, und das Objekt. Besser gesagt: Ich gestehe den Sinn garnicht zu, sondern nur die Idee und die Bedeutung. (Russell 1976b: 250 – 251)

Hierin zeigt sich auch Putnams psychischer Zustand als „psychologische Privatsache“ einerseits und der extensionale Bezug als „Objekt des Gedankens“ andererseits. Dabei kommt dem referentiellen Aspekt sprachlicher Ausdrücke besonderes Gewicht zu. Für Russell schließt „meaning“ also explizit ein, etwas zu bezeichnen oder zu benennen. Insofern überrascht es natürlich nicht, dass auch Putnam seine Überlegungen zunächst auf „natural kind terms“ einschränkt, deren vollständige Bedeutung sich ausschließlich über die Bezugnahme auf ein Referenzobjekt rekonstruieren lässt und nur Kripke diskutiert den Bereich der Referenz auch im Kontext von Eigennamen und wissenschaftlichen Phänomenen wie Licht oder Hitze (zum Verhältnis von Beschreibung und Denotation siehe auch Kapitel III.1). Russells Verständnis von Gegenstand und Komplex ist natürlich wesentlich verbunden mit seiner Auffassung über Eigennamen als Abkürzungen singulärer Kennzeichnungen und echter logischer Eigennamen („logically proper names“). Sie wird dabei besonders deutlich in Zusammenhang mit dem Problem bedeutungsloser Zeichen (im Sinne der Extension) und ihrer Verbindung mit negativen Existenzsätzen. Ohne an dieser Stelle explizit auf die Schwierigkeit leerer Namen und negativer Existenzsätze einzugehen, möchte ich lediglich einige für unseren Zusammenhang relevante Stellen Russells anführen, welche seine Auflassung in diesem Zusammenhang verdeutlichen sollen. So bemerkt er etwa in The Philosophy of Logical Atomism: „A name can just name a particular, or, if it does not, it is not a name at all, it is a noise. It cannot be a name without having just that one particular relation of naming a certain thing“ (Russell [1918] 1956b: 187). In seiner Introduction to Mathematical Philosophy betont er ganz entsprechend: „A name is a simple symbol whose meaning is something that can only occur as subject, i. e. something of the kind that […] we defined as an ‘individual’ or a ‘particular’. And a ‘simple’ symbol is one which has no parts that are symbols.“ (Russell [1919] 1993: 173) Und einige Stellen später heißt es: „[…] a name […] is a simple symbol, directly designating an individual which is its meaning, and having this meaning in its own right, independently of the meanings of all other words“ (Russell 1993: 174).

2.1 Proposition, Gegenstand und Name

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Der Russell’sche Name ist also ein einfaches syntaktisches Zeichen, dessen „meaning“ sich vollständig in seiner Bezugnahme auf ein „individual“ erschöpft und daher auch undefinierbar ist. Diese Auffassung über „individuals“ ist uns auch aus Wittgensteins Gegenstandsbestimmung im Tractatus bekannt, wenn er etwa rückblickend bemerkt, „Das, was ich seinerzeit ,Gegenstände‘ genannt habe, das Einfache, ist einfach das, was ich bezeichnen kann, ohne fürchten zu müssen, daß es vielleicht nicht existiert; d. h. das, wofür es Existenz oder Nicht-Existenz nicht gibt, und das heißt das, wovon wir reden können, was immer der Fall ist.“ (Wittgenstein 1991a, PB: 72) Denn der Gegenstand ist nicht anderes als die Bedeutung des Namens bzw. bedeutet der Name nichts anderes als den Gegenstand (vgl. Wittgenstein 1989a, TLP: 3.203) Eine solche Auffassung von Namen hat zur Konsequenz, dass sowohl der Satz „a existiert nicht“ als auch der Satz „a existiert“ bedeutungslos sind, unter der Annahme, „a“ sei ein echter Eigenname. Denn wäre der erste Satz wahr, hätte das Zeichen „a“ offensichtlich keine Bedeutung, wodurch jedoch der ganze Satz „a existiert nicht“ bedeutungslos und nicht wahr wäre. Natürlich gilt dann auch, dass der Satz „a existiert“ bedeutungslos sein muss, da „a“ auf nichts referiert. If Romulus himself entered into our statement, it would be plain that the statement that he did not exist would be nonsense, because you cannot have a constituent of a proposition which is nothing at all. Every constituent has got to be there as one of the things in the world, and therefore if Romulus himself entered into the propositions that he existed or that he did not exist, both these propositions could not only not be true, but could not even be significant, unless he existed. (Russell 1956b: 242)

An diesen Bemerkungen zeigt sich auch, dass singuläre Kennzeichnungen gerade keine echten logischen Eigennamen sein können, denn: „Whenever the grammatical subject of a proposition can be supposed not to exist without rendering the proposition meaningless, it is plain that the grammatical subject is not a proper name, i. e. not a name directly representing some object“ (Russell [1903] 1997: 66), bzw. „If it [‘Romulus’] were really a name, the question of existence could not arise, because a name has got to name something or it is not a name“ (Russell 1956b: 243). Und schließlich: „The proposition ‘the so-and-so exists’ is significant, whether true or false; but if a is the so-and-so, (where ‘a’ is a name), the words ‘a exists’ are meaningless […]; for, if ‘a’ is a name, it must name something: what does not name anything is not a name, and therefore, if intended to be a name, is a symbol devoid of meaning.“ (Russell 1993: 178−179)³.

3 Diese Stellen und Bemerkungen verdanke ich Werner Sauer und unseren unzähligen Diskussionen zu Russell und Frege.

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2 „Innen“ und „Außen“

Natürlich gilt auch für Frege ganz entsprechend, dass ein Satz nur dann Ausdruck eines Gedankens ist, wenn die darin enthaltenen sprachlichen Ausdrücke auch etwas bezeichnen. So gilt zum Beispiel: „Der Satz ‚Leo Sachse ist ein Mensch‘ ist nur dann Ausdruck eines Gedankens, wenn ‚Leo Sachse‘ etwas bezeichnet. Ebenso ist der Satz ‚dieser Tisch ist rund‘ nur dann Ausdruck eines Gedankens, wenn die Worte ‚dieser Tisch‘ mir etwas Bestimmtes bezeichnen, nicht leere Worte sind“ (Frege [1906] 1969d: 189). Und so bemerkt er bereits in „Über Sinn und Bedeutung“ ganz allgemein: Von einer logisch vollkommenen Sprache (Begriffsschrift) ist zu verlangen, daß jeder Ausdruck, der aus schon eingeführten Zeichen in grammatisch richtiger Weise als Eigenname gebildet ist, auch in der Tat einen Gegenstand bezeichne und daß kein Zeichen als Eigenname neu eingeführt werde, ohne daß ihm eine Bedeutung gesichert sei. Man warnt in den Logiken vor der Vieldeutigkeit der Ausdrücke als einer Quelle von logischen Fehlern. Für mindestens ebenso angebracht halte ich die Warnung vor scheinbaren Eigennamen, die keine Bedeutung haben (Frege 2011b: 155).

Gedanken ohne Wahrheitswert im Fall leerer Namen weist Frege etwas unglücklich der Dichtung zu, bzw. bezeichnet sie auch gelegentlich als „Scheingedanken“, was zunächst den Eindruck vermitteln könnte, es handle sich um gar keine genuinen Gedanken. Das ist allerdings nicht der Fall, was er am Beispiel des Odysseus verdeutlicht: Nehmen wir an […] wir überzeugten uns, dass der Name „Odysseus“ in der Odyssee, entgegen unserer bisherigen Meinung, doch einen Mann bezeichne. Würden dadurch die Sätze, die den Namen „Odysseus“ enthalten, andere Gedanken ausdrücken? Ich glaube nicht. Die Gedanken würden eigentlich dieselben bleiben; sie würden nur aus dem Gebiete der Dichtung in das der Wahrheit versetzt. (Frege [1906] 1969e: 208)

Das Problem singulärer Existenzsätze hat sich Frege bekanntermaßen anders aufgelöst. Der Satz „a existiert“ ist insofern nicht logisch wohlgeformt, da es sich für Frege beim Begriff der Existenz um ein Prädikat zweiter Stufe handelt, welches als Argument nur Begriffe erster Stufe und keine singulären Ausdrücke zulässt (vgl. etwa Frege 2011a oder Frege [1903] 2011d). Mit anderen Worten handelt es sich beim Existenzprädikat nicht um eine Eigenschaft von Gegenständen. Am Beispiel Keplers wird dann deutlich, dass zu sagen, Kepler existierte, nichts anderes heiße, als dass das Zeichen „Kepler“ eine Bedeutung habe bzw. etwas bezeichne. Und dabei wird ein anderer Unterschied zu Russell sichtbar, dass wir mit dem Satz „Kepler starb im Elend“ seine Existenz nicht explizit mitbehaupten, wie Russells Analyse singulärer Kennzeichnungen zu zeigen versuchte (vgl. Russell [1905] 1956a), sondern vielmehr bereits voraussetzen. Wäre dem nicht so, ließe sich der Satz auf zwei Weisen verneinen, das heißt, dass entweder Kepler gar nicht existierte oder aber, dass er nicht

2.1 Proposition, Gegenstand und Name

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im Elend starb. Die implizite Voraussetzung, das Wort „Kepler“ bezeichne auch etwas, sichert somit, dass ein Subjekt-Prädikat-Satz nur auf eine Weise verneint werden kann, durch die Verneinung des Prädikats (vgl. Frege 2011b: 153 – 154). Für Frege erschöpft sich die Referenz eines sprachlichen Zeichens allerdings nicht nur in seiner unmittelbaren Bezugnahme auf seine Bedeutung im Sinne von Extension, sondern immer nur vermittels des Sinnes, welchen Russell hingegen, wie wir gesehen haben, ablehnt. Oder wie Frege sich gegenüber Russell ausdrückt: „Die Zeichen bezeichnen nicht nur etwas, sondern sie drücken auch etwas aus.“ (Frege 1976 f: 246−247) Damit muss für Frege zumindest in der Begriffsschrift gesichert sein, dass jedes Zeichen einen Sinn und eine Bedeutung hat, bzw. dass wir keine bedeutungslosen Ausdrücke bilden können. Denn das Zeichen bezieht sich „[…] durch Vermittlung des Sinnes und nur durch diese auf [die Bedeutung] […] Die Logik muss sowohl vom Eigennamen als auch vom Begriffsworte fordern, dass der Schritt vom Worte zum Sinne und der vom Sinne zur Bedeutung unzweifelhaft bestimmt sei“ (Frege 1969b: 135−136), bzw. Die regelmäßige Verknüpfung zwischen dem Zeichen, dessen Sinne und dessen Bedeutung ist der Art, daß dem Zeichen ein bestimmter Sinn und diesem wieder eine bestimmte Bedeutung entspricht […] Gewiß sollte in einem vollkommenen Ganzen von Zeichen jedem Ausdrucke ein bestimmter Sinn entsprechen; aber die Volkssprachen erfüllen diese Forderung vielfach nicht, und man muß zufrieden sein, wenn nur in demselben Zusammenhange dasselbe Wort immer denselben Sinn hat. (Frege 2011b: 144−145)

Wie wir gesehen haben, ist es dieser für Frege notwendige Weg vom Zeichen über den Sinn zur Bedeutung, den Putnam kritisiert und warum er wohl deshalb Frege zu seinen internalistischen Gegnern zählt. Jedoch bewahrt gerade der Sinn Frege vor dem Problem, ob die Bestandteile bewusstseinsimmanent oder auf etwas außerhalb des Kopfes bezogen sind. Denn wie wir gesehen haben, ist der Gedanke weder etwas Psychologisches im Sinne einer Vorstellung, noch stellt sich die Frage, ob der Gedanke Bedeutungsbestandteile enthält, wie es Russell behauptet hat. Dadurch lässt sich auch überzeugend gegen Russells Auffassung argumentieren, der Gegenstand sei Teil der Proposition, was offensichtlich in der Folge externalistische Auffassungen à la Putnam oder Kripke gefördert hat. Für Russell ergibt sich die Konsequenz gerade daraus, dass wir nach seiner Auffassung keine Einstellungen gegenüber psychologischen Vorkommnissen haben, da wir sonst über die Gegenstände, auf die wir uns dabei beziehen, keine Kenntnis hätten. Die Frage nach dem Gegenstandbezug und seinem Enthaltensein in einer Proposition ist daher eine schlichte Folge aus der Ablehnung fregeanischer Sinne und Beschränkung auf den subjektiv-psychologischen Bereich einerseits und extramentalen Gegenstandbereich andererseits. Denn natürlich ist auch für Frege klar, dass die Bestandteile eines Satzes nicht auf irgendeinen men-

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2 „Innen“ und „Außen“

talen Zustand hindeuten, wenn er etwa im Zusammenhang der Frage, ob die Zahl etwas Subjektives sei (vgl. Frege [1884] 2009: 56−60), bemerkt: „Wenn man sagt: ‚Die Nordsee ist 10000 Quadratmeilen groß‘, so deutet man weder durch ‚Nordsee‘ noch durch ‚10000‘ auf einen Zustand oder Vorgang in seinem Innern hin, sondern man behauptet etwas ganz objektives, was von unseren Vorstellungen und dgl. unabhängig ist“ (Frege 2009: 57). Insofern erlaubt Freges Sinnkonzeption den Bezug zur Objektivität und Abkehr von wahrheitswertirrelevanten Vorstellungen oder anderen mentalen Zuständen. Für Russell hingegen stellt sich hinsichtlich der Zusammensetzung von Propositionen lediglich die Alternative des Gegenstandbezugs oder der psychischen Referenz. Zum Verhältnis vom Sinn eines Ausdrucks und seiner Brauchbarkeit bemerkt Frege in einem undatierten Brief an Philip Jourdain, vermutlich vom Januar 1914: […] ich [glaube] nicht, dass wir den Sinn des Namens in der Logik entbehren können; denn ein Satz muss einen Sinn haben, wenn er brauchbar sein soll. Der Satz aber besteht aus Teilen, die zum Ausdrucke des Sinnes des Satzes irgendwie beitragen müssen, selbst also irgendwie sinnvoll sein müssen. Nehmen wir den Satz „Der Aetna ist höher als der Vesuv“. Wir haben hierin den Namen „Aetna“, der auch in andern Sätzen vorkommt, z. B. in dem Satze „der Aetna ist in Sizilien“. Die Möglichkeit für uns, Sätze zu verstehen, die wir noch nie gehört haben, beruht offenbar darauf, dass wir den Sinn eines Satzes aufbauen aus Teilen, die den Wörtern entsprechen. (Frege 1976d: 127).

Hier zeigt sich ganz deutlich die interne Verbindung zwischen Freges Sinnbegriff und dem Verstehen einer Sprache für eine Person, die der Sprache mächtig ist. Dieser Punkt wurde ja bereits an Freges Metapher der Eisenbahnsignale deutlich (vgl. Frege 1976d: 127) und wir finden ihn auch an zahlreichen anderen Stellen wieder (vgl. etwa Frege [1923] 2011 f: 378). Daraus geht auch klar hervor, dass der Teil, von dem Frege spricht, nicht der Aetna selbst sein kann, als Bedeutung des Zeichens „Aetna“ (im Sinne der Extension). Im eben zitierten Brief an Jourdain betont Frege daher auch explizit, dass der dem Wort „Aetna“ entsprechende Bestandteil des Gedankens, der Aetna sei höher als der Vesus, nicht die Bedeutung des Ausdruckes sein kann. Denn sonst „wäre ja auch jedes einzelne Stück erstarrter Lava, das ein Teil des Aetna ist, auch Teil des Gedankens, dass der Aetna höher ist als der Vesuv“. (Frege 1980: 111) In Erwiderung auf Russells Brief vom 24. Mai 1903 macht Frege den Punkt erneut deutlich, diesmal am Beispiel des Mont Blanc, welchen er in Beziehung zum Wahrheitsbegriff bringt: Dass ‚wahr‘ nicht ein Prädikat ist wie ‚grün‘ darin stimmen wir überein. Im Grunde wird ja im Satze ‚Es ist wahr, dass „2+3=5“ ist‘ garnichts mehr gesagt als im Satze ‚2+3=5‘. Wahrheit ist kein Bestandteil des Gedankens, wie auch der Mont Blanc selbst mit seinen Schneefeldern kein Bestandteil des Gedankens ist, dass der Montblanc 4000 Meter hoch ist. (Frege 1980: 93)

2.1 Proposition, Gegenstand und Name

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Und ganz entsprechend gilt „Der Mond selbst ist nicht Bestandteil des Gedankens, dass der Mond kleiner als die Erde ist. Der Mond selbst (d. h. die Bedeutung des Wortes ‚Mond‘) ist nicht Theil des Sinnes des Wortes ‚Mond‘; denn dann wäre er auch Bestandteil jenes Gedankens.“ (Frege 1980: 93) Es hat sich also gezeigt, dass sich für Frege die Problematik der Bestimmung von Gedankenteilen entweder in Form bewusstseinsimmanenter oder bewusstseinstranszendenter Komponenten nicht stellt, weil ihm neben dem Reich des Bewusstseins und der Außenwelt noch das dritte der Frege’schen Sinne zur Verfügung steht. Enge und weite Zustände finden in dieser Konzeption keinen Platz. Ohne das Frege’sche Instrumentarium gewinnt man daher den Eindruck, dass die Grenze zwischen engen und weiten Zuständen nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist. Denn üblicherweise, zumindest in den Sprechsituationen, in welchen ich mittels eines referentiellen Terms auf etwas außerhalb meiner selbst Bezug nehme, in Sätzen wie „Dies ist ein Glas Wasser“, „Dort drüben steht eine Ulme“, „Meine neue Uhr besteht aus reinem Gold“ etc. gilt offensichtlich, dass ich auf das Wasser vor mir, den Baum gegenüber oder meine Uhr an der Hand referiere, also etwas außerhalb meines Bewusstseins, auch wenn dabei stets die Möglichkeit besteht, dass ich mich irre und es sich bei den Gegenständen um etwas anderes handelt, oder meine Ausdrücke gar nicht referieren, sollte ich etwa gerade halluzinieren. Es ist allerdings nicht klar, warum ich gerade diese nicht-veridischen Ausnahmesituationen menschlicher Wahrnehmungserlebnisse als Grundlage einer internalistischen Kritik und fundierten Gegenposition heranziehen sollte. Gleiches gilt, wie wir gesehen haben, für Gedankenexperimente, in welchen rudimentäre intensionale Kenntnisse oder sprachliche Ignoranz dazu dienen sollen, den Externalismus zu stärken. Denn im Fall der „narrow mental states“ handelt es sich nach meinem Verständnis nur um eine sehr spezifische Auffassung innerhalb internalistischer Positionen, die keineswegs von allen ihren VertreterInnen behauptet wurde, bzw. behauptet werden muss. Die epistemischen Motivationen zur Annahme solcher Zustände wie etwa Descartes’ Suche nach dem Archimedischen Punkt bzw. Berkeleys Versuch, den Materialismus als widersprüchlich zu entlarven, haben wir bereits angedeutet. Wenn ich jedoch in üblichen Wahrnehmungssituationen beabsichtige, etwas über einen Sachverhalt oder Gegenstand außerhalb meines Bewusstseins zu sagen, dann beziehe ich mich auch auf diese extramentalen Referenzobjekte, zunächst ganz unabhängig davon, ob ich mich täusche oder nicht. Sollte das – was nicht der Regel entspricht – dennoch der Fall sein, erkennen wir im Nachhinein üblicherweise, dass wir uns geirrt haben. Zumindest erklärt sich durch solche nicht-veridischen Situationen die Einführung von Begriffen wie „Sinnestäuschung“, „Illusion“, „Delusion“, „Halluzination“ etc. (vgl. hierzu auch Austin 1964, insb. ch. II).

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2 „Innen“ und „Außen“

Wenn ich rufe „Dort draußen geht X“ und mich dabei auf jemanden beziehe, den ich außerhalb meines Fensters wahrnehme, und von dem sich herausstellt, dass er sich zu diesem Zeitpunkt nicht in meiner Nähe aufhielt, dann erklärt sich der Begriff der Sinnestäuschung dadurch, dass ich mich irrtümlich auf jemanden bezog, von dem ich ausginge, es sei die Person X, die dort vor meinem Fenster entlangging. Das ist es, was wir meinen, wenn wir auf etwas referieren und nicht der Ausdruck selbst, oder wie es Strawson und Rhees formulieren: „[…] ‘referring’ to is not something an expression does; it is something that someone can use an expression to do. […] referring to something is a characteristic of a use of an expression […]“ (Strawson 1971: 8), bzw. „Our words refer to things […] by their connexions with what people are saying and doing, […]“ (Rhees 1970: 55). Gleiches gilt für den Begriff der Halluzination, in welcher ich mich auf etwas beziehe, was physisch nicht vorhanden ist. Die Diagnose des Irrtums bzw. Imaginierens erfolgt hier also nicht unmittelbar während des eigenen Erlebens solcher Situationen durch die Erlebende selbst, bezieht sich jedoch auf ein Phänomen, welches wir der ersten Person zuschreiben, in Fällen, in denen sie nicht in der Lage ist, einen entsprechenden Irrtum zu erkennen, da ihre eigene Perspektive keine Unterscheidung in veridische und nichtveridische Wahrnehmungserlebnisse erlaubt. Grundlage der externen Diagnose bildet das Verhalten der Person, was sie uns mitteilt etc. Bestimmte Positionen internalistischer Provenienz, wie wir sie etwa aus der Diskussion über Sinnesdaten oder Qualia kennen, sehen sich hingegen durch Situationen falscher oder nicht vorhandener Bezugsobjekte veranlasst, den in diesen Fällen verwendeten referentiellen Ausdrücken nun eine bewusstseinsimmanente Bedeutung zuzuschreiben, welche sich dann nur noch im intentionalen Gehalt der„narrow mental states“, bzw. „mental representations“ bzw. „ideas“ oder„concepts“ erschöpft, um nur einige Bezeichnungen zu nennen. Im letzten Abschnitt von „What is Present to the Mind“ bezieht sich Davidson auf Dummetts Kritik an Brentano, der sich geweigert hätte, der These zuzustimmen, ein mentaler Akt besäße ein vom externen Gegenstand verschiedenes inneres Objekt, das heißt eine mentale Repräsentation, durch die das extramentale Ding dem Bewusstsein unmittelbar präsent wäre. Daher sei Brentano nicht in der Lage gewesen, das bereits angesprochene Problem von Gedanken über nicht-existierende Gegenstände zu lösen (vgl. Dummett 1981: 57; Dummett bezieht sich dabei auf Brentanos Psychologie vom empirischen Standpunkt). Davidson bemerkt hierzu ganz in Übereinstimmung mit unseren Überlegungen: But the problem is easily solved if we give up the idea that there are inner objects or mental representations in the required sense. There is no need to suppose that if there are no such inner objects, only outer objects remain to help us identify the various states of mind. The

2.1 Proposition, Gegenstand und Name

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simple fact is that we have the resources needed to identify states of mind, even if those states of mind are, as we like to say, directed to nonexistent objects, for we can do this without supposing there are any objects whatever before the mind. (Davidson [1989] 2009c: 67)

Aufbauend auf diesen spezifischen Wahrnehmungsirrtümern bzw. nicht-veridischen Perzeptionserlebnissen in Fällen von Sinnestäuschung, Illusionen oder Delusionen etc., bildet das „Argument from Illusion“ (vgl. u. a. Ayer 1963b: ch. I., 1 – 57, 1 – 51; Ayer 1977: 73 – 81; Huemer 2011; Searle 2004: 181 – 184) jedoch im Gegensatz dazu geradezu ein philosophisches Paradebeispiel einer Generalisierung spezifischer Ausnahmesituationen, – “,Was manchmal geschieht, könnte immer geschehen‘ […]“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 345) –, welche sich alleine durch die subjektive Ununterscheidbarkeit solcher von veridischen Wahrnehmungserlebnissen zu rechtfertigen versucht und daraus die Konsequenz streng privater Bewusstseinsinhalte mit priviligiertem epistemischem Zugang nur der ersten Person erzeugt. Im Kontext des Sprechens zu sich selber stellt Wittgenstein die Frage: „Wäre es denkbar, daß Menschen nie eine hörbare Sprache sprächen, wohl aber eine im Innern, in der Vorstellung, zu sich selber?“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 344) Eine mögliche Antwort seines philosophischen Gegners, welchen auch wir hier im Fokus haben, wäre: „,Wenn die Menschen immer nur in ihrem Innern zu sich selbst sprächen, so täten sie schließlich nur dasjenige beständig, was sie auch heute manchmal tun.‘ – Es ist also ganz leicht, sich dies vorzustellen; man braucht nur den leichten Übergang von Einigen zu Allen zu machen […]“ Dieser Antwort entgegnet Wittgenstein postwendend: „Unser Kriterium dafür, daß Einer zu sich selbst spricht, ist das, was er uns sagt, und sein übriges Verhalten; und wir sagen nur von dem, er spräche zu sich selbst, der, im gewöhnlichen Sinne, sprechen kann.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 344) Und diese Antwort lässt sich in ganz gleicher Weise auch auf die hier diskutierten Fälle tatsächlicher Wahrnehmungen von Dingen anwenden, in Abgrenzung zu gelegentlichen Situationen von Sinnestäuschungen, Delusionen etc. Deshalb sprechen wir davon, dass eine Person etwas sieht, im Gegensatz dazu, dass ihre Sinne sie täuschen, sie etwas imaginiert etc. Oder, um ein abschließendes Beispiel unseres philosophischen Gegners und Wittgensteins Replik zu geben: „,Wenn es vorkommen kann, daß Einer in einem Spiel falsch zieht, so könnte es sein, daß alle Menschen in allen Spielen nichts als falsche Züge machten.‘ – Wir sind also in der Versuchung, hier die Logik unsrer Ausdrücke mißzuverstehen, den Gebrauch unsrer Worte unrichtig darzustellen.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 345) Wenn Putnam hier also die gleiche philosophische Gegenposition vor Augen hat, dann ist seine Kritik in vollem Ausmaß berechtigt. Aber wir können auch mit Recht behaupten, dass jene generalisierte Auffassung kein einigendes Band innerhalb internalistischer Traditionen bildet, wie zumindest die bisherigen Diskussionen von Locke und Frege gezeigt haben sollten.

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2 „Innen“ und „Außen“

Schließen wir an dieser Stelle die Diskussion über die Bestimmung und Funktion von Gegenständen als Bestandteile von Propositionen ab und widmen wir uns einem weiteren Gedankenexperiment, dem „Swampman“. Denn auch Davidson formuliert eine Komponente, die er als wesentlich erachtet für die Frage der Semantik sprachlicher Ausdrücke, welche sich nicht rein bewusstseinsimmanent rekonstruieren lässt.

2.2 Bedeutung und kausale Geschichte. Davidsons Sumpfmann und der Aspekt des Scheins In Davidsons Rekonstruktion der beiden Putnam’schen Grundthesen, welche dieser zu attackieren versucht, zieht auch Davidson eine mögliche Linie zwischen engen und weiten mentalen Zuständen: Gemäß These (I) sind auch für Davidson Putnams enge Zustände solche „inneren“, die keiner weiteren Existenz bedürfen außer der eines Subjektes als Trägerin solcher Zustände. Gemäß Grundthese (II) werden diese engen Zustände in der Lesart Davidsons ganz entsprechend unseren Glaubenseinstellungen und anderen propositionalen Einstellungen individuiert. Denn: „we normally identify and individuate mental states and meanings in terms partly of relations to objects and events other than the subject.“ (Davidson 2009b: 19 – 20) Und daher sind These (I) und (II) auch nicht miteinander vereinbar. Allerdings betont Davidson im Anschluss sofort, dass die engen psychischen Zustände Putnams den propositionalen Einstellungen, so wie sie normalerweise individuiert werden, gar nicht entsprechen. Und insofern ist die Unterscheidung in „eng“ und „weit“ im Sinne von Bezugnahme auf extramentale Faktoren wie Umwelt, Sprache etc. auch für Davidson nicht unbedingt überzeugend (vgl. Davidson 2009b: 20). Wie bereits angedeutet, sind für Putnam die engen psychischen Zustände für seine Gedankenexperimente jedoch wesentlich, da es sonst nicht verständlich wäre, wie Oskar 1 und Oskar 2 im selben psychischen Zustand sein könnten, obgleich die Extension eines Begriffs, der in einer möglichen Überzeugung wie „Das ist Wasser“ zum Ausdruck kommt, für Oskar 1 und Oskar 2 verschieden wären. Hier kommt wiederum die für Putnam so zentrale Rolle referentieller Zeichen zum Ausdruck. Dass der Öffentlichkeitscharakter der engen Zustände nicht mit ihrer ursprünglichen inneren privaten Bestimmung vereinbar ist, haben wir bereits diskutiert. Es ist darüber hinaus allerdings ebenso fraglich, warum die engen psychischen Zustände keinen Bezug auf solche externen Faktoren haben sollen. Das scheint nur dann gegeben, wenn wir uns, wie bereits betont, von vornherein in einem skeptischen Szenario mit Bezug auf die Außenwelt befinden, oder aber, wenn wir die engen Zustände schlicht definitorisch in dieser Weise einführen. Wenn wir anderenfalls die Faktoren selbst (Gegenstände, natürliche Arten etc.) als extern auffas-

2.2 Bedeutung und kausale Geschichte. Davidsons Sumpfmann

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sen, können wir auch die entsprechenden Zuschreibungen so bestimmen, da Prädikationen sich in der Regel ja unmittelbar auf die Gegenstände beziehen, zumindest, wenn wir nicht eine Locke’sche Position im Sinne seiner sekundären Qualitäten vertreten. Außerdem, wenn die Überzeugungen von Oskar 1 und Oskar 2 partiell durch externe Faktoren bestimmt sind, von denen beide nichts wissen, wie etwa im Fall der chemischen Struktur von Wasser auf der Erde und auf der Zwillingserde, dann können ihre Überzeugungen auch nur dann eng im Sinne Putnams sein, wenn sich das Wort „Wasser“ gerade nicht auf etwas außerhalb meines Bewusstseins bezieht, oder anders ausgedrückt, beide auch dann im selben Zustand sind bzw. sein können, wenn sie sagten, das dort sei Wasser, ohne jedoch die innere Struktur der Flüssigkeit zu kennen. Das gälte allerdings nur, wenn wir behaupteten, die psychischen Zustände von Oskar 1 und Oskar 2 bezögen sich lediglich auf die definitorischen Bestimmungen von Wasser und nicht auf eine den beiden zu einem bestimmten Zeitpunkt gegebene Flüssigkeit, welche sie tatsächlich wahrnehmen, mit bestimmten Eigenschaften wie Transparenz, Geschmacklosigkeit etc. und auf deren Grundlage beide behaupten: „Dort drüben auf dem Tisch steht ein Glas Wasser.“ Hier verläuft die Trennlinie enger und weiter Zustände daher offensichtlich nicht unmittelbar über die Spaltung zwischen „innerhalb“ und „außerhalb“ des Kopfes, bzw. zwischen fehlerhaften oder imaginierten Zuständen einerseits und echten Wahrnehmungserlebnissen andererseits, sondern über die Differenz in Oberflächeneigenschaften und inneren Strukturen natürlicher Arten wie Wasser. Dass ich mich in beiden Fällen auf etwas außerhalb meines Kopfes beziehe, wenn ich sage, dort stehe ein Glas Wasser, erscheint hier völlig irrelevant. So stellt sich auch hier die Frage des Verhältnisses zwischen Erfahrungsraum und physikalischem Raum, um Russells Phraseologie zu übernehmen. Das wird uns besonders in unserer Kripkediskussion wieder begegnen, wenn er versucht, zu argumentieren, dass, „gegeben, („given that“) Gold hat die Ordnungszahl 79“ oder „gegeben, Wasser ist H2O“, dies dann auch in logischer Hinsicht in allen möglichen Welten gelten muss. Die Oberflächeneigenschaften hingegen sind weiterhin dem Täuschungsargument unterworfen, wenn wir nach Kripke etwa annehmen können, Gold sehe lediglich durch eine atmosphärische Störung gelblich glänzend aus, sei jedoch „tatsächlich“, das heißt unter normalen atmosphärischen Bedingungen, blau („we would see that it is actually blue“; Kripke 1981: 118; vgl. dazu Kapitel III.3). Nur insofern wir die Trennlinie zwischen den Oberflächeneigenschaften und inneren Strukturen, Elementarteilchen etc. ziehen, könnten wir mit Recht behaupten, Oskar 1 und Oskar 2 wüssten nicht, was sie denken oder meinen, da sie weder H2O noch XYZ kennen und die molekulare Zusammensetzung nicht Teil der Intension des Ausdruckes „Wasser“ bilde. Eine analoge Argumentationsfigur finden wir auch in Burges Arthritisfall.

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Davidson sieht, wie bereits angedeutet, in dieser Auffassung einer externen Individuierung menschlicher Gedanken eine gewisse Gefahr des Verlustes der Autorität der Ersten Person in solchen Fällen, in denen ich nicht weiß, was ich meine, nicht die Bedeutung kenne etc., welche jedoch möglicherweise dadurch abgeschwächt wird, dass sich die Situationen dabei meist beschränken auf den Gebrauch echter Eigennamen, indexikalischer Ausdrücke oder Wörter für natürliche Arten. Allerdings scheint mir diese Beschränkung keineswegs zwingend. Eine mögliche Reaktion wäre wiederum der Versuch einer Abgrenzung in rein subjektive, intern bestimmte repräsentationale Gehalte unseres Bewusstseins einerseits und den Glaubenseinstellungen, Überzeugungen etc., die wir üblicherweise mithilfe extramentaler Faktoren bilden, andererseits. Das entspräche in etwa Putnams Auffassung der engen und weiten Zustände. Auch Davidson ist wie Putnam davon überzeugt, dass üblicherweise psychische Zustände, zumindest in Form propositionaler Einstellungen, teilweise über Bezugnahmen auf externe Faktoren wie Umwelt, Sprachgemeinschaft etc. individuiert werden. Dabei wäre es denkbar, dass diese Faktoren der Person, welche sich in einem bestimmten psychischen Zustand befindet, unbekannt sind (vgl. Davidson 2009b: 24). Man wäre dann nicht (wie etwa Burge) zur Auffassung verpflichtet, die von einer Sprachgemeinschaft vorgegebenen Verwendungsweisen von Ausdrücken determinierten, was Personen mit einem geäußerten Satz meinen, oder gar, dass sie die engen psychischen Zustände der involvierten Akteure bestimmten. Das heißt jedoch keineswegs, dass die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke nicht auch durch Umstände beeinflusst ist, in welchen wir die entsprechenden Ausdrücke gelernt haben und verwenden (vgl. Davidson 2009b: 28−29). Putnams Zwillingserdenbeispiel mit Bezug auf Wasser kann diesen Punkt allerdings nicht verdeutlichen, da dort der Wortgebrauch keine bzw. nur eine untergeordnete Rolle spielt gegenüber dem Referenzobjekt eines sprachlichen Ausdrucks. Denn die Verwendung des Wortes „Wasser“, insbesondere vor der Entdeckung seiner chemischen Struktur, nimmt gar keinen Bezug auf die Molekularstruktur, was zur Folge hat, dass die ZwillingserdenbewohnerInnen von nichts reden, wenn sie den Ausdruck „Wasser“ verwenden, da sie seine Bedeutung nicht kennen. Dem können wir jederzeit Wittgensteins Bemerkung aus § 43 der Philosophischen Untersuchungen entgegenhalten, dass für die meisten Fälle die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks sein aktiver Gebrauch innerhalb einer Sprachgemeinschaft ist. Nun bemerkt Davidson: The issue depends simply on how the connection between words and things, or thoughts and things, is established. I hold, along with Burge and Putnam […], that it is established by causal interactions between people and parts and aspects of the world. The dispositions to react differentially to objects and events thus set up are central to the correct interpretation of a per-

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son’s thoughts and speech. If this were not the case, we would have no way of discovering what others think, or what they mean by their words. (Davidson 2009b: 29)

Dem ist völlig zuzustimmen. Die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke hängt somit von mehr ab, als bloß dem, was in unseren jeweiligen Köpfen steckt. Und nur insofern können zwei Personen in physisch bzw. psychisch gleichen Zuständen mit den gleichen Ausdrücken etwas Verschiedenes meinen. Für Davidson heißt das, über die einfache Bedeutung sprachlicher Ausdrücke hinausgehend, dass eine solche Bestimmung auch für unsere Glaubenseinstellungen, Wünsche, Überzeugungen etc. gelten muss. Mit anderen Worten werden auch sie unter Zuhilfenahme von extramentalen Gegenständen, Zuständen, Ereignissen etc. partiell determiniert. Zur Untermauerung dieser Auffassung liefert uns auch Davidson ein Gedankenexperiment zur Veranschaulichung der Rolle unserer Naturgeschichte und anderer historisch-kausaler Faktoren für die Bestimmungen unserer Einstellungen, Absichten, Wünsche usw. Wir werden jedoch sehen, dass auch Davidsons Experiment diesbezüglich viele Fragen offenlässt. Betrachten wir es aber zunächst im Detail: Suppose lightning strikes a dead tree in a swamp; I am standing nearby. My body is reduced to its elements, while entirely by coincidence (and out of different molecules) the tree is turned into my physical replica. My replica, Swampman, moves exactly as I did; according to its nature it departs the swamp, encounters and seems to recognize my friends and appears to return their greetings in English. It moves into my house and seems to write articles on radical interpretation. No one can tell the difference. But there is a difference. My replica can’t recognize my friends; it can’t recognize anything, since it never cognized anything in the first place. It can’t know my friends’ names (though of course it seems to), it can’t remember my house. It can’t mean what I do by the word ‘house’ for example, since the sound ‘house’ Swampman makes was not learned in a context that would give it the right meaning – or any meaning at all. I don’t see how my replica can be said to mean anything by the sounds it makes, nor to have any thoughts. (Davidson 2009b: 19)

Dieses Experiment ist in mehrerlei Hinsicht interessant. Zum einen enthält es offensichtlich kein philosophisches Argument zur Stützung seiner These über die Rolle der uns umgebenden Umwelt und historisch-kausaler Faktoren, sondern das Experiment soll vielmehr zur reinen Veranschaulichung des Davidson’schen Punktes dienen und erinnert daher stark an Dennetts „intuition pumps“. Es ist dabei so angelegt, dass keine Leserin spontan behaupten würde, Davidson hätte mit der Charakterisierung des Sumpfmannes und den Konsequenzen, welche sich aus dem Experiment ergeben, Unrecht. Da es sich „lediglich“ um eine physikalische Kopie Davidsons handelt, welche auf sonderbare Weise durch einen Blitzschlag

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entstanden ist, kann sie tatsächlich nicht die Rolle übernehmen, welche den Alltag des Philosophen betrifft. Zwar trifft der Sumpfmann sich mit Davidsons Freunden, zieht in dessen Wohnung ein und schreibt an seinen Artikeln, sodass zwischen beiden kein von außen erkennbarer Unterschied besteht bzw. festgestellt werden kann. Denn sie unterscheiden sich ja nur hinsichtlich ihrer ursprünglichen molekularen Zusammensetzung (‚out of different molecules‘). Allerdings scheint es nach Davidson nur so, dass der Sumpfmann Davidsons Freunde trifft, an seinen Texten weiterschreibt etc. Zur theoretischen Veranschaulichung seiner Auffassung betont Davidson nun an mehreren Stellen die allgemeine Relevanz der kausalen Beziehungen mit Dingen, Ereignissen etc. der äußeren Welt, wenn er etwa bemerkt: „The claim is that all thought and language must have a foundation in such direct historical connections, and these connections constrain the interpretation of thoughts and speech“ (Davidson 2009b: 29), bzw. „[…] mental states as we commonly conceive them are identified in part by their natural history“ (Davidson 2009b: 37) oder aber „[…] what a person’s words mean depends in the most basic cases on the kinds of objects and events that have caused the person to hold the words to be applicable; similarly for what the person’s thoughts are about“ (Davidson 2009b: 37). Nun stellt sich jedoch die Frage, wie Davidson die Verwendung der Ausdrücke „seem“, bzw. „appear“ rechtfertigen kann, außer zunächst durch das schlichte Behaupten, es gäbe tatsächlich diesen einen Unterschied und es wäre dennoch widerspruchsfrei denkbar, dass zwischen Sumpfmann und Davidson keine Differenz in den Verhaltensweisen festzumachen sei. Hätte das Experiment eine philosophische Argumentationskraft, dann müsste es aus sich selbst heraus erklären können, wie eine Kopie Davidsons trotz des Kriteriums der Ununterscheidbarkeit dennoch eine Differenz zum Original herstellt. Das tut es bedauerlicherweise nicht. Zumindest kann das Experiment nicht erklären bzw. rechtfertigen, sondern lediglich behaupten, warum es nur so scheint, dass der Sumpfmann Davidsons Freunde grüßt, in dessen Haus einzieht und an dessen philosophischen Texten weiterschreibt. Wie trifft der Sumpfmann denn nur scheinbar Davidsons Freunde und schreibt nur scheinbar Artikel über radikale Interpretation, ohne dass irgendein Unterschied zu Davidson selbst erkennbar ist? Wenn sich die Kopie tatsächlich so verhält, dass sie Davidsons Rolle im philosophischen Kontext und Lebensalltag übernehmen kann, ohne irgendeine erkennbare Differenz, dann sehe ich keinen Platz für Davidsons philosophische Gegenthese. Davidsons Bemerkung „[…] what our words mean is fixed in part by the circumstances in which we learned, and used, the words“ (Davidson 2009b: 29) ist zwar völlig berechtigt, hat hier aber ebenfalls keine Überzeugungskraft, da uns bei der richtigen Verwendung der Ausdrücke die Genese des Worterwerbes nicht interessieren muss. Denn wir können uns auch widerspruchsfrei vorstellen, das Gleiche zu

2.2 Bedeutung und kausale Geschichte. Davidsons Sumpfmann

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meinen, wenn wir etwa den Kellner bitten, uns den Pfefferstreuer vom Nachbartisch zu bringen, ohne dass dabei unsere kausale Geschichte in ähnlicher Form oder überhaupt gegeben sein muss, wie im Fall des Sumpfmannes. In einer Fußnote vor der Einführung seines Experimentes betont Davidson auch noch explizit, er möge damit nicht zeigen, dass ein Objekt, welches zufällig oder künstlich erzeugt worden ist, nicht denken könne: „The swampman simply needs time in which to acquire a causal history that would make sense of the claim that he is speaking of, remembering, identifying, or thinking of items in the world“ (Davidson 2009b: 19, Fn 3). Über die Verwendung sprachlicher Ausdrücke betont Davidson ganz entsprechend, dass der Sumpfmann mit dem Wort „house“ nicht das gleiche meinen kann, wie wir SprecherInnen einer etablierten Sprachgemeinschaft, da das Wort „house“ von Swampman nicht gelernt wurde in einem Kontext, welcher dem Wort die richtige Bedeutung bzw. überhaupt eine Bedeutung geben würde bzw. gegeben hätte. Hier drängt sich die Frage auf, inwieweit das Gedankenexperiment den philosophischen Aspekt Davidsons, es bedürfe einer kausalen Geschichte zur Rechtfertigung der Behauptung, Swampman spreche über die Welt, erinnere sich an Dinge in ihr etc., überhaupt verdeutlichen soll. Denn das ist es ja gerade, was seine Kopie tut, sie zieht in Davidsons Haus, geht mit seinen Freunden gemeinsam Abendessen, diskutiert neuere Überlegungen zum Konzept der radikalen Interpretation usw., und „no one can tell the difference“ (Davidson 2009b: 19). Das heißt, entweder es bedarf der von Davidson geforderten kausalen Geschichte, damit die vom Sumpfmann verwendeten Ausdrücke auch eine Bedeutung haben, bzw. sogar richtig angewendet werden, dann müssten wir allerdings annehmen, dass sehr wohl Unterschiede zwischen Sumpfmann und Davidson im Umgang mit seiner menschlichen und dinglichen Umwelt erkennbar wären. Der entscheidende Punkt ist hier eigentlich, dass sich die kausale Geschichte einer Person gerade darin zeigt, wie sie ihren Freunden begegnet, ihre philosophischen Ideen konzipiert, ihr Haus erwirbt, bezieht und gestaltet etc. In Davidsons Experiment wird dieser kausalen Geschichte allerdings gar kein Platz eingeräumt, außer, dass sie als ein Unterschied eingeführt wird, der plausibilisieren soll, warum Sumpfmanns Verhalten, Einstellungen und Überzeugungen nur so scheinen wie die seines Originals. Oder aber, wir nehmen mit Davidson an, dass keine solchen Differenzen festzumachen sind, dann müssen wir uns jedoch fragen, warum es zusätzlich noch einer kausalen Geschichte bedarf. Wenn es lediglich eine Frage der Zeit sein soll, bis Swampman eine solche kausale Geschichte erworben hat, ist kein genuin philosophisches Problem zu erkennen, bzw. wenn ich über eine solche kausale Geschichte verfüge, wie es im Fall des Sumpfmannes zumindest „scheint“, warum kann ich diese Historie nicht auch „auf einen Schlag“ erworben haben? Denn über irgendetwas muss Swampman offenbar verfügen, ist er doch in der Lage, unbemerkt als

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2 „Innen“ und „Außen“

Davidson dessen Leben einzunehmen. Wir können uns nun vorstellen, dass Swampman entweder heimlich und äußerst akribisch Davidsons Biographie studiert, oder aber, dass er sie ebenfalls durch einen Blitzschlag bzw. im Zuge eines solchen erfasst hat. Die Genese des Erwerbs der Geschichte scheint hier keinen wesentlichen Unterschied zu machen. Und so sehe ich hier auch nur einen empirischen, nicht jedoch philosophischen Unterschied. Wenn nur der historische Kontext des Spracherwerbs den Unterschied macht, dann kann Swampman sein Programm nicht unerkannt fortsetzen. Sollte es ihm dennoch gelingen, dann ist der Bedarf einer von Davidson geforderten, ursächlichen Voraussetzung nicht mehr zu erkennen. Und es ist dann auch nicht mehr einzusehen, warum Sumpfmanns Verwendungen der Wörter „Haus“, „Freund“ etc. eine andere Bedeutung als die seines sprachlichen Umfeldes haben sollten. Wenn Davidson eine logisch notwendige Verknüpfung zwischen der kausalen Geschichte und menschlichen Dispositionen, sich in bestimmten Situationen entsprechend zu verhalten, behauptet, dann kann er das Experiment nicht mit dem Zusatz „no one can tell the difference“ entwickeln. Oder aber, wenn wir gemäß den Vorgaben des Experiments annehmen, dass es tatsächlich keine Differenz zwischen Davidson und seiner Sumpfmannkopie gibt mit Bezug auf dispositionelle und tatsächliche Verhaltens- und Verwendungsweisen sprachlicher Ausdrücke, so besteht offensichtlich keine begriffliche Notwendigkeit zwischen den beiden Aspekten des Wortgebrauchs und der kausalen Historie. Dass es Davidson um die Rolle bewusstseins- oder hirnunabhängiger externer Faktoren für die Bestimmung bestimmter propositionaler Einstellungen und richtiger sprachlicher Verwendungsweisen geht, steht außer Frage. Die Kritik bezieht sich daher vielmehr auf die Wirkungslosigkeit des Sumpfmannexperimentes. Denn der Erwerb und die Rolle der geforderten kausalen Geschichte kommen darin gar nicht explizit vor. Wenn wir also davon ausgehen, Sumpfmann wäre eine echte physikalische Kopie Davidsons, inklusive seines Gehirns, dann können wir annehmen, dass der Erinnerungsspeicher Davidsons, in welchem seine Historie zum Zeitpunkt des Blitzeinschlages eingebettet ist, nicht auf den Sumpfmann mitübertragen wird, obgleich sich die Gehirne in jeder relevanten Hinsicht gleichen. Und wenn man die Formulierung des Experimentes betrachtet, könnte man tatsächlich diesen Eindruck gewinnen, etwa wenn Davidson betont, der Sumpfmann könne nichts wiedererkennen, da er noch gar nichts erkannt hat, er könne die Namen seiner vermeintlichen Freunde nicht kennen und sich auch nicht an Davidsons Haus erinnern. Darüber hinaus dürfen wir nach Davidson nicht einmal behaupten, der Sumpfmann meine überhaupt etwas mit den von ihm ausgestoßenen Lauten, bzw. habe irgendwelche Gedanken. In Putnams Beispiel stellt sich diese Alternative der kausalen Abkopplung mentaler Zustände von den physikalischen Zuständen des menschlichen Gehirns offensichtlich nicht, da sie der Supervenienzthese entgegenstünde, nach der alle

2.2 Bedeutung und kausale Geschichte. Davidsons Sumpfmann

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psychischen Zustände und Vorkommnisse über die physikalischen Zustände des Gehirns supervenieren, und es insofern unsinnig wäre, anzunehmen, zwei Wesen im selben physischen Zustand würden sich hinsichtlich ihrer Bewusstseinszustände unterscheiden, oder wie es Putnam formuliert: I have a Doppelgänger on Twin Earth, who is molecule for molecule ‘identical’ with me (in the sense in which two neckties can be ‘identical’). If you are a dualist, then also suppose my Doppelgänger thinks the same verbalized thoughts I do, has the same sense data, the same dispositions, etc. It is absurd to think his psychological state is one bit different from mine […]. (Putnam 1996b: 13)

Für den Fall von Davidson Sumpfmann könnte man daraus schließen, dass eine ursprünglich differente molekuläre Zusammensetzung dann auch nicht zu einem ansonsten ununterscheidbaren Replikat führen kann. Oder aber, unter der Annahme einer völligen Koinzidenz in der Entstehung von Swampman, können die mentalen Zustände, wenn Sumpfmann beispielsweise etwas wiederkennt, sich an etwas erinnert, etwas erkennt, etwas meint oder versteht, auch nicht von den entsprechenden „psychologischen“ Zuständen seines Originals Davidson verschieden sein, wenn dieser etwas erkennt, etwas in sein Gedächtnis ruft etc. Unabhängig davon ist auch nicht zu sehen, wie die Kopie Davidsons vollständig und unerkannt dessen Position übernehmen kann, sollte er nicht über gleiche Erinnerungsleistungen verfügen wie sein Original, welche zumindest in diesem Beispiel alleine die Existenz einer kausalen Geschichte garantieren. Das ist jedoch eine Konsequenz des Experimentes, die Davidson gerade vermeiden möchte, auch die kausale Geschichte als etwas „innerhalb des Kopfes“ zu verstehen. Allerdings spielen Davidsons und Sumpfmanns Umgebung gerade nicht die kausale Rolle. Denn Davidsons Freunde und Kolleginnen übernehmen in diesem Experiment nicht die Aufgabe, welche wir zur Stützung des Davidson’schen Externalismus erwarten würden, das heißt, den extramentalen sozialen, sprachlichen umweltbezogenen Rahmen zu bilden, in welchem Davidson mit seinen Überzeugungen, Wünschen, Erlebnissen, philosophischen Ideen etc. eingebettet ist. Denn diesbezüglich sind keine Differenzen festzuzumachen. Nehmen wir hingegen an, durch die physikalische Ununterscheidbarkeit beider Gehirne sind auch ein identischer Erinnerungsvorrat und damit verbundene Dispositionen gewährleistet, dann könnten wir zwar erklären, warum Davidsons Kopie in seinem Umfeld unerkannt bleibt, erkennen aber nicht mehr die wesentliche Rolle der kausalen Historie, da sie in diesem speziellen Experiment lediglich durch die Erinnerungsfähigkeit Davidsons gesichert scheint, bzw. gar keinen Eingang in das eigentliche Experiment findet. Als Teil einer Gedächtnisleistung hat sie allerdings nicht die Rolle, die sie eigentlich erfüllen sollte, das heißt, einen Bezug auf

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2 „Innen“ und „Außen“

etwas außerhalb des Bewusstseins bzw. Gehirns herzustellen und würde Davidsons Punkt dadurch geradezu konterkarieren. Es ist vielleicht hilfreich, an dieser Stelle auf zwei Bemerkungen Wittgensteins zu verweisen, welche sich im diametral entgegengesetzten philosophischen Kontext der Möglichkeit einer Privatsprache finden, und die auch die in der Einleitung zitierte Bemerkung Austins, wenn etwas mit A nicht stimme, immer auch der Gegenposition gegenüber skeptisch zu sein, sehr schön veranschaulicht. In den Lectures on Similarity liefert Wittgenstein das folgende Beispiel: (Cf. Suppose, when we play chess, we each have a private chess board on which we make moves before we make moves on the public board. Suppose someone plays chess all right, but makes moves on his private board in a completely haphazard way, but with all the appearances of setting great value on his moves on the private board, etc.). Malcolm and I (before using our private chart) both learnt the words “green”, “blue”, etc. How did we learn to use the table on our charts? – We learnt the private chart by learning the public chart. The private game may be any damn thing, as it is only judged by giving rise to the game of chess which we publicly play. (Munz und Ritter 2017: 95)

Diese Stelle erinnert stark an eine bereits bekannte Bemerkung Wittgensteins, in welcher er uns einlädt, sich vorzustellen, ein Mensch könne sich nicht merken, was das Wort „Schmerz“ bedeute und daher immer etwas Unterschiedliches so bezeichne, jedoch stets in Übereinstimmung mit üblichen Schmerzvoraussetzungen und -anzeichen, das heißt ganz entsprechend der allgemeinen Verwendungsweise (vgl. Wittgenstein 1989a, PU: § 271). Selbst wenn wir hier den Schmerz als streng bewusstseinsimmanenten, logisch privaten Gegenstand auffassen, welcher die private Bedeutung des Ausdruckes bildet, spielt er dennoch für die richtige oder falsche Verwendung des Wortes „Schmerz“ keine wesentliche Rolle, oder anders ausgedrückt: „Wenn man die Grammatik des Ausdrucks der Empfindung nach dem Muster von ,Gegenstand und Bezeichnung‘ konstruiert, dann fällt der Gegenstand als irrelevant aus der Betrachtung heraus.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 293) Ganz entsprechendes gälte für die Davidson’sche Kausalgeschichte. Daher möchte man Davidson entgegenhalten, dass wir urteilen, ob jemand uns versteht, bzw. ob die Person in der Lage ist, sprachliche Ausdrücke in Übereinstimmung mit einer Kommunikationsgemeinschaft zu verwenden, auf Grundlage dessen, was die Person sagt und tut und nicht wesentlich basierend auf einer gegebenen oder fehlenden „causal history“ . Insofern lässt sich Davidsons externalistisch geprägtes Experiment mit ganz entsprechenden Argumenten kritisch hinterfragen, wie solche, die für die Möglichkeit einer Privatsprache eintreten, in denen die privaten inneren Gegenstände die Bezugsgegenstände und zugleich die Bedeutungen der jeweiligen sprachlichen Ausdrücke bilden.

2.3 „Are Meanings in the Head?“

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Durch jene Bemerkung Wittgensteins erhält man zudem den Eindruck, Davidsons Experiment könnte vielmehr als ein Gegenargument zu seiner eigenen Kausalthese verstanden werden, da es offensichtlich auch logisch möglich ist, wie der Sumpfmann verdeutlicht, ohne die geforderte ursächliche Historie eine ununterscheidbare Variante zu Davidson zu bilden, gleich der Person, welche sich nicht merken konnte, was das Wort „Schmerz“ bedeutet. Daher würde man im eigentlichen Experiment eher erwarten, dass es sehr wohl eine Differenz gibt zwischen Davidson und Sumpfmann, begründet durch Swampmans fehlende kausale Historie und diagnostiziert durch seinen abweichenden Umgang mit der menschlichen und dinglichen Umwelt Davidsons. Wir könnten daher bei beiden Beispielen von leerlaufenden Rädern sprechen, die zwar qua Experiment Teil des komplexen Systems bilden, allerdings in keiner Weise auch in den Mechanismus eingreifen. Oder anders formuliert, gehört auch hier das Rad nicht zur Maschine, wenn man es drehen kann, ohne dass sich irgendetwas anderes mitbewegt (vgl. Wittgenstein 1989a, PU: § 271). Die zugrundeliegende philosophische Position Davidsons wird dadurch allerdings keineswegs verschleiert und ist offensichtlich ganz in Einklang mit Putnams oder Burges Überzeugung, welche letzterer sehr treffend formuliert: […] the intentional content of ordinary propositional attitudes […], cannot be accounted for in terms of physical, phenomenal, causal-functional, computational, or syntactical states or processes that are specified nonintentionally and are defined purely on the individual in isolation from his physical and social environment. Intentional content, in this aforesaid sense, is not even supervenient on the nonintentional processes and states of an individual, insofar as these processes and states are ‘individualistically’ described. Thus individualistic, functionalist, computationalist, or physicalist accounts of ordinary intentional content fail in a systematic manner. (Burge 2007b: 184)

Diese Bemerkung Burges führt uns abschließend zu den wohl eigentlichen Gegnern Putnams, wie es zumindest in seiner „Introduction“ zu The Twin Earth Chronicles deutlich wird und die exemplarisch durch John Searle und seine Auffassung von „intentonal states“ und „intentional contents“ repräsentiert wird. Daher wenden wir uns vor der finalen Diskussion des H2O/XYZ-Falles noch dieser Kontroverse zu.

2.3 „Are Meanings in the Head?“ 2.3.1 Searle versus Putnam In Putnams Einleitung von 1996 dienen insbesondere John Searle und sein Konzept des „intentional content“ als Gegner seiner eigenen Auffassung des semantischen

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2 „Innen“ und „Außen“

Externalismus. Searles Intentionality erschien acht Jahre nach Putnams „The Meaning of ‘Meaning’“ und widmet ein ganzes Kapitel der Frage, ob sich Bedeutungen im Kopf befinden (vgl. hier und im Folgenden Searle 1983: 197– 208). Basale Annahmen der Searle’schen Konzeption von „Intentionality“ bzw. „intentional content“ erweisen sich dabei als nicht unproblematisch bzw. irreführend (vgl. hierzu Lepore und Van Gulick 1993, insb. Part III: 149 – 192). Exemplarisch sei hier nur auf Hanjo Glocks überzeugende Kritik an der Auffassung intentionaler Verben im Rahmen eines repräsentationalen Modells hingewiesen. Glock bemerkt in diesem Zusammenhang zunächst zur Begriffsbestimmung intentionaler Verben: „According to an orthodoxy going back to Russell and currently epitomized by Fodor’s representational theory of mind, intentional verbs signify a relation between a subject and a (propositional) ‘content’, a complex entity which has concepts as components.“ (Glock 2013: 13). Gegen diese „orthodoxe“ Auffassung liefert uns Glock drei überzeugende Einwände: Erstens haben viele unserer intentionalen Konstruktionen gar nicht die propositionale Form „v-en, dass p“ und lassen sich auch nicht auf sie reduzieren. Auch Malcolm weist darauf hin, dass wir das Verb „glauben“ auch in nicht-propositionalen Kontexten verwenden, etwa, wenn ich einer Person glaube, im Sinne einer Carnap’schen Objektvorstellung, oder aber, wenn ich an eine Person glaube, da ich von ihr überzeugt bin, oder an die soziale Marktwirtschaft, an Magie etc. (vgl. Malcolm 1993: 159). Zweitens, selbst intentionale Zustände der „dass-Form“ sind nicht einheitlich Einstellungen gegenüber einer Proposition. Wenn ich beim Verlassen eines Gebäudes jemanden, der neben einem Fenster steht, nach dem Wetter frage und er antwortet mir, er glaube, dass es regnet, so teilt er mir etwas über das Wetter mit und nicht über seine Einstellung einer Proposition gegenüber (vgl. Malcolm 1993: 159). Drittens, das, was wir denken, die Inhalte unserer Gedanken, sind keine komplexen Entitäten mit Begriffen als Bestandteilen, zu denen wir als Subjekte in einer bestimmten Relation oder Haltung stehen (vgl. Glock 2013: 13). Daher betont auch Glock völlig zu Recht den Aspekt der „abilities“ menschlicher Subjekte und die Funktion von Propositionen im Sinne ihres Gebrauchs in Fällen der ersten und der dritten Person: It [thinking] is a modification of a subject having to do with the latter’s abilities, not a relation between a subject and a content – conceptual or nonconceptual. By the same token, a proposition or content is simply a sayable or thinkable, and hence a logical construction, proximally from the noun-clauses we use, notably in ascribing intentional states to others (third-person case), ultimately from the sentences we use to express our beliefs (first-person case) and from the way we characterize and explain our own actions and those of others (both first-person and third-person case). (Glock 2013: 13)

Dem ist nichts hinzuzufügen.

2.3 „Are Meanings in the Head?“

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Da wir uns hier jedoch innerhalb des Rahmens internalistischer und externalistischer Konzeptionen bewegen und sich Searles Erwiderungen zu Putnam in diesem Kontext an vielen Stellen als hilfreich erweisen, insofern sie bis zu einem gewissen Grad auch eine fregeanische Lesart erlauben, wollen wir uns seiner Replik auf Putnam in Intentionality nun etwas genauer widmen. Searle selbst räumt zunächst ein, seine Auffassung von Intentionalität sei zu verstehen als eine Erweiterung und Revision von Freges Sinnbegriff, eingeschlossen Wahrnehmung und andere Formen von Selbstreferentialität. Der in einem sprachlichen Zeichen ausgedrückte Sinn liefert die Bedingungen dafür, ob ein Gegenstand die Bedeutung des sprachlichen Zeichens ist bzw. im Fall vollständiger Gedanken die Wahrheitsbedingungen. Das entspricht ganz der klassisch internalistischen Position, zumindest mit Bezug auf Putnams zweite Ausgangsthese seiner Gedankenexperimente, die Intension lege die Extension fest. An dieser Stelle wendet sich Searle allerdings bereits von Frege ab, indem er postuliert, sprachlicher Bezug sei nur eine spezielle Form des intentionalen Bezuges. Und intentionaler Bezug ist stets bewusstseinsimmanent. Insofern ist die Frage nach der Beziehung zwischen Sprache und Welt für Searle nur eine spezifische Ausführung der eigentlichen Frage nach der Relation zwischen Bewusstsein und Welt. Daher bedarf es auch keines neben der Innen- und Außenwelt bestehenden zusätzlichen Reichs der Sinne bzw. Gedanken. Dass zwei Personen den gleichen Gedanken haben bzw. fassen können, ist somit auch nicht durch das Postulat eines dritten Bereichs zu rechtfertigen, sondern in ganz trivialer Hinsicht genauso naheliegend wie die Tatsache, dass zwei Personen den gleichen Weg gehen können. Hier müssten wir dann wie im Fall des Erfassens eines singulären Gedankens sogar vom identischen, das heißt genau gleichen Weg sprechen, den zwei Personen gehen können. Daher verblasst die Searle’sche Analogie sogleich, insofern zwischen den mentalen Zuständen zweier Personen lediglich eine Typenidentität postuliert werden kann, die in Putnams Ausführungen den gleichen „narrow mental states“ von Oskar 1 und 2 entsprechen, nicht jedoch eine „token-identity“, da es sich schließlich um zwei Personen mit zwei Bewusstseinen und entsprechenden Bewusstseinsinhalten handelt. Davidson und Putnam sprechen in diesem Zusammenhang von der vergleichbaren Gleichheit zweier Krawatten (vgl. Davidson 2009b: 33; Putnam 1996b: 13). Darüber hinaus eröffnet die „ontologische Sparsamkeit“, auf das metaphysische Instrumentarium eines Reichs der Sinne zu verzichten, zugleich wieder die Türe für die ausschließlich dichotomische Struktur des Inneren und Äußeren. Die Entlassung des „Reichs“ der Sinne hat somit zur Folge, dass sich die Frage nach der (nichtfregeanischen) Bedeutung wieder reduziert auf die Frage, ob sie sich „innerhalb“ oder „außerhalb“ des Kopfes befindet. (Vielleicht ist das ein Grund, warum auch Searle Frege zu den Vertretern eines semantischen Internalismus zählt). Denn für

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2 „Innen“ und „Außen“

Searle steht beim Erfassen eines Gedankens bzw. in seiner Terminologie eines „intentional contents“ nur der entsprechende mentale Zustand des Erfassens einer Sprecherin und Hörerin im Zentrum, der es ermöglicht, referentielle Bezüge herzustellen. Auch Szanto betont im Zusammenhang Searle’scher intentionaler Inhalte ihre Unabhängigkeit von den jeweiligen Erfüllungsbedingungen und externen Beschreibungen. Denn: „Genau in diesem Sinn ist der intentionale Inhalt den jeweiligen Zuständen intrinsisch und ihre Erfüllungsbedingungen diesen Zuständen intern“ (Szanto 2012: 353; vgl. auch Searle 1983: 26 – 27 und 40 ff.). Dabei soll zugleich ein potenzielles Missverständnis vermieden werden: Nach Searle sind die Erfüllungsbedingungen intentionaler Zustände nicht in dem Sinn intern, dass sie in diesen Zuständen in irgendeiner ontologisch zu qualifizierenden Weise selbst beschlossen liegen. Vielmehr implizieren mentale Zustände die Repräsentationen ihrer jeweiligen Erfüllungsbedingungen, das heißt, mentale Zustände repräsentieren die Bedingungen (mit), unter denen sie erfüllt werden (falls sie tatsächlich referieren). (Szanto 2012: 353 – 354)

Dabei drängt sich allerdings, wie Szanto zu Recht betont, die Frage auf, ob Searle „[…] die Erfüllungsbedingungen mit den intentionalen Inhalten, die sie festlegen, letztlich identifiziert oder ob die intentionalen Inhalte nur Repräsentationen von (ihren eigenen) Erfüllungsbedingungen sind“ (Szanto 2012: 354) Wäre ersteres der Fall, ist tatsächlich nicht mehr genau zu sehen, inwiefern die Erfüllungs- bzw. Wahrheitsbedingungen sich noch von Freges Sinnbestimmungen unterscheiden. Da wir hier nicht weiter auf Searles Konzeption des intentionalen Gehaltes und seine intentionalistische Rekonstruktion von Referentialität eingehen können und auch nicht müssen, zumal einige damit verbundene Schwierigkeiten bereits angeklungen sind, konzentrieren wir uns im Folgenden nur auf seine kritische Auseinandersetzung mit Putnams externalistischer Auffassung, da sie in einigen Punkten auch ein besseres Licht auf die hier vorliegenden Untersuchungen wirft. Zunächst nimmt auch Searle die Unterscheidung in de dicto und de re auf und formuliert die diesbezügliche Kritik am Internalismus wie folgt: „De re beliefs are relations between agents and objects, they cannot be individuated solely in terms of their mental contents (de dicto) because the object itself (res) has to be part of the principle of individuation of the belief.“ (Searle 1983: 198) Dementsprechend formuliert auch A. D. Smith die de-re-Intentionalität mit Bezug auf Wahrnehmungsurteile: „[…] perceptual judgements are paradigmatically de re […], since they involve acquaintance with objects. […] one thing that is distinctive of a genuinely de re thought is that its object is essential to it. From this it is an immediate inference that the non-existence of an object of de re thought takes away the very possibility of entertaining that thought. There cannot be a de re thought without a res.“ (Smith 2002: 212; vgl. hierzu auch Szanto 2012: Kap. 2.6, insb. 374). Auf die Frage der Nütz-

2.3 „Are Meanings in the Head?“

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lichkeit dieser Unterscheidung für die Gedankenexperimente, die Putnam uns anbietet, haben wir bereits hingewiesen, die Frage der Relevanz des externen Gegenstandes spiegelt sich unter anderem in der bereits diskutierten Russell-FregeKontroverse wider. Des Weiteren verweisen nach Searle ExternalistInnen gerne auf die attributive und referentielle Unterscheidung definiter Beschreibungen (siehe u. a. Kapitel III.2) und behaupten, nur der attributive Gebrauch habe tatsächlich referentielle Kraft, da im referentiellen Fall das gewünschte Referenzobjekt nicht einmal eine der Kennzeichnungen zu erfüllen habe. Allerdings können wir nach meiner Ansicht auch hier, wie im Kontext der obigen Unterscheidung keine solche Differenzierung auf Putnams Gedankenexperimente anwenden, da es dort um die unterschiedliche attributive Komplexität der intensionalen Bestimmungen geht und nicht darum, dass einige oder keine der Wahrheitsbedingungen zutreffen. Denn im Gegensatz zu Kripkes Kritik an den Kennzeichnungstheorien finden sich in Putnams Experimenten keine Intensionsbestimmungen, welche nicht oder nur begrenzt auf einen Gegenstand zutreffen. Der Punkt ist hier vielmehr, wie wir gesehen haben, dass einige Bestimmungen, die auf das Bezugsobjekt zutreffen, nicht in der Intension gegeben sind. Beim referentiellen Gebrauch hingegen könnte ich von der Flüssigkeit vor meinen Augen auch sagen, sie sei transparent, durstlöschend, erfrischend etc., ohne ihre chemische Struktur zu kennen, bzw. von einer anderen Zusammensetzung ausgehend, etwa von H2O statt XYZ. Im Folgenden nimmt Searle die von Putnam wörtlich formulierte Frage auf, ob Bedeutungen sich im Kopf befänden und bejaht diese explizit. Spätestens hier scheint er also, wie wir gesehen haben, die fregeanische Position zu verlassen. Seine Rekonstruktion des Putnam’schen Arguments verläuft dabei wie folgt: (I) Die Bedeutung eines Wortes oder Ausdrucks zu kennen, heißt in einem bestimmten psychologischen Zustand zu sein. (II) Intension bestimmt Extension und daraus folgt (III), dass ein psychologischer Zustand die Extension bestimme. Dabei sind (I) und (II) nicht miteinander vereinbar und (III) schlicht falsch. In diesem Zusammenhang weist auch Searle explizit darauf hin, dass die Akzeptanz bzw. Ablehnung der Distinktion in analytische und synthetische Urteile für diese ganze Diskussion keine Rolle spielt (vgl. Searle 1983: 200; zur Kritik an dieser Unterscheidung und den Begriff der Synonymie siehe v. a. Quine [1951] 1961). Betrachten wir zunächst die beiden Fälle der Baumarten und des Wassers: Sie sollen, wie wir gesehen haben, als Beispiele dienen, die zeigen, dass typenidentische mentale Zustände auch bei unterschiedlichen Extensionen vorliegen können und sich die Bestimmung der Extension daher nicht vollständig in der Intension erschöpfen kann. In jeder Sprachgemeinschaft gibt es ExpertInnen, die in der Anwendung bestimmter sprachlicher Ausdrücke über mehr Expertise verfügen als manche Laien und dadurch auch in der Lage sind, in konkreten Situationen zwei

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2 „Innen“ und „Außen“

spezifische Bäume voneinander zu unterscheiden. Für uns Laien ist es hingegen schwer bzw. ausgeschlossen, eine solche Differenzierung zu vollziehen. Dem ist prima facie sicher zuzustimmen. Das Putnam’sche Argument durch die Searle’sche Brille gelesen rechtfertigt diesen Umstand dadurch, dass die mit den beiden Wörtern „Ulme“ und „Buche“ verknüpften Begriffe der Ulme und Buche für uns Laien ununterscheidbar sind, in beiden Beispielen bedingt durch die rudimentären Bestimmungen, es handle sich um Laubbäume, welche vermehrt im östlichen Teil der USA vorkommen. Das heißt, wir hätten hier einen Fall gleicher Intension und verschiedener Extension: „‘Beech’ denotes beech trees and ‘elm’ denotes elm trees: same psychological state, different extensions“ (Searle 1983: 201). Interessant ist an dieser Stelle, dass Searle die Mill’sche Unterscheidung der Konnotation und Denotation aufnimmt, wenn dieser exemplarisch über Eigennamen bemerkt: „[…] proper names are not connotative: they denote the individuals who are called by them; but they do not indicate or imply any attributes as belonging to those individuals“ (Mill 1843: I, ii, 5; 40). Auch bei Kripke werden wir eine Art Wiederkehr dieser denotativen bzw. designativen Auffassung finden, nicht nur auf Eigennamen angewandt, sondern auch auf natürliche Artbegriffe wie Gold oder Wasser, bzw. Phänomene wie Hitze und Licht. Eine solche Bestimmung ist allerdings keineswegs der Auffassung Freges entgegengestellt, wenn dieser etwa bemerkt, dass ein sprachliches Zeichen seinen Sinn ausdrückt und seine Bedeutung bedeutet (vgl. Frege 2011b: 147), und zuvor bemerkt: „Wenn man in der gewöhnlichen Weise Worte gebraucht, so ist das, wovon man sprechen will, deren Bedeutung. Es kann aber auch vorkommen, daß man von den Worten selbst oder von ihrem Sinne reden will.“ (Frege 2011b: 145) Auch Searle bemerkt, dass Putnams Ulmen/Buchen-Beispiel für internalistische Ansätze keine argumentativ gravierende Rolle spielt. Sein Argument ist dabei, dass die Intension bzw. Extension üblicherweise nicht von SprachteilnehmerInnen bestimmt wird, welche die Bedeutung (im Sinne der Intension) nicht, oder nur rudimentär kennen. Anders ausgedrückt werden Intension und Extension nicht relativ zu einem Idiolekt bestimmt (vgl. Searle 1983: 201). Der Fall einer Person, die nur über eingeschränkte Kenntnisse eines Begriffs verfügt, da sie fregeanisch gesprochen den Sinn nur sehr unvollständig erfasst hat, kann daher kein Argument gegen die These sein, die Intension bestimme die Extension. Überhaupt ist für Frege die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke (im Sinne ihrer Extension) ganz unabhängig von der subjektiven Befindlichkeit der jeweiligen SprecherInnen. Und bei einer nur rudimentären Sinnerfassung ist natürlich auch das Referenzobjekt nur uneindeutig bestimmt: „The notion of the ‘extension in my idiolect’ has no application for cases where one does not know the meaning of the word.“ (Searle 1983: 201). Der Punkt entspricht ganz unserer Kritik an Putnams Baum- und Goldbeispiel bzw. Aluminium/Molybdän-Experiment. Die Frage nach der Bedeutung eines

2.3 „Are Meanings in the Head?“

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sprachlichen Ausdrucks kann sich nicht daran richten, ob vereinzelte SprachteilnehmerInnen nur über eine rudimentäre Kenntnis der intensionalen Bestimmungen verfügen, denn dieser Mangel sollte durch die Rolle der ExpertInnen im Rahmen einer linguistischen Arbeitsteilung kompensiert werden. Dass wir in Abhängigkeit der Kenntnis der Begriffe Ulme und Buche und unserer Erfahrungen mit entsprechenden Bäumen bzw. Bildern oder Photographien etc. bei der Identifizierung bzw. Differenzierung beider Arten mehr oder minder fehleranfällig sind, hat keinen Einfluss auf die Bedeutung der sprachlichen Zeichen. Fehler passieren, wie wir gesehen haben, innerhalb eines bestimmten Bedeutungsspektrums und implizieren keineswegs eine alternative Semantik. Darin liegt meines Erachtens der zentrale Unterschied zwischen jenen Beispielen und Putnams Experiment mit dem Begriff des Wassers, welches so angelegt ist, dass permanente Fehlreferenz vorausgesetzt ist. Searle zieht in diesem Zusammenhang die Grenze zwischen individuellen und kollektiven intentionalen Gehalten: Putnam would have to argue that the collectivity of speakers’ intentional states, including those of all the ideal experts, does not determine the correct extensions. But if the argument is to be based on linguistic and factual ignorance, the very doctrine of the linguistic division of labour would seem to refute the argument from the start, because the doctrine is that where one speaker is ignorant he can appeal to the experts: what is and what is not an elm is for the experts to decide. That is, where his intension is inadequate he lets their intension determine extension. (Searle 1983: 201 – 202)

Das entspricht ganz unserer Kritik an Putnams Beispiel der englischen Kolonisten, welche in der besiedelten Region in ignoranter Weise falsche Ausdrücke anwendeten, die jederzeit von den einheimischen BewohnerInnen bzw. zumindest den dort lebenden ExpertInnen korrigiert werden konnten. Der gleiche Punkt lässt sich auch als Einwand gegen eine diametral entgegengesetzte Auffassung anwenden, welche im „Argument from Illusion“ nicht-veridische Erlebnisse als argumentativen Ausgangspunkt der philosophischen These exklusiver Perzeptionen von Sinnesdaten, selbst im Kontext echter Wahrnehmungserlebnisse vertritt. Darüber hinaus könnte man die berechtigte Frage stellen, ob aus der reinen Intensionsgleichheit der Wörter „Ulme“ und „Buche“ tatsächlich auch die Begriffsgleichheit folgt. Denn schließlich sind die Begriffe selbst ja Teil der intensionalen Bestimmung und wenn ich weiß, dass Ulmen, Buchen, Eichen und Erlen Laubbäume sind, dann weiß ich: 1) Ulmen sind Laubbäume, 2) Buchen sind Laubbäume, 3) Eichen sind Laubbäume usw. Dieses Faktum weiß ich über jeden der einzelnen Baumtypen und das erklärt auch, warum wir für sie unterschiedliche Bezeichnungen haben. Gerade deshalb ist der Begriff von „Ulme“ für mich auch nicht ununterscheidbar von dem des Ausdrucks „Buche“, selbst im Fall sehr ein-

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geschränkter intensionaler Bestimmungen, welche mir bekannt sind. Denn aus ihnen folgt zumindest, dass ich weiß, dass Ulmen keine Buchen, keine Eichen oder andere Laubbäume sind. In der Konzeption Freges wäre es überhaupt problematisch, für das Vorhandensein zweier sprachlicher Ausdrücke bei gleichem Sinn zu argumentieren, ausgenommen etwa die Aktiv-Passiv-Variationen in ganzen Sätzen, über die er bemerkt: Die Sätze „M gab dem N die Urkunde A“, „die Urkunde A wurde von M dem N gegeben“, „N empfing von M die Urkunde A“ drücken genau denselben Gedanken aus; man erfährt durch keinen dieser Sätze das Geringste mehr oder weniger als durch die anderen. Daher ist es denn auch unmöglich, dass einer von ihnen richtig und zugleich ein anderer falsch sei. Was wahr oder falsch dabei sein kann, ist eben genau dasselbe. (Frege [1897] 1969c: 153)

Es ist somit ausgeschlossen, die drei obigen Sätze zu verstehen und zugleich nicht für wahrheitswertgleich zu halten. Daher spricht Frege gelegentlich auch von der Färbung (bzw. Beleuchtung) der Gedanken (vgl. u. a. Frege 1969c: 153). Diese betrifft tatsächlich den psychologischen und nicht den logischen Inhalt des ausgedrückten Satzes. In der Logik […] wird also vom Inhalte eines Satzes ein Teil auszuscheiden sein, der allein als wahr anerkannt oder als falsch verworfen werden kann. Diesen nenne ich den vom Satz ausgedrückten Gedanken […] Nur mit diesem Teile des Inhaltes hat die Logik zu tun. Was sonst noch den Inhalt des Satzes ausmacht, nenne ich die Färbung des Gedankens (Frege [1906] 1969 f: 213 – 214).

Ganz entsprechend argumentiert Frege in einem Brief an Husserl von 1906: Man hält es wohl immer noch für die Aufgabe der Logik, gewisse seelische Vorgänge zu studieren. Damit hat sie eigentlich ebenso wenig zu tun wie mit der Bewegung der Himmelskörper. Sie ist in keiner Weise Teil der Psychologie. Der pythagoreische Lehrsatz drückt für alle Menschen denselben Gedanken aus, während jeder seine Vorstellungen, Gefühle, Entschlüsse hat, die von denen jedes anderen verschieden sind. Die Gedanken sind nicht seelische Gebilde und das Denken ist nicht ein inneres Erzeugen und Bilden, sondern ein Fassen von Gedanken, die schon objektiv vorhanden sind. (Frege 1976b: 101 – 102)

Im darauffolgenden Brief an Husserl vom 9. Dezember 1906 nennt Frege uns sogar explizit ein objektives Kriterium für die Identität zweier Gedanken, welches er für die logische Analyse für notwendig hält. Voraussetzung ist dabei, dass keiner der infrage stehenden Gedanken einen logisch evidenten Sinnbestandteil enthält: Wenn nämlich sowohl die Annahme, dass der Inhalt von A falsch und der von B wahr sei, als auch die Annahme, dass der Inhalt von A wahr und der von B falsch sei, auf einen logischen

2.3 „Are Meanings in the Head?“

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Widerspruch führt, ohne dass man zu dessen Feststellung zu wissen braucht, ob der Inhalt von A oder von B wahr oder falsch sei, und ohne dass man dazu anderer als rein logischer Gesetze bedarf, so kann zum Inhalte von A, soweit er fähig ist, als wahr oder falsch beurteilt zu werden, nichts gehören, was nicht auch zum Inhalte von B gehörte; denn für einen solchen Überschuss fehlte es an jeder Begründung im Inhalte von B, und der Voraussetzung nach wäre ein solcher Überschuss auch nicht logisch evident. (Frege 1976c: 105 – 106)

Gleiches gilt entsprechend für den Inhalt von B, insofern er wahrheitswertfähig ist. Was also an den Inhalten von A oder B als wahr oder falsch beurteilbar ist, stimmt überein, und dies kommt für die Logik allein in Betracht, und das nenne ich den von A ebenso wie von B ausgedrückten Gedanken. Zum Inhalte von A kann man freilich mancherlei rechnen, z. B. eine Stimmung, Gefühle, Vorstellungen; aber all dies wird nicht als wahr oder falsch beurteilt, es geht die Logik im Grunde nichts an […] (Frege 1976c: 106).

Diese Teile, die zum Inhalt der Sätze A und B hinzukommen können, sind das, was Frege die Färbungen von Gedanken nennt. Ein Beispiel für eine solche Färbung eines Gedankens wäre die alternative Verwendung des Wortes „Köter“ für „Hund“ in Sätzen wie „Dieser Köter hat die ganze Nacht gebellt“ bzw. „Dieser Hund hat die ganze Nacht gebellt“. Hierbei handelt es sich um denselben Gedanken, da wir durch den ersten Satz nicht mehr erfahren als durch den zweiten. Zwar drückt der erste Satz eine gewisse Geringschätzung aus, allerdings gehört diese nicht zum eigentlichen Gedanken und ändert daher auch nicht den Wahrheitswert des ersten Satzes. Andere Beispiele wären die Ausdrücke „gehen“, „schreiten“ oder „wandeln“. Am Beispiel des Wortes „Pferd“ bemerkt Frege entsprechend: „Ein solches Wort gibt also vermöge seines Sinnes zwar die Anregung zur Bildung einer Vorstellung; aber es ist weit davon entfernt, diese Vorstellung allein vollständig zu bestimmen. Im Allgemeinen wird man beim Sprechenden und Hörenden nur ganz im Rohen eine Übereinstimmung der Vorstellungen voraussetzen dürfen.“ (Frege 1969c: 152) Für den wahrheitswertrelevanten Teil hingegen ist es unmöglich, alle drei obigen AktivPassiv-Sätze zu gebrauchen bzw. zu verstehen und zugleich einen oder zwei davon mit unterschiedlichen Wahrheitswerten zu belegen. Gleiches gilt für die „Hund“„Köter“-Verwendungen. Auf diesen Punkt haben wir bereits in der Diskussion der Putnam’schen Annahme gleicher Intension und unterschiedlicher Extension ausführlich hingewiesen. Daher sollte es auch klar sein, dass „Ulme“ und „Buche“ nicht intensionsgleich sind, da ich einen Satz wie „Das Holz der Buche ist sehr hart“ für wahr halten kann und zugleich den Satz „Das Holz der Ulme ist sehr hart“ für falsch. So bemerkt Frege entsprechend im Kontext der bedeutungsgleichen Ausdrücke „Morgenstern“ und „Abendstern“: „Wenn wir sagen ‚der Abendstern ist ein Planet, dessen Umlaufszeit kleiner ist als die der Erde‘, so haben wir einen anderen Gedanken ausgedrückt als in dem Satze ‚der Morgenstern ist ein Planet, dessen Umlaufszeit kleiner ist als die der Erde‘; denn, wer nicht weiß, daß der Morgenstern der

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Abendstern ist, könnte den einen für wahr, den andern für falsch halten“ (Frege 2011a: 132). Im Fall solcher informativer Identitätssätze erklärt sich für Frege das Vorhandensein unterschiedlicher sprachlicher Zeichen bei gleicher Bedeutung (im Sinne der Extension) gerade durch den von ihm eingeführten Sinnbegriff, den er als Weg zur Bedeutung versteht. Das erklärt jedoch nicht das Vorhandensein unterschiedlicher sprachlicher Zeichen bei Sinngleichheit. Und das ist es offensichtlich, was Putnam mit seinem Ulmen/Buchen-Beispiel plausibilisieren möchte. Für Putnam gilt hingegen, 1) dass sein oder mein Konzept von „Ulme“ identisch ist dem von „Buche“, die Extension von „Ulme“ in seinem oder meinem Idiolekt hingegen verschieden der von „Buche“. Die Wahrheit dieser Behauptung beruht dabei jedoch auf seiner oder meiner Kenntnis, dass Ulmen keine Buchen sind und vice versa (vgl. hierzu auch Searle 1983: 202). Denn das ist der Fall, auch wenn ich (oder Putnam) nicht in der Lage bin, beide Typen in konkreten Situationen zu unterscheiden. Es ist jedoch gerade diese Kenntnis, die Putnam in seiner Explikation offensichtlich unterschlägt, da er sonst konsequenterweise keine Intensionsidentität gemäß Prämisse (1) behaupten dürfte. Und dieses Wissen können wir sicher als ein begriffliches Wissen auffassen. Aus der Tatsache, dass ich nicht in der Lage bin, Ulmen von Buchen zu unterscheiden, folgt daher keineswegs, dass ich nicht weiß oder zumindest wissen kann, dass beide Ausdrücke verschiedene Baumarten bezeichnen. Interessanter ist daher auch für Searle der Fall des Wassers, da hier, in seiner Terminologie gesprochen, selbst das „Kollektiv“ der intentionalen Gehalte zweier Kommunikationsgemeinschaften nicht in der Lage ist, die Extension zu bestimmen. Dabei betont auch er die perzeptiv ununterscheidbaren Eigenschaften von Wasser in Abgrenzung zu ihrer distinkten chemischen Zusammensetzung. Wir könnten nun in Abgrenzung zu Putnam argumentieren, dass vor der Entdeckung der chemischen Struktur die Extension von „Wasser“ auf E und ZE dieselbe gewesen sei, das heißt, gleiche Intension bestimmt gleiche Extension. Nach deren Erforschung im Jahr 1750 hätten wir dann zwei Optionen: 1) wir definieren „Wasser = H2O“, dann würde sich auf der ZE kein Wasser befinden. Denn wenn die chemische Zusammensetzung von H2O Aufnahme in die Intension findet, dann hätte das Wort „Wasser“ auf ZE keine Bedeutung (Frege) bzw. Extension (Carnap). Dies entspräche auch Kripkes Auffassung, die sich jedoch über die Annahme von „natural kind terms“ als „rigid designators“ rechtfertigt und gerade nicht durch die Intensionsgleichheit. Oder 2) wir postulieren schlicht zwei verschiedenen Arten von Wasser, deren Distinktion sich durch die differente chemische Struktur erklärt. Das scheint auch unseren Intuitionen weit näher als die Annahme, „Wasser“ auf ZE hätte keine oder eine gänzlich andere Bedeutung.

2.3 „Are Meanings in the Head?“

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Auch Searle favorisiert diese Intuition. Begründen ließe sie sich durch die Möglichkeit, dass die BewohnerInnen beider Erden sich miteinander austauschten, gegenseitig besuchten und dabei vielleicht gemeinsam schwimmen gingen, gespritzte Säfte tränken etc. Selbst Putnam nennt das Beispiel zweier verschiedener Arten von Jade, Nephriten und Jadeiten (vgl. Putnam 1996b). Warum daher nicht auch zwei Arten von Wasser postulieren, H2O und XYZ, dürfen wir doch laut den Vorgaben des Experimentes davon ausgehen, dass sich die beiden Flüssigkeiten sonst in nichts unterscheiden? Es ist überhaupt fraglich, warum Putnam und später auch Kripke die chemischen Formeln, Ordnungszahlen etc. gegenüber den phänomenalen Eigenschaften insofern favorisieren, als dass sie erstere als klar bestimmt und nur zweitere als problematisch erachten. Können wir hier nicht auch ganz entgegengesetzt argumentieren, „Wasser“ sei die Konstante im Spiel und „H2O“ der problematische Fall? Wir werden diesen Punkt nochmals in Kripkes Diskussion des blauen Goldes aufgreifen (vgl. Kapitel III.3). Ganz entsprechend der Kripke’schen Auffassung von Extension (im Fall von Wasser siehe u. a. Kripke 1981: 128 – 129) argumentiert auch Putnam, dass zu ihrer Bestimmung zunächst ein Phänomen oder eine Substanz mittels ihrer Oberflächeneigenschaften identifiziert wird. Die Extension – hier von Wasser – ist dann determiniert als alles das, was mit der ursprünglich identifizierten Substanz strukturell identisch ist. Gemäß dieser Bestimmung weichen die Extensionen auf E und ZE deshalb voneinander ab, weil die anfängliche Identifizierung indexikalisch erfolgte und die jeweils relevanten Strukturen in ihren Bestandteilen und ihrer Zusammensetzung voneinander abweichen. Searle bemerkt hierzu: […] all he [Putnam] has done is substitute one Intentional content for another. For the traditional cluster-of-concepts intentional content, Putnam has substituted an indexical Intentional content. […] In fact, Putnam’s suggestion is a rather traditional approach to natural-kind terms: a word is defined ostensively as whatever bears the right relation to the denotation of the original ostension. “Water” has simply been defined as whatwever is identical in structure to this stuff whatever the structure is. […] On the traditional Lockean view, water is defined (nominal essence) by a checklist of concepts: liquid, colorless, tasteless, etc. On the Putnam proposal, water is defined (real essence) indexically by identifying something that satisfies the nominal essence and then declaring that water is to be defined as whatever has the same real essence as the stuff so identified. (Searle 1983: 204)

Wir können, wie bereits erwähnt, hier vom Begriff des „intentional content“ absehen und ihn einfach durch „Intension“ ersetzen. Gleiches gilt für die daraus resultierende Konsequenz, dass Bedeutungen für Searle daher sehr wohl im Kopf seien. Dann zeigt sich tatsächlich, dass Putnam die chemische Zusammensetzung

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nun doch implizit mit in die Intension aufgenommen hat. Wir haben seine Ausführungen zur ostensiven Definition und die damit verbundenen Schwierigkeiten bereits ausführlich diskutiert und wollen hier nur nochmals betonen, dass das Kriterium der „sameness relation“ („x is the sameL as y“) sich offensichtlich nicht auf die intensionalen Bestimmungen der Oberflächeneigenschaften bezieht, sondern auf die innere Struktur der Flüssigkeit, eine „theoretische“ Relation, die nur durch wissenschaftliche Untersuchungen festzustellen ist (vgl. u. a. Putnam 1996b: 11). Und wir haben bereits an mehreren Stellen die Frage aufgeworfen, warum die chemische Zusammensetzung tatsächlich nicht als Teil der Intension aufgefasst werden darf. Die Trennung von phänomenalen Eigenschaften und chemischen Elementen bzw. Zusammensetzungen entlang der Linie von engen und weiten Zuständen zu ziehen, erscheint hier nicht plausibel, da ich mit der Bemerkung „Das Wasser, welches ich gerade trinke, schmeckt äußert erfrischend und ist sehr durstlöschend“ im selben Sinne etwas über die Flüssigkeit, die ich gerade zu mir nehme, und nicht über den Begriff des Wassers sage, wie wenn eine Chemikerin im Labor feststellt, dass die Flüssigkeit aus H2O bzw. XYZ besteht. Kripkes Argument, das Vorhandensein von H2O würde auch dann nicht infrage gestellt, wenn es keine Menschen oder andere Lebenwesen gäbe, welche die Flüssigkeit auch erlebten, schmeckten, sähen etc., ist hier ebenfalls nicht überzeugend, da es keinen Sinn hat, zu fragen, ob die Flüssigkeit auch dann noch durstlöschend wäre, wenn keine Lebewesen existierten, die sie tränken. Darüber hinaus impliziert diese Auffassung auch eine Locke’sche Unterscheidung in primäre und sekundäre Qualitäten. Und abgesehen von diesen ontologischen und epistemischen Gesichtspunkten würden sich semantischen Erwägungen vollständig erledigen bzw. wären nicht zu rechtfertigen, ohne Lebewesen, die miteinander kommunizierten. Die Integration der chemischen Zusammensetzung in die Intension würde diese lediglich erweitern und wäre dann auch kein Einwand mehr gegen die Auffassung, die Intension bestimme die Extension und nicht die zugrundeliegende Mikrostruktur. In dieser Hinsicht würde XYZ genauso wenig zur Extension von Wasser auf der Erde gehören, wie etwa Gin oder Wodka hinsichtlich des Geschmacks oder Geruchs. Gleiches gälte für H2O auf der Zwillingserde. Um diese Rolle der Intension zu verdeutlichen, verweist Searle auf ein Beispiel von Keith Donnellan (vgl. Searle 1983: 205) zur Abgrenzung attributiver Verwendungen sprachlicher Ausdrücke von referentiellen, auf die auch wir in der KripkeDiskussion nochmals zu sprechen kommen werden. Hier genügt für unsere Zwecke nur das spezifische Beispiel „The murderer of Brown“, ein Ausdruck, welcher eine Intension hat, die ihrerseits die Extension festlegt, das heißt den tatsächlichen Mörder von Brown. Das ist ein eindeutiger Weltbezug. Über die intensionale Bestimmung im Fall attributiver Verwendung bemerkt Donnellan dementsprechend:

2.3 „Are Meanings in the Head?“

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A speaker who uses a definite description attributively in an assertion states something about whoever or whatever is the so-and-so. […] In [this] case the definite description might be said to occur essentially, for the speaker wishes to assert something about whatever or whoever fits that description; […] In the attributive use, the attribute of being the so-and-so is all important, while it is not in the referential use. (Donnellan 1966: 283)

Dass die Intension die Extension festlegt, ist hier völlig unabhängig von der Frage, ob die Sprecherin auch weiß, wer tatsächlich der Mörder von Brown ist. Gleiches können wir analog auf die intensionale Bestimmung anwenden, mit einem bestimmten Flüssigkeitsmuster „flüssidentisch“ zu sein, unabhängig davon, ob wir in der Lage sind, diese „sameness relation“ zu erkennen, bzw. ob die Mikrostruktur der Flüssigkeit bekannt ist. Die Überlegungen Putnams scheinen demnach mit der Frage der Zuordnung der mikrostrukturellen Zusammensetzung und entsprechenden Gleichheitsrelation L („same liquid“) zu stehen oder zu fallen. Abschließend macht Searle auf eine weitere Schwierigkeit aufmerksam, welche mit der Rolle indexikalischer Ausdrücke verbunden ist. Da diese in den hier diskutierten Gedankenexperimenten explizit keine entscheidende Rolle spielen, abgesehen von der Tatsache, dass Putnam „natural kind terms“ als quasi-indexikalische Ausdrücke versteht und ostensiv einführt, möchte ich die damit verbundenen Schwierigkeiten nur kurz skizzieren. Putnam betont zunächst, dass bisher niemand auf solche Ausdrücke die Annahme angewendet habe, die Intension bestimme die Extension. Gehen wir wieder zu unserem Zwillingserdenbeispiel. Putnam bemerkt: „[…] if I have a Doppelgänger on Twin Earth then when I think, ‘I have a headache’, he thinks ‘I have a headache.’ But the extension of the particular token of ‘I’ in his verbalised thought is himself (or his unit class to be precise), while the extension of the token of ‘I’ in my verbalized thought is me.“ (Putnam 1996b: 18) Somit hätte der Ausdruck „Ich“ in zwei verschiedenen Idiolekten auch zwei verschiedene Extensionen. Daraus folgt für Putnam jedoch keineswegs, dass der Begriff, den das Original von sich selbst hat, in irgendeiner Weise von dem Begriff, den sein Doppelgänger von sich selbst hat, abweicht. Um diesen doch recht bemerkenswerten Punkt von Putnam einzusehen, müssten wir genauer erfahren, welchen Begriff die beiden Protagonisten denn jeweils von sich selbst haben. Intensionale Bestimmungen bezüglich des jeweils verwendeten Wortes „ich“ finden sich hier bedauerlicherweise keine. Im Zusammenhang von Eigennamen verwendet Frege an zahlreichen Stellen die Formulierung der „Art des Gegebenseins“ bzw. „Weisen des Gegebenseins“ zur Bestimmung des Sinnes (vgl. u. a. Frege 1993: 39; Frege 2011b: 143 – 144). Dabei stellt sich zunächst die Schwierigkeit, ob tatsächlich derselbe Gedanke zum Ausdruck kommt, wenn ich sage, „ich habe heute Morgen Kopfschmerzen“ und später eine andere Person, die anwesend war, als ich diesen Satz äußerte, jemand zu dieser Zeit

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Abwesenden die Information weitergibt mit den Worten „Volker Munz hatte heute Morgen Kopfschmerzen“. Dabei ist zunächst maßgeblich, ob die beiden Personen mit mir, Volker Munz, den gleichen Sinn verbinden, etwa derjenige, der an der Universität Klagenfurt Philosophie unterrichtet, am 31. Mai 1966 in Lindenberg geboren wurde etc., denn davon hängt die Frage ab, ob beide mit mir denselben Gedanken verbinden oder nicht, falls die berichtende Person zwar mein Geburtsdatum kennt, nicht aber meinen Beruf: „Demnach kommt es bei einem Eigennamen darauf an, wie der, die oder das durch ihn Bezeichnete gegeben ist. Das kann in verschiedener Weise geschehen, und jeder solchen Weise entspricht ein besonderer Sinn eines Satzes, der den Eigennamen enthält. […] Nun ist jeder sich selbst in einer besonderen und ursprünglichen Weise gegeben, wie er keinem anderen gegeben ist.“ (Frege 1993: 39). So werde ich bei der Äußerung des Satzes, dass ich unter Kopfschmerzen leide, diese besondere und ursprüngliche Weise, wie ich mir selbst gegeben bin, zugrunde legen. Und insofern kann auch nur ich den auf diese Weise bestimmten Gedanken selbst fassen. Das hätte allerdings die Konsequenz, dass ich ihn aufgrund dieser exklusiven Selbstgegebenheit gar nicht mitteilen könnte. Freges Lösung besteht nun darin, den Ausdruck „ich“ in einem Sinn zu gebrauchen, der auch anderen zugänglich ist, indem ich etwa eine Formulierung verwende wie, „derjenige, der in diesem Moment zu euch spricht“, wobei der jeweilige Kontext und die damit verbundenen Umstände miteinbezogen werden (vgl. Frege 1993: 39). Die „besondere und ursprüngliche Weise“, in der nur ich mir selbst gegeben sein kann und die für Frege damit verbundene Konsequenz, dass auch nur ich einen „Ich“-Gedanken auf diese spezifische Art erfassen kann, schließt also offensichtlich die Möglichkeit aus, dass in der Terminologie Putnams „the concept I have of myself“ gleich dem einer anderen Person sein kann, selbst wenn es sich um seinen Doppelgänger handelt. Es wäre darüber hinaus recht unverständlich, wie dieser Begriff, den ich von mir selbst habe, erst festlegen sollte, auf wen in der Welt ich mich beziehe, wenn ich das Wort „ich“ ausspreche. Insofern überrascht es auch nicht, dass laut Putnam noch keine Vertreterin einer „traditionellen“ internalistischen Semantik in indexikalischen Kontexten die These, Intension bestimme Extension, angewendet hätte. Das scheint mir allerdings keine inhärente Schwäche des Internalismus. Im Zusammenhang indexikalischer Ausdrücke spricht Frege auch davon, dass es in Abhängigkeit bestimmter Kontexte weiterer Angaben zum vollständigen Ausdruck des Gedankens bedarf. Den Kontext bildet dabei die von Frege kritisierte Auffassung veränderlicher bzw. unbestimmter Zahlen. „Wenn ich z. B. sage ‚die Zahl, die in Millimetern die Länge dieses Stabes angibt‘, so benenne ich eine Zahl, und diese ist veränderlich, da der Stab nicht immer dieselbe Länge beibehält; also habe ich mit jenem Ausdrucke eine veränderliche Zahl bezeichnet“ (Frege [1904] 2011e: 274). Allerdings fordert uns Frege auf, diesen Fall mit dem folgendem zu

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vergleichen, um seine Kritik zu verdeutlichen, dass − im Kontext der Länge eines Stabes − es der Stab ist, der sich verändert und nicht die Zahl, welche die Länge angibt: „Wenn ich sage ‚der König dieses Reiches‘, so bezeichne ich einen Menschen. Vor zehn Jahren war der König dieses Reiches ein Greis, jetzt ist der König dieses Reiches ein Jüngling. Ich habe also mit jenem Ausdrucke einen Menschen bezeichnet, der ein Greis war und nun ein Jüngling ist. Hier muss ein Fehler sein.“ (Frege 2011e: 274). Den Fehler identifiziert Frege schlicht im Fehlen einer spezifischen Zeitangabe bei Verwendung der Bezeichnung „der König dieses Reiches“. Ohne zusätzliche Zeitangabe bezeichnet der singuläre Term gar nichts, unter entsprechender Angabe allerdings nicht mehr eine Person, sondern zwei, das heißt den König dieses Reiches zum Zeitpunkt t0 bzw. t1. Dadurch wird die Zeitangabe zu einem notwendigen Bestandteil des sprachlichen Zeichens und wir erhalten auf diese Weise zwei unterschiedliche Ausdrücke. Dadurch sind auch die Subjekte nicht mehr die gleichen. Analoges gilt für den Zahlausdruck „die Zahl, die in Millimetern die Länge dieses Stabes angibt“. Ohne eine spezifische Zeitangabe bezeichnet sie gar nichts, unter entsprechender zeitlicher Ergänzung hingegen nicht dieselbe Zahl, sondern zwei verschiedene, allerdings unveränderliche Zahlen, eine zum Zweitpunkt t0 und eine zum Zeitpunkt t1, sollte sich der infrage stehende Stab in seiner Länge verändert haben, etwa von 1000 Millimeter auf 1001 Millimeter. Was sich ändert ist also eine Eigenschaft eines Subjektes, in unserem Fall eines Stabes und nicht seiner Länge: „Die 1000 hat sich nicht etwa zur 1001 aufgebläht, sondern ist durch sie ersetzt worden. Oder ist etwa die Zahl 1000 dieselbe wie die Zahl 1001, nur mit anderem Gesichtsausdrucke?“ (Frege 2011e: 274) Diese Bemerkung Freges ist auch wesentlich zum Verständnis unserer Kritik an Kripkes Auffassung des Pariser Urmeters, welcher wir uns in Kapitel III.2 widmen werden. Gehen wir im Beispiel Putnams entsprechend davon aus, dass beide, er und sein Doppelgänger, zum gleichen Zeitpunkt den Satz äußern, sie hätten Kopfschmerzen, können wir ganz analog argumentieren, dass sich die beiden Äußerungen zumindest darin unterscheiden, dass sie an verschiedenen Orten geäußert werden, einmal auf der Erde und einmal auf der Zwillingserde, bei der es sich ja nur um einen koexistenten Zwillingsplaneten handelt und nicht um eine mögliche, alternative Welt. Durch die Ergänzung der Ortsangaben, einmal „X auf der Erde“ und einmal „X auf der Zwillingserde“, erhalten wir, fregeanisch gesprochen, dann auch zwei Ausdrücke zweier verschiedener Gedanken, in welchen sich das Wort „Ich“ einmal auf Putnam bezieht und ein anderes Mal auf seinen Doppelgänger. David Kaplan spricht im Zusammenhang indexikalischer Ausdrücke von „indexical types“ and „indexical tokens“ und weist ihnen unterschiedliche Bedeutungen zu, einerseits „character“ oder auch „linguistic meaning“, andererseits „content“: „Linguistic tokens have contents. The content of a term captures what it refers to […]. Linguistic types have characters. The character of an expression is a

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conventionally determined rule dictating which content a token of that expression expresses if it is uttered in a context.“ (Nimtz 2008: 3 – 4; vgl. auch Kaplan [1977] 1989). Im Gegensatz zu einem Wort wie „Junggeselle“, bei dem der „Charakter“ des Ausdrucks allen Token den gleichen Inhalt zuweist, weist er im Zusammenhang von indexikalischen Ausdrücken den entsprechenden Token unterschiedliche „contents“ zu, abhängig von den jeweiligen Kontexten, in unserem Fall, ob es sich um Putnam handelt, der den Satz äußert, er habe Kopfschmerzen, oder seinen Doppelgänger. In diesem Sinne hat jeder indexikalische Ausdruck einen unveränderlichen Charakter, aber unterschiedliche Inhalte, die jeweils von den jeweiligen Kontexten abhängen. (Siehe hierzu ausführlich Braun 2015). Hier hat Kaplan auch auf die Unterscheidung einer zweidimensionalen Semantik aufmerksam gemacht. Veranschaulichen lässt sich diese Unterscheidung gerade an Sätzen, die indexikalische Ausdrücke wie „ich“, „jetzt“, „hier“ etc. enthalten. Dabei hängt die Wahrheit eines Satzes wie „Ich bin in Klagenfurt“ davon ab, in welcher Welt er geäußert wird und wer ihn äußert. Wenn Volker Munz diesen Satz äußert, ist er wahr in allen möglichen Welten, in welchen sich Volker Munz in Klagenfurt befindet. Äußert jemand anderer den Satz, hat er hingegen unterschiedliche Wahrheitsbedingungen. In kontrafaktischen Welten hängt die Wahrheit indexikalischer Sätze somit davon ab, was in dieser und der aktualen Welt der Fall ist, in welcher er geäußert wird: We can hold that whether a sentence is true in some counterfactual world depends on the facts, depicted by what is the case in that world, and it depends on what the sentence means, determined by what is the case in the actual world. The counterfactual and actual worlds set apart here are not different entities. What gets discriminated are two different roles the very same possible worlds can play (assuming that we specify for worlds considered as actual a centre consisting of a speaker, a place and a time). (Nimtz 2008: 2)

An dieser Bemerkung wird das Verhältnis zwischen Wahrheit bzw. Falschheit und Bedeutung besonders sichtbar. Die aktuale Welt gilt als bedeutungsstiftend für die sprachlichen Zeichen und determiniert die Wahrheitsbedingungen; die kontrafaktischen Welten hingegen variieren lediglich bezüglich ihrer Wahrheitswerte. Am Beispiel von „Ich bin jetzt in Klagenfurt“ führt die primäre Intension des Satzes zu verschiedenen Extensionen in verschiedenen möglichen Welten, je nachdem, wer in diesen Welten den Satz äußert. Die sekundäre Intension führt zu unterschiedlichen Extensionen in Abhängigkeit davon, ob genau die Person, die den Satz äußert, sich in den kontrafaktischen Situationen auch tatsächlich in Klagenfurt befindet. Der erste Fall entspräche der Auffassung Putnams, die zweite der Kripkes, da er in seinen kontrafaktischen Welten stets die Eigenschaften oder Zuschreibungen um den Gegenstand bzw. die Person in der aktualen Welt zirkulieren lässt, wie wir in Kapitel III noch sehen werden.

2.3 „Are Meanings in the Head?“

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Kaplan hat dabei vor allem eine Asymmetrie zwischen indexikalischen „types“ and „tokens“ identifiziert (vgl. Kaplan 1989). „Indexical tokens“ haben zwar eine Referenz, aber keine deskriptive Bedeutung. Darin erschöpft sich ihre Bedeutung. „Indexical types“ hingegen haben deskriptiven Gehalt, allerdings keine Referenz. Der „type“ „ich“ referiert nicht. Seine Bedeutung besteht allerdings darin, dass, immer wenn er geäußert wird, er sich auf die Person bezieht, welche ihn äußert, das heißt das jeweilige „token“: Linguistic tokens have contents. The content of a term captures what it refers to, and the content of a sentence is the proposition it expresses. Linguistic types have characters. The character of an expression is a conventionally determined rule dictating which content a token of that expression expresses if it is uttered in a context. By contrast, the characters of indexicals and demonstratives will assign their tokens varying contents, depending on the respective contexts. It is this dependence of token meaning (or content) on type meaning (or character) cum context that Kaplan captures by means of a 2d-framework. He models contents as secondary intensions. He models characters as twodimensional intensions. The character of a sentence type specifies a secondary intension for each actual world, and thus captures how the proposition expressed by a token of that sentence varies with the context the token occurs in. (Nimtz 2008: 4)

Auch wenn indexikalische Ausdrücke in unserer Diskussion von Putnams und Kripkes Gedankenexperimenten außerhalb ostensiver Definitionen keine herausragende Rolle spielen, macht die zweidimensionale Semantik dennoch auf eine wichtige Unterscheidung aufmerksam, die auch in Putnams und Kripkes Behandlung von „natural kind terms“ wie „Wasser“, „Licht“ oder „Hitze“ ihre Anwendung findet. Putnams Einwände mit Bezug auf die erste Person versucht Searle nun mit dem Aspekt der kausalen Selbstreferentialität intentionaler Gehalte zu lösen, die es selbst bei gleichen Erfahrungstypen und entsprechenden sprachlichen Äußerungen erlaubt, dass der jeweilige intentionale Gehalt verschieden ist, veranschaulicht das allerdings nicht am Wort „ich“, sondern „dies“, wie im Fall einer ostensiven Definition von Wasser. Nehmen wir also an, Jones im Jahr 1750 identifiziert etwas indexikalisch und tauft es auf den Namen „Wasser“. Gleiches passiert auf der Zwillingserde durch Twin Jones. Nehmen wir darüber hinaus an, beide seien in typidentischen mentalen Zuständen und hätten gleiche visuelle und andere Erfahrungen während des Taufaktes. Dadurch, dass beide nun dieselbe definitorische Bestimmung des Wortes „Wasser“ zu Grunde legen als: „whatever is identical in structure with this stuff“ (Searle 1983: 207) und über typengleiche Erfahrungen verfügen, könnten wir mit Putnam nicht mehr für die unterschiedliche Extension von „Wasser“ auf der Erde und Zwillingserde nur mit Hilfe der intentionalen Gehalte argumentieren. Searle hält dem entgegen, dass selbst bei typengleichen Erfahrungen nicht auch typengleicher intentionaler Gehalt folgt, oder anders ausge-

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drückt, dass selbst bei typenidentischen Erfahrungen im Zuge des Taufaktes unterschiedliche intentionale Inhalte gegeben sein können. Diese Möglichkeit begründet sich für Searle durch die unterschiedlich gegebene Selbstreferentialität. Die indexikalischen Definitionen von „Wasser“ auf der Erde können demnach analysiert werden als „whatever is identical in structure with the stuff causing this visual experience, whatever the structure is“. Gleiches gilt für die indexikalische Bestimmung von „Wasser“ auf der Zwillingserde, ebenfalls mit der Hervorhebung, dass der Stoff diese Erfahrung kausal verursacht. „Thus, in each case we have typeidentical experiences, type-identical utterance, but in fact in each case something different is meant.“ (Searle 1983: 207– 208) Die durch die intentionalen Inhalte gegebenen Erfüllungsbedingungen sind dabei distinkt aufgrund der kausalen Selbstreferentialität im Fall von Wahrnehmungserlebnissen (vgl. hierzu auch Searle 1983: 218 – 230). Im Grunde liefert uns Searle mit diesem Argument eine durchaus fregeanische Position hinsichtlich der Frage unterschiedlicher referentieller Bezüge in indexikalischen Kontexten; sein Begriff des „intentional content“ veranlasst ihn hingegen, von Typenidentität und -differenz zu sprechen, auch mit Verweis auf visuelle Wahrnehmungserlebnisse. Bei Frege werden die Wahrnehmungserlebnisse, wenn sich die Prädikationen auf den Sinneseindruck beziehen, nicht den Gedanken, sondern den Vorstellungen zugewiesen, und aufgrund seiner Bestimmungen von Vorstellungen ist die Annahme möglicher typenidentischer Wahrnehmungsinhalte nicht vereinbar. Dies wird besonders deutlich in seinem Beispiel des farbenblinden Bekannten, der die rote Erdbeere zwischen den grünen Blättern nicht erkennt. Fragen nach den Sinneseindrücken des Bekannten, etwa ob er das grüne Blatt rot wahrnimmt oder vice versa, sind nach Frege unbeantwortbar bzw. eigentlich unsinnig. Denn wenn ein Farbwort wie „rot“ lediglich dazu dient, einen meinem Bewusstsein inhärenten Farbeindruck zu bezeichnen, kann ich den Ausdruck auch nur auf mein Bewusstsein anwenden. Dieser Punkt ist uns bereits aus den verschiedenen empiristischen Grundannahmen bekannt. Insofern ist auch ein Vergleich mit Sinneseindrücken anderer Personen ausgeschlossen. „Dazu wäre es erforderlich, einen Sinneseindruck, der einem anderen Bewusstsein angehört, in einem Bewusstsein zu vereinigen. […] Inhalt meines Bewusstseins zu sein, gehört so zum Wesen jeder meiner Vorstellungen, daß jede Vorstellung eines andern eben als solche von meiner verschieden ist.“ (Frege 1993: 41) Eine ähnliche Skizzierung dieser Auffassung privater Farbempfindungen kennen wir auch bereits von Wittgensteins philosophischem Gegner und Vertreter der Möglichkeit einer Privatsprache. Nun könnte man erwidern, dass Frege hier lediglich eine Tokenidentität mentaler Zustände ausschließt, nicht jedoch die Option, dass zwei Personen über typengleiche Erfahrungsinhalte verfügen, wenn sie etwa unter Normalbedingungen

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eine Erdbeerpflanze betrachten. Wenn wir fragen, ob Freges farbenblinder Begleiter die gleichen Farbeindrücke hat wie er selbst, kann sich diese Frage nicht darauf beziehen, ob es sich dabei um den numerisch identischen Eindruck handelt (im Sinne desselben Weges, den zwei Personen abgehen können bzw. desselben Gedankens, den zwei Personen fassen können), da zwei Personen bzw. Bewusstseine in die Wahrnehmungssituation eingebunden sind. Und wenn Fragen nach den Sinneseindrücken des Begleiters mit Bezug auf seine bewusstseinsimmantenten Zustände eigentlich unsinnig sind, dann scheint mir in diesem Beispiel die Frage nach potenzieller Typenidentität von gleicher Art, es sei denn, man möchte trivialerweise nur behaupten, dass andere Personen außer mir auch Zahnschmerzen haben oder Farben sehen können. Und wenn Frege betont, dass es unmöglich sei, den eigenen Sinneseindruck mit dem eines andern zu vergleichen (vgl. Frege 1993: 41), dann ist schwer zu sehen, wie man sinnvoll von einer Typenidentität sprechen kann, denn diese setzt ja bestimmte kriteriale Bestimmungen voraus, welche den Typus charakterisieren, etwa im Fall von qualitativ gleichen Schmerzen die jeweilige Lokalität, Intensität oder phänomenale Beschaffenheit (pochend, brennend, stechend etc.), wobei letztere beiden selbst wieder „bewusstseinsimmanent“ sind. Inwiefern können wir dann argumentieren, Frege und sein farbenblinder Bekannter machten zwar die typengleiche Erfahrung, nur hinsichtlich der subjektiven Erfahrungstoken unterschieden sie sich wesentlich? Es müsste zumindest gezeigt werden, wie der Begriff der Gleichheit hier expliziert werden soll, wenn es nicht nur darum geht, wie wir bereits bei Putnam gesehen haben, schlicht anzunehmen, es sei zumindest eine mögliche Denkoption, dass zwei Personen sich im gleichen mentalen Zustand befänden, wie wir es von Oskar 1 und Oskar 2 kennen. Diese Annahme scheint nur dadurch gerechtfertigt, dass sie keinen logischen Widerspruch enthält. Zur Frage, wann wir von zwei gleichen Vorstellungen sprechen können, bemerkt Wittgenstein: „Was ist das Kriterium der Gleichheit zweier Vorstellungen? – Was ist das Kriterium der Röte einer Vorstellung? Für mich, wenn der Andre sie hat: was er sagt und tut. Für mich, wenn ich sie habe: garnichts. Und was für‚rot‘ gilt, gilt auch für ‚gleich‘.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 377) Dieses Kriterium der Handlungsweisen anderer Personen, spielt, wie wir gesehen haben, in Putnams Experimenten keine Rolle. Im Kontext von Farbempfindungen und der Verwendung von Farbwörtern macht Frege bereits in den Grundlagen der Arithmetik eine sehr aufschlussreiche Bemerkung: Man denkt gewöhnlich bei „weiß“ an eine gewisse Empfindung, die natürlich ganz subjektiv ist; aber schon im gewöhnlichen Sprachgebrauche, scheint mir, tritt ein objektiver Sinn vielfach hervor. Wenn man den Schnee weiß nennt, so will man eine objektive Beschaffenheit

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2 „Innen“ und „Außen“

ausdrücken, die man beim gewöhnlichen Tageslicht an einer gewissen Empfindung erkennt. Wird er farbig beleuchtet, so bringt man das bei der Beurteilung in Anschlag. Man sagt vielleicht: er erscheint jetzt rot, aber er ist weiß. Auch der Farbenblinde kann von rot und grün reden, obwohl er diese Farben in der Empfindung nicht unterscheidet. Er erkennt den Unterschied daran, dass Andere ihn machen oder vielleicht durch einen physikalischen Versuch. So bezeichnet das Farbenwort oft nicht unsere subjektive Empfindung, von der wir nicht wissen können, dass sie mit der eines Andern übereinstimmt – denn offenbar verbürgt das, die gleiche Benennung keineswegs – sondern eine objektive Beschaffenheit. So verstehe ich unter Objektivität eine Unabhängigkeit von unserm Empfinden, Anschauen und Vorstellen, von dem Entwerfen innerer Bilder aus den Erinnerungen früherer Empfindungen, (aber nicht eine Unabhängigkeit von der Vernunft). (Frege 2009: 58 – 59)

Diese Bemerkung ist in mehrerlei Hinsicht aufschlussreich. Zum einen betont auch Frege die willkürliche Verknüpfung zwischen Farbbegriffen und Farberlebnissen, die es uns nicht ermöglicht, selbst bei gleicher Wortverwendung auf gleiche subjektive Empfindungen schließen zu können. Zum anderen weist er darauf hin, dass wir in der Regel keinen Bezug auf unsere inneren Zustände und Prozesse herstellen, wenn wir etwa einem Gegenstand bestimmte Farbeigenschaften zuschreiben, eine These, die jedoch einen der zentralen Putnam’schen Kritikpunkte am Internalismus bildet. Auf diese Art und Weise verstehen wir auch den Unterschied in der Verwendung der Ausdrücke „a scheint f“ im Gegensatz zu „a ist f“. Es ist gerade der objektive Gegenstandsbezug in gewöhnlichen, nicht-philosophischen Sprachkontexten, der diese Differenzierung erlaubt. Und dadurch tritt der „objektive Sinn“ hervor. Selbst der Farbenblinde ist dadurch in die Lage versetzt, die Ausdrücke „rot“ und „grün“ zu verwenden, auch wenn er aufgrund seiner visuellen Eingeschränktheit nicht fähig ist, sie als Empfindungen voneinander zu unterscheiden. Denn diese Objektivität verhält sich unabhängig zu unseren inneren Vorkommnissen. So können wir auch hier argumentieren, dass es nicht der subjektive Erlebnisinhalt sein kann, welcher die Verwendung eines Ausdrucks wie „rot“ rechtfertigt. Darüber hinaus erinnert diese Stelle stark an Putnams bereits angeführte Bemerkung: „[…] Thus whether or not I have a pain depends only on what goes on ’inside’ me, but whether or not I know that snow is white depends not only on whether or not something goes on ‘inside’ me (believing or being confident that snow is white), but also on whether or not snow is white, and thus is something ‘outside’ my body and mind.“ (Putnam 1998: 42) Hier liegt Putnam also ganz in Übereinstimmung mit Frege als einem seiner internalistischen Gegner. Durch diesen Bezug auf „Objektives“ bzw. etwas „außerhalb von Körper und Geist“ wird die Redeweise von „type-identical visual experience“ und „type-identical intentional content“ offensichtlich hinfällig. Wenn die Erfüllungsbedingungen im Fall von Jones und Twin Jones different sind und trotz typengleicher Erfahrungen und Äußerungen etwas anderes gemeint

2.3 „Are Meanings in the Head?“

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sein kann, führt das für Searle nicht zwingend zur Konsequenz, dass die jeweiligen SprachteilnehmerInnen auch tatsächlich etwas anderes meinen, wenn sie das Wort „Wasser“ verwenden. Denn üblicherweise beabsichtigen sie die Ausdrücke hinsichtlich ihrer Bedeutung und Referenz, so zu verwenden wie die jeweilige Sprachgemeinschaft, eingeschlossen die ExpertInnen. „Most people do not go around baptizing natural kinds“ (Searle 1983: 208). Und selbst in solchen Fällen würden die in den Taufakt involvierten AkteurInnen gemeinsame visuelle und andere Erfahrungen, welche sich in den intensionalen Bestimmungen niederschlagen, wesentlich mitberücksichtigen. Dennoch räumt Searle ein, dass im Kontext indexikalischer Definitionen die unmittelbaren SprecherInnen etwas anderes meinen können, da ihre intentionalen Gehalte selbstreferentiell sind zu den „token Intentional experiences“ (Searle 1983: 208). Diese Kritik Searles an Putnams Versuch der Widerlegung, Bedeutungen seien nicht im Kopf, führt letztlich zu der Konsequenz, dass auch Putnam möglicherweise eine alternative internalistische Semantik vertritt, in welcher im Fall von „Wasser“ die bisher bekannten intensionalen Bestimmungen lediglich ersetzt werden durch die Definition: „das, was auch immer es sei, was in der Beziehung der Gleichheit („sameness relation“) zur ursprünglich mit Hilfe bestimmter Oberflächeneigenschaften identifizierten Flüssigkeit steht“. Und ein solcher Vorwurf lässt sich auch ohne die mit dem Begriff des „intentional content“ verbundenen Schwierigkeiten rechtfertigen. Demnach würde Putnam lediglich die traditionelle These (I) verwerfen, nach welcher psychische Zustände im engen Sinne die Intension bestimmen, nicht aber die zweite, nach welcher die Intension die Extension festlegt. Und Putnams eigentliche Intention von „The Meaning of ‘Meaning’“ bestand ja nicht in der Verwerfung beider Thesen, sondern vielmehr darin, zu zeigen, dass kein Begriff beide Bedingungen gemeinsam erfüllt und daher eine der beiden Thesen aufgegeben werden müsse, nach seiner Überzeugung These (I) (vgl. Putnam 1996b: 46 und 49).

2.3.2 Putnams Replik Betrachten wir abschließend Putnams Reaktion auf Searles Einwände zu „The Meaning of ‘Meaning’“, welche er am Ende seiner Einleitung in den Chronicles zusammenfasst (vgl. Putnam 1996a: xviii–xx). Zunächst nimmt Putnam auf die SprecherInnen Bezug, die laut Searle keinen Unterschied zwischen Ulmen und Buchen festmachen können und daher die Bedeutungen beider Ausdrücke nicht oder nur unvollständig kennen. Dennoch verfügen sie über zwei unterschiedliche Begriffe von „Ulme“ und „Buche“ und sind daher auch in der Lage, zu erkennen, dass es sich bei Ulmen und Buchen um zwei

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verschiedene Baumarten handelt. Als Beispiel dieses nur rudimentären begrifflichen Wissens nennt Putnam nun die Bestimmung „elms are trees that experts upon whom he or she relies refer to by the name ‘elm’“ (Putnam 1996a: xviii), und stellt im Anschluss die Frage, ob ein solches begriffliches Wissen alleine tatsächlich zeigt, dass Bedeutungen im Kopf sind. Das tut es prima facie offensichtlich nicht. Aber selbst wenn wir annehmen, es stütze Searles Behauptung, dann müssen wir voraussetzen, dass die begriffliche Bestimmung von „Ulme“ Teil dessen sein muss, was die Sprecherin meint, wenn sie das Wort verwendet. Denn sonst hätten wir kein Differenzierungskriterium der beiden intentionalen Gehalte mit Bezug auf Ulmen und Buchen. Dieser Punkt hängt mit der bereits angedeuteten Schwierigkeit der bewusstseinsimmanenten Konzeption intentionaler Gehalte zusammen. Aber unabhängig davon ist es verwunderlich, dass Putnam nicht Searles intensionale Bestimmung der Relation einer„Flüssidentität“ aufgreift (vgl. Searle 1983: 204), sondern eine alternative, sehr minimalistische Beschreibung von Ulmen einführt, als Bäume, auf die sich ExpertInnen beziehen, wenn sie das Wort „Ulme“ verwenden. Denn mir scheint, diese Zuschreibung sagt uns lediglich, dass es sich bei Ulmen um Bäume handelt. Der Zusatz, dass ExpertInnen sich darauf beziehen, wenn sie das entsprechende Wort verwenden, sagt hingegen nichts über die Bäume selbst aus. Hier kommt eher zum Ausdruck, dass es sich bei dem Wort „Ulme“ um einen referentiellen Ausdruck handelt, und dass wir unter „Expertinnen“ solche verstehen, die auch das richtige Wort auf die richtige Spezies bzw. das richtige Objekt anwenden können. Die von Putnam gewählte Bestimmung erinnert zudem stark an Russells Auffassung von Personen und ihren Eigennamen, wenn dieser von der intensionalen Bestimmung spricht, Personen würden mit ihren Eigennamen benannt. Im Zusammenhang der bereits diskutierten Aussage, Romulus hätte nicht existiert, bemerkt Russell entsprechend: „You can take, say, all the things that Livy has to say about Romulus, all the properties he ascribes to him, including the only one probably that most of us remember, namely, the fact that he was called ‘Romulus’“ (Russell 1956b: 242). Wenn ich allerdings frage, wer oder was Conchita Wurst sei, und die Antwort erhalte, Conchita Wurst sei die Person, auf die sich SprachteilnehmerInnen (oder ExpertInnen) beziehen, wenn sie den Namen „Conchita Wurst“ verwenden, dann erfahre ich nichts über Conchita Wurst, sondern vielleicht höchstens, dass es sich dabei um eine Person handelt und dass Eigennamen dazu dienen, auf die NamesträgerInnen Bezug zu nehmen. Das heißt, ich lerne hier etwas über die Verwendungsweisen von Eigennamen, nicht aber über die damit angesprochenen Extensionen. Und wenn ich im Extremfall ein Wort aufschnappe, welches ich syntaktisch und semantisch nicht zuordnen kann und auf die Frage was denn Boos seien, die Antwort erhalte, Boos seien das, worauf ExpertInnen Bezug nehmen, wenn sie das Wort „Boos“ verwenden, erfahre ich auch hier bestenfalls,

2.3 „Are Meanings in the Head?“

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dass es sich bei dem Wort um einen referentiellen Ausdruck handelt, aber nichts über Boos selbst. Insofern wählt Putnam in seiner Kritik an Searle von vorneherein bewusst eine intensionale Bestimmung, die nach meinem Verständnis keinen extensionalen Bezug herstellt. So sagen Russells und Putnams Bestimmungen vielmehr etwas über den Worttypus aus als über etwas damit Verbundenes in der Welt außerhalb meines Kopfes. Und daher stellt man auch hier die internalistische Gegenposition nicht angemessen dar, indem man ihr eine Intension unterstellt, welche gar nicht zur Bestimmung der Extension dienen kann. Denn nach Putnam ist die Bestimmung der Extension ja offensichtlich nur ExpertInnen vorbehalten. In Erwiderung zu Searle betont Putnam nun explizit: „[…] in my view, knowing the meaning of ‘elm’ isn’t for the most part a matter of knowing that at all, but of participating successfully in the linguistic division of labour“ (Putnam 1996a: xviii). In der Originalfassung von „The Meaning of ‘Meaning’“ unterstellt er seinen internalistischen GegnerInnen hingegen eine Auffassung über das Wissen der Intension als propositional, die sich keineswegs notwendig aus ihr ableiten lässt: „[…] if I1 and I2 are different intensions and A is a term, then knowing that I1 is the meaning of A is a different psychological state than knowing that I2 is the meaning of A.“ (Putnam 1996b: 8; vgl. auch Putnam 1998: 42) Selbst wenn wir mit Putnam annehmen, es gäbe so etwas wie Searle’sche „intentional contents“, eine Annahme, die im Übrigen auch er für äußerst problematisch hält, können sie nicht gleich den Bedeutungen sprachlicher Ausdrücke einer öffentlichen Sprache sein. Vielmehr haben Bedeutungen gar keinen „gegenständlichen“ Charakter, mit dem die Ausdrücke irgendwie assoziiert sind und die festlegen, wie ein entsprechendes Wort zu gebrauchen ist. Denn dies entspräche ganz der klassischen Auffassung einer Privatsprache, von der es logisch ausgeschlossen sein muss, dass jemand anderer als die Sprecherin selbst diese Sprache versteht. Wittgenstein skizziert eine solche Sprache wie folgt: Wäre aber auch eine Sprache denkbar, in der Einer seine inneren Erlebnisse – seine Gefühle, Stimmungen, etc. – für den eigenen Gebrauch aufschreiben, oder aussprechen könnte? – Können wir denn das in unserer gewöhnlichen Sprache nicht tun? – Aber so meine ich’s nicht. Die Wörter dieser Sprache sollen sich auf das beziehen, wovon nur der Sprechende wissen kann; auf seine unmittelbaren, privaten, Empfindungen. Ein Anderer kann diese Sprache also nicht verstehen. (Wittgenstein 1989a, PU: § 243)

In den Lectures on Similarity liefert uns Wittgenstein in kritischer Weise eine weitere Skizze einer solchen möglichen Privatsprache: Robinson Crusoe invented a language and used it for himself. Imagine that you have a diary in which you write down your experiences: (chart) “What’s all this?” “A private language.” “What does it describe?” “I’m afraid I can’t tell you.” What reason have I to believe that I

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mean by the language what I do (that I mean by the language all that I claim I mean)? If you say, “it is a private language describing experiences”, this has as much meaning to me as the word “experience” has. “Is it pains?” “No.” “Is it religious experiences?” “No.” On Monday, Tuesday and Wednesday he makes different scratches. What is at all similar here to a language? – I wouldn’t know at all whether to say that it is a private language. All I know is that he makes scratches and says that it is a private language. (Munz und Ritter 2017: 96 – 97)

Auf die Frage, wie ich meine Empfindungen überhaupt mit Worten bezeichne, besonders in den Fällen, in welchen ich nur die Empfindung selbst besitze, ohne entsprechende Empfindungsäußerungen, bemerkt er durch den Mund seines Interlokutors: „Und nun assoziiere ich einfach Namen mit den Empfindungen und verwende diese Namen in einer Beschreibung.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 256) So sieht offensichtlich auch Putnam in Searles Konzeption des intentionalen Gehaltes als privates und zugleich bedeutungsstiftendes Objekt die Gefahr des Verlustes einer öffentlichen Sprache, bzw. sieht scheinbar die Verteidigung einer internalistischen Semantik einhergehend mit der Konsequenz einer privaten Sprache (vgl. Putnam 1996a: xx). Allerdings verwendet auch Searle gerade die Tatsache, dass wir in der Lage sind, uns öffentlich gemeinsam sprachlich auf etwas zu beziehen, als eine Art transzendentales Argument für die Annahme eines naiven Realismus (vgl. Searle 2004: 189 – 191). Dabei räumt er zunächst ein, dass wir den oder die Skeptikerin mit Bezug auf die Frage nach der Existenz und Beschaffenheit der äußeren Welt sowie unserem Zugang zu ihr zwar nicht widerlegen können, insofern wir nicht mit Gewissheit sagen können, ob wir den Tisch vor uns tatsächlich wahrnehmen und nicht träumen oder halluzinieren. Wir können jedoch zeigen, dass eine gewisse Form des Diskurses, in welchen auch die Skeptikerin involviert ist, die Wahrheit einer Version des direkten Realismus voraussetzt. „The realism in question has to contain the view that we have at least on some occasions perceptual access to publicly observable phenomena. […] What is crucial is that different people can at least on some occasions perceive the same publicly observable phenomena, chairs, tables, trees, mountains, clouds etc.“ (Searle 2004: 189) Searles Form des transzendentalen Arguments soll dabei zeigen, dass ein bestimmter Satz p wahr ist und die Bedingung der möglichen Wahrheit, dass p, sich begründet durch die Annahme, ein weiterer Satz q sei ebenfalls wahr, in unserem speziellen Fall, dass es eine öffentliche Form der Kommunikation gibt, welche von verschiedenen SprecherInnen und HörerInnen geteilt wird: We assume that people actually communicate with each other in a public language about public objects and states of affairs in the world. We then show that a condition of the possibility of such communication is some form of direct realism. The key to the argument is to see

2.3 „Are Meanings in the Head?“

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that the sense-datum hypothesis has, without explicitly revealing it reduced the publicly available world of material objects to a private world of sense data. (Searle 2004: 190)

Die Annahme, dass wir, zumindest gelegentlich, erfolgreich mit anderen kommunizieren, erklärt sich dabei durch die Art des öffentlichen Diskurses, unter Verwendung öffentlicher Bedeutungen in einer öffentlichen Sprache. Das gilt besonders für Situationen, in welchen wir referentielle oder hinweisende Ausdrücke verwenden, wenn wir etwa sagen „dies dort ist eine Ulme“ oder „dieser Tisch ist aus Holz“. In solchen Situationen gehen wir davon aus, dass die Zuhörerin die Ausdrücke auf die gleiche Weise versteht wie der Sprecher. Das setzt wiederum einen interpersonalen, öffentlichen Zugang zu den jeweiligen Bezugsobjekten voraus. Sonst wären wir auch nicht in der Lage, erfolgreiche Kommunikationssituationen zu erklären. Verstehen impliziert dabei wesentlich, dass wir auch gemeinsam auf dasselbe öffentliche Objekt referieren, wenn ich als Sprecher sage „Dieser Tisch“: A public language presupposes a public world. […] The problem with the sense-datum hypothesis, as with phenomenalism in general, is that it ignores the privacy of the sense data. Once you claim that we do not see publicly available objects but only sense-data, then it looks like solipsism is going to follow rather swiftly. If I can only talk meaningfully about objects that are in principle epistemically available to me, and the only epistemically available objects are private sense data, then there is no way that I can succeed in communicating in a public language, because there is no way that I can share the same object of reference with other speakers. (Searle 2004: 190 – 191)

An dieser Stelle pointiert Searle sehr schön die Schwierigkeit einer SinnesdatenOntologie mit Bezug auf interpersonale Kommunikationssituationen, und beim Lesen der Bemerkungen könnte man geradezu den Eindruck gewinnen, es sei nicht Searle, sondern Putnam, der dort spricht. Daher ist es umso erstaunlicher, dass Putnam in seiner internalistischen Kritik seiner philosophischen GegnerInnenschaft genau dieses Kennzeichen der Privatheit zuschreibt und sie zugleich als die Protagonisten seines Gedankenexperimentes wählt. Damit verbunden ist die Annahme, dass ihre „narrow mental states“ gleichfalls öffentlich seien − eine Bedingung, die er für das Gelingen seines Experimentes voraussetzen muss −, die nach meiner Auffassung mit der These des methodischen Solipsismus jedoch nicht vereinbar ist. Die eigentliche Frage für Putnam ist jedoch nicht, was Bedeutungen eigentlich sind, sondern, was es heißt, die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks zu kennen und wann wir zu Recht sagen können, zwei Ausdrücke hätten dieselbe Bedeutung, das heißt, seien synonym. Die intentionalen Gehalte können jedenfalls nach Putnam nicht die Rolle von Bedeutungen übernehmen, da sie nicht über die Eigenschaften von Bedeutungsgleichheit in einer öffentlichen Sprache verfügen. Dabei verweist

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2 „Innen“ und „Außen“

Putnam auf Wittgensteins berühmte Bemerkung, die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks sei in vielen Fällen sein Gebrauch (vgl. Putnam 1996a: xix). In diesem Sinn könnten wir Bedeutungsgleichheit über die Gebrauchsgleichheit bestimmen. Die nun folgenden Bemerkungen Putnams zur Plausibilierung dieses Punktes sind allerdings wiederum nicht besonders überzeugend und sind uns zum Teil auch schon vertraut aus der Diskussion der Bezeichnungen „Rad“ bzw. „wheel“. Nehmen wir an, das englische Wort „elm“ hätte dieselbe Bedeutung, wie das deutsche Wort „Ulme“, dann können wir nach Putnam die unterschiedliche Aussprache und Schreibweise vernachlässigen. Basierend auf dieser Grundannahme folgt für Putnam, dass es sich bei der Bedeutung des Wortes „elm“ als „the kind of tree that experts upon whom I rely refer to by the name ‘elm’“ und bei der Bedeutung des Wortes „Ulme“ als „the kind of tree that experts upon whom I rely refer to by the name ‘Ulme’“ um ganz unterschiedliche intentionale Gehalte handeln würde. Demnach müssten wir in der Konsequenz behaupten, sie hätten nicht dieselbe Bedeutung: „we would have to say that a word and its translation do not have the same meaning at all“ (Putnam 1996a: xix). Es ist auch hier zunächst überraschend, dass Putnam auf seine neu eingeführte intensionale Bestimmung über die Verwendung sprachlicher Ausdrücke seitens der ExpertInnen Bezug nimmt, deren Schwächen wir bereits angesprochen haben, und nicht wie Searle auf die ursprüngliche Kennzeichnung Laubbaum, welcher im Osten der USA wächst (vgl. Searle 1983: 201). Es wäre zudem recht eigentümlich, wenn sich zwei Muttersprachlerinnen der englischen Sprache unterhielten und eine, die gerade am Nebentisch zufällig ein singuläres Wort, „Ulme“, aufschnappte, auf die Frage, was denn dieser Ausdruck bedeute, von ihrer Begleitung die Antwort erhielte „Ulme is the kind of tree that experts upon whom I rely refer to by the name ‘Ulme’“, und nicht vielmehr „‘Ulme’ is the German word for ‘elm’“. Anders ausgedrückt ist nicht zu sehen, warum jemand, dessen Intension des Wortes „Ulme“ sich beschränkt auf „Ulme is the kind of tree that experts upon whom I rely refer to by the name ‘Ulme’“, über ein begriffliches Wissen des Wortes „Ulme“ verfüge, ersetzen wir etwa „tree“ durch „thing“ und „name“ durch „word“. Weiters ist prima facie nicht einzusehen, warum die Übersetzung eines Ausdrucks in eine andere Sprache zwingend gleichzusetzen sein soll mit der Annahme derselben Bedeutung beider Ausdrücke. Am Radbeispiel haben wir bereits gesehen, dass Sätze, welche das Wort „Rad“ enthalten, anders gebildet werden als solche mit dem Ausdruck „wheel“, was neben semantischen auch syntaktische und pragmatische Gründe hat. Unsere dabei vorgebrachte Kritik lässt sich wohl auf eine große Anzahl sprachlicher Zeichen anwenden, insbesondere in Fällen metaphorischer Verwendungsweisen. Nun könnten wir wohlwollend und im Sinne Kripkes argumentieren „natural kind terms“ funktionierten wie echte Mill’sche Eigennamen (vgl. Bird und Tobin

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2017) und der Fall läge hier etwas anders, da es sich bei den Ausdrücken „Ulme“ und „elm“ schlicht um eine interlinguale Synonymie handelt, die sich durch die streng denotative Rolle von Eigennamen rechtfertigt. Warum Putnam sich allerdings im Kontext seiner Searle-Kritik nicht auf die intralinguale Bedeutungsgleichheit beschränkt, ist unklar. Und wie wir an Freges Beispiel des Wortes „Hund“ bzw. „Köter“ gesehen haben, in Situationen, in denen es nicht primär darum geht, einen Gegenstand aus anderen hervorzuheben, sondern damit verbunden vielmehr bestimmte Einstellungen oder Stimmungen zum Ausdruck zu bringen, können wir auch hier von Bedeutungsaspekten sprechen, die über die rein referentielle Funktion hinausgehen. Das erklärt auch die Tatsache, warum wir für bestimmte Dinge mehrere bedeutungsgleiche Ausdrücke verwenden, denken wir etwa an die zahlreichen Synonyme für das Wort „Geld“. Dazu genügt es nicht, lediglich ein zweisprachiges Wörterbuch zu verwenden, da wir etwa mit „dog“ keine gleichwertige Synonymie zu „Köter“ hätten. Der entsprechende Ausdruck wäre „mutt“. Insofern wäre Putnams Argument wohl nur auf eine sehr begrenzte Auswahl referentiell verwendeter Ausdrücke anwendbar. Putnam geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er behauptet, nach Searle könnten die Ausdrücke „Ulme“ und „elm“ nicht einmal eine ähnliche („similar“) Bedeutung haben, einen Punkt, den er wiederum mit einem seiner eigentümlichen Wort-Switch-Experimente verdeutlichen möchte. For let us suppose that, by some accident, some group of English speakers have switched the words “elm” and “beech.” Let us suppose that in Nova Scotia, as it might be, beeches are called “elms” and elms are called “beeches.” On Searle’s theory, the word “elm” would, in this case, have the same meaning in Massachusetts and in Nova Scotia, notwithstanding the fact that in Nova Scotia “elm” means “beech,” while “elm” in English and “Ulme” in German would have totally different meanings. Our actual practices of individuating the meanings of words would, in fact, be totally ignored by such a theory. (Putnam 1996a: xix)

Wir können allerdings auch hier wieder bekannte Gegenargumente einbringen. Die internalistische Tradition wäre wohl nicht sonderlich beeindruckt von Putnams konstruiertem Szenario, in welchem eine Gruppe von SprecherInnen, etwa aus Ignoranz, einfach einen Wortwechsel vollzöge und damit einen semantischen Fehler beginge, und dass dadurch die These widerlegt werden solle, die Intension bestimme eindeutig die Extension. Im weiteren Kontext des Verweises auf Wittgensteins Bemerkung über das Verhältnis von Bedeutung und Gebrauch sprachlicher Ausdrücke könnte man hier sogar ein Gegenargument Putnams vermuten, dass es nämlich im Zusammenhang seiner Wortswitches nicht der Fall ist, dass der Gebrauch eines Ausdruckes seine Bedeutung bestimmt, da es sich bei der Bedeutung von „elms“ gerade nicht um Ulmen, sondern um Buchen handelt. Allerdings scheint klar, dass die englische Gruppe in der kanadischen Provinz entsprechend

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der anderen Fälle von Wortwechseln die Ausdrücke „elm“ und „Buche“ nicht in Übereinstimmung mit ihren Bedeutungsregeln gebrauchen, sondern davon abweichend und daher fehlerhaft bzw. in anderer Bedeutung. In einer seiner wunderbaren Kurzgeschichten, „Ein Tisch ist ein Tisch“, erzählt der Schweizer Autor Peter Bichsel von einem alten, unauffälligen Mann, der in einer kleinen Stadt am Ende der Straße wohnt, in einer spärlich eingerichteten Wohnung. Nichts ändert sich im Leben des Mannes, die Tage verlaufen stets gleich, auch sein Zimmer ist stets unverändert, die Möbel, seine Mahlzeiten, das Ticken des Weckers: „Immer derselbe Tisch“, sagte der Mann, „dieselben Stühle, das Bett, das Bild. Und zu dem Tisch sage ich Tisch, zu dem Bild sage ich Bild, das Bett heißt Bett, und den Stuhl nennt man Stuhl. Warum denn eigentlich?“ Die Franzosen sagen zu dem Bett „li“ , zu dem Tisch „tabl“, nennen das Bild „tablo“ und den Stuhl „schäs“, und sie verstehen sich. Und die Chinesen verstehen sich auch. „Warum heißt das Bett nicht Bild“, dachte der Mann und lächelte, […]. „Jetzt ändert es sich“, rief er, und er sagte von nun an zu dem Bett „Bild“. (Bichsel und von Roehl 1995: 15)

Im Laufe der Zeit wendet der alte Mann seine Wortwechsel nicht nur auf sein ihn unmittelbar umgebendes Mobiliar und die entsprechenden substantivischen Bezeichnungen an, sondern auch auf andere Wortarten, wie Prädikate. Im Zuge des Lernens der neuen Bezeichnungen vergisst der alte Mann dabei immer mehr die richtigen Wortbezeichnungen. „Er hatte jetzt eine neue Sprache, die ihm ganz allein gehörte. Aber bald fiel ihm auch das Übersetzen schwer, […] und er musste die richtigen Wörter in seinen blauen Heften suchen“ (Bichsel und von Roehl 1995: 18). Zwar amüsierte es ihn, anderen gelegentlich beim Sprechen zuzuhören, da er seine Mitmenschen nicht mehr verstand. Das war jedoch nicht das eigentlich Tragische, denn das zeigte sich darin, dass seine Mitmenschen ihn nicht mehr verstanden: „Und deshalb sagte er nichts mehr. Er schwieg, sprach nur noch mit sich selbst, grüßte nicht einmal mehr.“ (Bichsel und von Roehl 1995: 20) Das wäre eine Form von privater Sprache, wenn auch die philosophisch harmlose, wie sie Wittgenstein wie folgt expliziert: „Ein Mensch kann sich selbst ermutigen, sich selbst befehlen, gehorchen, tadeln, bestrafen, eine Frage vorlegen und auf sie antworten. Man könnte sich also auch Menschen denken, die nur monologisch sprächen. Ihre Tätigkeiten mit Selbstgesprächen begleiteten. – Einem Forscher, der sie beobachtet und ihre Reden belauscht, könnte es gelingen, ihre Sprache in die unsre zu übersetzen.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 243) Wenn der alte Mann daher konsequent seine neuen Bezeichnungen verwendet, wären Außenstehende prinzipiell in der Lage, die Sprache des Mannes in die gewöhnliche Verwendungsform rückzuübersetzen. Dadurch würde sie auch für die Sprachgemeinschaft wieder verständlich. Nun könnten wir uns in Anlehnung an Putnams BewohnerInnen von Nova Scotia auch vorstellen, der alte Mann hätte nicht alleine, sondern in einer größeren

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Sprachgemeinschaft gelebt und mit ihnen gemeinsam jene neue Sprache entwickelt, die ihnen ganz alleine gehörte, auch wenn es sich hier ebenfalls nicht um eine Sprache handelte, die im Prinzip nicht auch von anderen gelernt und verstanden werden könnte. Dennoch zeigt Bichsels Geschichte die Konsequenz eines solchen Wortswitches, wie wir eigentlich auch bei Putnams verschiedenen Beispielen annehmen müssten. Unabhängig davon, ob es sich um eine einzelne Person oder Sprachgruppe handelt, wäre keine Kommunikation nach außen mehr gegeben, sollten die ursprünglichen Bedeutungen für die Gemeinschaft der WortwechslerInnen nicht mehr abrufbar sein. Bis zu diesem Punkt wären hingegen stets Korrekturen durch die außenstehenden KommunikationsteilnehmerInnen oder die Mitglieder der neuen Sprachgemeinschaft, die, anders als Bichsels alter Mann, noch in der Lage sind, die geänderten Bezeichnungen wieder zurückzuübersetzen, möglich, indem sie die entsprechenden Regeln richtig anwenden, so beispielsweise, dass es der Wecker ist, welcher tickt und nicht das Fotoalbum (vgl. Bichsel und von Roehl 1995: 19). Daher können wir Putnams Beispiel eines widerrechtlichen Gebrauchs sprachlicher Ausdrücke nicht als einen Einwand gegen die Auffassung, die Bedeutung eines Ausdruckes sei mit seiner Verwendung verknüpft, verstehen. Gleiches gilt für seine Kritik an Searle, „elm“ bedeute wegen des Wortwechsels das Gleiche in Nova Scotia und Massachusetts. Denn schlicht aufgrund fehlerhafter Anwendungen von Ausdrücken kann ich keine Bedeutungsgleichheit diagnostizieren. Und wenn die fehlerhafte Anwendung irgendwann in den Bereich alternativer Bedeutungen übergeht, dann dient dieses Beispiel Putnams gleich wie Bichsels Erzählung lediglich der Veranschaulichung eines bildlichen Falles von Wortwechseln und den daraus resultierenden drastischen Konsequenzen für die darin involvierten AnwenderInnen mit Bezug auf das sprachliche Verständnis. Darüber hinaus zeigen diese Beispiele sehr anschaulich, dass es nicht die Ausdrücke selbst sind, die referieren, sondern, dass wir SprachteilnehmerInnen es sind, die unter Verwendung referentieller Zeichen auf etwas außerhalb unseres Bewusstseins Bezug nehmen. Betrachten wir abschließend zur „Einleitung“ Putnams Replik auf Searles kritische Einwände zum Twin-Earth-Fall, Putnam zeige nicht, dass Bedeutungen nicht doch im Kopf seien. Auf Searles Einwand, dass wir üblicherweise nicht herumgehen und natürliche Arten taufen, sondern vielmehr beabsichtigen, sprachliche Ausdrücke entsprechend ihrer Bedeutung und Referenz so zu verwenden, wie die Sprachgemeinschaft, in welcher wir eingebettet sind, eingeschlossen der ExpertInnen (vgl. Searle 1999: 208), antwortet Putnam, dass dies wohl nichts anderes hieße, als dass die Sprachgemeinschaft mit dem Wort „Wasser“ etwas ganz Spezifisches meine. Im Anschluss daran führt er wiederum die bereits bekannte intensionale Bestimmung an „stuff that the community at large, including the experts, call ‘water’.“ Putnam unterschätzt hier meines Erachtens die Tatsache, dass der

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Wortgebrauch von referentiellen Ausdrücken natürlich dessen referentielle Funktion, im Sinne ihrer Bezugnahme auf etwas Extramentales, miteinschließt. Dieser Aspekt geht in seiner intensionalen Phrasierung verloren bzw. wird der internalistischen Position offenbar abgesprochen. So bemerkt etwa Wittgenstein: „Und die Bedeutung eines Namens erklärt man manchmal dadurch, daß man auf seinen Träger zeigt.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 43), und man könnte hier ergänzen, „und nicht dadurch, dass man sagt, sie sei das, worauf sich eine Sprachgemeinschaft bezieht, wenn sie den entsprechenden Namen ausspricht“, da uns das, wie wir gesehen haben, vielmehr etwas über die Grammatik von Eigennamen sagt als über ihre jeweilige Bedeutung. Schließlich unterstellt Putnam ganz in Übereinstimmung mit seiner Diskussion der philosophischen Tradition auch Searle die Annahme einer privaten Sprache: „it is clear that Searle is making the assumption that at least some very significant concepts […] are concepts that a speaker could master and possess without relying on the actual nature of any of the objects with which he or she interacts, and without the benefit of a linguistic division of labor. This is a sort of ‘private language assumption’.“ (Putnam 1996a: xx). Als Beispiele solcher Ausdrücke nennt Putnam dabei Begriffe wie „sprechen“, „kommunizieren“ oder „etwas so und so benennen“ (vgl. Putnam 1996a: xx). Searles spezifische Auffassung von Sprache als etwas Öffentliches, das die Bezugnahme auf extramentale Gegenstände erlaubt, haben wir bereits diskutiert. Die Hervorhebung von „could“ zeigt zumindest, dass ein solches Szenario selbst für Putnam nur eine Denkmöglichkeit darstellt. Wie ich allerdings im konkreten Fall behaupten kann, eine Person beherrsche („master“) die Verwendung eines sprachlichen Ausdrucks wie „etwas so-und-so benennen“, ohne dabei die Bezugsobjekte und deren ontologischen Status zu berücksichtigen, ist unklar. Dass es Situationen von Sinnestäuschung oder Halluzination gibt, kann keine Rechtfertigung für Putnams Vorwurf sein. Denn in solchen Ausnahmefällen sprechen wir üblicherweise davon, dass die Person den Gebrauch des Ausdruckes in nicht-veridischen Wahrnehmungsituationen falsch anwendet, da sie solche von echten Wahrnehmungserlebnissen nicht differenzieren kann. Das erklärt auch das Faktum, dass die Sprache über solche Ausdrücke wie „Täuschung“, „Traum“, Halluzination„, „Magie“, „Illusion“ etc. verfügt, um sie begrifflich von normalen perzeptiven Kontexten zu unterscheiden. Und die Sprachgemeinschaft ist in der Regel in der Lage, solche Unterschiede zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren. Wenn wir mit Freges Begleiter spazierengehen und feststellen, dass er die roten Erdbeeren nicht von den sie umgebenden grünen Blättern unterscheiden kann, empfehlen wir ihm wohl, einen Augenarzt aufzusuchen. Wenn er uns hingegen bittet, die weißen Mäuse zu entfernen, gehen wir nicht von einer Sehschwäche aus, sondern von einer neurologischen oder psychischen Dysfunktion, da offensichtlich keine echte Wahrnehmungssituation vorliegt. Selbst wenn wir also

2.3 „Are Meanings in the Head?“

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versuchen, unter Zuhilfenahme solcher Extremfälle eine zur externalistischen Bedeutungstheorie alternative Positon zu verwerfen, dürfen wir dabei nicht übersehen, dass es nicht die erste Person und ihre subjektiven Vorstellungen, Sinnesdaten oder Qualia sein können, die als Argument dienen sollen, eine internalistische Position zu kritisieren. Denn auch wenn das Subjekt nicht in der Lage ist, veridische von nicht-veridischen Situationen zu unterscheiden, gilt das nicht für andere Personen, zumindest nicht für die jeweiligen ExpertInnen, denn diese können die Situation der infrage stehenden Person adäquat diagnostizieren. Die von Putnam beschriebene Sprecherin ohne Bezugnahme auf etwas außerhalb des Kopfes wäre dann eine ähnliche kommunikative Randfigur wie Bichsels alter Mann oder die diversen Wortwechselgemeinschaften (Aluminium/Molybdän, Haussperling/Weidensperling oder Ulmen/Buchen). Wenn Putnam allerdings von „private language assumption“ spricht, meint er offensichtlich gerade nicht solche regelmäßigen, aber prinzipiell korrigierbaren Fehlanwendungen von Begriffen, sondern vielmehr eine weitere Art von privater Sprache, wie wir sie bereits kennen gelernt haben, bei der es logisch ausgeschlossen sein muss, dass jemand anderer als die Sprecherin selbst diese Sprache verstehen kann (vgl. u. a. Wittgenstein 1989a, PU: § 243; Ayer [1954] 1963a; Rhees 1970; Candlish 2014). Dass dieser Vorwurf gegenüber Searle nicht haltbar ist, sollte aus dem bisher Gesagten klargeworden sein. Darüber hinaus gilt wohl auch für alle ExternalistInnen, dass sie sich genau wie die DeskriptivistInnen in Situationen befinden können, in welchen die „actual nature“ von Objekten, einschließlich ihrer chemischen Zusammensetzungen, entsprechenden Ordnungszahlen etc. aufgrund von Situationen potenziellen Träumens oder Halluzinierens nicht mehr reliabel sind. Schließen wir hiermit unsere Diskussion zentraler Punkte in Putnams „Introduction“ ab und widmen uns im letzten Kapitel zu Putnam nochmals dem eigentlichen Zwillingserdenexperiment, um auf grundsätzlicher Ebene Bedenken gegen seine Funktionalität zu thematisieren.

3 Substanz und Erfahrbarkeit. The Twin Earth Experiment 3.1 Vorstellbarkeit und Möglichkeit In diesem Abschlussabschnitt zu Putnam wollen wir noch einige grundsätzliche Fragen aufgreifen, die mit der Plausibilität und Überzeugungskraft des Putnam’schen Experimentes zweier Erden verknüpft sind. Dabei wird zu untersuchen sein, ob sich Putnam philosophischen oder vielmehr faktischen und wissenschaftlichen Einwänden ausgesetzt sehen muss, da seine Gedankenkonstruktion sowohl metaphysische als auch rein empirische Implikationen zu enthalten scheint. Gedankenexperimente in der Philosophie müssen in Abgrenzung zu wissenschaftlichen Experimenten jedoch keinen empirischen Gesetzmäßigkeiten unterworfen sein. Die Grenzen werden hier über die logische Möglichkeit bzw. Widerspruchsfreiheit gezogen. Putnam zieht in diesem Zusammenhang sogar eine weitere Trennlinie zwischen Vorstellbarkeit einerseits und logischer Möglichkeit bzw. Notwendigkeit andererseits, wenn er das Experiment zunächst in „Meaning and Reference“ einführt. Im Fall seiner faktischen Zwillingserdenkonzeption können wir annehmen, dass die Differenzen zwischen Erde und Zwillingserde, hier die chemische Struktur zweier Flüssigkeiten, prinzipiell entdeckbar sind − so jedenfalls verläuft das Beispiel. Putnam räumt allerdings auch die zum faktischen Universum alternative Konzeption einer möglichen Welt in einem möglichen Universum ein. Gäbe es in dieser kontrafaktischen Welt eine Flüssigkeit mit allen Oberflächeneigenschaften von Wasser, jedoch mit einer anderen chemischen Zusammensetzung als H2O, dann könnten wir behaupten, es handle sich dabei nicht um Wasser. Denn ganz in Übereinstimmung mit Kripke war Putnam zu dieser Zeit noch der Auffassung, dass, wenn wir einmal festgestellt haben, Wasser bestünde aus H2O, es ausgeschlossen sein muss, ein anderer Stoff als H2O sei Wasser. Wir könnten dann lediglich sagen, dass in dieser Welt Seen aus XYZ bestehen, XYZ vom Himmel herabregnet, in Flüssen enthalten ist etc. Damit schreiben wir allerdings nichts der Flüssigkeit Wasser zu: Once we have discovered that water (in the actual world) is H2O, nothing counts as a possible world in which water isn’t H2O. On the other hand, we can perfectly well imagine having experiences that would convince us (and that would make it rational to believe that) water isn’t H2O. In that sense it is conceivable that water isn’t H2O. It is conceivable but it isn’t possible! Conceivability is no proof of possibility. (Putnam 1973: 709)

https://doi.org/10.1515/9783111241555-006

3.1 Vorstellbarkeit und Möglichkeit

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Wir können uns demnach zwar vorstellen, Wasser besäße eine andere chemische Zusammensetzung als H2O, logisch ist diese Alternative allerdings ausgeschlossen. Denn die Vorstellbarkeit („conceivability“) bezieht sich auf den Bereich des Möglichen mit Bezug auf unseren gegebenen Wissensstand, ist also epistemischer Natur. Die logische Möglichkeit hingegen bezieht sich auf die Gegebenheiten einer kontrafaktischen Welt und ist demnach ontologischer bzw. metaphysischer Natur. Und nur insofern liefert Vorstellbarkeit keine Garantie für Möglichkeit. Ganz analog gilt, dass unsere menschliche Unfähigkeit, sich etwas vorzustellen, nicht auch zugleich die entsprechende Unmöglichkeit impliziert. In diesem Sinn ist „conceivability“ weder eine notwendige noch hinreichende Bedingung für „possibility“ (vgl. u. a. Bradley und Swartz 1979: ch. 1, insb. 3 – 4; sowie Gendler und Hawthorne 2002, insb. 1 – 70). Die Unterscheidung, auf welche Putnam hier anspielt, ist Kripkes Differenzierung in epistemische Notwendigkeit bzw. Kontingenz und logische bzw. metaphysische Notwendigkeit (vgl. Kripke 1981, insb. Lecture I). Dabei bezeichnet er Sätze, welche in allen möglichen Welten wahr sind, als (metaphysisch) notwendig, was jedoch nicht ausschließt, dass sie aposteriorischer Natur sind, wie im Fall theoretischer Identitätssätze der Form „Wasser = H2O“. Daher können wir auch nach Putnam sagen: „[…] a statement can be (metaphysically) necessary and epistemically contingent. Human intuition has no privileged access to metaphysical necessity“ (Putnam 1973: 709). Interessant an dieser Bemerkung ist für unsere Zwecke Putnams Auffassung, dass er, wie Kripke, die theoretische Identität von Wasser und H2O als metaphysisch notwendig versteht, unabhängig davon, wie uns diese Notwendigkeit erfahrungsgemäß bzw. epistemisch gegeben ist, das heißt, selbst wenn jene Identität unseren Erfahrungen widerspräche und es aufgrund dieser Erfahrungen sogar rational wäre, anzunehmen, Wasser sei nicht H2O. Denn menschliche Intuitionen haben keinen priviligierten Zugang zu metaphysischen Notwendigkeiten. Das ist eine interessante Auffassung, die ein Licht auf das Verhältnis von Erfahrbarkeit und notwendigen Eigenschaften natürlicher Arten zu werfen scheint. In „Is Water Necessarily H2O?“ schwächt Putnam seine Position gegenüber Kripke etwas ab. Er hält zwar noch an der Auffassung fest, es sei vorstellbar, Wasser sei nicht H2O, allerdings nur in dem Sinne, dass wir uns vorstellen können, der Stoff, welcher Wasser hinreichend ähnelt, sei dennoch kein H2O. Die These der logischen oder metaphysischen Notwendigkeit bezüglich der Identität von Wasser und H2O gibt Putnam hingegen auf und somit die Wahrheit der Aussage in allen möglichen Welten. Das hängt wohl auch mit seiner Grundannahme eines faktischen Zwillingsplaneten zusammen, der sich, wie wir bereits gesehen haben, bereisen und prinzipiell wissenschaftlich erschließen lässt, im Gegensatz zu Kripkes Konzeption rein kontrafaktischer Welten. So bemerkt Putnam:

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3 Substanz und Erfahrbarkeit. The Twin Earth Experiment

If we decide that what is not substance-identical with the water in the actual world is not part of the denotation of the term ‘water’, then that will require redescription of some possible situations when our knowledge of the fundamental characteristics of water (the ones relevant to questions of substance-identity) changes. When terms are used rigidly, logical possibility becomes dependent upon empirical facts. But I repeat, no ‘metaphysics’ is presupposed by this beyond what is involved in speaking of ‘physical necessity’. (Putnam 1992: 62)

An anderer Stelle heißt es ganz entsprechend: „What I was trying to do with my ‘minimalist’ (re)interpretation of Kripke was to assimilate his metaphysical intuitions to the linguistic intuitions that other analytic philosophers talk about. This is what I now think cannot be done.“ (Putnam 1992: 64; vgl. auch Cohen 2008: 7) Der entscheidende Punkt ist hier, dass im Fall rigider Designatoren logische Möglichkeit nun in Abhängigkeit steht zu den empirischen Fakten, welche auf unterschiedlichen Planeten unseres Universums Geltung besitzen, und wir so nicht mehr behaupten können, Vorstellbarkeit sei kein Beweis für logische Möglichkeit. Wie wir bereits gesehen haben, ist logische Möglichkeit bzw. Widerspruchsfreiheit alleine nicht hinreichend, weil sie erfüllt und das Experiment dennoch derart konzipiert sein kann, dass jene Denkoption in den eigentlichen Mechanismus der involvierten Vorgänge überhaupt nicht eingreift. Das sollte etwa das leerlaufende Rad der fehlenden kausalen Geschichte von Davidsons Sumpfmann exemplarisch verdeutlichen. Oder aber die Experimente können nicht zeigen, was sie durch ihre Voraussetzungen und Darstellungen zu beanspruchen behaupten. Das Verhältnis zwischen empirischen Fakten und Bedingungen möglicher Welten, welches wir aus „Meaning and Reference“ und späteren Texten kennen, wird daher besonders im Fokus stehen und soll mit alternativen Experimenten genauer veranschaulicht werden. Denn jene Beziehung ist auch wesentlich mit der Frage verknüpft, ob und in welcher Weise uns die inneren Strukturen natürlicher Arten erfahrungsgemäß gegeben sind und welche Konsequenzen sich daraus für das Verständnis und den Gebrauch sprachlicher Ausdrücke ergeben. Betrachten wir zunächst nochmals einige für uns hier relevante Stellen aus Putnams Formulierung des Experimentes, wie er es in „Meaning and Reference“ einführt und fast unverändert in „The Meaning of ‘Meaning’“ übernimmt. Primäres Ziel der Zwillingserdenkonzeption ist dabei die These, psychologische Zustände determinierten die Extension, als falsch auszuweisen (vgl. Putnam 1996b: 9). For the purpose of the following science-fiction examples, we shall suppose that somewhere there is a planet we shall call Twin Earth. Twin Earth is very much like Earth: in fact, people on Twin Earth even speak English. In fact, apart from the differences we shall specify in our science-fiction examples, the reader may suppose that Twin Earth is exactly like Earth. He may even suppose that he has a Doppelgänger – an identical copy – on Twin Earth […]. Although some of the people on Twin Earth […] speak English, there are, not surprisingly, a

3.1 Vorstellbarkeit und Möglichkeit

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few tiny differences between the dialects of English spoken on Twin Earth and standard English. (Putnam 1973: 700 – 701; vgl. auch Putnam 1996a: xvii und Putnam 1996b: 9)

In diesem ersten Abschnitt führt Putnam also zunächst die Idee einer Zwillingserde ein, insofern sie unserer Erde exakt gleicht, bis hin zu der Annahme identischer DoppelgängerInnen der terrestrischen Bevölkerung. Das widerspräche zwar allen empirischen Gegebenheiten, wäre allerdings logisch möglich und auch vorstellbar. Die Unterschiede innerhalb verschiedener englischer Dialekte oder Ideolekte, etwa zwischen britischen, amerikanischen oder kanadischen SprecherInnen, scheint im Fall des Wortes „Wasser“ keine Rolle zu spielen. Im Folgenden stellt uns Putnam die Gemeinsamkeiten und den bekannten Unterschied zwischen den beiden Erden vor, verbunden mit der zusätzlichen Annahme „that XYZ is indistinguishable from water at normal temperatures and pressures“ (Putnam 1973: 701). Dieser Zusatz ist insofern wesentlich, da er auf ganz grundlegender Ebene die Frage nach dem Verhältnis zwischen den chemischen Substanzen oder Tiefenstrukturen einer natürlichen Art und den erfahrungsgemäß gegebenen Oberflächeneigenschaften aufwirft. Denn wir haben es hier mit zwei differenten elementaren Zusammensetzungen zu tun, welche sich entweder überhaupt nicht in den jeweiligen intensionalen Bestimmungen niederschlagen oder aber in ganz gleicher Weise. Denn wenn zwei verschiedene Strukturen S1 und S2 bei Oskar 1 und Oskar 2 zu ununterscheidbaren, das heißt typenidentischen Erfahrungsinhalten führen, denn worauf sollte sich die Ununterscheidbarkeit von Wasser und XYZ bei normalen Temperaturen sonst beziehen, dann wirken sie entweder auf die gleiche Weise oder besitzen gar keine kausale Kraft. Denn selbst Putnam räumt ein, dass die intensionalen Bestimmungen auf die Art und Weise zurückzuführen sind, wie uns extramentale Gegenstände, Arten etc. ursprünglich empirisch gegeben sind, wie etwa Lockes Diskussion des Goldbegriffes gezeigt hat (vgl. Putnam 1996b: 23). Am Ende dieses Kapitels möchte ich mit einer alternativen Experimentskizze zeigen, dass die Annahme, Extensionen hätten überhaupt keine Wirkkraft, eine Behauptung, welche wohl die Ununterscheidbarkeit von Wasser auf der Erde und XYZ auf der Zwillingserde rechtfertigen soll und durch die Bedingung des Zwillingshaften begrifflich notwendig erscheint, zu Denkoptionen einlädt, welche keinen offensichtlichen Bezug mehr zu bedeutungsrelevanten Aspekten zeigen. Wenn wir hingegen zunächst die Auffassung vertreten, die Putnam’schen Extensionen hätten sehr wohl kausale Kraft, dann wird sich zeigen, dass wir nicht mehr sinnvoll behaupten können, es gäbe keine weiteren Unterschiede auf beiden Planeten und unsere beiden Protagonisten Oskar 1 und Oskar 2 seien im selben psychischen (oder physischen) Zustand in allen relevanten Hinsichten.

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3 Substanz und Erfahrbarkeit. The Twin Earth Experiment

Interessanterweise schließt Putnam seine experimentelle Darstellung mit einer eindeutig empirischen Denkoption und den entsprechenden Konsequenzen, die wesentlich mit der Ausgangslage zweier faktischer Planeten verbunden sind: If a space ship from Earth ever visits Twin Earth, then the supposition at first will be that ‘water’ has the same meaning on Earth and on Twin Earth. This supposition will be corrected when it is discovered that ‘water’ on Twin Earth is XYZ, and the Earthian space ship will report somewhat as follows. ‘On Twin Earth the word “water” means XYZ.’ (Putnam 1973: 701)

Entsprechendes gilt für Reisende von der Zwillingserde. Die Annahme zweier Zwillingsplanten erlaubt also interterrestrischen Austausch, verbunden mit der Option, fehlerhafte sprachliche Anwendungen zu korrigieren oder alternative Semantiken zu entdecken. Somit enthält das Experiment nicht nur logisch mögliche, sondern auch empirische Aspekte. Und gerade darin scheint eine wesentliche Schwierigkeit enthalten zu sein, denn zum einen spricht Putnam von einer Ununterscheidbarkeit zwischen H2O und XYZ unter Normalbedingungen, zum anderen ist die chemische Differenz zwischen beiden Flüssigkeiten problemlos wissenschaftlich identifizierbar. Dennoch blieb dieser Unterschied vor seiner Entdeckung durch die Raumschiffbesatzung sowohl für ErdenbewohnerInnen als auch für ihre DoppelgängerInnen völlig unbemerkt, hätte es schon zuvor interterrestrischen Austausch gegeben. Für die Semantik des Wortes „Wasser“ spielt es darüber hinaus keine Rolle, ob die chemische Substanz je herausgefunden wurde, da bereits vor und unabhängig von den Entwicklungen der Naturwissenschaften das Wort „Wasser“ auf der Erde H2O und auf der Zwillingserde XYZ bedeutete. Sie ist somit nur von epistemischer Relevanz. Betrachten wir im Folgenden nun zunächst mögliche empirische Einwände, welche mit der unterschiedlichen elementaren Zusammensetzung beider Flüssigkeiten verbunden sind. Zur besseren Übersichtlichkeit können wir uns dabei der Locke’schen Unterscheidung in primäre, sekundäre und tertiäre Qualitäten bedienen.

3.2 Natürliche Umwelt, innere Struktur und phänomenale Eigenschaften. Lockes Qualitäten Zunächst möchte ich betonen, dass die bisherigen Diskussionen gezeigt haben sollten, dass ich die Locke’sche Differenzierung in unterschiedliche Arten von Qualitäten nicht befürworte. Allerdings liefert sie uns hier den passenden Gliederungspunkt für eine Kritik an Putnams Verständnis über den Zusammenhang

3.2 Umwelt, innere Struktur und phänomenale Eigenschaften. Lockes Qualitäten

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zwischen inneren Strukturen und intensionalen Bestimmungen, da in ihrem Zentrum die uns hier interessierende Frage steht, ob und inwieweit die inneren Strukturen von Gegenständen oder Arten kausale Wirkkraft sowohl auf andere materielle Gegenstände als auch auf uns wahrnehmende Subjekte haben können. In dieser Hinsicht unterscheiden sich naiv-realistische Auffassungen nicht von kritisch-realistischen. Auf die, allgemein gesprochen, mit einer repräsentationalen Wahrnehmungstheorie verbundenen Schwierigkeiten wurde bereits mehrfach hingewiesen. Da allerdings auch Putnam in seinem Twin-Earth-Experiment ein solches kausales Perzeptionsmodell zugrunde legt, damit seine Internalismuskritik greifen kann, ist unsere Diskussion wiederum innerhalb dieses Schemas angesiedelt. So bemerkt Putnam etwa im Abschnitt über „Other Senses“: Normally the “important” properties of liquid or solid, etc., are the ones that are structurally important: the ones that specify what the liquid or solid, etc., is ultimately made out of – elementary particles, or hydrogen or oxygen, or earth, air, fire, water, or whatever – and how they are arranged or combined to produce the superficial characteristics (Putnam 1996b: 23).

Das klingt frappierend nach einer Formulierung Lockes. Auf die Problematik der Abgrenzung zwischen primären und sekundären Qualitäten hat bereits Berkeley in seinen Principles hingewiesen und daher ganz im Sinne seines Immaterialismus auch die primären Qualitäten der Seite des Bewusstseins zugeschlagen. Berkeley skizziert zunächst Lockes naiv-realistische Auffassung bezüglich der primären Qualitäten in Abgrenzung seiner kritisch-realistischen Position mit Bezug auf die sekundären Qualitäten. Bei diesen handelt es sich im Gegensatz zu den primären Qualitäten nicht um Abbilder von etwas außerhalb unseres Bewusstseins und davon unabhängig Existierendem. Ideen jener primären Eigenschaften hingegen sind Bilder oder Kopien von Qualitäten, die extramental in materiellen Substanzen bestehen. Dieser Punkt wird besonders an Lockes Beispiel des Manna deutlich, dessen Rundheit er dem Brot selbst zuschlägt, nicht jedoch seine weiße Farbe (vgl. hierzu Locke 2011: II, viii). Berkeley bemerkt: They who assert that figure, motion, and the rest of the primary or original qualities do exist without the mind in unthinking substances, do at the same time acknowledge that colours, sounds, heat, cold, and suchlike secondary qualities, do not – which they tell us are sensations existing in the mind alone, that depend on and are occasioned by the different size, texture, and motion of the minute particles of matter. This they take for an undoubted truth, which they can demonstrate beyond all exception. Now, if it be certain that those original qualities are inseparably united with the other sensible qualities, and not, even in thought, capable of being abstracted from them, it plainly follows that they exist only in the mind. (Berkeley 1999: Sec. 9, 27– 28)

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Aus dieser Unmöglichkeit der Abtrennung von Qualitäten wie etwa Gestalt und Farbe, – denn wie sollen wir uns eine bestimmte Gestalt eines Dinges ohne entsprechende Farbe vorstellen – folgt für Berkeley daher: „[…] extension, figure, and motion, abstracted from all other qualities, are inconceivable. Where therefore the other sensible qualities are, there must these be also, to wit, in the mind and nowhere else“ (Berkeley 1999: 27). Berkeleys Argumentation ist dabei durchaus nachvollziehbar, unabhängig von der immaterialistischen Konsequenz, die er daraus zieht. Denn wenn wir etwa behaupten, Farben seien keine echten Eigenschaften der Gegenstände, stellt sich tatsächlich die Frage, warum diese Subjektabhängigkeit nicht auch im Fall von Gestalt und Größe gegeben sein sollte, erscheint uns doch zum Beispiel eine Münze von verschiedenen Seiten betrachtet einmal als oval, ein anderes Mal als rund, die Gestalt eines Tisches von oben betrachtet als rechteckig, aus der Fluchtpunktperspektive allerdings als trapezförmig, oder ein achteckiges Stopschild aus größerer Entfernung als rund (vgl. hierzu auch Russell 1980: ch. 1). Um mit einer weiteren Bemerkung Berkeleys diesen Punkt zu schließen: In short, let any one consider those arguments which are thought manifestly to prove that colours and taste exist only in the mind, and he shall find they may with equal force be brought to prove the same thing of extension, figure, and motion. Though it must be confessed this method of arguing does not so much prove that there is no extension or colour in an outward object, as that we do not know by sense which is the true extension or colour of the object. (Berkeley 1999: Sec. 15, 30)

Insofern führt uns auch Berkeleys Kritik an Lockes Qualitäten nicht zwingend zu einer immaterialistischen Auffassung. Denn natürlich können wir auch den diametral entgegengesetzten Pfad einschlagen und die sekundären gleich den primären Eigenschaften dem Gegenstand selbst zuschreiben. Dann dürfen wir auch die sekundären und tertiären Qualtäten nicht mehr rein als Wirkungen basierend auf den Kräften der primären Qualitäten verstehen, sondern als ihnen gleichwertig und den extramentalen Gegenständen zugehörig. Das verpflichtet uns natürlich nicht, sämtliche Wirkungen extramentaler Gegenstände auf andere Gegenstände oder Lebenwesen ausschließlich ersteren zu prädizieren. So ist etwa die Tatsache, dass der übermäßige Konsum von Brot in uns Übelkeit bis hin zu Schmerzen verursachen kann, kein Grund, diese Übelkeit bzw. den Schmerz dem Brot selbst zuzuschreiben, ein Beispiel, welches Locke verwendet, um sein Argument zu plausibilisieren, sekundäre (bzw. tertiäre) Qualitäten seien ausschießlich als Wirkungen des Zusammenspiels primärer Qualitäten zu verstehen (vgl. Locke 2011: II, viii, 18; 138). Wenn wir den Begriff der Qualitäten bzw. Kräfte vom Konzept der Wirkung semantisch abkoppeln, können wir problemlos über die Effekte sprechen, welche extramentale Gegenstände und ihre Eigenschaften in uns verursachen. Dass jene

3.2 Umwelt, innere Struktur und phänomenale Eigenschaften. Lockes Qualitäten

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oben beschriebene Auffassung der Qualitätsvereinheitlichung ganz den hier vorgelegten Untersuchungen entspricht, sollten die Diskussion über strukturelle Eigenschaften und Oberflächeneigenschaften sowie die Problematik enger psychischer Zustände gezeigt haben. Für die Frage des Verhältnisses zwischen inneren Strukturen und erfahrbaren Oberflächeneigenschaften ist die Locke’sche Distinktion der unterschiedlichen Objekt-Subjekt-Zuordnung von Qualitäten allerdings von großem Nutzen. Die Unterscheidung in primäre, sekundäre und tertiäre Qualitäten führt Locke in Buch II, viii seines Essays ein. Dabei grenzt er zunächst das Konzept der „idea“ von dem der „quality“ ab. Bei Ideen handelt es sich um alles, was der Geist in sich selbst wahrnimmt, bzw. was unmittelbar Objekt der Wahrnehmung oder des Verstandes ist. Die Kraft, solche Ideen in unserem Bewusstsein zu erzeugen, nennt Locke die Qualität eines Gegenstandes, der über diese Kräfte verfügt (vgl. Locke 2011: II, viii, 7). Der Bereich der Locke’schen Ideen scheint in dieser Hinsicht die Bedingungen der Putnam’schen „narrow mental states“ zu erfüllen; die primären Qualitäten sind hingegen Eigenschaften der Gegenstände selbst. In Anlehnung an Newtons Bestimmung von Materiepartikeln (vgl. Ayer 1977: 85) umfassen sie Festigkeit, Ausdehnung, Gestalt, Beweglichkeit und Anzahl. Da X, Y, Z und alle anderen Elemente der komplizierten chemischen Struktur sowie H2O die elementaren Bestandteile der beiden Flüssigkeiten auf der Erde und Zwillingserde bilden, dürfen wir sie im Sinne Lockes offensichtlich unmittelbar den extramentalen Gegenständen zuschreiben. Tatsächlich führt Locke selbst, wie bereits gesehen, das Beispiel von Wasser in diesem Kontext ein: […] we may conceive, that the ideas of Secondary Qualities are also produced, viz. by the operation of insensible particles on our Senses. For it being manifest, that there are Bodies, and good store of Bodies each whereof is so small that we cannot, by any of our Senses, discover either their bulk, figure, or motion, as is evident in the Particles of Air and Water, and other extremely smaller than those […]. (Locke 2011: II, viii, 13; 136)

Wir befinden uns hier also noch in einer Zeit, in welcher die inneren Strukturen von Wasser unerforscht waren. Durch die differente chemische Struktur in Putnams Gedankenexperiment dürfen wir zudem davon ausgehen, dass H2O und XYZ über unterschiedliche primäre Qualitäten verfügen, weil sonst beide Flüssigkeiten ununterscheidbar wären. Diese Option ist alleine durch die lange chemische Struktur der Zwillingserdenflüssigkeit und den damit verbundenen Dichtegrad ausgeschlossen. So fragt Hacker völlig zu Recht: „If […] ‘XYZ’ merely abbreviates a ‘long and complicated formula’ […], how is it possible, comatibly with established chemical theory, that it have the same overt properties (freezing and boiling points, weights, etc.) as H2O?“ (Hacker 1996: 329). Denn Putnam bestimmt die Flüssigkeit der Zwillingserde als „[…] a dif-

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ferent liquid whose chemical formula is very long and complicated.“ (Putnam 1973: 701; vgl. auch Putnam 1996b: 9). Zur Vereinfachung handelt es sich bei der Kombination von X, Y und Z lediglich um eine Abkürzung. Die Frage ist nun, ob und in welcher Weise sich die unterschiedliche Zusammensetzung beider Flüssigkeiten auf uns und unsere Bewusstseinsinhalte auswirken. Für Locke scheint die Antwort darauf klar: „Let us suppose at present, that the different Motions and Figures, Bulk, and Number of such Particles, affecting the several Organs of our Senses, produce in us those different Sensations, which we have of the Colours and Smells of Bodies […]“ (Locke 2011: II, viii, 13; 136). Das gälte auch für die sekundären Qualitäten der Transparenz, der Geschmacklosigkeit oder Geruchlosigkeit von Wasser. Wenn wir mit Putnam an der Behauptung gleicher mentaler Zustände festhalten wollen, haben wir somit nur die Wahl, anzunehmen, die unterschiedlichen Substanzen führten zu gleichen Bewusstseinszuständen bei Oskar 1 und Oskar 2, oder aber seien ohne jegliche kausale Kraft. Fest steht jedenfalls, dass beide Flüssigkeiten, so das Experiment, bei Normalbedingungen ununterscheidbar sind. Die Wirkungen primärer Qualitäten von Gegenständen beziehen sich allerdings nicht nur auf das menschliche Bewusstsein, sondern auch auf die primären Qualitäten anderer Gegenstände und Stoffe, auf welche sie treffen. Das erklärt Lockes Differenzierung in sekundäre und tertiäre Qualitäten bzw. Kräfte. Die Qualitäten, welche in den Objekten selbst aufgrund ihrer primären Qualtäten nur Kräfte darstellen, welche in uns verschiedene Perzeptionen erzeugen, nennt Locke „secondary qualities“. Die dritte Gruppe von Qualitäten, die eigentlich nur Kräfte auf Grund der primären Qualitäten von Gegenständen sind, verfügen auch über die Potenz, primäre Qualitäten in anderen Objekten, unabhängig von wahrnehmenden Subjekten, zu variieren. So wirkt Feuer ebenso auf die Festigkeit von Wachs wie auf unsere Haut in Form von Wärme oder Verbrennungen. In Abgrenzung zu den sekundären Qualitäten sind die primären Qualitäten, welche über die Potenz zu solchen Veränderungen verfügen, im Feuer selbst real enthalten, vollständig unabhängig von irgendwelchen menschlichen Perzeptionen. Empfindungen wie Wärme, Licht, Kälte oder Farbwahrnehmungen weist Locke hingegen eindeutig dem menschlichen Bewusstsein zu. So erklärt sich das Phänomen der Körperwärme durch eine bestimmte Art und ein gewisses Ausmaß an Bewegung der menschlichen Nerven (vgl. Locke 2011: II, viii, 21; 139). Diese Auffassung erinnert auf erstaunliche Weise an zentrale Auffassungen Putnams und vor allem Kripkes, insbesondere in seiner Diskussion theoretischer Identitätssätze wie der Gleichheit von Wärme und molekularer Bewegung, der wir uns im dritten Kapitel widmen werden. Halten wir mit Locke zunächst zusammenfassend fest: „The Qualities that are in Bodies rightly considered, are of Three sorts: First, the Bulk, Figure, Number,

3.2 Umwelt, innere Struktur und phänomenale Eigenschaften. Lockes Qualitäten

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Situation, and Motion or Rest of their solid Parts; those are in them, whether we perceive them or no; and when they are of that size, that we can discover them, we have by these an Idea of the thing as it is in itself […]“ (Locke 2011: II, viii, 23; 140). Das zeigt sich insbesondere an künstlich erzeugten Gegenständen, wie beispielsweise Uhren. In solchen Fällen können wir ihre Zugehörigkeit einzig auf Grundlage der Anordnung ihrer wahrnehmbaren Teile identifizieren und wiedererkennen, ohne die Kenntnis ihrer submikroskopischen Strukturen. „Secondly, The Power that is in any Body, by Reason of its insensible primary Qualities, to operate after a peculiar manner on any of our Senses, and thereby produce in us the different Ideas of several Colours, Sounds, Smells, Tastes etc. These are usually called sensible qualities“ (Locke 2011: II, viii, 23; 140). In dieser Bestimmung sekundärer Qualitäten kommt klar ihr Status als Wirkungen des Zusammenspiels der zugrundeliegenden primären Qualitäten entsprechender Außenweltgegenstände, Stoffe etc. zum Ausdruck. Allerdings ziehen Putnams Gedankenexperimente diese unmittelbare Wirkkraft der Gegenstände (und ihrer primären Eigenschaften) auf das menschliche Bewusstsein hinsichtlich ihrer elementaren Zusammensetzung offensichtlich nicht unmittelbar in Betracht. So verweist auch William Fish auf Putnam’s „Meaning of ‘Meaning’“ im Kontext des „same immediate cause – same effect“ Prinzips, als Einwand gegen den Disjunktivismus: „Putnam (1975) suggests that what makes my thoughts about water is not a feature of their immediate causes, but their distal causes. So there are reasons why we might dispute the ‘same immediate cause – same effect’ principle when the effects in question are taken to be experiences.“ (Fish k.D.; zur Position des Disjunctivism vgl. auch Byrne und Logue 2009; sowie Fish und Willaschek 2016) Auch Clarke und Chalmers bemerken im Kontext von Putnams externen Faktoren ganz entsprechend und völlig zu Recht: When I believe that water is wet and my twin believes that twin water is wet, the external features responsible for the difference in our beliefs are distal and historical, at the other end of a lengthy causal chain. Features of the present are not relevant. If I happened to be surrounded by XYZ right now […] my beliefs still concern standard water, because of my history. In these cases, the external features are passive. Because of their distal nature they play no role in driving the cognitive process in the here-and-now. This is reflected by the fact that the actions performed by me and my twin are physically indistinguishable, despite our external differences. (Clarke und Chalmers 1998: 9)

Die „historical and distal beliefs“ erinnern dabei frappierend an Davidsons Sumpfmannexperiment, in welchem sich allerdings gezeigt hat, dass die kausale Geschichte alleine keinen erkennbaren Unterschied zwischen Davidson und seinem physischen Doppelgänger erzeugt. Darüber hinaus scheint eine solche Auffassung die Diskussion Intension versus Extension gar nicht unmittelbar zu tangieren, bzw.

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ließe sie sich auch außerhalb dieses Kontextes vertreten, wie Davidsons Beispiel zeigt. Und die Tatsache, dass sich die Handlungen von Oskar 1 und 2 nicht unterscheiden, zeigt, dass extramentale Bezugsobjekte offenbar keine kausale Rolle spielen für gegenwärtig gegebene kognitive Zustände. In diesem Sinne gilt: „the external features are passive.“ (Clarke und Chalmers 1998: 9) Wir werden auf diesen Punkt nochmals zurückkommen (vgl. Abschnitt 4 dieses Kapitels). Über die dritten Qualitäten schließlich bemerkt Locke in Einklang mit dem bisher Gesagten: „Thirdly, The Power that is in any body, by Reason of the particular Constitution of its primary Qualities, to make such a change in the Bulk, Figure, Texture, and Motion of another Body, as to make it operate on our Senses, differently from what it did before“. (Locke 2011: II, viii, 23; 140) Widmen wir uns zunächst möglichen Einwänden gegenüber Putnams Zwillingserde mit Bezug auf primäre Eigenschaften von Wasser und ihrem Wirken auf andere rein materielle Körper, oder anders ausgedrückt den tertiären Kräften von Wasser. Über Putnams Zwillingserde wissen wir tatsächlich sehr wenig, außer den Kennzeichnungen, dass sie von der Erde ununterscheidbar ist mit kleinen Abweichungen in den Ideolekten der jeweiligen ErdenbewoherInnen und der differenten Struktur jener Flüssigkeit, die sich in Seen und Bächen befindet, herabregnet etc. Behaupten wir mit Locke, dass Wasser aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung die primären Qualitäten anderer Stoffe oder materieller Gegenstände verändern kann, trifft das auf Putnams Zwillingserdenflüssigkeit offensichtlich nicht zu, bzw. darf aufgrund der Ununterscheidbarkeitsbestimmung nicht zutreffen. Diese Bedingung des Putnam’schen Experimentes ist jedoch schlicht falsch. Denn nehmen wir etwa an, auf der Erde und der Zwillingserde bräche ein flächenmäßiger Großbrand aus, wie er aufgrund der klimatischen Erwärmungen und anderen Veränderungen regelmäßig in heißen und trockenen Regionen dieses Erdballs zu beobachten ist. Laut wissenschaftlicher Erkenntnisse benötigt Feuer für den Vorgang des Brennens einen brennbaren Stoff, darüber hinaus Hitze, zum Beispiel in Form eines Streichholzes, sowie Sauerstoff, welcher über die Luft geliefert wird. Zur Löschung von Bränden bietet sich Wasser besonders an, denn durch seine kühle Beschaffenheit entzieht es dem Feuer Wärme und der dadurch entstehende Wasserdampf verdrängt zusätzlich die das Feuer umgebende Luft. Durch die Abnahme von Wärme und die Verknappung von Sauerstoff tritt dann der Löscheffekt ein und somit eine Veränderung der primären Qualitäten des entsprechenden Feuers. Andere Flüssigkeiten, welche nicht über die entsprechenden Bestandteile verfügen, können sogar gegenteilige Wirkungen erzeugen, denken wir etwa an die Beigabe von Erdöl. Im Fall von XYZ können wir wohl davon ausgehen, dass es keine entsprechende Wasserstoff- und Sauerstoffverbindung enthält, was somit zur Folge haben muss,

3.2 Umwelt, innere Struktur und phänomenale Eigenschaften. Lockes Qualitäten

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dass es aufgrund seiner verschiedenen primären Qualitäten nicht dieselben Wirkkräfte hat bzw. haben kann wie H2O. Insofern müssten wir auf Grundlage unserer derzeitigen chemischen Erkenntnisse davon ausgehen, dass XYZ nicht verwendet werden kann, um Feuer auf der Zwillingserde zu bekämpfen. Das hätte sich im Laufe der Geschichte auch feststellen lassen, somit auch Konsequenzen für die intensionalen Bestimmungen von XYZ gehabt und in Folge für die psychischen Zustände von Oskar 1 und Oskar 2. Ob die Flüssigkeit sich Feuer gegenüber neutral verhält oder sogar unterstützend wirkt, ist aus dem Beispiel nicht herauszulesen, da uns die vollständige chemische Struktur darin nicht gegeben ist. Jedoch alleine das Faktum der differenten elementaren Zusammensetzung beider Flüssigkeiten verletzt bereits das Kriterium der Ununterscheidbarkeit beider Stoffe hinsichtlich ihrer Wirkung. Und solche Arten von Gegenexperimenten bezüglich tertiärer Kräfte ließen sich um ein Vielfaches erweitern. Nehmen wir etwa an, auf einem Teil der Erde, und entsprechend der Zwillingserde, tritt eine große Dürre auf, die zur Vertrocknung und Verwüstung (und somit Veränderung der primären Qualitäten) großflächiger bewachsener Gebiete führt. Unter Zuhilfenahme von H2O kann der Verlust der Vegetation gestoppt oder zumindest gelindert werden. Auch diese Option ist auf der Zwillingserde durch die differente chemische Zusammensetzung offensichtlich nicht gegeben. Gleiches gilt für das Betreiben einer Gartenanlage oder nur für das Wässern frischer Schnittblumen. Es wäre daher denkbar, dass die Erde mit ihren Wasservorräten auf der Zwillingserde aushilft, indem per Raumschiff große Mengen H2O nach ZE exportiert werden, was dort nach der Anwendung zu einer Vermischung von H2O und XYZ führen könnte und infolge zu einer dritten chemischen Zusammensetzung. Hätte das Wort „Wasser“ dann drei verschiedene Bedeutungen? Oder bedürfte es vielmehr stets einer chemischen Analyse, um sicherzustellen, dass Personen, die sich über Wasser unterhalten, keinen bedeutungslosen Ausdruck verwenden? Darüber hinaus hat die unterschiedliche Struktur natürlich auch Auswirkungen auf Stoffe, Gegenstände etc., welche partiell aus Wasser bestehen. Müssen wir etwa davon ausgehen, dass durch XYZ das Reinheitsgebot für Bier verletzt wird? Wie verhält es sich auf der Zwillingserde mit chemischen Korrosionen von Metallen, etwa der Oxidation von Eisen? Etc., etc. So bemerkt Searle sehr zutreffend: „If we take it really seriously, indeed, it looks as if their chemistry is going to be radically different.“ (Searle 1983: 203). Und Peter Hacker fragt zu Recht: „What are the properties of pure X (Y and Z), which are such that Twin Earth is overtly indistinguishable from Earth?“ (Hacker 1996: 329). Wir können also zunächst festhalten, dass Putnam keine umweltbedingten, sozialen oder anderen externen Faktoren oder Bereiche diskutiert, die aufgrund seiner gewählten Ausgangsbedingungen und Variationen einzelner Komponenten ceteris paribus unmittelbar oder mittelbar betroffen sind. Das ist um so erstaunli-

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3 Substanz und Erfahrbarkeit. The Twin Earth Experiment

cher, wenn es um die Frage der Semantik sprachlicher Ausdrücke geht, welche in ein bestimmtes lebensweltlich-ökologisches System eingebettet sind. Und Putnam selbst weist an zahlreichen Stellen auf die sozialen, umweltbedingten Komponenten hin, wenn er etwa das begriffliche Wissen als ein „knowing-how“ bestimmt, welches sich in der Rolle manifestiert, die wir in einem vernetzten System sozialer Kooperationen einnehmen oder aber postuliert, die Bestimmung des Bedeutungsbegriffs hinge auch von der Rolle der Umwelt ab (vgl. Putnam 1996a: xvi). Darüber hinaus stellt auch Searle völlig zu Recht fest, dass Putnam offensichtlich nur H2O für die Konstante hält und Wasser für die problematische Variable, denn, so Searle: „We could equally well imagine cases where H2O is slightly different on Twin Earth from what it is on Earth“ (Searle 1983: 203). So ließen sich auch Experimente formulieren, die genau diese, Putnam diametral entgegenstehende These veranschaulichen können. Nehmen wir etwa an, die Flüssigkeit, welche auf der Erde herabregnet, in Bächen und Flüssen enthalten ist, hätte auf einer schlammigen, matschigen Zwillingserde namens „Schlerde“ die gleiche chemische Zusammensetzung H2O. Hinsichtlich ihrer Oberflächeneigenschaften gäbe es hingegen gravierende Unterschiede. H2O auf der Schlerde wäre eine dickflüssige Masse mit brauner Farbe, übelriechend und ungenießbar. Unabhängig von diesen Differenzen in den Oberflächeneigenschaften wären beide Planeten ununterscheidbar. Nehmen wir entsprechend des Putnam’schen Experimentes weiter an, eine Raumschiffbesatzung der Erde statte der Schlerde einen Besuch ab. Aufgrund heißer Temperaturen plant sie zunächst eine Abkühlung im Zwillingswörthersee, welcher sich ihnen als eine schlammige, braune, stinkende Masse darbietet. Angewidert von diesem Anblick suchen sie ein Restaurant auf und bestellen ein Glas Wasser, um ihren Durst zu stillen, einige nutzen das WC. Erschreckt von der Beschaffenheit des „SchlerdeWassers“ treten sie umgehend die Heimreise an, entnehmen jedoch zuvor einige Proben der ihnen fremd erscheinenden Flüssigkeit. Dabei stellt sich heraus, dass sie aus H2O besteht. Was nun würde die Crew nach ihrer Rückkehr auf die Erde berichten? „Wasser“ bedeute dort das gleiche wie hier und hätte lediglich eine andere Konsistenz und Farbe, einen üblen Geruch und Geschmack etc.? Oder würden sie nicht eher berichten, der Stoff, welcher dort in Seen und Flüssen enthalten sei, bei Schauern vom Himmel fiele oder aus den Leitungen käme, sei kein Wasser, sondern stattdessen ein zähflüssiger, übelriechender Schlamm? Und wären die „Wasser“Vorräte auf beiden Erden dieselben? Wie sähe der Seentourismus in Zwillingskärtnen und anderen Orten aus? Wäre ein solcher auf SE tatsächlich von E nicht zu unterscheiden? Gäbe es dort Ausdrücke wie „Badevergnügen“, „Sommerregen“ oder „Wasserspiele“, und wäre „Wasser“ dort auch nass? Wie schützen sich SchlerdebewohnerInnen vor den braunen, schlammigen, stinkenden Schauern? Wie gestalten sich Körperhygiene und Zahnreinigung? Welches Getränk serviert

3.3 Saphire, Mais und die X-Allergie

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man dort in Kaffeehäusern zum Kaffee? Diese und ähnliche Aspekte ließen sich beliebig erweitern und werfen die generelle Frage auf, ob die gesamte Lebenswelt eingeschlossen der natürlichen Umwelt auf der Schlerde auf Grund jener Oberflächendifferenzen nicht völlig verschieden wäre und sich das gleichermaßen im Gebrauch sprachlicher Ausdrücke widerspiegeln sollte. Oder denken wir an nichtreferentielle oder metaphorische Verwendungen des Wortes: Läuft den SchlerdebewohnerInnen auch gelegentlich das Wasser im Munde zusammen? Kochen auch sie nur mit Wasser? Sind manche mit allen Wassern gewaschen und andere nah am Wasser gebaut? Auch hier ist die Liste beliebig erweiterbar. Nehmen wir darüber hinaus an, es handle sich nicht um eine Zwillingserde, sondern um eine mögliche Welt, in welcher aufgrund einer Umweltkatastrophe über Nacht alle Wasserbestände ihre Transparenz, Geschmack- und Geruchslosigkeit verlören und nun nur noch über oben genannte schlammartige Oberflächeneigenschaften verfügten? Würden die SprachteilnehmerInnen dennoch weiterhin an der Bedeutung von „Wasser“ als H2O festhalten? Nehmen wir im Gegenzug an, WissenschaftlerInnen hätten aufgrund starker klimatischer Schwankungen und Umweltschädigungen festgestellt, dass Seen, Regenfälle, Trinkwasser etc. nicht mehr aus reinem H2O bestünden. Hieße das, es gäbe fortan auf diesem Planeten kein Wasser mehr? Wäre das die Schlagzeile der Abendausgabe? Oder wäre es nicht naheliegender anzunehmen, die ExpertInnen verkündeten nach Entdeckung dieser chemischen Veränderung in den Hauptabendnachrichten, massive klimatische Veränderungen hätten dazu geführt, dass Wasser nun nicht mehr ausschließlich aus H2O bestünde und man daher mögliche Wirkungen der veränderten Mikrostruktur von Wasser untersuchen müsse? Vielleicht rieten sie auch, zunächst kein Trinkwasser zu konsumieren etc. Insofern ist nicht zu erkennen, warum wir der chemischen Struktur von Wasser im Kontext der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke mehr Gewicht schenken sollten als den Eigenschaften, welche wir erfahren und in unserem Sinne nutzen. Das Festhalten an der inneren Struktur wird in Kripkes Naming and Necessity sogar noch verschärft, spielen doch für ihn die intensionalen Bestimmungen für die Fixierung der Bedeutung gar keine Rolle. Diesen Punkt wird Kripkes Experiment des blauen Goldes exemplarisch verdeutlichen (siehe Kapitel III.3).

3.3 Saphire, Mais und die X-Allergie Im Zusammenhang mit der Bevorzugung innerer Strukturen lassen sich zwei weitere Schwierigkeiten diagnostizieren, die sich aus der Auffassung ergeben, die

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3 Substanz und Erfahrbarkeit. The Twin Earth Experiment

Extension bzw. genauer die innere Struktur sei wesentlich bedeutungsrelevant und die Bezeichnungen essentieller Eigenschaften streng designativ. Putnam liefert uns dafür ein Beispiel aus dem Bereich der Mineralien. So ist es offenbar den BewohnerInnen Chinas nicht aufgefallen, dass das Wort „Jade“ tatsächlich für zwei Mineralien steht, Jadeit und Nephrit, die sich wesentlich hinsichtlich ihrer chemischen Struktur unterscheiden. Ersteres besteht aus Aluminium und Natrium, letzteres hingegen aus Kalzium, Magnesium und Eisen. Die völlig differenten Mikrostrukturen erzeugen dennoch gleiche charakteristische Materialeigenschaften (vgl. Putnam 1996b: 25). Nun lassen sich jedoch auch Gegenbeispiele anführen, die zeigen, dass ich mit der chemischen Komposition alleine nicht erklären kann, wie es zu unterschiedlichen Bezeichnungsweisen trotz identischer innerer Strukturen kommt: Saphire bilden gemeinsam mit Rubinen die Gruppe des Minerals Korund und sind nach den Diamanten das zweithärteste Mineral. Chemisch betrachtet handelt es sich beim Saphir um kristallisierte Tonerde, welche unterschiedliche farbgebende Spurenelemente enthält, so beispielsweise Eisen, Vanadium, Nickel, Kobalt, Chrom oder Titan. Die chemische Zusammensetzung lautet AI2O3. Weiters besitzt der Saphir eine hexagonale Kristallstruktur, eine Dichte von 4 g/cm3 und einen Schmelzpunkt von 2050 Grad Celsius. Bei einer leichten Hitzebehandlung bleiben die mikroskopischen Strukturen unverändert, bei starker Erhitzung (etwa bei ca. 1800 °C) lösen sich die natürlichen Mikroeinschlüsse hingegen auf und der Saphir wird dadurch klar.⁴ Im Unterschied zum natürlichen Saphir sprechen wir jedoch auch von sogenannten „synthetischen Saphiren“ bzw. „Saphirglas“ oder „Saphirfluss“. Die Bezeichnung „Saphirglas“ ist insofern irreführend, als dass es sich tatsächlich nicht um Glas handelt. Denn Saphirglas besitzt keine glasartige, sondern eine kristalline Struktur (das spricht, am Rande bemerkt, auch hier gegen eine rein externalistische Rekonstruktion der Wortbedeutung). Hergestellt wird der synthetische Saphir aus Aluminiumoxid. Daher lautet die chemische Struktur des natürlichen Saphirs ebenso wie die synthetische Variante AI2O3.⁵ Wir haben hier demnach einen Fall völlig identischer chemischer Zusammensetzungen. Eine strenge Reduktion der Bedeutung des Wortes „Saphir“ auf seine molekulare Struktur kann daher nicht den Unterschied zwischen natürlichem und künstlichem Saphir erklären. Besonders deutlich kommt diese Differenz unter anderem in Bezug auf den Handelswert zum Ausdruck, beträgt der Wert synthetischer Steine lediglich einen Bruchteil der natürlichen. Die Unterschiede in Form von Einschlüssen sind sogar visuell wahrnehmbar. Im Sinne Putnams und vor allem Kripkes rigider Designatoren müssten

4 Vgl. http://www.carat-online.at/edelsteinlexikon/saphir/. 5 http://www.und-noch.org/aluminiumoxid.html.

3.3 Saphire, Mais und die X-Allergie

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wir jedoch sowohl die natürliche wie auch die künstliche Variante mit dem gleichen Ausdruck bezeichnen, verfügen sie doch über die identische chemische Zusammensetzung. Das gilt im Übrigen auch für andere synthetisch hergestellte Stoffe, etwa im Fall von Betäubungsmitteln. Betrachten wir ein zweites Beispiel, welches ebenfalls im Zusammenhang mit wesentlichen Eigenschaften und damit verbundenen Bezeichnungsweisen steht. Putnam liefert uns ein Beispiel, mit dem er einerseits wiederum auf die Verwechslung epistemischer mit metaphysischer Notwendigkeit verweisen möchte und andererseits auf die fehlgeleitete Annahme, ein Wort, hier „Zitrone“, sei synonym mit einer bestimmten Beschreibung, ein Punkt, der uns bereits aus seiner Fußnote 4 zur „Introduction“ vertraut ist: Zunächst nimmt Putnam dabei Stellung zu einer deskriptivistischen Kritik, welche die Auffassung vertritt, etwas sei im vorherrschenden Sinn dann eine Zitrone, wenn es in hinreichender Zahl die Oberflächeneigenschaften einer Zitrone aufweist, also gelbe Farbe, säuerlicher Geschmack etc. Und nur in einem streng wissenschaftlichen Sinn sei es eine notwendige Bedingung, um eine Zitrone zu sein, über die verborgene Struktur, das heißt, den genetischen Code von Zitronen zu verfügen. Putnams Standardeinwand gegen diese internalistische Auffassung beruht wieder auf der Annahme, sie müsse dann auch für Siliziumzitronen bzw. maschinelle Zitronen gelten, wenn diese Gebilde nur über die entsprechenden Oberflächeneigenschaften verfügten. Die Schwäche dieses Argumentes sollte inzwischen deutlich geworden sein. (Dass Geschmack und Konsistenz der Zitrone auch zu den intensionalen Bestimmungen zählen sollten, scheint hier keine Rolle zu spielen. Oder sind wir nicht in der Lage, den Geschmack und die Konsistenz einer echten Zitrone von einer „silicon lemon“ oder gar „machine-lemon“ zu unterscheiden?) Der Sinn, nach welchem etwas nur dann eine Zitrone ist, wenn es über den genetischen Code einer Zitrone verfügt, ist nach Putnam jedoch nicht in jenem technischen Sinn gemeint, denn demnach wäre das Wort „Zitrone“ synonym mit einer Kennzeichnung, welche den genetischen Code enthält (vgl. Putnam 1996b: 23 – 24). Das entspricht ganz seiner Bemerkung aus der „Introduction“, „Wasser“ und „H2O“ seien keine synonymen Ausdrücke, das heißt, salva veritate substituierbar in allen möglichen Welten. Vielmehr muss die Substanz selbst Teil der Bedeutung des Ausdrucks bilden. Denn die Kenntnis, dass etwas, um Wasser zu sein, die chemische Zusammensetzung H2O besitzen muss, ist für eine Verwenderin des Wortes nicht zwingend. Wir erinnern uns vor allem im Kontext Russells und Davidsons an die potenziellen Bestandteile einer Proposition bzw. propositionalen Einstellung, von denen das Subjekt möglicherweise nichts weiß. Daher sieht Putnam die Auffassung, das Wort „Wasser“ sei synonym mit „H2O“, im Sinne einer intensionalen Bestimmung, welche die notwendige Bedingung dafür liefert, dass etwas

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unter den entsprechenden Begriff fällt, in der Verwechslung epistemischer mit metaphysischer Notwendigkeit begründet: It is only by confusing metaphysical necessity with epistemological necessity that one can conclude that, if the (metaphysically necessary) truth-condition for being water is being H2O, then water must be synonymous with H2O in which case it is certainly a term of science. And similarly, even though the predominant sense of “lemon” is one in which to be a lemon something has to have the genetic code of a lemon […], it does not follow that “lemon” is synonymous with a description which specifies the genetic code explicitly or otherwise. (Putnam 1996b: 24)

Wer hier epistemische mit metaphysischer Notwendigkeit verwechselt, ist mir nicht klar. Durch die Differenzierung in enge und weite Zustände scheinen die erkenntnistheoretischen Aspekte ausschließlich den psychischen Zuständen und somit gemäß These (I) der Intension zugeordnet zu sein, da es auch Bestandteile propositionaler Einstellungen geben kann, die dem Subjekt unbekannt sind. Und nur die Extension, als etwas außerhalb des Geistes, kann dadurch einen Beitrag zu einer metaphysischen Notwendigkeit leisten. Es ist für mich aber, wie bereits mehrfach betont, nicht nachzuvollziehen, warum die chemische Beschreibung einer natürlichen Art neben anderen Kennzeichnungen nicht Teil der Intension bildet, außer wir behaupten, dass die innere Struktur von Gegenständen, natürlichen Arten etc. als Extension prinzipiell erfahrungsmäßig bzw. epistemisch unzugänglich sei. Das trifft jedoch für Putnams Zwillingserdenbeispiele offensichtlich nicht zu. Und dass die Tatsache, es gäbe eine Anzahl von SprachteilnehmerInnen, die nur über wenige intensionale Bestimmungen eines Wortes verfügen, keine gegenteilige Theorie begründen kann, haben wir bereits in Putnams Ulmen/Buchen-Beispiel versucht zu zeigen. Putnam scheint die Verwechslung beider Notwendigkeiten jedenfalls den VertreterInnen der These zu unterstellen, die Intension bestimme die Extension. Lockes Bestimmung der„nominal essence“ wäre nach Putnam wohl ein solcher Fall. Möglicherweise denkt er auch an Wittgensteins Bemerkung über den Zusammenhang von Wesen und Grammatik. Hier sind jedoch keine epistemischen Notwendigkeiten involviert, sondern die Verwendungsweise eines sprachlichen Ausdrucks in Einklang mit einer „grammatischen“ Regel, das heißt, semantische „Notwendigkeiten“, wenn wir diesen Begriff hier bemühen wollen. Am Beispiel des Wortes „Vorstellung“ bemerkt Wittgenstein: 370. Nicht, was Vorstellungen sind, oder was da geschieht, wenn man sich etwas vorstellt, muß man fragen, sondern: wie das Wort „Vorstellung“ gebraucht wird. Das heißt aber nicht, daß ich nur von Worten reden will. Denn soweit in meiner Frage vom Wort „Vorstellung“ die Rede ist, ist sie’s auch in der Frage nach dem Wesen der Vorstellung. Und ich sage nur, daß diese Frage

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nicht durch ein Zeigen – weder für den Vorstellenden, noch für den Andern, zu erklären ist; noch durch die Beschreibung irgend eines Vorgangs. Nach einer Worterklärung fragt auch die erste Frage; aber sie lenkt unsre Erwartung auf eine falsche Art der Antwort. 371. Das Wesen ist in der Grammatik ausgesprochen. 372. Überlege: „Das einzige Korrelat in der Sprache zu einer Naturnotwendigkeit ist eine willkürliche Regel. Sie ist das Einzige, was man von dieser Naturnotwendigkeit in einen Satz abziehen kann.“ 373. Welche Art von Gegenstand etwas ist, sagt die Grammatik. […] (Wittgenstein 1989a, PU: §§ 370 – 373)

Kommen wir nun zu einem Gegenbeispiel, welches zeigen soll, dass sich neben der epistemischen Notwendigkeit auch Putnams (und vor allem Kripkes) Bestimmung metaphysischer Notwendigkeiten mit Bezug auf den genetischen Code, (insbesondere in der gegenwärtig intensiv geführten Diskussion über genmanipulierte Organismen), als nicht mehr haltbar erweist. Ein Beispiel wäre die Unterscheidung in natürlichen Mais einerseits und gentechnisch veränderten Mais andererseits, wie bei „Mais 1507“. In Umkehrung zum Beispiel des Saphirs haben wir hier einen Fall, in welchem trotz genetischer Differenzen derselbe Ausdruck „Mais“ auf beide Typen, die natürliche und genmanipulierte Variante, angewendet wird. Insofern können wir die Identität von Mais mit dem genetischen Code von Mais, wie es Putnam am Beispiel der Zitronen behauptet hat, nicht mehr als eine notwendige behaupten. Und das zeigt, dass wir das Spiel mit skeptischen Einwänden gegenüber den Oberflächeneigenschaften in gleicher Weise auf die inneren Strukturen, chemischen Substanzen, genetischen Codes etc. anwenden können. Oder handelt es sich hier wieder um eine Verwechslung epistemischer mit metaphysischen Notwendigkeiten? In Fall des gentechnisch veränderten Maises wurden bestimmte Gene innerhalb der Pflanze verändert, um gegen spezifische Umweltbelastungen resistenter zu werden, etwa bei Schädlingsbekämpfung. Neben herbizidresistenten Maissorten zählen auch lager- oder trockentoleranter Mais sowie bestimmte Sorten für die Tierfütterung zu den transgenen Maissorten. Diese werden jedoch alle als „Mais“ bezeichnet, obgleich sie in ihrer genetischen Codierung differieren und daher im Sinne rigider Designatoren auch nicht als „Mais“ bezeichnet werden dürften. Der Anbau und die Nutzung dieser Maissorten sind jedoch umstritten, vor allem mit Bezug auf mögliche gesundheitliche Risiken und nur in bestimmten Regionen zugelassen.⁶ Allein dieser Punkt möglicher Gefährdungen des Immunsystems zeigt, dass die These der kausalen Ineffizienz der Essenzen nicht haltbar ist, ganz in Entsprechung zur noch folgenden Diskussion einer X-Allergie bei XYZ.

6 Vgl.: http://www.biosicherheit.de/lexikon/gentechnisch-veraenderter-mais/.

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BefürworterInnen der Genveränderung von Organismen betonen sogar ausschließlich die Effekte künstlich manipulierter Sorten, welche sich nach ihren Auffassungen nicht von denen natürlicher Arten unterscheiden. Ihre Entstehungsgeschichte bleibt dabei völlig unbeachtet. Das gilt auch für künstlich erzeugte Sorten oder Organismen wie Klone. Es ist jedoch genau dieser Unterschied in der kausalen Geschichte zwischen natürlich und künstlich entstandenen Organismen, den eine streng externalistische Semantik durch die strikte Reduktion der Bedeutung auf die innere Struktur, in diesem Fall den genetischen Code, nicht explizieren kann. Das hat auch schon das Beispiel des natürlichen und künstlichen Saphirs gezeigt. Bereits in der Metaphysik (Buch Z, 7) betont Aristoteles, dass durch Kunst all das entstehe, dessen Form sich in der Seele des Herstellenden befindet. In diesem Sinn hat der künstliche Saphir ein Bewirkendes, dass auf gleiche Weise intentional „informiert“ ist, wie das Bewirkte, der Saphir selbst, real „informiert“ ist. Für den natürlichen Saphir gilt das nicht, da er gar kein solches Bewirkendes hat.⁷ In den Worten Heideggers gesprochen: „[…] [D]ie physis, das von-sich-her-Aufgehen, ist ein Her-vor-bringen, ist poiesis. Die physis ist sogar poiesis im höchsten Sinne. Denn das physei Anwesende hat den Aufbruch des Her-vor-bringens, z. B. das Aufbrechen der Blüte ins Erblühen, in ihr selbst (en heauto). Dagegen hat das handwerklich und künstlerisch Her-vor-gebrachte, […] den Aufbruch des Her-vor-bringens nicht in ihm selbst, sondern in einem anderen (en allo), im Handwerker und Künstler.“ (Heidegger 1962: 11)⁸ Auch Kripke bestimmt neben der inneren Struktur den biologischen Ursprung als eine de-re-Modalität. So stellt er am Beispiel der englischen Königin Elisabeth II. die Frage, ob es denkbar wäre, gegeben, dass ihre Eltern auch tatsächlich ihre Eltern seien, das heißt, unter Ausschluss aller skeptischen Einwände, dennoch ein anderes Paar, etwa die Trumans, ihre Eltern sein könnten, und verneint sie explizit (vgl. Kripke 1981: 110 – 113). Das hieße im Umkehrschluss jedoch auch, dass die Tochter, träte dieser Fall ein, nicht mehr identisch wäre mit Queen Elisabeth, selbst wenn sie zahlreiche Ähnlichkeiten mit ihr aufwiese (vgl. Kripke 1981: 112). Müssten wir dann allerdings nicht bei sämtlichen Organismen, an denen gentechnische Eingriffe vorgenommen wurden, ebenfalls die Konsequenz ziehen, dass es sich nicht mehr um dieselben Organismen handelt? Und das erscheint mir schlicht falsch, wie etwa das Maisbeispiel zeigen sollte. Wenn wir darüber hinaus die Gebrauchsweise der Ausdrücke „Eltern“, „Vater“ oder „Mutter“ betrachten, ein Aspekt, der bei Kripke keine Rolle zu spielen scheint, zeigt sich, dass sie auch in Kontexten verwendet werden, die von Kripkes Bestim-

7 Diesen Hinweis verdanke ich Werner Sauer. 8 Diesen Hinweis verdanke ich Martin G. Weiß.

3.3 Saphire, Mais und die X-Allergie

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mung des Begriffs abweichen. Mit seinem Rückgriff auf den biologischen Ursprung von Sperma und Eizelle möchte er Situationen vermeiden, in denen Same oder Ei in einen anderen Körper verpflanzt werden und in diesem Sinne jemand anderer ein Elternteil hätte sein können: „Not to go into many complications here about what a parent is, let’s suppose that the parents are the people whose body tissues are sources of the biological sperm and egg“ (Kripke 1981: 112). Hier, wie in vielen anderen Fällen, expliziert Kripke den Begriff also in einer Weise, die auf inneren Strukturen beruht. Auch wenn die Kripke’sche Diskussion sich um die wesentlichen Eigenschaften eines (biologischen) Kindes zu drehen scheinen, berücksichtigt seine behauptete Rigidität dabei keine alternativen Gebrauchsweisen des Wortes „Eltern“, welche er vielleicht genau aus diesem Grund ausgeschlossen wissen will. Denn der Ausdruck findet in zahlreichen Kontexten Anwendung, in welchen es sich gerade nicht um die biologische Elternschaft im Sinne Kripkes handelt. Denken wir nur an Einrichtungen wie Samenbanken, die etwa auch bei einer diagnostizierten Unfruchtbarkeit des Mannes eine Elternschaft ermöglichen. „Biologische“ bzw. „leibliche“ Väter oder Mütter sind darüber hinaus auch im Fall von Adoptionen den eigentlichen Erziehungsberechtigten gegenüber in der Regel rechtlich schlechter gestellt. Hier zeigen sich somit Abweichungen zwischen Kripkes de-re-Modalitäten und den involvierten Wortverwendungen und damit verknüpften sozialen, rechtlichen und anderen praxisrelevanten externen Bedingungen und Gepflogenheiten. Wenn Kripke jedoch nur behaupten möchte, dass meine biologischen Eltern unter Ausschluss aller skeptischen Argumente notwendigerweise meine biologischen Eltern sind, scheint das entsprechend seiner Bestimmungen nichts anderes zu sein als ein „Ausfluss des Identitätsprinzips“ (Frege 1976d: 128). Auf den ersten Blick könnte man vermuten, dass auch Davidsons Kriterium der Kausalgeschichte in dieser Weise als Unterscheidungskriterium zwischen ihm und Swampman verstanden werden könnte. Allerdings ist die Unterscheidung „künstlich“ versus „natürlich“ offensichtlich keine, welche das Experiment des Sumpfmannes betrifft, bemerkt Davidson doch einleitend dazu explizit: „I should emphasise that I am not suggesting that an object accidentally or artificially created could not think; the Swampman simply needs time in which to acquire a causal history […]“ (Davidson 2009b: 19, Fn 3). Beenden wir an dieser Stelle zunächst die Diskussion über die semantische Relevanz und Primarität innerer Strukturen und widmen uns wieder ihren möglichen kausalen Kräften. Nach den bereits behandelten tertiären Kräften (Feuerausbruch, Dürreperiode und Wasserknappheit) betrachten wir dazu nun die Rolle der sekundären Qualitäten und stellen damit verbunden die Frage nach den Kräften bzw. Wirkungen der nicht wahrnehmbaren Teilchen eines Stoffes wie Wasser auf den menschlichen Körper bzw. das menschliche Bewusstsein:

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Nehmen wir für diese Zwecke an, Oskar 1 und Oskar 2 hätten im Laufe ihres Lebens eine hartnäckige X-Allergie entwickelt. Sie äußert sich dadurch, dass etwa bei oraler Einnahme dieses Elementes sofort massive Schwellungen des Halsbereichs auftreten, die Luftzufuhr dadurch extrem eingeschränkt wird und die Gefahr zu ersticken droht. Das wäre ein Fall, in welchem ein Stoff aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung unterschiedliche physische und damit verbundenen psychische Zustände der davon betroffenen AllergikerInnen bewirken würde (und somit auch Einfluss auf die primären Qualitäten der Betroffenen nähme). Diese Effekte können wir beliebig ausweiten, etwa auf Hautreizungen bei Körperkontakt, wie wir es beispielsweise von bestimmten Metallen wie Nickel kennen etc. Da sowohl Oskar 1 als auch Oskar 2 unter dieser Allergie leiden, um das Doppelgängerkriterium zu erfüllen, im Fall der infrage stehenden Flüssigkeit allerdings nur Oskar 2 von diesen allergischen Reaktionen beim Konsum von XYZ betroffen ist, können wir nicht mehr sinnvoll behaupten, Oskar 1 und Oskar 2 befänden sich im gleichen engen psychischen Zustand, wenn ihnen beispielsweise ein Glas Wasser angeboten wird. Oskar 1 wird es bei Durst mit Wohlwollen annehmen, Oskar 2 in identischer Situation aus guten Gründen nicht. Dabei ist wesentlich, dass sie nicht nur auf einen Gegenstand außerhalb ihres Kopfes, sondern vor allem auf dessen Mikrostruktur Bezug nehmen. Könnte Putnam dann noch behaupten, was Oskar 1 mit dem Wort H2O assoziiere, sei nicht verschieden von dem, was Oskar 2 mit XYZ assoziiere, wie er etwa am Beispiel von Aluminium und Molybdän argumentierte (vgl. Putnam 1996a: xvii)? Und aus der Möglichkeit körperlicher Wirkungen beim Konsum von XYZ folgt auch eine Anpassung der intensionalen Bestimmungen von XYZ, etwa in der Form, „Enthält den Bestandteil X, welcher starke allergischen Reaktionen auslösen kann.“ X müsste als ein gefährliches Allergen auch für andere Produkte ausgewiesen werden, in welchen X enthalten ist, sei es auf Verpackungen von Nahrungsmitteln, auf Etiketten von Biersorten oder auf Speisekarten etc. Auch diese auf menschliche Organismen bezogenen Gegenexperimente lassen sich beliebig erweitern. So müsste Oskar 2 aufgrund seiner Ununterscheidbarkeit von Oskar 1 ebenfalls zu circa 70 % aus H2O bestehen, wie sein Erdenzwilling, was allerdings der Annahme widerspricht, die Flüssigkeit auf ZE bestünde aus XYZ. Halten wir hingegen an dieser Bestimmung fest, dann wissen wir nicht, was mit Oskar 1 passiert, wenn er als Teil der Raumschiffbesatzung, welche die Zwillingserde besucht, plötzlich dehydriert und dringend Wasser bedarf. Das gälte auch für alle anderen Besatzungsmitglieder (für weitere Alternativen siehe etwa Lenz 2010 oder Searle 1983). Wir sehen anhand der hier vorgestellten Gegenszenarien, dass die strikte Annahme einer Zwillingserde mit unterschiedlicher Wasserstruktur offensichtlich nicht aufrechtzuerhalten ist, da sie die sekundären und tertiären Kräfte und ihre Wirkungen auf andere Gegenstände oder Organismen, um mit Locke zu sprechen,

3.3 Saphire, Mais und die X-Allergie

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außer Acht lässt. Und solche Wirkungen haben auch Einfluss auf die damit verknüpften sprachlichen Ausdrücke, allein dadurch, dass sie die entsprechenden Sinnbestimmungen bzw. Intensionen erweitern. Da Putnam allerdings die chemische Beschreibung nicht als Teil der Intension versteht, bleiben diese Konsequenzen in seiner externalisitschen Konzeption unberücksichtigt. Die diskutierten Gegenexperimente sollten hingegen zeigen, dass unterschiedliche Substanzen sehr wohl zu differenten Zuständen wahrnehmender Subjekte führen bzw. führen können. Das erlaubt dann nicht mehr die Redeweise von unterschiedlichen Substanzen und typengleichen Erfahrungen bzw. typengleichen engen mentalen Zuständen. Wenn wir daher annehmen, Wasser auf der Erde und der Zwillingserde verfügte über die beschriebenen Kräfte, dann ist die Bestimmung gleicher physischer oder psychischer Zustände von Oskar 1 und Oskar 2 nicht mehr aufrecht zu erhalten und Putnams These gleicher Intension bei verschiedener Extension wäre hinfällig. Anders ausgedrückt sind die hier relevanten Intensionen in ihrer Genese von extramentalen Gegenständen abhängig und nicht alleine bewusstseinsimmanent zu rekonstruieren. Und insofern entwirft Putnam nach meinem Verständnis auch hier ein verzerrtes Bild internalistischer bzw. deskriptivisitischer Auffassungen, indem er von falschen Ausgangsvoraussetzungen ausgeht.

4 Physikalische Entität, kausale Wirkung und sprachliche Verwendung 4.1 Russells „private space“ und „physical space“ Betrachten wir nun die zweite, bereits angedeutete Option, dass die chemische Substanz keinen erkennbaren Einfluss auf unsere Erfahrungswelt ausübt und somit keinen Einzug in die Intension der damit verbundenen sprachlichen Zeichen findet. Das wäre logisch möglich und erklärte auch die Bedingung der Ununterscheidbarkeit bzw. Zwillingsbestimmung in allen relevanten Hinsichten, würde allerdings zugleich die Frage aufwerfen, inwieweit dadurch die Semantik sprachlicher Ausdrücke betroffen sein könnte. Betrachten wir dazu Russells Begriff des Erfahrungsraums und physikalischen Raums: In den Problems of Philosophy diskutiert er zunächst die Unterscheidung von Erscheinung und Wirklichkeit, in dessen Kontext er seinen Begriff des Sinnesdatums und der Empfindung einführt: Let us give the name of ‘sense-data’ to the things that are immediately known in sensation: such things as colours, sounds, smells, hardnesses, roughnesses, and so on. We shall give the name ‘sensation’ to the experience of being immediately aware of these things. Thus, whenever we see a colour, we have a sensation of the colour, but the colour itself is a sense-datum, not a sensation. The colour is that of which we are immediately aware, and the awareness itself is the sensation. It is plain that if we are to know anything about the table, it must be by means of the sense-data […] which we associate with the table; but, […] we cannot say that the table is the sense-data, or even that the sense-data are directly properties of the table. (Russell 1980: 4)

Die Rechtfertigung dieser Differenzierung in Sinnesdatum und Empfindung findet sich vor allem in Russells Kritik am Idealismus Berkeleys (vgl. Russell 1980: 19 – 24): Nach Russell bewies Berkeley zwar zunächst recht schlüssig, dass wir nicht annehmen dürfen, Sinnesdaten existierten unabhängig von uns. Sie müssen zumindest in einem gewissen Sinn „in“ uns sein, insofern es sie ohne den entsprechenden Wahrnehmungsakt nicht gäbe. Allerdings behauptet Berkeley auch, Sinnesdaten seien das einzige, von deren Existenz wir uns durch Wahrnehmungen vergewissern könnten. Das hieße wiederum „erkannt werden“ bedeute „bewusst werden“ und somit „in einem Bewusstsein“ zu sein. Daher könne niemals etwas erkannt werden, was nicht in irgendeinem Bewusstsein ist. Hierdurch begründet sich auch Putnams Kritik an VertreterInnen der These (I) in sehr deutlicher Form. Genau an diesem Punkt setzt auch Russells Kritik ein. Zwar sind die Berkeley’schen „ideas“ Vorstellungen in unserem Bewusstsein, aber „in“ unserem Bewusstsein ist missverständlich. Was wir eigentlich damit meinen, sind Gedanken https://doi.org/10.1515/9783111241555-007

4.1 Russells „private space“ und „physical space“

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über Personen, Dinge, Ereignisse etc. und nicht diese selbst. „Ein Baum in unserem Bewusstsein“ hieße also eigentlich nur „ein Gedanke über einen Baum in unserem Bewusstsein“. Wenn das nicht Berkeleys Auffassung war, wie kam es dennoch zu diesem Missverständnis? Ideen bzw. Sinnesdaten (wahrgenommene Sensibilia) sind auch nach Berkeley insofern subjektiv, als dass sie von einem wahrnehmenden Subjekt abhängig sind, das heißt, nicht wahrnehmungsunabhängig existent, wie wir es von der Bestimmung der materiellen Außenwelt kennen. Das bedeutet jedoch nicht, dass alles, was unmittelbar erkannt wird, auch „in“ unserem Bewusstsein sein muss. Dieser Punkt hat laut Russell mit der Abhängigkeit der Sinnesdaten vom Subjekt nichts zu tun. Berkeley müsste vielmehr zeigen, dass sie gerade dadurch, dass sie erkannt werden, ihre Geisthaftigkeit zeigen. Hier geht es also nicht mehr um die Unterscheidung zwischen Sinnesdaten und materiellen Gegenständen, sondern stattdessen um die Frage, was es überhaupt heißt, Vorstellungen zu haben. Und diesbezüglich müssen wir nach Russell zwei Aspekte unterscheiden: 1) Das, dessen wir uns bewusst sind, z. B. die Farbe eines Tisches. 2) Den Bewusstseinsakt selbst, das heißt, der geistige Akt, mit dem wir den Gegenstand erfassen. Dieser Akt bzw. die „sensation“ in Russells Terminologie ist mental. Das gilt jedoch nicht zwingend für den Wahrnehmungsinhalt. Zwar hängt etwa die Farbe von unserer Beziehung zum jeweiligen Gegenstand ab, daraus folgt jedoch nicht, dass die Farbe des Tisches deshalb auch „im“ Bewusstsein des Wahrnehmenden und somit geistig sein muss. Berkeleys Position wäre nur dann vertretbar, wenn man eine solche Unterscheidung nicht träfe und beides, Akt und Inhalt, vermische. Als Wahrnehmungsakte sind die Berkeley’schen „ideas“ zweifellos als „im“ Bewusstsein aufzufassen. Im Sinne einer unbewussten Äquivokation hatte Berkeley laut Russell den Begriff der Ideen jedoch auch auf die Wahrnehmungsgegenstände übertragen. Und nur in diesem Fall können wir zu dem Schluss gelangen, alles, was wir bewusstseinsmäßig erfassen können, als „im“ Bewusstsein zu bestimmen. Dieser Unterschied zwischen Akt und Gegenstand ist für Russell zentral, da er unser gesamtes Erkenntnisvermögen betrifft. Denn Bekanntschaft mit Gegenständen besteht wesentlich zwischen Bewusstsein und etwas Anderem (und nicht mit sich selbst). Das macht uns überhaupt fähig, etwas zu erkennen. Daher ist die Annahme, die Dinge, die das Bewusstsein erfasst, seien auch etwas Geistiges, keineswegs zwingend. Denn dadurch wäre unser Erkenntnisvermögen massiv eingeschränkt. Diesen Punkt kennen wir bereits aus seiner Auseinandersetzung mit Frege über Gedanken, Vorstellungen, Propositionen und deren Bestandteile. Das Zitat von Russell zeigt allerdings auch, dass unser Wissen über den Tisch sich ausschließlich auf die Sinnesdaten beziehen kann, welche wir mit dem Tisch assoziieren, wiederum ein Begriff, den wir bereits von Putnams internalistischer Kritik und Wittgensteins PrivatsprachenvertreterInnen kennen.

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Diese Auffassung Russells findet sich auch in zahlreichen psychologischen bzw. neurophysiologischen Diskursen wieder, auch wenn hier der Bezug nicht auf Sinnesdaten, sondern auf neuronale Aktivitäten gerichtet ist. So bemerkt etwa Francis Crick, der 1962 gemeinsam mit James Watson und Maurice Wilkins den MedizinNobelpreis für die Entdeckung der Molekularstruktur der DNS erhielt: In perception, what the brain learns is usually about the outside world or about parts of the body. That is why what we see appears to be located outside us, although the neurons that do the seeing are inside the head. To many people this is a strange idea. The ‘world’ is outside their body yet, in another sense (what they know of it), it is entirely within the head. (Crick 1995: 104)

Sinnesdaten, zu denen Russell im Unterschied zu Locke auch die Weichheit („smoothness“) oder Gestalt („shape“) eines Gegenstandes zählt, sind also keine unmittelbaren Eigenschaften des Tisches, diese werden lediglich aus den diversen Sinnesdaten erschlossen. Daher so Russell: „Thus a problem arises as to the relation of the sense-data to the real table, supposing there is such a thing.“ (Russell 1980: 4) Zur Veranschaulichung dieses Problem ist es vielleicht hilfreich, Russells Differenzierung in privaten Raum und physikalischen Raum etwas genauer zu betrachten, welche er im Kapitel „The Nature of Matter“ einführt (Russell 1980: 13 – 18): Zunächst hält Russell den Glauben, dass unsere Sinnesdaten Zeichen für die Existenz von Dingen sind, auch ohne schlüssigen Beweis für vernünftig. Ganz in der realistischen Tradition bestimmt auch er die Gegenstände als von uns und unseren Wahrnehmungen unabhängig. Dabei sind Erscheinungen immer Erscheinungen von etwas. Zwar verschwinden Farben, Gestalten, Geräusche etc., nicht aber der Gegenstand, der sie verursacht. Und sie kehren zurück, da der Tisch, von dem sie Erscheinungen sind, ununterbrochen existiert. Dadurch stellt sich die Frage nach der Washeit des wirklichen Tisches. Laut Russell liefert uns die Physik darauf eine Antwort, wenn auch unvollständig und hypothetisch: Naturphänomene müssen auf Bewegungen zurückgeführt werden. Licht, Wärme und Schall werden durch Schwingungen verursacht, welche sich vom Körper zur Person ausbreiten. Die Person empfindet in der Folge Wärme, sieht Licht oder vernimmt Schallwellen. Auch hier finden sich erstaunliche Parallelen in den Neurowissenschaften. So bemerken etwa Eric Kandel, James Schwartz und Thomas Jessell: We receive electromagnetic waves of different frequencies but we perceive colours: red, green, orange, blue or yellow. We receive pressure waves but we hear words and music. We come into contact with a myriad of chemical compounds dissolved in air or water but we experience smells and tastes. Colours, sounds, smells and tastes are mental constructions created in the brain by sensory processing. They do not exist, as such, outside of the brain. (Kandel, Schwartz und Jessell 1995: 370)

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Diese Bemerkung scheint auch in völligem Einklang mit Putnams Trennung von Oberflächeneigenschaften, welche er der Intension und somit dem Bewusstsein zuschlägt und den „chemical compounds“ der physikalischen Welt, sowie mit Lockes Zuschreibung primärer und sekundärer Qualitäten. Nach Russell kennen wir zwar die Bestimmung von Licht als eine Wellenbewegung bzw. Schwingung, jedoch betont auch er, dass diese Definition insofern irreführend sei, weil sie nicht das besagt, was wir unter „Licht“ verstehen. Denn das von uns unmittelbar wahrgenommene Licht ist gerade keine Art von Wellenbewegung, sondern von ganz anderer Natur. Was wir visuell wahrnehmen, können wir keiner blinden Person beschreiben, obwohl wir unmittelbar damit bekannt sind, Wellenbewegungen sehr wohl, da sie den Raum durch den Tastsinn erfahren oder auf der See Wellenbewegungen erleben könnte. Was die blinde Person verstehen kann, ist jedoch nicht das, was wir mit Licht meinen und wir sind auch nicht in der Lage, es angemessen zu beschreiben (vgl. Russell 1980: 13 – 14). Auch hier finden sich erstaunliche Entsprechungen, diesmal im Bereich der Psychologie. So bemerkt der amerikanische Experimentalpsychologe Irvin Rock exemplarisch: The perceptual world we create differs qualitatively from the physicists’ descriptions because our experience is mediated by our senses and constructed internally as a representation of the world. Thus we perceive colours, tones, tastes and smells – perceptions that either have no meaning in the world of physical reality or have a different meaning. What we perceive as hues of red, blue or green, the physicist refers to as surfaces reflecting electromagnetic waves of certain frequencies. What we experience as tastes and smells, the physicist refers to as chemical compounds […]. Colours, tones, tastes, and smells are mental constructions, created out of sensory stimulations. As such they do not exist outside of living minds. (Rock 1984: 4; Hervorhebung V.M.)⁹

Diese Bemerkungen zeigen ebenfalls erstaunliche Übereinstimmungen zu den Grundthesen Putnams und Kripkes. Wir werden darauf in der Diskussion des Kripke’schen Lichtbegriffs nochmals zurückkommen (siehe Kapitel III.4). Russell spielt hier wohl zugleich auch auf das in der heutigen Philosophie des Geistes zentrale Problem der Qualia an (C. Lewis [1929] 1956), im Sinne subjektiver Erlebnisgehalte mentaler Zustände. Dabei wird angenommen, dass ihre Existenz nicht mit den Mitteln der Neuro- und Kognitionswissenschaften erklärbar ist, weil es sich um Eigenschaften unserer Sinneserfahrungen selbst handelt. Aber gerade ein solches, rein subjektives Element scheint sich jeder intersubjektiven Begriffsbestimmung zu widersetzen. Daher betont Rock auch den Aspekt unterschiedlicher 9 Die letzten drei Literaturhinweise (Crick, Kandell u. a., Rock) verdanke ich wie vieles andere Peter Hacker.

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oder fehlender Bedeutungen von Perzeptionen im Kontext physikalischer Welten. Und diesen Punkt hat bereits Frege in seiner Diskussion über Eigenschaftszuschreibungen mentaler Vorkommnisse eindrucksvoll verdeutlicht (vgl. Frege 1993, insb. 41 und Frege 2009, insb. 57– 59). Der Qualiadebatte werden wir uns im letzten Teil dieses Kapitels anhand weiterer ausgewählter Gedankenexperimente noch etwas ausführlicher widmen. Laut Russell behauptet die Wissenschaft weiter, dass das Licht, so wie wir es kennen, in der Außenwelt nicht existiert. Es wird lediglich durch Reize auf Augen, Haut etc. hervorgerufen. Zu sagen „Licht ist Wellenbewegung“ bedeutet demnach nichts anderes, als dass Lichtwellen die Ursache für unsere Lichtempfindungen bilden. Das erlebte Licht gehört laut Wissenschaft hingegen nicht zur von uns unabhängigen Wirklichkeit. Diese Auffassung gilt nicht nur für alle erlebten Eigenschaften wie Licht, Farben, Gerüche etc., sondern auch für den gesamten durch Tasten, Hören, Sehen etc. erfahrbaren Raum. Dieser ist nicht identisch mit dem physikalischen Raum und gehört somit auch nicht zur materiellen Welt der Wissenschaft. Sogar innerhalb des Erfahrungsraumes lassen sich Räume voneinander abgrenzen, etwa der Sehraum oder Tastraum. Auch Wittgenstein spricht an zahlreichen Stellen vom „Gesichtsraum“ oder „visual space“ in Abgrenzung zum „physical space“ (vgl. u. a. Wittgenstein 1972, BBB, insb. 71 – 72 oder Wittgenstein 1991a, PB, insb. 98 – 103, 258 – 271). Darüber hinaus sind Gegenstände unterschiedlichen wahrnehmenden Subjekten unterschiedlich gegeben, je nach Blickwinkel, Lichtverhältnissen etc. Allerdings urteilen wir, unabhängig von den differenten Erscheinungsweisen, dass der Gegenstand so ist, und behaupten damit, der Gegenstand habe eine wirkliche Form, welche nicht seinen Erscheinungen entspricht. Und es ist gerade diese reale Form, um die es der Wissenschaft geht. Daher muss sie sich, so Russell, auch in einem wirklichen, allgemein zugänglichen Raum befinden, und insofern können auch Gegenstand und Sinnesdatum nicht identisch sein. Wie verhält sich nun der physikalische zum erfahrbaren Raum? Wenn unsere Empfindungen durch physikalische Gegenstände verursacht sein sollen, muss der physikalische Raum auch unsere Körper, Nerven, Gehirne etc. enthalten, sonst wären wir nicht in der Lage, festzustellen, welche Empfindungen ein physikalischer Körper unter verschiedenen Bedingungen in uns verursacht. Denn die Beziehungen zwischen Gegenstand und unserem Körper bestimmen, welche Empfindungen der Gegenstand in uns auslöst. Wenn es einen allgemein zugänglichen physikalischen Raum gibt, müssen nach Russell zumindest die räumlichen Beziehungen der physikalischen Gegenstände ungefähr den Beziehungen der Sinnesdaten in unseren Privaträumen entsprechen bzw. mit ihnen korrespondieren. Wie der physikalische Raum selbst beschaffen ist – sollte er überhaupt existieren –, können wir grundsätzlich nicht wissen.

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Now our sense-data are situated in our private spaces […]. If, as science and common sense assume, there is one public all-embracing physical space in which physical objects are, the relative positions of physical objects in physical space must more or less correspond to the relative positions of sense-data in our private spaces. […] Assuming that there is physical space, and that it does thus correspond to private spaces, what can we know about it? We can know only what is required in order to secure the correspondence. That is to say, we can know nothing of what it is like in itself, but we can know the sort of arrangement of physical objects which results from their spatial relations (Russell 1980: 15).

Diese Bemerkung ist in mehrerlei Hinsicht interessant. Zum einen betont Russell explizit, dass der physikalische Raum, sollte er existieren, öffentlich zugänglich ist. Zum anderen können wir lediglich das wissen, was zur Erstellung der entsprechenden räumlichen oder zeitlichen Zuordnungen erforderlich ist, nichts jedoch über den Raum, wie er an sich beschaffen ist. Das sind recht starke Thesen, zumal Russell immerhin einräumt, dass korrespondierende Beziehungen zwischen physikalischem Raum und Erfahrungsraum bestehen und Anordnungen von Gegenständen sich aus ihren wechselseitigen räumlichen (bzw. zeitlichen) Beziehungen ergeben. Diese Annahme Russells, dass es solche entsprechenden Korrespondenzen geben muss, hängt möglicherweise mit seiner Auffassung von Relationen als Universalien zusammen, welche er in Kapitel 9 der Problems einführt, wenn er etwa zu Beginn bemerkt, „[…] that such entities as relations appear to have a being which is in some way different from that of physical objects, and also different from that of minds and from that of sense-data“ (Russell 1980: 52). Dieser Punkt muss uns hier nicht weiter beschäftigen. Betrachten wir hingegen die folgende Bemerkung, sehen wir, dass Russell wiederum eine epistemische Grenze zieht, welche die eigentliche Beschaffenheit des physikalischen Raumes betrifft, und diese in Entsprechung setzt zur (Un‐) kenntnis innerhalb des Erfahrungsraumes aufgrund der Beschaffenheit menschlicher Wahrnehmungsorgane. Er bemerkt: We can know all those things about physical space which a man born blind might know through other people about the space of sight; but the kind of things which a man born blind could never know about the space of sight we also cannot know about physical space. We can know the properties of the relations required to preserve the correspondence with sense-data, but we cannot know the nature of the terms between which the relations hold. (Russell 1980: 16; Hervorhebung V.M.)

Hier kommt bereits in der ersten Bemerkung seine Abgrenzung des „knowledge by description“ vom „knowledge by acquaintance“ zum Ausdruck, die wir bereits diskutiert haben. Die Analogie zu einer von Geburt an blinden Person soll dabei offensichtlich veranschaulichen, dass uns der physikalische Raum in keiner Weise

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erfahrungsmäßig gegeben sein kann, gleich wie der blinden Person der visuelle Raum. Wir dürfen bei einer Ähnlichkeit in den Erscheinungsweisen zweier Gegenstände zwar annehmen, dass sie auch zwischen den Objekten selbst besteht, über deren eigentliche Natur wissen wir allerdings nichts: „[…] if two objects both look blue, we may presume a corresponding similarity. But we cannot hope to be acquainted directly with the quality in the physical object which makes it look blue or red.“ (Russell 1980: 17). Am Beispiel von Farbeigenschaften als Wellenbewegungen heißt das etwa: „Science tells us that this quality is a certain sort of wave-motion, and this sounds familiar, because we think of wave-motions in the space we see. But the wave-motions must really be in physical space, with which we have no direct acquaintance; thus the real wave-motions have not that familiarity which we might have supposed them to have.“ (Russell 1980: 17). Diese Bemerkung erklärt auch Russells Auffassung, dass wir einer von Geburt an blinden Person phänomenale Farberlebnisse nicht in Form von Wellenbewegungen beschreiben können, da wir ganz im Sinne Rocks von zwei gänzlich verschiedenen Wellenbewegungen sprechen, einerseits jenen, die uns erfahrungsgemäß gegeben sein können und andererseits jenen des physikalischen Raumes, auf die wir keinen epistemischen Zugriff haben. In diesem Sinne hätte der Ausdruck „Wellenbewegung“ tatsächlich zwei verschiedene Bedeutungen. Dieser Aspekt zeigt jedoch auch, dass wir das Argument in die andere Richtung verkehren können, sodass nicht nur, wie im Fall der Superwissenschaftlerin Mary, gilt, dass ihr vollständiges physikalisches Wissen und die damit verbundene Begrifflichkeit ihr keine Kenntnis vermitteln kann, wie es ist, einen bestimmten Farbton tatsächlich wahrzunehmen, sondern auch, dass uns die Erlebnisse und Begrifflichkeiten unserer Erfahrungswelt keine Kenntnisse über den physikalischen Raum und die Eigenschaften der dazugehörigen Objekte vermitteln können. Erlebnisse mit Wellen können wir beschreiben, unmittelbare Sinneswahrnehmungen von Wellenbewegungen im physikalischen Raum hingegen nicht, denn: „[…] the physical objects themselves remain unknown in their intrinsic nature, so far at least as can be discovered by means of the senses“ (Russell 1980: 17). In diesem Sinne verfügt Mary nicht nur über keinerlei Erfahrungen „echter“ Farbwahrnehmungen, sondern auch über keine solchen innerhalb des gesamten physikalischen Raums. Eine vergleichbare Skizzierung einer solchen Perspektive liefert uns auch Ayer im Rahmen seiner Kritik an der kausalen Wahrnehmungstheorie im Kontext eines solchen „scientific view“ (vgl. hierzu Ayer 1977: 82 – 88): „They want to distinguish between things as they are in themselves and things as they can appear to us, and to count as the real properties that they possess independently of our perceiving them.“ (Ayer 1977: 84). Diese Auffassung liegt ebenfalls ganz in der empiristischen Tradition Lockes und seiner Differenzierung in primäre und sekundäre Qualitäten,

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aus welcher er die folgerichtige Konsequenz gezogen hatte, dass die intrinsische Natur von Gegenständen oder Arten keine Rolle für die Frage der Semantik sprachlicher Ausdrücke spielen kann, sollte sie keinen Eingang in die Intension finden. Oder wie würden wir die Position rechtfertigen, dass ausschließlich die innere Struktur von Gegenständen und natürlichen Arten Relevanz für die Bestimmung entsprechender Bezeichnungen besitzt, wenn uns diese erfahrungsmäßig prinzipiell nicht zugänglich ist? Auch wenn Putnam und Kripke auf die zentrale Unterscheidung in epistemische und metaphysische Notwendigkeiten hingewiesen haben, ist nicht zu sehen, warum es gerade letztere sein sollte, welche die Semantik sprachlicher Ausdrücke in allen möglichen Welten fixiert, wie es der Begriff des „rigid designators“ verdeutlichen soll. Oder aber, wir lassen Russells These der epistemischen Unzugänglichkeit des physikalischen Raumes fallen, was alleine durch diverse wissenschaftliche Entdeckungen innerhalb der diskutierten Experimente naheliegend erscheint. Dann ist jedoch fraglich, warum diese Erkenntnisse nicht auch zu einer Erweiterung der Intension entsprechender Ausdrücke führen sollten, selbst wenn sie sich nur auf einen Kreis von ExpertInnen beschränken. Nach meinem Verständnis läge dann keine Verwechslung epistemischer und metaphysischer Notwendigkeiten mehr vor. Und Russells Unterscheidung in „knowledge by acquaintance“ und „knowledge by description“ hat ja gezeigt, dass wir über ein propositionales Wissen verfügen können, als ein „knowledge of truths“ (Russell 1980: 23), auch wenn wir keine Kenntnis der Dinge besitzen („knowledge of things“ bzw. „acquaintance“ (Russell 1980: 23). Wir sprächen dann auch nicht mehr von zwei verschiedenen Dingen, physikalischen Objekten einerseits und Gegenständen unserer Erfahrungswelt andererseits. In seiner Kritik an einer kausalen Theorie der Wahrnehmungen auf Grundlage prinzipiell unzugänglicher Ursachen hat auch Ayer hingewiesen. Denn wären der physikalische Raum und seine Bestandteile unbeobachtbar, wären wir auch nicht in der Lage, sie als Ursachen zu identifizieren und hätten somit auch keinen Grund zu der Annahme, dass sie irgendeine Rolle bei der Hervorbringung entsprechender Empfindungen spielten oder im Extremfall überhaupt existierten (vgl. Ayer 1977: 87).

4.2 Zwillingserden und Engelstränen Kehren wir zu unserer Ausgangslage zurück und nehmen an, die chemischen Substanzen H2O und XYZ hätten keinerlei kausale Wirkkraft auf Oskar 1 und 2, um die Annahme zu rechtfertigen, beide seien im selben engen psychischen Zustand, wenn sie einer Flüssigkeit, welche alle Oberflächeneigenschaften von Wasser be-

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säße, wahrnehmungsmäßig ausgesetzt sind. Die kausale Wirkungslosigkeit und damit verbundene Nichtfeststellbarkeit ermöglicht so auch Gedankenexperimente, welche die Putnam’sche Intention geradezu pervertieren. Stellen wir uns zu diesem Zwecke eine weitere Zwillingserde vor, nennen wir sie „mystische Erde“ bzw. „Merde“, welche sich ebenfalls in keiner Hinsicht von der Erde unterscheidet, außer mit Bezug auf die chemische Zusammensetzung der Flüssigkeit, welche dort herabregnet, in Flüssen enthalten ist etc. Auch diese Zwillingserde wird von Erd-WissenschaftlerInnen besucht und deren vermeintliche Wasservorkommen nach erfolgreicher Rückkehr chemischen Analysen unterzogen. Zur allgemeinen Verwunderung enthält jene wasserähnliche Flüssigkeit jedoch gar keine chemischen Elemente und Zusammensetzungen, was einer wissenschaftlichen Revolution zu gleichen scheint. Recherchen zur Entstehungsgeschichte führen irgendwann zu frühgeschichtlichen mystischen Quellen, welche in großer Zahl und hohem Übereinstimmungsgrad davon berichten, dass die Entstehung und das Vorhandensein der Wasserbestände auf der Merde auf wundersame Weise durch Engelstränen zu erklären sei. Als der Planet noch völlig ohne Flüssigkeit war, sammelte sich eine Heerschar von Engeln und begann, über eine sehr lange Zeitspanne hinweg, den Planeten mit Engelstränen zu benetzen. Sie füllten in der Folge Bäche, Flüsse, Seen, später dann auch die Kanalisationen etc. Da es sich um das Produkt rein geistiger Wesen handelt, erklärt sich auch die fehlende chemische Struktur der Merdenflüssigkeit. Weitere inhaltliche Details der Entstehungsgeschichte können wir hier vernachlässigen, logische Widersprüche sind jedenfalls nicht erkennbar, insofern ist die Merde sowohl logisch möglich als auch vorstellbar. Die Konsequenzen, die sich daraus für die Bedeutung des Ausdrucks „Wasser“ ergeben, wären dann allerdings externalistisch nicht mehr zu rekonstruieren. Müssten wir mit Putnam dann annehmen, es gäbe drei Bedeutungen von „Wasser“? Oder aber die mystische Zwillingserde verfüge über gar kein Wasser und alle SprachteilnehmerInnen hätten einen bedeutungslosen Ausdruck verwendet, von dem wir zudem sagen müssten, er hätte, anders als auf Putnams Zwillingserde, nie eine Bedeutung gehabt? Putnam selbst betont an einer Stelle die missverständliche Konsequenz, welche sich aus seiner Analyse natürlicher Prädikate ergeben könnte, dass die Elemente der Extension, auf welche die Eigenschaften zutreffen, zwingend über eine gemeinsame verborgene Struktur verfügten. Denn es könnte sich auch herausstellen, dass bestimmte Flüssigkeitsmengen, welche wir als „Wasser“ bezeichnen, neben den Oberflächeneigenschaften überhaupt keine physikalischen Qualitäten teilten. Dann wären die notwendigen und hinreichenden Bedingungen dafür, dass etwas unter den Begriff des Wassers fällt, auf die Oberflächeneigenschaften der Flüssigkeiten beschränkt. Das stünde ganz in Übereinstimmung mit unseren Überlegungen. Allerdings weist Putnam sogleich im nächsten Punkt darauf hin, dass dies

4.2 Zwillingserden und Engelstränen

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keineswegs die Möglichkeit impliziere, Wasser hätte keine verborgene Struktur bzw. Wasser wäre etwas anderes als H2O. Auch hier zeichnet sich also wieder die Trennung in Intension und Extension ab und die Zuweisungen der Oberflächeneigenschaften bzw. Tiefenstrukturen in die entsprechenden Lager. Im ersten Fall determiniert die Intension sehr wohl die Extension aufgrund der fehlenden verborgenen Struktur, nicht jedoch im Kontext der gegebenen Struktur H2O. Putnam bemerkt: When we say that it could have turned out that water had no hidden structure what we mean is that a liquid with no hidden structure (i. e., many bits of different liquids, with nothing in common except superficial characteristics) could have looked like water, tasted like water, and have filled the lakes etc., etc., that are actually full of water. In short, we could have been in the same epistemological situation with respect to a liquid with no hidden structure as we were actually with respect to water at one time. (Putnam 1996b: 24)

Wir sehen auch hier wieder die Abkopplung epistemischer von metaphysischer Notwendigkeit, da die Identifizierung von Wasser und H2O auch für eine Welt gelten muss, in der die Flüssigkeit, welche die Oberflächeneigenschaften von Wasser erfüllt, deshalb kein Wasser ist, da sie über keine entsprechenden verborgenen inneren Strukturen verfügt. Wenn Putnam über diese alternative Welt allerdings bemerkt, es hätte sich herausstellen können „[…] that the bits we call ‘water’ had no important common physical characteristics, except the superficial ones“ (Putnam 1996b: 24), scheint mir das ein anderer Fall zu sein, als bei XYZ vor 1750. Denn hier kennen wir die innere Struktur tatsächlich noch nicht, in ersterem Beispiel hat die Flüssigkeit keine verborgene Struktur („had no“). So meinen wir in einem solchen Fall vielmehr, Wasser hätte keine verborgene Struktur und nicht etwas, das lediglich ähnliche Oberflächeneigenschaften besäße. Anders formuliert haben wir vor und nach der Entdeckung der fehlenden inneren Struktur mit dem Wort „Wasser“ auch Wasser gemeint, da jene Flüssigkeit sich ausschließlich über die Oberflächeneigenschaften bestimmt und der Ausdruck daher nicht wie im Kontext von XYZ vor 1750 permanent fehlreferiert. Die Zuordnung der elementaren Verbindung zur Extension scheint daher wesentlich der Differenzierung in epistemische und metaphysische Notwendigkeiten geschuldet, denn wenn wir die Tiefenstrukturen analog den Oberflächeneigenschaften der Intension unterordnen, wären wir nicht mehr in den von Putnam beschriebenen selben epistemischen Situationen und die jeweiligen Intensionen würden uns zu verschiedenen extensionalen Elementen bzw. elementaren Verbindungen führen. Sollte es, wie bereits ausgeführt, zu einer Vermischung von H2O und XYZ auf der Erde kommen, wäre es auch nach Putnam korrekt zu sagen, dass wir nun über zwei Arten von Wasser verfügten, analog zu dem Jadeit-Nephrit-Fall. Dann gälte auch für

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XYZ auf der Zwillingserde, eine Art von Wasser zu sein (vgl. Putnam 1996b: 25). Und warum nicht auch für die Engelstränen? Putnam betont zwar nochmals, dass die verborgenen inneren Strukturen den Möglichkeitsraum für die Mitglieder der natürlichen Arten festlegen und zwar in allen kontrafaktischen Welten. So könnte Wasser etwa nur in Form von Wasserdampf existieren, nicht aber in der chemischen Zusammensetzung von XYZ. Allerdings, so Putnams Fazit: „[…] the local water, or whatever, may have two or more hidden structures – or so many that ‘hidden structure’ becomes irrelevant, and superficial characteristics become the decisive ones“ (Putnam 1996b: 25). Aber wenn zwei oder drei, warum nicht auch keine? Wenn die verborgenen Strukturen epistemisch erschließbar sind, wie offensichtlich alle Putnam’schen Beispiele suggerieren, dann besteht auch keine Gefahr der Verwechslung epistemischer mit metaphysischen Notwendigkeiten mehr, sondern es erfolgt schlicht eine Erweiterung der intensionalen Bestimmungen. Und diejenigen ExpertInnen, die über diese neu gewonnenen Determinanten verfügen, sind weniger fehleranfällig in ihrer Anwendung entsprechender sprachlicher Ausdrücke als wir Laien. Denn die Kenntnis der inneren Strukturen natürlicher Arten ist in gleicher Weise ein Wissen, welches die Semantik betrifft, wie das Wissen um ihren Geschmack, ihren Geruch oder die Verbreitungsgrade. Um nochmals festzuhalten, ein Gedankenexperiment besitzt für mich gerade dann mangelnde Überzeugungskraft, wenn es nach der Ceteris-paribus-Annahme aufgebaut ist, im Sinne der Variation nur einer Komponente bei Konstanthaltung aller anderen Bedingungen und der damit verknüpften Unmöglichkeit, die Beeinflussung der ursprünglichen Variation auch epistemisch zu erschließen. Das gälte entweder, wenn wir behaupteten, die Effekte wären epistemisch prinzipiell unzugänglich, wie im Fall streng subjektiv-privater Erlebnisgehalte für dritte Personen, oder aber, wenn gar keine erkennbaren Wirkungen zwischen abhängiger und unabhängiger Variable angenommen werden, wie bei den verschiedenen Zwillingserdenszenarien bzw. kontrafaktischen Situationen. Über solche möglichen Welten lässt sich dann alleine qua Experiment sämtliches behaupten, was wissenschaftlichen und anderen Erkenntnissen widerspräche, solange es nur so angelegt ist, dass eine marginale Veränderung keinerlei Effekte nach sich zieht. Hierin zeigt sich eine Schwäche metaphysisch-realistischer Auffassungen, die Putnam sicher nicht für sich vereinnahmen möchte. Denn das wären genau jene bereits beschriebenen leerlaufenden Räder, welche sich im Mechanismus nicht mitbewegen. So enthält die alleinige Behauptung, etwas sei im Rahmen eines Experimentes schlicht gegeben („given that“), eo ipso kein philosophisches Argument und kann somit auch keinen philosophischen Standpunkt stärken oder verwerfen. Fassen wir zum Abschluss der Putnam’schen Auseinandersetzung nochmals zusammen: Putam liegt völlig richtig darin, dass sich die Bedeutungen sprachlicher Ausdrücke nicht in den „narrow mental states“ erschöpfen können. Das sollten die

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bisherigen Diskussionen über die Privatheit des Bewusstseins und des damit verbundenen epistemischen Zugangs gezeigt haben. Ich denke jedoch nicht, dass Putnam diese Auffassung zu Recht der philosophischen Tradition des Internalismus als Ganzes zuschreiben kann, wie er es offensichtlich bezweckt, wenn er etwa schreibt: „Thus, in spite of the variety of metaphysical theories about the nature of concepts, this much was not doubted: concepts were uniformly thought of as capable of being completely contained in or recollected by ‘the mind’ […] conceived of as a private theatre isolated from other individuals and from the ‘external world’.“ (Putnam 1996a: xv) Gleiches gilt für die nach seiner Auffassung flächendeckende Auffassung, – „[i]t was also taken for granted by almost all the philosophers in the tradition“ (Putnam 1996a: xv) –, dass die Vorstellung im Bewusstsein bzw. ihr „Besitz“ alleine die Extension determiniere. Darüber hinaus sollte klar geworden ein, dass Putnams Externalismus und die Betonung der „hidden structure“ realer Substanzen in dieser Form keine echte Alternative bietet. Hier wird Austins Warnung vor gegenteiligen philosophischen Positionen besonders deutlich. Es geht daher nicht um ein „entweder – oder“. Denn auch der semantische Externalismus Putnams lässt sprachliche Praktiken und die Rolle von Zeichen und ihrer Anwendung für die Frage nach der Bedeutung von „Bedeutung“ großteils außer Acht, obgleich der Name des Etiketts etwas anderes vermuten lassen könnte. In diesem Sinne sind sich beide Positionen gleich, da sie die eigentliche Rolle von Sprache und ihrer Anwendung weder in Bezug auf unsere Bewusstseinsinhalte noch in Relation zur extramentalen Welt in angemessener Weise thematisieren. Auch Putnams stete Betonung der Verwechslung epistemischer und metaphysischer Notwendigkeiten, welche uns in Kripke wiederbegegnen wird, ist hier nicht zielführend, wenn wir davon ausgehen, dass unser Zugang zur Welt sprachlicher Natur ist, in Verknüpfung mit Erfahrungen, wissenschaftlichen Erkenntnissen und zwischenmenschlichen Praktiken der uns umgebenden Welt. Oder wie Wittgenstein es an einer Stelle formuliert, beginnend mit den Worten seines philosophischen Gegenparts: „,So sagst du also, daß die Übereinstimmung der Menschen entscheide, was richtig und was falsch ist?‘ – Richtig und falsch ist, was Menschen sagen; und in der Sprache stimmen die Menschen überein. Dies ist keine Übereinstimmung der Meinungen, sondern der Lebensform.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 241)

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4.3 Erlebnisgehalt, physikalisches Wissen und sprachlicher Bezug. 4.3.1 „What is it like to be?“ Wie sich in unseren Diskussionen bereits gezeigt hat, lassen sich die Argumente gegen ExternalistInnen, die die Verbindung zwischen Sprache und extramentalen Bezugsobjekten meinem Verständnis nach als zu eng auffassen, in gleicher Weise auf die bereits mehrfach angesprochene spezifische Ausrichtung einer internalistischen Semantik anwenden, welche die Bedeutung sprachlicher Zeichen nicht durch ihre Verwendungsweisen gerechtfertigt sieht, sondern durch einen entsprechenden subjektiven Erlebnisgehalt, wie wir es etwa bei Humes „Impressions“ gesehen haben. Hier drängt sich unmittelbar die Frage auf, ob es dadurch ausgeschlossen ist, dass eine menschliche Person über einen Begriff ohne zugrundeliegenden Erfahrungsgehalt verfügt, wie wir es aus der empiristischen Tradition bereits kennen. Alternativ dazu finden wir zahlreiche Gedankenexperimente, welche aufgrund der angesprochenen willkürlichen Verknüpfung zwischen Sprache und Mentalem zu zeigen versuchen, dass uns Sprache keinen eindeutigen Hinweis auf die psychischen Zustände dritter Personen gibt, da trotz gleicher Wortverwendung widerspruchsfrei angenommen werden kann, dass die jeweiligen mentalen Bezugsobjekte hinsichtlich ihres Inhalts differieren, wie im Fall von Lockes Veilchen und Ringelblume bzw. Wittgensteins Beispiel eines inversen Spektrums. Bei den im Folgenden diskutierten Gedankenexperimenten werden wir feststellen, dass die sprachlichen Verwendungsweisen und ein damit verbundenes knowing how, das heißt, die Fähigkeit, Ausdrücke zu verstehen, angemessen anzuwenden, Bezugsgegenstände zu differenzieren etc., weitgehend ausgeblendet sind und vielmehr ontologische bzw. epistemische Fragen im Vordergrund stehen, die eine spezifische philosophische Position als falsch ausweisen sollen. Wir werden auch hier versuchen, aus einer Innenperspektive der jeweiligen Experimente mögliche Schwächen und Inkonsistenzen aufzuzeigen. Dazu sollen zunächst ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu Qualia und Physikalismus dienen. Qualia werden üblicherweise als Eigenschaften subjektiver Erfahrung bestimmt. Es geht daher weder um die Frage, welche Wirkungen mentale Zustände auf die jeweiligen perzipierenden Subjekte ausüben, etwa, dass der Genuss von Schokolade oder Beethovens fünfte Symphonie ein angenehmes Gefühl bereiten oder das Wahrnehmen der Farbe Rot zu aggressivem Verhalten führen kann, noch um intrinsische Eigenschaften der perzipierten Gegenstände, sondern vielmehr um Qualitäten der Erfahrungsakte bzw. Russell’schen „sensations“. Ned Block bemerkt: „Qualia are experimental properties of sensations, feelings, perceptions, and more

4.3 Erlebnisgehalt, physikalisches Wissen und sprachlicher Bezug.

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controversially, thoughts and desires as well“ (Block 2004). Alternative Formulierungen sprechen davon, wie es sich anfühlt – „the way it feels“ (Block 2004) oder „how it feels“ (Nida-Rümelin 2009) – eine spezifische Erfahrung zu haben, bzw. dass es etwas gibt, wie es ist, X zu sein – „there is something it is like to be“ –, eine Formulierung, die sich insbesondere in Nagels Diskussion subjektiver Erlebnisgehalte findet (vgl. T. Nagel 1974: 436; T. Nagel 1987: 34 – 35; Tye 2017). Auch David Chalmers betont den Aspekt des Subjektiven der Qualitäten von Erfahrungen und stellt sie in unmittelbare Verbindung zum menschlichen Bewusstsein: Ein mentaler Zustand ist dann bewusst „[…] if it has a qualitative feel – an associated quality of experience. These qualitative feels are also known as phenomenal qualities, or qualia for short. The problem of explaining these phenomenal qualities is just the problem of explaining consciousness“ (Chalmers 1997: 4). So trennt auch Chalmers offensichtlich zwischen mentalem Zustand einerseits und seinen „qualitative feels“ andererseits, da es sich bei diesen „feels“ um Qualitäten bewusster mentaler Zustände handelt. Interessant ist an dieser Stelle auch die Verwendung des Ausdrucks „associated“, den wir bereits aus Putnams Rekonstruktion von Intensionen oder der Diskussion einer privaten Sprache kennen, allerdings im Zusammenhang der Assoziation eines Namens mit einer „idea“. So bemerkt Putnam etwa über die internalistische Position: […] the idea in the mind, or the possession or recollection of the idea by the mind, determines the extension of the „name“ associated with the idea or concept (Putnam 1996a: XV–XVI). Und die Vertreterin einer privaten Sprache entgegnet dem Wittgentein’schen Einwand auf die Frage, wie ich meine Empfindungen mit Wörtern bezeichne, wenn ich es nicht wie gewöhnlich tue, indem die entsprechenden Ausdrücke mit meinen natürlichen Empfindungsäußerungen verknüpft und daher nicht privat sind, wie gesehen mit den Worten: „Und nun assoziiere ich einfach Namen mit den Empfindungen und verwende diese Namen in einer Beschreibung. – “ (Wittgenstein 1989a, PU: § 256). Aber das ist offensichtlich nicht die Art von Assoziation die Chalmers vorschwebt, da in seiner Bestimmung von Qualia gerade kein „assoziierter“ Bezug zum entsprechenden sprachlichen Ausdruck zu finden ist. Und bekanntlich stößt Nagel in das gleiche Horn, wenn er über „meinen Freund“ bemerkt: „[…] he, like you, uses the word ‘red’ for the color that blood and fire engines look to him, whatever it is. Maybe it’s what you call yellow, or what you call blue, or maybe it’s a color experience you’ve never had, and can’t even imagine.“ (T. Nagel 1987: 21) Diverse Gedankenexperimente, wie inverse Spektren oder „absent qualia“, dienen nun der Zurückweisung funktionalistischer, intentionaler und kognitivistischer Theorien, da diese gerade nicht den qualitativen Aspekt von Erfahrungen erfassen können (vgl. Block 2004; T. Nagel 1974). Ein zentraler Punkt ist hierbei, dass auch reduktionistische Analysen über geistige Zustände begrifflich vereinbar sind

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mit der Abwesenheit subjektiver Erfahrungsqualitäten. Daher könnten wir auch Maschinen oder Zombies intentionale oder funktionale Zustände zuschreiben, wenn sie sich wie menschliche Wesen verhielten, ohne zugleich zu behaupten, sie verfügten dabei auch über das qualitative Gefühl, sich in einem solchen Zustand zu befinden, bzw. machten nun auch eine Erfahrung. Gleiches gilt für die Rekonstruktion der kausalen Rolle von Erfahrungen in Beziehung zu spezifischen menschlichen Handlungsweisen. Insofern sprechen wir nur dann von einer bewussten Erfahrung, wenn es sich für das Subjekt der Erfahrung auch auf eine gewisse Art anfühlt, diese Erfahrung zu haben (vgl. T. Nagel 1974 und T. Nagel 1987: ch. 4). Das jeder singulären Erfahrung einzigartige qualitative Gefühl bestimmt somit die Art und Weise, wie es sich anfühlt, sie zu haben. In diesem Sinn wird Bewusstsein definiert mittels der „qualitative feels“ menschlicher Erlebnisse. Eine bewusste Erfahrung hat ein Lebewesen nur dann, wenn es sich auch auf eine gewisse Weise für dieses Lebewesen anfühlt, jene Erfahrung zu haben, und eine Erfahrung ist nur dann eine bewusste Erfahrung, wenn es etwas gibt, wie es für das Subjekt ist, gerade diese Erfahrung zu haben (vgl. Hacker 2002: 160 – 162). Auch Thomas Nagel wendet in „What is it like to be a bat?“, den Ausdruck des „there is something it is like to be“ nicht nur auf singuläre Erlebnisse an, sondern auf ganze Organismen und knüpft daran seine Bestimmung bewusster mentaler Zustände. So bemerkt er: […] the fact that an organism has conscious experience at all means, basically, that there is something it is like to be that organism. There may be further implications about the form of the experience; there may even (though I doubt it) be implications about the behavior of the organism. But fundamentally an organism has conscious mental states if and only if there is something that it is to be that organism – something it is like for the organism. We may call this the subjective character of experience. (T. Nagel 1974: 436)

Für Nagel stellt sich hierbei das zentrale Problem, wie eine Erklärung der physikalischen Natur mentaler Phänomene aussehen könnte. Denn sie lassen sich nicht in gleicher Weise ausschließen, wie im Fall der physikalischen Reduktion gewöhnlicher Substanzen wie Wasser, indem wir die phänomenalen Eigenschaften lediglich als Effekte auf das menschliche Bewusstsein erklären, da wir die Qualitäten selbst physikalistisch rekonstruieren müssten. Wenn wir den Begriff der Erfahrung von vornherein als rein phänomenal und subjektiv einführen, scheint mir das jedoch eine recht triviale Erkenntnis, da es innerhalb der Begrifflichkeit subjektiver Erfahrungsgehalte keinen Sinn macht, zwischen „wie es mir scheint“ und „wie es tatsächlich ist“ zu differenzieren. Wenn wir allerdings an einer strikten Trennung zwischen mentalistischen und physikalistischen Termen festhalten wollen (vgl. T. Nagel 1974: 447), können wir dann nicht, wie gesehen, im Gegenzug behaupten, eine phänomenale Sprache wäre nicht in der Lage, physikalistische Zu-

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stände und Prozesse zu erklären, da uns diese Zustände und Vorgänge erfahrungsgemäß nicht zugänglich sind? Allerdings scheint sich diese sprachliche Unzulänglichkeit dann nicht nur auf physikalische Tatsachen und Abläufe zu beziehen, sondern auch auf die behaupteten qualitativen Eigenschaften menschlicher Erfahrungen. So liefern uns VertreterInnen einer Qualiaontologie jedenfalls keine deskriptive Antwort auf die Frage, wie es sich tatsächlich anfühlt, eine bestimmte Erfahrung zu haben oder einer spezifischen Art anzugehören. Dennoch wissen wir scheinbar zweifellos, sowohl, wie es sich anfühlt, eine spezifische Erfahrung zu machen, als auch, wie es ist ein Mensch zu sein. Die, wie ich sie nennen möchte, „Unausprechlichkeitsthese“ mit Bezug auf die Bestimmung von Qualia scheint daher offensichtlich den naheliegenden Sinn von „how it feels“ auszuschließen. Nach diesem können wir zahlreiche Antworten auf die Frage geben, wie es sich anfühlt, etwa Trüffel zu essen, Bier zu trinken oder ein Baudenkmal zu betrachten. So fühlen sich manche Erfahrungen angenehm, seltsam oder schmerzhaft an, andere wiederum anstrengend oder erholsam, wohltuend oder abstoßend. Auf diese Weise kann das erlebende Subjekt seine persönlichen Einstellungen zu einem spezifischen Erlebnis zum Ausdruck bringen, die durch seine Biographie, das Zusammenspiel bisheriger Erfahrungen, sein sozio-kulturelles Umfeld und andere Faktoren geprägt sind. In vielen alltäglichen Wahrnehmungssituationen können wir jedoch keine solchen unmittelbaren Effekte auf unser Bewusstsein feststellen, etwa wenn wir die uns umgebenen Gegenstände betrachten oder vertraute Geräusche unseres Alltags wahrnehmen etc. Insofern haben wir meist keine spezifischen Einstellungen zu einem bestimmten Wahrnehmungserlebnis. Noch schwieriger wird dieser Punkt, wenn wir den Begriff des Quale auf Gedanken oder Rechenvorgänge erweitern, die wir im Kopf durchführen (vgl. Block 2004). So sollen wir nach Nagel die Frage nach dem Wie menschlicher Erfahrung jedoch nicht verstehen. Denn das Quale ist ein unmittelbarer Bestandteil eines Erlebnisses und nicht ein Effekt des Erlebnisses auf das jeweilige Subjekt. Im Zusammenhang von „meinen“ und „beabsichtigen“ bemerkt Wittgenstein hingegen: „Das Meinen ist sowenig ein Erlebnis, wie das Beabsichtigen. Was unterscheidet sie aber vom Erlebnis? – Sie haben keinen Erlebnisinhalt. Denn die Inhalte (Vorstellungen z. B.), die sie begleiten und illustrieren, sind nicht das Meinen oder Beabsichtigen.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 557). An anderer Stelle bemerkt er entsprechend, dass man Absichten ‚Dispositionen‘ nennen könnte, da sie keine Bewusstseinszustände seien und ohne echte Dauer wären, der Ausdruck sei jedoch insofern irreführend, als dass man solche entsprechenden Dispositionen gerade nicht mittels Erfahrung wahrnimmt (vgl. Wittgenstein 1991c, BPP II, 178; vgl. dazu auch Munz 2022: 159 – 162). Insofern ist dann nicht zu erkennen, wie „etwas zu meinen“ im Vergleich zu „etwas zu beabsichtigen“ ein mentaler Zustand sein soll,

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der sich schlicht auf andere Weise anfühlt. Und gleiches könnten wir auch von Gedanken und Rechenvorgängen oder anderen mentalen Vorkommnissen sagen. In einem anderen Sinn können wir behaupten, dass es sich anders anfühlt, Bier zu trinken als Wein, eine Rose zu riechen oder Bärlauch, Beethoven zu hören oder Jazz. Das impliziert jedoch nicht zwingend, dass sich die jeweilige subjektive Qualität solcher Erfahrungen unterschiedlich anfühlt. Denn üblicherweise identifizieren und differenzieren wir Erfahrungen über den Erfahrungsakt und -inhalt eines Subjektes, und daher bedarf es keines Rückgriffs auf die „phenomenal feels“, um unterschiedliche Erfahrungen zu explizieren. Eine Rose zu betrachten, ist verschieden davon, sie zu riechen, ein Glas Bier zu trinken, schmeckt anders als ein Glas Wein. Der Unterschied im ersten Fall erklärt sich durch den unterschiedlichen Wahrnehmungsakt, im zweiten Fall durch das differente Objekt der Erfahrung, denn Bier schmeckt anders als Wein. Dadurch können wir zwei unterschiedlichen Akten oder Inhalten durchaus gleiche Prädikationen zuschreiben, und dadurch ginge der individuelle Charakter eines Quale verloren (vgl. hierzu auch Hacker 2002: ch. 3). So kann das Hören eines Stückes in mir gleiche Einstellungen hervorrufen, wie das Betrachten eines Kunstwerkes und Gleiches gilt etwa für das Konsumieren verschiedener Süßspeisen. In einem weiteren Sinn kann ich das Gefühl einer bestimmten Erfahrung in Bezug bringen zu einem gleichwertig empfundenen Erlebnis, wenn ich etwa sage: „Den Berggipfel erklommen zu haben, fühlte sich an wie der Zieleinlauf meines ersten Marathons“. Aber auch die komparative Verwendungsweise im Sinne von „ving is like w-ing“ wird von Nagel explizit ausgeschlossen. Insofern muss die Antwort auf die Frage „wie es ist“ oder„wie es sich anfühlt“ seitens der QualiavertreterInnen tatsächlich unbeantwortet bleiben. Stattdessen wird wieder an unsere nicht-philosophische, menschliche Intuition appelliert, da wir schließlich permanent Erfahrungen und damit assoziierten phänomenalen Qualitäten ausgesetzt sind. Wer noch eine Antwort auf die Frage erwarte, werde es wohl niemals wissen. Dieser Punkt ist umso erstaunlicher, als dass VertreterInnen solcher subjektiver Qualitäten ihren physikalistischen GegnerInnen vorwerfen, jene Eigenschaften von Erfahrungen nicht in einer physikalischen Sprache erfassen zu können, sich zugleich jedoch selbst nicht in der Lage sehen, eine adäquate semantische Bestimmung eines solchen „feels“ zu liefern, außer, dass es sich in einer eigentümlichen Weise „auf eine bestimmte Weise anfühlt“. Die angeführten möglichen Verwendungsweisen einer solchen Formulierung werden dabei explizit ausgeschlossen. Denn wir können solchen Gebräuchen auch Sinn verleihen, ohne dabei die Existenz subjektiver Qualitäten anzunehmen. Wenn Nagel den Aspekt des Subjektiven stets mit einer bestimmten Perspektive verknüpft, von welcher im Fall objektiver Tatbestände abgesehen werden kann, setzt er den Aspekt des Objektiven und Physikalistischen scheinbar gleich. Insofern

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macht für ihn der objektive Charakter eines Erlebnisses, unabhängig von einer bestimmten subjektiven Perspektive, keinen Sinn (vgl. T. Nagel 1974: 443). Denn PhysikalistInnen vertreten nach Nagel die Überzeugung „[…] that nothing exists but the physical world that can be studied by science: the world of objective reality. But then they have to find room somehow for feelings, desires, thoughts, and experiences – for you and me – in such a world“ (T. Nagel 1987: 35), bzw.: „[…] people consist of nothing but physical matter, and […] their mental states are physical states of their brains […] Physicalists don’t have a specific theory of what process in the brain can be identified as the experience of tasting chocolate, for instance. […] The details will have to be discovered by science“ (T. Nagel 1987: 31). Welche Identifizierungskriterien wir hingegen verwenden sollten, um das Schmecken von Schokolade vom Schmecken einer Banane unterscheiden zu können, nennt uns Nagel bedauerlicherweise nicht. So bleiben wieder nur die subjektiven „qualitative feels“ und auch sie unterliegen wohl dem Gebot der gegenwärtigen Einzigartigkeit. Denn die Erinnerung an meinen letzten Bissen Schokolade fühlt sich doch sicher anders an, als wenn ich gerade jetzt davon koste. Und warum sollten wir nicht weiters behaupten, Erfahrungen hätten insofern einen objektiven Aspekt, als dass sie von mehr als einer Person erlebt oder gehabt werden können, denken wir nur an Putnams und Davidsons typengleiche mentaler Zustände? Wäre in diesem Sinn etwa die Erfahrung der Trunkenheit oder Übelkeit nicht jeder Person freigestellt? Hier sind zumindest keine physikalistischen Begrifflichkeiten involviert. Und bedienen wir uns in solchen Kontexten nicht oft wissenschaftlichen Erklärungen mentaler Zustände und versuchen, den Ursachen entsprechend entgegenzuwirken? Depressive Zustände betroffener Personen weisen im Vergleich zu gesunden Menschen einen niedrigeren Serotonin- und Noradrenalinspiegel auf. Schmerzen lassen sich oft neurophysiologisch erklären und mittels bestimmter chemischer Zusammensetzungen behandeln etc. Darüber hinaus schildern wir in unzähligen Kommunikationssituationen anderen unsere Erfahrungen oder halten sie für uns selbst schriftlich fest, zeichnen sie aus der Erinnerung auf etc. Auf der Grundlage solcher Beschreibungen entscheiden sich Menschen manchmal, ähnliche Erfahrungen machen zu wollen oder entsprechende Erlebnisse zu vermeiden, wenn es sich um für sie unangenehme Darstellungen handelt. Auf ihrer Basis werden medizinische Diagnosen gestellt und Therapien verordnet etc. Und selbst Nagel räumt ein, dass wir sehr wohl sinnvoll von phänomenologischen Fakten als objektiv sprechen können: There is a sense in which phenomenological facts are perfectly objective: one person can know or say of another what the quality of the other’s experience is. They are subjective, however, in the sense that even this objective ascription of experience is possible only for someone suffi-

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ciently similar to the object of ascription to be able to adopt his point of view—to understand the ascription in the first person as well as in the third, so to speak. (T. Nagel 1974: 4)

Besonders interessant an dieser Stelle ist die Bemerkung, dass nun auch die Sprache ins Spiel kommt, insofern ich wissen oder sagen kann, was die Eigenschaften der Erfahrung einer anderen Person sind. Es steht natürlich außer Frage, dass die Person, welche Zuschreibungen an Dritten vornimmt, mit dem Zuschreibungsinhalt „ausreichend“ vertraut sein muss, um auch in der Lage zu sein, mentale Prädikationen korrekt zuzuschreiben. Dieses „ausreichend“ gestaltet sich in vielen Fällen so umfangreich wie die entsprechenden Erfahrungen selbst und stößt irgendwann auch an seine Grenzen. Das gilt insbesondere für solche Erfahrungen, die nicht mit spezifischen Verhaltensweisen verknüpft sind oder sich auf Zuschreibungen beziehen, die uns nur über einen Wahrnehmungssinn zugänglich sind. Das heißt jedoch nicht im Umkehrschluss, dass es grundsätzlich ausgeschlossen ist, subjektive Erlebnisse anderen zu kommunizieren, und auch nicht, dass eine zugrundeliegende Erfahrung die notwendige Voraussetzung für den entsprechenden Begriffserwerb bilden muss, wie wir es etwa aus der empiristischen Tradition kennen: So stellt etwa Norman Malcolm die Frage, was genau es heißt, zu wissen, was Schmerzen sind (vgl. Malcolm 1971: 44 – 50). Eine einheitliche Definition des Wortes „Schmerz“ können wir nicht geben, da wir kein allgemeines Kennzeichen sämtlicher Schmerzempfindungen benennen können, welches sie überhaupt zu Schmerzempfindungen macht. Im Fall der ersten Person bemerkt Malcolm: „‘From my own experience I grasp the essential thing.’ But what is the essential thing? We have no reason to think that there is an essential nature of pain something common to all pain that makes it pain.“ (Malcolm 1971: 45; zum Begriff des Spiels und des Blatts vgl. entsprechend Wittgenstein 1989a, PU: §§ 69 – 77) Das heißt keineswegs, dass es keine wesentlichen Kriterien gibt, die eine Person erfüllen muss, damit wir annehmen können, sie verstünde den Schmerzbegriff. So sollte die Person zunächst in der Lage sein, anderen Personen wahrheitsgemäß Schmerzen zuzuschreiben, das heißt, mit charakteristischen Schmerzäußerungen und schmerzbedingten Verhaltensweisen anderer Menschen vertraut sein und eine entsprechende Einstellung gegenüber Personen, die sich in Schmerzen befinden, zeigen. Zur Veranschaulichung dieses Punktes führt Malcolm die Figur Robinson ein, der Zeit seines Lebens noch nie Schmerz empfunden hat. Allerdings ist er mit den genannten Kriterien aufgrund zahlreicher Beobachtungen, Gespräche etc. sehr gut vertraut und daher auch in der Lage, zu verifizieren, ob sich eine andere Person in einem konkreten Schmerzzustand befindet. „Robinson knows the ‘value’ of pain, as well as possessing a normal ability to determine whether others feel pain.“ (Malcolm 1971: 46) Darüber hinaus ist Robinson mit den Verhaltensweisen in Schmerzsituationen so gut vertraut, dass er jederzeit authentisch Schmerzzustände simulieren könnte. Aber

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würde er die Anwendung des Schmerzbegriffs im eigenen Fall beherrschen? Nehmen wir dazu an, Robinson befände sich in medizinischer Behandlung, die dem Zweck dienen soll, ihm leichte Schmerzen zuzufügen. Trotz dieses Versuches mittels Injektionen empfindet er nach wie vor keine Schmerzen. Würden wir dann nicht sagen, der von ihm geäußerte Satz „Ich empfinde keine Schmerzen“ sei wahr? Und hätte Robinson dann nicht auch ein Verständnis der gegenteiligen Behauptung? Malcolm betont in diesem Zusammenhang unsere starke Neigung, anzunehmen, es sei logisch bzw. begrifflich unmöglich, dass eine Person, die niemals Schmerzen empfunden hat, dennoch die Bedeutung des Wortes „Schmerz“ kennen könnte und sieht in Robinson offensichtlich ein Gegenszenario zu dieser Auffassung. Es wäre natürlich auch denkbar, dass ein Mensch mit Robinsons fehlenden Schmerzerlebnissen keine entsprechenden Einstellungen gegenüber leidenden Mitmenschen entwickelt, kein Schmerzverhalten simulieren kann etc., ähnlich einer Person, die nie das Gefühl der Eifersucht erlebte und daher möglicherweise entsprechende Verhaltensweisen anderer falsch interpretiert oder gar nicht versteht. Dabei handelt es sich allerdings nur um eine kontingente Tatsache und keine begriffliche Bestimmung: „[…] the view I am disputing says as a matter of conceptual possibility, not of contingent fact, someone who had never experienced pain could not understand the word. If this were so, there would have to be something self-contradictory or incoherent in my total description of Robinson’s case. But this is not so. No inconsistency can be detected“ (Malcolm 1971: 48). Allerdings stößt auch diese Auffassung an ihre Grenzen, wenn es um Erfahrungsinhalte geht, welche uns nur durch einen Sinn gegeben sein können und uns dieser Sinn aufgrund eines organischen Fehlers nicht zur Verfügung steht, wie im Fall blinder oder tauber Personen. So bemerkt wiederum Locke: „First, There are some Ideas, which have admittance only through one Sense, which is peculiarly adapted to receive them.“ (Locke 2011: II, iii, 1; 121) Als Beispiele nennt Locke Licht oder Farben, Geräusche oder Töne, Geschmäcker und Gerüche: And if these Organs, or the Nerves which are the Conduits to convey them from without to their Audience in the Brain, – the mind’s Presence-room (as I may so call it) – are any of them so disordered as not to perform their Functions, they have no Postern to be admitted by; no other way to bring themselves into view, and be perceived by the Understanding. (Locke 2011: II, iii, 1; 121)

Diesen Punkt räumt auch Malcolm ein (vgl. Malcolm 1971: 48 – 50) und hier wirkt das empiristische Grundprinzip am überzeugendsten, nachdem ein bestimmter Ausdruck keine Signifikanz besitzt, wenn ich nicht über eine dadurch bezeichnete Idee bzw. Impression verfüge. Das sind allerdings sehr spezifische Fälle von Erlebnissen, welche keinen grundsätzlichen Einwand gegen die Annahme bilden, Erfahrungen

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seien sprachlich nicht erfassbar und anderen KommunikationsteilnehmerInnen vermittelbar. Nun könnte man auf das Argument, es sei nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern nur hinsichtlich des Erfahrungstypus eingeschränkt, anderen meine subjektiven Erfahrungen mitzuteilen, wenn diese „ausreichend“ mit den Inhalten meiner Zuschreibungen vertraut sind, mit Nagel erwidern, es ginge nicht um die Darstellung oder Beschreibung spezifischer Erfahrungen, sondern vielmehr um die Erfahrungen selbst. So bemerkt er etwa, dass auch Fledermäuse und andere entwickelte Organismen über Erfahrungen verfügen, auch wenn sie keiner Sprache mächtig sind. Das sind für Nagel Erfahrungen, die sich uns begrifflich nicht erschließen lassen, da uns die entsprechende interne Perspektive fehlt. In diesem Sinne müssen wir von Fakten ausgehen, die uns prinzipiell unzugänglich sind. Diese Tatsache scheint mir allerdings nicht dafür geeignet, eine philosophische Theorie zu verwerfen bzw. Behauptungen über phänomenale Qualitäten menschlicher Erfahrungen zu rechtfertigen. Im Kontext der Eigenschaften menschlicher Erfahrungen betont Nagel explizit, dass es ihm dabei um keine „privaten“ Erlebnisse individueller Subjekte geht, die nur der ersten Person vorbehalten sind und verwendet in diesem Kontext den Ausdruck „type“, jedoch nicht in Bezug auf typengleiche Erfahrungen, sondern artgleiche Wesen. Hierin zeigt sich für mich der schwierigste Punkt in Nagels Text, wenn er davon spricht, dass es sich auf eine spezifische Weise anfühlt, ein Mensch zu sein. Wie findet sein Konzept qualitativer Erlebnisgehalte hier Anwendung? Zunächst könnten wir erwidern, dass es sich im Fall, ein Mensch zu sein, gar nicht um eine spezifische Erfahrung handelt. Allerdings spricht Nagel explizit von einem Faktum, über das wir auch ein Wissen haben. Und nicht-menschlichen Organismen gegenüber können wir diese „Erfahrung“ nicht kommunizieren. Interessanterweise sieht Nagel diese Auffassung in Analogie zu einer blinden Person, der wir keine Farbbegriffe vermitteln können. Jedoch handelt es sich bei Wahrnehmungen tatsächlich um eine spezifische Erfahrung im Gegensatz zu der Tatsache, dass meine Mitmenschen und ich derselben Spezies angehören. Wenn wir der Frage „Wie ist es, ein Mensch zu sein?“ Sinn verleihen wollen, würden wir üblicherweise auf menschliche Verhaltensweisen, Kommunikation, Praktiken, evolutionäre Entwicklungen oder spezifische biologische Eigenschaften rekurrieren. Wie sollten wir uns jedoch eine Gesprächssituation vorstellen, in der sich eine solche Frage überhaupt stellt? Wem etwa sollten wir versuchen, die Erfahrung, Mensch zu sein, begrifflich zu vermitteln, wenn Nagel von vornherein ausschließt, dass nicht-menschliche Organismen überhaupt Zugang dazu haben können gleich dem Fall von Geburt an blinder Personen und Farberlebnissen? Denn Mitgliedern der Spezies Mensch ist dieses Gefühl, wie es ist, Mensch zu sein, ohnehin gegeben und bekannt. (Möglicherweise könnten solche begrifflichen Be-

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stimmungen nützlich sein, in Fällen, in denen einer Person aus einer anderen Sprachgemeinschaft die Bedeutung des Wortes „Mensch“ nicht bekannt ist). Im Rahmen seinen berühmten Fledermausexperimentes gesteht Nagel zwar ein, dass wir uns vorstellen könnten, wie es wäre, eine Fledermaus zu sein, indem wir auf die gerade genannten physikalischen bzw. biologischen Eigenschaften, Verhaltensweisen, Lautäußerungen etc. Bezug nehmen. Das ist jedoch nicht sein Punkt. Denn die eigentlich entscheidende Frage lautet, wie es für eine Fledermaus ist, eine Fledermaus zu sein. Hier ist jedoch nicht klar, was genau wir uns nicht vorstellen können und welche Gründe es dafür gibt. In einem Sinn kann ich mir nicht vorstellen, eine Fledermaus, ein Elefant oder eine Schildkröte zu sein, weil ich keiner dieser Tiergruppen zugehörig bin. Oder wie sollte ich mir vorstellen, kein Mensch zu sein? Selbst wenn ich einer kafkaesken Verwandlung zum Opfer falle und am Morgen als Fledermaus aufwachte, wäre es noch immer ich im Körper dieser Fledermaus und diese Variante schließt Nagel explizit aus. Dann müsste ich mir allerdings vorstellen, von mir verschieden zu sein, was der Satz der Identität offensichtlich verbietet. Anders ausgedrückt könnte ich keinen Bezug mehr zwischen der entstandenen Fledermaus und mir herstellen. Insofern scheint mir die Unmöglichkeit, zu wissen, wie es ist, eine Fledermaus zu sein, keine psychologische, die sich durch die Eingeschränktheit meines Vorstellungsvermögens erklärt – so spricht Nagel etwa von einer unvollständigen Extrapolation unseres eigenen Falles als Teil der Vorstellung, eine Fledermaus zu sein (vgl. T. Nagel 1974: 438) –, sondern vielmehr eine logische. In diesem Sinn kann ich mir weder vorstellen, kein Mensch zu sein und stattdessen eine Fledermaus, noch verschieden von mir selbst zu sein. Dennoch spricht Nagel an mehreren Stellen von einer bestimmten Erfahrung, wie es ist, Mensch zu sein, und dass wir auch wissen, wie es ist, wir zu sein etc. Wie sollen wir jedoch die Formulierung „wie es für einen Menschen ist, Mensch zu sein“ überhaupt verstehen, wenn nicht im bereits angesprochenen Sinn, „wie es ist, ein Mensch zu sein“? Hier können wir mögliche Antworten geben wie „manchmal anstrengend und kräftezehrend“, „angenehmer als ein Regenwurm“, „eine Achterbahn“, „ein Geschenk des Himmels“ etc. Die Frage, wie es für einen Menschen ist, ein Mensch zu sein, macht jedoch keinen Sinn, wenn die beiden Ausdrücke in Subjekts- und Prädikatsposition nicht austauschbar sind. So kann ich zwar fragen, wie es für eine Lehrerin ist, eine Lehrerin zu sein, im Gegensatz zu einer Forscherin, oder wie es für eine Frau ist, eine politische Karriere einzuschlagen, im Gegensatz zu einem Mann etc. Ich kann aber nicht fragen, wie es für einen Menschen ist, ein Mensch zu sein, im Gegensatz etwa zu einer Fledermaus, da ich von etwas, das kein Mensch ist, nicht sagen kann, es sei ein Mensch (vgl. hierzu auch Hacker 2002: ch. 4). Darüber hinaus stellt sich weiterhin die Frage, ob wir tatsächlich davon sprechen können, es sei eine Erfahrung, wie es ist, ein Mensch zu sein, oder es fühle sich

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auf eine bestimmte Weise an, wenn wir eine persönliche Einstellung zum menschlichen Leben, wie oben angedeutet, explizit ausschließen und dass wir Menschen auch wüssten, wie es sei und es daher keiner begrifflichen Explikation bedürfe. Denn so zeigt sich nicht nur im Kontext individueller Erlebnisse und entsprechender phänomenaler Qualitäten die Unmöglichkeit, diese auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen, sondern ebenso auf der Ebene typengleicher Erfahrungen, die sich in diesem Zusammenhang offensichtlich darin erschöpfen, einer bestimmten Spezies anzugehören. Das erregt zumindest den Verdacht, dass es sich bei der Tatsache, ein Mensch zu sein und keine Fledermaus, um keine spezifische Erfahrung handelt, die sich etwa auch anders gestalten könnte. Insofern sehe ich nicht, wie Nagel mit seinem Experiment der Fledermaus die These verdeutlichen will, der Physikalismus könne keine Explikation der physikalistischen Natur mentaler Phänomene bieten, wenn es sich bei der Unmöglichkeit zu wissen, wie es für eine Fledermaus ist, eine Fledermaus zu sein, um eine logische handelt. Darüber hinaus sollte die Diskussion gezeigt haben, dass wir jenen zentralen Begrifflichkeiten innerhalb der Qualiadebatte, – „wie es sich anfühlt“, „wie es für X ist X zu sein“ etc. – keinen oder nur explizit ausgeschlossene Sinne geben können. Auch Daniel Stoljar und Yujin Nagasawa nehmen in ihrer Einleitung zum Essayband über phänomenales Bewusstsein und Jacksons „knowledge argument“ Stellung zu Nagels Gedankenexperiment und seiner zentralen Behauptung, wir menschliche Wesen könnten nie wissen, wie sich die Erfahrungen von Fledermäusen anfühlten, und wie es wäre, eine Fledermaus zu sein, da wir ihnen zu unähnlich seien. Dabei stellen auch sie die Frage, wie aus dieser „knowledge intuition“ tatsächlich eine Gefahr für den Physikalismus entstünde. […] the reason that physical knowledge doesn’t yield phenomenal knowledge in this case is that it is impossible for us to attain the concepts to formulate the relevant phenomenal knowledge in the first place. On the other hand, if this is the explanation for the knowledge intuition, it is difficult [to] see that it places physicalism under threat. After all, physicalism does not entail that we humans must be able to imagine or conceive the experiences of bats (Stoljar und Nagasawa 2004: 11).¹⁰

Das ist genau der Punkt und wir können diese Tatsache lediglich anerkennen.

10 Die Originalformulierung “[…] the reason that physical knowledge doesn’t yield phenomenal knowledge in this case is that is that is impossible for us […]” wurde an entsprechender Stelle korrigiert.

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4.3.2 Farben und Farbbegriffe. Fred und Mary Auch Frank Jackson bezieht sich im Kontext seiner erstmals eingeführten Gedankenexperimente über Mary und Fred auf Nagels Fledermausbeispiel und grenzt sich dabei explizit von Nagels „knowledge intuition“ ab. Im Fall von Fred, der über eine herausragende und einzigartige Farbwahrnehmung verfügt, die es ihm erlaubt, spezifische Farbunterscheidungen vorzunehmen, kann auch ein vollständiges physikalisches Wissen über Wahrnehmungsvorgänge und physiologische Details Freds Fähigkeit betreffend in keiner Weise seine spezifischen Erfahrungen erfassen. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Erkenntnis über Fred und seine Farbwahrnehmungen, und nicht darüber, wie es ist, Fred zu sein. Und so betont auch Jackson expizit, dass das von Nagel gewählte Experiment offenbar in gleicher Weise für PhysikalistInnen und VertreterInnen von Qualia gilt. I was not complaining that we weren’t finding out what it is like to be Fred. I was complaining that there was something about his experience, a property of it, of which we were left ignorant. And if and when we come to know what this property is we still will not know what it is like to be Fred, but we will know more about him. No amount of knowledge about Fred, be it physical or not, amounts to knowledge ‘from the inside’ concerning Fred. We are not Fred. (Jackson 2004: 44).

Bevor wir uns der Superwissenschaftlerin Mary widmen, betrachten wir daher zunächst in aller Kürze Jacksons Fred: Bereits in der Einführung des Beispiels wird nicht sehr klar, was genau Fred eigentlich sieht und in welcher Weise uns seine Farberlebnisse unzugänglich sind. Zunächst dient Fred, wie im Anschluss Mary, der Stützung des „knowledge arguments“ im Kontext der Existenz von Qualia. Die Argumentationsstruktur verläuft daher ganz analog. Sämtliche physikalischen Kenntnisse über Fred, sein optisches System und visuelle Prozesse im Allgemeinen schließen Kenntnisse über seine Wahrnehmungserlebnisse nicht mit ein, denn: „[…] physical knowledge doesn’t yield phenomenal knowledge“ (Stoljar und Nagasawa 2004: 11). Fred verfügt über eine bessere Farbwahrnehmung als seine Mitmenschen: „[…] he makes every discrimination anyone has ever made, and moreover he makes one that we cannot even begin to make“ (Jackson 2004: 40). Verdeutlicht wird diese Fähigkeit Freds am Beispiel eines Korbes mit roten Tomaten, die Fred in zwei etwa gleich große farbige Haufen aufteilt. Wenn wir die Tomaten durchmischen und das Experiment wiederholen, legt er wieder genau dieselben Tomaten in dieselben Körbe. Demnach sieht Fred zwei Farben, wenn wir nur eine sehen. Zu diesem Zweck hat er für seinen eigenen Gebrauch die beiden Wörter „rot1“ und „rot2“ eingeführt, um die Differenz auch sprachlich festzumachen. Da Versuche, diesen

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Unterschied anderen zu vermitteln, bisher scheiterten, geht er davon aus, der Rest der Welt sei rot1-rot2-farbenblind. Bei den Farben rot1 und rot2, die Fred wahrnimmt, handelt es sich jedoch gerade nicht um bestimmte Rotschattierungen, die wir nicht wahrnehmen können: „In any case he explains to us that it would be quite wrong to think that because ‘red’ appears in both ‘red1’ and ‘red2’ that the two colors are shades of the one color. […] To him red1 and red2 are as different from each other and all the other colors as yellow is from blue.“ (Jackson 2004: 41) Möglicherweise möchte Jackson dadurch einen Einwand verhindern, den wir bereits aus Humes Treatise kennen. Dort führt Hume ein Gegenbeispiel seiner empiristischen Grundannahme ein, es sei für Ideen unmöglich, ihren entsprechenden Eindrücken voranzugehen. Er gibt das Beispiel eines erwachsenen Mannes, der bereits Bekanntschaft mit zahlreichen Farben gemacht hat, mit Ausnahme einer spezifischen Blauschattierung. Er sollte nach Hume in der Lage sein, bei Vorlage einer Reihe von Blauschattierungen und einer Lücke an entsprechender Stelle, die Lücke mittels seiner Einbildungskraft zu schließen, ohne die fehlende Schattierung jemals vorher wahrgenommen zu haben (vgl. Hume 1985: 43 – 44 und Hume 1992: 20 – 21). Handelte es sich bei rot1 und rot2 ebenfalls um Schattierungen, dann wäre es denkbar, dass selbst jemand, der nicht über Freds Fähigkeiten verfügt, rot1 und rot2 zu differenzieren, dennoch Vorstellungen beider Farbtöne mittels seiner Einbildungskraft erzeugen könnte. Darüber hinaus finden wir in Jacksons Experiment durchaus Hinweise über jene beiden Farben: Moreover, an investigation of the physiological basis of Fred’s exceptional ability reveals that Fred’s optical system is able to separate out two groups of wavelengths in the red spectrum as sharply as we are able to sort out yellow from blue. I think that we should admit that Fred can see, really see, at least one more color than we can; red1 is a different color from red2. (Jackson 2004: 41)

Wenn die beiden Farben rot1 und rot2 für Fred denselben Status haben wie für uns blau und gelb, stellt sich die Frage, ob Fred überhaupt etwas Rotes sieht, wenn er den Korb mit Tomaten betrachtet. Zumindest bezeichnet er die Farbtöne für sich selbst mit „rot1“ und „rot2“, vermutlich, um im Fall des Aufscheinens einer der beiden Farben auch das richtige Farbwort „rot“ auszusprechen, selbst wenn es sich für Fred nicht um einen bestimmten Rotton handelt. Allerdings, so das Experiment, besitzt Fred sehr wohl die Begabung, zwei Gruppen von Wellenbewegungen innerhalb des Rotspektrums zu differenzieren, also etwa im Bereich von 620 – 650 nm, was die Vermutung nahelegen sollte, Fred sähe doch zwei unterschiedliche Rottöne. Oder wie sollten wir die Bemerkung „Fred’s optical system is able to separate out two groups of wavelengths in der red spectrum“ sonst verstehen? Zumindest sind die Gegenstände im Experiment immerhin rote Gegenstände. Das widerspräche

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hingegen, wie gerade gesehen, der eingeführten Bestimmung, es sei falsch, anzunehmen, die beiden Farben rot1 und rot2, wären Teil des Rotspektrums. Und wenn Fred nun eine Farbe mehr sieht, sieht er dann rot und eine andere Farbe oder sieht er vielmehr gar kein rot, dafür aber zwei für uns nicht wahrnehmbare andere Farben rot1 und rot2? Freds Versuche, uns zu erklären, was er sieht, scheitern laut Experiment, allerdings, so Jackson, „perhaps he has had partial success with his children, it doesn’t matter“ (Jackson 2004: 41). Gerade dieses Eingeständnis scheint mir allerdings wesentlich für das Verständnis des Experimentes, da es die prinzipielle Unzugänglichkeit zu Freds Farberlebnissen neutralisiert. Untermauert wird dieser Aspekt zusätzlich durch die von Jackson eingeräumte Möglichkeit, nach Freds Tod seinen Wahrnehmungsapparat zu transplantieren und dadurch andere Personen in die Lage zu versetzen, nun auch rot1 und rot2 wahrzunehmen: „After the operation, we will know more about Fred and especially about his colour experiences.“ (Jackson 2004: 42) Diese Variante des Gedankenexperiments hebt den subjektiven Erlebnischarakter von Freds Wahrnehmungen offensichtlich auf. Demnach können wir tatsächlich etwas über Fred lernen, nämlich, was er tatsächlich gesehen hat und uns nicht oder nur partiell sprachlich vermitteln konnte, da wir bis zur Möglichkeit der Transplantation des optischen Systems alle rot1-rot2-blind waren. Dann handelt es sich jedoch nur um eine besondere Sehfähigkeit Freds, welche man vielleicht in Zukunft auch künstlich erzeugen kann und insofern um einen empirischen Tatbestand. Inwieweit dadurch die philosophische Position des Physikalismus widerlegt werden kann, ist somit nicht nachvollziehbar. Jacksons Verweis auf Wells’ „The Country of the Blind“ über eine sehfähige Person in einer Gemeinschaft Blinder scheint hier wenig plausibel, da ein wesentlicher Unterschied zwischen eingeschränkter Sehfähigkeit und völliger Blindheit besteht. Im Fall von Wells’ blinder Gemeinschaft ist der Versuch, ihr Seherlebnisse oder Sehfähigkeiten sprachlich zu vermitteln, nicht damit zu vergleichen, dass ich anderen, sehenden Personen, einen bestimmten Farbton, den nur ich wahrnehme, nicht angemessen beschreiben kann oder nur mit partiellem Erfolg. Dass sich bestimmte Wahrnehmungsinhalte nicht oder nur inadäquat vermitteln lassen, ist eine Tatsache, die nicht dazu dienen kann, eine philosophische Auffassung als falsch auszuweisen. Die Unmöglichkeit, einer Person den Geschmack eines Trüffelpilzes oder das Aroma von Kaffee zu beschreiben (vgl. Wittgenstein 1989a, PU: § 610), die beides nie gekostet hat, besteht für physikalistische und nicht-physikalistische Positionen gleichermaßen, unabhängig davon, ob es sich dabei um ein bestimmtes Geschmackserlebnis oder eine chemische Reaktion auf der Zunge und dadurch ausgelöste weitere physiologische und chemische Prozesse handelt. Insofern verfügt Fred lediglich über eine einzigartige Begabung, die ihn in die Lage versetzt, zwei Gruppen von Wellenlängen im Rotspektrum zu unterscheiden, eine Fähigkeit, die der übrigen Menschheit vorent-

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halten ist, die durch die Transplantation von Freds optischem System allerdings auch anderen übertragen werden kann. Dann können wir behaupten, dass wir uns nun auch in die Lage bringen können, mittels Freds transplantierten Systems rot1 und rot2 wahrzunehmen und so genau das zu erleben, was Fred uns Zeit seines Lebens nicht vermitteln konnte. Damit geht die argumentative Schlagkraft des Beispiels allerdings verloren und die philosophische Wolke kondensiert lediglich zu einem Tröpfchen Empirie (vgl. in diesem Zusammenhang auch Wittgenstein 1989: 565). Oder aber ich behaupte, dass die Wahrnehmungen, die ich im Moment erlebe, eo ipso meine Wahrnehmungen sind und nie die einer anderen Person, selbst wenn ich durch deren Augen oder ihr optisches System schaue. Im Sinne enger mentaler Zustände würde ich selbst unter Verwendung Freds optischen Systems niemals das wahrnehmen können, was Fred sah, da ich nicht Fred bin und mir sein „Inneres“ stets verschlossen bleiben muss. Insofern könnte ich auch nichts neues über Fred erfahren. Handelte es sich bei rot1 und rot2 um spezifische Rotqualia, wäre diese Schlussfolgerung zwingend. So bemerkt Waismann im Zusammenhang der Frage, ob zwei Menschen beim Betrachten eines grünen Blattes das gleiche erleben: Nehmen wir nun für einen Augenblick an, unsere Welt wäre so eingerichtet, daß A und B nach Gefallen ihre Leiber tauschen können. […] Wenn nun A und B wissen wollen, ob sie beim Anblick eines grünen Blattes das gleiche erleben, dann brauchten sie nur dieses Experiment auszuführen, so daß A aus den Augen von B und B aus den Augen von A blickt, und sie könnten (da sie ihre Erinnerungen bewahren) sogleich entscheiden, ob sie die Farbe noch immer so sehen wie zuvor. (Waismann 1976: 57– 58)

Oder der Metaphysiker erwidert, „[…] ein solches Experiment sage ihm gar nichts, jede der beiden Personen vergleiche doch nur ihre Erlebnisse (vor und nach dem Versuch), zur Entscheidung der Frage käme es aber darauf an, die Erlebnisse in den verschiedenen Bewußseinen miteinander zu vergleichen – so würde wir schließen, daß wir noch immer nicht getroffen haben, was ihm vorschwebt“ (Waismann 1976: 58) Damit haben wir allerdings der Frage, ob A und B das gleiche erleben noch keinen Sinn gegeben. Wenden wir uns zum Abschluss des zweiten Kapitels über das Verhältns von Sprache und Bewusstsein noch Jacksons Mary zu. Da dieses Experiment zu einem der bekanntestesten und meistdiskutierten Gedankenexperimente in der Philosophie des Geistes zählt, kann ich an dieser Stelle nur in aller Kürze darauf eingehen, um zumindest den für unsere Überlegungen zentralen Aspekt zu verdeutlichen, dass gemachte Erfahrungen nicht zwingend Vorausetzung dafür sein müssen, entsprechende Begriffe zu verstehen und adäquat zu verwenden, wie wir es bereits im Fall vom schmerzlosen Robinson gesehen haben. Wir werden uns daher vor allem mit den beiden Fragen befassen, ob zum einen Mary nicht doch über rudimentäre Farbkenntnisse verfügt und zum anderen, ob sie trotz ihrer Historie nicht doch

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auch über ein begriffliches Know-how verfügt, Farbbegriffe auf entsprechende Gegenstände anzuwenden. Die Frage nach der Verwendung von Farbausdrücken scheint mir in der umfangreichen Diskussion zu Mary zumindest weitgehend unberücksichtigt. Betrachten wir dazu zunächst das Experiment, wie es Jackson in „Epiphenomenal Qualia“ einführt: Mary is a brilliant scientist who is, for whatever reason, forced to investigate the world from a black and white room via a black and white television monitor. She specializes in the neurophysiology of vision and acquires, let us suppose, all the physical information there is to obtain about what goes on when we see ripe tomatoes, or the sky, and use terms like ‘red’, ‘blue’, and so on. She discovers, for example, just which wavelength combinations from the sky stimulate the retina, and exactly how this produces via the central nervous system the contraction of the vocal chords and expulsion of air from the lungs that results in the uttering of the sentence ‘The sky is blue’. […] What will happen when Mary is released from her black and white room or is given a color television monitor? Will she learn anything or not? It seems just obvious that she will learn something about the world and our visual experience of it. But then it is inescapable that her previous knowledge was incomplete. But she had all the physical information. Ergo there is more to have than that, and Physicalism is false. Clearly the same style of Knowledge argument could be deployed for taste, hearing, the bodily sensations and generally speaking for the various mental states which are said to have (as it is variously put) raw feels, phenomenal features or qualia. The conclusion in each case is that the qualia are left out of the physicalist story. And the polemical strength of the Knowledge argument is that it is so hard to deny the central claim that one can have all the physical information without having all the information there is to have. (Jackson 2004: 42 – 43)

Wie bereits angedeutet, waren die Reaktionen auf dieses Beispiel unterschiedlicher Natur, insbesondere was die Art des Wissens angeht, welche hier zur Diskussion steht. Handelt es sich beim Wissenserwerb Marys um ein propositionales Wissen und umfasst dieses neue Wissen neue Fakten oder lediglich bereits bekannte Tatsachen in einer neuen Weise? Oder handelt es sich vielmehr um ein nicht-propositionales „knowledge by acquaintance“, wie wir es bereits aus unserer RussellDiskussion kennen? Oder besteht Marys Wissen vielmehr in einer Art neu erworbener Fähigkeit, Farben zu imaginieren, zu identifizieren und differenzieren etc.? (Zu den unterschiedlichen Auffassungen vgl. u. a. Nida-Rümelin 2009). Wie unsere bisherigen Untersuchungen gezeigt haben sollten, ist es gerade dieses „knowinghow“, welches die Verbindung herstellt zwischen einem sprachlichen Ausdruck und dem, worauf er sich bezieht. In diesem Sinn können wir sagen, in ihrem Zimmer verfüge Mary über keinen Begriff von „rot“, da man ihr bisher nie ein rotes Farbmuster gezeigt habe, verbunden mit dem Hinweis, diese Farbe würde „rot“ genannt. Das würde sich erst ändern, verließe Mary ihren Raum oder bekäme einen Farbfernseher.

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Obgleich die Herausgeber des Bandes There is Something about Mary Jackson für seine „splendid creation, Mary“ danken (Ludlow, Nagasawa und Stoljar 2004: ix), findet sich ein sehr ähnliches Beispiel wiederum bereits in Locke. Im Kontext des Ursprungs menschlicher Ideen bemerkt er über ein Kind, das an einem Ort festgehalten wird: „[…] I think it will be granted easily, That if a Child were kept in a place, where he never saw any other but Black and White, till he were a Man, he would have no more Ideas of Scarlet or Green, than he that from his Childhood never tasted an Oyster or a Pine-Apple, has of those particular Relishes“ (Locke 2011: II, i, 6; 107). Mit diesem Beispiel möchte Locke die zentrale empiristische Grundthese stützen, unser Wissen stamme sämtlich aus der Erfahrung (vgl. Locke 2011: II, i, 2; 104). In diesem Sinn könnten wir sagen, auch Mary verfüge nicht über eine bestimmte Fähigkeit, welche selbst eine spezifische Erfahrung voraussetzt, die sie bisher nicht gemacht hat. Und wenn wir uns an Lockes Rekonstruktion eines visuellen Wahrnehmungsvorganges im Kontext seiner Differenzierung von Qualitäten erinnern, gewinnen wir sehr stark den Eindruck einer physikalistischen Darstellung, wenn er etwa bemerkt: „And since the Extension, Figure, Number and Motion of Bodies, of an observable bigness, may be perceived at a distance by the sight, ’tis evident some singly imperceptible Bodies must come from them to the Eyes, and thereby convey to the brain some Motion, which produces these Ideas which we have of them in us“ (Locke 2011: II, viii, 12; 136). Gleiches gilt für die Entstehung sekundärer Qualitäten wie Farben oder Gerüche: „[…] the different motions and figures, bulk and number of such [insensible] particles, affecting the several organs of our senses, produce in us those different sensations, which we have from the colours and smells of bodies;“ (Locke 2011: II, viii, 12; 136). Insofern ist es durchaus überraschend, dass das Mary-Experiment trotz der inhaltlichen Nähe zu Lockes Beispiel der Widerlegung des Physikalismus dienen soll. Auch Locke würde sicher bestreiten, dass die Darstellung eines solchen Vorgangs in physikalistischer Terminologie in irgendeiner Weise die Erfahrung ersetzen könne. Das gilt jedoch für physikalistische Darstellungen wie für Beschreibungen von Erfahrungen in nicht-wissenschaftlicher Form gleichermaßen. Durch keine Beschreibung lässt sich die Erfahrung selbst oder das Objekt der Erfahrung ersetzen. Unabhängig davon, wie genau die Beschreibung der Deckengemälde der Sixtinischen Kapelle ausfällt, kann sie nicht das eigene Betrachten des Gebäudes ersetzen. Auch eine noch so gute Beschreibung einer Tasse Kaffee kann kein Substitut sein für die Tasse Kaffee. Dennoch muss ich natürlich über entsprechende Begriffe verfügen, um bestimmte Beschreibungen von Erfahrungen anderer Personen auch verstehen zu können.¹¹

11 Diese Überlegungen verdanke ich dem Austausch mit Peter Hacker.

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Könnte man die Differenz zwischen der Perspektive der dritten und ersten Person daher nicht auch mittels Lockes Differenzierung in sekundäre und tertiäre Qualitäten bzw. Kräfte explizieren? Im Fall der tertiären Qualitäten ist das beobachtende Subjekt selbst nicht Teil des kausalen Vorgangs, da hier die primären Qualitäten eines Gegenstandes auf die primären Qualitäten und damit verbundenen Effekte eines anderen Gegenstandes wirken, im Unterschied zu den sekundären Qualitäten, bei denen das wahrnehmende Subjekt wesentlich selbst ein Glied des kausalen Mechanismus bildet. Der Unterschied besteht dann etwa darin, ob ein Nahrungsmittel auf der Zunge einer dritten Person einen physikalischen bzw. chemischen Prozess auslöst oder auf der eigenen. So könnte ich etwa herausfinden, dass bestimmte Fette in meinem Körper im Gegensatz zu anderen Menschen zu einem starken Anstieg meines LDL-Wertes führen oder dass ich als fettleibiger Mensch unbedingt vermeiden sollte, X zu konsumieren, da es meinen Gamma-GTWert stark in die Höhe treibt. Ein bestimmes „qualitative feel“ kann ich bei entsprechdem Konsum in beiden Fällen nicht identifizieren. Oder würden PhysikalistInnen behaupten, die Kenntnis der chemischen Reaktionen von Alkohol auf menschliche Organismen ersetze den Prozess des Einwirkens auf den eigenen Körper und das Wissen darüber? Ein befreundeter Arzt erzählte mir einmal, er wäre am Vorabend sehr betrunken gewesen. Auf meine Frage hin, was denn passiert sei, antwortete er nur: „Ich habe versehentlich zwei Mon Chéri gegessen.“ Wenn wir in Anlehnung an die bisher diskutierten Gedankenexperimente physikalische Erkenntnisse neben den phänomenalen Eigenschaften der Intension der jeweiligen sprachlichen Zeichen zuordnen, wäre es dann nicht vielmehr so, dass sich beide Arten der Bezugnahme auf ein Ding nicht ausschließen, sondern vielmehr zu einer Erweiterung der intensionalen Kenntnis führen? Physikalistische Darstellungen schließen zwar keine Erfahrungen mit ein, aber wir geben zahlreiche Beschreibungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln oder Interessen, welche andere Perspektiven auslassen, wenn wir etwa die volkswirtschaftliche Situation eines Landes beschreiben, ohne Bezug zu nehmen auf seine kulturellen Traditionen. So kann man den Konsum von Alkohol aus einer physikalistischen Perspektive darstellen, indem man ausschließlich Bezug auf chemische und neurophysiologische Vorgänge nimmt, die zu spezifischen physischen Veränderungen führen, oder aber mit Verweis auf damit verbundene Erfahrungen der Trunkenheit, wie Schwindelgefühle, Heiterkeit oder Müdigkeit, ohne Berücksichtigung physikalischer und chemischer Abläufe und Wirkungen, die uns erfahrungsgemäß als solche auch nicht unmittelbar gegeben sind. Allerdings lassen sich jene Erfahrungen bei der Einnahme von Alkohol physikalistisch erklären, wobei die Erklärungen solche Erlebnisse gerade voraussetzen, um sie im Anschluss in wissenschaftlicher Weise zu rekonstruieren. Wenn Russell daher bemerkt „Thus science seems at war with itself: when it most means to be objective, it finds itself plunged into subjectivity

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against its will. Naive realism leads to physics, and physics, if true, shows that naive realism is false. Therefore, naive realism, if true, is false; therefore it is false“ (Russell [1940] 1973: 13), können wir dann nicht entgegnen, dass die wissenschaftliche Darstellung vielmehr Wahrnehmungsvorgänge und andere Erfahrungen lediglich aus einer wissenschaftlichen Perspektive beleuchtet und dadurch die intensionale Kenntnis vergrößert? So bemerkt Stephen Noren: […] if the real is constituted as science says it is, then we are forced to take much of the inventory of common sense as illusion and deny to common sense descriptions the status of being literally true of anything. But on the other hand, common sense phenomena are the data for micro-physical explanation. How could the scientific realist deny the full-blooded existence of the common sense items his esoteric atomic story was developed to explain? (Noren 1975: 64)

Und ganz in Übereinstimmung mit unseren Überlegungen betont Quine den folgenden Punkt: [W]e do not […] attain to standards of evidence and reality different in kind from the vague standards of children and laymen. Science is not a substitute for common sense, but an extension of it. The quest for knowledge is properly an effort simply to broaden and deepen the knowledge which the man in the street already enjoys, in moderation, in relation to the commonplace things around him. (Quine [1954] 2004: 216)¹²

Auch Searle hält Russells Bemerkung über den naiven Realismus für einen genetischen Fehlschluss („genetic fallacy“), der darin besteht, zu behaupten, eine Kausalerklärung, die erklärt, wie man zu einer bestimmten Überzeugung gekommen ist, zeige dadurch, dass die Überzeugung falsch sei (vgl. Searle 2004: 186 – 187). Daher ist es fraglich, inwieweit das Mary-Experiment tatsächlich dazu dient, physikalistische Positionen gegenüber der Annahme subjektiver Erlebnisqualitäten als falsch auszuweisen. Auch Thomas Nagel räumt ein, dass wechselseitige Beziehungen zwischen Vorgängen im menschlichen Gehirn und Bewusstsein bestehen. So bemerkt er über einen bestimmten Schmerz: „The evidence shows that for anything to happen in your mind or consciousness, something has to happen to your brain. (You wouldn’t feel any pain from stubbing your toe if the nerves in your leg and spine didn’t carry impulses from the toe to your brain)“ (T. Nagel 1987: 27– 28). Gleiches gilt für den Fall visueller Wahrnehmungen: „We know, for instance, that the stimulation of certain brain cells near the back of the head produces visual experiences.“ (T. Nagel 1987: 28) Insofern scheinen die schwarzen und weißen Gegenstände in Marys Zimmer sowie die farbigen Objekte, die sie nach dem Verlassen des Zimmers zum ersten Mal sieht, nicht der eigentliche Ausgangspunkt des Disputs zwischen Qua-

12 Diese beiden Stellen verdanke ich Raimund Pils.

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liavertreterInnen und PhysikalistInnen zu sein. Die eigentliche Diskussion bezieht sich vielmehr auf einen späteren Teil der Kausalkette, nämlich auf das Verhältnis von Gehirn und Bewusstsein, wie es sich etwa auch in Jacksons damals vertretener Position des Epiphänomenalismus zeigt (vgl. Jackson 2004: ch. 4) bzw. Nagels Konzept der „Doppelaspekttheorie“ (vgl. T. Nagel 1987: ch. 4). So könnte man ganz provokant fragen, wozu wir Mary überhaupt noch in einen schwarz-weißen Raum sperren müssen, wenn jede Erfahrung per definitionem unmittelbar, subjektiv und einzigartig ist? Das Mary-Experiment enthält aber auch experimentimmanente Schwächen, die insbesondere mit den Farben Weiß und Schwarz zusammenhängen. In Kapitel VIII des Zweiten Buches seines Essay nimmt auch Locke Bezug auf die Ideen von Schwarz und Weiß und betont zum einen ihren gleichwertigen positiven Status als Ideen wie Hitze oder Kälte und verweist zum anderen auf die strikte Trennung dieses Status von Fragen nach den möglichen Ursachen: Thus the Ideas of Heat and Cold, Light and Darkness, White and Black, Motion and Rest, are equally clear and positive Ideas in the Mind; […]. These the Understanding, in its view of them, considers all as distinct positive Ideas, without taking notice of the Causes that produce them: which is an inquiry not belonging to the Idea, as it is in the Understanding, but to the nature of the things existing without us. (Locke 2011: II, viii, 2; 132 – 133)

Über den Maler sagt Locke ganz entsprechend: „A Painter or Dyer, who never inquired into their causes hath the Ideas of White and Black, and other Colours, as clearly, perfectly, and distinctly in his Understanding, and perhaps more distinctly, than the Philosopher who hath busied himself in considering their Natures […]“ (Locke 2011: 133). Insofern drängt sich hier die Frage auf, ob es sich im Fall von Schwarz und Weiß nicht auch um Farben handelt, mit denen Mary bereits Bekanntschaft hat. Oder in der Sprache der QualiavertreterInnen gefragt, fühlt es sich nicht auch auf eine gewisse Art an, Schwarz und Weiß zu sehen? Dann wäre lediglich Marys Farberfahrungsraum auf schwarz, weiß und dazwischenliegende Schattierungen beschränkt und würde sich bei Verlassen des Zimmers um neue Farberlebnisse erweitern, so wie sich etwa mein Geschmackserfahrungsraum beim erstmaligen Kosten eines Trüffelpilzes erweitert hat. Dass ich bis dahin nicht wußte, wie Trüffel schmecken, sagt dann nur etwas über meine limitierten Geschmackserfahrungen aus und ist insofern von rein empirischer Relevanz und daher ungeeignet zur Widerlegung einer grundlegenden philosophischen Position wie den Physikalismus. Nehmen wir daher auf der Grundlage der Locke’schen Überlegungen an, Mary werde von einem schwarz-weißen Zimmer in ein schwarz-weiß-rotes Zimmer geleitet. Sie bemerkt spontan und vielleicht mit leichtem Staunen: „So also sieht rot aus“. Möglicherweise zeigt sie den Anwesenden, wie genau rot auf ihrem Schwarz-Weiß-Monitor aussah etc. So könnte Mary sukzessive mit immer mehr

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Farben vertraut gemacht werden, und es wäre dann nicht mehr ohne Weiteres ersichtlich, inwiefern das Experiment tatsächlich den Physikalismus widerlegt und nicht vielmehr eine Variante von Lockes Kind an einem schwarz-weißen Ort darstellt, der das erstmalige Sehen von Rot oder Grün mit der erstmaligen Verkostung einer bisher unbekannten Frucht gleichsetzt. Falls wir hingegen annehmen, dass Weiß und Schwarz tatsächlich keine Farben sind, stellt sich die Frage, was Mary genau sieht und welcher Unterschied dann noch besteht zwischen einer schwarz-weiß sehenden und einer blinden Mary. Denn es scheint gerade dieser Unterschied zu sein, der plausibel macht, dass Mary etwas fundamental Neues lernt im Fall einer plötzlichen Gewinnung ihres Sehvermögens im Gegensatz zu einer Erweiterung ihrer bereits vorhandenen, wenn auch rudimentären Farbkenntnis. Insofern verwundert es nicht, dass Howard Robinson im selben Jahr, als Jacksons Mary publiziert wurde, einen vollständig tauben Wissenschaftler einführte, der über sämtliches Wissen der physikalischen Prozesse bei Hörvorgängen verfügte und dennoch nicht wusste, wie es sei, zu hören (vgl. Robinson 1982: 4). Die Erweiterung ihrer Farbkenntnisse betrifft nicht nur Marys eigenen Fall, sondern auch die Wahrnehmungen anderer Personen. In Anlehnung an Jacksons Konsequenzen für den Fall der Farbe Rot, können wir somit behaupten, dass die schwarz-weiß sehende Mary auch weiß, wie es für andere ist, Schwarz und Weiß zu sehen. Sie kann sich mit ihnen darüber unterhalten, ihnen demonstrieren, dass sie aufgrund ihrer speziellen Situation in der Lage ist, bestimmte Schattierungen zu erkennen, die uns aufgrund mangelnder Erfahrung verborgen sind etc. So verfügt sie aufgrund ihrer eingeschränkten Farbwahrnehmungen vermutlich über eine weit spezifischere Skala von Schattierungen der Farben Weiß und Schwarz und ist dadurch etwa in der Lage, die weißen Möbel ihres Zimmers feingliedriger zu differenzieren und zu gruppieren, als es uns möglich ist, vergleichbar Freds Einteilung des Korbes roter Tomaten in zwei Haufen. Insofern ist nicht zu erkennen, inwieweit Marys Kenntnis, wie es für andere ist, Rot zu sehen, fundamental vom Fall des Sehens von Schwarz oder Weiß abweicht, es sei denn, wir beharren auf der physikalistischen Grundannahme, dass Schwarz und Weiß keine Farben sind. Dann müssen wir allerdings erklären können, was Mary tatsächlich sieht, wenn sie bestimmte Gegenstände aus ihrem Umfeld wahrnimmt. So könnte sie etwa Rappen von Schimmeln unterscheiden, Eisbären von Braunbären oder ein weißes Brautkleid von einem schwarzen Trauerkleid etc. Neben der Tatsache, dass Jackson eine physikalistische These als Ausgangspunkt seines Gedankenexperimentes wählt, um in der Folge den Physikalismus als falsch auszuweisen, ist die Rolle von SchwarzWeiß-Wahrnehmungen daher keinesfalls so irrelevant, wie es Jacksons Darstellung des Experimentes zu suggerieren scheint. Und falls die Wahl von Schwarz und Weiß nur dem Zweck dient, das Hume’sche Argument der fehlenden Blauschattierung zu

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vermeiden, dann können wir auch annehmen, Mary wäre in einem rot-blauen Raum aufgewachsen und sähe beim Verlassen des Raumes zum ersten Mal etwas Gelbes. Die Ausgangssituation des Gedankenexperimentes enthält auch andere nicht explizit thematisierte Schwierigkeiten, die mit Marys alltäglichem Leben zusammenhängen. Was etwa sieht sie, wenn sie ihr Essen betrachtet, sich versehentlich in den Finger schneidet, durch einen Stoß mit dem Oberschenkel an einem Tischbein ein großes Hämatom entwickelt, welches sich von Rot in eine Mischung aus Blau und Grün verwandelt und schließlich im Zuge der Heilung in ein immer blasser werdendes Gelb? Was sieht Mary, wenn ihr ein fauler Zahn ausfällt, sie stark erkältet ist und vermehrt Sekrete in Nase und Rachen entwickelt, auf die Toilette geht, sich eine eitrige Wunde zuzieht usw. (zu weiteren Kritikpunkten dieser Art vgl. auch Dennett 1991: 398 – 406)? Nun könnte man erwidern, dass sich diese empirischen Einwände Im Kontext eines philosophischen Gedankenexperimentes in verschiedener Weise neutralisieren ließen. Nehmen wir dazu an, dass man – nennen wir sie der Einfachheit halber – Klary gleich nach ihrer Geburt aus wissenschaftlichen oder anderen Gründen Linsen implantierte, die ihr nur die Wahrnehmung von Schwarz, Weiß und dazwischenliegenden Schattierungen erlaubt.¹³ Klarys mangelnde Erfahrung von Farberlebnissen ist demnach nicht auf ihre Umwelt zurückzuführen, sondern vielmehr auf die ihr implantierten Linsen. Als Teil ihres vollständigen physikalischen Wissens kann die Superwissenschaftlerin Klary jedoch gegenwärtig wahrgenommene Graustufen genau den entsprechenden Rottönen und anderen Farben zuordnen, ein Wissen, welches sie durch das intensive Studieren verschiedener Farbskalen erworben hat. Nehmen wir an, zu diesem Zweck entwirft Klary für ihren eigenen Gebrauch eine Art Mustertabelle mit herkömmmlichen Farbmustern auf der linken und den jeweiligen Farbbezeichnungen auf der rechten Seite. Dadurch wäre sie in der Lage, die unterschiedlichen Farbenskalen mittels ihrer Mustertabelle auf rote, blaue und andere Gegenstände anzuwenden und somit auch die entsprechenden Farbbezeichnungen richtig zu verwenden, gelegentliche Irrtümer eingeschlossen, wie auch im Fall „normaler“ Farbsichtiger. Dann könnte sie nicht nur Gegenstände unterschiedlicher Farben differenzieren, sondern sogar

13 Es gibt tatsächlich Krankheitsfälle, die genau unter diesem Phänomen der Achromatopsie leiden. Dabei handelt es sich um eine spezielle Farbsehstörung, die nur die Wahrnehmung von Graustufen ermöglicht. Einer der bekanntesten Fälle ist Neil Harbisson, der aufgrund eines am Hinterkopf implantierten Chips, welcher Farbwellen in akustische Signale umwandelt, in der Lage ist, Farben wahrzunehmen und zu differenzieren, indem er sie hört. Einem grünen Gegenstand ausgesetzt, hört Harbisson etwa ein A, im Fall roter Objekte ein F. Diesen Hinweis verdanke ich Joseph Werfer.

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Schattierungen innerhalb einer Farbe, da sie sie problemlos den unterschiedlichen Grautönen zuordnen könnte. Sie wäre daher fähig, rote von grünen Paprika zu unterscheiden, reife von unreifen Tomaten oder faule von frischen Bananen etc. Gleiches gälte auch für Jacksons Mary, die im Laufe ihres wissenschaftlichen Lebens unzählige Farbskalen auf ihrem schwarz-weißen Monitor studiert und tabellarisch als Mustertabelle festgehalten haben könnte. Klary diente daher nur der Zurückweisung empirischer Einwände, die mit ihrem alltäglichen Leben zusammenhängen. Hätten wir mit Klary dann nicht einen ähnlichen Fall wie bei Malcolms Robinson, der niemals Schmerz empfunden hat und dennoch wahre oder falsche Schmerzzuschreibungen vollziehen kann? Hacker bemerkt: Unless knowing what such and such an experience is, or what it is like, simply means having had the experience, then of course one knows what it is or is like even though one has not experienced it. An obstetrician does not have to have given birth in order to know that giving birth is agonizing, and I don’t have to have been jealous in order to know what jealousy is or is like (I can just read Proust instead). (Hacker 2016, persönlicher Briefwechsel)

Es gäbe zwar noch immer spezifische Verwendungen, welche Klary vielleicht unverständlich blieben, insbesondere wenn sie mit bestimmten Zuschreibungen von Farben verknüpft sind, wie „leuchtend“ oder „matt“, oder wenn wir an metaphorische Gebrauchsweisen denken, wie „Grün ist die Farbe der Hoffnung“. Aber können wir nicht dennoch behaupten, Klary hätte einen bestimmten, wenn auch eingeschränkten, Begriff von „rot“ und anderen Farben, gestützt durch ihr bereits vorhandenes Wissen? Dass die intensionale Kenntnis verschiedener Personen in ihrem Umfang abweicht, haben wir bereits in Putnams Beispiel der linguistischen Arbeitsteilung und Lockes Diskussion nominaler Wesenheiten gesehen. QualiavertreterInnen würden diese Behauptung ablehnen, da es ihnen, wie wir bei Nagel gesehen haben, gerade nicht um die Einstellungen gegenüber spezifischen Empfindungen oder Erlebnissen geht, sondern um diese selbst und die damit assoziierten Qualitäten bzw. „qualitative feels“ (vgl. Chalmers 1997: 4). Und das hieße, dass zu wissen, was eine bestimmte Erfahrung ist, nichts anderes bedeute, als die Erfahrung auch gemacht zu haben. So kann ich nicht wissen, wie sich etwas „anfühlt“, wenn ich es nicht selbst erlebt habe und die Worte zur Beschreibung dieses Erlebnisses müssen mir gänzlich unverständlich erscheinen oder ich stoße bei ihrer Verwendung nur Geräusche aus. Gerade daher ist es auch, wie bereits gesehen, für Russell nicht denkbar, „[…] that we can make a judgement or entertain a supposition without knowing what it is that we are judging or supposing about. We must attach some meaning to the words we use, if we are to speak significantly and not utter mere noise; and the meaning we attach to our words must be something with which we are acquainted.“ (Russell 1980: 32) Natürlich gibt es Fälle, in welchen ich nicht wissen kann, wie etwas erlebbar ist, wenn mir dazu die entsprechenden organi-

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schen oder anderen Vorausetzungen fehlen und mir bestimmte Phänomene nur durch ein Sinnesorgan gegeben sein können, wie etwa im Fall von Farben bei Blinden oder Tönen bei Gehörlosen. Wenn ich unter Ageusie leide, werde ich niemals wissen können, wie ein Trüffelpilz schmeckt, aber vielleicht hätte mich unter normalen Umständen bereits sein Geruch davon abgehalten, ihn zu kosten. Beschreibungen – weder physikalistische noch phänomenale – ersetzen keine Erfahrungen. Dennoch sollte mich die Kenntnis dieser Beschreibungen in die Lage versetzen, sprachliche Zeichen auch dann zu verstehen und entsprechend „meaningful“ anzuwenden, wenn ich mit dem Gegenstand nicht unmittelbar „acquainted“ bin im Sinne Russells. Das sollten die Beispiele von Malcolms Robinson und Klary gezeigt haben. Wenn wir uns abschließend fragen, ob Jacksons Mary (ohne implantierte Linsen) tatsächlich etwas über die Welt und visuelle Erfahrungen anderer lernt, wenn sie erstmals ihr schwarz-weißes Zimmer verlässt und einen roten Gegenstand wahrnimmt, neigen wir intuitiv dazu, die Frage zu bejahen. Zeigt ihr jemand ein solches Objekt mit dem Zusatz „diese Farb wird ‚rot‘“ genannt, kann sie auf diese Weise den Farbbegriff „unmittelbar“ erwerben und damit die Fähigkeit, farbdefinierende Muster anzuwenden. Nehmen wir hingegen an, Marys optisches System sei aufgrund der langen Gefangenschaft so gestört, dass Mary unter einer rot-grünInversion leidet. Wenn sie dann erstmals ihr schwarz-weißes Zimmer verlässt und einen roten Gegenstand betrachtet, von dem sie nicht weiß, dass er üblicherweise eine solche Farbe hat und welcher in ihr einen grünen Farbeindruck verursacht, können wir dann sagen, sie wisse, dass sie einen Grüneindruck hätte, im Sinne eines „knowledge by acquaintance“, auch wenn sie das entsprechende Wort dafür nicht verwende, vergleichbar Nagels Bemerkung über meinen Freund „[who] uses the word „red“ for the color that blood and fire engines look to him, whatever it is. Maybe it’s what you call yellow, or what you call blue, or maybe it’s a color experience you’ve never had, and can’t even imagine“ (T. Nagel 1987: 21)? Wittgenstein bemerkt in diesem Zusammenhang: „Does /Should we say that/ the person who has not learned the language knows that he sees red but canʼt express it? – Or should we say: ‘He knows what he sees but can’t express it’? – So, besides seeing it, he also knows what he sees?“ (Wittgenstein 1993b, PO: 216). Oder weiß das Kind, welches unter einer rot-grün-Inversion leidet und über die satte grüne Wiese läuft, dass es tatsächlich ein Roterlebnis des Grases empfindet und wie sich dieses Erlebnis anfühlt? Können wir uns einen Kommunikationskontext vorstellen, in welchem mein Freund etwas anderes sieht, obgleich er denselben Farbausdruck verwendet? Nehmen wir an, ich bemerke ihm gegenüber, dass der Feuerlöscher dort drüben an der Wand unhandlich befestigt sei. Sähe mein Freund in Nagels Beispiel tatsächlich etwas anderes als einen roten Feuerlöscher, etwa eine Farbe, die ich „gelb“ nennen würde, drängt sich mir unmittelbar die Frage auf, warum er denn nicht sagt, was er

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sieht, sollte er etwas anderes sehen. Falls er mir erwidert, er könne mir nicht sagen, was er sieht, sondern nur, dass er gelernt habe, immer dann „rot“ zu sagen, wenn er Farbeindrücke dieser Art erlebe, etwa beim Betrachten des Feuerlöschers dort neben der Tür (als eine Art Farbträger eines Musterrotes?), scheint das Spiel offenbar beendet. Und sollten wir mit Nagel dann wiederum behaupten, er wüßte zwar, welche Farbe er wahrnähme und empfände, wenn er den Feuerlöscher dort drüben betrachtete (im Gegensatz zu allen Anderen, die den Farbeindruck möglicherweise ganz anders benennen), er könne es uns nur nicht sagen? Oder müssten wir nicht vielmehr annehmen, mein Freund selbst wisse nicht einmal, ob er etwas von unseren Farbwahrnehmungen Abweichendes wahrnimmt bzw. etwas von seiner Bezeichnungsweise Abweichendes, was wir vielleicht als „gelb“ bezeichnen würden, wenn wir etwa einen der immer seltener werden Briefkästen betrachten? Wenn ich keine Beziehung herstellen kann zwischen einem subjektiven Erlebnis und einem sprachlichen Zeichen, dann scheint Russells „knowledge by acquaintance“ alleine zu wenig bzw. läge im Fall von Nagels Freund oder bei Marys rot-grünInversion gar kein artikulierbares Wissen irgendwelcher Art vor. Im Kontext der Hume’schen These, dass wir keine Ideen bilden können, wenn wir nicht über die zugrundeliegenden Impressionen verfügen, diskutiert Lars Hertzberg die Möglichkeit einer Art Geschmacksinversion am Beispiel der Ananas (vgl. Hertzberg 2012). So könnten wir uns etwa fragen, ob es nicht möglich wäre, dass bestimmte neurologische Bedingungen in einer Person genau den Geschmack einer Ananas verursachen, wenn sie eine Gurke isst. Oder können wir sicher sein, dass eine von Geburt an blinde Person nicht auch Impressionen roter und blauer Punkte vor sich schwimmend wahrnimmt? Seine Antwort entspricht dabei ganz den hier vorgestellten Überlegungen: The point is that this would make no difference. What matters is that these individuals would have no way of connecting their sensations with the taste of pineapple or with the colours red and blue. […] The importance of the event of tasting pineapple or seeing an actual coloured object does not lie in its causal efficacy in bringing about a particular sensation; it lies in its constituting a point of reference which guides the speaker in her use of the words – provided of course she knows (e. g. has been told) what she has been tasting or seeing. What matters are not her mental contents, but the fact that from now on we expect her to be able to carry on certain tasks or to make certain kinds of judgment. Differently put: someone who has seen a red object or has tasted pineapple has access to a sample to which she may appeal in her use of words. She has a mastery of the language-game that someone who has not had these experiences or is incapable of having them does not have. I can tell the first person certain things that I cannot tell the second. (Hertzberg 2012)

Die reine Bekanntschaft mit einer Empfindung im Sinne Russells wäre demnach nicht hinreichend, wenn dadurch nicht auch ein referentieller Bezugspunkt konstituiert wird, der unseren Gebrauch entsprechender sprachlicher Zeichen regelt.

4.3 Erlebnisgehalt, physikalisches Wissen und sprachlicher Bezug.

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Dieser Punkt scheint in der Diskussion des Mary-Experimentes überhaupt keine Rolle zu spielen, da es vielmehr dazu dienen soll, in epistemischer (und zum Teil ontologischer) Hinsicht den Physikalismus als falsch auszuweisen. Die Ausblendung der Frage nach der Verwendung von Erlebnisbegriffen verhindert dadurch, Mary, Robinson und anderen ein sprachliches Verständnis und eine linguistische Kompetenz zuzuschreiben, Erlebnisausdrücke, Farbbegriffe etc. in der üblichen Weise verwenden zu können, ohne einen entsprechenden unmittelbaren Erfahrungshintergrund oder unter der Annahme, unser Gedächtnis täusche uns regelmäßig. Denken wir nur an Wittgensteins Fall eines Mannes, der sich nicht merken konnte, was das Wort „Schmerz“ bedeutete und deshalb immer etwas Verschiedenes damit bezeichnete, „,[…] das Wort aber dennoch in Übereinstimmung mit den gewöhnlichen Anzeichen und Voraussetzungen des Schmerzes verwendete!‘ – der es also verwendet, wie wir Alle. Hier möchte ich sagen: das Rad gehört nicht zur Maschine, das man drehen kann, ohne daß Anderes sich mitbewegt.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 271) So kann auch Robinson wissen, ob sein Sitznachbar Zahnschmerzen hat, oder Mary, ob die Tomaten im Gemüsefach rot oder grün sind, auch ohne Schmerzen im eigenen Zahn zu kennen oder das „Gefühl“, etwas Rotes wahrzunehmen. Dieses Rad gehört dann auch nicht zur Maschine, wenn sich dadurch nichts anderes mitbewegt. Abschließend lässt sich festhalten, dass Mary mit Bezug auf den Vorrat gemachter Farberfahrungen im gleichen Boot zu sitzen scheint wie Lockes Kind in schwarz-weißer Umgebung, insofern keinerlei Beschreibungen, seien sie physikalischer Art oder phänomenaler Natur, die jeweiligen Erfahrungen ersetzen können. Das heißt aber nicht, dass beide daher auch über kein intensionales Wissen mit Bezug auf menschliche Erfahrungsinhalte verfügen können. (Marys zusätzliches physikalisches Wissen erweitert dabei noch ihre intensionale Kenntnis über Farben gegenüber Lockes Kind). Der Erfahrungsschatz ist bei beiden lediglich sehr eingeschränkt auf die Bereiche Schwarz und Weiß im Vergleich zu Personen in normalen farblichen Umgebungen, ähnlich dem Fall von Putnams Laien und ExpertInnen (Gold/Falschgold bzw. Aluminium/Molybdän) oder Lockes Adam. Mary ist genau wie Lockes Kind während ihres Aufenthaltes im schwarz-weißen Zimmer selbst niemals der direkten visuellen Konfrontation mit einem roten Gegenstand ausgesetzt gewesen und verfügt daher nur über sehr eingeschränkte Farberlebnisvorräte, basierend auf den Farben Weiß und Schwarz. Ihr physikalisches Wissen bezieht sich daher auch nicht auf sie selbst, sondern nur auf die physikalischen Abläufe, wenn andere Personen Farben wie Rot wahrnehmen. Insofern wäre sie in der ersten Person sowohl physikalisch als auch phänomenal ausgeschlossen. Das wäre ganz im Sinne von Lockes tertiären Qualitäten, bei welchen das Subjekt selbst nicht Teil des kausalen Prozesses ist, sondern lediglich als Außenstehende die Wirkungen eines Gegenstandes A auf eine Person B studieren kann. Wäre sie mit einer Wahrneh-

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mungssituation roter Gegenstände außerhalb ihres Zimmers konfrontiert, könnte sie diesen Prozess natürlich auch jederzeit physikalisch erfassen und ein Wissen über physikalische Vorgänge bei Farbwahrnehmungen im eigenen Fall gewinnen. Sie könnte dann in der Folge beispielsweise ihren Gehirnzustand mit dem einer anderen Person vergleichen, wenn alle einem bestimmten roten Gegenstand ausgesetzt sind. Bestünde eine Übereinstimmung in den jeweiligen Zuständen, könnte sie dann behaupten, dass aufgrund dieser Übereinstimmung beide dieselbe Farbe sähen. So bemerkt etwa Waismann auf die Frage, ob die Erlebnisse zweier Menschen gleich sind: Würdest du [der Fragensteller] dich dazu verstehen, zu sagen, daß zwei Menschen beim Anblick eines grünen Blattes das gleiche erleben, wenn sich in ihren Nervensystemen genau die gleichen Prozesse abspielen? Stimmt er diesem Vorschlag zu, so hat er der Frage einen deutlichen Sinn verliehen, vorausgesetzt, daß wir uns noch darüber verständigt haben, unter welchen Bedingungen die Vorgänge in den Nerven gleich heißen sollen. (Waismann 1976: 56)

Und würden wir dann nicht sagen, die Farberlebnisse beruhen auf einem zuvor durchlaufenen physikalischen Vorgang einer Farbwahrnehmung im Sinne spezifischer Abläufe von Wellen, die auf unser Auge treffen als Impulse an das Gehirn weitergeleitet werden etc.? Die neurophysiologischen Abläufe in unserem Kopf und Gehirn selbst können uns aufgrund ihrer Komplexität gar nicht erfahrungsgemäß als physikalische Vorgänge gegeben sein. Würde man Waismann hingegen erwidern, dass es ja nicht um Gehirnvorgänge ginge, sondern vielmehr darum, wie es sich anfühlt, eine bestimmte Erfahrung zu machen, wissen wir spätestens aus der Diskussion der „narrow mental states“, der Sinnesdaten oder der Möglichkeit einer privaten Sprache, dass eine Person nach jenen Auffassungen aufgrund eines epistemisch priviligierten Zugangs zu ihren eigenen inneren Zuständen auch nur Kenntnis über die eigenen Erlebnisse und ihre Qualitäten haben kann, oder wie Wittgesntein es an einer Stelle aus dem Munde seines philosophischen Gegners formuliert: „Das Wesentliche am privaten Erlebnis ist eigentlich nicht, daß Jeder sein eigenes Exemplar besitzt, sondern, daß keiner weiß, ob der Andere auch dies hat, oder etwas anderes. Es wäre also die Annahme möglich – obwohl nicht verifizierbar – ein Teil der Menschheit habe eine Rotempfindung, ein anderer Teil eine andere.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 272) Beenden wir an dieser Stelle unsere Exegese zur Frage der Rolle des menschlichen Bewusstseins für die Semantik sprachlicher Ausdrücke und wenden uns im Folgenden einigen Experimenten Saul Kripkes zu. Dabei steht wieder das extramentale Referenzobjekt stärker im Vordergrund und zwar im Kontext willkürlicher und wesentlicher Eigenschaften sowie theoretischer Identitäten. Wir werden dabei feststellen, dass Kripke Putnams Auffassung in wesentlichen Hinsichten noch radikalisiert.

Kapitel III Identifikation und Referenz

1 Zum Begriff möglicher Welten Neben Hilary Putnam zählt Saul Kripke zu den wichtigsten und meist rezipiertesten Vertretern externalistischer Bedeutungstheorien. Vor allem in seinem 1972 erschienenen Werk Naming and Necessity skizziert Kripke eine Alternative zur sogenannten Beschreibungstheorie der Bedeutung auf der Grundlage einer denotativen Namenskonzeption. Darüber hinaus enthält der Text viele wichtige und anregende Bemerkungen zum Problem epistemischer und metaphysischer Notwendigkeiten, zu kontingenten Wahrheiten, Apriorität und Analytizität, Identität, Referenz und Bedeutung. Wir werden uns auch hier wieder auf einige spezifische Beispiele konzentrieren, welche zeigen sollen, dass sich wesentliche Grundannahmen und Implikationen einer externalistischen Bedeutungstheorie, welche die intensionalen Bestimmungen und Verwendungsweisen sprachlicher Ausdrücke in den Hintergrund oder gänzlich aus dem Fokus drängt, als irreführend oder falsch erweisen. Exemplarisch werden wir uns dabei neben Kripkes Konzept der „possible worlds“ auf seine Diskussion des Urmeters, der Möglichkeit blauen Goldes sowie sein Volk der Marsianer konzentrieren. Nach einigen einführenden theoretischen Erwägungen werden auch in diesem Kapitel philosophische Gedankenexperimente die Gliederungspunkte bestimmen. Betrachten wir dazu zunächst einige von Kripkes einführenden Formulierungen zum Konzept möglicher Welten. In seinem Vorwort (vgl. Kripke 1981: 1 – 22) zu Naming and Necessity liefert uns Kripke eine Verwendungsweise des Begriffs, die er selbst als falsch bezeichnet, nämlich, eine mögliche Welt als eine Art entfernter Planet aufzufassen, welcher zwar gewisse Ähnlichkeiten mit unserer faktischen Welt aufweist, allerdings in einer anderen Dimension existiert. In diesem Sinne hätten wir es also mit zwei verschiedenen Welten zu tun, die sich nur bis zu einem gewissen Grade in ihren qualitativen Ausrichtungen gleichen. Diese Variante käme eher Putnams Konzeption einer Zwillingserde nahe, obgleich es sich hier um zwei faktische Planeten handelt. Um eine solche Auffassung zu vermeiden, schlägt Kripke alternative Formulierungen vor, wie „mögliche Zustände der Welt“ oder „kontrafaktische Situationen“ bzw. ohne Verwendung des Welt-Begriffs die einfache modale Redeweise: „Es ist möglich, dass …“ (vgl. Kripke 1981: 15). Hier zeigt sich bereits seine von der deskriptivistischen Position abweichende Auffassung alternativer Welten. Denn für jene gilt, dass die Intension die Wahrheitsbedingungen dafür liefert, ob ein bestimmter Gegenstand in dieser Welt existiert, welcher fregeanisch gesprochen unter den entsprechenden Begriff fällt bzw. auf den die jeweilige(n) Intension(en) als einzigen zutreffen.

https://doi.org/10.1515/9783111241555-008

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Kripkes Ausgangslage ist hingegen nicht eine neben der faktischen Welt rein qualitativ gegebene, alternative mögliche Welt, in welcher es gilt, herauszufinden, ob ein Ding die Eigenschaftsbestimmungen entsprechend unserer Welt erfüllt, sondern unsere gegebene Welt und darauf aufbauend alternative Szenarien, in der wir und die uns umgebenden Dinge andere Zuschreibungen als jene, welche in der aktualen Welt auf uns zutreffen, erfüllen. Hier kommt vor allem Kripkes Konzept des rigiden Designators zur Geltung, welcher in allen möglichen Welten denselben Gegenstand bezeichnet. Anders formuliert denotiert ein referentieller Ausdruck einen konkreten Gegenstand genau dann starr, wenn er den Gegenstand unabhängig davon bezeichnet, in welchem Szenario er existiert (vgl. Kripke 1981: 48). Wir sehen hier also eine klare Abkehr vom fregeanischen Weg, ausgehend vom Zeichen, über den Sinn bzw. die intensionalen Bestimmungen hin zur Bedeutung bzw. Extension. Ausgangspunkt der Kripke’schen Auffassung referentieller Ausdrücke (und Eigennamen) ist der Gegenstand, welcher nach seiner Taufe in alternativen kontrafaktischen Situationen mit von der aktualen Welt abweichenden Beschreibungen gedacht werden kann und auf welchen im Extremfall keine der ursprünglichen Intensionen zutreffen muss. Die Rolle der Intension ist dabei reduziert auf die ursprüngliche Identifikation des Objektes. Der sich dabei aufdrängenden Gefahr, solche Gegenstände als eigenschaftslose Substrate bzw. „bare particulars“ auffassen zu müssen, ist sich auch Kripke offenbar bewusst, lehnt eine solche Auffassung allerdings explizit ab (vgl. Kripke 1981: 18 und 52). Zur Veranschaulichung seiner Konzeption kontrafaktischer Welten wählt Kripke das wahrscheinlichkeitstheoretische Beispiel zweier Würfel. Jeder von ihnen hat sechs unterschiedliche Zahlen, in Summe ergeben sich entsprechend sechsunddreißig Kombinationsmöglichkeiten, wobei lediglich eine aktual realisiert ist. „The thirty-six possible states of the dice, are literally thirty-six ‘possible worlds’, as long as we (fictively) ignore everything about the world except the two dice and what they show (and ignore the fact that one or both dice might not have existed).“ (Kripke 1981: 16) In dieser kurzen Bemerkung formuliert Kripke bereits zwei wesentliche Kritikpunkte der hier vorgestellten Überlegungen. Der erste betrifft einen Aspekt, der bereits in Putnams Gedankenexperimenten thematisiert wurde, das heißt die Variation lediglich einer Komponente (bzw. im Würfelbeispiel zweier Komponenten) unter Beibehaltung aller anderen Determinanten. Das soll auch das noch folgende Gedankenexperiment des blauen Goldes verdeutlichen. Der zweite hängt mit der meiner Ansicht nach nicht zu lösenden Problematik kontrafaktischer Welten zusammen, in welchen der entsprechende Gegenstand überhaupt nicht existiert, wie wir im Fall der Identität von Hesperus und Phosphorus noch sehen werden und den Kripke an mehreren Stellen daher wohl zu Recht ausklammert.

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Eine alternative Entität des einen von sechsunddreißig möglichen Zuständen wäre eine physikalische Entität, welche die Summe beider Würfel bildet. Hier spielen die jeweiligen individuellen Gegenstände und ihre Eigenschaften keine Rolle, da die komplexe Entität als ein Gegenstand aufgefasst wird. Und dementsprechend beschränkt sich die Anzahl möglicher Zustände auf einundzwanzig. Die Annahme sechsunddreißig verschiedener Optionen impliziert nach Kripke jedoch keineswegs, dass ich neben der gegebenen Situation andere alternative fünfunddreißig Entitäten annehmen müsste, welche in einer Art „Niemandsland“ („nevernever land“, Kripke 1981: 17) existierten und von denen zu klären wäre, ob sie aus denselben individuellen Würfeln wie die aktuale Welt bestünden, nur in anderen Dimensionen oder gar aus einer Art Phantomgegenstücken der wirklichen Würfel. Hier spielt Kripke vor allem auf David Lewis’ Konzept der sogenannten „Counterparts“ bzw. seine „Counterpart Theory“ an, welche er in „Counterpart Theory and Quantified Modal Logic“ einführt (vgl. D. Lewis 1968). Wie der Titel bereits verrät, entwickelte Lewis diese Theorie im Kontext der Semantik von Modalaussagen welche als echte Alternative zu Kripkes Semantik möglicher Welt gilt. In Abgrenzung zu Kripke bildet die Grundlage dieser Theorie die Annahme, dass kontrafaktische Welten ausschließlich über Eigenschaftsbestimmungen gegeben sind. Im Fall von Aristoteles hieße dies etwa, er wäre in anderen möglichen Welten mit dem Ding zu identifizieren, das ihm in seinen wichtigsten Eigenschaften am ähnlichsten wäre, in diesem Sinne also sein „Gegenstück“ bildete, oder wie Lewis es formuliert: Your counterparts resemble you in content and context in important respects. They resemble you more closely than the other things in their worlds. But they are not really you. For each of them is in his own world, and only you are here in the actual world. […] It would be better to say that your counterparts are men you would have been, had the world been otherwise. The counterpart relation is a relation of similarity. So it is problematic in a way all relations of similarity are: it is the resultant of similarities and dissimilarities in a multitude of respects, weighted by the importance of the various respects and by the degrees of the similarities. (D. Lewis 1968: 114 – 115)

Meine Gegenstücke in einer anderen Welt wären demnach in der gleichen Weise mit mir identisch wie ich in der aktualen Welt zum jetzigen Zeitpunkt mit mir zu einem späteren Zeitpunkt. Methodisch bedarf es daher einer Art „transworld identification“ (Kripke 1981: 76). In Kripkes Bestimmung kontrafaktischer Welten gehen wir zunächst von einem Individuum der aktualen Welt aus, welches auf den Namen „X.Y.“ getauft ist. Über dieses Individuum können wir nun sagen, es sei denkbar, dass es eine oder mehrere andere Eigenschaften besitzt als in der gegebenen Welt, so etwa, dass die Person namens „Aristoteles“ nie Philosoph geworden wäre oder Merkel keine Bundes-

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kanzlerin. Die möglichen Welten drehen sich daher stets um jeweils dasselbe und nicht ein im höchsten Maße ähnliches Individuum. Denn: „A possible world isn’t a country that we are coming across, or viewing through a telescope. Generally speaking, another possible world is too far away. Even if we travel faster than light, we won’t get to it. A possible world is given by the descriptive conditions we associate with it.“ (Kripke 1981: 44) So könnte ich sagen, dass ich in einer kontrafaktischen Welt jetzt nicht hier sitzen würde und über mögliche Welten schriebe und stattdessen etwas anderes täte, oder, um das Beispiel Kripkes zu verwenden: „We just imagine the situation where I didn’t decide to give this lecture or decided to give it on some other day.“ Allerdings räumt er dabei ein: „Of course, we don’t imagine everything that is true or false, but only those things relevant to my giving the lecture; but, in theory, everything needs to be decided to make a total description of a world.“ (Kripke 1981: 44) Gerade hierin liegt meines Erachtens eine wesentliche Schwäche Kripkes, die sich auch in seinen noch zu diskutierenden Gedankenexperimenten zeigen wird. Denn dort werden wir sehen, dass selbst die für eine alternative Welt wirklich relevanten Aspekte einer Variation der Qualitäten, insbesondere mit Bezug auf davon betroffene Wortverwendungen, weitestgehend unberücksichtigt bleiben. Allerdings ist die Grundintention Kripkes sehr klar: Zur Beschreibung einer kontrafaktischen Welt ist es wesentlich, dass die jeweilige Akteurin der aktualen Welt andere als die gegebenen Beschreibungen erfüllt. Dadurch ist sie als Subjekt dieser Eigenschaften in jeder möglichen Welt und ihrer Beschreibung gesetzt. Denn: „Possible worlds are stipulated, not discovered by powerful telescopes.“ (Kripke 1981: 44). Demnach kann ich natürlich festsetzen, dass ich, wenn ich darüber nachdenke, was ich getan hätte, wenn ich mich entschieden hätte, heute nicht über mögliche Welten zu schreiben, darüber nachdenke, was ich stattdessen getan hätte und nicht jemand anderer, welcher mir in relevanten Hinsichten gleicht. Die Auffassung kontrafaktische Welten rein qualitativ zu bestimmen, sieht Kripke unter anderem in einer Verwechslung begründet, die uns bereits von Putnam bekannt ist, die der epistemischen mit metaphysischer Notwendigkeit. „If someone identifies necessity with a prioricity, and thinks that objects are named by means of uniquely identifying properties, he may think that it is the properties used to identify the object which, being known about it a priori, must be used to identify it in all possible worlds, to find out which object is Nixon.“ (Kripke 1981: 49) Interessant an dieser Bemerkung ist die Formulierung, dass man die Eigenschaften, welche man in allen möglichen Welten zur Identifizierung des Gegenstandes verwendet, a priori über ihn weiß. Die Existenz eines solchen Gegenstandes scheint in dieser Formulierung bereits vorausgesetzt. Abgesehen von der Schwierigkeit notwendiger und hinreichender Identitätsbedingungen außerhalb der Philosophie der Mathematik scheint das Verständnis

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deskriptiver Angaben zur Fixierung der Bedeutung nach Kripke auf einer falschen Auffassung kontrafaktischer Welten zu beruhen, da sie eher der eines fremden Landes zu entsprechen scheint. Die Frage, ob etwa Nixon sich in dieses Land begeben hat oder nicht, ist daher zunächst offen. Wir konzentrieren uns ausschließlich auf die gegebenen Qualitäten, welche beobachtbar sind, eine bestimmte Größe, Haarfarbe, Hundebesitzer etc. Ob irgendjemand hingegen Nixon ist, lässt sich auf diese Weise gerade nicht beobachten. Die Möglichkeit der Identifizierung von Qualitäten versetzt uns also in die Lage, alleine aufgrund der vorhandenen Eigenschaften sagen zu können, wann wir dem Objekt begegnen, welches identisch ist mit jenem, welches uns zuvor gegeben war. Wir sollten also erkennen können, wer in einer anderen als der faktischen Welt Nixon ist (vgl. Kripke 1981: 43). Dieser Auffassung hält Kripke entgegen, dass grundsätzlich keine Dinge über kontrafaktische Situationen herausgefunden werden, sondern stipuliert und mögliche Welten nicht rein qualitativ gegeben sein müssen, so als ob wir sie durch ein Teleskop betrachteten. Denn die Eigenschaften, welche einem Gegenstand in kontrafaktischen Situationen zugeschrieben werden, müssen nicht mit denen übereinstimmen, die wir zur Identifikation in der faktischen Welt verwenden. Die Metapher des Entdeckens durch ein Teleskop spielt also auf die deskriptivistische Gegenposition an, innerhalb derer ich mich in alternativen Welten auf die Suche nach der Person mache, welche die Beschreibungen der aktualen Welt erfüllt, ganz im Sinne von Putnams These (II) bzw. der Carnap’schen Intension als Funktion möglicher Welten in die jeweils möglichen Extensionen, das heißt in unserem Fall, in die in der kontrafaktischen Welt entsprechend beschriebene Person. Die Extensionen sind mathematisch gesprochen also nichts anderes als die entsprechenden Funktionswerte. In der Beschreibung dieser Welt kann der Name der Person dann natürlich nicht enthalten sein, sondern muss in rein qualitativer Form beschrieben werden, wie Kripke am Beispiel Nixons verdeutlicht, als ein Mann, der einen Hund namens Checkers besitzt etc. und der die Präsidentschaftswahl im November 1968 verlor (vgl. Kripke 1981: 44). So wird durch die Personenoder Gegenstandsbeschreibungen, verstanden als Funktionen, für sämtliche mögliche Welten das jeweilige Individuum bzw. das entsprechende Objekt erst bestimmt und ist nicht wie bei Kripke bereits gesetzt. Die Identitätskriterien über mögliche Welten hinweg verlangen dann notwendige und hinreichende Bedingungen dafür, dass etwas oder jemand Nixon ist. Diese Forderung wird mit Kripkes Konzept des rigiden Designators dadurch hinfällig, dass „Nixon“ in allen möglichen Welten starr Nixon bezeichnet. Insofern stellt sich hier das bereits angesprochene Problem im Kontext von Sinnschwankungen nicht, welche Beschreibungen ein Gegenstand erfüllen muss, um die Bedeutung des entsprechenden Ausdrucks zu sein. Hier kämen Lewis’ „counterparts“ ins Spiel, welche der Person der aktualen Welt in den wichtigen Hinsichten mehr ähneln als andere Individuen dieser mög-

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lichen Welt. Darin zeigt sich eine der zentralen Auffassungen dieser Theorie, insofern eine Person auch nur in einer und nicht mehreren kontrafaktischen Welten aktual existiert. Demgemäß ist unsere aktuale Welt auch nur eine von möglichen Welten und ihnen völlig gleichgestellt. Dieser Punkt spiegelt insbesondere Lewis’ modalen Realismus wider, nach dem solche Welten zwar nicht aktual existieren: „Other worlds than ours are not our world, or inhabitants thereof.“ Allerdings: „It does not follow that realism about possible worlds is false. Realism about unactualized possibles is exactly the thesis that there are more things that actually exist.“ (D. Lewis [1973] 2005: 86) Lewis sieht in der Differenzierung in aktuale und mögliche Welten also keine Abgrenzung unterschiedlicher Arten von Welten: When I profess realism about possible worlds, I mean to be taken literally. Possible worlds are what they are, and not some other thing. If asked what sort of thing they are, […] I can only ask him to admit that he knows what sort of thing our actual world is, and then explain that possible worlds are more things of that sort, differing not in kind but only in what goes on at them. Our actual world is only one world among others. (D. Lewis 2005: 85)

Mögliche Welten, auf diese Weise bestimmt, entsprächen dann ganz Kripkes fünfunddreißig Würfel-Entitäten im „never-never land“. Durch die Auffassung multipler Gegebenheiten vermeidet Lewis zumindest das Problem der „accidental intrinsics“ (vgl. D. Lewis 1986: 202 – 204 und D. Lewis 2000), dass ein und dieselbe Person bestimmte Eigenschaften zugleich in der aktualen Welt haben und in einer anderen möglichen Welt nicht haben kann. Hätte ich etwa in einer möglichen Welt keine universitäre Laufbahn genommen, sondern wäre als Volkswirt tätig geworden, dann wäre mein Gegenstück und nicht ich die Person in dieser Welt, obgleich dadurch die Wahrheit der Annahme, ich hätte auch eine volkswirtschaftliche Karriere einschlagen können, gewährleistet ist. In der Tat mutet eine solche Auffassung in Bezug auf Individuen sehr eigentümlich an. Denn wenn uns eine mögliche Welt nur rein qualitativ gegeben ist, müsste ich mich bzw. mein Gegenstück in einer solchen Welt mit der Person identifizieren, die mir in meinen wichtigsten Eigenschaften am ähnlichsten ist. Es ist jedoch naheliegender, dass ich darüber nachdenke, was mit mir in einer anderen möglichen Welt geschehen könnte als mit meinem Gegenstück, zu dem ich bis auf die Beziehung der Ähnlichkeit keine offensichtliche Verbindung habe. Denn das scheint zu implizieren, dass auch ich über spezifische intrinsische Eigenschaften bestimmt bin. Hier scheint Kripke eine gewisse Schwäche diagnostiziert zu haben, welche sich im Kontext singulärer Kennzeichnungen als Wege zur Extension ergeben können. Daher wirkt sein Konzept des starren Designators im Fall von Eigennamen hier am überzeugendsten. Krikpe selbst bezeichnet diese Auffassung interessanterweise als „intuitiv“ (vgl. u. a. Kripke 1981: 48 bzw. 49). Am Beispiel Nixons können wir zwar

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sagen, Nixon hätte auch nicht Präsident werden können, nicht jedoch, Nixon hätte auch nicht Nixon sein können, obwohl er natürlich anders genannt hätte werden können. Wenn wir alle übrigen bisher erwähnten Kennzeichnungen genauer betrachten, fällt auf, dass zeitlich gesehen die meisten dem üblichen Taufakt gegenüber nachgelagert sind. Denken wir an Aristoteles als Schüler Platons und Lehrer Alexanders bzw. Hundeliebhaber, an Dr. Lauben als den Arzt, der dort und dort wohnte, Nixon als Gewinner der Präsidentschaftswahl im Jahr 1968, Moses als den Mann, der die Israeliten durch die Wüste geführt hat oder Gödel als Erfinder des Unvollständigkeitssatzes usw., dann sehen wir, dass diese Zuschreibungen einen Zeitpunkt (bzw. Zeitraum) betreffen, der lange nach der eigentlichen Namensnennung eintrat. Innerhalb bestimmter Traditionen erfolgen Namenstaufen in der Regel in der kindlichen Frühphase, in welcher die Anzahl möglicher Kennzeichnungen noch sehr begrenzt ist. Üblicherweise beziehen sie sich auf den Geburtsort, Geburtstag und die Elternschaft. Die ersten beiden Kennzeichnungen finden sich zumindest in Frege, – Aristoteles in Stagira geboren (vgl. Frege 2011b: 144), Dr. Lauben am 13. September 1875 (vgl. Frege 1993: 39) –, die Elternschaft, wie gesehen, in Kripkes Beispiel der englischen Queen Elisabeth II. (Kripke 1981: 110 – 113), in deren Kontext Kripke auch seine Auffassung der wesentlichen Eigenschaften des Ursprungs und der Substanz entwickelt. Aufgrund dieses numerisch sehr eingeschränkten Bündels von Kennzeichnungen in der Frühphase eines Menschen, welche im Fall von Geburtstag und -ort nicht einmal singulärer Natur sind, erscheint bei Eigennamen Kripkes These des starren Designators in der Tat intuitiv. Denn mit Bezug auf die erstgenannten Beschreibungen können wir uns natürlich vorstellen, die jeweiligen Namensträger hätten einen anderen Weg eingeschlagen, ohne dass dies in irgendeiner Weise ihre Benennung beträfe. In der faktischen Welt dienen diese, auf den Taufakt bezogenen ex-post-Kennzeichnungen daher üblicherweise dazu, mir eine mir unbekannte Person, deren Namen ich nicht kenne, wissentlich näher zu bringen, etwa „Die Person dort drüben ist die Leiterin von …“, bzw. „die Ehefrau des …“ etc. Gerade in diesen Kontexten hat die aus der Putnam-Searle-Diskussion bekannte Kennzeichnung des Typs „V.M. ist die Person, die ‚V.M.‘ genannt wird“, keinen informativen Gehalt. Das verdeutlicht auch die Auffassung Mills, Namen hätten zwar eine Denotation aber keine Konnotation. Was sich an der Namensgebung von Personen allerdings auch zeigt, ist nach meiner Auffassung die Tatsache, dass sie nicht aus denselben Gründen erfolgen, wie etwa in vielen Kontexten der Benennung von Lebewesen des Pflanzen- oder Tierreiches bzw. Gegenständen, deren Benennung sich gerade durch die zugrundeliegende Kennzeichnung rechtfertigt. Zwar dient in beiden Fällen die Namensgebung zur Individuierung und möglichen Bezugnahme in diskursiven Kontexten, doch nur

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bei der Verwendung singulärer Kennzeichnungen ist der Weg vom Zeichen über den Sinn zur Bedeutung eindeutig nachvollziehbar. Insofern ist auch verständlich, dass Kripke die „definite descriptions“ genau wie Russell und anders als Frege, nicht zu den eigentlichen Namen zählt (vgl. Kripke 1981: Lecture 1, insb. 24 – 27 bzw. Russell 1956b: 241 – 254). Auf die etwas irreführende Sinnbestimmung Freges als „Art des Gegebenseins“ wurde bereits hingewiesen. Ich vermute, dieser Punkt ist gerade mit der Schwierigkeit verknüpft, dass im Fall von Personen die Sinnbestimmungen üblicherweise dem eigentlichen Benennungsakt zeitlich nachgelagert sind und insofern nicht die These (II) erfüllen können wie im Kontext von Arten, die sich aus einer bestimmten Kennzeichnung, bzw. genauer gesagt Abgrenzung von anderen Arten ergeben und deren Namensgebung gerade in der spezifischen Differenz begründet ist. Hier zeigt sich die aristotelische Bestimmung der Definitionsregel des genus proximum et differentia specifica, welche auch Locke an zahlreichen Stellen des Dritten Buches aufgreift (vgl. Locke 2011, insb. III, iii „Of General Terms“ und III, iv „Of the Names of Simple Ideas“). Ganz in diesem Sinne bemerkt auch Thomas Reid: From what has been said of logical definition, it is evident, that no word can be logically defined which does not denote a species; because such things only can have a specific difference; and a specific difference is essential to a logical definition. On this account there can be no logical definition of individual things, such as London or Paris. Individuals are distinguished either by proper names, or by accidental circumstances of time or place; but they have no specific difference; and, therefore, though they may be known by proper names, or may be described by circumstances or relations, they cannot be defined. (Reid 1846: 219 – 220; vgl. ganz entsprechende Auffassungen in Locke 2011: III, iv, 4 sowie III, iv, 7).

Auch Mill verweist in seiner Bestimmung der „proper names“ als nicht-konnotativ auf die unterschiedlichen Gründe der Benennung hin: „When we name a child by the name Paul, or a dog by the name Caesar, these names are simply marks used to enable those individuals to be made subjects of discourse. It may be said, indeed, that we must have had some reason for giving them those names rather than others; and that is true; but the name, once given, is independent of the reason.“ (Mill 1843: I, ii, 5; 40) So mag es bestimmte Gründe für eine konkrete Namenspräferenz geben – Eltern benennen ihre Kinder manchmal nach dem Vater, der Taufpatin oder einer bestimmten Vorliebe –, allerdings ist der Name selbst gänzlich unabhängig von diesen Gründen. Und gerade dieser Punkt unterscheidet sie von den Fällen, in welchen die Intension eindeutig die Extension bestimmt. Einen analogen Fall zu den Personennamen sieht Mill auch in der Benennung von Städten wie etwa Dartmouth, die ihren Namen aufgrund ihrer Lage an der Mündung des Flusses Dart erhielt. Seine Begründung der Parallelität zu Eigenna-

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men wie John oder Paul scheint allerdings nicht in selber Weise überzeugend: „If sand should choke up the mouth of the river, or an earthquake change its course, and remove it to a distance from the town, the name of the town would not necessarily be changed“ (Mill 1843: I, ii, 5; 40). „Necessarily“ ist für Mill hier tatsächlich in einem logischen Sinn zu verstehen, insofern die Behauptung, Dartmouth läge nicht an der Mündung des Darts, keinen Widerspruch erzeuge. Und daher kann es nicht zur Bedeutung des Namens „Dartmouth“ gehören, dass die Stadt, die so genannt wird, auch an dieser Mündung liegt. Nach meiner Auffassung liegt die Beibehaltung eines Namens hingegen meist in etwas anderem begründet. Üblicherweise werden eingetragene Städtenamen nicht mit gleichem verwaltungstechnischen Aufwand geändert, wie wir es vielleicht von Namen für Gaststätten kennen, beispielsweise „Die 1000-jährige Linde“, „Der Grüne Baum“, oder „Der Kirchenwirt“. Hier lässt sich die Beibehaltung des Namens meist aus anderen, praxisrelevanten, beispielsweise marketingtechnischen oder traditionsbedingten Gründen erklären. Ursprünglich erhielten diese Gasthäuser ihre Bezeichnung aufgrund ihrer Lage (wie im Fall von „Kirchenwirt“, „Zur Post“ oder„Pub on the Pond“), eines Alleinstellungsmerkmals oder des entsprechenden Angebotes (beispielsweise „1000-jährige Linde“, „Schnitzelwirt“, „Herzl Weinstube“ oder „Bierbaron“). Bei Neuübernahmen werden solche Namen aufgrund ihrer Etabliertheit und des damit verbundenen Wiedererkennungseffektes meist beibehalten, zumindest bei traditionellen Gastronomien, deren Namen sich über eine sehr lange Zeitspanne in der sie umgebenden Gemeinschaft eingeprägt haben. Sollten die ursprünglichen Namensgeber bzw. namensgebenden Umstände nicht mehr existieren, wird in vielen Fällen jedoch auch eine Namensänderung vollzogen, sind damit keine größeren organisatorischen Aufwände verbunden, wie es wohl für Mills Dartmouth-Beispiel gälte. Aber selbst hier lassen sich Gegenbeispiele angeben, wie etwa herrschaftspolitisch motivierte Gründe am Beispiel der Stadt Sankt Petersburg, die von 1914 bis1924 in Petrograd und von 1924 bis 1991 in Leningrad umbenannt wurde. So bemerkt auch Kripke einschränkend: „Changing Mill’s terminology, perhaps we should say that a name such as ‘Dartmouth’ does have a connotation, it does connote […] that any place called ‘Dartmouth’ lies at the mouth of the Dart.“ (Kripke 1981: 26) Hierin spiegelt sich auch Russells Auffassung von nicht-logischen Eigennamen als Abkürzungen singulärer Kennzeichnungen wider und ihre Bestimmung als „incomplete symbols“, denn wären sie „logically proper names“ könnten sie nicht fehlreferieren, wie in Mills Beispiel der veränderten Flussmündung. Dass auch Kripke diese Auffassung nicht teilt, erklärt seine philosophische Überzeugung, Sinnbestimmungen können keine Definitionen der zugrundeliegenden Ausdrücke sein, da keine Synonymie zwischen ihnen besteht und sie daher auch nicht salva veritate substituierbar sind. Sie dienen ferner, wie wir noch sehen

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1 Zum Begriff möglicher Welten

werden, nicht einmal als Mittel zur Bestimmung des Referenzgegenstandes, da der Namensträger in einer kontrafaktischen Situation im äußersten Fall gar keine der ursprünglich zugeschriebenen Eigenschaften erfüllen muss. Ihre einzige Funktion dient daher der anfänglichen Identifizierung. Auch Paul Ziff, den Kripke im Zusammenhang der Frage von Bedeutung und Referenz erwähnt (vgl. Kripke 1981: 32, 80, 119 – 120) stimmt mit Mill und Kripke darin überein, Namen hätten keine Bedeutung (vgl. insb. Ziff 1960: ch. III). Anders als Kripke versteht Ziff hingegen Kennzeichnungen durchaus als Grundlage zur Bestimmung des Referenzobjektes, auch wenn ein Name nicht synonym ist mit einer Beschreibung der Art „Die Person, für die das und das zutrifft“ bzw. mit einem Bündel von Beschreibungen. Ziff schlägt sogar eine Abgrenzung zwischen den Namen von Dingen bzw. Personen, mit denen wir bekannt sind, und den Namen historischer Figuren vor. So können wir im ersten Fall die Referenz durch hinweisende Definition bzw. Taufe festlegen, im letzten Fall hingegen mittels eines Clusters von Beschreibungen, wie wir es bereits von Aristoteles oder Moses kennen (vgl. Ziff 1960: 103 – 104 und Kripke 1981: 32 – 33). Kripkes Auffassung von Namen als rigide Designatoren unter völliger Ausklammerung aller qualitativen Bestimmungen scheint Ziff jedoch nicht zu teilen, wie die abschließende Bemerkung dieser Einleitung zeigen soll, in welcher er auch den Gebrauch von Namen betont: A name is a fixed point in a turning world. Descriptions change. Some of our information about [Théophile] Gautier may prove to be erroneous: the name is not tied to all of the reports, accounts, descriptions, etc., given in connection with Gautier. If all such reports, accounts, etc., should prove to be erroneous, we would (most likely) then no longer have any use for the name. Certain things are like to undo a name. […] death does not undo a name […]. But lesser things are likely to. Were he [George] to change in extraordinary ways, e. g. change sex, it is likely that his name would change from ‘George’ to ‘Georgina’. […] This should not be surprising. (Ziff 1960: 104)

Beenden wir an dieser Stelle unsere einleitenden Bemerkungen zum Konzept möglicher Welten und widmen uns im nächsten Kapitel Kripkes Interpretation des Einheitsstabes, in welcher es ebenfalls um die Frage des Verhältnisses kontrafaktischer Welten geht und die Rolle ostensiver Definition in diesem Zusammenhang.

2 Referenz und Gebrauch. Das Urmeter 2.1 Wittgenstein und der Einheitsstab Im Zusammenhang der Frage, ob die semantischen Auffassungen von Frege und Russell als eine Theorie der Bedeutung von Namen oder lediglich als eine Theorie der Referenz zu verstehen sind, zitiert Kripke einleitend Paragraph 50 der Philosophischen Untersuchungen, allerdings nur einen sehr kurzen Auszug daraus. Bevor wir uns der Lesart Kripkes zuwenden, gebe ich zunächst den vollständigen Paragraphen wieder, da Kripkes Zitatauswahl in einen bestimmten Kontext gestellt ist. Zum besseren Verständnis soll dieser Kontext kurz skizziert werden, um ihn leichter der Kripke’schen Konzeption gegenüberstellen zu können. Wittgenstein schreibt: Was heißt es nun, von den Elementen zu sagen, daß wir ihnen weder Sein noch Nichtsein beilegen können? – Man könnte sagen: Wenn alles, was wir „Sein“ und „Nichtsein“ nennen, im Bestehen und Nichtbestehen von Verbindungen zwischen den Elementen liegt, dann hat es keinen Sinn, vom Sein (Nichtsein) eines Elements zu sprechen; sowie, wenn alles, was wir „zerstören“ nennen, in der Trennung von Elementen liegt, es keinen Sinn hat, vom Zerstören eines Elements zu reden. Aber man möchte sagen: Man kann dem Element nicht Sein beilegen, denn wäre es nicht, so könnte man es auch nicht einmal nennen und also garnichts von ihm aussagen. – Betrachten wir doch einen analogen Fall! Man kann von einem Ding nicht aussagen, es sei 1 m lang, noch, es sei nicht 1 m lang, und das ist das Urmeter in Paris. – Damit haben wir aber diesem natürlich nicht irgend eine merkwürdige Eigenschaft zugeschrieben, sondern nur seine eigenartige Rolle im Spiel des Messens mit dem Metermaß gekennzeichnet. – Denken wir uns auf ähnliche Weise wie das Urmeter auch die Muster von Farben in Paris aufbewahrt. So erklären wir: „Sepia“ heiße die Farbe des dort unter Luftabschluß aufbewahrten Ur-Sepia. Dann wird es keinen Sinn haben, von diesem Muster auszusagen, es habe diese Farbe, noch, es habe sie nicht. Wir können das so ausdrücken: Dieses Muster ist ein Instrument der Sprache, mit der wir Farbaussagen machen. Es ist in diesem Spiel nicht Dargestelltes, sondern Mittel der Darstellung. – Und eben das gilt von einem Element im Sprachspiel (48), wenn wir, es benennend, das Wort „R“ aussprechen: wir haben damit diesem Ding eine Rolle in unserm Sprachspiel gegeben; es ist nun Mittel der Darstellung. Und zu sagen „Wäre es nicht, so könnte es keinen Namen haben“ sagt nun so viel, und so wenig, wie: gäbe es dieses Ding nicht, so könnten wir es in unserem Spiel nicht verwenden. – Was es, scheinbar, geben muß, gehört zur Sprache. Es ist in unserem Spiel ein Paradigma; etwas, womit verglichen wird. Und dies feststellen, kann heißen, eine wichtige Feststellung machen; aber es ist dennoch eine Feststellung unser Sprachspiel – unsere Darstellungsweise – betreffend. (Wittgenstein 1989a, PU: § 50)

Zunächst greift Wittgenstein also die Frage auf, was es heißen könnte, einem Element Sein bzw. Nichtsein zuzuschreiben. Das erinnert natürlich stark an seine eihttps://doi.org/10.1515/9783111241555-009

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2 Referenz und Gebrauch. Das Urmeter

gene Auffassung des Tractatus. Wenn der Begriff des Seins bzw. Nichtseins nur Anwendung auf Verbindungen von Elementen findet, und nicht die Elemente selbst, dann können wir ihnen nicht sinnvoll Sein oder Nichtsein zuschreiben. Die Elemente bilden vielmehr die Voraussetzung dafür, die Ausdrücke „Sein“ bzw. „Nichtsein“ überhaupt sinnvoll anwenden zu können, da ohne ihr Bestehen auch keine Verbindungen von Elementen möglich wären. Gleiches gilt für den Ausdruck des Zerstörens, wenn dieser sich semantisch lediglich auf die Aufspaltung eines Elementenkomplexes in seine Bestandteile bezieht und nicht auf die Elemente selbst. Nun ließe sich dagegen einwenden, man könne Elementen überhaupt kein Sein zuschreiben (bzw. abschreiben), denn, würde das Element nicht sein, dann könnten wir es auch nicht benennen und dementsprechend auch nichts darüber aussagen. Das erinnert ebenso an Russells Begriff der „proper names“, wie wir bereits im Kontext der Bestandteile von Propositionen gesehen haben. So bemerkt er exemplarisch: „A name can just name a particular, or, if it does not, it is not a name at all, it is a noise. It cannot be a name without having just that one particular relation of naming a certain thing“ (Russell 1956b: 187), bzw. im Fall von üblichen Eigennamen: „We may inquire significantly whether Homer existed, which we could not do if ‘Homer’ were a name. […]; for, if ‘a’ is a name, it must name something: what does not name anything is not a name, and therefore, if intended to be a name, is a symbol devoid of meaning“ (Russell 1993: 178 – 179). Wie wir später sehen werden, stellt sich auch für Kripke das Problem der Existenz im Kontext der nach seiner Auffassung notwendigen Identitätsaussage „Hesperus = Phosphorus“ über alle möglichen Welten hinweg, in einer kontrafaktischen Welt, in welcher die Venus nicht existiert (vgl. Kripke 1981: 109 – 110). Um nun die Schwäche jenes Einwands zu verdeutlichen, liefert uns Wittgenstein einen nach seiner eigenen Auffassung analogen Fall des Urmeters. Das Beispiel des Einheitsstabes findet sich auch schon in Wittgensteins früheren Schriften nach seiner Rückkehr nach Cambridge 1929. In diesen Bemerkungen nimmt er bereits seine Auffassung der Rolle von Mustern oder Paradigmen als Instrumente der Sprache vorweg. So betont er schon in der Philosophischen Grammatik, dass man im Kontext hinweisender Definitionen von Paradigmen bzw. Mustern selbst nichts aussagt. Sie dienen uns vielmehr als Mittel, um überhaupt im Kontext des Musters (Farbmuster, Urmeter etc.) sinnvolle Aussagen machen zu können, beispielsweise, dass der Kasten in meinem Büro eine Breite von zwei Metern hat. Insofern gehört das Muster zum Symbolismus und nicht zum Bereich der Gegenstände, auf den ich das Muster anwenden kann, etwa um die Farbe meiner Wohnzimmervorhänge zu beschreiben. Verdeutlichen will Wittgenstein diesen Punkt durch die willkürliche Einführung der Maßeinheit „1 Fuß“: Wäre diese Maßeinheit definiert als die Länge eines ganz bestimmten Stabes, der sich in meinem Zimmer befindet, dann könnte ich zwar anstelle „diese Tür ist 6 Fuß hoch“

2.1 Wittgenstein und der Einheitsstab

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auch sagen: „diese Tür hat sechsmal diese Länge“, wobei ich in beiden Fällen auf den Einheitsstab zeige (vgl. Wittgenstein 1993a, PG, 346). Was ich allerdings nicht sagen kann, ist das Folgende: „der Satz ‚es gibt einen Gegenstand von 1 Fuß Länge‘ beweist sich selbst, denn ich könnte diesen Satz gar nicht aussprechen, wenn es keinen Gegenstand von dieser Länge gäbe; denn vom Einheitsstab kann ich nicht sagen, daß er 1 Fuß lang sei.“ (Wittgenstein 1993a, PG: 346). Kripke hingegen würde den Satz „Es gibt einen Gegenstand von 1 Fuß Länge“ sogar als wahr auffassen, wenn auch nur kontingenterweise, wie wir später noch sehen werden. Wittgenstein untermauert seine Auffassung hingegen wie folgt: (Wenn ich nämlich statt ‚1 Fuß‘ das Zeichen ‚diese Länge‘ einführe, so hieße die Aussage, daß der Einheitsstab die Länge 1 Fuß hat: ‚dieser Stab hat diese Länge‘ (wobei ich beide Male auf den gleichen Stab zeige). So kann man von der Gruppe der Striche, welche etwa als Paradigma der 3 steht nicht sagen, es bestehe aus 3 Strichen. […] Und ein Satz kann das Paradigma im andern nie beschreiben, sonst ist es eben nicht Paradigma. Wenn die Länge des Einheitsstabes durch die Längenangabe ‚1 Fuß‘ beschrieben werden kann, dann ist er nicht das Paradigma der Längeneinheit, denn sonst müßte jede Längenangabe mit seiner Hilfe gemacht werden. (Wittgenstein 1993a, PG: 346)

In diesen Überlegungen zeigen sich ganz deutliche Parallelen zu § 50 der Philosophischen Untersuchungen. Auch wenn hier, wie angedeutet, der engere Kontext ein anderer ist, wird bereits der für Wittgenstein so zentrale Unterschied zwischen Symbolismus einerseits und Gegenstandsbereich bzw. wahrheitswertfähigen Gegenstandsbeschreibungen andererseits deutlich. So bemerkt er in Eine Philosophische Betrachtung entsprechend: „Es handelt sich darum, was sind die Paradigmen für die Verwendung des Wortes und welches die Gegenstände, auf die es angewandt wird.“ (Wittgenstein 1991a, PB: 200) Insofern wird auch seine Bemerkung aus § 50 der PU verständlich, dass wir den Ausdruck „Sepia“ erklären, indem wir darauf verweisen, dass es ein unter Verschluss befindliches Farbmuster von Ur-Sepia gäbe, dessen Farbe „Sepia“ heiße. Dann können wir natürlich nicht mehr sagen, dieses UrSepia habe auch die Farbe. So bemerkt Wittgenstein an einer Stelle, wenn er über die Maschine als Symbol ihrer Wirkungsweise spricht: „Die Schwierigkeit aber entsteht hier in allen Fällen durch die Vermischung von ‚ist‘ und ,heißt‘.“ (Wittgenstein [1976] 1989b, VE: 117) Auch dieser Punkt wird uns in der Diskussion von Kripke wieder begegnen. In Eine Philosophische Betrachtung betont Wittgenstein darüber hinaus den von ihm selbst im Tractatus vertretenen Irrtum, einem Wort müsse, um überhaupt Bedeutung zu haben, ein Gegenstand entsprechen, ganz in der Tradition der Russell’schen „proper names“, und außerdem die irrtümliche Verwechslung der Bedeutung eines Namens mit seinem Träger. Diese Unterscheidung bzw. irrtümliche Verwechslung von Bedeutung und Träger ist fundamental für die Diskussion und

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2 Referenz und Gebrauch. Das Urmeter

das Verständnis der Position Kripkes. Auch Rhees betont an einer Stelle die Verwechslung von „giving a sample“ und „using a sample“ im Zusammenhang des Tractatus: The Tractatus hardly distinguishes naming and calling something by its name. And 3.3 shows that this is not an oversight. ‘Nur im Zusammenhange des Satzes hat der Name Bedeutung.’ So we may think that what the word ‘red’ means is expressed by the sentence ‘a is red.’ Someone might say: ‘the name must correspond to some reality. It cannot describe anything if there is nothing which it signifies.’ Or suppose I told you: ‘I call each of these roses red because each of them is red. The word I use corresponds to the colour of the flower.’ – But what corresponds is the sentence. The Tractatus supposed that ‘red’ determines how I use it. Wittgenstein rejected this later. It confuses giving a sample and using a sample. I may give a sample – a piece of coloured paper – to explain what I mean by ‘Vermillion’. Or I may use the sample in place of the word and tell you ‘the flowers in that bed are this colour’. But I cannot use the sample to explain what colour this sample is. (Rhees 1970: 28)

Dass wir vom Einheitsstab weder sagen können, er sei einen Meter lang, noch er sei nicht einen Meter lang, ist keine merkwürdige Eigenschaft des Urmeters, da es nicht um Eigenschaften eines Gegenstandes geht, die wir ihm richtigerweise oder fälschlicherweise zuschreiben, sondern um die Rolle des Einheitsstabes im Umgang von Messvorgängen mit dem Meterstab. Diese Rolle skizziert Wittgenstein damit, dass der Stab Mittel der Darstellung und nicht Dargestelltes ist, also nicht dem Bereich potenziell messbarer Gegenstände zugehörig, sondern der Sprache bzw. dem Symbolismus. Durch die Einführung der Definition von einem Meter oder der Farbe Sepia mittels des Einheitsstabes oder eines Farbmusters werden Messvorgänge oder Farbzuschreibungen überhaupt erst möglich und entsprechende Beschreibungen sinnvoll, da dadurch den in ihnen enthaltenen Mess- oder Farbangaben überhaupt erst Sinn verliehen wird. Diesen kurzen Erläuterungen zu Wittgensteins Verständnis des Urmeters und der Rolle von Mustern und Paradigmen sollten ausreichend sein, um den Zusammenhang, in welchen Kripke das Urmeter diskutiert, besser rekonstruieren zu können und die darin enthaltenen Unstimmigkeiten bzw. Irrtümer aufzudecken.

2.2 Gegenstand und Zuschreibung Kripke erwähnt das Beispiel des Urmeters im Kontext der Frage, ob es sich bei internalistischen Auffassungen um Bedeutungstheorien oder vielmehr Theorien der Referenz handelt. Er zitiert tatsächlich nur die folgende Bemerkung von Wittgenstein: „There is one thing of which one can say neither that it is one meter long nor that it is not one meter long, and this is the standard meter in Paris. But this is, of

2.2 Gegenstand und Zuschreibung

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course, not to ascribe an extraordinary property to it, but only to mark its peculiar role in the language game of measuring with a meter rule.“ (Kripke 1981: 54). Seine unmittelbare Reaktion darauf, es handle sich hier tatsächlich um eine „merkwürdige Eigenschaft“ zeigt allerdings schon zu Beginn den falsch eingeschlagenen Weg Kripkes, da es überhaupt keine Qualität des Stabes ist, wie aus dem bisher Diskutierten ersichtlich geworden sein sollte. Kripke hält diese Auffassung, man könne dem Stab keine bestimmte Länge zu- oder abschreiben, jedenfalls für falsch und setzt seinen nun folgenden Überlegungen die Annahme voraus, der Stab S sei tatsächlich einen Meter lang. Daran anknüpfend stellen sich nun Fragen über den Status dieser Aussage: Drückt er eine notwendige oder aber willkürliche Wahrheit aus und benutzen wir diese Definition, um die Bedeutung des Ausdrucks ‚1M‘ oder vielmehr sein Referenzobjekt zu bestimmen? In „The Standard Metre“ greift auch Peter Hacker Kripkes Unterscheidung von Bedeutung und Referenz sowie dessen Verständnis kontingenter Wahrheiten auf und formuliert die irrtümliche Auffassung wie folgt: What is at the mercy of the facts is that this particular platinum-iridium bar is one metre long. It might have been longer or shorter, and may become longer or shorter – but the L E N G T H one metre is perfectly secure from the predations of Fortune. The Standard Metre Bar is not a sample but an example – an example of a certain length that we pick out by reference to this metal bar. The Standard Metre Length like all Platonic objects is safe enough – the only problem is identifying it. (Baker und Hacker 2009: 195)

In diesem Sinne wäre Wittgensteins Bemerkung, dass man vom Standard-Meter weder sagen könne, er sei einen Meter lang noch er sei nicht einen Meter lang, schlicht falsch. Dass der Standard-Meter einen Meter lang sei, drückt eine Wahrheit aus, allerdings nur eine kontingente, da der Stab zu dieser Zeit unter zum Beispiel anderen klimatischen Bedingungen auch hätte länger oder kürzer sein können. Tatsächlich aber ist das Urmeter einen Meter lang. Die Definition „1 M = df the length of the Standard Metre Bar“ liefert uns zwar nicht die Bedeutung des Ausdrucks „1 M“, aber zumindest das entsprechende Referenzobjekt. Diesen Punkt versucht Kripke in Naming and Necessity mit zahlreichen Beispielen und Gedankenexperimenten zu stützen. Die allen diesen Mögliche-Welten-Szenarien zugrundeliegende Auffassung ist dabei die, dass es sich bei jener Definition um keinen Ausdruck einer Identitätsbeziehung handeln kann, da es denkbar wäre, ein Einheitsstab in einer anderen möglichen Welt habe eine andere Länge. Daher sind beide Ausdrücke rechts und links des Gleichheitszeichens keine Synonyme, die sich in allen Kontexten salva veritate austauschen ließen. Allerdings stellt sich hier vielmehr die Frage, ob es sich überhaupt um eine kontingente Identitätsaussage handelt:

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2 Referenz und Gebrauch. Das Urmeter

The sentence ‘One metre is the length of the Metre Bar’ is not the result of a measurement (of an experiment, as it were). It is not a contingent identity-statement flanked by a name on the left and a definite description on the right, stating that the length one metre has been discovered to be the length of a certain metal bar (as Jack might be discovered to be the husband of Jill). It is rather a definition (and was originally a stipulation). (Baker und Hacker 2009: 196)

An dieser Bemerkung Hackers zeigt sich klar, dass die Bestimmung des Ausdrucks „1 M“ mittels des Urmeters keine kontingente Identitätsaussage darstellt, da es sich gerade nicht um eine Eigenschaft handelt, die das Urmeter hat, sondern um eine messunabhängige Stipulation einer bestimmten Maßeinheit, die nicht in irgendwelchen experimentellen Resultaten mit einem bestimmten Metallstab gründet. Wenn wir die Bestimmung „Ein Meter ist die Länge des Einheitsstabes“ nicht als eine Identitätsrelation lesen, das heißt, das „ist“ nicht als ein „ist identisch mit“ und stattdessen durch ein „heißt“ ersetzen, würde sich die Frage nach einer Beziehung der Gleichheit nicht mehr stellen und der Charakter einer Definition wäre besser sichtbar. (vgl. Wittgenstein 1989b, UW: 117). In § 30 der Philosophischen Untersuchungen bemerkt Wittgenstein ganz entsprechend: „Man könnte also sagen: Die hinweisende Definition erklärt den Gebrauch – die Bedeutung – des Wortes, wenn es schon klar ist, welche Rolle das Wort in der Sprache überhaupt spielen soll. Wenn ich also weiß, daß Einer mir ein Farbwort erklären will, so wird mir die hinweisende Erklärung ‚Das heißt „Sepia“‘ zum Verständnis des Wortes verhelfen.“ (Wittgenstein 1989a, PU: § 30; Hervorhebung V.M.) Die hinweisende Erklärung kommt so völlig ohne eine Gleichheitsbeziehung aus. Das Interessante in Kripkes Überlegungen ist darüber hinaus, dass er offensichtlich den Namensbegriff auch auf Eigenschaften von Gegenständen und nicht nur die Gegenstände selbst anwendet und damit die fundamentale Unterscheidung Freges in Begriffe als ungesättigt und Gegenstände als gesättigt gänzlich auflöst. So bemerkt Frege etwa in der Einleitung in die Logik: Der einfachste Fall [der Zerlegung eines Gedankens] ist die Zweiteilung. Die Teile sind ungleichartig: der eine ungesättigt, der andere gesättigt (abgeschlossen). Man muss dabei solche Gedanken in Betracht ziehen, die von der hergebrachten Logik als singuläre Urteile bezeichnet werden. […] Der Satz, der einen solchen Gedanken ausdrückt, besteht aus einem Eigennamen – und dieser entspricht dem abgeschlossenen Teile des Gedankens – und einem prädikativen Teile [Begriffswort], der dem ungesättigten Teile des Gedankens entspricht (Frege 1969e: 203).

Über die Gedankenteile sagt Frege an anderer Stelle, sie dürfen „nicht alle abgeschlossen sein, sondern mindestens einer muß irgendwie ungesättigt oder prädikativ sein, sonst würden sie nicht aneinander haften“ (Frege [1892] 2011c: 178). Im dritten Vortrag aus Naming and Necessity wendet Kripke seinen Begriff des starren Designators jedoch auch auf natürliche Artbegriffe und wissenschaftliche

2.2 Gegenstand und Zuschreibung

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Identitätsaussagen an, welche zum Beispiel die Ausdrücke „Licht = _“ oder „Hitze = _“ enthalten. Es ist also nicht der Meterstab, dem wir richtigerweise oder fälschlicherweise die Eigenschaft zuschreiben, einen Meter lang zu sein, sondern vielmehr die Eigenschaft der Länge ein Meter selbst, dass sie von einem bestimmten Metallstab in Paris gehabt wird. Oder wie Kripkes bemerkt: „For he’s [a man who uses the stated definition of ‘one meter’] using this definition not to give the meaning of what he called the ‘meter’ but to fix the reference. […] There is a certain length which he wants to mark out. He marks it out by an accidental property, namely that there is a stick of that length“ (Kripke 1981: 55). Das ist zumindest in zweierlei Hinsicht bemerkenswert, erstens insofern die Kritik an Wittgenstein hier eigentlich ins Leere geht, da sich seine Bemerkung ja auf das Urmeter in Paris bezieht, dem man eine bestimmte Eigenschaft nicht zu- oder abschreiben kann, nämlich die, einen Meter lang zu sein. Kripke bemerkt zwar, dass sich Wittgenstein hier irren muss, insofern nach seiner Auffassung der Stab tatsächlich einen Meter Länge aufweist. Der starre Designator ist hier allerdings nicht, wie man erwarten sollte, der Ausdruck „Urmeter“, der im Zuge eines Taufaktes eines bestimmten Metallstabes in Paris eingeführt wird, sondern die abstrakte Bezeichnung der Länge eines Meters, welche die Eigenschaft besitzt, dass sie von einem bestimmten Metallstab in Paris gehabt wird. Die Konstante im Spiel alternativer Welten ist also nicht der Stab, den wir uns in verschiedenen Welten unterschiedlich lang vorstellen können, sondern die Länge eines Meters, um die wir unterschiedliche Stäbe als instanziierte Eigenschaften der Länge ein Meter, welche von ihnen gehabt wird, variieren können. Dieses Verkehren der Eigenschafts- und Gegenstandsterminologie erscheint daher auch nicht als unmittelbare Kritik an Wittgenstein. Zweitens mutet die Auffassung, ein Meter sei ein rigider Designator, der in allen möglichen Welten dieselbe abstrakte Entität bezeichnet, äußerst platonisch an. Das Urmeter wäre dann vielmehr eine Exemplifikation oder Instanziierung der Länge 1 M, die wir durch Referenz auf einen bestimmten Metallstab bestimmen und kein Muster mehr (vgl. u. a. Baker und Hacker 2009: 195). Denn wenn wir von der Länge 1 M sagen, sie habe die Eigenschaft von einem bestimmten Stab gehabt zu werden, müssen wir Längen und andere Maßeinheiten offensichtlich als abstrakte Entitäten auffassen. Es ist allerdings sehr fraglich, ob wir vom Urmeter sagen können, es sei die Eigenschaft der Länge 1 M, von ihm gehabt zu werden. Kripke selbst räumt in diesem Zusammenhang ein, dass der Begriff der Referenz im Fall abstrakter Entitäten unklar sein könnte (vgl. Kripke 1981: 55). Zumindest handelt es sich bei dieser Relation des Habens bzw. Gehabtwerdens, wenn sich eine solche überhaupt sinnvoll behaupten lässt, nicht um eine Beziehung, wie in Fällen, in denen ich etwas in meiner Hosentasche trage oder im Besitz einer Immobilie, eines Rechts etc. bin. Analog würden wir auch von der Farbe Ocker nicht sagen, sie habe die Eigenschaft, von den Vorhängen in meinem Wohnzimmer ge-

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2 Referenz und Gebrauch. Das Urmeter

habt zu werden. „It is at best confused to suggest that it is a property of the length one metre that such-and-such a metal bar has it. P may be a property of substance S, but being had by S is not a relational property of the Property P. […] For ‘being had by’ thus used, does not signify a relation at all.“ (Baker und Hacker 2009: 197). Verwendungen der Ausdrücke „Das ist ein Meter“, „Die Länge dieses Stabes ist ein Meter“ oder „Die Länge dieses Stabes heißt ‚ein Meter‘“, wenn sie sich alle auf das Urmeter in Paris beziehen, sind also keine wahren oder falschen Zuschreibungen eines bestimmten Gegenstandes, sondern erklären vielmehr den sprachlichen Ausdruck „1 M“. Hier zeigt sich ganz deutlich der Unterscheid zwischen der Erklärung oder Definition eines bestimmten Ausdrucks und der Beschreibung einer bestimmten Eigenschaft, die ein Gegenstand hat oder nicht hat. Insofern das Urmeter also erst die Länge 1 M bestimmt, kann dieser Ausdruck nicht zugleich verwendet werden zur Beschreibung der Länge 1 M, die das Urmeter besitzt. Das schließt natürlich nicht aus, dass ein Satz wie „Der Standardmeter ist einen Meter lang“ auch informativ verwendet werden kann, wenn sich etwa ein Tourist bei der Besichtigung nicht mehr erinnert, ob der Stab nun einen Meter oder ein Yard lang ist. (vgl. Malcolm 1996b: 58) Zur Unterscheidung von Messvorgängen einerseits und der Erklärung einer Maßeinheit per Definition bemerkt Hacker: Measuring and explaining the measure are distinct. Measuring the length of a plank is an action whose result would be formulated in a sentence (e. g. ‘This is 1 M long’), which expresses an empirical proposition and is true if the measurement was made correctly. Of course it expresses the meaning of the expression ‘1 M’. But someone could use the same sentence to explain what he means by ‘1 M long’. The ground for his utterance ‘This is 1 M long’, however, would not be a measurement, for he cannot lay his measuring rod alongside itself to see if it is the same length as itself. (Baker und Hacker 2009: 190)

Man hätte, wie im Fall empirischer Sätze, somit kein Instrument bzw. keine Methode, um festzustellen, ob das Urmeter „tatsächlich“ einen Meter lang ist oder vielleicht kürzer oder länger. Insofern ist auch Kripkes zunächst unserer Intuition naheliegende Aufforderung, uns eine Welt vorzustellen, in der das Urmeter eine andere Länge habe als einen Meter, in der Tat problematisch, da wir in dieser anderen möglichen Welt noch gar nicht über den Ausdruck „1 M“ verfügten und daher auch nicht verstünden, dass etwas um 3 cm von einem Meter abweicht: „Samples (or recipes) used to define units of measurement can be characterized as useful or useless, but there is no question of truth and falsity in their choice and no possibility of getting into conflict with the truth by adopting a particular definition […] Using the measuring rod to define ‘1 M’ does not depend on the rod’s being one M long.“ (Baker und Hacker 2009: 191). Das wäre dann auch keine Definition mehr, sondern vielmehr eine empirische Aussage bzw. eine Beschreibung der Länge des Stabes, die,

2.2 Gegenstand und Zuschreibung

239

abhängig von der tatsächlichen Länge des Stabes, entweder wahr oder falsch wäre. „Rather we use the measuring rod to determine the meaning of ‘1 M’, and in advance of that determination, the expression has no use.“ (Baker und Hacker 2009: 191) Im Kontext einer Theorie von Bedeutung bzw. Referenz ließe sich natürlich auch die Formulierung finden, ein Meter sei die Länge des Einheitsstabes, von welchem Gegenstand auch immer diese Eigenschaft gehabt wird. Hacker bemerkt hierzu: ‘One metre = df the length of the standard metre bar’ obviously does not mean that one length is the length of the standard metre whatever that may be. That would be absurd, since we would then have to surrender to whatever we found in Paris (which, if stretched, might be the length of a telephone pole). Rather it was stipulated that one metre is the length that the Standard Metre Bar has under certain specified conditions (of temperature, etc.) […]. (Baker und Hacker 2009: 194).

Das „whatever that may be“ zielt hier auf die bestimmte Beschreibung ab, in unserem Fall die Länge des Standard-Meters in Paris, welcher Gegenstand auch immer diese Länge hat. In dieser Formulierung zeigt sich auch der uns bereits bekannte attributive Gebrauch bestimmter Beschreibungen, wie „wer auch immer der Mörder von Smith war, der muss wahnsinnig sein“, im Gegensatz zur referentiellen Verwendung, welche dazu dient, seinen ZuhörerInnen gegenüber jemanden oder etwas herauszugreifen, über die oder das man sprechen möchte. Erinnern wir uns: „A speaker who uses a definite description attributively in an assertion states something about whoever or whatever is the so-and-so. A speaker who uses a definite description referentially in an assertion, on the other hand, uses the description to enable his audience to pick out whom or what he is talking about and states something about that person or thing.“ (Donnellan 1966: 285). Bei der attributiven Verwendung spielt die singuläre Kennzeichnung eine wesentliche Rolle, da die Sprecherin etwas über die Person aussagen will, die als einzige die Kennzeichnung erfüllt. Bei der referentiellen Verwendung hingegen gebrauche ich die Kennzeichnung lediglich, um eine bestimmte Person (oder einen bestimmten Gegenstand) unter anderen hervorzuheben und etwas über sie auszusagen. Dabei ist es nicht wesentlich, dass die dazu verwendete Beschreibung auf die Person auch tatsächlich zutrifft. So möchte ich beispielsweise etwas über die Person mir gegenüber sagen und verwende den Ausdruck „Der Mann dort drüben, der einen Martini trinkt, ist adrett gekleidet“, wobei sich herausstellen könnte, dass sich in seinem Glas nur Wasser befindet und der eigentliche Martinitrinker, auf den die Kennzeichnung auch tatsächlich zutrifft, gerade den Raum verlassen hat (vgl. Donnellan 1966: 287). Zur Hervorhebung einer bestimmten Person mittels referentieller Verwendung von Beschreibungen muss die Referentin die Kennzeichnung also nicht erfüllen. „In the attributive use, the

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2 Referenz und Gebrauch. Das Urmeter

attribute of being the so-and-so is all important, while it is not in the referential use.“ (Donnellan 1966: 285). Natürlich sehen wir auch in Donnellans Unterscheidung von attributiver und referentieller Verwendung ein Spiel mit der Subjekts- und Prädikatsposition. Die attributive Verwendung setzt – ganz in der Fortsetzung Russells – die Kennzeichnung von der Subjektstelle an die Prädikatsstelle. So wird etwa „der gegenwärtige König von Frankreich“ in die Eigenschaftsposition versetzt, die, um die ganze Aussage wahr zu machen, von mindestens einem und höchstens einem Subjekt erfüllt werden muss (vgl. Russell 1956a). Bei der referentiellen Verwendung hingegen gebrauche ich die Kennzeichnung nicht, um eine bestimmte Eigenschaft herauszustellen, von wem auch immer sie erfüllt wird, sondern um ein bestimmtes Subjekt oder Objekt hervorzuheben, über das ich eine ganz andere Prädikation äußern möchte, als die in der Kennzeichnung attributiv enthaltene, so beispielsweise, dass der Martini trinkende Mann in der Ecke adrett gekleidet ist. Das „whatever it may be“ in unserem Fall heißt, für jede mögliche Welt die Gegenstände identifizieren zu müssen, die die Eigenschaft erfüllen, von der Länge 1 M gehabt zu werden. Für Kripke sind der referentielle und attributive Gebrauch von Kennzeichnungen allerdings keine alternativen Verwendungen von Kennzeichnungen. Einzig die attributive Verwendung ist die für Kennzeichnungen relevante. Referentielle Anwendungen hingegen gehören nicht in den Bereich der Semantik, sondern vielmehr in den Bereich der Pragmatik. Daher führt Kripke auch die semantische Referenz und die Sprecher-Referenz ein (vgl. Kripke [1977] 2011 und Kripke [1973] 2013: Lecture V). Ungeachtet dessen sollte die Auffassung, dass wir vom Urmeter gerade nicht sagen können, er sei oder sei nicht einen Meter lang, allerdings auch zeigen, dass die Ausgangsvoraussetzung einer willkürlichen Längenzuschreibung wie „1 M“ schon keine Anwendung auf das Urmeter in der wirklichen Welt erlaubt und somit auch die Identifizierung alternativer Gegenstände in anderen möglichen Welten ausschließt. Natürlich können wir, nachdem der Begriff „1 M“ eingeführt wurde, unter Verwendung des Urmeters als Paradigma in anderen kontrafaktischen oder der aktualen Welt Gegenstände identifizieren, denen wir diese Eigenschaft wahr (oder falsch) zuschreiben können. Aber das erfordert lediglich Resultate empirischer Messvorgänge, mittels deren wir die Wahrheit oder Falschheit entsprechender Längenzuschreibungen bestimmen. Wir können uns jedoch nicht auf die Suche nach einem passenden Paradigma machen, da eine solche Suche bereits die Sinnhaftigkeit des Ausdruckes „1 M“ voraussetzt. Und in diesem Sinne gehört das Paradigma zum Symbolismus und lässt sich nicht erst im Bereich der Gegenstände identifizieren: „Dieses Problem hängt damit zusammen, daß ich in der hinweisenden Definition von dem Paradigma (Muster) nichts aussage, sondern nur mit seiner Hilfe Aussagen mache; daß es zum Symbolismus gehört und nicht einer der

2.3 Maßeinheit und metrisches System

241

Gegenstände ist, auf den ich den Symbolismus anwende.“ (Wittgenstein 1993a, PG: 346). Wittgenstein macht in diesem Zusammenhang auch die Bemerkung, dass ich bei der Länge eines Stabes beide Male auf denselben Stab zeige (vgl. Wittgenstein 1993a, PG, 346), das heißt, dass sich die Länge des Stabes nicht vom Stab selbst trennen, bzw. unterscheiden lässt. So können wir etwa nicht sagen, es sei nicht der Stab, welcher einen Meter lang ist, sondern seine Länge. In den Philosophischen Bemerkungen notiert Wittgenstein: „Ja, der Maßstab mißt die Länge trotz seiner Körperlichkeit; freilich, ein Maßstab, der nur Länge hätte wäre das Ideal, wäre quasi der reine Maßstab.“ Nein, wenn ein Körper Länge hat, so kann es keine Länge ohne einen Körper geben – und wenn ich auch verstehe, daß in einem bestimmten Sinn nur die Länge des Maßstabes mißt, so bleibt doch, was ich in die Tasche stecke, der Maßstab, der Körper, und ist nicht die Länge. (Wittgenstein 1991a, PB: 81)

Aber gerade diese Abtrennung der Länge vom Gegenstand scheint die Ausgangslage von Kripkes Gedankenexperiment zu sein, sich eine Welt vorzustellen, in welcher ein Stab eine von der wirklichen Welt abweichende Länge habe, also beispielsweise nur 97 cm aufgrund kälterer klimatischer Bedingungen. Das ist es, was für Kripke die Bestimmung, ein Meter sei die Länge des Urmeters in Paris, willkürlich macht. Allerdings ergibt die Aussage, das Urmeter habe zum Zeitpunkt der definitorischen Festlegung eine von einem Meter abweichende Länge, z. B. nur 97 cm Länge, keinen Sinn, da der Begriff „1 M“ noch gar nicht eingeführt ist. „Die Methode des Messens – einer Länge z. B. – verhält sich zur Richtigkeit einer Maßangabe genau so, wie der Sinn eines Satzes zu seiner Wahr- oder Falschheit“ (Wittgenstein 1991a, PB: 130).

2.3 Maßeinheit und metrisches System Eine ähnliche Auffassung mit Bezug auf die Rolle des Urmeters findet sich auch bei Norman Malcolm: „In the institution of the metric system, as here imagined, the Urmeter has a unique role. It serves solely as an object for comparison. Other objects are measured against it; it is not measured against anything.“ (Malcolm [1981] 1995b: 57). Insofern zeigt das Beispiel des Standardmeters ebenfalls die interne Verknüpfung von Sprache und Welt im Falle der Einführung einer Definition mittels ostensiven Hinweisens. Entscheidend ist hier natürlich, dass sich das Beispiel des Urmeters nicht loslösen lässt von der Institution des metrischen Systems, in das dieser Fall eingebettet ist. Hierin zeigt sich wiederum die eigentliche Schwäche der bisher diskutierten Gedankenexperimente, stets nur eine Position zu verändern, während alle anderen systemimmanenten Determinanten ausgeblendet werden, insbesondere die in einer bestimmten Lebensform eingebettete Verwendung

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2 Referenz und Gebrauch. Das Urmeter

sprachlicher Ausdrücke. Wittgenstein bemerkt: „Wenn ich das Urmeter in Paris sähe, aber die Institution des Messens und ihren Zusammenhang mit jenem Stab nicht kennte – könnte ich sagen, ich kenne den Begriff des Urmeters?“ (Wittgenstein 1991b, BGM: 167). Im Kontext einer solchen Sprachgemeinschaft, die gewisse Gepflogenheiten, institutionelle Einrichtungen etc. miteinander teilt, werden wir auch kaum eine synonyme Verwendung des Ausdrucks „1 M“ finden, nämlich ‚die Länge von S zum Zeitpunkt t‘. Die meisten Menschen dieser Sprachgemeinschaft mögen noch nie etwas vom Urmeter gehört haben. Verwendung würde der Ausdruck wohl nur dann finden, wenn ich jemandem das metrische System und seine Entstehung erklären wollte, der damit nicht vertraut ist. Insofern ist natürlich auch Kripkes Argument, die Definition „1 die Länge des Stabes S“ würde keine Bedeutung angeben, da beide Ausdrücke nicht synonym seien, zumindest im Kontext des Urmeters nicht nachvollziehbar. Wenn ich analog einen neuen Farbbegriff wie „Sepia“ einführe mit Verweis auf ein bestimmtes Muster, wäre es unverständlich zu behaupten, das Wort und das Muster seien synonym. Aber ich kann natürlich, statt zu sagen, mein Auto sei schwarz, auch sagen, mein Auto habe diese Farbe ☞■. Darüber hinaus, würde der Ausdruck „1 M“ erstmalig in eine Sprachgemeinschaft eingeführt, dann wäre „die Länge des Stabes S“ wohl noch gar kein bestehendes Synonym für „1 M“. Das metrische System bildet somit die Voraussetzung und Grundlage zahlreicher menschlicher Aktivitäten, welche der Ermittlung unterschiedlicher Längen von Dingen dienen. Eine der Bedingungen für das Funktionieren eines solchen Systems und seiner erfolgreichen Anwendung ist dabei die, dass Gegenstände unter Normalbedingungen ihre Länge nicht ändern. Gleiches gilt für das Urmeter selbst. Ist nun ein bestimmter Begriff mittels hinweisender Erklärung, beispielsweise „1 M = die Länge des Stabes S“, in das bestehende System eingeführt, dann gilt diese Bestimmung für den Ausdruck notwendig. Allerdings nicht in irgendeinem eigentümlichen metaphysischen Sinne, sondern vielmehr, insofern es die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks mittels des Verweises auf ein paradigmatisches Muster bestimmt. Denn: 371. Das Wesen ist in der Grammatik ausgesprochen. 372. Überlege: „Das einzige Korrelat in der Sprache zu einer Naturnotwendigkeit ist eine willkürliche Regel. Sie ist das Einzige, was man von dieser Naturnotwendigkeit in einen Satz abziehen kann.“ 373. Welche Art von Gegenstand etwas ist, sagt die Grammatik. […] (Wittgenstein 1989a, PU: §§ 371 – 373)

Auch hier erweist sich die in der Einleitung erwähnte Analogie zum Schachspiel als hilfreich, insofern wir ganz entsprechend sagen können, die Regeln des Schachspiels gälten notwendig, da sie die Bedeutung bzw. den Gebrauch des Schachspiels

2.3 Maßeinheit und metrisches System

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erst konstituieren, indem sie etwa die erlaubten Züge aller Schachfiguren festlegen, auch wenn sie zunächst willkürlich eingeführt wurden. Die willkürliche Einführung macht sie allerdings nicht zu kontingenten Identitätsaussagen. Die Willkürlichkeit bezieht sich lediglich auf die Einführung einer Bedeutung mittels des Verweises auf ein Muster, wobei das Muster selbst nicht als Rechtfertigung dafür dienen kann, dass ich gerade ihm diese Bedeutung zuschreibe. So kann ich etwa nicht sagen, ich nenne das Muster „1 M“, da es genau einen Meter lang ist. Oder wie Rhees die gegnerische Auffassung beschreibt: „Or suppose I told you: ‘I call each of these roses red because each of them is red. The word I use corresponds to the colour of the flower’.“ (Rhees 1970: 28) Analoges zeigt sich im Fall des Schachspiels. So ist beispielsweise nicht durch ein bestimmtes Stück Holz oder Symbol, welches den König repräsentiert, determiniert, dass diese Figur nur ein Feld in alle Richtungen ziehen darf. Die Regeln wurden insofern unabhängig von spezifischen empirischen Realitätsbezügen oder „Urbildern“ festgelegt und gelten sodann bindend und insofern notwendig für dieses Spiel. Wenn eine Person sich nicht an die Regeln hält, spielt sie auch nicht dieses Spiel und stattdessen möglicherweise eine regelabweichende Variante des Räuberschachs. So erklärt sich der Begriff des Notwendigen nicht im Sinne Kripkes, sondern dadurch, dass entsprechende Regeln Geltung haben müssen „in all possible worlds“. Gelten in kontrafaktischen Situationen hingegen andere Regeln, spielen die Menschen dort eben kein Schach, sondern etwas, was nach unserem Verständnis vielleicht dem Schach ähnlich wäre. Allerdings gäbe es dort kein Schach, obgleich natürlich das sprachliche Zeichen existieren könnte. Wir wüssten dann auch nicht, was es hieße, zu behaupten, wir könnten uns eine Welt vorstellen, in welcher der König im Schach zwei Felder in alle Richtungen ziehen dürfte. Auch Malcolm greift Kripkes Frage auf, ob es sich bei der Aussage, der Stab S sei einen Meter lang, um eine notwendige Wahrheit handle (vgl. Malcolm 1995b: 58), mit der Bemerkung, dass diese Frage gar nicht so klar sei. Nach Malcolm ist es vielmehr die Wahl eines Musters, welche die Frage der Willkürlichkeit aufwirft und nicht die nach einer konkreten Eigenschaft eines Gegenstandes, wie beispielsweise seine Länge. Mit anderen Worten ist es eine kontingente Tatsache, dass gerade ein bestimmter Meter in Paris zum Urmeter bestimmt wurde und nicht irgendein anderer. Für Kripke hingegen ist es eine kontingente Tatsache, dass das Urmeter die Länge hat, welche es hat, obwohl wir uns andere mögliche Welten vorstellen könnten, in welchen dieses Urmeter aufgrund anderer klimatischer Bedingungen länger oder kürzer als ein Meter sein könnte. Aber wie bereits mehrfach betont, können wir uns solche Welten erst vorstellen, wenn die Bedeutung des Ausdrucks „1 M“ bereits gegeben ist und wir über sie verfügen. Es ist dann aber nicht mehr so klar, was es heißt, dass die Länge des Urmeters in Paris, das heißt ein Meter, identisch sei mit der Länge von 1,03 Meter oder 0,97 Meter.

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2 Referenz und Gebrauch. Das Urmeter

Zur Frage der Kontingenz und worauf diese sich eigentlich bezieht, liefert uns Malcolm zunächst ein Gedankenexperiment, wie es zur Bestimmung des Urmeters als 1 M gekommen sein könnte (vgl. Malcolm 1995b: 57): Zu einer bestimmten Zeit waren in unterschiedlichen Ländern ganz unterschiedliche Längeneinheiten im Gebrauch, was wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Austausch erschwerte. Ein internationales Komitee für metrische Systeme wurde bestellt und schlug nach langen Erhebungen, Analysen und Diskussionen schließlich ein weltweit einheitliches Maßsystem vor. Nachdem der Großteil aller Länder zugestimmt hat, wird das Komitee beauftragt, ein solches neues, einheitliches System zu entwickeln und zu implementieren. Das Komitee entscheidet daraufhin, dass die Grundeinheit dieses Systems „1 M“ sein soll und bestimmt einen konkreten Stab in Paris als das Urmeter. Nun ist es natürlich denkbar, dass das Komitee auch einen anderen Stab aus anderem Material oder mit einer anderen Länge ausgesucht hätte, insofern ist die Wahl des Urmeters tatsächlich willkürlich. Das bezieht sich jedoch nur auf die Wahl des Musters und nicht auf irgendeine seiner Eigenschaften, da der Aspekt der Willkürlichkeit ja gerade dadurch gegeben ist, dass die Eigenschaft eines Gegenstandes wie des Urmeters nicht die Rechtfertigung dafür liefert, dass wir gerade ihn als Muster ausgewählt hatten. Es wäre sonst einfach eine wahre Beschreibung über die Länge eines Stabes. Darüber hinaus können wir uns ebenso denken, dass das metrische System nie eingeführt wurde, oder im Laufe der Zeit ein Stab mit robusterem Material den ursprünglichen Standardmeter ersetzt und künftig diese Funktion übernimmt etc. (vgl. Malcolm 1995b: 63). Wir dürfen also nicht die Tatsache, dass „1 M“ zufällig als die Länge von Stab S definiert wurde, verwechseln mit der Definition „1 M ist die Länge des Stabes S“ oder„Stab S ist einen Meter lang“ (vgl. Malcolm 1995b: 60). Aber das ist offensichtlich nicht Kripkes Punkt. Im Zusammenhang seiner Auffassung, die Definition, lege, wenn überhaupt, eine Referenz fest, aber keineswegs die Bedeutung, spricht er zumindest davon, dass jemand, der die Definition anwendet, eine Referenz fixieren will, etwa eine bestimmte Länge, um sie hervorzuheben (‚mark out‘). Das ist allerdings eine unklare Behauptung. Denn es drängt sich sogleich die Frage auf, welche bestimmte Länge er denn hervorheben wolle, eine Frage, die sich freilich nicht beantworten lässt, bevor nicht der Begriff „1 M“ eingeführt wurde. Man könnte eine solche Auffassung dadurch retten, indem man etwa annimmt, der Vorsitzende des Komitees hätte eine bestimmte Länge im Kopf gehabt, die ihn schließlich dazu veranlasst habe, das Urmeter aus einer Masse von Stäben zu wählen. Allerdings wäre es ebenso denkbar, dass der Vorsitzende das Urmeter einfach wahllos aus einer Kiste von Stäben herausgriff, die länger als sein Arm aber kürzer als sein Bett waren. Dann wüssten wir nicht, was es hieße, er wolle eine „bestimmte Länge hervorheben“.

2.3 Maßeinheit und metrisches System

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Nun würde Kripke vielleicht erwidern, dass es bereits genüge, wenn eine Person P nur in dem Moment, in welchem sie die Definition anwendet, die Absicht hat, mit dem Ausdruck „1 M“ auf eine „bestimmte Länge“ zu referieren (vgl. Malcolm 1995b: 59−60). Natürlich, unter der Anwendung der Definition von „1 M“, stipuliert Person P, dass „1 M“ auf die Länge des Stabes S referiert. Und insofern könnte man sagen, die Definition liefere zumindest in diesem Fall die Bedeutung und bestimme das Referenzobjekt. „But in adopting this definition he [the person] is specifying that the ‘certain length’ to which ‘one meter’ is to refer is none other than the length of stick S. If he were to give a different specification of the ‘certain length’ to which ‘one meter’ is to refer, then he would not be ‘baptizing’ stick S as the Urmeter“ (Malcolm 1995b: 60). Um abschließend nochmals einen der zentralen Kritikpunkte innerhalb der Argumentationslinie Kripkes hervorzuheben, betrachten wir ein weiteres Mal seine Ansicht, es gäbe ein ‚object‘, nämlich ‚a certain length‘, welches durch den Ausdruck „1 M“ bezeichnet wird bzw. die Referenz des Ausdrucks „1 M“ bestimmt. Die objektuale Bezeichnung erfolgte dabei durch die Anwendung der Definition „1 M ist die Länge des Stabes S zum Zeitpunkt t“. Da es sich allerdings bei dem ‚object‘ im Sinne Kripkes nicht um einen bestimmten Stab handelt, der die Eigenschaft besitzt, eine Länge zu haben bzw. so oder so lang zu sein, sondern um den abstrakten Gegenstand der Länge selbst, kann das Objekt gar keine Länge haben, denn es ist die Länge selbst, welche wiederum die Eigenschaft besitzt, von einem bestimmten Stab gehabt zu werden. Hier zeigt sich also nochmals ganz deutlich die Umkehrung von Gegenstand und Eigenschaftszuschreibung in der Argumentation Kripkes. Das hat allerdings zur Konsequenz, dass wir uns tatsächlich keine mögliche Welt vorstellen können, in welchem das Urmeter nicht einen Meter lang ist, da es sich etwa aufgrund klimatischer Veränderungen leicht ausgedehnt und somit verlängert hat, sagen wir auf 1,05 M. Das können wir deshalb nicht mehr tun, da es sich nun nicht mehr um denselben Gegenstand handelt, dessen Eigenschaften wir variieren lassen, so wie in allen seinen klassischen Beispielen, wenn es um die Frage kontrafaktischer Welten geht. Ein solcher Fall wäre nur dann denkbar, wenn wir den Stab selbst als Gegenstand betrachteten und seine Längen variieren ließen. Da in Kripkes Beispiel allerdings die Länge das Objekt bildet und die verschiedenen Instanziierungen die Rolle der Eigenschaften übernehmen, handelt es sich im Kontext einer möglichen Welt, in welcher der Stab zum Beispiel 1,05 M lang ist, schlicht um einen anderen, wenn auch ähnlichen Gegenstand, wobei sich diese Ähnlichkeit ausschließlich auf die Länge der verschiedenen Stäbe bezieht und nicht etwa auf deren Material, Hitzebeständigkeit etc. Und Kripke argumentiert in anderen Beispielen genau entlang dieser Linie, wenn er etwa von der Identität eines Tisches spricht, den wesentlichen Eigenschaften von Tigern oder Queen Elisabeth und ihren Eltern (vgl. Kripke 1981: Lectures II und III). Malcolm skizziert diesen Einwand wie folgt:

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[…] if we say that the ‘object’ referred to by the term ‘one meter’ is ‘a certain length’, than it is wrong to think that it is an accidental property or contingent mark of ‘that object’ (which is identical with ‘a certain length’) that the stick had that length. For if stick S had been of a different length when the definition was adopted, than the object would have been different! It cannot be contingent property of ‘the object’ in question that stick S was of ‘that length’, since if S had been of a different length ‘the object’ designated by the term ‘one meter’ would have been different. The identity of the so-called ‘object’ depended solely on the length of S. (Malcolm 1995b: 63)

Das heißt mit anderen Worten: eine unterschiedliche Länge führt zu einem unterschiedlichen „Gegenstand“. Insofern ist die Tatsache, dass S genau jene Länge hatte, die es hatte, keine kontingente, sondern eine identitätsstiftende und insofern wesentliche Eigenschaft der Längenbestimmung „1 M“. Bevor wir uns im Folgenden Kripkes Auffassung von theoretischen Identitätssätzen etwas genauer zuwenden, sei nochmals zusammenfassend betont, dass seine Interpretation des Urmeters im Kontext des metrischen Systems in mehrerlei Hinsicht fehlgeht: Zum einem scheint sie an Wittgensteins Auffassung von Mustern vorbeizugehen, insofern Kripke, wie der frühe Wittgenstein des Tractatus die Muster auf die Seite der Gegenstände und nicht der Sprache bzw. des Symbolismus schlägt. Zum anderen erkennt Kripke nicht die Rolle ostensiver Definitionen als wahrheitswertlose, bedeutungsstiftende Regeln, die sinnvolle Aussagen überhaupt erst ermöglichen, indem sie das entsprechende Feld bedeutungsvollen Redens bereitstellen. Kripke konzentriert sich vielmehr auf die Frage, ob es sich bei solchen Definitionen um notwendige oder willkürliche Wahrheiten handelt und kommt fälschlicherweise zu dem Schluss, es müsse sich um kontingente Wahrheiten handeln, da der Standardmeter in Paris auch länger oder kürzer hätte sein können. Er übersieht dabei, dass die Willkürlichkeit an einem anderen Punkt einsetzt, nämlich dann, wenn etwa ein Komitee zur Einführung eines einheitlichen Messsystems aus eine Kiste voller Stäbe einen willkürlichen herauszieht und als Standardmeter vorsieht, oder ein metrisches System nie eingeführt wurde. Auch hier stellt sich dann die Frage, wie der Ausdruck „1 M“ starr bezeichnen soll, wenn wir uns eine mögliche Welt vorstellen können, in welcher das metrische Maß nicht besteht oder im Extremfall überhaupt keine Längeneinheiten verwendet werden. So könnten wir uns eine Gesellschaft vorstellen, in der Längenmessungen ganz anders vorgenommen werden als mit dem Maßband oder Meterstab. Nehmen wir etwa an, dass in dieser Gesellschaft Geräte entwickelt wurden, die mittels eines Laserstrahls Entfernungen erfassen. Zur Bestimmung einer, wie wir es nennen würden, Länge, zählt dann die Zeit, die das Gerät benötigt, um beispielsweise die Distanz zwischen den Eckkanten eines Kastens zu erfassen. Die Handelseinheit eines würfelförmigen Körpers könnte dann „zehn mal zehn mal zehn Sekunden“ betragen. Wie könnte hier der Ausdruck „1 M“ irgendetwas starr bezeichnen, wenn der Begriff der

2.3 Maßeinheit und metrisches System

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Längeneinheit in dieser Gesellschaft nicht oder noch nicht eingeführt ist? In den Lectures on Belief macht Wittgenstein die folgende Bemerkung: The other day I read a book which I didn’t understand, “Paradise Lost”. Right at the beginning, it is said that Satan lies in hell a time which measured in our time would be nine days. (Earth hadn’t been created.) Now you might say: “What exactly does this mean?” Suppose that this had been a scientific observation of his. […] Suppose that it were said by a physicist: “Before the earth and the sun existed, a certain event happened, which lasted nine days, as we would now say?” Would you understand this? Would it be clear to you what this means? I mean, wouldn’t the scientist have to give a brand new explanation? (Munz und Ritter 2017: 238)

Zum Dritten führt die Rollenverkehrung von Gegenstand und Eigenschaft und die damit einhergehende Postulierung von „abstract objects“ zu der Konsequenz, dass wir uns keine möglichen Welten im Sinne Kripkes vorstellen können, in welcher das Urmeter eine andere Länge haben könnte, da eine andere Länge hieße, ein anderer Gegenstand und nicht eine andere Eigenschaft desselben Gegenstandes. Und schließlich zeigt Kripkes grundsätzlicher Ansatz, dass hier, wie in den anderen bereits diskutierten oder noch zu diskutierenden Beispielen die Kommunikationssituation eine völlig untergeordnete bzw. gar keine Rolle spielt. So macht Kripkes Auffassung den gesamten roten Kritikfaden der hier vorgelegten Analyse deutlich. Der alltägliche Sprachgebrauch und die Lebenswelt, in welcher das metrische System eingebettet ist, werden durch die Konzentration auf den Gegenstandsbereich und die damit verbundene Frage nach Bedeutung bzw. Referenz ausgeblendet. Das zeigt etwa Kripkes Diskussion des Synonymiebegriffs im Zusammenhang mit Definitionen und die Tatsache, dass Menschen innerhalb einer Gemeinschaft die Bedeutung des Ausdrucks „1 M“ auch erfasst haben können, und das scheint sogar der Regelfall zu sein, ohne je etwas vom Urmeter in Paris gehört zu haben. Widmen wir uns im folgenden Abschnitt nun dem Verhältnis interner Strukturen natürlicher Arten und ihrer Beziehung zu unseren Wahrnehmungen und der Verwendung entsprechender sprachlicher Ausdrücke, einem Thema, welches uns bereits seit Putnams Diskussion der Zwillingserde beschäftigt hat.

3 Farbe und Ordnungszahl. Bemerkungen zu blauem Gold Ganz entsprechend des Putnam’schen Twin-Earth-Experimentes findet sich auch bei Kripke eines von vielen ungewöhnlichen Gedankenexperimenten, welches die Primarität der atomaren Struktur natürlicher Art gegenüber seinen erfahrbaren Qualitäten verdeutlichen soll: Im Ausgangskontext analytischer Sätze zitiert Kripke dabei zunächst ein Beispiel Kants für einen solchen Satz: „Gold is a yellow metal“, von dem Kripke im gleichen Atemzug behauptet, er könne auch falsch sein, was der Bestimmung von Analytizität widerspräche, da analytische Sätze allein aufgrund ihrer Bedeutung wahr sind und das in allen möglichen Welten (vgl. Kripke 1981: 49). Erst in der dritten Vorlesung im Anschluss seiner Diskussion wesentlicher Eigenschaften nimmt Kripke diesen Gedanken potenzieller Falschheit wieder auf und versucht ihn anhand eines Gedankenexperimentes zu veranschaulichen. Ausgangsbasis bildet dabei Kripkes Auffassung, es bestünde eine theoretische Identitätsrelation zwischen Gold und dem Element mit der Ordnungszahl 79. Auf die Frage was Gold überhaupt sei, verweist Kripke zunächst wiederum auf Kants Unterscheidung in analytische und synthetische Urteile: Alle analytischen Urteile beruhen gänzlich auf dem Satze des Widerspruchs und sind ihrer Natur nach Erkenntnisse a priori, die Begriffe, die ihnen zur Materie dienen, mögen empirisch sein oder nicht. Denn weil das Prädikat eines bejahenden analytischen Urteils schon vorher im Begriff des Subjekts gedacht wird, so kann es von ihm ohne Widerspruch nicht verneint werden; […] Eben darum sind auch analytische Sätze a priori, wenn gleich ihre Begriffe empirisch sind, z. B. Gold ist ein gelbes Metall; denn um dieses zu wissen, brauche ich keiner weiteren Erfahrung außer meinem Begriff von Gold, der enthielte, dass dieser Körper gelb und Metall sei: denn dieses machte eben meinen Begriff aus, und ich durfte nichts tun als diesen zergliedern, ohne mich außer demselben wonach anders umzusehen. (Kant AA 4: 267)

Interessant an dieser Bemerkung Kants ist vor allem die Verknüpfung der Analytizität und Apriorität mit empirischen Begriffen, anders etwa als in Sätzen wie „Junggesellen sind unverheiratete Männer“, da im Fall von „Gold ist ein gelbes Metall“ Ausdrücke involviert sind, welche mit unseren ursprünglichen unmittelbaren Erfahrungen von Gold bzw. goldenen Gegenständen verknüpft sind. Insofern sind solche analytischen Sätze für unsere Zwecke zentral, da sie genau die Brücke zwischen Begrifflichem und Empirischem schlagen, im Gegensatz zur semantischen Bestimmung solcher Ausdrücke wie „Junggeselle“. Und darin sind offensichtlich auch Locke’sche Auffassungen wiederzuerkennen, denken wir an eine Explikation

https://doi.org/10.1515/9783111241555-010

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der „nominal essences“ und ihrer Entstehungsgeschichte mit Bezug auf extramentale Objekte. Eines der Ziele des Kripke’schen Gedankenexperimentes besteht nun darin, zu zeigen, dass Kant falsch liegt in der Annahme, wir wüssten a priori, Gold sei ein gelbes Metall und es darüber hinaus unmöglich wäre, herauszufinden, dass das Urteil empirisch falsch sei. Interessant ist für unsere Zwecke vor allem der zweite Teil, da er genau auf die Rolle potenzieller Erfahrungen abzielt. Was Kripke durch seinen Bezug auf das Periodensystem und die Wertigkeitseigenschaften von Metallen nicht behaupten will, ist die philosophische Annahme, wir hätten es im Fall von Gold mit zwei verschiedenen Begriffen zu tun, einerseits mit Bezug auf die Eigenschaften gelb und ein Metall zu sein, andererseits mit Bezug auf das Element der Ordnungszahl 79 (vgl. Kripke 1981: 118). Dieser Aspekt einer mehrdeutigen Semantik ist uns bereits aus Russells Diskussion des „private space“ und „physical space“ sowie den exemplarischen Zitaten von Crick, Kandell und Rock bekannt. Auch Eddingtons berühmte zwei Tische liegen ganz in dieser Tradition: Yes; there are duplicates of every object about me – two tables, two chairs, two pens. […] One of them has been familiar to me from earliest years. It is a commonplace object of that environment which I call the world. How shall I describe it? It has extension; it is comparatively permanent; it is coloured; […] Table No. 2 is my scientific table. It is a more recent acquaintance and I do not feel so familiar with it. It does not belong to the world previously mentioned, that world which spontaneously appears around me when I open my eyes, […]. (Eddington 1929: X)

Russell nennt uns sogar Gründe für die Annahme, die Physik weise den naiven Realismus als falsch aus. So bemerkt er etwa in An Inquiry into Meaning and Truth: We all start from “naive realism,” i. e., the doctrine that things are what they seem. We think that grass is green, that stones are hard, and that snow is cold. But physics assures us that the greenness of grass, the hardness of stones, and the coldness of snow, are not the greenness, hardness, and coldness that we know in our own experience, but something very different. The observer, when he seems to himself to be observing a stone, is really, if physics is to be believed, observing the effects of the stone upon himself. (Russell 1973: 13; zur vertiefenden Diskussion dieser Darstellung Russells siehe u. a. Ayer 1977: ch. 4 und Searle 2004: ch. 10)

Obgleich hier in erster Linie keine semantischen, sondern ontologische Bestimmungen involviert sind, erinnert die Russell’sche Beschreibung im ersten Teil frappierend an Putnams und Kripkes Rekonstruktion von Bedeutungen ausgehend von bestimmten Phänomenen wie Kälte, Farbe oder Härte hin zur Physik und der Erkenntnis, dass jene vermeintlichen Eigenschaften des Gegenstandes tatsächlich nur seine Wirkungen auf das wahrnehmende Subjekt darstellen. Der zweite Teil wiederum erinnert stark an Lockes Differenzierung in primäre und sekundäre

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Qualitäten. Locke hat jedoch eindrucksvoll gezeigt, dass die realen Essenzen von Gegenständen bzw. natürlichen Arten keinen unmittelbaren Einfluss auf die Semantik der entsprechenden referentiellen Ausdrücke haben und wir insofern auch nicht von zwei verschiedenen Dingen sprechen. Putnam betont die Möglichkeit alternativer Semantiken basierend auf seiner behaupteten Indexikalität natürlicher Artbegriffe, schließt jedoch die Oberflächeneigenschaften in Form seiner Stereotype mit in die Bedeutung ein, und Kripke schließlich restringiert die eigentliche Bedeutung ausschließlich auf die Extensionen und ihre inneren Strukturen. Demnach sprächen Laien und WissenschaftlerInnen tatsächlichen von verschiedenen Dingen. Dieser Punkt soll durch ein Experiment veranschaulicht werden, welches die inneren Strukturen einer natürlichen Art konstant hält, bei gleichzeitiger Variation ihrer phänomenalen Eigenschaften. Es ist zudem erstaunlich, wie wir bereits an zahlreichen Stellen gesehen haben, welche zentrale Rolle Lockes ursprüngliche Intention der Abgrenzung primärer von sekundären Qualitäten in den externalistischen Positionen Putnams und Kripkes zu spielen scheint, trotz der daraus unterschiedlich gezogenen Konsequenzen, welche sich in der Relevanz der „nominal essence“ und „real essence“ für die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke zeigen. Um der Schwierigkeit einer doppeldeutigen Semantik des Ausdrucks „Metall“ zu entgehen, konzentriert sich Kripke auf die Farbeigenschaft des Goldes, um Kants Annahme der Analytizität als falsch auszuweisen und lädt uns zu folgendem Experiment ein: Could we discover that gold was not in fact yellow? Suppose an optical illusion were prevalent, due to peculiar properties of the atmosphere in South Africa and Russia and certain other areas where gold mines are common. Suppose there were an optical illusion which made the substance appear to be yellow; but, in fact, once the peculiar properties of the atmosphere were removed, we would see that it is actually blue. Maybe a demon even corrupted the vision of all those entering the gold mines […] and thus made them believe that this substance was yellow, though it is not. Would there on this basis be an announcement in the newspapers: ‘It has turned out that there is no gold? Gold does not exist. What we took to be gold is not in fact gold.’? Just imagine the world financial crisis under these conditions! Here we have an undreamt of source of shakiness in the monetary system. (Kripke 1981: 118)

Dieser Fall ist aus verschiedenen Gesichtspunkten interessant, insbesondere da er den für uns wichtigen Punkt verdeutlicht, wie durch die alleinige Gestaltung der Voraussetzungen und inhaltlichen Ausprägungen eines Experimentes ein scheinbar philosophischer Einwand – hier gegen die Möglichkeit analytischer Sätze, welche empirische Begriffe enthalten – konstruiert wird. Wir haben es hier zudem mit einer kontrafaktischen Welt zu tun, in welcher wir und unser etabliertes Sprachsystem als konstante Akteure plötzlich einer veränderten Situation ausgesetzt sind.

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In diesem Sinne lässt Kripke, wie in zahlreichen seiner anderen Experimente, variierende Eigenschaften sich um konstante Subjekte drehen im Sinne einer kontrafaktischen Situation. In einer Variante des Experimentes ist diese Konstellation, wie wir noch sehen werden, jedoch nicht mehr gegeben. Darüber hinaus finden sich hier auch faktische Konsequenzen, welche sich aus dem experimentellen Verlauf ergeben, ein Punkt, der, wie wir an den bisherigen Gedankenexperimenten gesehen haben, leider allzu oft vernachlässigt wird. Die Ausgangsfrage Kripkes, ob wir entdecken können, dass Gold in „Wirklichkeit“ nicht gelb war, lässt zunächst völlig offen, wie das „not in fact yellow“ zu rechtfertigen sei, außer ich behaupte es. Denn würden wir nicht viel eher vermuten, dass sich die optische Täuschung auf den Fall bezöge, in welchem alles Gold nun plötzlich blau erschiene? Bezieht sich der Farbwandel nur auf die noch nicht abgebauten Goldminen der genannten Regionen, denn laut Experiment hat ein Dämon nur das Sehvermögen derer, die die Goldminen betraten, verdorben, oder müssen wir vielmehr davon ausgehen, dass nach den Beseitigungen der atmosphärischen Störungen auch alle Eheringe, privaten Münzsammlungen, barocken Kirchen oder die unter Verschluss und ohne Einfluss von Tageslicht gehaltenen Goldreserven von Ford Knox plötzlich blau wären oder zumindest blau erschienen? Denn immerhin bemerkt Kripke, es bestünde („there were“) eine optische Täuschung und wir würden sehen, dass die Substanz „in Wirklichkeit“ blau sei. Welchen Einfluss hätten die atmosphärischen Störungen dann auf alle bisher als blau wahrgenommenen Gegenstände? Würde sich herausstellen, dass diese „in fact“ golden bzw. gelb sind? Haben wir es hier also mit einer Art blau-gelber Farbinversion zu tun? Und welchen Einfluss hätte das tatsächlich auf die Finanzwelt? Aus Gründen, die auch mit dem Wert und Handel von Gold zu tun haben, wäre es in er Tat unwahrscheinlich, dass Zeitungen meldeten, es existiere auf einmal kein Gold mehr, allerdings wohl weniger aufgrund der „Tatsache“, dass Gold nun plötzlich blau erschiene, sondern vielmehr, weil man annähme, die bläuliche Farbe sei die Folge einer bisher ungeklärten atmosphärischen oder anderen Störung, die entweder auf die Gegenstände oder unser Sehvermögen wirkte. Aber so verläuft das Experiment nicht. Der auch hier angewendete Dämon, könnte man mit Kripke erwidern, lässt alle empirischen Einwände abprallen und ermöglicht dadurch ein philosophisches Szenario, welches widerspruchsfrei denkbar wäre und somit den Charakter der Analytizität des Satzes „Gold ist ein gelbes Metall“ als falsch auswiese. Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass ein solcher skeptischer Einwand nicht nur auf die phänomenalen Eigenschaften, sondern ganz entsprechend auch auf die Bestimmungen der inneren Strukturen und der Zugehörigkeit von Elementen innerhalb eines Periodensystems angewendet werden kann. Und dessen ist sich zunächst offenbar auch Kripke bewusst:

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Gold apparently has the atomic number 79. Is it a necessary or a contingent property of gold that it has the atomic number 79? Certainly we could find out that we were mistaken. The whole theory of protons, of atomic numbers, the whole theory of molecular structure and of atomic structure, on which such views are based could all turn out to be false. Certainly we didn’t know it from time immemorial. So in that sense, gold could turn out not to have atomic number 79. Given that gold does have the atomic number 79, could something be gold without having the atomic number 79? (Kripke 1981: 123)

Im Falle einer solchen Erkenntnis wäre es also möglich, dass Gold nicht die Ordnungszahl 79 hat. Insofern stehen wir hier offensichtlich auf der gleichen Stufe wie im Fall des Dämons, der unsere Sehkräfte verdorben hat. Die Oberflächeneigenschaften besitzen somit denselben Stellenwert wie die Wertigkeitseigenschaften. Hier möchte Kripke den Skeptiker dadurch neutralisieren, indem er hinzufügt, „given that“. Es wäre dann keine epistemische, sondern eine metaphysische Variante. Können wir aber nicht ganz analog auch bei Farbeigenschaften die Frage stellen: Gegeben, dass Gold gelb ist, könnten wir uns dann vorstellen, dass etwas Gold ist und nicht zugleich gelb? Kripke spielt jedenfalls die erste Variante durch: WissenschaftlerInnen haben festgestellt, dass die Ordnungszahl 79 unmittelbar zur Natur des Goldes gehört. Nehmen wir nun an, wir finden ein gelbes Metall, welches genau jene Eigenschaften besitzt, aufgrund derer wir ursprünglich etwas als Gold identifizierten und weitere Eigenschaften, welche sich im Laufe der Zeit herauskristallisierten. Narrengold wäre ein solcher Fall. Dann würden wir, so Kripke, nicht sagen, es handle sich um Gold. Dem ist sicher zuzustimmen. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Zustimmung sich ausschließlich darauf stützt, dass trotz aller Übereinstimmungen mit den Oberflächeneigenschaften lediglich die Wertigkeitseigenschaften von Gold nicht gegeben sind? Allein die Tatsache, dass wir über den Begriff des Narrengoldes verfügen, zeigt doch bereits, dass nicht alles, was auf den ersten Blick wie Gold aussieht, auch Gold ist. Denn dass Gold ein gelbes Metall ist, heißt nicht, dass es nicht auch andere Stoffe geben kann, welche gelbe Metalle sind bzw. gleiche Wahrnehmungseffekte erzielen. Daher bedienen wir uns zahlreicher Prüfverfahren, um die Echtheit von Gold festzustellen. Durch eine Augenscheinprüfung mittels einer Lupe lassen sich etwa Einstanzungen auf der Oberfläche von Barren feststellen. Durch einen Gewichtstest lässt sich Gold von Falschgold unterscheiden, da eine Feinunze Gold über ein Gewicht von 31,1 Gramm verfügt. Zur Bestimmung der Dichte von Gold können wir einen Wasserverdrängungstest anwenden, welcher bereits auf Archimedes zurückgeht. Bei einer Wassertemperatur von 20 Grad Celsius beträgt die Verdrängung 1 Gramm pro cm3. Mit einem Säuretest schließlich lässt sich bestimmen, ob und in welcher Legierung Gold vorliegt. Echtes Gold widersteht dabei einem Salzsäure-Salpetersäuregemisch.Von der Ordnungszahl 79 ist in diesen

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Verfahren zumindest nicht explizit die Rede.¹⁴ Wir verfügen somit über unterschiedliche nicht-wissenschaftliche und wissenschaftliche Verfahren zur Bestimmung einzelner Eigenschaften von Gold wie Gewicht oder Dichte und zur Prüfung seiner Echtheit. Das veranlasst uns bzw. ExpertInnen, nicht jedes gelbe Metall eo ipso für Gold zu halten. Wir unterscheiden Gold von Narrengold, indem wir die entsprechenden Ausdrücke verwenden, wobei stets die Möglichkeit des individuellen Irrtums gegeben ist. Nun lädt Kripke uns nochmals ein, das bereits diskutierte Experiment in einer kontrafaktischen Welt folgendermaßen vorzustellen: Consider a counterfactual situation in which, let us say, fool’s gold or iron pyrites was actually found in various mountains of the United States, or in areas of South Africa and the Soviet Union. Suppose that all the areas which actually contain gold now, contained iron pyrites instead, or some other substance which counterfeited the superficial properties of gold but lacked its atomic structure. Would we say, of this counterfactual situation, that in that situation gold would not have been an element (because pyrites is not an element)? It seems to me that we would not. We would instead describe this as a situation in which a substance, say iron pyrites, which is not gold, would have been found in the very mountains which actually contain gold and would have had the very properties by which we commonly identify gold. But it would not be gold; it would be something else. One should not say that it would still be gold in this possible world, though gold would then lack the atomic number 79. It would be some other stuff, some other substance. (Kripke 1981: 124)

Im Gegensatz zur ersten Variante, in welcher die Substanz Gold konstant gehalten wurde, bei Variation einer ihrer wahrnehmbaren Eigenschaften, ist das Experiment nun in einer Weise beschrieben, dass die mögliche Welt offenbar gar kein echtes Gold enthält. Unsere intuitive Reaktion wäre daher wohl zunächst ganz in Übereinstimmung mit Kripke, wenn in dieser Welt alles, was in unseren Gebieten echtes Gold wäre, nur aus Katzengold bestünde. Das scheint allerdings eine triviale Feststellung zu sein. Darüber hinaus sind wir und unsere Sprache, anders als im ersten Fall, offensichtlich nicht identisch mit den BewohnerInnen dieses Planeten. Daher wäre es wichtig zu wissen, über welche relevanten Ausdrücke die SprachteilnehmerInnen auf dieser möglichen Welt verfügen. Enthält ihr Wortschatz ebenfalls die Ausdrücke „Gold“, „Narrengold“, „Falschgold“ etc.? Eine der Kripke’schen Bedingungen des Experiments ist jedenfalls die Annahme, dass alle Gegenden, welche tatsächlich Gold enthalten, nun stattdessen aus Eisenkies bestehen. Dann stellt sich jedoch das Problem der Abgrenzung von echtem und falschem Gold wie in unserer aktualen Welt offensichtlich nicht. Denn der umgangssprachliche Name Katzengold leitet

14 Vgl. u. a.: https://www.goldsilbershop.de/gold-silber-echtheit-pruefen.html.

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3 Farbe und Ordnungszahl. Bemerkungen zu blauem Gold

sich vom althochdeutschen Wort Kazzūngold ab, was soviel wie „goldgelbes Kirschharz“ bedeutet, und diese Bezeichnung tauchte bereits in Handschriften aus dem zwölften Jahrhundert auf, um es von echtem Gold abzugrenzen (vgl. Pfeifer 2005: 638), das heißt zu einer Zeit, als weder chemische Substanzen noch Periodensysteme erforscht bzw. entwickelt waren. Die Sprachgemeinschaft der kontrafaktischen Welt hätte dann wohl nur einen Begriff für dieses Mineral. Mit Kripke haben wir allerdings wiederum den Eindruck, das Wort „Gold“ bzw. „Katzengold“ erhielte seine Bedeutung ausschließlich durch Gold bzw. Pyrit selbst, unabhängig von irgendwelchen intensionalen Bestimmungen, ganz im Sinne seiner streng externalistischen Semantik. Denn nur die Sinnangaben ohne Einbeziehung der Extension könnten die Annahme rechtfertigen, die SprachteilnehmerInnen der möglichen Welt würden das Wort „Gold“ auf Katzengold anwenden, da sich beide Begriffe hinsichtlich ihrer Intension nicht unterscheiden. Und daher würden wir, die wir die Wertigkeitseigenschaften von Gold kennen, jene Differenzierung durchführen und konsequenterweise Katzengold nicht als „Gold“ bezeichnen. Nun fügt Kripke in Klammern folgende Bemerkung hinzu: „(Once again, whether people counterfactually would have called it ‘gold’ is irrelevant. We do not describe it as gold.)“ (Kripke 1981: 124) Das zeigt offensichtlich, dass wir, anders als in der ersten Variante, von den BewohnerInnen der kontrafaktischen Welt verschieden sind. Insofern ist die von Kripke behauptete Irrelevanz bezüglich der Verwendung sprachlicher Ausdrücke umso erstaunlicher, als dass wir gerade etwas über die Bedeutung der Ausdrücke „Gold“ und „Katzengold“ innerhalb einer solchen möglichen Welt erfahren wollen und nicht über die Bestände an Metallen, Mineralien, Bodenschätzen etc. Allerdings scheint Gold dort laut Experiment nicht zu existieren. Insofern ist auch nicht zu sehen, warum die BewohnerInnen dieser Welt das Wort „Gold“ überhaupt auf Katzengold anwenden sollten, bzw. warum wir annehmen dürfen, dass der Ausdruck dort überhaupt existiert (vergleiche hierzu auch die Bemerkungen zur notwendigen Identität von „Abendstern = Morgenstern“ in Kapitel III.4.1). Gleiches könnten wir dort über das Wort „Katzengold“ sagen, welches auf unserer Erde dazu dient, Pyrit von Gold abzugrenzen. Andererseits wäre es in sprachphilosophischer Hinsicht sehr wohl relevant, warum die BewohnerInnen, falls sie es tun, den Ausdruck „Gold“ auf Katzengold anwenden. Denn dürfen wir ihre Semantik auf Grundlage unserer eigenen bewerten, in welcher wir zwischen den Worten „Gold“ und „Katzengold“ unterscheiden? Im Kontext unserer Erde könnten wir sagen, wir verwenden das Wort „Gold“, um auf Gold Bezug zu nehmen, wenn wir mit der Bedeutung des Ausdrucks vertraut sind, und es daher richtig anzuwenden verstehen, auch wenn wir uns stets täuschen können. Mit Kripke gewinnt man hingegen den Eindruck, dass die BewohnerInnen der möglichen Welt auf Grundlage unserer Verwendung des Ausdrucks einen Fehler begehen, wenn sie

3 Farbe und Ordnungszahl. Bemerkungen zu blauem Gold

255

sich damit auf Katzengold beziehen. Und wenn Gold dort überhaupt nicht existiert, könnten wir auch nicht mehr von einer fehlerhaften Anwendung sprechen, sondern von einem bedeutungslosen Ausdruck. Im Rahmen einer kontrafaktischen Welt, in welcher, unabhängig von der unsrigen und der darin geltenden materiellen und semantischen Bedingungen, überhaupt kein Gold existiert, macht eine solche Begründung jedoch keinen Sinn. Zumindest liefert Kripke uns kein triftiges Argument, warum das Wort dort überhaupt Teil des Sprachrahmens bilden sollte. Und selbst wenn wir annähmen, der Ausdruck „Gold“ existierte dort, wäre er wohl nicht mehr als eine Buchstabenkombination aus den vier Buchstaben „g“, „o“, „l“, „d“ und es gäbe keinen ersichtlichen Grund, genau jene Buchstaben und ihre ursprüngliche Kombination zu bevorzugen. Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang nur an eine zentrale Bemerkung Lockes über die willkürliche Verknüpfung zwischen Zeichen und ihrer Bedeutung (im Fall Lockes der Ideen): „Thus we may conceive how Words […] come to be made use of by Men, as the Signs of their Ideas; not by any natural connexion, […] for then there would be but one Language amongst all Men; but by a voluntary Imposition, whereby such a Word is made arbitrarily the Mark of such an Idea.“ (Locke 2011: III, ii, 1; 405). Nur eine solche „natürliche Verknüpfung“ im Sinne einer streng externalistischem Semantik könnte die Verwendung des Ausdrucks „Gold“ rechtfertigen. Allerdings gibt es in jener kontrafaktischen Welt keine echten Goldbestände. Sollten die BewohnerInnen der kontrafaktischen Welt, aus welchen Gründen auch immer, dennoch den Ausdruck „Gold“ tatsächlich auf das falsche Gold anwenden, dann könnten wir die Geschichte weiterspinnen, indem wir Kriterien in das Experiment einführen, die uns zeigen, wann bzw. warum die Mögliche-WeltSprachgemeinschaft den Ausdruck so verwendet. Zu unserer Erde analoge Untersuchungen würden entsprechend das Gewicht, die Dichte, die chemische Zusammensetzung und andere Eigenschaften bestimmen und in die Intension mitaufnehmen. Insofern ist Putnams quasi-indexikalische Auffassung natürlicher Artbezeichnungen hier sicher naheliegender als Kripkes Konzept rigider Designatoren. Wir können weiter annehmen, Katzengold habe dort entweder einen ähnlichen Wert wie in der aktuellen Welt oder würde in Abhängigkeit seines tatsächlichen Vorkommens und Abbaus höher oder niedriger gehandelt, oder dass Barockkirchen, Königskronen, Siegermedaillen und Eheringe etc. aus Katzengold seien, müssen es aber nicht, wie in Putnams Twin-Earth-Konzeption. Die mögliche Welt verlangt keine Zwillingsszenarien, obgleich Kripke, wenn er von kontrafaktischen Situationen spricht, üblicherweise von einer nur marginalen Veränderung unserer aktualen Welt ceteris paribus spricht. Das erklärt wohl auch seinen Bezug auf die Vereinigten Staaten, Südafrika oder die Sowjetunion einer möglichen Welt in

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Rahmen seines Experimentes. Dennoch spricht Kripke, wie wir gesehen haben, explizit von „Leuten“ („people“), welche kontrafaktisch „Gold“ auf Katzengold angewendet hätten, was offensichtlich nicht auf uns SprachteilnehmerInnen zutrifft, denn: „We do not describe it as ‘gold’.“ (Kripke 1981: 124) Und wenn es auf unserer Erde kein Gold gäbe, dann wäre auch die Existenz des Wortes „Gold“ nicht verständlich, außer im Sinne einer willkürlichen Buchstabenkombination. Gäbe uns Kripke eine umfangreichere Geschichte über die BewohnerInnen der möglichen Welt und ihren Sprachgebrauch, würde sich daher vielleicht zeigen, dass wir nur einen Fall hätten, vergleichbar Putnams Aluminium/Molybdän-Beispiel. Kommen wir zum Abschluss dieses Experimentes noch kurz auf die möglichen Folgen einer solchen kontrafaktischen Situation zu sprechen. Wie bereits betont, bedenkt Kripke in seinem Ursprungsexperiment der aktualen Welt potenzielle, vor allem finanzpolitische, Konsequenzen, welche sich aus dem Wandel von gelbem auf blaues Gold ergäben, gingen wir davon aus, es existierte dann aufgrund der ausschließlich intensionalen Bestimmungen tatsächlich kein Gold mehr. Der Goldpreis würde aufgrund rapider Nachfrageeinbußen zusammenbrechen, einstige Goldreserven hätten keine finanzpolitische Relevanz mehr etc. Aber können wir derartige Konsequenzen nicht ebenso für den Fall erwarten, in welchem Gold auf einmal blau aussähe, wenn auch in anderen Bereichen und vielleicht weniger dramatischer Weise, so doch auch mit Bezug auf die Verwendung des Wortes, welche in Kripkes Experiment offensichtlich unverändert bliebe? Wäre der Absatzmarkt an blauen Eheringen, Halsketten, Armreifen, Ohrringen, Uhren, Münzen, Medaillen, Kronen, Monstranzen, Zähnen etc. gleich dem von goldenen? Oder hätte das nicht vielleicht ähnliche Auswirkungen auf den aktuellen Goldkurs, bräche aufgrund dieser Veränderung die Nachfrage erheblich ein? Würden Barockkirchen den gleichen Ansturm an TouristInnen verzeichnen, wären sie im Inneren völlig blau gestaltet? Würden Königshäuser sich in Zukunft auch mit blauen Kronen krönen lassen, solange nur die Ordnungszahl von 79 gesichert sei? Diese Fragen hängen natürlich auch mit der Erkenntnis zusammen, dass die Zeichen unserer Sprache eingebettet sind in ein Netz mit anderen, verwandten und verknüpften Begriffen. Das gilt auch für das Wort „Gold“. Denn wir verbinden mit diesem Ausdruck etwa Leuchtendes, Funkelndes, Glanz, Ruhm, Prunk, Glamour, Reichtum bzw. Wohlstand etc. Gälte das auch im Fall eines dunklen matten Blautons? Erinnern wir uns nur an Wittgensteins Beispiel der kühl wirkenden Kohle und des warm erscheinenden Himmels. Und hätte die Blau-Gelb-Inversion nicht auch Konsequenzen für die künftige Verwendung des Wortes „Gold“? Um diese sollte es doch in erster Linie gehen. Ergäben sich solche Konsequenzen für die Wortverwendung auch für den Fall, dass Gold nicht die Ordnungszahl 79 besäße, ausgenommen für den Kreis von GoldspezialistInnen?

3 Farbe und Ordnungszahl. Bemerkungen zu blauem Gold

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Und welche Folgen hätte ein solcher Wechsel der Farbeigenschaften für Verwendungsweisen, welche sich nicht unmittelbar referentiell auf das Material Gold beziehen? Sprächen wir dann künftig noch immer von einem „goldenen Herbst“, einem „goldenen Zeitalter“ oder einer „goldenen Ära“? Und wäre nun „nicht mehr alles blau, was glänzt“, und prangten nun „die blauen Sternlein am (goldenen?) Himmel hell und klar“? Wir wir bereits in der Diskussion der Putnam’schen Experimente gesehen haben, spielen diese nicht-referentiellen Verwendungsweisen offensichtlich in den externalistischen Konzeptionen keine entscheidende Rolle. Zusammenfassend ist auch hier nicht zu erkennen, inwieweit das Experiment tatsächlich die Semantik des Wortes „Gold“ betrifft und nicht vielmehr das dadurch bezeichnete Material. Und besäße es tatsächlich bedeutungsspezifische Relevanz, ist nicht einzusehen, warum sie sich exklusiv auf Wertigkeitseigenschaften beziehen sollte, unter vollständiger Ausklammerung phänomenaler Qualitäten. Widmen wir uns im abschließenden Abschnitt zu Kripkes Externalismus seiner Diskussion des Identitätsbegriffs im Kontext natürlicher Arten und wissenschaftlicher Erkenntnisse. Dabei soll vor allem sein Gedankenexperiment der Marsianer im letzten Teil die Schwächen einer solchen Semantik im Zusammenhang der Verwendung sprachlicher Ausdrücke verdeutlichen.

4 Identität und natürliche Artbegriffe 4.1 Identität, Kontingenz und Notwendigkeit Kripkes Volk der Marsianer, welches er in „Identity and Necessity“ (Kripke 1971) einführt, veranschaulicht in sehr klarer Weise die Rolle von Erfahrung und wissenschaftlicher Erkenntnis im Zusammenhang der Bedeutung eines sprachlichen Ausdruckes bzw. genauer eines „natural kind terms“. Den weiteren Kontext bildet dabei Kripkes Auffassung über die notwendige Beziehung wissenschaftlicher Identitätssätze. Analog Putnams Twin Earth liefert uns Kripke in Naming and Necessity und „Identity and Necessity“ ein Gedankenexperiment, welches die Irrelevanz menschlicher Erfahrung und die Rolle wissenschaftlicher Tatsachen für die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke plausibilisieren soll. Anders als in Putnams H2OXYZ-Beispiel ist es jedoch so, dass ein externes physikalisches Vorkommnis, in diesem Fall Hitze, sehr wohl einen ursächlichen Einfluss auf menschliche Erfahrungen hat, hier im Speziellen Empfindungen von Hitze und Kälte bewirkt. Wenn wir uns an Putnams Oskars erinnern, war das Experiment hingegen so aufgebaut, dass sich Oskar 1 und Oskar 2 zwar im selben mentalen Zustand befinden, wenn sie Erfahrungen mit Wasser machen oder das Wort „Wasser“ verwenden, es sich allerdings um eine andere chemische Zusammensetzung und somit innere Struktur der Flüssigkeit auf der Erde und der Zwillingserde handelt. Das hieße, wie wir gesehen haben, dass entweder verschiedene Substanzen dieselben mentalen Zustände verursachen oder aber gar keinen eindeutig identifizierbaren Einfluss auf das menschliche Bewusstsein ausüben, da sie außerhalb des Raumes möglicher Erfahrungen angesiedelt sind. Die X-Allergie sollte die Fehlerhaftigkeit dieser Annahme verdeutlichen, die Engelstränen das leerlaufende Rad fehlender epistemischer Erschließbarkeit. In Kripkes Gedankenexperiment hingegen verursacht ein externes Phänomen sehr wohl bestimmte menschliche Empfindungen, in diesem Fall Hitze. Um jedoch die Irrelevanz menschlicher Erfahrungen für die Bedeutung des Ausdrucks „Hitze“ zu veranschaulichen, führt Kripke das Volk der Marsianer ein, die bei einer gleichen Hitze-Außenreizung keine Hitze-, sondern vielmehr eine Kälteempfindung erleben, das heißt eine der menschlichen Erfahrung diametral entgegengesetzte. Man könnte hier in Analogie zu inversen Spektren von einer Empfindungsinversion sprechen. Diese soll vor allem die Willkürlichkeit der Verbindung sprachlicher Ausdrücke und menschlicher Erfahrungen verdeutlichen. Und es ist diese Willkürlichkeit, die Kripke zu behaupten veranlasst, unsere Erfahrungen seien nicht bedeutungsrelevant. https://doi.org/10.1515/9783111241555-011

4.1 Identität, Kontingenz und Notwendigkeit

259

Betrachten wir aber zunächst den weiteren Hintergrund des Experimentes. Bereits in Vorlesung 2 von Naming and Necessity deutet Kripke erstmals einen bestimmten Typus von Identitätssätzen an, welcher aus wissenschaftlichen Theorien stammt, so etwa die Identität von Licht mit elektromagnetischer Strahlung bestimmter Wellenlängen oder einem Photonenstrom, die Identität von Schall mit einer bestimmten Wellenstörung in der Luft, oder aber die Identifizierung von Wärme mit der Bewegung von Molekülen (vgl. Kripke 1981: 98). Den Ausgangspunkt theoretischer Identitäten bildet dabei die grundsätzliche Frage, ob Identitätsaussagen stets notwendigerweise gelten oder auch willkürliche Identitätsaussagen denkbar wären. Mit Bezug auf singuläre Kennzeichnungen scheint die Frage kontingenter Identitätsrelationen unproblematisch. So ist es sicherlich eine kontingente Wahrheit, dass der Sohn der Eltern Richard und Elfriede Munz identisch ist mit der Person mit der Reisepassnummer C4JK765. Im Fall theoretischer Identitätssätze könnte man entsprechend die Auffassung vertreten, man habe zwar herausgefunden, dass Wärme gleich der Bewegung von Molekülen sei, es aber auch anders hätte sein können. Gerade dieses Argument wendet Kripke selbst an, allerdings nicht mit Bezug auf die wissenschaftliche Erkenntnis, die mit dieser Aussage zum Ausdruck gebracht wird, sondern vielmehr auf die nach Kripke rein kontingente Erfahrungstatsache, dass ein heißer Gegenstand in uns in der Regel zwar Hitzeempfindungen auslöst, wir uns aber auch vorstellen könnten, die Wirkung sei eine ganz andere, wie das Beispiel der Marsianer zeige. Daher kann auch keine notwendige Beziehung zwischen äußerer Hitze und dadurch verursachten menschlichen Hitzeempfindungen behauptet werden. Wir sehen also auch hier, dass Kripke skeptische Argumente ausschließlich auf den Bereich des Erfahrbaren begrenzt. Bei – nach seiner Auffassung – notwendigen Relationen hingegen, wie im Fall theoretischer Identitätsaussagen, sind die verschiedenen Täuschungsszenarien vorgelagert und werden schließlich dadurch neutralisiert, dass man sagt, wir könnten uns zwar bezüglich der Ordnungszahl von Gold oder der Identität von Wärme und Molekülbewegung täuschen; gegeben aber, die Relation besteht tatsächlich, das heißt nicht basierend auf einer Täuschung, dann gilt sie notwendigerweise. So bemerkt Kripke etwa „Given that gold is this element [with atomic number 79]“ (Kripke 1981: 125), oder im Kontext des Artbegriffs der Katzen, „[…] given that cats are in fact animals“ (Kripke 1981: 126) bzw. eines bestimmten Gegenstandes, „[…] given that it is composed of molecules“ (Kripke 1981: 126), um nur einige Stellen zu nennen, die den Ausdruck des „given that“ enthalten. Kripke scheint hier, wie in sämtlichen seiner anderen Beispiele, jedoch zu übersehen, dass wir die Figur des „gegeben, dass das tatsächlich der Fall ist“, die offensichtlich nicht-argumentativer Natur ist, genauso auf die Oberflächeneigenschaften beziehen können. Insofern wäre es zwar vorstellbar, fremde Lebewesen erlebten andere Empfindungen als wir, wenn wir Hitze ausgesetzt sind,

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4 Identität und natürliche Artbegriffe

aber angenommen oder gegeben, Hitze besitzt „tatsächlich“ die Qualität in uns Wärme- oder Hitzeempfindungen auszulösen, dann bewirkt sie das notwendigerweise, und im Beispiel der Marsianer dürfen wir den Ausdruck daher nicht anwenden. Philosophischen GegnerInnen, die argumentieren, dass es sich bei theoretischen Identitätssätzen nur um kontingente handeln kann, da sie schließlich auf wissenschaftlichen Untersuchungen basieren und somit auch falsch sein könnten, entgegnet Kripke mit seiner wichtigen Unterscheidung in die erkenntnistheoretischen Kategorien des a priori und a posteriori in Abgrenzung zu metaphysischen Bestimmungen des Möglichen, Notwendigen und Unmöglichen (vgl. u. a. Kripke 1981: 109). Dabei liegt es gerade in der Verwechslung dieser beiden Kategorien begründet, dass sich solche Auffassungen, wie jene über kontingente Identitätssätze, deren Willkürlichkeit sich scheinbar aus der Entstehungsgeschichte begründet, als falsch erweisen. Insofern ist für Kripke die theoretische Identifikation zwischen Wärme und der Bewegung von Molekülen keineswegs willkürlich, sondern notwendig und zwar nicht nur in physikalischer Hinsicht, sondern „necessary in the highest degree – whatever that means“ (Kripke 1981: 99). Diese Auffassung ist natürlich eng mit seinem Begriff der rigiden Designatoren verbunden. Auch im Kontext theoretischer Identitätssätze finden wir wieder Kripkes berühmtes Argument, dass singuläre Kennzeichnungen nicht durch identifizierende Merkmale die Referenz eines Zeichens bestimmen, indem der Gegenstand als einziger die entsprechenden Bestimmungen erfüllt und von welchen die Sprecherin weiß, dass sie auf den Referenten auch als einzigen zutreffen (vgl. u. a. Kripke 1981: 106). Das ist deshalb nicht der Fall, da es erstens denkbar wäre, dass es mehrere Gegenstände gibt, auf die die Beschreibungen zutreffen, von denen die Sprecherin allerdings annimmt, sie träfen nur auf einen zu. Zweitens, selbst wenn die Kennzeichnungen nur einen Gegenstand spezifizieren, müssen sie nicht unbedingt auf den tatsächlichen Referenten Bezug nehmen, sondern möglicherweise auf einen anderen oder gar keinen. Wir erinnern uns an den Mörder von Smith (vgl. Donnellan 1966), bei dem sich herausstellen könnte, dass das Opfer versehentlich von einem flüchtigen Autofahrer erfasst wurde oder in eine Starkstromleitung geriet. Wie wir aber im Kontext des Phänomens der Hitze sehen werden, schildert Kripke die Entstehung des Begriffs „Hitze“ genau in jener Form, dass wir zunächst einen Referenten identifizieren, der die kontingente Eigenschaft besitzt, in uns menschlichen Wesen Hitzeempfindungen zu erzeugen. Ein anderer Fall wäre, wie wir gesehen haben, der des Urmeters. Bevor wir uns der Entstehungsgeschichte des Wortes „Hitze“ widmen, betrachten wir noch zwei weitere Beispiele theoretischer Identitätssätze, die Kripke ganz analog diskutiert: „Wasser = H2O“ und „Licht ist ein Photonenstrom“. In diesen Fällen der„natural kind terms“ wird die philosophische Nähe zu Putnam besonders

4.1 Identität, Kontingenz und Notwendigkeit

261

deutlich und Kripke greift neben Putnams Beispiel „Katzen sind Tiere“ auch den uns wohl vertrauten Satz auf, Wasser sei identisch mit H2O. Auch hier handelt es sich um eine wissenschaftliche Entdeckung und somit keine apriorische Wahrheit. Dennoch gilt für Kripke auch diese Beziehung als notwendig. Zunächst haben wir Wasser dadurch identifiziert, wie es uns in spezifischen Erfahrungen gegeben ist, etwa als durstlöschend, durchsichtig, erfrischend oder wärmend auf der Haut etc. Auf diese Weise legen wir zunächst einen Gegenstand als Referenzobjekt fest, welches diese Erfahrungen in uns auslöst. Nehmen wir nun an, so Kripke, es gäbe eine Substanz, die Wasser genau in diesen Hinsichten, Geschmack, Aussehen, Anfühlen etc. gliche, allerdings über eine andere chemische Formel verfüge. Würden wir diese Flüssigkeit dann auch als „Wasser“ bezeichnen? Nach Kripke muss die Frage eindeutig verneint werden.Vielmehr redeten wir, wie im Beispiel des Narrengoldes, von einer Art „Narrenwasser“ („fool’s water“), das zwar über dieselben Oberflächeneigenschaften wie „echtes“ Wasser verfüge, aber dennoch kein Wasser wäre (vgl. Kripke 1981: 128). Dies gilt nicht nur für unsere aktuale Welt, sondern auch für sämtliche kontrafaktischen Szenarien. Die Einwände gegen diese Auffassung haben wir bereits in Putnams Gedankenexperiment ausführlich diskutiert. Ein interessanter Unterschied zeigt sich jedoch darin, dass Putnam argumentiert, der Ausdruck „Wasser“ auf der Zwillingserde bedeute etwas anderes, was in der komplexen, abgekürzten Formel „XYZ …“ zum Ausdruck käme. Kripke kann diese Auffassung nicht teilen, da sie seinem Begriff des starren Designators widerspricht. Putnam ist hingegen darauf angewiesen, weiterhin dasselbe Wort „Wasser“ zu verwenden und lediglich die Konsequenz zu ziehen, das Wort auf der Erde bedeute etwas anderes als auf der Zwillingserde, da er sonst nicht mehr die Ausgangsprämisse aufrechterhalten kann, Oskar 1 und Oskar 2 seien im selben physischen Zustand, wenn sie das Wort „Wasser“ verwenden. Im Falle Putnams ist die Aussage „Wasser ist _“ auf der Zwillingserde also nur dann wahr, wenn „XYZ“ die Leerstelle besetzt. Hier hätte derselbe Ausdruck tatsächlich zwei unterschiedliche Bedeutungen. Im zweiten Fall des Ausdrucks „Wasser“ als starrer Designator ist der Satz, ausgehend von unserer faktischen Erde, „Wasser ist _“ nur dann wahr, wenn „H2O“ die Leerstelle besetzt. Die Identitätsrelation „Wasser = H2O“ gilt notwendigerweise, das heißt in allen möglichen Welten. Über sein Verständnis der Bedeutung des Wortes Licht bemerkt Kripke: „Light is a stream of photons“ (Kripke 1981: 129). Was die Referenz des Ausdruckes betrifft, beziehen wir uns dabei laut Kripke nicht auf eine innere Empfindung, sondern auf ein uns in diesem Raum gegebenes, äußeres Phänomen, das in gewisser Weise auf unsere Sehnerven wirkt. Gleiches gilt für Wärme, welche wir über die Haut spüren. Mit anderen Worten referieren wir mit dem Ausdruck „Wärme“ oder „Hitze“ nicht auf eine innere Empfindung, etwa eine plötzliche Hitzewallung, die wir spüren, wenn wir eine Sauna betreten oder von grellem Licht geblendet werden.

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4 Identität und natürliche Artbegriffe

Im Fall des Lichtes entwickelt Kripke das folgende, skeptische Szenario mit Bezug auf unsere Fähigkeiten, Licht zu erleben: „Imagine a situation in which human beings were blind or their eyes didn’t work. They were unaffected by light. Would that have been a situation in which light did not exist? It seems to me that it would not. It would have been a situation in which our eyes were not sensitive to light.“ (Kripke 1981: 130). Blinde Menschen etwa befinden sich genau in dieser Situation. Auch wenn sie nicht in der Lage sind, Licht wahrzunehmen, und es somit nicht unter normalen Bedingungen auf diese Personen wirkt, wären sie dennoch von Licht umgeben. Üblicherweise identifizieren wir Licht zunächst mittels bestimmter Wahrnehmungen, die es in uns auslöst und bestimmen so das Bezugsobjekt des Ausdrucks „Licht“: „We fix what light is by the fact that it is whatever out in the world, affects our eyes in a certain way“ (Kripke 1981: 130). In einer anderen möglichen Welt allerdings, in welcher alle Menschen blind wären, nennen wir sie „Blerde“, würden wir diese Bestimmung nicht anwenden können, da Licht in dieser Welt gar keine Reize auf unsere Augen ausübt. Daraus folgt für Kripke allerdings keineswegs, dass es kein Licht gäbe, sondern vielmehr, dass es zwar existiere, aber nicht die Kennzeichnung erfülle, mittels derer wir es in unsere tatsächliche Welt eingeführt haben, nämlich auf unsere Augen in besonderer Weise einzuwirken. Diese Überlegungen sind zumindest in zweierlei Hinsicht interessant. Zunächst stellt sich die Frage, wie auf der Blerde der Begriff des Lichts überhaupt eingeführt wird, wenn es per Gedankenexperiment ausgeschlossen sein soll, dass die BewohnerInnen der Blerde Licht erfahren können. Das entspricht, wie wir gesehen haben, ganz der Situation einer Welt, in welcher alle unsere Goldbestände nur als Katzengold existierten. Mir scheint, Kripke begeht hier den gleichen Fehler, welcher seiner ganzen Auffassung der Beziehung der wirklichen Welt zu den kontrafaktischen zugrunde liegt: Zunächst legen wir mittels unserer Wahrnehmungserlebnisse Bezugsgegenstände fest und stellen uns nach der Identifikation die Frage, was für eine mögliche Welt gilt, in welcher die identifizierende Kennzeichnung, in unserem Fall, unsere Augen in bestimmter Weise zu affizieren, nicht erfüllt ist. Kripke übersieht hierbei, dass nur in der aktualen Welt der Begriff des Lichts eingeführt wurde und fortan Teil unseres Sprachsystems bildet. Da diese Zeremonie der Identifikation auf Blerde nicht erfolgen kann, stellt sich die Frage, ob und in welcher semantischen Form das Wort „Licht“ in einer solchen möglichen Welt überhaupt gegeben ist und was dort das identifizierende Kennzeichen, in gewisser Weise auf unsere Augen einzuwirken, ersetzen soll. Wie können wir sagen, dass dort zwar Licht existiere, auch wenn es nicht die Bestimmung erfülle, menschliche Augen zu affizieren, wenn dort das Wort dafür nicht gegeben ist? Kripkes Punkt, dass wir es wären, die das sagen, scheint hier nichts zu leisten. Denn würden die Bewohner der Blerde den Satz verstehen, es gäbe bei ihnen zwar Licht, auch wenn sie es nicht wahrnehmen könnten? Erinnern wir uns nur an Russells Bemerkung, „we mean by

4.1 Identität, Kontingenz und Notwendigkeit

263

light just that which a blind man can never understand, and which we can never describe to him.“ (Russell 1980: 14). Eine zusätzliche Schwierigkeit im Fall von Licht besteht darin, dass es uns nur durch einen Wahrnehmungssinn gegeben sein kann, anders als etwa die physische Gestalt eines Körpers (sehen wir davon ab, dass die Lichtquellen bei entsprechender Kraft und Nähe auch Wärme ausstrahlen). Auf dieses Problem verweist, wie wir bereits gesehen haben, Locke im Kontext einfacher Ideen der Sinne, wenn er etwa bemerkt: „[…] Light and Colours […], with their several Degrees or Shades, and Mixtures […], come in only by the Eyes […]. (Locke 2011: II, iii, 1; 121) Da, anders als bei Putnams Twin Earth, die Blerde nicht zu bereisen ist, wie würden wir als Blinde denn den Satz verstehen, Licht existiere, auch wenn wir es nicht wahrnehmen könnten? Wäre es nicht naheliegender anzunehmen, dass der Begriff des Lichtes in unsere Sprache gar nicht gegeben wäre? Denn es geht hier nicht primär um die ontologische Frage nach der Existenz und Beschaffenheit von Licht als externes Phänomen, sondern um die semantische, ob das Wort „Licht“ dann überhaupt einen Teil unserer existierenden Sprache bilde. Schließlich handelt Kripkes Naming and Necessitiy von einer zum internalistischen Ansatz alternativen Bedeutungstheorie und nicht von einer ontologischen Theorie über die Existenz bzw. Nicht-Existenz natürlicher oder wissenschaftlicher Phänomene. Ein ganz analoges Problem ergibt sich bei der Frage, ob ein Identitätssatz wie „Hesperus = Phosporus“, nach Kripke eine notwendige, das heißt in allen möglichen Welten wahre Aussage, auch in kontrafaktischen Situationen wahrheitswertfähig ist, in welchen die Venus nicht existiert. Diese Option muss Kripke einräumen, um das Problem notwendiger Existenz zu vermeiden. Auch hier haben wir jedoch die Schwierigkeit, zu verstehen, warum es in dieser möglichen Welt die Ausdrücke „Hesperus“ und „Phosphorus“, eingeführt mittels einer singulären Kennzeichnung, etwa der letzte sichtbare Stern am Morgen bzw. der erste sichtbare Stern am Abend zu sein, überhaupt geben sollte. Ein Gegenstand, der nicht existiert, kann auch nicht auf die eine oder andere Weise gegeben sein. Im deskriptivistischen Kontext hingegen bildet die Extension schlicht die leere Menge. Kripke kann diese Frage nur dann beantworten, wenn er eine subjunktive Intension vertritt. Das heißt, ausgehend von unserer faktischen Welt wären für andere kontrafaktischen Welten die Wahrheitswerte zu bestimmen, in Abgrenzung zur verifikationistischen Intension, die von einer Gleichberechtigung aller möglichen Welten ausgeht und in welcher die wirkliche Welt daher nicht die Ausgangsbasis bilden kann. Anderenfalls wäre die Frage nach der Identität von Hesperus und Phosphorus nicht zu beantworten in einer Welt, in welcher die Venus nicht existiert. Analoges gilt für den Fall des Lichts und des Wortes „Licht“ in einer Welt, in der Lebewesen ohne Sehvermögen leben und daher die Wirkungsweise des Lichtes, die Teil der Definition bildet, nicht kennen. Auf Grundlage einer solchen

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4 Identität und natürliche Artbegriffe

subjunktiven Semantik allerdings scheint mir die Annahme von Namen ohne ihre entsprechenden Namensträger nicht vereinbar, da die Gegenstände der wirklichen Welt ja gerade den Ausgangspunkt für die Namensgebung in dieser Welt bilden. Gäbe es in unserer Welt im konkreten Beispiel des Wortes „Venus“ kein Referenzobjekt, könnten wir auch nicht das Vorhandensein entsprechender Namen erklären. Nehmen wir nun ausgehend von unserer wirklichen Welt eine Welt an, in der die Venus nicht existiert, scheint das mit der Anwendung einer subjunktiven Semantik nicht mehr vereinbar. Denn die Ausgangslage in dieser möglichen Welt ist bezüglich des Gegenstandsinventars nun eine andere als in der wirklichen. Verlassen wir allerdings die subjunktive Semantik zugunsten einer verifikationistischen, dann können wir nicht mehr erklären, warum in dieser Welt, in der die Venus nicht existiert, überhaupt die Namen „Hesperus“ und „Phosphorus“ als zwei Bezeichnungen für jenen Planeten eingeführt wurden. Wir können dann eben nicht die Namen von ihren Referenzobjekten abkoppeln und lediglich die sprachlichen Zeichen in die Betrachtung einer kontrafaktischen Welt miteinbeziehen, ohne dass die entsprechenden Bezugsobjekte gegeben sind. Natürlich können wir uns vorstellen, dass dort jemand seine beiden Hunde so benennt, da er eine besondere Vorliebe für griechische Bezeichnungen hegt. Die Unterscheidung einer verifikationistischen und subjunktiven Intension wird besonders am Beispiel des Identitätssatzes „Wasser = H2O“ deutlich, wie bei der Putnam’schen Zwillingerde im Gegensatz zu Kripkes Konzept starrer Designatoren. Nach Kripke wäre eine Flüssigkeit, die sämtliche Oberflächeneigenschaften von Wasser besäße, allerdings eine andere Strukturformel, unmöglich Wasser, da der Ausdruck „Wasser“ in allen möglichen Welten die chemische Substanz H2O bedeutet. Im Fall von Putnams Zwillingserde wäre auf Grundlage einer verifikationistischen Intension der Satz „Wasser = XYZ“ nicht falsch, sondern „Wasser“ würde dort aufgrund des quasi-indexikalischen Charakters natürlicher Artbegriffe schlicht etwas anderes bedeuten. David Chalmers bemerkt über die zweidimensionalen Semantiken entsprechend: Two-dimensional approaches to semantics start from the observation that the extension and even the intension of many of our expressions depend in some fashion on the external world. As things have turned out, my terms ‘water’ and ‘H2O’ have the same extension, and have the same (Kripkean) intension. But there are ways things could have turned out so that the two terms could have had a different extension, and a different intension. So there is a sense in which for a term like ‘water’, the term’s extension and its Kripkean intension depend on the character of our world. Given that this world is actual, it turns out that ‘water’ refers to H2O, and its Kripkean intension picks out H2O in all possible worlds. But if another world had been actual (e. g. Putnam’s Twin Earth world in which XYZ is the clear liquid in the oceans), ‘water’

4.1 Identität, Kontingenz und Notwendigkeit

265

might have referred to something quite different (e. g. XYZ), and it might have had an entirely different Kripkean intension (e. g. one that picks out XYZ in all worlds). (Chalmers 2008: 576)

Bzw.: We can then see how pairs of terms with the same extension and the same Kripkean intension might nevertheless have different two-dimensional intensions, and different diagonal intensions. For example, ‘water’ and ‘H2O’ have the same Kripkean intension, but it is plausible that if the XYZ-world had turned out to be actual, they would have had different Kripkean intensions: ‘water’ would have had an intension that picked out XYZ in all worlds, while ‘H2O’ still would have had an intension that picked out H2O in all worlds. If so, then these terms have different two-dimensional intensions and different diagonal intensions. (Chalmers 2008: 577)

Auf die Frage, ob „Hesperus = Phosphorus“ auch eine notwendige Wahrheit in einer möglichen Welt ausdrückt, in welcher die Venus nicht existiert, bemerkt Kripke: In that case there is a question whether the identity statement ‘Hesperus is Phosphorus’ would be true, false, or neither true nor false. And if we take the last option, is ‘Hesperus = Phosphorus’ necessary because it is never false, or should we require that a necessary truth be true in all possible worlds? I am leaving such problems outside my considerations altogether (Kripke 1981: 110).

Kripke umgeht dieses Problem verständlicherweise, denn erstens ist es fragwürdig, ob etwas schon dann notwendig gilt, wenn es niemals falsch ist, und zweitens, ob man überhaupt behaupten kann, es sei niemals falsch. Nach Russells Analyse singulärer Kennzeichnungen wäre jene Identitätsaussage falsch, da sie die Existenzbehauptung, es gäbe mindestens ein und höchstens ein X, welches identisch ist mit Phosphorus, nicht erfüllt (vgl. Russell 1956a). Für Frege wäre jene Behauptung sogar unsinnig, da sie Teile enthält, denen keine Bedeutung zukommt (vgl. Frege 2011b). Im Hintergrund dieser beiden für die Sprachphilosophie zentralen Ansätze Freges und Russells erscheint es daher als zweifelhaft, am Begriff der notwendigen Beziehung festzuhalten, wie Kripke es tut. Auch der Versuch, den Begriff der Notwendigkeit in Abhängigkeit zur Frage der Existenz zu stellen, erscheint problematisch. Daher wählt Kripke wieder die vorsichtigere Variante, des „Angenommen, dass Hesperus existiert, dann ist ‚Hesperus=Phosphorus‘ notwendig“. Aber hieße das nichts anderes, als die triviale Erkenntnis, dass wenn etwas existiert, in diesem Fall die Venus, es dann nicht von sich selbst verschieden sein kann, das heißt ein trivialer „Ausfluss des Identitätsprinzips“ (Frege 1976d: 128)? So bemerken Bird und Tobin im Kontext theoretischer Identitäten:

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4 Identität und natürliche Artbegriffe

Several of Kripke’s exemplary cases concern theoretical identities; these are typically identities of the form C = T, expressed using a common name for a kind, ‘C’, and a technical identification of the kind, ‘T’, typically thereby telling us what that kind is. […] This might give the impression that Kripkean essentialism is just a matter of the necessity of identity. (Bird und Tobin 2017)

Oder mit den Worten Bishop Butlers formuliert: „Everything is what it is, and not another thing.“ (Butler 1729: Preface, § 39) Auch die Frage nach dem Vorhandensein von Namen, die nichts bezeichnen, wurde bereits gestellt. Wie wir gesehen haben, ist es für Russell ausgeschlossen, dass ein Name nichts bezeichnet und die Frage nach der Existenz bzw. Nichtexistenz eines Individuums, welches die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks ist, ist unsinnig. So bezeichnet ein echter logischer Eigenname lediglich ein Individuum, das seine Bedeutung ist, und wie bereits gezeigt, stellt sich die Frage der Existenz im Fall echter Namen nicht. Wir erinnern uns auch, dass für Frege solche Namen noch immer über Sinn verfügen können und damit einen Scheingedanken ausdrücken. Dass es in unserer gewöhnlichen Umgangssprache zahllose Zeichen gibt, denen keine Bedeutung entspricht, ist auch für Frege unbestritten. Im Kontext einer logischen Sprache muss dieser Umstand allerdings strikt vermieden werden (vgl. Frege 2011b: 155). Da Kripke allerdings, stets von den Gegenständen ausgehend, die Entstehung von Namen mittels eines Taufaktes rekonstruiert, lässt sich in diesem Schema das Vorhandensein von Namen ohne entsprechendes Bezugsobjekt nicht erklären. Das gilt insbesondere für fiktive Namen wie Odysseus oder Homer.

4.2 Bedeutung, Erfahrung und natürliches Phänomen Nehmen wir an, nicht alle Bewohner der Blerde seien blind, sondern nur einige, diese aber von Geburt an. Stellen wir uns vor, Personen beider Gruppen, etwa ein Blindeninstitut und seine MitarbeiterInnen versammeln sich in einem mit Neonlicht durchdrungenen Raum. Aufgrund des hohen Grades der Blendung wird der Wunsch geäußert, das Licht auszuschalten. Was würden wir nun einer blinden Person auf ihre Frage antworten, was denn das Wort „Licht“ bedeute? Etwa, dass bei sehenden Menschen Licht eine bestimmte Wirkung auf unsere Augen auslöst, die einer blinden Person zwar vorenthalten bleiben muss, das aber für die Bedeutung des Ausdruckes „Licht“ keine Rolle spiele, da die eigentliche Definition von Licht lautet „Licht ist ein Photonenstrom“ (vgl. Kripke 1981: 129)? Würde eine blinde Person das verstehen? Wie würde sie darauf reagieren? Erinnern wir uns nur an eine Bemerkung Russells, wir könnten einer blinden Person zwar eine physikalische Erklärung des Wortes „Licht“ geben, aber nicht eine Beschreibung des Er-

4.2 Bedeutung, Erfahrung und natürliches Phänomen

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lebnisses einer unmittelbaren Lichtwahrnehmung. Und würden wir Sehende das Gespräch verstehen, wenn wir gerade dazustießen? Die meisten Menschen, welche über keine spezifischen physikalischen Kenntnisse verfügen, haben nur eine sehr vage Vorstellung bzw. Kenntnis von Photonen und entsprechenden Strömen. Daher wäre für sie die Frage einer blinden Person, was denn ein Photonenstrom sei, nicht oder nur sehr laienhaft zu erklären. Und wie könnten wissenschaftliche Laien mittels des Begriffs „Photonenstrom“ etwa den Unterschied zwischen einer natürlichen und künstlichen Lichtquelle erklären? Auch die Aufforderung, ein Photon bzw. einen Photonenstrom außerhalb einer streng physikalistischen Terminologie zu beschreiben, wäre nicht möglich, da auch wir als Sehende unmittelbar keine Photonen bewusst wahrnehmen. Wie aber wollen wir dann einem Blinden erklären, dass uns beispielsweise etwas blendet oder sehr grell erscheint? So gewinnen wir auch hier den Eindruck, das Wort „Licht“ habe tatsächlich zwei verschiedene Bedeutungen, wenn wir sie exklusiv auf die physikalische Bestimmung beschränken und sämtliche intensionalen Bestimmungen, welche ihre perzeptiven Qualitäten miteinschließen, ignorieren. Wie bereits im Kontext der Russell’schen Differenzierung in privaten und physikalischen Raum angedeutet, macht Russell folgende zentrale und völlig zutreffende Bemerkung über die Bedeutung des Wortes „Licht“: Physical science […] has drifted into the view that all natural phenomena ought to be reduced to motions. Light and heat and sound are all due to wave-motions, which travel from the body emitting them to the person who sees light or feels heat or hears sound. […] It is sometimes said that “light” is a form of “wave-motion” but this is misleading, for the light which we immediately see, which we know directly by means of our senses, is not a form of wave-motion but something quite different – something which we all know if we are not blind though we cannot describe it so as to convey our knowledge to a man who is blind. A wave-motion on the contrary could quite well be described to a blind man since he can acquire a knowledge of space by the sense of touch; and he can experience a wave-motion by a sea voyage almost as well as we can. But this, which a blind man can understand, is not what we mean by light. (Russell 1980: 14)

Was wir mit dem Wort „Licht“ meinen, kann eine blinde Person nicht verstehen, und wir sind nicht in der Lage, ihr Lichtwahrnehmungen in einer nicht-physikalistischen Weise zu beschreiben, da die notwendigen Erfahrungsvoraussetzungen nicht gegeben sind. Hätte die Physik also Recht, was die „wirkliche“ Bedeutung des Ausdrucks „Licht“ betrifft, könnten wir blinden Menschen jederzeit das Wort erklären, indem wir sie beispielsweise auf eine Schifffahrt begleiten und sie auf die Bewegung der Wellen aufmerksam machen. Aber das ist nicht das, was wir ursprünglich unter „Licht“ verstehen. Darüber hinaus ist auch dieser Begriff immanenter Bestandteil eines bestimmten Sprachsystems miteinander verwandter Begriffe. So sprechen wir etwa

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4 Identität und natürliche Artbegriffe

von grellem Licht, warmem Licht, beruhigendem Licht, beklemmendem Licht, einem Licht am Ende des Tunnels, einem lichten Moment etc. Ich sehe nicht, wie wir diese unterschiedlichen Verwendungsweisen des Ausdruckes über den Begriff des Photonenstromes auch nur annähernd erklären könnten. Darüber hinaus hat Russells Diskussion der Identifizierung von Licht und Wellenbewegungen immerhin gezeigt, dass wir in einem, wenn auch nicht wissenschaftlichen, Sinne sehr wohl Wellenbewegungen erleben können (etwa in einer Achterbahn oder auf einem Surfboard). Der theoretische Begriff des Photons hingegen entzieht sich offenbar möglicher Erfahrbarkeit. Kripke bemerkt über die Verwendung des Wortes „Licht“ einer blinden Person: […] a blind man who uses the term ‘light’, even though he uses it as a rigid designator for the very same phenomenon as we, seems to us to have lost a great deal, perhaps enough for us to declare that he has a different concept. […]. The fact that we identify light in a certain way seems to us to be crucial, even though it is not necessary; the intimate connection may create an illusion of necessity (Kripke 1981: 139).

Generell zeigt sich an den vorangegangenen Bemerkungen die interne Verknüpfung eines sprachlichen Ausdrucks wie „Licht“ oder „Wärme“ mit unseren (üblichen) menschlichen Erfahrungen, welche sich in entsprechenden Verhaltensweisen manifestieren, selbst wenn Kripke behauptet, diese „intimate connection“ erzeuge eine illusionäre Notwendigkeit. So schalten wir etwa das Licht aus oder setzen uns eine Sonnenbrille auf, wenn wir das Licht als zu grell empfinden, oder legen unsere Kleidung ab, wenn wir unerträgliche Hitze verspüren. Das tun weder Blindgeborene, noch, wie wir sehen werden, Kripkes Marsianer. Die Rolle menschlicher Verhaltensweisen, die logisch mit unseren Empfindungen verknüpft sind, wird besonders sichtbar in Kripkes Gedankenexperiment im Kontext des Ausdrucks „Hitze“, das er in „Identity and Necessity“ genauer expliziert: Es ist dabei zunächst verwunderlich, wie Kripke die Art und Weise beschreibt, wie der Begriff der Hitze eingeführt wird, nämlich über die Identifizierung eines äußeren Phänomens, das in uns bestimmte Hitzeempfindungen auslöst. Kripke schreibt: There is a certain referent which we have fixed, for the real world and for all possible worlds, by a contingent property of it, namely the property that it’s able to produce such and such sensations in us. Let’s say it’s a contingent property of heat that it produces such and such sensations in people. It’s perhaps contingent that there should even have been people in this planet at all. (Kripke 1981: 132 – 133)

Wenn Kripke die Tatsache, dass sich Menschen auf unserem Planeten befinden, für akzidentiell hält, da es auch gar keine Menschen bzw. ganz andere Lebewesen ge-

4.2 Bedeutung, Erfahrung und natürliches Phänomen

269

ben könnte, ist auch die Tatsache, dass es Sprache gibt, rein kontingent. Dann wäre es jedoch schwer verständlich, warum der Ausdruck „Hitze“ „Bewegung von Molekülen“ bedeuten solle, ohne eine Sprache, welche Ausdrücke wie „Hitze“, „Bewegung“, und „Moleküle“ enthielte. Und sollten keine Menschen existieren, die normale Hitzereaktionen wie Errötung des Kopfes oder Schweißbildung verspürten, wenn sie einer Außenhitze ausgesetzt sind, wie und von wem wird dann der Referent des Ausdrucks „Hitze“ alternativ festgelegt? Nochmals, es geht hier nicht um die Frage, ob es denkbar wäre, dass Hitzeperioden existieren oder existierten, bevor es überhaupt Menschen oder andere Lebewesen gab. Das sind Fragen der Physik und spielen vielleicht eine Rolle, wenn es um die Erforschung neuer Planeten und deren natürlicher Bedingungen geht, um beispielweise potenziellen neuen menschlichen Lebensraum zu schaffen. Solche Fragen werden innerhalb physikalischer und anderer wissenschaftlicher Untersuchungen betrachtet. ExpertInnen können sich darüber austauschen, da sie sprachkompetent sind und unsere Sprache bereits über den Begriff der Hitze verfügt, sowohl hinsichtlich der Wirkung auf den Körper als auch in wissenschaftlichen Kontexten bestimmter molekularer Bewegungen. Es geht hier vielmehr um die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke und nicht die von menschlichen oder anderen Lebewesen unabhängige Existenz physikalischer oder anderer natürlicher Phänomene. In einer Welt ohne menschliche Wesen und eine damit verbundene Sprache wäre die Behauptung notwendiger Synonymien zwischen sprachlichen Ausdrücken gar nicht verständlich. Wir dürfen auch hier nicht vergessen, dass Kripkes mögliche Welten im Gegensatz zu Putnams Zwillingserde mögliche Welten im strengen Sinne sind, das heißt, nicht etwa von WissenschaftlerInnen bereisbar, die dort herrschende Temperaturphänomene untersuchten, wie die ExpertInnen, die Twin Earth bereisen und bei ihrer Rückkehr mitteilen, „Wasser“ bedeute dort „XYZ“. Wie in allen anderen Beispielen macht Kripke scheinbar auch hier den Fehler, anzunehmen, dass aufgrund der Tatsache, dass es auf unserer wirklichen Welt bereits ein etabliertes Sprachsystem gibt, wir uns nun auch Welten vorstellen können, in denen bestimmte Dinge der wirklichen Welt nicht vorhanden sind oder ein bestimmter Gegenstand wenige oder keine der in der aktualen Welt besitzenden Eigenschaften aufweist, wir aber dennoch über jene kontrafaktische Welt Aussagen machen können unter Anwendung unseres hier geltenden Sprachsystems. Im Fall der Qualitätsvariationen ist die Annahme völlig berechtigt, bei Nichtexistenz des durch den Subjektterm bezeichneten Gegenstandes nicht, da sich die Namensbezeichnung ausschließlich aus der Existenz des Bezugsgegenstandes mittels eines Taufaktes erklärt. Gehen wir von unserer wirklichen Welt mit Menschen aus, die über normale Körperfunktionen verfügen und daher unter Bedingungen besonderer Hitze diese entsprechend empfinden, erhalten wir bei Kripkes Darstellung der Bedeutungsge-

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4 Identität und natürliche Artbegriffe

nese den Eindruck, dass nicht etwa ein externes Naturphänomen selbst Ausgangspunkt für unsere Bedeutungsfestlegung bildet, sondern vielmehr eine bestimmte Empfindung, die wir im „Inneren“ verspüren und die uns nun veranlasst, nach dem Objekt Ausschau zu halten, welches sich als ursächlich für dieses Gefühl erweist. Wir würden also nicht sagen, die Heizung sei heiß oder die Flamme einer Kerze. Stattdessen spüren wir zunächst eine gewisse Hitzeempfindung in uns, die uns nun dazu veranlasst, dasjenige Objekt zu identifizieren, welches diese Empfindung auslöst. Dadurch bestimmen wir in Folge die Referenz des Ausdrucks „Hitze“. Das wäre beinahe so, als wenn wir statt unmittelbar einen Baum wahrzunehmen, lediglich über eine Baumimpression verfügten und uns nun auf die Suche nach der Ursache des Baumeindruckes machten. Malcolm bemerkt hierzu: „When we have sensations of heat, […] we are perceiving heat itself, and not conferring or conjecturing the presence of some unknown thing that causes ‘sensations of heat in us’; […].“ (Malcolm [1980] 1995a: 51) Der Tatbestand, dass wir zunächst nicht wissen, um welches physikalische Phänomen es sich bei Hitze handelt, ist für Kripke lediglich eine Frage des Apriorischen bzw. Aposteriorischen und somit eine epistemische, bildet aber keineswegs eine Schwierigkeit, welche die notwendige Beziehung zwischen Hitze und Molekülbewegungen betrifft. Die Relation lässt sich zwar nur wissenschaftlich nachweisen, gilt also aposteriorisch, hat aber keinerlei Einfluss auf den Aspekt des metaphysisch Notwendigen. Dieser Punkt ist uns auch schon aus Putnams Behauptung der Verwechslung epistemischer mit metaphysischen Notwendigkeiten vertraut. Wenn wir schließlich eine solche Kenntnis erlangen, haben wir damit eine Identifikation entdeckt, die eine wesentliche Eigenschaft dieses Phänomens bildet. Warum es sich dabei tatsächlich um eine wesentliche Eigenschaft handelt, sagt uns Kripke allerdings nicht, außer, dass er behauptet, jenes Phänomen, welches ursprünglich in uns Hitzeempfindungen auslöste und uns dadurch in die Lage versetzte, es als Referenzobjekt zu identifizieren, nichts anderes als Bewegung von Molekülen sei. Die Eigenschaft, in uns Hitzeempfindungen zu erzeugen, ist hingegen kontingent, da das externe Phänomen auch hätte existieren können, ohne notwendigerweise als Hitze empfunden zu werden, wenn etwa unser menschliches Nervensystem anders geartet wäre, sodass es keine Empfindungsreaktionen auf äußere Hitze auslöse (vgl. Kripke 1981: 133). Veranschaulichen wird Kripke diesen Punkt durch das Experiment der Marsianer, die temperaturbedingte Außenphänomene uns gegenüber diametral anders wahrnehmen, das heißt eine kalte Außenreizung als warm und eine warme Außenreizung als kalt. Wie die Marsianer zunächst das Phänomen zu identifizieren versuchen, das ihnen eine Kälteempfindung verursacht, oder möglicherweise überhaupt keine Temperaturempfindung, sagt Kripke uns allerdings nicht. Und dass die wissenschaftliche Erkenntnis

4.2 Bedeutung, Erfahrung und natürliches Phänomen

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schneller Molekülbewegung nicht mit einer erlebten Kälteempfindung einhergeht, scheint für ihn ebenfalls kein Problem darzustellen. Dazu später mehr. Zuvor noch einige kurze Bemerkungen zur Frage des Notwendigen bzw. Willkürlichen in diesem Zusammenhang. Zunächst ist nicht klar, was es heißt, zu behaupten, dass die Empfindungen und Reaktionen, welche Hitzephänomene in uns auslösen, rein willkürlich sind, wenn es um die Frage der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke geht. Wenn wir unter „Hitze“ das verstehen, was intern mit unseren Verhaltensweisen verknüpft ist und Teil eines von uns angewendeten Sprachsystems bildet, dann können wir nicht davon sprechen, dass dieser Gesamtzusammenhang rein willkürlich ist. Wenn die Bedeutung eines Wortes einmal eingeführt ist, dann gilt diese Bedeutung notwendig. Von einer Person, die sich nicht an die entsprechenden Bedeutungsregeln hält, würden wir dann entweder sagen, sie habe uns missverstanden, einen Fehler gemacht oder verwende das Wort in einer anderen Bedeutung. Das zeigt sich in der Regel recht schnell, wenn wir alternative Sprechsituationen, die solche Ausdrücke enthalten, erzeugen. Darüber hinaus ist auch das Wort „Hitze“ eingebettet in ein System verwandter Ausdrücke, welche ebenfalls seine Position im System andeuten. Dazu zählen auch erweiterte Bedeutungen wie „hitzige Debatte“, „Heißläufer“ oder die Verwendung des Wortes „heiß“ als Personen- oder Sachzuschreibung im übertragenen Sinn wie „heißer Schlitten“, „heißer Typ“, oder „kalter Fisch“, um nur einige zu nennen. Wie sich solche Ausdrücke mit Bezug auf ‚Bewegungen von Molekülen‘ explizieren lassen könnten, wird von Kripke nicht thematisiert. So zeigt sich auch hier, dass weder Putnam noch Kripke die Frage nach der Verwendung sprachlicher Ausdrücke im erweiterten bzw. metaphorischen Sinn stellen. Das gilt, wie wir gesehen haben, auch für die diskutierten natürlichen Artbegriffe oder Stoffterme etc. Genauso wenig thematisiert Kripke die Frage, wie bestimmte Verhaltensweisen, die mit solchen Worten verbunden sind, Einflüsse auf die Bedeutung der entsprechenden sprachlichen Ausdrücke haben. Solche Verhaltensweisen wären etwa, dass wir uns ausziehen, wenn uns heiß ist, unsere Haut schützen, sie mit Eis kühlen, wenn sie verbrannt ist, im Gegensatz zu Reaktionen bei Kälteempfindungen, etwa die Hände zu reiben oder mehr Kleidung anzuziehen.Verhielten sich die Marsianer in solchen Situationen völlig anders, würden wir auch nicht sagen, sie verwendeten die Ausdrücke „heiß“ und „kalt“ in gleicher Bedeutung wie wir, insbesondere nicht als „Bewegung von Molekülen“, da diese nach Kripke eigentliche „Bedeutung“ mit ihren „inneren“ Empfindungen nicht vereinbar wäre.

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4 Identität und natürliche Artbegriffe

4.3 Identität und wissenschaftliche Erkenntnis Selbst wenn wir uns von der Sprachebene auf die Ebene der Phänomene bewegen, ist es nicht klar, was es heißt zu sagen, Wärme sei mit der Bewegung von Molekülen identisch. In „Kripke on Heat and the Sensations of Heat“ verweist Malcolm auf eine Bemerkung von Ernest Nagel im Zusammenhang mit der Anwendung des BoyleCharles-Gesetzes. Nagel argumentiert im Gegensatz zu Kripke, dass es sich bei der Beziehung zwischen der Temperatur eines Gases und der kinetischen Energie der Gasmoleküle keineswegs um eine notwendige Identitätsrelation handelt. Er bemerkt, dass die Deduktion dieses Gesetzes aus der kinetischen Energie von Gasen abhängt von „the additional postulate that the temperature of a gas is proportional to the mean kinetic enery of its molecules“ (E. Nagel 1961: 355). Somit handelt es sich nach Nagels Auffassung nicht um ein wissenschaftlich entdecktes Identitätsverhältnis zwischen Bewegung und Temperatur, sondern um ein notwendiges Postulat, um für das Boyle-Charles-Gesetz Anwendung zu finden. Dementsprechend schreibt er: As was noted in discussing the reduction of thermodynamics to mechanics, the Boyle-Charles’ law cannot be deduced from the assumptions of statistical dynamics unless a postulate is added relating the term ‘temperature’ to the expression ‘mean kinetic energy of molecules’. This postulate cannot itself be deduced from statistical mechanics in its classical form. (E. Nagel 1961: 372; vgl. auch Malcolm 1995a: 52)

Ohne im Weiteren auf diese spezielle wissenschaftliche Debatte einzugehen, zeigen die Stellen zumindest, dass es zu Kripkes Auffassung einer Identitätsrelation offensichtlich alternative Auffassungen über die Beziehung zwischen Temperatur und molekularer Bewegung gibt. Es ist natürlich unbestritten, dass sich eine Korrelation zwischen dem Auftreten eines Hitzephänomens und steigender Bewegung von Molekülen beobachten lässt, Nagel spricht von einer „proportionalen“ Beziehung. Darüber hinaus betont Nagel im Gegensatz zu Kripke, dass das Postulat eine Relation herstellt zwischen dem Term „temperature“ und dem Ausdruck „mean kinetic energy of molecules“ (E. Nagel 1961: 372). In Kripkes Diskussion von Hitzephänomenen und Molekülbewegungen finden wir hingegen keine Bezüge zu den entsprechenden Ausdrücken, sondern wiederum nur zu Bestimmungen physikalischer Phänomene, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Das hat wohl auch mit seiner Auffassung von Identitätsaussagen zu tun, bei denen es sich um physikalische, und nicht um semantische Notwendigkeiten handelt: „[…] theoretical identifications […] are not contingent truths but necessary truths, but necessary in the highest degree – […] (Physical necessity might turn out to be necessity in the highest degree […]).“ (Kripke 1981: 99) Und nur auf Grundlage dieser Auffassung von Identität ist Kripkes Konzept des rigiden Designators zu verstehen. Die Behauptung,

4.3 Identität und wissenschaftliche Erkenntnis

273

dass es sich lediglich um eine Korrelationsbeziehung handelt, die auf empirischen Untersuchungen beruht und daher zum Schluss führen könnte, es bestünde nur eine kontingente Beziehung, diskutiert Kripke ebenfalls im Zusammenhang kontingenter und notwendiger Identitätssätze und verwirft den Einwand aufgrund seiner Unterscheidung des Aposteriorischen und des Notwendigen (vgl. Kripke 1981: 97– 105). Nun stellt sich allerdings die Frage, wie man sich eine empirische Untersuchung vorzustellen hat, bei der entdeckt wird, dass Hitze und die Bewegung von Molekülen tatsächlich ein und dasselbe Phänomen sind. Im Fall von Identitätssätzen unter Verwendung von Eigennamen finden sich insbesondere bei Frege aufschlussreiche Bemerkungen. In „Über Sinn und Bedeutung“ diskutiert Frege gleich zu Beginn die Frage, ob ein Satz der Art „a = b“ von den Dingen selbst oder vielmehr von unseren Bezeichnungsweisen spricht. Dass es sich bei jenem Ausdruck nicht um eine triviale Identitätsaussage handelt, welche die Identität eines Dinges mit sich selbst behauptet, sondern durchaus einen Erkenntnisgewinn erzeugen kann, ist für Frege unbestritten. „a = a“ gilt für Frege a priori und im Sinne Kants als analytisch, der Ausdruck „a = b“ hingegen kann unsere Erkenntnisse auf wertvolle Weise erweitern (vgl. Frege 2011b: 143). Um das Problem informativer Identitätssätze zu lösen, bedient sich Frege nun seines neu eingeführten Begriffs des Sinnes als die Art und Weise des Gegebenseins eines Gegenstandes, welcher zwar sowohl die Bedeutung von „a“ als auch „b“ bildet, allerdings auf unterschiedliche Weise gegeben. Frege betont hier explizit, dass die Verschiedenheit der Zeichen „a“ und „b“ nur durch diese unterschiedliche Art des Gegebenseins des Gegenstandes, welcher durch „a“ und „b“ bezeichnet wird, zu erklären ist. Veranschaulicht wird der Punkt durch das Beispiel dreier Geraden a, b und c, welche die Ecken eines Dreieckes mit dem Mittelpunkt der jeweils gegenüberliegen Seiten verbinden. Der Schnittpunkt der Geraden a und b entspricht dabei dem Schnittpunkt der Geraden b und c. Somit haben wir verschiedene Bezeichnungen für ein und denselben Punkt, was sich dadurch erklären lässt, dass uns der Schnittpunkt auf unterschiedliche Weise gegeben ist. Auch in „Der Gedanke“ verwendet Frege die Bezeichnung des Gegebenseins, diesmal im Kontext der uns bereits bekannten Person Dr. Lauben. Er bemerkt: „Demnach kommt es bei einem Eigennamen darauf an, wie der, die oder das durch ihn Bezeichnete gegeben ist. Das kann in verschiedener Weise geschehen, und jeder solchen Weise entspricht ein besonderer Sinn eines Satzes, der den Eigennamen enthält.“ (Frege 1993: 39). Es sei hier nochmals daran erinnert, dass die Bezeichnung „Art und Weise des Gegebenseins“ im Fall von Eigennamen insofern irreführend erscheinen kann, als dass das Gegebensein nicht die Richtung vom Zeichen über den Sinn zur Bedeutung nimmt, sondern, ausgehend von der Bedeutung hin zur Weise, wie uns der Gegenstand gegeben ist und somit zu seinen Sinnbestimmungen. Das erinnert zunächst sogar eher an einen externalistischen Ansatz. Auf diese

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4 Identität und natürliche Artbegriffe

Schwierigkeit im Zusammenhang von Eigennamen haben wir bereits hingewiesen. Entscheidend ist hier allerdings, dass es primär nicht um den Gegenstand und seine Beschaffenheit geht, sondern darum, ob ein sprachliches Zeichen (im besten Falle genau) einen Sinn ausdrückt und eine Bedeutung bezeichnet bzw. bedeutet und nicht bloß eine willkürliche Verbindung von Buchstaben oder Wörtern darstellt (vgl. Frege 2011c: 147). Daher verwendet Frege an anderer Stelle auch das viel treffendere Bild der verschiedenen Wege hin zur Bedeutung.Veranschaulichen möchte er uns diesen Ausdruck anhand von Zahlen: So bezeichnen etwa die Ausdrücke „2“ und „1+1“ dieselbe Zahl, die 2. Die verschiedenen Zahlzeichen erklären sich dabei über die verschiedenen Wege, über die wir zur entsprechenden Zahl gelangt sind: Verschiedene Zeichen für dieselbe Sache sind unvermeidlich, weil man auf verschiedenen Wegen auf sie hingeführt werden kann und es dann erst festgestellt werden muss, dass man wirklich dasselbe erreicht hat […] „4“, „22“, „(‐2)2“ sind nur verschiedene Zeichen für dasselbe, deren Verschiedenheit nur die verschiedenen Wege andeutet, auf denen man diese selbe Sache erreichen kann. (Frege [1891/1892] 1969a: 95)¹⁵

Eine entsprechende Formulierung finden wir dann wieder in einem Brief an Russell von 1902. Frege schreibt: „Es kommt oft vor, dass verschiedene Zeichen denselben Gegenstand bezeichnen und doch nicht unbedingt vertauschbar sind, indem sie denselben Gegenstand in verschiedener Weise bestimmen. Man könnte sagen: sie führen von verschiedenen Seiten auf ihn hin.“ (Frege 1976e: 234). Nun könnten wir auch Freges Beispiel der verschiedenen Sinne des Schnittpunkts der Geraden als ein Bild zur Verdeutlichung des unterschiedlichen Weges hin zur Bedeutung verstehen, indem wir einerseits zunächst die Geraden a und b einzeichnen oder andererseits erst die Geraden b und c. Gleiches gilt für ein weiteres anschauliches Beispiel, welches Frege in einem Brief an Jourdain formuliert: Hier spricht er von den verschiedenen Weisen, wie ein Gegenstand bestimmt werden kann. Frege schreibt: Nehmen wir an, ein Forschungsreisender sähe in einem unerforschten Lande am nördlichen Horizonte einen hohen Schneeberg. Durch Nachfrage bei den Eingeborenen erfährt er den Namen „Afla“. Er bestimmt durch Anvisieren von verschiedenen Punkten möglichst genau seinen Ort, trägt ihn in eine Karte ein und schreibt in sein Tagebuch „der Alfa ist mindestens 5000 Meter hoch.[„]. Ein andrer Forscher sieht am südlichen Horizonte einen hohen Schneeberg und erfährt, dass er Ateb heisse. Er trägt ihn in seine Karte mit diesem Namen ein. Später ergibt sich durch Vergleichung, dass beide Forscher denselben Berg gesehen haben. Nun ist der

15 Werner Sauer hat diesbezüglich angemerkt, dass Frege hier zwar noch nicht explizit vom Sinn spricht, es sich aber hier eindeutig um Freges Sinnbegriff handeln muss. Daher wurde der Text vermutlich vor „Über Sinn und Bedeutung“ verfasst. Ich verdanke Werner Sauer nicht nur diesen Hinweis und die damit verbundenen Stellen, sondern mein grundlegendes Verständnis Freges, welches sich in unseren unzähligen gemeinsamen Diskussionen herausgebildet hat.

4.3 Identität und wissenschaftliche Erkenntnis

275

Inhalt des Satzes „Der Ateb ist der Afla“ keines wegs [sic] ein blosser Ausfluss des Identitätsprinzips, sondern enthält eine wertvolle geographische Erkenntnis[.] Was in dem Satze „Der Ateb ist der Afla“ ausgesprochen wird, ist durchaus nicht dasselbe wie der Inhalt des Satzes „Der Ateb ist der Ateb“ […]. Ein Gegenstand kann in verschiedener Weise bestimmt werden und jede dieser Bestimmungsweisen kann zu einem besonderen Namen Veranlassung geben und diese verschiedenen Namen haben dann verschiedenen Sinn; denn dass es derselbe Gegenstand ist, der auf verschiedene Weise bestimmt wird, ist nicht selbstverständlich. (Frege 1976d: 128)

Genau das gleiche Argument ließe sich auch auf die Beziehung der Ausdrücke „Morgenstern“ und „Abendstern“ anwenden, dass sie zwar dieselbe Bedeutung haben, die Venus, allerdings einen anderen Sinn, da der Morgenstern und der Abendstern auf verschiedene Weise gegeben sind. So sei abschließend auf eine Bemerkung aus „Funktion und Begriff“ hingewiesen. Frege schreibt: Wenn wir sagen „der Abendstern ist ein Planet, dessen Umlaufszeit kleiner ist als die der Erde“, so haben wir einen anderen Gedanken ausgedrückt als in dem Satze „der Morgenstern ist ein Planet, dessen Umlaufszeit kleiner ist als die der Erde“; denn, wer nicht weiß, daß der Morgenstern der Abendstern ist, könnte den einen für wahr, den andern für falsch halten; und doch muß die Bedeutung beider Sätze dieselbe sein, weil nur die Wörter „Abendstern“ und „Morgenstern“ miteinander vertauscht sind, welche dieselbe Bedeutung haben, d. h. Eigennamen desselben Himmelskörpers sind. Man muss Sinn und Bedeutung unterscheiden. (Frege 2011a: 132)

Nun diskutiert auch Kripke die Identitätsaussage „Hesperus = Phosphorus“ ausführlich in der zweiten und dritten Vorlesung von Naming and Necessity. Allerdings bedient er sich nicht des Sinnbegriffs, sondern lehnt vielmehr die Gleichsetzung einer singulären Kennzeichnung mit der Bedeutung eines sprachlichen Ausdruckes ab. Und wie wir gesehen haben, verneint er ebenfalls die Auffassung, dass wir mittels einer singulären Kennzeichnung auf einen Gegenstand referieren, der diese Kennzeichnung als einzige erfüllt. Allerdings bedient Kripke sich hier, wie in allen anderen Fällen dennoch zunächst einer singulären Kennzeichnung, um Bezug zu nehmen auf Phosphorus als „that star over there in the morning“ bzw. „Hesperus“ als „that star over there in the evening“ (Kripke 1981: 102). Und nun folgt wiederum Kripkes berühmte Figur: Angenommen, Hesperus ist tatsächlich Phosphorus, und nun überlegen wir uns eine Situation, in welcher Hesperus nicht identisch wäre mit Phosphorus. Ein für Kripke ganz einfacher Fall, so könnte etwa jemand vorbeispazieren und einfach zwei verschiedene Sterne „Hesperus“ und „Phosphorus“ benennen. Allerdings, so Kripke, wären das keine Bedingungen, unter welchen Hesperus nicht identisch mit Phosphorus wäre (vgl. Kripke 1981: 102). Ich denke, hier hat Kripke Recht. Allerdings scheint mir das keine kontrafaktische Welt zu sein, in der der Morgenstern nicht identisch mit dem Abendstern wäre, sondern

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4 Identität und natürliche Artbegriffe

lediglich ein Fall, in welcher eine Person einen Fehler macht, indem sie irrtümlicherweise ein und dasselbe Ding mit zwei verschiedenen Namen bezeichnet, ganz in Analogie zu Putnams ignoranten Einwanderern. Und nicht umsonst wählt Kripke hier das Beispiel einer Person, welche die Ausdrücke „Hesperus“ und „Phosphorus“ verwendet. Sollten Morgenstern und Abendstern identisch sein, dann können wir uns gerade keine mögliche Welt vorstellen, in welcher das nicht gilt, da wir uns dann vorstellen müssten, ein bestimmtes individuelles Ding, hier die Venus, sei von sich selbst verschieden. Hier sind demnach wiederum sämtliche Täuschungsszenarien ausgeschlossen, da wir bereits in der Grundannahme voraussetzen, dass es sich um eine Identität handelt: „Supposing that Hesperus is Phosphorus“ (Kripke 1981: 102). Wir können uns natürlich vorstellen, dass dort oben gar keine Sterne sind, sondern nur atmosphärisch erzeugte visuelle Erscheinungen von Himmelskörpern, oder einen mächtigen Täuschergott, der jeden Abend und Morgen die Sterne austauscht etc. Aber angenommen, all das sei nicht der Fall und der Morgenstern ist der Abendstern, dann können wir uns nicht mehr vorstellen, dass es sich möglicherweise anders verhielte, weil wir uns dann vorstellen müssten, dass ein Körper nicht mit sich selbst identisch wäre. Und das ist nicht psychologisch, sondern logisch ausgeschlossen. Im Fall von Hesperus und Phosphorus können wir immerhin verstehen, dass wissenschaftliche Untersuchungen ergeben haben, dass es sich bei dem Stern, der uns am Morgen gegeben ist, um denselben Stern handelt, wie um jenen, der uns am Abend gegeben ist, ganz entsprechend Freges Beispiel von „Afla“ und „Ateb“. Im Kontext theoretischer Identitätssätze hingegen, wie „Hitze = Bewegung von Molekülen“ ist das nicht so ohne Weiteres klar. Was wir tatsächlich wissenschaftlich erforschen können, ist eine konstante Korrelation zwischen dem Auftreten eines Hitzephänomens und erhöhter molekularer Bewegung. Was allerdings bedeutet es zu behaupten, die Wissenschaft habe herausgefunden, dass Hitze tatsächlich identisch sei mit Bewegungen von Molekülen? Das scheint keineswegs ein Beispiel, in welchem ein und derselbe Gegenstand auf verschiedene Weise gegeben ist. Ich erkenne unter Anwendung physikalischer Messinstrumente und -methoden bei Hitze gleichzeitig eine verstärkte Molekularbewegung. Inwiefern ist das aber die Erkenntnis einer Identitätsrelation? Lässt sich diese Identität wissenschaftlich beobachten? Kann man wissenschaftlich herausfinden, dass zwei Vorkommnisse, Hitze und Molekularbewegung tatsächlich nur eines sind? Und könnte die Wissenschaft herausfinden, dass es sich tatsächlich nicht um eine Identitätsrelation handelt? Wie sähe eine solche Untersuchung aus? Hier stoßen wir schlicht an die Grenze des Verständlichen, ohne dass das vielleicht auf den ersten Blick zu erkennen war. Darum schien mir die Abgrenzung zum Beispiel der Venus oder des Ateb wichtig. Hier haben wir unterschiedliche Weisen des Gegebenseins, unter Umständen auch für unterschiedliche Personen, wie im Fall der beiden Forscher,

4.4 Kripkes Marsianer. Variationen eines Themas

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was man von einer zeitgleichen Korrelation, welche in einer physikalischen Untersuchung entdeckt wurde, allerdings nicht sagen kann. Wir könnten lediglich argumentieren, dass uns das Phänomen Hitze auf zwei Arten gegeben sein kann, zum einen dadurch, dass wir sie empfinden, zum anderen dadurch, dass wir sie auf ihre molekularen Bewegungen hin untersuchen. Das hieße allerdings nur, dass das, was wir als heiß empfinden, eine erhöhte Molekularbewegung aufweist und nicht, dass Hitze identisch ist mit dieser festgestellten erhöhten Bewegung. Wir würden daher eher vermuten, die Identitätsrelation bestünde zwischen dem Phänomen, welches in uns bestimmte Empfindungen hervorruft und erhöhter molekularer Bewegung. Wir würden dann feststellen, dass immer, wenn menschliche Lebewesen Hitze ausgesetzt sind, sie die exakten Reaktionen zeigen, wie wenn sie verstärkter Molekularbewegung ausgesetzt sind. Aber diese menschlichen Empfindungen bzw. Reaktionen dürfen im Beispiel Kripkes gerade keine Rolle spielen.

4.4 Kripkes Marsianer. Variationen eines Themas Rekapitulieren wir zunächst nochmals die Entstehung des Identitätssatzes „Hitze = Bewegung von Molekülen“, wie Kripke sie uns präsentiert: Ursprünglich identifizieren wir zunächst Hitze als ein Referenzobjekt, insofern es bestimmte Empfindungen verursacht, die wir „Hitzeempfindungen“ nennen. Dieser Referent ist nicht nur für die faktische, sondern alle möglichen Welten fixiert. Die Fixierung erfolgt dabei auf Grundlage der rein kontingenten Bestimmung, dass Hitze in uns Hitzeempfindungen erzeugt. Schließlich hat die Wissenschaft entdeckt, dass das Hitzephänomen tatsächlich nichts anderes als molekulare Bewegung ist. Und diese Identifizierung liefert uns nun eine essentielle Eigenschaft von Hitze. Die ursprüngliche Eigenschaft, mittels derer wir das Hitzephänomen identifiziert und als Referenzobjekt fixiert haben, ist hingegen rein kontingent. Denn es könnte sein, dass Hitze auch dann existiert, wenn wir aufgrund unterschiedlicher neuronaler Strukturen nicht in der Lage wären, die Außenhitze auch als heiß zu empfinden (vgl. Kripke 1981: 132 – 133). Wenn wir daher auf Hitze referieren, beziehen wir uns nicht auf eine innere Empfindung, sondern auf ein externes Phänomen, dass wir durch unseren Empfindungssinn („sense of feeling“; Kripke 1981: 129) wahrnehmen. Und dieses Phänomen verursacht eine charakteristische Empfindung in uns, die wir als „sensation of heat“ (Kripke 1981: 129) bezeichnen. Wir sehen hier, dass Kripke eine Unterscheidung zieht zwischen externer Hitze, welche sich in einem bestimmten Raum ausbreitet oder zu einem bestimmten Zeitpunkt Eigenschaft eines Gegenstandes bildet, etwa wenn ich Eisen in ein Feuer halte oder Wasser zum Kochen bringe, und einer Art innerer Hitzeempfindung, die wir als menschliche Wesen wahrnehmen. Malcolm unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen

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4 Identität und natürliche Artbegriffe

„feeling heat“ und „feeling hot“. „Feeling heat“ findet Anwendung in jenen Fällen, in welchen wir einen heißen Stein berühren, über heißen Sand spazieren oder ein heißes Bad nehmen. Dieses Hitzephänomen besteht unabhängig davon, ob irgendwelche Menschen es aktual auch wahrnehmen. In diesem Sinne ist das Objekt der Perzeption extern zur Perzeption selbst. Im Fall des „feeling hot“ hingegen würden wir sagen, dass das, was ich fühle, intern zu meiner Empfindung steht, das heißt, diese Hitze existiert nicht unabhängig davon, dass mir heiß ist (vgl. auch Malcolm 1980: 49). Kripke geht es offensichtlich ausschließlich um das externe Phänomen, welches notwendigerweise identisch ist mit molekularer Bewegung, unabhängig davon, ob das externe Vorkommnis von Hitze dazu führt, dass ich mich auch erhitzt fühle, wenn ich ihm ausgesetzt bin. Es wäre sogar denkbar, dass mir in einer heißen Umgebung tatsächlich kalt wäre, wie das Beispiel der Marsianer verdeutlichen soll. Kripke schreibt: Imagine right now the world invaded by a number of Martians, who do indeed get the very sensation that we call ‘sensation of heat’ when they feel some ice which has slow molecular motion, and who do not get a sensation of heat – in fact, may be just the reverse – when they put their hand near a fire which causes a lot of molecular agitation. Would we say, “Ah, this casts some doubt on heat being the motion of molecules, because there are these other people who don’t get the same sensation?” Obviously not, and no one would think so. We would say instead that the Martians somehow feel the very sensation we get when we feel heat, when they feel cold and that they do not get a sensation of heat when they feel heat (Kripke 1971: 160).

Dieses ungewöhnliche Gedankenexperiment besticht vor allem durch Kripkes Überzeugung, dass wir keineswegs die physikalische Bestimmung von Hitze infrage stellen würden, sondern stattdessen die Empfindungen oder die Empfindungsfähigkeit der Marsianer. Diese haben demnach dieselbe „innere“ Empfindung von Hitze wie wir, wenn wir Hitze als externem Phänomen ausgesetzt sind, wenn sie sich in einer kalten Umgebung befinden. Wenn sie hingegen einer heißen Umgebung ausgesetzt sind oder einen heißen Gegenstand berühren, erleben sie keine Hitzeempfindungen. Dieser letzte Punkt wäre zunächst relativ harmlos, da wir uns zahlreiche Fälle vorstellen können, in welchen wir keine unmittelbare Hitze spüren, sondern vielmehr Schmerzen, wenn wir mit einem sehr heißen Gegenstand in Berührung kommen. Auch wenn wir an sehr kalten Tagen unsere gefrorenen Hände unter heißes Wasser halten, empfinden wir das Wasser nicht unbedingt als heiß, entsprechend, wenn wir uns unmittelbar nach Verlassen der Sauna eiskalt duschen. Auch im Fall von Fieberschüben können wir in einem beheizten Zimmer starke Kälteempfindungen verspüren, zum Beispiel bei Schüttelfrost bzw. Wechselfieber (Malaria).

4.4 Kripkes Marsianer. Variationen eines Themas

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Ein ähnliches Beispiel findet sich interessanterweise wiederum bei Locke im Kontext seiner Unterscheidung in primäre, sekundäre und tertiäre Qualitäten. Zur Verdeutlichung seiner Auffassung, dass es sich bei Hitze und Wärme gerade nicht um primäre Eigenschaften eines Körpers handelt, sondern vielmehr um Wirkungen auf den menschlichen Körper, die ein Gegenstand wie heißes Wasser aufgrund seiner primären Qualitäten in uns verursacht, bemerkt er: […] we may be able to give an Account how the same Water, at the same time, may produce the Idea of Cold by one Hand and of Heat by the other: Whereas it is impossible that the same Water, if those Ideas were really in it, should at the same time be both Hot and Cold. For, if we imagine Warmth, as it is in our Hands, to be nothing but a certain sort and degree of Motion in the minute Particles of our Nerves or animal Spirits, we may understand how, it is possible that the same Water may, at the same time, produce the Sensations of Heat in one Hand and Cold in the other; […]. But if the Sensation of Heat and Cold be nothing but the increase or diminution of the motion of the minute Parts of our Bodies, caused by the Corpuscles of any other Body, it is easie [sic!] to be understood, That if that motion be greater in one Hand than in the other; if a Body be applied to the two Hands, which has in its minute Particles a greater motion than in those of one of the Hands, and a less than in those of the other, it will increase the motion of the one Hand and lessen it in the other; and so cause the different Sensations of Heat and Cold that depend thereon. (Locke 2011: II, viii, 21; 139)

Ausgehend von der Auffassung, Locke sei ein philosophischer Gegner Kripkes, sind die Parallelen zu Kripkes Marsianer hier geradezu frappierend. Und das gilt, wie wir bereits gesehen haben, nicht nur für diesen Fall. Man könnte demnach die beiden Hände Lockes mit den Erdlingen bzw. Marsianern in Kripkes Gedankenexperiment gleichsetzen. Besonders interessant ist dabei Lockes Erklärung der abweichenden Temperaturempfindungen in beiden Händen aufgrund unterschiedlicher Bewegungen in den feinsten Partikeln unserer Nerven oder „Lebensgeister“, welche zu unterschiedlichen Hitze- und Kälteempfindungen führen. In diesem Sinne ist Locke einer physikalistischen Erklärung viel näher als man vielleicht vermutet hätte, verwendet er doch fast denselben Wortlaut wie Kripke, nur mit dem Unterschied, dass er die Bewegungen der Moleküle auch auf das wahrnehmende Subjekt überträgt, in diesem Fall die „Lebensgeister“ und Nerven einer menschlichen Person. Allerdings sind die Ausgangslage und Zielsetzung beider doch sehr konträr. Kripke verwendet die Hitzeempfindung lediglich als Ausgangspunkt der Referenzfixierung des Ausdruckes „Hitze“, um diese dann nach Entdeckung einer theoretischen Identität als bedeutungsirrelevant zu verwerfen. Bei Locke hingegen bilden die Ideen des menschlichen Bewusstseins die Basis für die Semantik sprachlicher Ausdrücke, und seine Unterscheidung in primäre und sekundäre Qualitäten soll gerade zeigen, dass wir nicht, wie Kripke, von einem externen physikalischen Phänomen der Hitze oder Kälte sprechen dürfen, da es sich hierbei lediglich um

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4 Identität und natürliche Artbegriffe

Wirkungen handelt, die ein externes Objekt durch das Zusammenspiel seiner primären Qualitäten, zu denen Hitze, Wärme, Kälte etc. gerade nicht zählen, in uns bewirkt. Diese Art von Beispielen, in welchen ein heißer Gegenstand in uns also keine Hitzeempfindungen auslöst bzw. Lockes Exemplifikation des Falles, dass wir in unseren beiden Händen unter Umständen sowohl eine Kalt- als auch eine Warmempfindung verspüren, können keine Beispiele sein, welche Kripke im Sinn hat. Zunächst versucht Kripke, mögliche skeptische Einwände gegen seine Auffassung der notwendigen Identität zwischen Hitze und molekularer Bewegung als falsch auszuweisen. GegnerInnen könnten etwa einwenden, dass wir uns nur einen Kontext überlegen müssen, in welchem wir eine Hitzeempfindung verspüren, die nicht durch Bewegung von Molekülen verursacht würde. Hier meint Kripke offensichtlich eine innere Hitzeempfindung, die durch etwas verursacht ist, das nicht in molekularer Bewegung besteht. Andererseits könnten wir uns gegen Kripke ein Szenario vorstellen, in welchem wir zwar der Bewegung von Molekülen ausgesetzt sind, allerdings ohne dabei ein inneres Gefühl von Hitze zu verspüren: And it might also have happened that we, or at least, the creatures inhabiting this planet, might have been so constituted that, let us say, an increase in the motion of molecules did not give us this sensation but that, on the contrary, a slowing down of the molecules did give us the very same sensation. This would be a situation, so it might be thought, in which heat would not be the motion of molecules, or more precisely, in which temperature would not be mean molecular kinetic energy. But I think it would not be so. (Kripke 1971: 158 −159)

Dass diese beiden Gegenszenarien keine echten skeptischen Einwände gegen Kripkes Auffassung sind, soll gerade der zweite Fall veranschaulichen, den er selbst wählt, um ihn als falsch auszuweisen: In „Identity and Necessity“ skizziert er das Gedankenexperiment noch wie folgt: Gehen wir zunächst von unserer aktualen Welt aus. Nun würden Marsianer in diese unsere Welt einfallen. Sie besitzen die physiologische Eigenheit, gerade dann Empfindungen zu verspüren, die wir „Empfindungen von Hitze“ nennen, wenn sie einen Eisblock berühren, welcher nur über eine geringe molekulare Bewegung verfügt, und die andererseits im Kontext externer Hitze keine oder entgegengesetzte Empfindungen von Kälte erleben, wenn sie sich beispielsweise Feuer nähern, das eine hohe molekulare Bewegung aufweist. Wäre das ein skeptischer Einwand gegen Kripkes Auffassung der physikalischen Identität, mit der Begründung, da die Marsianer keine inneren Hitzeempfindungen verspüren, wenn sie externer Hitze ausgesetzt werden? „Obviously not, and no one would think so. We would say instead that the Martians somehow feel the very sensation we get when we feel heat when they feel cold and that they do not get a sensation of heat when they feel heat.“

4.4 Kripkes Marsianer. Variationen eines Themas

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(Kripke 1971: 159) Außer, dass Kripke davon überzeugt ist, es handle sich um keinen echten skeptischen Einwand, liefert er uns kein Argument, warum wir tatsächlich sagen würden, die Marsianer verspürten gegensätzliche Empfindungen, wenn sie wie wir Hitze bzw. Kälte ausgesetzt sind. Können wir denn mit den Marsianern kommunizieren, sprechen sie Deutsch oder Englisch? Würden wir Erdlinge zu jenem Urteil kommen aufgrund der Verhaltensweisen, die die Marsianer in den entsprechenden Situationen zeigen? Würden sie sich in einer Weise verhalten, die uns dazu veranlasst zu sagen, sie verhielten sich unseren Gewohnheiten gegenüber diametral? Oder kämen wir zu solch einem Urteil auch dann, wenn sie sich in einer Weise benähmen, die mit unseren Verhaltensweisen in Situationen der Hitze oder Kälte überhaupt nicht kompatibel wären? Etwa, dass sie sich einmal links herum, das andere Mal rechts herum um ihre eigene Körperachse drehten, oder bei Hitze auf einem Bein stünden, bei Kälte mit den Ohren wackelten und wäre dabei auch eine Regelmäßigkeit zu erkennen? Auf welcher Grundlage kämen wir dann zu dem Urteil über ihre inneren Empfindungen von Hitze und Kälte? Da Kripke uns darüber leider nichts sagt, können wir uns durchaus eine entsprechende Situation vorstellen und sehen, zu welchen Ergebnissen sie führt. Bevor wir das abschließend tun, betrachten wir nochmals genauer Kripkes eingeschlagenen Weg. Wie bereits mehrfach betont, ist es besonders auffällig, wie er den Bereich der Kommunikation oder des nonverbalen Verhaltens für seine Auffassung notwendiger theoretischer Identitäten völlig ausblendet, was sich dadurch erklärt, dass es ihm tatsächlich gerade nicht um die sprachliche Verwendung entsprechender Ausdrücke geht, sondern vielmehr um naturgesetzmäßige Zusammenhänge. Zumindest in einer Fußnote fragt Kripke, ob die Invasion der Marsianer ein Fall einer möglichen Welt wäre oder tatsächlich unserer aktualen zugeschrieben werden müsse, und trifft dabei eine Unterscheidung, welche die Sprache betrifft, nämlich wie wir in einer Situation sprechen würden, falls sie einträfe und wie wir tatsächlich über eine kontrafaktische Welt sprechen, „i. e. the distinction between a language we would have used in a situation and the language we do use to describe it. (Consider the description: ‘Suppose we all spoke German.’ This description is in English.)“ (Kripke 1971: 159, Fn 16). Auch in Naming and Necessity findet sich eine ähnliche Stelle im Zusammenhang des rigiden Designators. Kripkes Auffassung, dass ein referentieller Ausdruck in allen möglichen Welten starr ist und denselben Gegenstand denotiert, meint dabei nichts anderes, als dass er in der Verwendungsweise unserer Sprache diesen Gegenstand vertritt, das heißt, wenn wir in unserer Sprache über ihn reden. Das schließt natürlich nicht aus, dass SprachteilnehmerInnen einer kontrafaktischen Welt eine andere als die unsrige Sprache verwenden (vgl. Kripke 1981: 77). Diesen Punkt haben wir bereits ausführlich im Fall des blauen Goldes thematisiert. Hier

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zeichnet sich also wieder Kripkes Ausgangspunkt unserer faktischen Welt ab, mit der uns faktisch gegebenen Sprache und ihrer Anwendung in kontrafaktischen Situationen. In gewisser Hinsicht macht Kripke an dieser Stelle eigentlich einen trivialen Punkt, da unsere Betrachtungsweise kontrafaktischer Welten naheliegender Weise auf der von uns verwendeten Sprache basiert. Wenn er dazu jedoch erläuternd bemerkt, wir könnten nicht behaupten, die Aussage „zwei plus zwei gleich vier“ sei deshalb kontingent, da es denkbar wäre, in einer anderen Sprache bedeute jener komplexe Ausdruck, sieben sei eine gerade Zahl, zeigt sich wiederum seine eigentliche Präferenz objektbezogener Notwendigkeiten in allen möglichen Welten gegenüber sprachlichen Verwendungsweisen. Denn zunächst würden wir gar nicht verstehen, was es heißen soll, „zwei plus zwei gleich vier“ bedeute „sieben ist eine gerade Zahl“, da hier wiederum unsere Sprache mit unseren Verwendungsweisen der Ausdrücke „sieben“, „gerade“ und „Zahl“ zugrunde liegt und der anderen Welt scheinbar ebenfalls eine Art Arithmetik unterstellt wird. Zudem enthalten beide Zeichenkomplexe Ausdrücke, die nicht referentieller Natur sind, wie etwa „plus“. Im ersten Fall handelt es sich um die Regel der Addition, im zweiten Fall um eine Bestimmung der Zahl sieben, welche darüber hinaus unserer zugrundeliegenden Definition natürlicher Zahlen widerspricht. Insofern ist an diesem Beispiel zunächst nicht zu sehen, in welchem Sinn im zweiten Fall eine andere Sprache verwendet werden würde. Denn es liegt hier weder ein interlingualer Kontext vor, wie im Fall von Englisch und Deutsch, noch eine Art privater Sprache, wie wir sie von Bichsels altem Mann kennen und welche sich jederzeit in die uns gebräuchlichen Verwendungsweisen rückübersetzen ließe. Darüber hinaus ist der sehr viel interessantere Fall der, in welchem die kontrafaktische Welt keine (oder eine andere) Arithmetik verwendet. Wir könnten dann nicht erklären, warum sie überhaupt über Zahlausdrücke verfüge und „sieben“ ein starrer Bezeichnungsausdruck sein solle. Denn im Fall fehlender arithmetischer Systeme ließe sich das Vorhandensein von Zahlausdrücken nicht über die Existenz natürlicher Zahlen als Gegenstände, auf die wir mittels jener Zahlzeichen Bezug nehmen, rechtfertigen. Insofern kann Kripke mit „a different language“ auch nicht meinen, dass sie zwar die gleichen Ausdrücke enthalte, diese aber andere Referenzobjekte bezeichne und insofern eine differente Sprache wäre, die seinem Konzept des rigiden Designators widerspräche. Denn die Sprache bzw. die Bedeutung sprachlicher Zeichen lebt wesentlich von ihrer Anwendung und ist kein in sich abgeschlossener Kalkül, dem wir willkürlich Referenzobjekte zuschreiben können. Insofern sieht Kripke auch hier nicht, dass der Aspekt der Notwendigkeit zwischen einem Zeichen und seiner Anwendung besteht und nicht zwischen ihm und seinem Referenzobjekt. Auch im Zusammenhang der deutschen und englischen Sprache macht Kripke den gleichen Punkt: „Similarly, when we speak of a counterfactual situation, we

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speak of it in English, even if it is part of the description of that counterfactual situation that we were all speaking German in that counterfactual situation.“ (Kripke 1981: 77). Dennoch scheint mir das ein gänzlich anderer Fall zu sein wie der, in welchem die Summe von zwei und zwei gleichbedeutend sein soll mit der Bestimmung der Zahl sieben als gerade. In der englischen Metasprache kann ich problemlos die deutsche Objektsprache zugrunde legen und mir vorstellen, in einer möglichen Welt in einer Sprache zu kommunizieren, die nicht unserer Muttersprache entspricht. Im Beispiel von „sieben ist eine gerade Zahl“ kommuniziere ich hingegen in der gleichen Sprache und verstehe genau deshalb nicht den inneren Zusammenhang zwischen einer Additionsregel und der Bestimmung einer natürlichen Zahl als gerade. Insofern ist nicht klar, was wir uns genau vorstellen sollen, wenn der erste Ausdruck in der zweiten Weise verwendet würde. Kripkes Formulierung „we were all speaking“ soll aber gerade die Situation betonen, dass wir in einer kontrafaktischen Welt kommunizieren. Und wenn wir diese Welt beschreiben, dann tun wir das in unserer Sprache mittels unserer Verwendungen und unserer referentiellen Bezüge der Zeichen (vgl. Kripke 1981: 77). Allerdings ist nicht zu erkennen, wie wir dann noch sinnvoll von einer Beschreibung der kontrafaktischen Welt reden könnten. Und selbst wenn wir in einer möglichen Welt üblicherweise jene Additionsregel verwendeten, um eine interne Zahleigenschaft zu explizieren, wäre die Summe der beiden Zahlen zwei nach Kripke dennoch notwendigerweise vier. Die Notwendigkeit ließe sich dann jedoch nicht mehr additionssystemintern beweisen wie im Rahmen unserer Arithmetik, und es wäre nicht mehr zu erkennen, in welcher semantischen Beziehung beide komplexen Ausdrücke noch stünden. Mit anderen Worten wüssten wir nicht, was es hieße, eine andere Welt mit unseren Verwendungsweisen und Referenzen auf diese Weise zu beschreiben, aus der nicht einmal hervorgeht, ob überhaupt eine bestimmte Arithmetik zugrunde liegt, weicht doch zumindest die Bestimmung der Zahl 7 als gerade von der uns vertrauten ab. Es ist zudem verwunderlich, dass Kripke zur Plausibilisierung dieses Punktes ein mathematisches System verwendet, wird doch gerade hier die Schwierigkeit offensichtlich, dass sich Zeichen, Axiome, Prinzipien, Regeln etc. nicht unmittelbar durch die Realität rechtfertigen lassen (sehen wir von einer Frege’schen Auffassung von Zahlen als Gegenstände ab). Das ermöglicht alternative Systeme, wie wir es etwa von euklidischen und nicht-euklidischen geometrischen Systemen kennen. Auch den Fall potenzieller Nichtexistenz nimmt Kripke in diesem Kontext nochmals kurz auf und versucht die Rigidität von Designatoren auch in solchen Fällen zu rechtfertigen, um die Annahme notwendiger Existenz zu vermeiden. „I also don’t mean to imply that the thing designated exists in all possible worlds just that the name refers rigidly to that thing.“ (Kripke 1981: 78). Wenn ich also sage, „angenommen, Gödel hätte nie existiert“, referiert der Name „Gödel“ noch immer

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starr auf etwas, das in der kontrafaktisch beschriebenen Welt nicht existiert (vgl. Kripke 1981: 78). Diese Auffassung erinnert zunächst sehr an die Frege-RussellKontroverse über die Frage der Behauptung bzw. Voraussetzung der Existenz von durch Eigennamen bezeichneten Gegenständen. Bei Russell wäre ein Satz, der jenen Namen enthielte, falsch, da die Kennzeichnung des Namensträgers auf niemanden zuträfe, bei Frege sogar wahrheitswertlos. Und wenn wir von einer zu unserer faktischen Welt echten Alternative ausgehen, dann haben die bisherigen Untersuchungen ebenfalls gezeigt, dass wir nicht erklären könnten, warum in einer Welt, in der jene Person nicht existiert, dennoch die entsprechende sprachliche Bezeichnung existieren sollte. Denn hier handelt es sich nicht um einen Fall, bei dem wir fälschlicherweise davon ausgingen, jemand habe existiert und es sich im Nachhinein herausstellte, dass das nicht der Fall war, wie etwa in Kripkes kontrafaktischem Beispiel Gödels, in welchem er nicht der eigentliche Urheber des Unvollständigkeitsbeweises war, sondern lediglich in den Besitz des Manuskriptes seines Freundes Schmidt gelangte (vgl. Kripke 1981: 83 – 92). In Situationen der Nichtexistenz verhält es sich vielmehr so, dass wir das Vorhandensein des Zeichens gar nicht rechtfertigen könnten, es sei denn, durch die Bezeichnung eines anderen Dinges, das in keinem Zusammenhang zur ursprünglichen Referenz stünde. Hierin wird also eine der Grundschwächen externalistischer Semantiken sichtbar, dass der Ausgangspunkt vom Objekt hin zum Bezeichnungsausdruck mittels eines Taufaktes und entgegen der These, die Intension bestimme die Extension, letzteren ohne die Existenz des ersteren nicht erklären kann. In dieser Konzeption finden negative Existenzsätze also keinen Platz. Aber zurück zum Experiment. Zumindest Kripkes Terminologie des Eindringens in unsere Welt scheint zu suggerieren, dass es sich ganz analog zur Putnam’schen Twin Earth um einen Planeten handelt, von dem aus die Marsianer unsere Erde überfallen, also gerade keine kontrafaktische Situation. Daher leitet Kripke das Experiment auch zunächst mit der Bemerkung ein: „First, let us think about it in the actual world. Imagine right now the world invaded by a number of Martians […]“ (Kripke 1971: 159). Der Herkunftsplanet wäre dann kein zu unserer wirklichen Welt kontrafaktischer und die Sprache der Marsianer keine, die mit dem Begriff des „rigid designators“ vereinbar wäre, da im Fall starrer Designatoren die aktuale Welt und ihre sprachlichen Ausdrücke gerade die Ausgangslage für alternative Szenarien möglicher Welten bilden, hier des Heimatplaneten der Marsianer. Ob Kripke selbst diese Unterscheidung aufrechterhält, da er, wie gerade gesehen, in allen anderen bisher diskutierten Beispielen, stets die englische Sprache (oder deutsche Sprache) zugrunde legt und darauf aufbauend erörtert, wie sich kontrafaktische Situationen gestalten könnten bzw. beschreiben ließen, unter der Voraussetzung und auf der Basis unserer Terminologie in der aktualen Welt, ist daher fraglich. Dieser Aspekt erklärt vielleicht auch die Zuspitzung seines Gedankenex-

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perimentes, indem Kripke keine Marsianer auf unserer aktualen Welt einfallen lässt, sondern die spezielle sensitive Konstellation der Marsianer sogar als Teil unserer Evolutionsgeschichte beschreibt, indem er annimmt, die Erde wäre von Anbeginn an von solchen Kreaturen bevölkert gewesen. Hier wäre dann tatsächlich die Situation einer kontrafaktischen Welt gegeben. Hätte es ursprünglich keine Lebewesen gegeben, aber etwa großflächige Brände, wäre nach Kripke dennoch Hitze vorhanden gewesen, wenn auch ohne irgendwelche entsprechenden Hitzeempfindungen. Diesen Punkt haben wir bereits in zahlreichen seiner Argumente gefunden. Die Frage, warum wir in diesem Szenario dennoch davon ausgehen dürfen, das Wort „Hitze“ existiere, beantwortet uns Kripke hier wie in allen seinen anderen Beispielen nicht. Es scheint daher vielmehr so zu sein, dass es diesen Begriff dann schlicht nicht gäbe, unabhängig davon, ob wir ihn verstehen als „das Phänomen, das in uns Hitzeempfindungen verursacht“ oder „Bewegung von Molekülen“, denn es fehlt der zugrundeliegende Identifikationsritus. Das heißt, wir hätten es hier wieder nicht mit einer Intension zu tun, die unsere Sprache als Grundlage für die Konstruktion möglicher Alternativwelten voraussetzt. Hier wäre jede kontrafaktische Welt der aktualen gleichgestellt. Im Fall einer Invasion eines fremden Volkes auf unsere Erde hätten wir zumindest eine Sprache, nämlich die unsrige, in welcher wir eine solche denkbare Situation durchspielen könnten. Wenn wir hingegen annehmen, jene Kreaturen entstehen und entwickeln sich im Laufe der Zeit auf unserem Planeten, dann ist die Situation mit Bezug auf Sprache eine andere. Dennoch können wir uns nach Kripke sehr wohl vorstellen, diese Lebewesen hätten ganz ähnlich den Marsianern unseren Empfindungen gegenüber völlig diametrale. Das führt nach seiner Auffassung jedoch keineswegs zu der Konsequenz, dass wir behaupten müssten, alles Kalte hätte sich nun in Hitze verwandelt und vice versa: „No, I think we should describe this situation as a situation in which, though the creatures on this planet got our sensations of heat, they did not get it, when they were exposed to heat. They got it when they were exposed to cold. And that is something that we can surely well imagine“ (Kripke 1971: 159). Die Frage ist hier allerdings weniger, ob wir uns so etwas mit Bezug auf die Existenz von Hitzeund Kältephänomenen vorstellen können, sondern vielmehr, inwieweit dieses Beispiel zeigen kann, dass die Bedeutung des Wortes „Hitze“ im Extremfall ausschließlich mit physikalischen Erkenntnissen und daraus resultierenden semantischen Bestimmungen verknüpft ist und in keiner Weise mit unseren Erfahrungen. Damit das Beispiel der Marsianer tatsächlich auch ein relevantes Experiment für die Frage nach der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke sein kann, sollten wir davon ausgehen, die Marsianer verfügten ebenfalls über eine Sprache, welche die Ausdrücke „Hitze“ und „Kälte“ enthalten. Nehmen wir daher der Einfachheit halber an, sie sprächen Deutsch.

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Wir können dann zunächst die Frage stellen, wie die Genese des Wortes „Hitze“ und „Kälte“ bei den Marsianern zustande kam, unter der Annahme, sie sprächen unsere Sprache und alle anderen Bedingungen unserer aktualen Welt wären dieselben, abgesehen von der Verkehrung der inneren Empfindungen von Kälte und Wärme. Legen wir dem Kripkes eigene Auffassung zugrunde, machen sich die Marsianer zunächst auf die Suche nach einem externen Phänomen, welches in ihnen Hitzeempfindungen auslöst und fixieren in Folge Kälte als Referenzobjekt für den Ausdruck „das Phänomen, welches in uns Hitze auslöst.“ Gleiches gilt für den Ausdruck „Hitze“ als Phänomen, welches in ihnen Kälteempfindungen bewirkt. Da wir von Kripke nichts über die Verhaltensweisen der Marsianer erfahren, müssen wir zumindest davon ausgehen, dass sie sich in entsprechenden Situationen genau gleich wie wir verhalten und nicht, wie bereits angedeutet, ganz absonderliche Verhaltensweisen aufweisen, etwa sich im Kreis zu drehen oder mit den Ohren zu wackeln. Wenn wir hingegen andere Verhaltensweisen unterstellten, welche nichts mit unseren üblichen Verhaltensweisen in Situationen entsprechender klimatischer Bedingungen zu tun hätten, dann wäre nicht mehr zu rechtfertigen, wie wir überhaupt davon sprechen könnten, sie hätten irgendwelche Empfindungen, die in Verbindung mit Kälte oder Wärme stünden. Wir müssen daher annehmen, dass auch die Marsianer sich warme Sachen anziehen, wenn ihnen kalt ist, ihre Hände reiben oder versuchen, sich schnell zu bewegen. Gleiches gilt für den Fall innerer Empfindungen von Hitze, unabhängig davon, ob das externe Phänomen, welche diese Hitzewallungen auslöst, ein Phänomen mit sehr geringer molekularer Bewegung ist. Nun findet die Wissenschaft heraus, dass das, was in ihnen Hitzeempfindungen verursacht, über geringe molekulare Bewegung verfügt und das Phänomen, welches sie zittern lässt, entsprechend hohe molekulare Aktivität aufweist. Denkt man Kripkes Überlegungen weiter, hieße dies nun nicht, dass „Hitze“ für die Marsianer „geringe molekulare Bewegung“ bedeute und entsprechendes für Kälte? Und dass Hitze das Phänomen ist, welches uns veranlasst, nach Kleidung zu suchen? Nehmen wir weiter an, eine Gruppe Marsianer betrete eine Großraumsauna und käme mit uns Erdlingen ins Gespräch. Wie sähe eine solche Situation aus? Vielleicht verließen sie sofort die Sauna und kehrten mit mehreren Eisblöcken zurück, da sie eine extreme innere Kälte verspürten. Grundsätzlich würden sie wohl versuchen, Maßnahmen zu ergreifen, welche die Wirkungen des externen Phänomens auf ihren Körper minderten, sollten sie mit entsprechenden Praktiken vertraut sein. Wenn sie den Begriff der Kälte, wie oben beschrieben, zunächst dadurch erwerben, dass sie das Phänomen identifizieren, welches in ihnen entsprechende Empfindungen verursacht, das heißt externe Hitze, wie in unserem konkreten Fall, dann würde ihr Verhalten zeigen, dass sie das Wort „Kälte“ ganz analog unserer Verwendungsweise gebrauchten und sich auch verhielten wie wir, wenn wir Kälte

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empfinden, etwa ihren Körper abzudecken oder mit mehr Bekleidung zu schützen. Und wenn wir sie fragten, warum sie sich in dieser Situation so verhielten, gäben sie uns wohl zur Antwort, ihnen sei immens kalt. Vielleicht kämen wir weiter ins Gespräch und wunderten uns, warum die Marsianer ihren Urlaub am liebsten auf der Insel Grönland verbringen, da es dort nach ihrem Empfinden so herrlich warm sei, sich die Sommer in Österreich hingegen oftmals extrem kalt anfühlten. Auf diese Weise würden wir recht schnell erkennen, dass die physiologische Konstellation der Marsianer unserer, zumindest im Fall äußerer Kälte und Wärme, diametral entgegensteht. Diese Entdeckung wäre sicher für weitere physiologische, neuronale und andere medizinische oder biologische Untersuchungen und Fragen interessant, etwa warum die Marsianer eine Gänsehaut bekommen, wenn sie extremer Hitze ausgesetzt sind, oder stark zu schwitzen beginnen, wenn sie sich im Schnee wälzen etc. Vielleicht würden wir auch sagen, dass die Marsianer immer dann von Kälte sprechen, wenn wir das Wort „Hitze“ verwenden, und umgekehrt. Würde das etwas an der Bedeutung und Verwendung der Wörter „Hitze“ und „Kälte“ ändern? Oder würde es im Sinne Kripkes stattdessen zeigen, dass sowohl wir als auch die Marsianer schlicht falsch liegen in der Annahme, jene Ausdrücke hätten etwas mit unserer potenziellen Erfahrbarkeit der entsprechenden Phänomene zu tun? „Hitze“ würde demnach weder „das, was in uns Hitzeempfindungen auslöst“ bedeuten, noch „das, was in uns Kälteempfindungen auslöst“. Wie wollen wir dann allerdings die Entstehung des Hitzebegriffs erklären und seine übliche Verwendungsweise rechtfertigen? Und warum sollte die völlige Abkoppelung des Begriffs von möglichen menschlichen oder marsianischen Erfahrungen zeigen, dass die eigentliche Bedeutung des Wortes „Hitze“ „molekulare Bewegung“ sei? Kripkes Beispiel ließe sich weiter variieren, indem wir etwa stipulieren, die Marsianer seien aufgrund ihrer körperlichen und sinnestechnisch viel ausgereifteren Konstellation in der Lage, tatsächlich Moleküle und ihre Bewegungen unmittelbar wahrzunehmen, da sie über mikroskopische Augen verfügten. In diesem Sinne könnte man dann die Bestimmung „Hitze = Bewegung von Molekülen“ als eine auf „sinnlicher“ Wahrnehmung beruhende Identifikation auffassen und die Bedeutung des Ausdrucks „Hitze“ wäre genau auf diese Wahrnehmung zurückzuführen. In solch einem Fall hätte die von Kripke präferierte Identität allerdings den gleichen Stellenwert wie jede auf Erfahrung fußende Fixierung, beispielsweise dass Hitze ein Phänomen sei, welches bei den Marsianern bestimmte Wahrnehmungserlebnisse verursache. Dann wäre die Wahrnehmung der Molekülbewegungen Teil der Intension des Begriffs „Hitze“ und würde die Wahrheitsbedingungen dafür angeben, dass das Wort „Hitze“ Hitze bedeutet (und nicht etwa „Bewegung von Molekülen“). Diese intensionale Bestimmung wäre dann allerdings ebenso irrtumsanfällig wie alle von Kripke gegebenen Beispiele, welche sich auf bestimmte Wahnehmungsirrtümer beziehen. Auf die Frage der Erdlinge, warum sich die

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Marsianer so verhielten, wie sie es tun, das heißt, verstärkt bemüht seien, in einer Situation ausgesprochener Hitze ihren Körper zu wärmen, wäre die Antwort, im Gegensatz zu obiger Situation, weil sie eine vermehrte Molekülbewegung wahrnähmen. Sie hätten also die nach Kripke eigentliche Bedeutung des Ausdrucks „Hitze“ richtig erfasst. Allerdings basiert die Genese des Ausdruckes ganz analog zum menschlichen Fall darauf, dass die Marsianer zunächst ein Referenzobjekt bestimmen, welches in ihnen Empfindungen der Kälte auslöst und bestimmte visuelle Erlebnisse der Bewegung von Molekülen. Das wären jedoch zwei gleichwertige, auf Erfahrung und nicht auf physikalischen Erkenntnissen beruhende Prädikationen des Wortes „Hitze“ bzw. Eigenschaften des Hitzephänomens. Für die Marsianer würde dann die Bestimmung gelten, dass die visuelle Wahrnehmung einer erhöhten Molekülbewegung einhergeht mit einem inneren Gefühl von Kälte. Wir könnten auch sagen, das Phänomen externer Hitze sei auf zwei verschiedene Arten gegeben, einmal als visuelle Wahrnehmung von Molekülbewegungen, das andere Mal über eine innere Empfindung von Kälte. Beide Wahrnehmungen wären dann wieder gleichwertig möglichen Wahrnehmungsirrtümern ausgesetzt. Und was die Bedeutung des Wortes „Hitze“ betrifft, können wir dann auch nicht mehr von einem starren Designator sprechen, da ja beide Fixierungen nicht irrtumsresistent sind. Unabhängig davon wäre es auch in diesem Fall sehr eigentümlich, anzunehmen, die Marisaner hätten ursprünglich einen Eindruck verstärkter Molekülbewegung und würden sich nun auf die Suche nach dem Phänomen begeben, welches zu solchen visuellen Erlebnissen führt, um es zunächst als Referenzobjekt festzulegen. Daneben wäre auch die Denkoption auszuschließen, dass es verstärkte Molekülbewegungen geben könnte ohne ein koexistentes externes Phänomen von Hitze. Außerdem würde die Suche nach dem Referenzobjekt dann auch die für die Marsianer geltende Tatsache einschließen, dass es in ihnen eine Kälteempfindung auslöst. Oder wäre hier bereits die Bedeutung unmittelbar erfasst und die Fixierung eines Referenzobjekts dadurch hinfällig? In Kripke findet sich dazu nach meiner Kenntnis kein Argument, man könnte es also lediglich behaupten. Dadurch wäre die Tür für mögliche Erfahrungen der eigentlichen, physikalischen Bedeutung allerdings bereits geöffnet. Kripkes Weg von der ursprünglichen Identifizierung eines Referenzobjektes über bestimmte innere Empfindungen hin zur eigentlichen Bedeutung in der Begrifflichkeit molekularer Bewegung würde im Experiment seiner Marsianer ebenfalls fehlschlagen, da sie zu der physikalisch irrtümlichen Überzeugung gelangten, Hitze bedeute geringe molekulare Bewegung. Hieße das nicht im Umkehrschluss, unsere Auffassung sei die richtige? Und folgt daraus nicht, dass unsere menschlichen Empfindungen sehr wohl eine Rolle spielen für die Gewinnung eines sprachlichen Ausdrucks und seiner Bedeutung durch die ursprüngliche Fixierung

4.4 Kripkes Marsianer. Variationen eines Themas

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des Referenten? Und ist es nicht Kripke selbst, der mit seiner Referenzbestimmung bei den inneren Empfindungen ansetzt, um sie nach der eigentlichen Erkenntnis der Bedeutung der hier diskutierten Ausdrücke als für diesen Prozess völlig irrelevant zu entlassen? Die Diskussion dieses Gedankenexperimentes soll exemplarisch verstanden werden für alle anderen Beispiele Kripkes im Zusammenhang natürlicher Artbegriffe und theoretischer Identitäten. Denn ihnen allen fehlt der Aspekt menschlicher Kommunikation, verbaler und nonverbaler Art. Einfach zu behaupten, es verhielte sich so, wie Kripke es stipuliert, bzw. das Gedankenexperiment schlicht so zu konzipieren, dass es den eigenen philosophischen Thesen entspricht, ohne es als Experiment auch konsequent durchzuspielen, ist hier wie in allen anderen Beispielen noch kein philosophisches Argument zur Verdeutlichung einer falschen philosophischen Auffassung wie hier des semantischen Internalismus.

Schlussbemerkung Die für diese Untersuchungen ausgewählten Gedankenexperimente dienten dem Zweck, den internen Zusammenhang zwischen Sprache, Bewusstsein und extramentaler Umgebung genauer zu veranschaulichen, da sie mir in vielerlei Hinsicht geeigneter scheinen als streng philosophietheoretische Analysen. Die Darstellung dieser Verknüpfung sollte dadurch gelingen, dass ich den Aspekt sprachlicher Verwendungsweisen in den Vordergrund gestellt habe, der bei fast allen der hier diskutierten Experimente keine zentrale Rolle spielt. Durch die strikte Konzentration auf wesentliche Aspekte des menschlichen Bewusstseins einerseits bzw. natürliche Arten und deren essentiellen Eigenschaften andererseits, unter Ausblendung unseres Sprachgebrauchs, entsteht leicht die Gefahr, die jeweiligen philosophischen Positionen gegeneinander auszuspielen, statt vielmehr ihren internen Zusammenhang zu erkennen. Das sollten die Diskussionen von Experimenten im Kontext spezifisch internalistischer und externalistischer Positionen bzw. physikalistischer und dualistischer Auffassungen verdeutlichen. Die Vernachlässigung der Frage nach der Verwendungsweise sprachlicher Zeichen ist dabei mit Schwierigkeiten verknüpft, die sich für beide Lager in gleicher Weise stellen, denken wir etwa an die Unausprechlichkeitsthese in den Fällen subjektiver Qualitäten von Erfahrungen und physikalischer Reduktionen mentaler Phänomene. Fassen wir die Wissenschaft nicht als ein Substitut zur Common-SenseAuffassung auf, dann dienen physikalische Kenntnisse als Erweiterung intensionaler Bestimmungen sprachlicher Ausdrücke und erzeugen keine semantischen Alternativen. Die Palette der hier vorgestellten Experimente ließe sich wohl beliebig erweitern, die Quintessenz ihrer Analysen scheint jedoch in allen Fällen die gleiche zu sein: Sprache und ihre Verwendung lassen sich in den beschriebenen Beispielen weder seitens des Bewusstseins noch seitens extramentaler Referenzobjekte in einer Weise abkoppeln, die sie für die Fragen der Semantik unbrauchbar macht, um daraus für die eine oder andere philosophische Position Überzeugungskraft zu gewinnen. Genau in diesem Sinne befindet sich Bedeutung weder innerhalb noch außerhalb des Kopfes. Denn sie ist nicht einmal ein Gegenstand, weder öffentlicher noch privater Natur, der den Gebrauch sprachlicher Ausdrücke rechtfertigen könnte. Sie zeigt sich vielmehr in der Fähigkeit, sprachliche Zeichen zu verstehen und auf unsere Erfahrungen und die uns umgebende Welt anzuwenden. Beide bilden gleichsam den lebensweltlichen Hintergrund, in dem Sprache eingebettet ist und dadurch entsteht ein Organismus, welcher nur durch das Zusammenspiel aller drei Komplexe genährt werden kann. Insofern ist es wesentlich, auch Sprache als etwas Lebendiges zu betrachten. In seiner Diskushttps://doi.org/10.1515/9783111241555-012

Schlussbemerkung

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sion mit Alfred Ayer über die Möglichkeit einer privaten Sprache schließt Rhees mit den Worten, die sich auch auf VertreterInnen einer externalistischen Semantik anwenden lassen: „Language is something that is spoken.“ (Rhees 1970: 70)

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300

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Personenregister Absher, Brandon 31 Alexander der Große 79, 227 Aristoteles 13, 79 f., 94, 176, 223, 227 f., 230 Armstrong, Louis 4 Arndt, Hans Werner 89 Austin, John 6, 126, 191 Ayer, Alfred 8, 91, 186 f., 291 Beethoven, Ludwig van 192, 196 Berkeley, George 13, 17, 20–22, 42, 104, 115, 163 f., 180 f. Bichsel, Peter 154 f., 157, 282 Bird, Alexander 265 Block, Ned 3, 5, 192 Bolzano, Bernard 89 Brentano, Franz 116 Burge, Tyler 71, 107 f., 119 f., 127 Butler, Joseph 266 Carnap, Rudolf 33 f., 39, 42 f., 45 f., 77, 128, 136, 225 Chalmers, David 167, 193, 264 Clark, Andy 167 Conee, Earl 34 Crick, Francis 182 f., 249 Crusoe, Robinson 149 Davidson, Donald 54, 107–109, 116, 118, 120– 127, 129, 160, 167 f., 173, 177, 197 Dennett, Daniel 2, 4, 121 Descartes, René 13, 20–22, 36, 101, 115 Donnellan, Keith 138, 240 Dummett, Michael 57 f., 81, 93, 98, 107, 116 Eddington, Arthur S. 249 Elisabeth II. 176, 227, 245 Fish, William 167 Fodor, Jerry 14, 19, 36, 128 Frege, Gottlob 10, 37, 39–43, 45 f., 50, 70 f., 77, 79, 85, 89, 102, 109, 111–115, 117, 129–132, 134–136, 139–141, 144–146, 153, 156, 181,

https://doi.org/10.1515/9783111241555-014

184, 221 f., 227 f., 231, 236, 265 f., 273–276, 283 f. Glock, Hans-Johann 101, 128 Gödel, Kurt 227, 283 f. Hacker, Peter 85, 165, 169, 183, 208, 214, 235 f., 238 f. Harbisson, Neil 213 Heidegger, Martin 176 Hertzberg, Lars 216 Homer 232, 266 Hume, David 13–20, 28, 42, 57, 101, 107, 192, 204, 212, 216 Husserl, Edmund 42, 134 Jackson, Frank 34, 202–208, 211 f., 214 f. Jessell, Thomas 182 Jourdain, Philip 114, 274 Kandel, Eric 182 f., 249 Kant, Immanuel 100, 248–250, 273 Kaplan, David 141–143 Kepler, Johannes 112 f. Kripke, Saul 2, 5, 10, 31, 56, 58, 67, 77–80, 84, 101, 105, 110, 113, 119, 131 f., 136–138, 141– 143, 152, 158–160, 166, 171 f., 175–177, 183, 187, 191, 218, 221–238, 240–266, 268–273, 275–289 Lauben, Gustav 227, 273 Lenz, Martin 100 f., 103–105 Lewis, David 223, 225 f. Locke, John 1, 5, 7, 9, 13, 17, 19–21, 23 f., 26 f., 42–44, 50, 56 f., 85, 89–105, 117, 119, 138, 161–166, 168, 174, 178, 182 f., 186, 192, 199, 208 f., 211 f., 214, 217, 228, 248–250, 255, 263, 279 f. Malcolm, Norman 24, 126, 128, 198 f., 214 f., 241, 243–245, 270, 272, 277 Merkel, Angela 223

302

Personenregister

Mill, John Stuart 132, 152, 227–230 Moses 227, 230 Nagasawa, Yujin 202 Nagel, Ernest 272 Nagel, Thomas 28 f., 193–197, 200–203, 210 f., 214–216 Newton, Isaac 91, 165 Nixon, Richard 224–227 Noren, Stephen 210 Odysseus

112, 266

Pears, David 19 Pils, Raimund 210 Platon 13, 39, 44 f., 79, 227, 235, 237 Proust, Marcel 214 Putnam, Hilary 1, 4 f., 9 f., 13 f., 17 f., 20–25, 28– 69, 71–85, 89 f., 92 f., 97 f., 100–102, 105– 108, 110, 113, 117–120, 124 f., 127–133, 135– 137, 139–143, 145–163, 165–170, 172–175, 178–181, 183, 187–191, 193, 197, 214, 217 f., 221 f., 224 f., 247–250, 255–258, 260 f., 263 f., 269–271, 276, 284 Pythagoras 45 Quine, Willard Van Orman

210

Reid, Thomas 228 Rhees, Rush 83, 116, 234, 243, 291 Robinson, Howard 212 Rock, Irvin 183, 186, 249 Romulus 111, 148 Russell, Bertrand 20, 32–35, 58, 85, 108–114, 119, 131, 148 f., 173, 180–187, 192, 207, 209 f.,

214–216, 228 f., 231–233, 240, 249, 262, 265–268, 274, 284 Ryle, Gilbert 18, 29 f., 45 Sachse, Leo 112 Sauer, Werner 111, 176, 274 Schellenberg, Susanna 53, 83 Schwartz, James 182 Searle, John 52, 71 f., 79, 85, 106, 127–133, 136– 139, 143 f., 147–153, 155–157, 169 f., 210 Shoemaker, Sydney 5, 27 Smith, David A. 130 Snowdon, Paul 35 Stoljar, Daniel 202 Strawson, Peter 79, 83, 116 Stroud, Barry 14, 19 Szanto, Thomas 36, 130 Tobin, Emma

265

Waismann, Friedrich 206, 218 Watson, James 182 Weiß, Martin G. 176 Wells, Herbert George 205 Werfer, Joseph 213 Wilkins, Maurice 182 Wittgenstein, Ludwig 3, 5, 8–10, 22, 24–27, 30 f., 48–50, 55, 59–61, 67 f., 76, 79 f., 105, 111, 117, 120, 126 f., 144 f., 149, 152–154, 156, 174, 181, 184, 191 f., 195, 215, 217, 231–237, 241 f., 246 f., 256 Wurst, Conchita 148 Ziff, Paul

230

Sachregister Abbildrelation 9 Abstraktionsprozess 89, 97, 99 Ähnlichkeitsrelation (similarity relation) 17, 42, 78 f., 84 f., 98 Allergie 73, 76, 178 – Aluminiumallergie 63 – X-Allergie 175, 178, 258 Aluminium/Molybdän 25, 29, 51, 59–66, 68–76, 84, 132, 157, 178, 217, 256 Äquivokation 74, 181 Art des Gegebenseins 139, 228, 273 Artbegriff 43, 50, 78 f., 89, 93 f., 99, 132, 236, 250, 259, 264, 271, 289 Ausdruck 14, 16, 28, 34, 46, 49 f., 54 f., 62 f., 67– 69, 72 f., 78, 80, 83 f., 104 f., 112, 114, 116, 120, 141 f., 144, 152 f., 173, 177, 189, 193, 195, 199, 207, 238, 242, 254, 256, 260, 268 – Bedeutung 2, 4, 20, 25, 28, 32, 37 f., 41, 46– 48, 55 f., 58, 60, 62, 64, 69, 71–74, 76 f., 79 f., 82–85, 89, 92, 99 f., 105, 107, 114, 120 f., 126, 131–133, 147, 149, 151–153, 155, 173, 188, 225, 235, 243, 247, 254, 258, 261, 266 f., 275, 287 f. – bedeutungsloser 15, 113, 169, 188, 255 – Definition 100, 229, 238 – Extension 36, 48, 51, 66, 77, 82 f. – Extensionsverschiedenheit 37 – hinweisender 151 – indexikalischer 79, 120, 139–143 – Intension 4, 47 f., 50, 56, 76, 82, 119, 138, 187, 290 – komplexer 48 f., 282 f. – Mehrdeutigkeit, Vieldeutigkeit 75, 112 – quasi-indexikalischer 58, 139 – referentieller 31, 53, 62, 83, 116, 148 f., 151, 153, 156, 222, 250, 281 – Referenz 7, 110, 115, 245, 261, 269 f., 273, 279, 289 – singulärer 112 – Sinn 77, 79 – Sinnhaftigkeit 16, 240 – Umfang 41 – Verstehen eines Ausdrucks 13, 38, 44 f., 192 https://doi.org/10.1515/9783111241555-015

– Verwendung/Gebrauch 15, 18 f., 24, 26, 45, 56, 63, 65, 74, 80 f., 84, 96, 103 f., 120, 122 f., 146, 152 f., 156, 174, 193, 239, 242, 254 f., 268 – Zahlausdruck 141 Bewusstsein – als „privates Theater“ 4, 13 f., 19 f., 22, 28 f., 41, 47, 51, 191 – Bewusstseinszustand 9, 22, 32, 35, 44, 49, 106, 125, 166, 195 – Im Kopf 30 – Privatheit 31, 191 Bewusstseinsinhalt – Ontologischer Status 24 – Privatheit 24, 27, 117 Bezugnahme 6, 22, 24, 63, 65, 107, 110 f., 113, 118, 120, 156 f., 209, 227 – fehlerhafte 65 – partiell falsche 72 Bezugsobjekt 7, 51, 53, 59, 62, 67, 73 f., 79 f., 83, 107, 126, 131, 151, 192, 262, 264, 266, 269 – extramentales 1 f., 7, 9, 13, 49, 168, 192 – falsches 62, 116 – mentales 192 – Ontologischer Status 156 – privates 102 – subjektives 7 – Von sprachlichen Zeichen 31 Blerde 262 f., 266 Blindheit 26 f., 183, 186, 199 f., 205, 212, 215, 262 f., 266–268 – Blindgeboren 15, 185 f., 200, 216, 266, 268 – Farbenblindheit 25, 144–146, 204 f. – Gemeinschaft blinder Personen 205 Boyle-Charles-Gesetz 272 De dicto, de re 53, 108, 130 Definition 49, 68, 100, 198, 228 f., 234–238, 242, 244–247, 263, 266, 282 – Definitorische Bestimmung 40, 54, 77, 105, 119, 143, 241 – Definitorische Merkmale 52, 98 – Inner ostensive definition 101

304

Sachregister

– logische 228 – Nominaldefinition 93, 99 f. – ostensive, hinweisende 49, 84 f., 100, 138, 143, 230, 232, 236, 240 f., 246 Denkbarkeit 27, 67, 81 Denotation 78, 110, 132, 137, 160, 227 DoppengängerIn 125, 139–142, 160–162, 167 – Doppelgängerkriterium 178 Eigenname 39, 70, 79, 83, 110–113, 120, 132, 139 f., 148, 153, 156, 222, 226–229, 232, 236, 273–275, 284 – logischer 108, 110 f., 229, 266 – Mill’scher 152 – nicht-logischer 229 – Russell’scher 233 Eigenschaftszuschreibung 100, 184, 245 Einbildungskraft (imagination) 15, 18, 21, 36, 39, 45, 98, 103, 204 Einheitsstab 230, 232–236, 239 Enaktivismus (enactivism) 30 Engelsträne 188, 190, 258 Epiphänomenalismus 211 Erfahrungsraum 211, 258 Erfahrungswelt 10, 58, 180, 186 f. Erinnerung 30, 197 – Erinnerungsfähigkeit 125 – Erinnerungsleistung 125 – Erinnerungsspeicher 124 – Erinnerungsvorrat 125 Erlebnisausdruck, Erlebnisbegriff 217 Erscheinung 23, 33, 57, 180, 182, 184 – äußere 57 – Erscheinungsweise 184, 186 – visuelle 53, 276 Erste Person 116 f., 128, 143, 157, 198, 200, 209, 217 – Autorität der Ersten Person 109, 120 Essentialismus 94 Essenz 175 – nominale 85 – reale 85, 104 f., 250 Existenzsatz – negativer 110, 284 – singulärer 112

Expertin, Experte 53–56, 59–63, 65 f., 70, 73, 76, 81 f., 93, 97, 103, 131, 133, 147–149, 152, 155, 157, 171, 187, 190, 217, 253, 269 – ExpertInnenmeinung 62, 64 – ExpertInnenwissen 55 Externalismus 115 – Davidson’scher 125 – Embedded externalism 31 – Externalistische Bedeutungstheorie 9, 157, 221 – Kripkes Externalismus 257 – Putnams Externalismus 191 – semantischer 2, 9 f., 51, 62, 101, 128, 191 – sozialer 101, 103, 107 Faktum 58, 69, 72, 76, 133, 156, 169, 200 – empirisches 160 – neues 207 – phänomenologisches 197 – unzugängliches 200 Farbe 16, 20, 26, 33, 57, 59, 61, 85, 92, 96, 98, 145, 163 f., 170, 173, 181 f., 184, 192, 199, 203–205, 207 f., 211–218, 232–234, 237, 242, 249–251 – Farbausdruck, Farbbegriff, Farbbezeichnung, Farbwort 5, 16, 144–146, 200, 204, 207, 213, 215, 217, 234, 236, 242 – Farbeigenschaft 40, 146, 186, 250, 252, 257 – Farbeigenschaft als Wellenbewegung 186 – Farbeigenschaft eines Gegenstands 40 – Farbeindruck 22, 144 f., 215 f. – Farbempfindung 144 f. – Farberfahrung 211, 217 – Farberlebnis 146, 186, 200, 203, 205, 211, 213, 217 f. – Farberscheinung 146 – Farbidee 23, 26, 92, 98, 167, 208, 211 – Farbinversion, Farbwandel 23, 25, 35, 251 – Farbkenntnis 206, 212 – Farbmuster 24, 85, 207, 213, 231–234 – Farbskala 213 f. – Farbtabelle 24 – Farbton 186, 204 f. – Farbunterscheidung 5 f., 23, 203 – Farbwahrnehmung 5, 166, 186, 203, 206, 212 f., 216, 218 – Identifizieren einer Farbe 24

Sachregister

– Privatheit 24, 26, 126, 144 Fehlanwendung von Worten und Begriffen 157 Fehlreferenz 56, 108, 229 – generelle 61 – partielle 61, 67, 71, 75 – permanente 58, 61 f., 72, 74, 133, 189 – potenzielle 66 Fehlschluss 210 Fledermausexperiment 201–203 Fremdpsychisches 20, 28, 33

72,

Gegenexperiment 36, 169, 178 f. Gegenstand 5, 9, 16, 19, 23, 27, 33, 39, 42, 49, 52–54, 58, 61, 70, 72, 76, 80, 83, 85, 92–94, 98 f., 103, 105–111, 113, 115, 118 f., 126, 129, 131, 142, 153, 167, 169, 174, 178, 181 f., 184, 186 f., 192, 195, 207, 209, 215, 217, 221–225, 227, 232–234, 236, 238 f., 241 f., 245–248, 250 f., 259 f., 263 f., 266, 269, 273 f., 276, 278–280, 282–284 – abstrakter 245 – als Teil von Propositionen 109, 113, 118 – bewusstseinsunabhängiger, extramentaler, externer 7–10, 13, 19 f., 25, 29, 37, 39, 43, 50 f., 65, 102, 107, 113, 115 f., 121, 131, 156, 161, 164 f., 167, 178 f., 249 – Eigenschaften 4, 29, 51, 98 f., 112, 164 f., 167, 182, 223, 234, 236, 238 f., 243–245, 247, 249, 277 – Farbe 85, 92, 146, 212 f., 251 – farbiger 5, 204, 210, 213, 215, 217 f. – fiktiver 107 – Gegenstandsbeschreibung 225, 233 – Gegenstandsbestimmung 111 – Gegenstandsbezug 113 f., 146 – Gegenstandsvorstellung 39 – gesättigt 236 – Identifizierung 224, 240 – identischer Gegenstand 5, 23, 222, 281 – innerer 7 f., 22, 35, 55, 116, 126 – intentionaler 37 – künstlicher 167 – materieller 6, 163, 168, 181 – mentaler 19 – nicht-existierender 107, 116 f. – ontologische Beschaffenheit 107

305

– physikalischer 55, 98, 184 – privater 9, 22, 103, 126 – Qualität 43, 165 f., 209 – Räumliche Anordnung 185 – realer 100 Gegenstück (counterpart) 223, 225 f. Gehirn 66, 124–126, 184, 210 f., 218 – Gehirnvorgang 66, 218 – Gehirnzustand 65 f., 69–71, 124, 197, 218 Gestalt (Eigenschaft) 21, 57, 91 f., 96, 164 f., 182, 263 Gleichheitsrelation (sameness relation) 79, 84 f., 98, 138 f., 147 Gold/Falschgold (Narrengold, Katzengold) 29, 54–59, 66, 72, 75, 89 f., 92, 94–97, 100, 115, 119, 132, 161, 217, 248–257, 259, 261 f. – Farbe 137, 171, 221 f., 248, 250–252, 256, 281 H2O/XYZ 10, 32, 51, 58, 61, 66, 71, 76–78, 80– 82, 84 f., 107, 119, 127, 131, 136–138, 158 f., 161 f., 165, 167–171, 173 f., 178, 187, 189 f., 258, 261, 264 f. Haussperling/Weidensperling 63 f., 69, 157 Hesperus/Phosphorus 222, 232, 263–265, 275 f. Hitze- und Kälteempfindung 16, 258–261, 268– 271, 277–281, 285–288 Idee

1, 5, 7, 14–24, 26, 28, 30, 35, 41, 54, 57, 91–93, 95–97, 99–105, 110, 116, 163, 165, 167, 181 f., 193, 199, 204, 208, 211, 216, 279 – abstrakte 17, 42 f., 50, 89 f., 92–94, 96 f., 99, 104 – distinkte 5, 43 – einfache 57, 90 f., 95, 98, 102, 263 – Einzelidee 50 – generelle 17 – Ideenbegriff 19 – komplexe 56, 89 f., 92–100 – korrespondierende 15 – partikulare 17, 107 – philosophische 123, 125 – platonische 44 – positive 211 – Privatheit 9, 17, 42 – Sprachliche Ausdrücke als Zeichen von Ideen 7, 9, 89 f., 99, 103, 255 – Theory of Ideas 19

306

Sachregister

– Unterscheidung Idee und Qualität 91 – Ursprung von Ideen 208 – Verknüpfung mit Ausdrücken 1, 14, 18 f., 44, 90, 92 f., 96, 100 f., 103 f., 193, 279 – wahrgenommene 21 – Wissen 44 Identität 14, 56, 67, 134, 175, 221, 245 f., 254, 259, 263, 272 f., 276, 287 – Identität als Relation 38, 235 f., 248, 259, 261, 272, 276 f. – Identitätsaussage, Identitätssatz 70, 136, 159, 232, 236 f., 258 f., 263–265, 272 f., 275, 277 – Identitätsbedingung 224 – Identitätsbegriff 257 – Identitätskriterium 225 – Identitätsprinzip 177, 265, 275 – Identitätsstiftende Eigenschaft 246 – Intensionsidentität 136 – notwendige 266, 280 – personale 14 – physikalische 280 – qualitative 37 – Satz der Identität 201 – theoretische, theoretischer Identitätssätze 58, 159, 166, 218, 246, 259 f., 265, 276, 279, 281, 289 Idiolekt 132, 136, 139 Immaterialismus 163 Impression 14–16, 20, 192, 199, 216, 270 Indexikalität 77–80, 120, 137, 140, 142–144, 250 – Indexical type/token 141, 143 – Indexikalische Definition 144, 147 – Quasi-Indexikalität 255, 264 Innere Struktur 3, 5, 10, 31, 119, 138, 160, 163, 165, 171 f., 174–177, 187, 189 f., 250 f., 258 Intensionsverschiedenheit 36 f. Internalismus 10, 140, 191 – Internalismus/Externalismus-Debatte 6 – Internalismuskritik 13, 20, 36, 47, 66, 102, 130, 146, 163 – semantischer 47, 129, 289 Introspektion 20, 101 Intuition 2 f., 81, 136 f., 159 f., 196, 238 – Intuition pump 2 f., 121 – Knowledge intuition 202 f. Irrtum 72, 116, 233, 253

Jadeit/Nephrit

137, 172, 189

Kausalität 44, 90, 93, 122, 124, 127 – Historisch-kausal 121 – Kausale Abhängigkeit 50 – Kausale Geschichte 123–127, 177 – Kausale Kraft 2, 92, 161, 163, 166, 177, 187 – Kausale Verantwortlichkeit 21, 43, 90 – Kausales Wirken 22 Kennzeichnung 40, 76, 79, 131, 152, 168, 173 f., 227 f., 230 f., 239 f., 260, 262, 275, 284 – Kennzeichnungstheorie 131 – singuläre 110–112, 226, 228 f., 239, 259 f., 265, 275 Klary (Superwissenschaftlerin) 213–215 Knowing how, knowing that 18, 32, 51, 170, 192, 207 Knowledge by acquaintance, knowledge by description 32–35, 108, 185, 187, 207, 215 f. Kolonisten 63–65, 69, 73, 75, 133 Kontingenz 98, 159, 233, 244, 246, 269 f., 273, 277, 282 – Kontingente Eigenschaft 260 – Kontingente Identitätsaussage 235 f., 243, 260 – Kontingente Tatsache 199, 243, 259 – Kontingente Wahrheit 221, 235, 246, 259, 272 Konzeptualismus 13, 17, 19, 44, 104 Kraft 49 f., 91 f., 164–166, 169, 177, 179, 263 – referentielle 83, 131 – sekundäre 178 – tertiäre 168 f., 177 f., 209 Lebensform 191, 241 Lebenswelt 8, 171, 247 Licht 23, 110, 132, 166, 182–184, 199, 237, 261– 263, 266, 268 – Als Wellenbewegung 183 f., 268 – Aus Photonen 10, 56, 259 Linguistische Arbeitsteilung (linguistic division of labor) 55–57, 93, 133, 149, 156, 214 Mais 175 f. Marsianer 221, 257–260, 268, 270 f., 278–281, 284–288 Mary (Frank Jackson) 34, 186, 203, 206–208, 210–217

Sachregister

Materialismus 115 Merde 188 Metapher, metaphorisch 29 f., 114, 152, 171, 214, 225, 271 Morgenstern/Abendstern 37, 67, 70 f., 135, 254, 275 f. Narrenwasser 261 Natural kind term 58, 80, 85, 110, 136, 139, 143, 152, 258, 260 Nominalismus 13 Notwendigkeit 46, 62, 67, 94, 124, 158 f., 174, 265, 282 f. – epistemische 5, 159, 174 f., 187, 189–191, 221, 224, 270 – illusionäre 268 – logische 159 – metaphysische 5, 159, 173–175, 187, 189–191, 221, 224, 270 – Naturnotwendigkeit 175, 242 – semantische 174, 272 Oberflächeneigenschaft 4, 46, 59, 62 f., 77, 82, 119, 137 f., 147, 158, 161, 165, 170 f., 173, 175, 183, 187–189, 250, 252, 259, 261, 264 Oskar 1 und Oskar 2 28, 35, 38, 67, 69–71, 73 f., 76, 97, 107, 118 f., 129, 145, 161, 166, 168 f., 178 f., 187, 258, 261 Paradigma 231–234, 240, 242 Perzeption 6, 14–20, 30, 83, 91, 133, 163, 166, 182–184, 192, 278 – Perzeptionserlebnis 117 – Perzeptionsinhalt 16, 27 – Perzeptionstheorie 28, 101 Physikalismus 7, 34, 51, 192, 202, 205, 208, 211 f., 217 Pragmatik 19, 104, 152, 240 Privatheit 9, 17, 32, 44 f., 47, 101, 110, 118, 126, 150 f., 190, 193, 290 – epistemische 51, 55 – Innerer Zustand 23 f., 114, 146, 218 – Private Bedeutung 42, 50, 103, 126 – Private Empfindung 149 – Private Erfahrung 5 – Private mentale Eigenschaft 41, 44, 47, 50 – privater Besitz mentaler Objekte 47, 55

307

– Privater Raum (private space) 58, 182, 184 f., 249, 267 – Privates Erlebnis 24, 200, 218 – Privates inneres Objekt 7, 22, 35, 55, 126 Privatsprache 3, 9, 22–25, 67, 83, 101, 103, 126, 144, 149 f., 154, 156 f., 181, 193, 218, 282, 291 Proposition 35, 95, 106, 108 f., 111, 113 f., 118, 128, 143, 173, 181, 232, 238 – Propositionale Einstellung 118, 120, 124, 127 f., 173 f. Psychologismus 16, 18 Quale 3, 28, 34, 51, 96, 116, 157, 183 f., 192 f., 195 f., 202 f., 206 f., 211, 214 Raum 30, 183–185, 207, 213, 239, 261, 266 f., 277 – Erfahrungsraum, erfahrbarer Raum 33, 119, 180, 184 f. – Farbe 211, 213 – Gesichtsraum, visueller Raum (visual space) 184, 186 – Lebensraum 269 – physikalischer (physical space) 33, 58, 119, 180, 182, 184–187, 249, 267 – Sehraum 184 – Tastraum 184 Realismus 33 – direkter 150 – modaler 226 – naiver 150, 210, 249 – platonischer 44 f. – wissenschaftlicher 84, 99 f., 105 Referenz 2, 28, 77 f., 110, 113, 143, 147, 155, 216, 221, 230, 235, 237, 244 f., 247, 260, 283 f., 289 – psychische 114 – Referenzfixierung 279 – Referenzgegenstand, Referenzobjekt 1, 4, 6 f., 35, 59, 62 f., 74, 107 f., 110, 115, 120, 131 f., 151, 218, 230, 235, 245, 261, 264, 270, 277, 282, 286, 288, 290 – Referenzterm 72 – Selbstreferentialität 129, 143 f., 147 – semantische 240 – Sprecher-Referenz 240 – Theorie der Referenz 80, 231, 234, 239

308

Sachregister

Repräsentation 130 – interne 65 – mentale 116, 120 – Repräsentation der äußeren Welt 16 Repräsentationalismus 22, 28, 101 f., 128 – Internalismus 30, 65 – Repräsentationale Wahrnehmungstheorie 20, 90 f., 101, 163 Rigidität 77 f., 160, 177, 283 – Rigider/starrer Designator 31, 78, 80, 84, 136, 160, 172, 175, 187, 222, 225–227, 230, 236 f., 246, 255, 260 f., 264, 268, 272, 281–284, 288 Robinson (Norman Malcolm) 198 f., 206, 214 f., 217 Saphir 172, 175 f. Schlerde 170 f. Schmerz 16, 20, 25, 34 f., 39, 48, 102 f., 126 f., 139–142, 145 f., 150, 164, 195, 197–199, 210, 214, 217, 278 – Schmerzausdruck 55 – Schmerzäußerung 198 – Schmerzempfindung 198 – Schmerzerlebnis 41, 199 – Schmerzzuschreibung 16, 214 Semantik 2, 5, 13, 17, 19, 21, 23, 31, 45, 51, 58, 78, 85, 92, 101, 104 f., 118, 138, 148, 152 f., 162, 164, 170, 177, 180, 187, 190, 196, 218, 223, 231 f., 240, 248–250, 254 f., 257, 262 f., 279, 283, 285, 290 – alternative 56, 133, 162, 250, 290 – doppeldeutige, mehrdeutige 249 f. – externalistische 28, 75, 176, 254 f., 284, 291 – internalistische 140, 147, 150, 192 – private 9 – referentielle 9 f., 56 – Semantische Reduktion 31 – Semantische Regeln 7 f. – Semantischer Bezugsrahmen 58 – Semantischer Gehalt 65 – Semantischer Marker 82, 84 – subjunkte 264 – zweidimensionale 142 f., 264 Sinnesdatum (sense data) 5 f., 27, 33 f., 108 f., 116, 125, 133, 151, 157, 180–182, 184, 218 – Privatheit 26, 151

Sinnestäuschung 27, 37, 115–117, 156, 210, 250, 268, 288 Solipsismus 14, 18, 29, 36, 40, 67, 151 Sprachgemeinschaft, Kommunikationsgemeinschaft 8, 35, 51, 55 f., 58 f., 61–63, 66, 73, 78, 80, 84, 104, 107, 120, 123, 131, 136, 147, 154–156, 201, 242, 254 f. Sprachkompetenz 51, 72 Sprachsystem 250, 262, 267, 269, 271 Stereotype 82, 84 f., 90, 250 Substanz 4, 15, 31, 57, 74, 80–82, 85, 89–91, 94–97, 99 f., 105, 137, 160, 163, 166, 173, 179, 194, 227, 238, 250 f., 253, 258, 261 – chemische 55, 75, 161 f., 175, 180, 187, 254, 264 – gegenständliche 95 – geistige 14 – materielle 21, 163 – natürliche 90, 93 – Putnam’sche 76 – reale 92, 98, 105, 191 – Substanzausdruck 7, 43, 89, 95, 99 – Substanzbegriff 89 – Substanzname 89, 93, 95, 98 – Substanzterm 97 Sumpfmann (Swampman) 118, 121–125, 127, 160, 167, 177 Supervenienzthese 124 Symbolismus 232–234, 240 f., 246 Synonymie, Synonym 45, 47, 64, 77, 82, 131, 151, 153, 173 f., 229 f., 235, 242, 247 – Interlinguale Synonymie 49, 153 – Notwendige Synonymie 269 Syntaktischer Marker 48, 82, 84 Taubheit 15, 199, 212, 215 Taufakt 79, 143 f., 147, 155, 222 f., 227, 230, 237, 266, 269, 284 Täuschergott (Dämon) 250–252, 276 Traum, Traumzustand 21, 156 Ulme/Buche 51–54, 108, 132–136, 147 f., 152 f., 157, 174 Umwelt 30, 32, 59, 75, 118, 120 f., 123, 125, 127, 169–171, 213 Unausprechlichkeitsthese 195, 290

Sachregister

Urmeter 84, 141, 221, 231 f., 234–238, 240–247, 260 Vorstellbarkeit (conceivability) 158–160 Vorstellung 15, 17, 23, 39 f., 42, 45, 67, 101, 103, 109, 113 f., 117, 134 f., 144 f., 174, 180 f., 191, 195, 201, 204, 267 – Gegenstandsvorstellung 34, 128 – Individualvorstellung 17 – innere 102 – Partikularvorstellung 17 – Sachverhaltsvorstellung 33 f. – subjektive 157 – Vorstellungsinhalt 17, 41 Wahrheit 14, 33, 40, 54, 70, 83, 112, 114, 135 f., 142, 150, 159, 163, 187, 226, 235, 238, 240, 246 – apriorische 261 – notwendige 77, 243, 265, 272 – Wahrheitsbedingung 129–131, 142, 174, 221, 287 – Wahrheitswert 37, 45, 60, 70 f., 112, 114, 134 f., 142, 246, 263, 284 – Wahrheitswertfähigkeit 33, 135, 233, 263 Wahrnehmung 22, 26 f., 35, 43, 53, 55, 61, 92, 97–102, 115, 129, 145, 156, 165, 180, 182, 186, 195, 200, 205 f., 210, 212, 247, 252, 262, 267, 287 f. – Wahrnehmungsakt, -vorgang 91, 180 f., 196, 203, 208, 210 – Wahrnehmungsdiskrepanz 25, 27 – Wahrnehmungserlebnis 5, 19, 27–29, 52, 76, 93, 115–117, 119, 133, 144, 156, 195, 203 – Wahrnehmungsinhalt 20, 23, 25, 101, 144, 181, 205 – Wahrnehmungsorgan, -apparat 185, 205 – Wahrnehmungssinn 198, 263 – Wahrnehmungsurteil 130 Welt – aktuale, wirkliche 77 f., 142 f., 158, 160, 222– 226, 240 f., 253, 255 f., 261–264, 269, 284 – alternative 67, 80, 141, 189, 224 f., 237, 285 – Außenwelt, äußere, externe Welt 6, 13, 16, 20–22, 32, 35 f., 39, 45, 50, 107, 115, 118, 122, 129, 149 f., 181 f., 184, 191, 264 – Eigenschaften 5

309

– faktische 67, 80, 221 f., 225, 227, 282, 284 – Innenwelt, innere Welt 6, 39, 44 f., 129 – kontrafaktische 26, 66 f., 78, 80, 142, 158 f., 190, 222–226, 230, 232, 245, 250, 253–255, 263 f., 269, 275, 281–283, 285 – materielle 101, 184 – mögliche 2, 5, 38, 44, 66 f., 77–80, 119, 141 f., 158–160, 171, 173, 187, 190, 221–226, 230, 232, 235, 237 f., 240, 243, 245–248, 253– 256, 261–265, 268 f., 276 f., 281–283 – Mögliche-Welten-Szenario 6, 66, 235 – physikalische 183 f. – physische 197 – potenzielle 77 Wesenheit – nominale 1, 5, 89 f., 94–97, 100, 105, 137, 174, 214, 249 f. – reale 1, 5, 89–91, 94–97, 99 f., 105, 137, 250 Wissen 32, 34, 44, 47, 51 f., 56, 69, 93, 136, 149, 159, 181, 190, 200, 207–209, 212–214, 216, 218 – angeborenes 44 – Bedeutung von sprachlichen Ausdrücken 20, 23, 32, 44, 50 – begriffliches 1, 35, 52–54, 136, 148, 152, 170 – fachliches 52 – faktisches 55 – intensionales 55 f., 217 – nicht-propositionales 34 f. – physikalisches 34, 186, 203, 213, 217 – Privatheit 41, 44 f., 47 – propositionales 34 f., 38, 41, 51, 187, 207 – semantisches 52, 55 – vollständiges 57 – Wissensbedingungen 35 – Wissensunterscheidung, -differenzierung 51 f., 55 Wissenschaft 6, 40, 79–81, 138, 158 f., 162, 171, 173, 182, 184, 188, 209 f., 213, 253, 258–261, 263, 269 f., 272, 276 f., 286, 290 – Wissenschaftliche Erkenntnis 81, 168, 190 f., 257–259, 270, 272 Wortwechsel (switch of words) 59–65, 69, 73, 75, 153–155, 157 Zahab

97–99

310

Sachregister

Zeichen (sprachliches) 1 f., 5, 7, 13, 17, 31, 42 f., 46, 49 f., 53, 60, 68, 85, 90, 99, 102, 111, 113, 129, 132, 136, 141 f., 152, 180, 209, 215 f., 222, 228, 233, 243, 255 f., 264, 273 f., 283, 290 – Bedeutung 1, 68, 71, 99, 114, 129, 133, 192, 282 – bedeutungsloses 110, 266 – Gebrauch, Verwendung 4, 8, 18, 31, 54, 216, 282, 290 – referentielles 118, 155 – Zahlzeichen 274, 282 – Zeichenkomplex 282 Zitrone 173, 175 Zustand – enger mentaler (narrow mental state) 3, 5, 20, 22, 29, 31 f., 35–41, 48, 51, 65, 67, 78, 106 f., 115 f., 118–120, 129, 138, 147, 151, 165, 174, 178 f., 187, 190, 206, 218 – geistiger 21, 28, 54, 65, 76, 193 – Identität mentaler Zustände 28 f., 35, 37, 45 f., 60, 64–67, 69–71, 76, 93, 97, 107, 118 f., 129, 131, 144 f., 166, 179, 197, 258, 261

– intentionaler 128, 130 – kognitiver 168 – mentaler 3 f., 9, 28, 32, 34, 36, 46, 114, 118, 122, 124 f., 130, 143, 183, 192–195, 197, 207 – physikalischer 124 f. – physischer 29, 72, 125, 161, 179 – psychischer 1, 13, 16, 20 f., 33–39, 41 f., 44 f., 47 f., 50, 54, 65–67, 72, 82, 110, 119 f., 125, 161, 165, 169, 174, 178 f., 192 – psychologischer 36, 38, 125, 131, 160 – weiter mentaler (broad mental state) 3, 20, 29, 31 f., 37, 106 f., 115, 118–120, 138, 174 Zwillingserde (Twin Earth) 1, 4 f., 10, 24 f., 43 f., 58–63, 65, 67–69, 71–73, 75–82, 94, 107, 119 f., 125, 138 f., 141, 143 f., 158, 160–162, 165, 168–171, 178 f., 188, 190, 221, 247, 258, 261, 263 f., 269, 284 – Zwillingserdenexperiment 13, 28 f., 31–33, 35, 46, 51, 58, 60, 66 f., 79, 89, 93, 139, 155, 157, 163, 174, 190, 248, 255