Barockkirchen in Altbayern und Schwaben [Reprint 2020 ed.]
 9783112357248, 9783112357231

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DEUTSCHE LANDE DEUTSCHE Begründet

von

Burkhard

Meier

KUNST

Ottobeuren,

Puttengruppe

BAROCKKIRCHEN IN ALTBAYERN UND SCHWABEN AUFGENOMMEN W A LT E R

HEGE

BESCHRIEBEN GUSTAV

DEUTSCHER

VON

VON

BARTHEL

KUNSTVERLAG

I N H A L T Einleitung

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Die Vorarlberger

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Johann Michael Fischer Die Brüder Asam

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Dominikus Zimmermann

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Ausstattung: Plastik, Malerei, Ornament D i e M e i s t e r u n d die W e r k e Z u den B i l d e r n

Die Zahlen

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am R a n d e

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Bilderteil

E I N L E I T U N G Unsere Geschichte zeugt von einem immerwährenden K a m p f zwischen Eigenem und Fremdem. Der Prozeß der kulturellen Erneuerung Deutschlands nach dem dreißigjährigen Krieg ist zunächst eine Angleichung an Europa. Aber die Übernahme fremder Ideen und K r ä f t e ist notwendige Vorbereitung auf die Entfaltung des Eigenen. Die deutsche Baukunst erneuert sich unter der Führung der italienischen, insbesondere der Oberitaliens, mit der schon in früheren Zeiten eine A r t Wahl ver wandschaft bestand. Die Theatinerkirche in München bauten Barelli aus Bologna und Zuccalli aus Roveredo, und die Dreifaltigkeitskirche stammt von Viscardi. Dort wird der Typus der römischen Jesuitenkirche, insbesondere S. Andrea della Valle, hier werden Zentralbauideen mailändischer Prägung spürbar. Aber auch bei ihnen w i r k t die K r a f t der Landschaft, die vielen von ihnen Heimat wird. Sie bauen unter der blassen Sonne des Nordens anders als im Süden. Deutsche Baumeister, wie Moosbrugger oder die Asams, gehen über die Alpen nach R o m oder Oberitalien. Die deutschen Meister in Österreich verarbeiten die italienischen Gedanken in eigenen Lösungen, die wiederum auf Süddeutschland einwirken. Johann Michael Fischer reist nicht mehr nach Italien, sondern in die Donauländer. Salzburg vor allem muß die Deutschen geradezu fasziniert haben. Z w e i m a l hat die Kollegienkirche Fischer von Erlachs bis zur völligen Übernahme das Baudenken beherrscht: in Weingarten und in Ottobeuren, in den Türmen von Berg am Laim klingt sie nach. Doch das Eigene bricht durch. Aus der gemeinsamen Grundlage erwächst der Ausdruck höchst persönlicher A r t . Stamm und Landschaft haben das ihre dazu getan. Bei Dominikus Zimmermann wird dies am deutlichsten; er blieb der ländliche Baumeister Zeit seines Lebens und vollbrachte doch Schöpfungen von höchster Geltung. Mit der sicheren Witterung des genialen Menschen spürte er die künstlerischen Gedanken seiner Zeit bis in alle Feinheiten. Seine Bauten sind ebenso persönlich wie volkhaft, ebenso naiv wie vergeistigt. Wichtig ist die handwerkliche Grundlage der Baumeister. Das H a n d w e r k , das sich vom Meister auf den Schüler, vom Vater auf den Sohn forterbt, ist heimatgebunden, durch Zunftgesetze geregelt, mit zahlreichen Familien verknüpft. Der Vater arbeitet sich durch Tüchtigkeit und Umsicht hodi, der Sohn reist zum Studium zu anderen deutschen oder ausländischen Meistern. E r schafft E n t w ü r f e , deren Ausführung er den örtlichen Bauführern überläßt. Eine besondere Eigenart des bayrisch-schwäbischen Raums ist die Entwicklung der schöpferischen Gemeinsdiaftsform: wie die Cosmaten waren die „Vorarlberger" und die „Wessobrunner" wandernde Bauhandwerker, die ihren Weg in die Welt hinaus nahmen. Sie beziehen ihre K r a f t aus den dörflichen Gemeinschaften, aus den Familienbindungen, aus einer nicht abreißenden Sdiultradition. Aus ihrer Mitte treten einzelne hervorragende Künstlerpersönlichkeiten heraus, deren Handschrift unverkennbar ist. Aber ohne die bindende K r a f t ihres Lebenszusammenhangs sind sie kaum denkbar. Die führenden Männer wachsen über das Handwerkliche hinaus, ohne es je einen Augenblick zu verleugnen. Sie haben ihre festen Werkstätten, aber ihr R u f dringt weit hinaus, und sie werden in ganz Süddeutschland, Österreich und der Schweiz zu großen Bauaufgaben herangezogen. Sie bleiben auch jetzt landschaftsverbunden, aber sie treten zugleich in die Reihe der europäischen Baumeister von R a n g . Ihre Namen lauten: die beiden Asam, die beiden Zimmermann, Fischer, Thumb, auch Effner und Frisoni. Sie sind sämtlich Generationsgenossen und gehören der Geburtsschicht um 1680/90 an. Auch Balthasar Neumann und Kilian Ignaz Dientzenhofer gehören dazu. Sie vertreten, so eigenwillig jeder von ihnen als Persönlichkeit ist, einen Stil von seltener Einheitlichkeit. Eine erste Blütezeit ging voraus, getragen von der Generation der 60er Jahre. Hildebrandt und Fischer von Erlach, B ä h r und Pöppelmann, Robert de Cotte und Schlüter sind die europäischen Namen. In unserem Bereich gehört C a s p a r Moosbrugger zu ihnen. A b e r gerade der bayrische Barods findet in der zweiten Blütezeit erst ganz seine Erfüllung. Die Maler und Stukkatoren und Bildhauer, von Joseph Spiegier

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und A n t o n S t u r m abgesehen, sind Angehörige einer jüngeren Geburtsschicht, die eigentlichen T r ä g e r des R o k o k o : Scheffler, G ü n t h e r , Zeiller, H o l z e r , S t r a u b , O b l h ö r und die Feichtmayer, auch François Cuvilliés, w ä h r e n d ganz am Ausklang der Epoche Ignaz Günther, mit dem Z a u b e r der Vergänglichkeit umhüllt, alle Möglichkeiten zusammenfaßt. D i e Baumeister des Spätbarocks erfüllen ihr Schaffen mit echter, ehrlicher, tiefer und w a r m e r Frömmigkeit, die auch die H e r z e n ihrer Landsleute in der gleichen schlichten, innigen Weise durchströmt. A b e r sie standen mit beiden Beinen im Leben, gesund und unsentimental. W a s sie schufen, ist beschwingt und frei, weit und groß, dabei schlicht und ernst im T i e f s t e n ihrer Seele. Ihre Gotteshäuser sind prachtvolle jubelnde Bauten zur Herrlichkeit des Allmächtigen. Sie sind dem V o l k s t u m und der Landschaft verbunden, bedeuten zugleich auch höchste Weltleistung. Aus der E r d e , auf der sie schufen, aus dem L a n d zwischen Bodensee und I n n , zwischen D o n a u und den Alpen, wuchs ihnen die K r a f t bis in die Einzelheiten ihrer sichtbaren Gestalt. W a s der B a y e r tut und gestaltet, k o m m t weniger aus dem Gedanklichen als aus einer inneren Schau. D a s Leben offenbart sich ihm in seiner sinnlichen Fülle. D i e Wirklichkeit seines Daseins m u ß er künstlerisch bewältigen, um mit ihm fertig zu werden. D e r elementare U r t r i e b der bäuerlichen N a t u r greift hier nach F o r m e n einer künstlerischen Gestaltung, die ebenso urwüchsig wie geistvoll und voll drängenden Lebens sind. D e r B a y e r ist leicht „obenaus" und besitzt eine heißblütige Leidenschaft und eine zupackende P o l trigkeit, aber er kann innerlich bewegt und zart sein und voll schweigsamer Besinnlichkeit, aus der eine reiche und schöne Phantasie fließt. Durch die Entwicklung der Zeit begünstigt, trägt er alle Voraussetzungen in sich, um zu den höchsten Leistungen der deutschen K u n s t des Spätbarocks zu k o m m e n . E r verschließt sich künstlerischen Anregungen und neuen G e d a n k e n nicht, sondern übernimmt mit offenen Augen, was er seiner N a t u r nach verarbeiten und v e r a n t w o r t e n k a n n . W i e er es übernimmt, zeugt v o n einer großen Sicherheit seines Instinkts und seines Könnens. D e n n eine wichtige Seite seines Wesens, die Beständigkeit, hat immer eine besonders enge und nachhaltige V e r b i n d u n g mit den heimischen K r ä f t e n der Vergangenheit wachgehalten. T r a d i t i o n und Fortschrittswillen halten sich stets die Waagschale. W a s sie schaffen, schaffen sie oft in einer tieferen Versenkung und einer leidenschaftlicheren Ekstase, als es anderen S t ä m m e n gegeben ist. D e r Schwabe ist kühler, sachlicher, auch schwerfälliger. E r ist weniger schauhaft vera n l a g t , vielmehr von gedanklicher Besinnlichkeit. D i e Zurückhaltung im Ausdruck seelischer Bewegung ist f ü r ihn bezeichnend. N u r langsam erschließt er sich dem Neuen. D i e Beständigkeit, die er zeigt, ist anderer A r t als die bayrische. E r hält lange am Alten fest, manchmal zu lange. I n seinen großen Geistern ist auch Schwaben weltoffen, aber nicht so lodernd ursprünglich und kämpferisch wie seine östlichen N a c h b a r n , vielmehr strenger, bestimmter, v o n folgerichtiger K l a r h e i t . Dies variiert in den Grenzgebieten, sowohl nach der fränkischen wie nach der bayrischen Seite hin. H i e r schafft das A u f einandertreffen der antreibenden K r ä f t e von außen und der beharrlichen v o n innen her neue bedeutende Lösungen. D e r F r a n k e B a l t h a s a r N e u m a n n baut auf schwäbischfränkischem Grenzgebiet die Kirche in Neresheim, der B a y e r Michael Fischer auf schwäbisch-bayrischem O t t o b e u r e n . Beidemal entstehen B a u w e r k e von höchstem R a n g . G e r a d e in Ottobeuren f a ß t der Baumeister die Baugedanken seiner Zeit in großartig-fortschrittlicher Weise zusammen. A b e r auch er, der Nichtschwabe, unterliegt offensichtlich schwäbischer Eigenart. D i e Schaffenskraft der barocken K ü n s t l e r ermöglicht eine großartige Synthese. D a s P r i n z i p plastisch-architektonischer Einheiten Borrominis und das der Durchdringung v o n T e i l r ä u m e n bei G u a r i n i w i r d ineinander verschmolzen, verarbeitet, umgedeutet: daraus erwächst die G a n z h e i t eines neuen Raumorganismus. W i r möchten ihn, um die geistige Verwandschaft sowohl mit der Musik wie auch mit der M a t h e m a t i k der Zeit deutlich zu machen, p o l y p h o n und infinitesimal nennen. D i e organische Durchbildung des R a u m e s 8

findet hier ihre Erfüllung. D e r begrenzende Wandkörper erhält seinen Sinn durch den Raum. E r ist abhängig von ihm. E r wird, wenn man das W o r t gebraudien soll, entstofflicht, biegsam, beweglich, mit einem Reichtum von Nuancen umgeben, der ein fein abgewogenes vergeistigtes Flächen-, Linien- und Lichtspiel ermöglicht. Der bayrisch-schwäbische Barock offenbart sich nicht sofort und auf einmal. Hinter seine Geheimnisse kommt man erst nach langem Verweilen. Der Bau ist ja nicht „fertig" wie eine romanische Kirche. E r erhält seine Gestalt erst im Betrachter selbst. Das geheime Kreisen des Lichtes enträtselt oder verhüllt seine wahre und letzte Gestalt. Was in der Musik die Phrasierung bedeutet, die den Noten erst Leben nach dem Geist des Schöpfers gibt, das ist hier das Licht. M a n muß schon einmal einen ganzen T a g in Weltenburg oder in der Wies gesessen haben, wenn es draußen schneit oder der Vorfrühling über die Berge geht oder in der heißen Glut der Sommersonne, um zu erleben, welch starkes und wechselvolles Leben in diesen Bauten herrscht. Die Bedeutung des gleitenden Lichtes w i r d vom Baumeister bewußt in voller Beherrschung ausgenutzt. Fraglos besaß in der barocken Baukunst der Baukünstler eine sehr klare Vorstellung von der vielfältigen Raumgestaltung auf der Grundlage eines höheren mathematischen Denkens. Was verwirrend, fließend, unwägbar anmuten kann, ist in Wahrheit auf einer höheren Ebene des raumkörperlichen Gestaltens klar und faßbar. Wie die Komposition einer Fuge eine andere Intensität der Stimmenführung und eine tiefere Vorstellungskraft des Gesamtaufbaus zur Voraussetzung hat — es sind verwandte Gesetze, denen die künstlerische Gestaltung im Barockbau unterliegt. Die A r t des Vortrags, die Phrasierung, die T e m p i sind dabei v o n der gleichen Bedeutung (soweit hier überhaupt Vergleiche möglich sind) wie die modellierende, belebende W i r k u n g des gleitenden Lichts. Es schafft erst den reichen Zusammenklang der verschiedenen Künste und damit den Reichtum stets wandelbarer Eindrücke voll innerer Gegensätzlichkeit, die sich unlösbar zu einem Ganzen vereinen. In ihren großen Kirchenbauten drücken die Bayern die T i e f e ihres Gefühls und die K r a f t ihres schöpferischen Willens am reinsten und am eigensten aus, (was sie in der Musik nicht in der gleichen Weise taten) — neben N a m e n wie Bach und Händel treten N a m e n wie Z i m m e r m a n n und Fischer als Generationsgenossen. A b e r auch sie leben v o m Geiste der Musik und sind am tiefsten und geheimsten erst durch sie zu begreifen. Ein Beispiel: In Händeis Oratorium „Messias" ( 1 7 4 1 , vier Jahre v o r dem Baubeginn der Wieskirche) bringt das Halleluja eine Folge immer wiederkehrender, kurzer jubelnder und ausdruckserfüllter R u f e . Die W i r k u n g auf das Ohr ist annähernd vergleichbar der W i r k u n g , die spätbarocke Innenräume auf das Auge ausüben — der unendliche R a u m hier wie dort, aber nicht der einfache T i e f e n r a u m schlechthin, sondern abgestuft, gegliedert, gestaffelt, als lebendiger Kosmos begriffen. W i r glauben die himmlischen Heerscharen zu hören, bald nah, bald fern, bald laut, bald gedämpft. Bei der Steigerung ins Fortissimo wächst „organisch" das Streichorchester mit der G e w a l t des raumfüllenden Chorkörpers — zurückhaltend, gedämpft und auch dadurch sinnenfällig „ A b s t a n d " haltend zusammen: eine weiträumige fließende Klangbewegung mit feinem G e f ü h l f ü r Zwischenwerte. Dabei kann man gerade in der lapidaren Ballung der R u f e durchaus von „Plastik" sprechen, u m damit auf einen verwandten V o r g a n g in der bildenden Kunst hinzuweisen, in der ja die K ö r p e r f o r m (als elastische Hülle der R a u m f o r m ) eine wesentliche Aufgabe erfüllt. Auch hier ist der K l a n g k ö r p e r nur verständlich durch die Bewegungsenergie, die der Musik den C h a r a k t e r eines stetigen Strömens gibt. Die V o r stellung der vielgliedrigen R a u m t i e f e beherrscht das Ganze. Unlösbar ist damit zugleich das Bewußtsein der Raumeinheit verbunden. Die Veränderlichkeit der Einzelstimmen, nicht in ihrer Struktur, w o h l aber in ihrer Funktion, die sie erfüllen, ja den Grundsatz der Verwandlung ihrer Sinnbedeutung im A u f b a u des Ganzen kennt die barocke Baukunst so gut wie die Musik. Ottobeurens Innenraum hat, v o m Eingang her gesehen, einen gänzlich andern „ S i n n " als v o m Standpunkt unter der Vierungskuppel — er ist dennoch der gleiche. Im körperlichen Durchschreiten k o m m e n w i r zum letzten V e r ständnis dieser „ V e r w a n d l u n g " als Erlebnis einer „höheren" Einheit.

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Die entscheidend fortwirkenden Energien sind aber auch in der eigenen Uberlieferung zu suchen. Der Wille zu zentralisieren wohnt als geheime Triebkraft der deutschen Baukunst am stärksten inne. Das war in staufischer Zeit so, das blieb so im späten Mittelalter und das erwacht im Barock wieder. Gerade im Barock, denn hier bedeutet der Gedanke der Mittenbezogenheit eine ganze Welt für sich. Es ist ein einheitliches Raumdenken mit einem sehr ausgeprägten Gefühl für organische Gliederung des Ganzen und körperlichplastischer Durchbildung der Teile. Auch die Spätgotik ist eine tief reichende Wurzel. Mit Recht sieht man in der Mehrzahl ihrer Schöpfungen bereits den Geist des Barocks, und schon Dehio konnte fragen, ob nicht der Barock vielleicht überhaupt die deutsche Ur- und Grundstimmung ist. Mehrfach gestalten barocke Baumeister und Stukkateure spätgotische Räume im Geist ihrer Zeit um. Es gibt auch romanische Räume, die dasselbe Schicksal erlitten. Das zeugt von dem starken Gefühl des Selbstvertrauens, ein Gefühl, das schöpferische Zeiten immer haben, mit Kühnheit und Zartgefühl vergangene Ausdrucksformen mit den Mitteln ihrer Zeit umzuwandeln. Aber gerade die spätgotischen R ä u m e zeugen von der geheimen inneren Verwandtschaft. In Andechs fühlt man das geheime Kreisen des Raumes, der durch die Empore jenen eleganten und ausdrucksvollen Schwung bekommt, der die spätgotischen Absichten sozusagen handgreiflich macht. Die strenge Gotik kannte den ausgesprochenen Zug in die Tiefe, die Richtung, die noch dazu einseitig durch die Pfeiler in rhythmischer Abfolge bestimmt war. Auch jetzt fehlt das Tiefenerlebnis nicht, aber es ist nicht mehr eindeutig, sondern vieldeutig. Das Querschiff verschwindet, Chor und Langhaus werden einbezogen, auch die Pfeiler sind nicht mehr eigenlebig. Nirgends mehr eine feste Begrenzung der Raumteile. Der Schrägblick enthüllt dem trunken gewordenen Auge stets neue, wechselnde Ausblicke. W i r ermessen nicht mehr ohne weiteres die wirkliche Breiten- und Tiefenausdehnung. Was da entsteht, ist eine bildmäßig eingestellte Baukunst. W i r verstehen sofort die inneren Bindungen beider Jahrhunderte. Der R a u m ist doch offensichtlich das Wichtigste. Die Decke wird zu einem neuen Element des Raumbildes. Und welche Bedeutung erhielt schon hier die Behandlung der Lichtführung. Auch hier die Sammlung auf bestimmte Raumteile, der Gegensatz von Licht und Schatten, das sichere Gefühl für den W e r t der Dämmerungen und Dunkelheiten. Jedenfalls besteht, wenn auch nicht in der Intensität, so doch im gleichen Wollen unzweifelhaft eine innere Verwandtschaft. Im Hochland zwischen Lech und Salzach beginnt erst richtig in der Spätgotik die Blüte architektonischen Schaffens: Landshut, Straubing, Ingolstadt, München. Die Natur des Bayern muß in der Baukunst der Spätgotik verwandte Züge empfunden haben. So schöpfen die Künstler des 18. Jahrhunderts aus den fruchtbaren Anregungen eines allgemeinen europäischen Stils und den unwiderstehlich aus der Tiefe deutschen Wesens dringenden Überlieferungen heimischer Baugestaltung. Trotz Not und Bedrängnis, politischer Zerrissenheit und konfessioneller Streitigkeiten wuchsen den Deutschen Kräfte zu, die wieder etwas Großes und Bedeutendes zu sagen hatten, die deutscher Kultur einen europäischen Klang verliehen und doch nur sie selbst blieben. Die deutsche bildende Kunst, insbesondere die Baukunst, hat die alten und ewig jugendfrischen Kräfte deutscher Schöpferkraft emporgerissen, lange bevor die Dichter und Denker auch nach außen jedem begreifbar die Erhebung zu höchster Kultur herbeiführten. Bayern und Schwaben haben, gemäß ihrer Eigenart, daran großen Anteil. Die bewahrenden und beharrenden Kräfte konnten, wenn ihre Stunde kam, auch die revolutionierend großartigen und schöpferischen sein. Sie behielten ihren eigenen Charakter. Er blieb immer deutsch. Die Epoche, die dieses Buch darstellen will, bezeichnen wir als bayrisch-schwäbischen Spätbarock, nicht als Rokoko. Dieser Stilbegriff gehört zu Menschen einer späteren Generation. Rokoko tritt in der Dekoration in Erscheinung. Es ist ein Teilbegriff. Spät nennen wir diese Epoche, nicht weil w i r glauben, die deutschen Baumeister gingen ausgetretene Wege zu Ende. Sie waren durchaus originell. Sie haben erst wirklich das Prinzip der Ineinanderfügung von Lang- und Zentralbau mit allen darin ruhenden Möglichkeiten erkannt und zu Lösungen fortentwickelt, die so wiederum im Ausgangsland der 10

Ideen nicht bewältigt und daher letztlich auch k a u m verstanden werden k o n n t e n . Der Spätbarode ist eine Phase der Reife. Er verkörpert den inneren Drang nach außerordentlicher Bewegung und Kraftentfaltung, er besitzt zugleich eine so nie wiederkehrende mystisch-transzendente Raumphantasie. Daher gelingt auch die äußerste Wirkungssteigerung des Sinnlichen u n d Übersinnlichen, des Wirklichen und des V o r gestellten, des Natürlichen u n d des Geistigen. Es entsteht ein Schwebezustand, „duftig, leidenschaftlich, schwärmerisch bis zur Ekstase u n d v e r d ä m m e r n d bis z u r t r a u m h a f t e n Verschwommenheit" (Pinder). Ja, wir müssen geradezu das W o r t H a r m o n i e suchen, weil Spannung u n d Lösung, Bewegung u n d R u h e , Vielheit u n d Einheit hier eine höhere unlösbare Verschmelzung eingegangen sind. Man möchte an den Begriff der praestabilierten H a r m o n i e denken. Zweifellos hat Leibniz — philosophisch und menschlich in einer Einheit, wie sie n u r noch Goethe k a n n t e — uns gerade die Erkenntnis der allseitig bedingten Ganzheit geschenkt. W e n n Schmarsow den Satz geprägt hat, Schönheit heißt nicht m e h r H a r m o n i e , Schönheit heißt Kraft, so müssen wir jetzt erkennen, daß Kraft und H a r m o n i e keine Gegensätze m e h r sind, weil diese nicht ohne jene bestehen kann. Mit andern W o r t e n : unsere Epoche v e r k ö r p e r t einen Spätstil. Spätstile sind Synthesen. Noch heute empfinden wir mit offenem Sinn die Kraft und den Wohllaut dieser Baukunst. Kraft und W o h l l a u t verbinden sich in einzigartiger Weise in dem Bem ü h e n u m das Absolute. In dieser Baukunst geht es letzten Endes u m die weite und reiche Erschließung eines in sich geschlossenen Bildes v o n Erde, Mensch und Gott. Die barocken Baumeister suchen den Sinn dieses Lebens in der rechten Vorstellung eines großen Glaubens. D e n ganzen Reichtum des Daseins wollen sie einfangen, die Fülle aller menschlichen u n d übermenschlichen Begriffe. W a r u m suchen und ringen sie doch immer um die Form, selbst d o r t , wo sie formlos erscheinen? Die menschliche Seele ist unendlichkeitsverloren und doch mit allen Sinnen in diese Welt verstrickt. D e m barocken Menschen wird Sein zu Schein und Schein zu Sein, er steht zwischen T r o t z und Hingabe, zwischen Diesseits und Jenseits. Er k e n n t das streitbare Leben m i t allen seinen Reizen u n d Schönheiten, mit seiner Buntheit und Fülle. Begierig schließt er sich dieser Fülle auf. Aber er wird gleichsam e n t r ü c k t in eine geheimnisvolle Welt der W u n d e r , der er sich mit der gleichen Bereitschaft hingibt, wie der lauten Freude am Dasein. Er verbindet beide Sphären miteinander. Freilich kostet er auch mit Bewußtheit den Zwiespalt und die Bedrängnis aus, die seinem Leben eine ungern entbehrte Anregung geben. Er sieht in der Sinnenwelt einen Widerschein des Jenseits u n d vermag in den G r ö ß t e n auch wirklich zu einer Größe zu gelangen, die den Hauch des Ewigen spüren läßt. Angesichts v o n R o t t am I n n vermögen wir vielleicht einen Zipfel des Schleiers zu lüften, der uns das tiefste Geheimnis des Spätbarocks enthüllt. In Weltenburg werden wir leidenschaftlich gerufen, Weltenburg ist das gärende, v o n Schrecken u n d W u n d e r n erfüllte Suchen nach menschlicher Befreiung, der A u f b r u c h in das Geheimnis, das Spiegelbild des Sinnlichen, mit der Leidenschaft eines erhitzten Geistes ins Übersinnliche gesteigert. Die Wies ist glückseligste, schwebende H a r m o n i e , die Wies ist ein leidenschaftsloses, w u n d e r b a r befreites Schweben, ein D u f t v o n hinreißender Süße, ein Reigen seliger Genien, der steingewordene Einklang zwischen Menschlichem und Göttlichem. O t t o beuren ist ein machtvoller Trompetenstoß. Ottobeuren ist dröhnender Orgelpunkt, Jubel und strahlende Heiterkeit eines machtvollen Geistes, Spiegelbild tatsächlicher Kraft und Erhabenheit. R o t t am I n n aber ist der kostbare Schlußstein im gewaltigen Gebäude des Spätbarocks. R o t t am I n n ist durchsichtige Klarheit und harmonisches Glück, m a n möchte sagen: v o n endlicher Unendlichkeit, die ausgewogene Vergeistigung v o n Diesseits und Jenseits.

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DIE

V O R A R L B E R G E R

D i e Oberschwaben k n ü p f e n an die deutsche Baukunst des f r ü h e n 17. Jahrhunderts an, v o r allem an die Michaelskirche in München und die Dillinger Jesuitenkirche. Daß sie sich hier anschlössen und nicht an den italienischen Basilikaltypus, wie ihn die Theatinerkirche vertritt, ist bezeichnend. Die Bauten der Italiener sind schließlich als Ganzes doch auf Ablehnung gestoßen. Die deutschen folgen lieber der heimischen Tradition. Zunächst beweisen sie in ihren W e r k e n wenig vorwärtsstrebende Ideen; wagemutig waren sie nicht. Sie verhüten damit instinktiv oder auch bewußt die Übernahme fremder Baugedanken, die sie nicht hätten verarbeiten können. So bedeutet das A n k n ü p f e n an die Überlieferung ein Bekenntnis. Es beweist die klare und fast nüchterne Sicherheit, den Boden zu bereiten f ü r eine langsame bedächtige, aber stetige Entwicklung, die nach ihren eigenen Gesetzen abläuft. Die Baumeister bilden eine Gruppe, eine Schule im gewissen Sinne. D i e Werke dieser Familien, besonders der Beer und T h u m b s , sind eng verbunden m i t dem oberschwäbischen R a u m zwischen Donau und Bodensee und mit der Schweiz: Obermarchtal, H o f e n bei Friedrichshafen, Irrsee, Weißenau, Schönenberg und viele andere. Wenn sie Anregungen aufnehmen, so geschieht es zögernd und mit Z u r ü c k haltung. Aber dann entstehen doch wie unter sdiwerem Ringen einige Leistungen von europäischer Bedeutung, in denen das Alte und das N e u e sich treffen, in einem kostbaren Augenblick Höhe und Wende zugleich: die Kirchen von Weingarten und Einsiedeln, die eine auf oberschwäbischem, die andere auf schweizerischem Boden, beide alemannischdeutsch. Der ungefähr gleichzeitige Entwurf f ü r Weißenau sucht nach neuen Raumverbindungen, der spätere Bau von St. Gallen bringt reife Vollendung. Wiblingen ist das Ende. V o n Obermarchtal bis Wiblingen: der Weg eines Jahrhunderts. In der bayrischen Baukunst entspricht dieser Wandlung der Bauideen die Entwicklung v o n der Wallfahrtskirche Maria Birnbaum bis zu Rott am Inn. In der oberschwäbischen Baukunst tritt die Persönlichkeit stärker hinter das allgemein Verbindende. Schon, daß w i r von einem System, dem Vorarlberger Münsterschema, sprechen können, beweist den Unterschied zum Bayrischen. Ein Bau wächst aus dem andern heraus. Das System wird schrittweise gedehnt, bereichert und schließlich überwunden. Ende und A n f a n g hängen mit einer inneren Logik ohne Beispiel zusammen. 2

1,3-7

Obermarchtal ist ein wesentliches Beispiel des „Schemas": das Langhaus, v o n einem hohen Satteldach bedeckt, ist eine große Halle mit geraden Außenwänden, die durdi weit in den R a u m springende Wandpfeiler in Seitenkapellen mit darüberliegenden Emporen aufgeteilt wird. Die Wandpfeiler erhalten die Würde und die K r a f t eines Freipfeilers. Das Querschiff, das nur wenig über die Fluchtlinien des Langhauses hinausragt, ist eher ein weiteres, schwach verbreitertes Langhausjoch als ein der Längsrichtung des Baus entgegenwirkendes Querhaus. D e r eingezogene C h o r wird durch weit in den R a u m hereintretende Pfeiler bei sonst gleichbleibender Gliederung wesentlich schmäler und schließt rechteckig oder in flachem Bogen. Der D r a n g nach umfassender Bewegung läßt die Emporen gleich ümgängen untereinander verbinden, späterhin sogar um die Querschiffe herum in den C h o r einmünden. D u r c h das Fehlen der quadratischen V i e rung und durch die gleichmäßige Wölbung mittels einer mächtigen, nur von Gurten unterbrochenen T o n n e entsteht ein allseits gradlinig begrenzter, klar überschaubarer R a u m v o n ausgesprochener T i e f e n w i r k u n g . Das Querhaus, zögernd und unartikuliert, isr nichts anderes als ein „optisches G e l e n k " , das den C h o r an das Langhaus bindet und den Blick in die T i e f e zieht. Was diese Bauten auszeichnet, ist die Klarheit der Anlage, der k r a f t v o l l e Gliederbau, dessen Plastizität die schweren, weit auskragenden Gesimse zur Genüge charakterisieren, die Schlichtheit, die Maßhaltung mit weiser Beherrschung der Mittel verbindet. Caspar Moosbrugger hat in Weingarten schon frühzeitig den entscheidenden Schritt getan, zweifellos nicht ohne vertieftes Studium der oberitalienischen Baukunst, aber auch in Kenntnis der A r c h i t e k t u r Salzburgs, w o der D o m Solaris die reine T a m b o u r 12

k u p p e l f o r m bot und Fischer von Erlachs Kollegienkirche, v o r allem f ü r die Fassade, das genaue V o r b i l d gab. In Weingarten ist der Mittelteil der Stirnseite als plastischer K ö r p e r empfunden. E r stößt tatsächlich in kräftiger Rundung vor: Ausdruck innerer Spannung und kämpferischer Haltung. Dazu tritt als gegensätzliche K r a f t das straffe Vertikalstreben der Aufbaugliederung. Betrachten wir Grundriß und Innenraum: es besteht schon eine tiefe innere Zusammengehörigkeit von außen und innen. Die Salzburger Kirche wurde als grundlegend verwandt empfunden, ihre Verpflanzung nach Weingarten bedeutet Einschmelzung in das heimische System der Wandpfeiler-Freipfeilerkirche. Sieht man von dem kleinen Eingangsraum ab, so ist die T a m b o u r k u p p e l genau in der Mitte der Längsrichtung Schwerpunkt des Raumes. Der R a u m gruppiert sich um diese Mitte. Das Querschiff tritt in halbrunden V o r w ö l b u n g e n über das L a n g haus heraus; hier vollzieht sich in gemäßigter F o r m das Gleiche wie an Stirnseite und C h o r . Langhaus und C h o r sind gleichgewichtig, nicht gleichgegliedert: das Langhaus wird in drei weite Joche mit rückschwingenden Emporen unterteilt. Hängekuppeln spannen sich zwischen kräftige Gewölbegurte. Der Chor ist ein überkuppeltes Quadrat mit schmalen Verbindungsjochen zum eigentlichen C h o r r u n d . M a n darf Weingarten nicht nennen, ohne Einsiedeln zu gedenken. H i e r hat Moosbrugger, dessen Genialität und schwäbische Eigenart sich immer klarer entfaltet, die gleichmäßige Reihung der Kuppelfolge, wie sie etwa H e r k o m m e r vertritt, zu einem Ensemble von scheinbar freier Folge erweitert, in Ausdehnung und H ö h e wechselnd, in den Einzelteilen klar verstehbar, aber im Gesamt unlösbar eingebunden, gegenüber den früheren Lösungen „ein Unterschied wie zwischen einem gleichstrophigen Kirchenlied und einem Dithyrambus" (Pinder). Die einheitlichste deutsche Schule gelangt zur freien Raumsteigerung. In Weingarten spüren wir die Konzentration auf den Kuppelraum, den energischen Vorstoß nach allen vier Richtungen, das körperlich-plastische R a u m g e f ü h l . Wesensgemäß ist die energische Straffung und Aktivierung aller Einzelbauteile, die Zusammenfassung des Raumes nach der Mitte zu bei ausgesprochener Tiefengliederung. Hier sind die Pfeiler plastische K ö r p e r voll Aktivität! Sie versinnbildlichen die Funktion des Tragens. Welche Wandlung im Vergleich mit der Theatinerkirche oder mit FürstenfeldBruck. In Weingarten ist der genaue Ausgleich zwischen Fremdem und Eigenem gefunden. A b e r das Fremde ist nicht mehr fremd. W i r spüren, daß es jetzt und f ü r immer überwunden ist. Während Weingarten in Ottobeuren nachwirkt, hat Einsiedeln auf Berg am Laim und Altomünster anregend gewirkt. Z w e i Jahre, bevor Fischer in Ottobeuren entscheidend eingriff, ein J a h r nach der Zimmermannschen Wieskirche, 1746, schuf auch der Schwabe Peter T h u m b den reifen 9 1 - 9 6

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Wallfahrtskirche

Neubirnau

am

Bodensee

und ausgeglichenen R a u m v o n N e u b i r n a u am Bodensee. Zweifellos sind in ihm Ideen wirksam, die schon in Weißenau geplant waren und audi im Entwurf Zimmermanns f ü r Ottobeuren auftreten, um freilich in einem neuen Sinne zugleich vereinfacht und verfeinert zu werden. Vor uns liegt nach dem engen u n d dunklen Durchgang u n t e r dem T u r m ein einheitlicher Raum, ein Saalraum, der im vierten u n d f ü n f t e n Joch in leichten R u n d u n g e n ausschwingt, in denen noch als leise A n d e u t u n g ein ovales Q u e r haus nachklingt. Indessen k o m m t es hier dem Baumeister mehr auf die Ausweitung eines einheitlichen Raumes als auf die gegensätzliche D u r c h d r i n g u n g mehrerer Räume an. Auch der C h o r sondert sich nicht ab. Die gerundete Einziehung der Außenwand vor dem Choreingang ist n u r ein gleitender Übergang in den sich verjüngenden Tiefenraum, der, wie in Berg am Laim, als ein großartiges Raumbild sich v o r unseren Augen entwickelt. Die Galerie u n t e r s t ü t z t das geschmeidige Gleiten, ja sie bringt durch das sich ineinander rollende und sich durchsteckende Gitterwerk der Brüstungen von vollendeter A n m u t ein duftiges Weben und Strömen in den R a u m , wie eine letzte Erinnerung an das Hildebrandtsche Treppengeländer von Mirabell in Salzburg. Durdi die Galerie wird der A u f b a u der W ä n d e in zwei Teile zerlegt. Sie u m k l a m m e r t also den R a u m nicht n u r zu einer fließenden Einheit, sondern bringt auch eine besondere Spannung dadurch, daß sie die Pilaster der Wandgliederung in zweimaligem Wuchs aufschießen läßt, u n d daß sie zwei Reihen Fenster bedingt. Die breiten und hohen Ö f f nungen der oberen Reihe lassen eine solche Fülle von Licht hereinbrechen, daß der ganze R a u m in eine fast übernatürliche Helle getaucht ist. Die Decke des Langhauses wird durch einen breiten G u r t etwa im dritten Joch in zwei, der Größe nach nicht ganz entsprechende Teile zerlegt, die Gemälde v o n Gottfried Bernhard Göz schmücken. Es herrscht ein durchaus festlicher Klang, auf Heiterkeit und Repräsentation gestellt, ohne daß sich die Erdenschwere, die dem Bau anhaftet, gänzlich löst. Möglich, daß wir hier einen schwäbischen Zug erblicken dürfen. Die Lage der Kirche am Bodensee ist unvergleichlich schön. V o m Wasser aus sehen wir auf kräftig ansteigender Böschung die breite Front des Gebäudes liegen, Priesterhaus und Kirche in einem verbunden. Der T u r m löst sich aus dem Baublock, der durch die Eckbauten m i t besonders betontem Mansardendach sich prächtig gliedert, in hohem Wuchs und lebendiger Silhouettierung von ausgezeichneter Fernwirkung. Wir steigen hinauf; n u n liegt der weite Spiegel des Bodensees vor unsern Augen, f e r n am H o r i z o n t steht die Kette der Berge. Die Verbindung m i t der Landschaft ist b e w u n d e r n s w e r t ; vom Wasser und v o m Lande her eine allseitige D u r c h d r i n g u n g der N a t u r . Aus der werkgerechten T ü c h t i g k e i t des schwäbischen Meisters wächst in Birnau ein Bau v o n höchster Vollendung. 14

J O H A N N

M I C H A E L

F I S C H E R

E i n e Idee beherrscht das Schaffen J o h a n n Michael Fischers: die eines einheitlichen Raumes, entstanden durch eine eigengesetzliche Gruppierung einzelner Teilräume und ihre endgültige Verschmelzung. Die Wege, die er, um dieses Ziel zu erreichen, einschlägt, sind verschieden, ebenso wie die Mittel, deren er sich bedient. Gerade in solchen Fällen, w o es galt, sich gegen Widerstände äußerer A r t durchzusetzen und aus einem halbfertigen Raum, der keiner Ä n d e r u n g mehr fähig schien, eine völlig neue und eigenartige Lösung zu finden, entfaltet er seine Meisterschaft. E r zwingt zuletzt jedem R a u m seinen unverkennbaren Stempel auf. Seine Architektur ist voll innerer räumlicher Spannungen. E r wählt häufig das Oval, ein Element Borrominis, das Fischer von den österreichischen Architekten Hildebrand und Fischer von Erlach übernimmt und in seinem Sinne weiterbildet. W i r reihen aneinander München, Ingolstadt, R o t t . Das Oval von St. Anna am Lehel in München ( 1 7 2 7 - 3 0 ) ist in ein gradliniges Recht- 8 eck eingeschlossen. Die Mittelpfeiler lösen sich von der Wand, treten in den Raum heraus, tiefe Nischen bilden sich zwischen ihnen, so daß sie fast wie Freipfeiler wirken. R u n dungen und Nischen bestimmen den Raum. E r bekommt Rhythmus und Ausdehnung. Die Mauer schließt nicht, sie weicht zurück, schwingt aus; die Nischen, schräg einander gegenüber gestellt, halten sie gleichsam im Bann, eine Raumverschränkung, die eine gleitend-fließende Bewegung schafft und so zugleich die Raumvereinheitlichung sichert. Das Gewölbe liegt mühelos auf den Bögen, die sich leicht und weit v o n Pfeiler zu Pfeiler schwingen. Diese sind v o n einer Schwerelosigkeit, die ihre Stofflichkeit f ü r Auge und G e f ü h l überwindet. Im Ganzen besitzt der R a u m eine hohe Musikalität. Man blickt beim Nähertreten schräg in den Chor und spürt in besonderem Maße die geistvolle Verklammerung beider Räume auf der Grundlage des Kontrastes. Der kreisförmige Raum wird durch den Hochaltar der Asams einseitig auf bildhafte Wirkung hin betont. Sonst empfände man auch hier stärker die räumliche Klarheit des Kreises als beabsichtigten Gegenwert gegen das unbestimmte ovalförmige Ausschwingen der Seitenkapellen. Die Zerstörungen des Krieges haben diesen Eindruck weitgehend beeinträchtigt. Die Restaurierung ist nüchtern. In der Ingolstädter Franziskanerkirche (1732/36) ist das Langhaus kein O v a l mit ausschwingenden Schrägseitkapellen, 9 , 1 0 sondern mehr dem Quadratischen angenähert, allerdings in weit komplizierterer Form. Der Chor ist kein Kreis, sondern ein reines Quadrat mit geschlossenen Umgängen, die also f ü r den Einblick nicht mitsprechen. Der Hauptraum ist nicht eindeutig, am ehesten ein Viereck mit abgeschrägten Ecken — also der gleiche Baugedanke, der Rott am Inn zugrunde liegt. Die abgeschrägten Ecken sind selbst eigenlebige, in

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sich gerundete Schrägseitkapellen, im G r u n d r i ß eine quergestellte Ellipse, im A u f r i ß mit E m p o r e n ausgestattet, die in den H a u p t r a u m hinein v o r schwingen, in der W ö l b u n g mit einer eigenen F l a c h k u p p e l bedeckt. Ihre ö f f nungsbogen sind ein w e n i g niedriger als die Hauptseiten. Diese A u f - A b B e w e g u n g kennzeichnet den G e w ö l b e ansatz im H a u p t r a u m , D e m V o r schwingen der Kapellenbrüstungen entspricht das Zurückschwingen der P f e i l e r . Sie haben eine raumbildende K r a f t , sie reißen den B e w e g u n g s a b l a u f der M a u e r jeweils in eine neue Richtung. Es entsteht eine V i e l f a l t räumlicher H o h l f o r m e n , ein außerordentlich geistvoll durchgebildetes Widerspiel v o n v o r und zurück, seicht und tief. M i t welch f e i n e r Berechnung schwingen die E m p o r e n in H ö h e der K a p i t e l l e in den H a u p t r a u m v o r . Die Gesimse aber (und mit ihnen natürlich die P f e i l e r ) w e r d e n als besonders betonte Energielinie ein wenig d a r ü b e r in tiefliegender R u n d u n g e i n g e m u l d e t , dieselben Gesimse, die in den E m p o r e n r a u m der Schrägseitk a p e l l e n m i t k r a f t v o l l e r Z ü g i g k e i t einschneiden. N i c h t genug d a m i t : auch die beiden S e i t e n w ä n d e biegen sich in flachem S c h w u n g nach außen, k a u m s i c h t b a r d e m A u g e , aber f ü h l b a r g e n u g im G a n z e n . D e n n o c h v e r l i e r e n w e d e r die E i n z e l g l i e d e r n o c h der gesamte R a u m ihre k l a r e Gestalt. W i e die Pilaster geschmeidig a u f w a c h s e n , w i e die E m p o r e n k l a r und ruhig vorschwingen, w i e die selbst w i e d e r in sich gemuldeten Scheitelb ö g e n eine g r o ß z ü g i g - e i n f a c h e R h y t m i k geben — alles an diesem B a u z e u g t v o n k l a r e r V o r s t e l l u n g r ä u m l i c h e r G e s t a l t u n g . E i n V e r g l e i c h m i t V i s c a r d i s K i r c h e in F r e y s t a d t , z w e i f e l l o s eine V o r s t u f e v o n Ingolstadt, lehrt den g r u n d s ä t z l i c h e n U n t e r s c h i e d e r kennen. Diese Verselbständigung in sich ausgehöhlter R ä u m e und ihr unlösbares A u f gehen in die g r ö ß e r e E i n h e i t , diese w o g e n d - f l i e ß e n d e E r s c h e i n u n g s f o r m v e r h ü l l t e r Z e n t r a l i t ä t ist im Fischerschen Sinne gemeistert w o r d e n , ein w e s e n t l i c h e r S c h r i t t ü b e r St. A n n a in M ü n c h e n hinaus.

36,37

D e n n o c h ist sie nicht die einzige L ö s u n g . Die H o f k i r c h e St. M i c h a e l in B e r g a m L a i m bei München ( 1 7 3 7 ) , z w e i J a h r e f r ü h e r e n t w o r f e n , bringt das gleiche P r o b l e m in neuer F o r m . H i e r schließt sich F i s c h e r nicht italienischen V o r b i l d e r n an, s o n d e r n d e n k t a l e m a n n i s c h - d e u t s c h e G e d a n k e n weiter. B e r g am L a i m h ä n g t m i t E i n s i e d e l n z u s a m m e n . Seltsam, die italienische A n r e g u n g ü b e r w i n d e t F i s c h e r d a d u r c h , daß er sie bereichert, das deutsche V o r b i l d dadurch, daß er es vermindert. B e i d e m a l entsteht etwas g r u n d s ä t z l i c h anderes: das E r g e b n i s einer späteren G e n e r a t i o n , das E r g e b n i s einer s t a m m l i c h e n P r ä g u n g , schließlich das E r g e b n i s p e r s ö n l i c h e r G e s t a l t u n g s k r a f t . D a s G e m e i n s a m e ist das A n e i n a n d e r f ü g e n zentralisierender E i n z e l r ä u m e in die T i e f e . D a s S i g n u m der F i s c h e r s c h e n L ö s u n g ist die E i n h e i t l i c h k e i t i n n e r h a l b des g r ö ß t e n r ä u m lichen R e i c h t u m s , g e s t u f t e R a u m t i e f e n d y n a m i k . W a r A n n a a m L e h e l ein b e t o n t e r L ä n g s r a u m , so ist in B e r g am L a i m der H a u p t r a u m ein in sich r u h e n d e r Z e n t r a l b a u . I n St. A n n a , m e h r noch in Ingolstadt, v e r b i n d e n sich T e i l r ä u m e z u v i e l f ä l t i g e r E i n h e i t . In B e r g a m L a i m möchte man eher v o n einer malerisch-optischen Verschleifung sprechen. D i e G r o ß f o r m des H a u p t r a u m s ist v o n A n f a n g an v o r allem andern da. D a s A u s s c h w i n gen der S c h r ä g s e i t e n — eine h o h l r ä u m l i c h e A u f w e i c h u n g des M a u e r k e r n s — ist n u r in dem G e w ö l b e s y s t e m als selbständiger R a u m t e i l z u begreifen. D e r C h o r ist ein S p i e g e l bild des H a u p t r a u m e s , aber w e l c h e Ä n d e r u n g : er ist streng g r a d l i n i g b e g r e n z t , a u c h die Ecken sind abgeschrägt, die nur i m G e w ö l b e als schwache Nischen angedeutet sind.

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Ebem. AngMtiner-Chorherren-Stiftskirche,

Dienen

am

Ammersee

D i e Plastizität hat z u g e n o m m e n . Das G a n z e zeigt eine sehr feste, klare u n d bestimmte H a n d . D i e D i f f e r e n z i e r u n g der r ä u m l i c h e n u n d plastischen K o m p o n e n t e n gibt dieser intimen Kirche einen Z u g z u m R e i c h e n u n d G r o ß e n . D i e Entwicklung f ü h r t im V e r f o l g der Ingolstädter G e d a n k e n v o r allem nach R o t t a m Inn. R o t t steht am Ende. A u c h die O t t o b e u r e n e r L ö s u n g w i r k t in R o t t weiter. E r s t nach O t t o b e u r e n k ö n n e n die G e d a n k e n der F r ü h z e i t neu erstehen, sie gehen als e w i g e Melodie durch Fischers Schaffen. In R o t t steigen sie ganz lauter u n d rein a u f , u m ein A l t e r s w e r k v o n höchster E i n m a l i g k e i t zu erfüllen. A l t e r s w e r k eines Meisters u n d A l t e r s w e r k einer Z e i t ! D i e strahlende H e i t e r k e i t der W e r k e begnadeter J u g e n d k r a f t kehrt nie wieder. D a z w i s c h e n aber stehen W e r k e , die den Dualismus L a n g h a u s b a u u n d Z e n t r a l k u p p e l bau auf einen N e n n e r bringen: Diessen ( 1 7 3 3 ) und Z w i e f a l t e n ( 1 7 3 8 / 6 5 ) . In Diessen ben u t z t er die alten F u n d a m e n t e , in Z w i e f a l t e n m u ß er auf den C h o r u n d die Stellung der T ü r m e R ü c k s i c h t nehmen. D e r G r u n d r i ß bringt die einheimische F o r m der W a n d p f e i l e r k i r c h e . In gewisser H i n s i c h t w e r d e n w i r an die V o r a r l b e r g e r erinnert. A b e r schon die A r t , w i e Fischer das vierte, z u m C h o r zu gelegene J o c h behandelt, enthüllt seine eigenen G e d a n k e n . E r bindet die drei J o c h e d u r c h ein einziges Deckenbild z u s a m m e n u n d läßt die niedrige C h o r b r ü s t u n g bereits hier einschwingen. Dieses J o c h hat gleich einem unausgebildeten, v e r k a p p t e n Querschiff die A u f g a b e eines optischen Gelenkes. Es v e r b i n d e t die sonst hart u n d u n v e r m i t t e l t nebeneinander stehenden R ä u m e des länglich-zentrischen Langhauses und des quadratischen, mit einer runden Flachkuppel ü b e r w ö l b t e n C h o r s , an den sich ein h a l b r u n d schließender A l t a r r a u m a n f ü g t . D e n R a u m beherrscht eine schmiegsame Elastizität, v o r allem i m G e w ö l b e . M a n m u ß n u r einmal beobachten, w e l c h besondere L i n i e n f ü h r u n g hier die G u r t b ö g e n zeigen. Es ist dieselbe kreisend eingezogene Linie, die im G r u n d r i ß auch der C h o r zeigt. W e l c h schwellende Beweglichkeit steckt allein in den Gewölbeansätzen! In Z w i e f a l t e n erhält das unentschiedene J o c h tatsächlich Q u e r s c h i f f c h a r a k t e r . B e ruhigt schwingen die A r m e aus, großräumige H a l t e p u n k t e in der rhythmisch fließenden A b f o l g e der Seitenräume. Die E c k e n d e r K r e u z a r m e sind abgeschrägt. D i e A l t ä r e o r d n e n sich radial zur Vierung. Diese behauptet in der Gesamtanlage f a s t genau die Mitte. D e r quadratische V o r c h o r — hier w a r Fischer d u r c h f r ü h e r e P l a n u n g e n gebunden — sammelt den B l i c k , u m ihn z u m A l t a r r a u m zu f ü h r e n , ein bildmäßiger E i n d r u c k v o n ü b e r w ä l t i g e n d e r G r ö ß e , d u r c h das C h o r g i t t e r u n d den K r e u z a l t a r malerisch v e r schleiert. D a s Langhaus, ein mächtiger saalartiger R a u m , ist auf beiden Seiten v o n je vier K a p e l l e n begleitet, die zwischen die W a n d p f e i l e r eingebettet sind. D i e Emporen schwingen in den R a u m v o r u n d sind m i t e i n a n d e r v e r b u n d e n . Sie w e r d e n zu einer l i c h t e r f ü l l t e n Galerie. J

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11-21

22,23, 25-27

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D a s W a n d s y s t e m des L a n g h a u s e s v o n O s t e r h o f e n ( 1 7 2 6 / 3 1 ) n i m m t das Z w i e f a l t e n e r v o r w e g . E n t s c h e i d e n d ist d e r k u r v i e r t e B e w e g u n g s a b l a u f der W a n d g l i e d e r u n g , das I n e i n a n d e r d r i n g e n v o n H a u p t r a u m u n d N e b e n r ä u m e n . D e m V o r s c h w i n g e n der E m p o r e e n t s p r i c h t ein Z u r ü c k w e i c h e n des Gesimses: w c l c h s e l n d e B e w e g u n g v o r u n d zurück. A u d i springt das A u g e zwischen E m p o r e und Gesims hinauf und hinab. J e t z t erst e m p f i n d e t es, d u r c h die A b s c h r ä g u n g des Gesimses in die K a p e l l e n m i t h i n e i n g e rissen, die kreisende B e w e g u n g der dem V o l l r u n d angenäherten Ovalnischen, die in den Scheidbögen nachklingt. Bezeichnenderweise liegen die Eingangstüren nicht in der Mitte der W e s t f r o n t , sondern an den E n d e n der beiden Längsseiten. Im Schrägblick o f f e n b a r t sich beim Eintritt der Bewegungsreichtum. In Z w i e f a l t e n finden w i r neue Elemente. W o h l schwingen auch hier die E m p o r e n b r ü s t u n g e n aus, die Gesimse aber sind b l o c k i g s c h w e r , gerade u n d s t r a f f . Z w i s c h e n die K a p e l l e n sind S ä u l e n p a a r e eingezogen. Sie b e h e r r s c h e n den R a u m e i n d r u c k . Sie sind f a r b i g , r o s a - g r a u e r S t u c k m a r m o r v o r w e i ß e r W a n d . H i e r g l a u b e n w i r ein G e g e n s p i e l W a n d — D e c k e zu e r k e n n e n . D i e bis z u m G e s i m s klare, k ö r p e r l i c h - p l a s t i s c h e W a n d gliederung steigert sich in der Decke z u einem erstaunlichen Reichtum r a u m h a l t i g e r Bewegungsfülle.

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I n O t t o b e u r e n b e g a n n d e r B a u h e r r A b t R u p e r t N e ß , ein M a n n v o n T a t k r a f t u n d K l u g h e i t , ü b e r alle S c h w i e r i g k e i t e n h i n w e g d e n K i r c h e n b a u . Seine R e g i e r u n g s z e i t g e h t mit der K a i s e r K a r l s V I . zusammen. Es sind die J a h r z e h n t e , in denen die stärksten K r ä f t e der deutschen K u n s t zu m o n u m e n t a l e m Ausdruck drängen und in denen das G e s c h l e c h t der g r o ß e n K ü n s t l e r auch eine G e n e r a t i o n der g r o ß e n B a u h e r r e n a n t r i f f t . „ S o l a n g e er regierte, baute er, u n d z w a r alles i m g r o ß e n S t i l " c h a r a k t e r i s i e r t d e r K l o s t e r c h r o n i s t den entschlossenen W i l l e n des A b t e s . E r k e n n z e i c h n e t d a m i t den g e s a m t e n B a u w i l l e n seiner Z e i t , der in d e n g r o ß e n K l o s t e r b a u t e n seine h ö c h s t e E r f ü l l u n g g e f u n den h a t : W e i n g a r t e n , Einsiedeln, Z w i e f a l t e n , O t t o b e u r e n , N e r e s h e i m , W i b l i n g e n . D i e T a g e b ü c h e r des B a u h e r r n , v i e r z e h n stattliche B ä n d e , geben einen lebendigen E i n d r u c k v o n der B a u g e s c h i c h t e . Sechs M e i s t e r sind m i t P l ä n e n b e a u f t r a g t w o r d e n . D e r siebente, J o h a n n M i c h a e l F i s c h e r , k o n n t e ihre G e d a n k e n z u s a m m e n f a s s e n u n d in einer n e u e n , d e r endgültigen G e s t a l t v e r w i r k l i c h e n . J e d e r Meister zeigt seine besondere E i g e n a r t : der dilettierende Ordensgelehrte C h r i s t o p h V o g t , die aus dem H a n d w e r k herauswachsenden tüchtigen H a n d w e r k s m e i s t e r S i m p e r t K r a m e r und K a s p a r R a d m i l l e r , der vielseitige, aber charakterlose. O b e r i t a l i e n e r A n d r e a M a i n i , die v o r t r e f f l i c h e n W e s s o brunner Stukkatoren-Architekten Johann Schmuzer und Dominikus Zimmermann, der kühle, westlich geschulte H o f b a u d i r e k t o r J o s e p h E f f n e r . A u s diesen B i n d u n g e n

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an Ideen, Plänen, ja sogar an teilweise A u s f ü h r u n g rang sich das Genie eines Fischer zu Freiheit, Größe und Selbständigkeit des architektonischen Schaffens durch. Dies W e r k allein stellt ihn in die R e i h e der großen Baumeister. Christoph V o g t schuf zwischen 1 7 1 2 und 1 7 2 0 die ersten Pläne: in Anlehnung an die Kollegienkirche in Salzburg vorgewölbte Doppelturmfassade und Durchkreuzung von Langhaus und Querhaus mit kuppelbekrönter Vierung. Maini, wandelbar und sprunghaft, sieht einen längsovalen H a u p t r a u m v o r , ein schmäleres C h o r q u a d r a t m i t seitlichen Gängen und gesondertes Altarhaus (zw. 1 7 2 1 u. 1730). Der Hauptraum, der durch vier flach ausgerundete A r m e zum Zentralraum wird, ist ein gedrückter Kuppelraum mit Laterne. H i e r wie auch im C h o r gliedern kolossale korinthische Säulen die Wand. Diese Pläne sind Beispiele f ü r italienisches Formempfinden. Radmiller (zw. 1 7 2 1 u. 1 7 2 9 ) nimmt Vogtsche Gedanken wieder a u f : die Durchdringung des Langhauses durch ein Querhaus und die Kuppel über quadratischer Vierung. E r weitet die Querarme aus und gliedert dem H a u p t r a u m vier ovale Schrägseitkapellen an. Neben der Kollegienkirche in Salzburg ist die Wiener Karlskirche Fischer v o n Erlachs V o r bild. Die querelliptischen Kapellen legt Radmiller in die Vierungspfeiler, die sich in großen Bogen nach der Mitte hin öffnen — ein bedeutender Schritt über V o g t hinaus. 1 7 3 2 reicht Z i m m e r m a n n zwei Pläne ein, v o n denen einer „ m i t O v a l g e w ö l b " noch erhalten ist. Dieser zeigt eine dreiteilige Anlage: einen beherrschenden längsovalen Mittelraum, zu Beginn ein kurzes Langhaus-Quadrat mit kreisrunder Flachkuppel, als A b schluß C h o r r a u m mit halbrunder Apsis. Die beiden mittleren Pfeiler des ovalen H a u p t raums lösen sich als Freipfeiler ab. D a d u r c h entsteht, ähnlich wie in Steinhausen, wie später auch in St. Gallen, ein schmaler U m g a n g , der sich nach Eingang und C h o r fortsetzt. Doppelte Gurtbögen tragen die riesige, durch Laterne bekrönte Kuppel. Die Mittelpfeiler lösen sich v o n der W a n d durch kleine Kreisräume mit Laternenkuppel. In der Wies kehrt dieses echt barocke M o t i v verwandelt wieder. Im ganzen beherrscht den Ottobeurer Plan ein deutliches Streben nach wuchtiger Schwere und kräftiger Geschlossenheit, die Zimmermanns übrige Bauten nicht kennen. Offensichtlich verfolgt er angesichts der repräsentativen A u f g a b e Absichten, die seiner Eigenart widersprechen. Crarners E n t w ü r f e (1736/38) schaffen die Grundlagen f ü r den Baubeginn und die Grundsteinlegung. Seine Pläne geben im wesentlichen dem heutigen Bau Gestalt: ein Längsbau mit beherrschender quadratischer Vierung, überkuppelt, mit halbrund geschlossenem C h o r , weit ausladenden halbkreisförmigen Querschiffarmen und nach außen vorschwingender Fassade zwischen zwei Türmen. Weingarten hat f ü r Bauherrn und Baumeister im Grunde entscheidende Anregungen gegeben. D o r t noch mehr wie hier die plastisch und räumlich drängende K r a f t der Ausdehnung. Beidemal entsteht auch trotz der vorherrschenden Längsausdehnung eine auf Ganzheit gerichtete Zentralität. 1 7 3 9 stirbt Abt Rupert Neß. Sein Nachfolger Anselm Erb aus Ravensburg setzt den Bau mit gleicher T a t k r a f t fort. A b e r er lehnt C r a m e r ab. Dieser muß zurücktreten. Der Oberhofbaudirektor E f f n e r greift, offensichtlich hemmend, ein: er bringt entscheidende Änderungen im C h o r , klare, streng begrenzte Raumteile hintereinander, und in den Seitenschiffen in strenger Flucht ausgerichtete Raumteile. Das Ganze erhält die strenge Kühle höfischer Ausdrucksform. Effners Plan wird mit gutem Instinkt abgelehnt. So kann denn 1748 Johann Michael Fischer mit allem Ernst das Werk beginnen. Das Entscheidende der neuen Plangestaltung ist schon im Grundriß eindeutig zu erkennen: erst jetzt verbinden sich die vier gerundeten A r m e unter Beibehaltung der vorherrschenden Längsrichtung mit der Vierung zu einer wirklichen Einheit, zu einer Einheit, die jedem Teil das Maß Selbständigkeit überläßt, das die an sich vorhandene Symmetrie mit geheimem spannungsvollem Leben erfüllt. N u n enthüllt sich so recht die Organik der gesamten Anlage. In der Vierung w i r d diese bewegungserfüllte Verklammerung am deutlichsten. Die Ecken sind abgeschrägt und beiderseits mit fast vollplastischen Säulen

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Andrea Entwürfe

Maini für die Kirche der Benediktiner-Abtei,

Kaspar

Radmiller

Ottobeuren

begrenzt, die sowohl trennen wie vermitteln, die nach Eigenleben drängen und doch nur durch die Gesamtbewegung ihren Sinn erhalten. U n t e r der Orgelempore treten wir d u r c h das Gitter in den ersten, gleich einem schmalen Joch gebildeten Raumabschnitt. Unsern Augen bietet sich das Gesamtbild eines lichterfüllten Raumes von gewaltiger Breite u n d scheinbar mäßiger Höhe. V o m Eingang her sehen wir n u r zwei hohe u n d breite Fenster mit bogenförmigem Abschluß. Sie lassen das Licht ungehemmt, nirgends d u r c h Kulissen verstellt, einströmen. Das Licht gibt gleich einer siegreichen Macht dem reichen u n d dennoch klaren u n d w u n d e r bar beruhigten R a u m erst ganz die innere Größe, die O t t o b e u r e n wie kein anderer R a u m besitzt. Nirgends ü b e r t ö n t rauschende Ekstase die klare Gestalt des Raums. Soweit wir die Kirche überblicken, herrscht Weiß an den W ä n d e n des Langhauses, an dem durdilaufenden Gesims oder an den breiten Halbkreisbögen, die die hintereinanderliegenden Kuppelräume trennen. Die stuckierten Halbsäulen des Mittelraums sind zart rosa und grau getönt. Leise schwebende U n t e r t ö n e v o n Rosa, Gelb, Ocker, Violett beherrschten die gesamte Dekoration. In den Deckengemälden klingen warme und satte Farbtöne. N u r im Chor, dessen fensterlose R u n d u n g den raumabschließenden und wandfüllenden H o c h a l t a r a u f n i m m t , v e r d ä m m e r t das Licht, werden die Farbtöne dunkler. Das w a r m e H o l z des Chorgestühls, das satte Gold des Reliefs, die D u n k e l farbigkeit geben einen kräftig vollen Klang. Im Kuppelraum r u n d e t sich das Querschiff nach beiden Seiten in vorher nicht geahntem Ausmaß. Gleich einer Kirche f ü r sich d u r c h d r i n g t es das Langhaus in nahezu gleicher Länge. Keine einzige Kirche des gesamten deutschen Spätbarocks k e n n t diese stolze Maditgebärde des R a u m h a f t e n . Der Blick aus einer Q u e r h a u s r u n d u n g durch die Kuppelvierung z u r gegenüberliegenden e n t h ü l l t die Größe dieser w a h r h a f t e n Architektur. Es war nicht ohne Sinn, daß das alte Kirchengestühl am Beginn der Vierung aufhörte. Der R a u m , leer, d u r c h nichts verstellt u n d verengt, k o n n t e n u n erst seine Größe wirken lassen. Genau v o n der Mitte ausgehend, zerlegt sich die Kirche in vier zentral geordnete Teile, durch A u f b a u u n d rhythmische Gliederung verschieden, in der Weite des Raumeindrucks u n d der Größenausdehung annähernd gleich. Zog vordem die R h y t h m i k der Kuppelanlage, der D o p p e l t a k t der Seitenkapellen unwiderstehlich in die Tiefe, so herrscht jetzt ein Ausgleich der räumlichen Gesamterscheinung voll H o h e i t und Majestät. Aber ohne den dritten und letzten Blick, v o m C h o r rückwärts z u m Eingang, enträtselt sich O t t o b e u r e n nicht vollständig. D e r Blick z u m Eingang glich einem tiefräumlichen Bild, das Erlebnis der Mitte bedeutet Raumeinheit in der Vielheit, der Blick vom C h o r aus aber enthüllt den T i e f e n r a u m vollständig in seiner Gesamtbewegung. Lieb hat die Vierung eine Fermate genannt. „Fest auf der Erde stehend, weitbrüstig 20

atemholend und dröhnend von Licht", das ist die Vierung, die alle Kräfte sammelt und alle Bewegung bannt. Wie weit liegt von hier aus gesehen Weingarten und Salzburg zurück. Nur Balthasar Neumann schafft mit dem gewaltigen Kuppelraum in Neresheim Vergleichbares. Dort sammeln sich alle Energien des Raumes, entlädt sich die leidenschaftliche Kraft der Bewegung. In Ottobeuren vollzieht sich die organische Verbindung von Längs- und Zentralraum auf andere Weise. Die vorgefundene Form war alt und einfach. Was der Meister mit ihr vollbringt, ist die Leistung eines großen Könners, voll echten Lebens, eine reife und beglückende Tat mit dem besonderen Zauber alles Werdenden. Ja, der Bau mutet uns wie ein Lebewesen an: von vielen Köpfen ersonnen, setzt sich seine Grundgestalt doch durch und fort in stetigem Wachstum, um unter den Händen des wahrhaften Schöpfers seine endgültige Form anzunehmen wie nach einem festen Gesetz, unter dem es seinen Weg angetreten. Noch stärker als in Zwiefalten sind Sockel, Wandsäulen, Pilaster, ja die Wand selbst, elementare Grundkräfte des gesamten Baues. Sie sind in ihrer Wirkung weder ornamental wie bei Zimmermann, noch gar mimisch-expressiv wie bei Asam. Sie haben weder die raumspannende Plastizität Neumanns in Neresheim, noch gar die trockene Statik eines Specht in Wiblingen. Die Säulen bleiben Glieder der Wand, aber sie haben zugleich — ähnlich wie in Zwiefalten — eine dekorative Aufgabe. Im plastischen Mauerkörper arbeiten die gleichen inneren Kräfte und Bewegungen wie im Raum. So entsteht jene feine Elastizität im einzelnen, ohne welche die Größe des Raumes streng und seine Festigkeit unmelodisch erscheinen könnte. Fischer hat einen großartig-festlichen Ausgleich der körperlichen und räumlichen Kräfte gefunden. Die deutschen Barockkirchen erfüllen sich meist im Innern. Die Schauseite ist oft gar nicht im Sinne einer wirklichen Stirnseite vorhanden; ist sie da, bedeutet sie den nach außen gewandten Ausdruck der Kräfte, die im Inneren walten. Kirchen vom Typus Diessen besitzen eine Fassade voll Helligkeit und Frohsinn, die Fläche schwingt leise räumlich, die Obergänge sind fließend. In Zwiefalten wächst die körperliche Plastizität nicht nur durch die Säulenpaare, die die Mitte rahmen, sondern hier ist die ganze Schauseite mit körperlichen Energien erfüllt. Der Mittelteil schwillt in kräftiger Wölbung vor, die Bewegung reißt indessen ab, die eigentliche Mitte springt zurück. Es entsteht der Eindruck zwiespältiger Unentschlossenheit, im ganzen von einem großartigen Körper- und Massengefühl. Dort, wo das Innere die Kraft besitzt, die Stirnseiten durch die Wucht der räumlichen Spannungen nach außen vorzuwölben, in Weingarten und Ottobeuren, enthüllt sich gerade das geheime Ringen gegensätzlicher Gewalten, das in beiden Bauten zu spüren ist, jener Kampf zwischen Tiefendrang und Zentralbauwille. In Ottobeuren verbindet sich geballte Kraft mit edel männlicher Haltung. Auch der hoch in Kurven aufschwingende Giebelaufbau hat daran teil. Die Lage der Kirche, nur 21

Entwurf

von Joseph Ejfner Kirche der Benediktiner-Abtei,

Ausführung von ]. M. Fischer Ottobeuren

m i t W e i n g a r t e n u n d M e l k vergleichbar, ist v o n besonderer Schönheit. M a n muß durch die weiten Wiesen gehen und auf einen gegenüberliegenden H ü g e l z u g steigen, um in der stillen u n d gesättigten W e i t e des schwäbischen V o r a l p e n l a n d e s die erhabenste S c h ö p f u n g deutscher F o r m k r a f t im K i r c h e n b a u des 1 8 . J a h r h u n d e r t s ganz zu begreifen. 38-43

D i e Kirche in R o t t am Inn ( 1 7 5 9 ) ist Fischers letztes großes W e r k . Auch hier muß er auf die Klosteranlage R ü c k s i c h t nehmen. Es blieb n u r der R a u m zwischen den beiden N o r d f l ü g e l n , u n d die Stellung der O s t t ü r m e w a r z u d e m gegeben. Fischer ü b e r w i n d e t auch diese Schwierigkeiten. E r k o m m t zu einer Freiheit des Schaffens, die selbst in dem an genialen Leistungen reichen bayrischen Barock u n g e w ö h n l i c h ist. A l l e E r f a h r u n g e n seines Lebens s t r ö m e n hier n o c h einmal zusammen. Das R i n g e n u m die V e r e i n h e i t lichung der R a u m g r u p p e zu einem o r g a n i s c h - v i e l f ä l t i g e n G a n z e n e r f ä h r t hier seine letzte E r f ü l l u n g . W a s auch an ähnlichen B a u g e d a n k e n vorausgeht, — hier ist alles neu und w i e z u m ersten M a l e gestaltet, wie selbstverständlich aus einer echten I n t u i t i o n heraus, die reife Leistung eines alternden Mannes, der dem T o d e nicht m e h r f e r n ist, als er das W e r k vollendet. Die L ö s u n g erscheint e i n f a c h : eine A n e i n a n d e r r e i h u n g v o n drei R ä u m e n — z w e i quadratische, m i t Flachkuppeln gedeckte R ä u m e schließen sich in der Längsachse an den M i t t e l r a u m , der v o m G r u n d r i ß aus als V i e r u n g m i t abgeschrägten Ecken zu verstehen ist. A c h t Pfeiler tragen die große Flachkuppel. In der Schräge aber v e r s t ä r k e n u n d beleben zugleich vier kleine K a p e l l e n , mit E m p o r e n gedeckt, den G e d a n k e n des zentralen Mittelraums. Beim Eintritt in die Kirche überblickt man eine in die T i e f e führende Folge v o n kuppelbedeckten R ä u m e n . T a g h e l l bricht das Licht herein. J e t z t erst spüren w i r die vergeistigte K r a f t der Fischerschen R a u m s c h ö p f u n g . I m m e r schon trat das Baumeisterliche in allen seinen R ä u m e n k l a r zu T a g e . D i e sichere B e herrschung aller Mittel, die Strenge und A b g e k l ä r t h e i t der räumlichen A u f f a s s u n g erscheint hier a m reinsten. N i e konnte die D e k o r a t i o n über die G r u n d l a g e n der Fischerschen Bauordnung hinwegtäuschen. H i e r tritt die S t u k k a t u r , so edel sie an sich ist, als d i e n e n d e Begleitstimme mit T a k t und Zartheit zurück. D e r R a u m ist so k l a r und rein v o r allem andern da, w i e — außer in Neresheim — nirgends mehr in der süddeutschen B a u kunst. J e d e r T e i l r a u m hat n u r soviel Berechtigung, w i e er d e m G a n z e n dient. A b e r er behauptet auch sein T e i l r e c h t m i t einer Sicherheit, die f ü r die w a h r h a f t große G e s i n n u n g des Baumeisters spricht. H i e r d r ä n g e n nicht m e h r S p a n n u n g e n z u r E n t l a d u n g , aber n o c h w e n i g e r herrscht tödliche E r s t a r r u n g . Fischer findet einen überragend w u n d e r baren Ausgleich, — das seltene und auch nur einmalige Glück einer besonderen Stunde, in der E r f a h r u n g und R e i f e , K ö n n e n und Feingefühl, Zeitstil und Persönlichkeitsausdruck ein W e r k v o n a u ß e r g e w ö h n l i c h e r V o l l e n d u n g erstehen lassen. 22

Ehem. Benediktiner-Klosterkirche,

DIE

BRÜDER

Rott am

Inn

ASAM

Die drei Bauten der Brüder Asam in R o h r , Weltenburg und München sind drei einander ergänzende Äußerungen einer künstlerischen H a l t u n g , die nicht n u r d u r c h ihre Träger, sondern auch durch ihre geschichtliche Lage und ihre unlösbare Verbundenheit mit Land und Volk einzigartig ist. Die Kirche in R o h r (1717—1719) k a n n ihre italie- 44~47 nische H e r k u n f t nicht leugnen. Eine dreischiffige Anlage mit Seitenkapellen, die u n t e r einander durch Durchgänge verbunden sind, ein Querschiff mit quadratischer Vierung und weit ausladenden Kapellenabschlüssen, ein langgestreckter Chor, in dessen H a u p t joch das Chorgestühl Platz gefunden hat und in dessen halbrundem Abschluß der H o c h altar die K r ö n u n g des Ganzen bildet. Was den Bau auszeichnet, ist weniger die italienische Anregungen verarbeitende Lösung des Grundrisses u n d der R a u m f o r m e n , als vielmehr die plastische Kraft, das körperliche Massengefüge, das sich in den Säulen, in dem vielfältig unterteilten Gebälk und in der K o n z e n t r a t i o n auf den Hochaltar hin ausspricht. Von hier aus kann der R a u m erst richtig verstanden werden. In den rahmenden Säulen wird die gesammelte Kraft einer von innen heraus drängenden Körperlichkeit zum Ausdruck gebracht. Sie staffeln sich in die Tiefe, so daß eine Bühne zwischen ihnen entsteht, auf die aus verdeckten Lichtquellen durch hohe Fenster Helligkeit hercinschießt. In der Mitte steigt die plastische G r u p p e der H i m m e l f a h r t Mariens in leidenschaftlichem Hochdrang aus der Gruppe wild ausfahrender Apostel empor, und über dem Ganzen schwebt wie eine V o r a h n u n g von Weltenburg inmitten der W o l k e n und Engelscharen der riesige Reif einer Krone. Was hier vorbereitet wird, ist in Weltenburg (1717—1721) erfüllt. Der zentrale Gedanke der Raumanlage hat gesiegt. Ein schmäleres Vorjoch, ein etwas breiteres Chorjoch, dazwischen der ovale H a u p t r a u m mit großen Seitenkapellen und kleineren vertieften Diagonalkapellen. Man betritt den R a u m durch eine niedrige Vorhalle, dann weitet sich 5°" 5 9 in d ä m m e r n d e m Lichte das Oval des H a u p t r a u m e s , der Blick wird jäh in die H ö h e gerissen, die Decke öffnet sich, wir schauen in einen H i m m e l von schwebenden Gestalten, W o l k e n und verschimmernder Ferne, die in strahlendes Licht gebadet sind. U n d dazwischen, in wirklicher, körperlicher Realität u n d dennoch t r a u m h a f t u n d wie von unsichtbaren H ä n d e n gehalten, schwebt der ovale Reif der Krone, Dasein u n d Vorstellung, Wirklichkeit u n d T r a u m , Körperhaftigkeit u n d Sinnenhaftigkeit in d e r gewagtesten Weise verbindend. Aber so sehr dieser ovale R a u m zum Verweilen auffordert, so sehr er d u r c h die Kapellen eine geschmeidige und vielseitige A u s f o r m u n g erfahren hat, Blick u n d Schritt werden doch in die Tiefe gezogen, in den dämmrigen R a u m , an

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Benediktiner-Klosterkirche,

60-65

Weltenburg an der Donau

dessen R ü c k w a n d zwischen gedrehten Säulen der hohe B o g e n sich öffnet. D a h i n t e r strahlt gleißendes Licht. D e r hl. G e o r g im K a m p f m i t dem Drachen, silberglänzend, in abenteuerlicher R ü s t u n g , reitet in das D ä m m e r n auf uns zu, auch er an der Schwelle zwischen Wirklichkeit und Schein, eine m a c h t v o l l e Figur m i t w e i t ausladender G e b ä r d e , v o l l drängenden Lebens, dennoch n u r T e i l einer das G a n z e durchflutenden B e w e g u n g , ein A k z e n t nur, w e n n auch der wichtigste, auf den sich inmitten des überwältigenden Reichtums der Gestalten und Formen alles sammelt. D e r menschliche Fuß kann nicht in den C h o r r a u m treten. Das menschliche A u g e v e r m a g T i e f e u n d W e i t e n u r zu ahnen, nicht zu messen. Alles, was fest schien, w i r d fließend. W e r jetzt noch glaubte, im Diesseits zu stehen, meint einen Blick in das Jenseits zu tun, in dem keine G r e n z e n sind u n d in d e m die eigene Seele der lodernden G l u t u n d der mitreißenden Ekstase k a u m standzuhalten scheint. D i e R ü c k w a n d des C h o r e s ist auch hier kein Abschluß mehr, sondern die Durchgeistigung alles Stofflichen. Dies ist tatsächlich in der Münchener J o h a n n v o n N e p o m u k - K i r c h e ( 1 7 3 3 ) an die äußersten Grenzen des Möglichen geführt. H i e r w i r d auf sehr schmalem R a u m mittels Z w e i t e i l u n g in E m p o r e n durch H o c h f ü h r e n des Blickes, durch die G l i e d e r b e w e g u n g der W ä n d e u n d durch eine besondere L i c h t f ü h r u n g d a s G e f ü h l f ü r die reale E x i s t e n z weggewischt. A u c h hier ö f f n e t sich die Decke. A b e r die Freiheit, mit d e r die Decke aufgerissen w i r d , ist kühner. W i e ein überschäumender W o g e n k a m m — ein Vergleich, der als einziger den V o r g a n g noch einigermaßen zu charakterisieren v e r m a g — w i r f t sich das Gesims herauf u n d heraus in den R a u m . D e r sehr v e r d o r b e n e Z u s t a n d des Deckengemäldes g e w ä h r t heute nicht m e h r den zusammenfassenden u n d k r ö n e n d e n E i n d r u c k , der u r s p r ü n g l i c h beabsichtigt w a r . D i e gesamte plastische K r a f t u n d durchströmende B e w e g u n g des R a u m e s sammelt sich in der G r u p p e der hl. D r e i f a l t i g k e i t , die v o n rückwärts durch ein ovales Fenster in ein magisches L i c h t der V e r k l ä r u n g gestellt w i r d . A n d e r Eingangsseite aber ist der B a u durch ein riesiges Fenster aufgerissen, das in ungeregeltem E i n f a l l das L i c h t hereinbrechen läßt, im R ü c k e n des Beschauers, der n u r die modellierende W i r k u n g der H e l l i g k e i t v e r s p ü r t . D u r c h das L i c h t erhalten B ö g e n u n d Säulen, G e b ä l k u n d Gesims, Plastik u n d D e k o ration erst ihre sinnvolle Stellung im G a n z e n . I m C h o r verbinden sich räumliche, plastische und malerische Gestaltungsabsichten aufs innigste. B e t r i t t m a n die K i r c h e , so durchschreitet m a n einen kleinen V o r r a u m , ehe m a n a m Eingangsgitter das R a u m b i l d ganz m i t einem Blick erfassen kann. H i e r ist der eigentliche S t a n d p u n k t . M a n e m p f i n d e t die K r a f t der realen u n d optischen B i n d u n g aller T e i l e n u n besonders stark. D i e E m p o r e n l a u f e n in die T i e f e , das obere Gesims f o l g t in derselben R i c h t u n g , tiefliegende N i s c h e n f a n g e n diese W ä n d e ab, Pilaster treten v o r ,

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Säulen bauen sich auf ihnen auf, leiten den Blick wie d u r c h ein T o r in den C h o r r a u m . Was aber wie eine Folge von Räumen scheinen kann (und zu ebener Erde auch tatsächlich ist), ist in W a h r h e i t zu einem in sich vielfältigen, im ganzen dennoch einheitlichen Gesamtraum zusammengeschmolzen, dem die Decke eine unwirkliche Größe verleiht. Zwei Altäre stehen, wie oft in Wallfahrtskirchen, übereinander. Im oberen Geschoß kniet J o h a n n v o n N e p o m u k im Gebet vor Maria. H e u t e ist hier eine empfindliche Lücke. Die V e r b i n d u n g z u r Dreifaltigkeitsgruppe fehlt. Man m u ß sich den hinreißenden Zusammenklang der drei Gruppen, die Verstrickung u n d Lösung, das Emporsteigen und die räumliche E r f ü l l u n g vorstellen. Die Dreifaltigkeit ist die gotisch-deutsche F o r m des Gnadenstuhls. Vier große Engel begleiten sie. V o r - u n d zurückschwebend, aller körperlichen Schwere enthoben, so schwingen sie in den imaginären Kuppelbau ein, den die Strahlenglorie über die Chorrundung wölbt und dem die Engel in kühnster Freiheit entgegenschweben. Weiter k a n n die Phantasie des Baukünstlers nicht gehen: Hauchzarte A n d e u t u n g einer Kuppel, jeder architektonischen F o r m u n g entschlüpft, ein traumhaftes Schweben im R a u m . Jetzt begreifen wir auch die geigenförmige Einziehung der Empore im C h o r , jetzt auch die entsprechende Ausweitung d e r Orgelbühne. Säulen tragen nicht, E m p o r e und Gebälk wölben sich ohne Stützen vor. Die begrenzende Mauer ist in sich noch in einzelne vor- oder zurückschwingende Schichten eingeteilt. Die E m p o r e n b r ü s t u n g wird stellenweise v o n stukkierten T ü c h e r n verhangen. Die struktive Logik hat hier aufgehört. Farbe, Licht, Plastik u n d D e k o r a t i o n sind die raumschaffenden, spannungserregenden Elemente. R a n k e n , Girlanden, b u n t e Blumen, Weintrauben, Engelsköpfchen beleben W ä n d e u n d Säulen als blühendes, sinnlich-freudiges O r n a m e n t . Die warme, bald stärker erwachende, bald ins D ä m m e r zurücksinkende „brünstige" Farbigkeit gibt dem Raum den schwülen Glanz schwebender Leidenschaft, das Ungewisse, das die Wandmalereien noch erhöhen: Nicht Fenster t u n sich auf, d u r c h die das Licht u n d m i t ihm auch die Freiheit der N a t u r ahnungsvoll hereinbricht — nein, vorgestellte Welten der Unendlichkeit werden in d u n k e l - d u m p f e n Gemälden Sinnbilder des Grenzenlosen. Die Fenster aber sitzen hoch und verdeckt oder im Rücken des Eintretenden, das Geheimnisvolle aufs höchste steigernd. Diese Welt läßt in der T a t R a u m f ü r das Unaussprechliche, f ü r das Mystische, f ü r das Dunkle in der Menschenseele. Die Decke bricht auf, Licht fällt herein. Aber das ist nicht Jubel allein, das ist ein fast beklemmender Rausch. I m magischen Licht hoch über unsern H ä u p t e r n schwebt der Gnadenstuhl. Das ist keine Wirklichkeit mehr, das ist eine Vision. Die Bewegung wird, m a n k a n n sich dieses Eindrucks nicht erwehren, künstlich gesteigert: ein wahrer Rausch von Bewegung. Die Erregung aller Empfindungen ist so groß, daß das Unendliche gebannt erscheint in die Vision des Schaubaren, daß sie der t r a u m h a f t geweiteten Seele erreichbar wird, greifbar, zugänglich m i t allen Sinnen, die der N a t u r zu spotten vermögen, u m des Übernatürlichen d u r c h die Kraft des vorstellenden Geistes habhaft zu werden. W i r erschauern angesichts eines so deutlich gefühlten Gegensatzes zwischen Daseinsbejahung u n d Vergänglichkeitsglaube. Aus diesem Gegensatz heraus d r ä n g t die Fülle der Gesichte nach Formung, bei der sich Bauen, Bilden, Malen allein als unzulänglich erweist u n d sich alles zusammenschließt zu einer einmaligen, unwiederholbaren und sehr persönlichen Leistung.

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Wallfahrtskirche

D O M I N I K U S

Steinhausen

Z I M M E R M A N N

U n t e r den drei B a u t e n D o m i n i k u s Z i m m e r m a n n s , die w i r aus seinen W e r k e n herausstellen, sind Steinhausen ( 1 7 2 7 ) und die Wies ( 1 7 4 5 ) in der G e s a m t f o r m a u f s engste v e r w a n d t , G ü n z b u r g ( 1 7 3 6 ) und die Wies durch die sehr ähnliche Gestaltung des Chores einander nahe gerückt. Steinhausen ( 1 7 2 7 — 1 7 3 3 , gleichzeitig mit Fischers St. A n n a am Lehel) ist ein einziger langelliptischer R a u m m i t zehn eingestellten Freipfeilern, an den 7 2 - 7 6 sich der querovale kleine C h o r r a u m z w a n g l o s anschmiegt. D a s mäßig große, dennoch weit u n d l u f t i g w i r k e n d e O v a l bestimmt den R a u m . D e r A u ß e n b a u sucht dies z u v e r schleiern, w i e ja auch der G r u n d r i ß durch die im R a u m b i l d nicht mitsprechende T u r m v o r h a l l e ausgewogen dreiteilig zu sein scheint. Es hat den A n s c h e i n , als ob sich z w e i R ä u m e , L ä n g s - u n d Q u e r b a u , durchkreuzten. D i e Giebel wie auch die gradlinige M a u e r flucht der beiden m i t t l e r e n Achsen unterstreichen diesen Eindruck. Es sind hier E r innerungen an die deutsche B a u k u n s t des 1 7 . J a h r h u n d e r t s . D e r hinter dem Westgiebel aus der Baumasse a u f w a c h s e n d e T u r m steigert die lebendig-bewegte G r u p p i e r u n g ins G r o ß z ü g i g e . I m I n n e r n w i r d der Z u s a m m e n h a n g mit d e r deutschen Spätgotik o f f e n k u n d i g : D i e Stützen b e s t i m m e n den R a u m . Sie schaffen eine Freipfeilerhalle, wie sie v e r ä n d e r t u n d bereichert in der Wies w i e d e r k e h r t . D i e Pfeiler bilden einen U m g a n g . Es liegt im Wesen des O v a l s , daß L ä n g e n a u s d e h n u n g u n d Mittenbezogenheit u n t e r d e m Z w a n g m a t h e m a t i s c h e r Gesetzmäßigkeit sich vereinigen. D e r U m g a n g f o r d e r t z u m Umschreiten a u f : D e r S c h w i n g u n g d e r A u ß e n w a n d f o l g e n d , erlebt der M e n s c h im Schrägblick das Fließen des R a u m e s , den lockerfesten Stand der P f e i l e r , die stets neuen R e i z e der Durchblicke, das Spiel v o n Licht u n d L u f t . V o m E i n g a n g z u m C h o r schauend, e m p f i n d e t m a n den b e r u h i g t e n T i e f e n z u g des Raumes und die rhythmisch taktierende K r a f t der P f e i l e r , zugleich ihren H o c h d r a n g , ihren stolzen Wuchs u n d ihre K ö r p e r l i c h k e i t . E i n Kreisen e r f ü l l t den R a u m w i e M u s i k . D i e O r g e l e m p o r e schwingt m i t der W a n d k u r v e zurück, u n d der C h o r m u l d e t sich in fladiem O v a l m i t einer Leichtigkeit, die n u r durch den allzu schweren H o c h a l t a r ein w e n i g beeinträchtigt w i r d . 72,73

In der neun J a h r e jüngeren Frauenkirche in G ü n z b u r g ( 1 7 3 6 — 1 7 4 0 ) gibt Z i m m e r m a n n den G e d a n k e n d e r o v a l e n Freipfeilerhalle w i e d e r auf. E r b r i n g t eine e i n f a c h e r e R a u m a r t , die aber mit außerordentlidiem F e i n g e f ü h l behandelt w i r d . A n einen langrechteckigen H a u p t r a u m schließt sich der etwas schmälere C h o r an. Die Ecken sind abgerundet u n d als kleine N i s c h e n ausgebildet. D i e Langhausseiten schwingen i n der M i t t e leicht aus. Sie lassen die Querachse n u r ahnen. D i e Säulen treten plastisch v o r die W a n d . D u r c h die A r t , w i e sie zueinander gestellt sind u n d w i e das G e b ä l k eine be26

Frauenkirche Ciinzburg an der Donau

wegte Einheit bildet, entsteht eine lebendig-lockere Bewegung der raumschließenden Wand. Ein ovales Spiegelgewölbe faßt den Raum zentral zusammen. Der Chor •zeigt die alte F o r m des Umgangs. Nach spätgotischer Tradition ist das letzte Pfeilerpaar zusammengerückt. In zwei Geschossen baut sich der Gnadenaltar auf. Das große Chorhaus ist mit feinem G e f ü h l f ü r räumliche Weite aufgelockert und durchlichtet. Die Vielheit der Durchblicke löst die begrenzende W a n d tiefräumlich auf. Der im Hauptraum gebändigte Reichtum kurvierten Linienspiels entfaltet sich im Chor zu vollster Blüte. Die Vollendung bringt ein Jahrzehnt später die Wallfahrtskirche in der Wies, Z i m - 7 7 - 8 5 mermanns letztes und vollkommenstes W e r k (1745 — 1 7 5 4 ) , in der Unberührtheit einer stillen und erhabenen Landschaft gelegen. Stundenweite dunkle Wälder umsäumen eine einsame Bergwiese. Der H ö h e n z u g des Trauchberges schließt sie gegen Süden ab, die Berge des Lechgaues stehen in der Ferne, wir sind nicht weit v o m Werdenfelser Land. Der Landschaft zwischen Lech und A m m e r ist Zimmermanns Kirche verbunden wie ein Naturgewächs. Landschaft und architektonische Schöpfung schließen sich in so wunderbarer und selbstverständlicher Weise zusammen wie nirgends sonst in Bayern oder Schwaben. Vielleicht konnten sich gerade auf der Grenzscheide zwischen bayrischem und schwäbischem V o l k s t u m — ähnlich wie in Ottobeuren — die schöpferischen K r ä f t e der Heimat am höchsten und am stärksten entfalten. Man muß v o n Steingaden oder Saulgrub aus wandern an einsamen G e h ö f t e n und Sägemühlen vorüber, durch dunkle Wälder und über rauschende Wildbäche — plötzlich ist der Wald zu Ende, w i r schauen die Kirche! D e r Weg zu ihr über die weite Wiese ist ein köstlicher Gang. Wie ein Einödhof liegt sie da. Einige wenige Bauernhäuser schieben sich an die Kirche heran. Große mächtige Bäume beschatten ihre Fassade. Wie etwas Ungeahntes, ja Märchenhaftes mutet sie uns an. Uralte Sehnsucht des deutschen Menschen ist in ihr wach geworden: Einssein mit der N a t u r . H i e r hat der Baumeister mit höchster K u l t u r und zugleich echter N a i v i tät alle Gegensätze in letzter R e i f e bezwungen. Der N a m e der Bergmatte ging auf die Kirche selbst über: Die Wies. Die Kirche ist mit dem Priesterhause, einem kleinen Landhaus in Hufeisenform, zusammengebaut. A n der Verbindungsstelle wächst der T u r m empor: ein vorzüglicher Ausgleich gut verteilter Massen. Schon v o n außen ahnt man die A u f t e i l u n g des Innern: Die Vorhalle, den längsovalen H a u p t r a u m , den langgestreckten C h o r . D e r Außenbau ist einfach und glatt, nur durch schwache Lisenen gegliedert. Die eigenwillig ornamentale U m r i ß f o r m der Fenster belebt die W a n d . Großzügig einfach wächst darüber das hohe Dach empor. N u r die sich v o r w ö l b e n d e Stirnseite ist plastisch durchgebildet: auf hohen Sockeln einfädle oder gekuppelte Säulen mit hohem, lebhaft schwingendem Frontispiz. A n den Seiten lustige Giebelchen v o n Blumenvasen bekrönt. 2

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W i r treten ins Innere, zuerst in eine kleine nüchterne Vorhalle. W i r öffnen die einfache, bescheidene T ü r . Einen Schritt noch unter dem Schatten der Orgelempore vorwärts, und es ist, als ob sich ein Wunder vor uns auftut. Ein Wunder an lichter Helle, an Weite und fließender Bewegung, an zarter und dennoch glutvoller Farbigkeit. Auch der nüchternste und schlichteste Besucher wird von der Heiterkeit und Köstlichkeit dieses Raumes mitgerissen. Ein wundersames Schwingen teilt sich dem Körper mit, man glaubt, Musik zu hören, ein vielstimmiges Orchester von strahlendem Glanz und märchenhafter Innigkeit. In der Wies verbindet Zimmermann Steinhausen und Günzburg zu einer neuen, unübertroffenen Einheit: ein ovaler Hauptraum mit eingestellten Freistützen und Umgang und ein zweigeschossiger Chor, unten durch schwere Pfeiler in Arkadenbögen gegliedert, oben durch Säulen zu einem Umgang geöffnet. Was aber bedeuten diese Feststellungen angesichts des überwältigenden räumlichen Reichtums. Nach beiden Seiten schwingt der Raum aus, verharrt für Augenblicke in wohliger Breite, schließt sich nach dem Chor zu zusammen. Dieser, durch eine Brüstung unterteilt, bietet ein festlich-reiches Bild. Folgen wir der ovalen Schwingung des Umgangs, so erleben w i r im Schrägblick plötzlich die Tiefenentwicklung des Chors. Jeder Schritt bringt ein verändertes Bild. Der Umgang gewährt immer wieder neue Durchblicke. Er ist es, der den R a u m scheinbar so grenzenlos macht, nicht als Seitenschiff, sondern als unlösbarer Teil eines Gesamtraumes, der in seiner so beweglichen und zugleich geschlossenen Gestalt dieser Vielfalt sehr wesentlich bedarf. Ja, recht eigentlich empfinden wir diesen schmalen Ring weniger als Umgang, sondern als losgelösten und den Raum rhythmisierenden Teil der umfassenden Wand. Jedenfalls kann man Wand, Pilaster, Pfeiler, Fenster, Bögen, Gewölbe durchaus als zusammengehörig betrachten. In Steinhausen waren es zehn Pfeiler, hier sind es acht Pfeilerpaare, durch Sockel und Architrav zusammengekuppelt. Standen sie dort in regelmäßiger Reihung, so entsteht hier ein anderes T a k t m a ß : engere und weitere Zwischenräume rhythmisieren das schmiegsame Fließen beruhigter Bewegung. Man ist ungewiß, ob man die Pfeiler nicht Säulen nennen sollte. Sie sind gerundet, an den Ecken kantig gebrochen. Elastisch wachsen sie empor. Bis in den Architrav verfolgen wir ihre schmiegsame Biegsamkeit. Die Gesimse aber, die dem Oval sich anpassen und die über die Zwischenräume hinweg wie eine ringsumlaufende Horizontale wirken, sind von höchster Straffheit: die streng tektonische Basis für den nun losbrechenden Bewegungsreichtum. Noch sind die Bogen, die zu den Pilastern der Wand zurückgreifen, einfach und klar. Durch den Doppeltakt der Pfeiler bedingt, entstehen zwischen ihnen mäßige Deckenabschnitte, die wechselnd als kleine runde oder ovale Flachkuppeln ausgebildet sind. Diese kleinen Kuppelräume öffnen sich nach den flachen Tonnen des Umgangs in sonderbar gekanteten Durchbrüchen. Die Bögen aber, die die Pfeilerpaare miteinander verbinden, werden durch Voluten bereichert, die sich bald nach oben ausrollen, bald nach unten einziehen. W i e streng und schwer waren diese Arkaden noch in Steinhausen. Hier bilden sie mit ihrer biegsamen Schwellung den Auftakt zu dem Bewegungsreichtum der Deckenzone. In den Zwickeln sitzen die rocaillenumrahmten Kartuschenbilder kleiner Engelchen. Das rings umlaufende Gebälk ist kantig gebrochen und kurvig geschwellt. Darüber wogt die lodernde und züngelnde Fülle des Muschel- und Rankenwerks, der Vasen und Girlanden. An vier Stellen öffnen sich oben im Gewölbeansatz kleine Loggien, die man betreten kann. W i e schon in Günzburg, so bringt Zimmermann auch in der Wies das alte Motiv der Wallfahrtskirche: den offenen Chorumgang im Obergeschoß. Zwei Altäre bauen sich hintereinander und übereinander auf und bilden eine völlige Einheit. V o m Eingang her scheint der große blaue Baldachin Bekrönung des Altars und Abschluß des Raumes zu sein. In der Mitte läßt ein kreisrunder Ausschnitt, ähnlich den Durchbrüchen des Umgangs, den Blick ahnungsvoll in dahinterliegende Räume gleiten. Tatsächlich wölbt sich hinter ihm eine kleine quergestellte ovale Kuppel, die die beiden Altäre zusammen28

Wallfahrtskirche

in der Wies

zieht. Umgang und Altarraum binden sidi zu einer fließenden Einheit zusammen. Hier haben wir noch stärker als im Hauptraum das Gefühl einer in mehrere Zonen aufgespaltenen Wand. Größer ist der Reichtum an bewegten Formen — Bögen, Durchbrüchen — nicht zu denken. Besonders charakteristisch für Zimmermann sind seine Fensterformen. Schon von außen beleben sie die fast ungegliederten Wandflächen wie ein eigenwilliges Ornament. Sie sind es, die der Wandflädie ihren besonderen Ausdruck verleihen. Die dekorative Bedeutung der Fenster setzt sich durch. Sie sind durch die kurvierte Linienführung ihrer Öffnungen zu ornamentalen Figuren geworden. Ihr W e r t liegt eben nicht nur in der Rahmung, sondern in der formenden Kraft der Öffnungen selbst. Sie sind damit Elemente der Mauerfläche, der sie einen dekorativ-festlichen Charakter geben.

AUSSTATTUNG Die

Plastik

Nirgends stärker als bei Egid Quirin Asam empfinden wir die Plastik als die höchste Sinnerfüllung seiner Architektur. In ihr steigert sich die mimische Gebärde bis zu packen4 5-47 der Dramatik. Das Geheimnisvolle wird hier faßbar. Was sich da vor unseren Augen abspielt, mutet zuweilen wie ein handgreifliches und derbes Theater an. In R o h r war es die Himmelfahrt Mariens, in Weltenburg der Kampf des Hl. Georg mit dem Drachen. Es ist wirklich eine Bühne, die wohl das trunkene Auge aufnimmt, in die aber schon der wägende Verstand kaum noch Z u t r i t t hat, geschweige denn der menschliche Fuß. Hier wie dort steigern sich die plastischen Mittel. Die Säulen häufen sich, Balkone springen vor, Gebälk tritt zu. Der Bau scheint gleichsam unter den H ä n d e n des knetenden Plastikers entstanden zu sein. Die Bauglieder geben ihre eigene Funktion auf, um in einem höheren Sinne in die dekorative Einheit eines traumhaft visionären Raumschlusses einzugehen. In R o h r ist die lodernde Gebärdensprache plastisch geballter, menschlicher Gruppen Erfüllung und Erlösung. U m den geschwungenen Sarkophag des Hochaltars agieren die Apostel. Sie sind voller Staunen, Verwunderung, Skepsis und jubelnder Inbrunst zugleich. So begleiten sie das Auffahren der Mariengruppe. Einer steigt die Stufen hinauf. Es ist etwas Königliches in seiner Haltung. Ein anderer bricht zusammen, ein dritter starrt mit einer beschwörenden Geste in den leeren Sarkophag, innerlich zerrissen, voll Zweifel und dennoch gepackt. Wieder ein anderer wirft den Arm hoch, daß er fast aussieht wie eine aufzüngelnde Flamme. Jeder hat seine Rolle im gesamten Spiel, keiner wäre herauszulösen ohne Schaden f ü r das Ganze. Hier mischt sich in seltsamer und seltener Weise packende Realistik und geheimnisvolle Illusion. Auch da ist Asam ein echtes Kind seiner Generation. Er kennt auch das Dunkle, Geheimnisvolle, Hintergründige. Es ist geradezu der Kern seines Wesens. Die Gestalten um den Sarkophag in R o h r weisen durch Gebärde und Mimik nur auf die Gruppe der aufsteigenden Maria hin. Sie gehören dazu wie die Stimmen eines Orchesters, von denen keine ausfallen darf, denn sie begleiten die Himmelfahrt wie ein riesiges raumhaltiges Ornament. Überwunden ist alle Schwere. Diese Engel fliegen wirklich, ihre Flügel breiten sich weit in den Raum. Wie vom Sturmwind bewegt, blähen sich Kleid und Mantel Marias auf. In einer weit ausholenden Gebärde bezwingt sie den Raum. Diese Bewegung ist zierlich, aber es steckt Leidenschaft dahinter — ein Flug hinauf in die Seligkeit. 5 7-5 9

Fast geblendet von dem licht- und farbenerfüllten Kuppeldurchbruch in Weltenburg sieht man aus der hellen Choröffnung die riesenhafte Figur des silbergleißenden St. Georg in den dämmrigen Raum hineintreten. Man denkt ohne weiteres an Schlüters Großen Kurfürsten. D o r t ist ein Mensch voll drängender Kraft und innerer Größe, d o r t bedeutet die weitausholende Gebärde T a t ; ein männlicher Erobererdrang beherrscht eine echte Persönlichkeit. Das ist das Werk eines reifen Mannes. Aber wir denken zugleich auch an das Werk eines gleichaltrigen Künstlers, der elf Jahre später die große Martinsgruppe f ü r den Hochaltar in Preßburg schuf, an Georg Raffael Donner. Mit Bedacht wählte Donner das nachgiebige Blei als den fügsamen Stoff zur Sichtbarmachung seiner Absichten: Belebung in der Geschlossenheit. Durch den milden seidigen Glanz werden alle Flächen in lockerer Weichheit schmiegsam. Der Georg Asams könnte die Weichheit des Bleis haben. Aber bei Donner ist der U m r i ß der Figuren fließend, die Gebärde behutsam, das Gefühl gedämpft, verhüllt. Unaufdringlich bindet Donner Reiter u n d Bettler mit dem Pferd zu einer still verhaltenen und doch von Leben durchglühten Gruppe. Wie anders wirkt die ausgreifende Geste des Reiters, die ziehende Kraft des Rosses in Schlüters Denkmal. Hier steht der junge Asam dem älteren Schlüter näher als dem gleichaltrigen Donner. Dennoch, welch ein Abstand. Dieser Georg Asams w i r k t wie eine Erscheinung, eine traumhafte Vision mit höchst realen Mitteln. In dem 3°

gleichen Jahrzehnt schafft Joachim Dietrich die vier Kirchenväter f ü r Dießen. E r gehört sicherlich in die gleiche Generation. Das ist kein Pathos mehr, wenigstens nicht in jener übersteigerten Hitzigkeit der Asams. Es ist der R e i z des Unregelmäßigen, des Verwischten, der wissentlich gesucht wird. Das feine Spiel der Linien, die geringe A b weichung eines Brauenbogens, die Schwingung einer Schläfe, die raffinierte Zeichnung einer Lippe entspricht der ganzen Haltung. Neben der kräftigen Wölbung der Stirn steht die k o n k a v e Einziehung der Schläfe, heraustretende Backenknochen wechseln mit einschwingenden Wangen. Die zahllosen kleinen Locken verschlingen sich weich in malerischem Spiel. W i r spüren es bei Joachim Dietrich so gut wie bei Ignaz G ü n t h e r : Der menschliche Ausdruck ihrer Bildwerke bleibt unentschieden, verschleiert, gedämpft, schließlich undeutbar. Das Empfindsame wird zum bewußt Koketten, Weichheit zu lässiger Eleganz, Leidenschaft zu Schwärmerei, ursprünglicher W i t z zu Ironie. Das Bewußtsein, etwa beim Petrus Damianus in R o t t , ist sehr wach, und das R a f f i n e m e n t ist bei ihm bis zum letzten getrieben. Das Ursprüngliche, das selbst noch in dem furioso eines Asam durchbricht, ist unzweifelhaft verloren. Wäre diese Figur nicht so ausgezeichnet gearbeitet, man könnte ihre blasierte Boshaftigkeit und hintergründige Ironie kaum fassen. Was die Gestalt als K u n s t f o r m sagen soll, sagt sie durch den Fluß und die R u n d u n g der Linien, die Feinheit der Oberflächen, die naturalistische Kleinarbeit der Einzelheiten. Das A n t l i t z ist verpanzert. Die wahren Regungen der Seele bleiben verborgen. Die Gestalt als Ganzes bringt das verschleierte Wesen zum Ausdruck. Spätstufe einer Kunst und überreife Gepflegtheit geben noch einmal einen selten kostbaren Klang. Diese Gestalten sind keine Persönlichkeiten mehr. Sie haben ihr Ich verströmt. Ein Blick auf das W e r k J o h a n n Michael Feichtmayrs bestätigt den tollen Wirbel zersträhnter Formen, die zupackende Lust an Bewegung, die nur einen Zweck erfüllt, ornamentales Spiel zu sein. Das ist das Entscheidende: auch die menschliche Figur wird Ornament. Körperliche Schwere ist trotz Üppigkeit und Sinnenfreude überwunden. Die Standfestigkeit ist aufgehoben. Asymmetrien beherrschen die Plastik. Der U m r i ß ist zerfetzt, A r m e und Beine strahlen v o m K ö r p e r aus wie züngelnde Flammen. D e r K ö r p e r selbst ist gleichsam nur ein Bündel auseinanderstrebender Kraftrichtungen. Willenlos unterliegt der Mensch diesem Diktat. Es ist ein manieristisches F o r m g e f ü h l , das in einer späten und verfeinerten Abwandlung noch einmal durchbricht. Die Erleichterung der Masse, die A u f l ö s u n g des Stofflichen ist kaum weiter zu treiben. Es liegt ja im Wesen des Stuckes selbst, daß er figúrale Elemente ins Ornamentale zwingt. Die Figur des menschlichen Körpers w i r d verschlungenes Spiel zuckender Bewegungen, heftiger Kreislauf abstrakter K r ä f t e . So zuckend und brüchig ist die Faltengebung nie mehr. U n d inmitten dieser sinnvoll-sinnlosen W e l t tummeln sich unbehelligt v o n jeglicher Gedankenblässe die Putten, die kleinen, nackten, molligen, lustigen Kinder, die in den Wogen der Ornamentik auf- und niederschaukeln, sich verstecken und sich entdecken: ein Bild sinnenhafter Freude und Lebensbejahung. J o h a n n Baptist Straub erscheint dagegen einfach, ernst, männlich. Seine Figuren bleiben zurückhaltend, innerlich-vornehm. Das Körperliche tritt zurück, das Seelische ist gedämpft, der Ausdruck verfeinert, voll charaktervoller Einzelzüge, voll gesteigerter Sinnlichkeit, voll lebendiger Eindringlichkeit. V o n Asam trennt ihn eine Welt, aber auch Donner steht er gänzlich fern, mit seinem Zeitgenossen Feichtmayr hat er nichts gemeinsam. In ihm lebt die Überlieferung alter Schnitzkultur der Spätgotik. Mit zunehmendem Alter — er wurde 80 J a h r e alt — geriet er unter den Einfluß seines Schülers Ignaz Günther. Ignaz G ü n t h e r ist ein echter Vertreter wirklicher Spätzeit. Ein großer Stil geht mit ihm zu Ende. Seine W e r k e sind v o n höchster Feinheit im Ausdrude wie in der A r t der Ausführung. Festliche Freude und sinnliche Eleganz strahlen aus ihnen. Die Figuren in 4 1 R o t t am Inn kennzeichnen sein W e r k mit all seinen Vorzügen und all seinen Schwächen. Diese Kunigunde ist große Dame v o n Welt, v o n einem sehr erlesenen G e f ü h l f ü r Z a r t heit und Leichtigkeit. Doch ihre H a l t u n g ist geziert, ihr Gefühlsausdruck v o n einer 31

K ä l t e u n d Blasiertheit, die n u r durch die Q u a l i t ä t der A u s f ü h r u n g erträglich w i r d . M i t lässiger, ja, geradezu manierierter H a n d b e w e g u n g r a f f t sie den Mantel. E i n flimmerndes V i b r i e r e n der Faltenstege läßt die F i g u r tänzelnd schweben. W i r vermissen das tiefe u n d w a r m e G e f ü h l , das noch die Meister der G e n e r a t i o n v o n 1 6 9 0 selbst bei höchster Ekstase auszeichnete. Bei G ü n t h e r spricht nicht das A n t l i t z , sondern die ganze Gestalt. D e r ästhetische R e i z einer v o l l k o m m e n e n L i n i e n f ü h r u n g u n d der sinnliche R e i z des nach außen gewandten G e f ü h l s w i r k e n zusammen. D e r oberschwäbische Bildhauer J o s e f A n t o n Feuchtmayer ist eine vielseitige Persönlichheit. E r kann in seinen Plastiken ebenso ekstatisch erregt w i e hingebungsvoll still sein, ebenso pathetisch w i e mild, drastisch derb wie überfeinert zart. Sein T e m p e r a m e n t sucht 9 3 - 9 6 die Gegensätze, ohne immer die K r a f t zu besitzen, sie zu vereinigen; daher ist sein W e r k unausgeglichen, aber stets ausdrucksvoll. D i e N e u - B i r n a u e r B i l d w e r k e sind der H ö h e p u n k t . E r hat auch in der Gestalt des Honigschleckers seiner Kinderliebe den schönsten A u s d r u c k gegeben. D i e lustigen, kleinen molligen P u t t e n beleben A l t ä r e u n d G e s t ü h l e mit ihrer neckischen und gefühlvollen Heiterkeit. W o immer sie auftreten, ist die Schönheit der N a t u r , die Freude des Lebens, die Unbeschwertheit des Daseins m i t ihnen. D i e Phantasie der deutschen K ü n s t l e r e n t f a l t e t sich in ihnen f r e i u n d gelöst; ohne sie ist der Spätbarock nicht denkbar.

Die

Malerei

D a ß die Deutschen in den meisten ihrer B a u t e n — charakteristischerweise m i t A u s n a h m e der älteren V o r a r l b e r g e r — die W a n d m a l e r e i , das große D e c k e n f r e s k o b e v o r zugten und künstlerisch zu einer V o l l e n d u n g ohnegleichen e r h o b e n , hat seinen G r u n d in dem R a u m d e n k e n , das v o r allem andern ihr Schaffen bestimmte. Die Malerei d e r Decken u n d W ä n d e belebt f a r b i g den R a u m . Sie r h y t h m i s i e r t ihn u n d lockert ihn a u f . Sie v e r b i n d e t W a n d u n d Deckenteile u n d v e r k n ü p f t Joche, läßt einzelne R ä u m e ineinanderfließen, schließt und verschmilzt so f ü r das A u g e , w a s der Architekt grundsätzlich im B a u schon zu verwirklichen sucht. A b e r die Malerei t u t m e h r , sie reißt die Decke auf, läßt das A u g e in neue W e l t e n u n d R ä u m e schweifen. S t u f e n f ü h r e n hinauf, Säulen und P f e i l e r wachsen auf, B o g e n und K u p p e l n w ö l b e n sich k ü h n u n d weit über eine Fülle v o n Gestalten. K ü h n e r w i r d die Phantasie des Malers. D e r H i m m e l bricht herein, W o l k e n schweben hernieder. D i e Menschengruppen ballen sich zusammen, w e i t e n sich in riesigen Kreisen, fliegen e m p o r , gleiten u n d schweben, schwerelos, k ö r p e r b e f r e i t . Überirdisch f ä l l t Licht herein, jäh u n d plötzlich oder sanft u n d allmählich. H i e r reißt es eine leuchtende Gasse a u f , d o r t f ü h r t es das A u g e in k ü h n e n B a h n e n hinauf u n d hinaus, an anderer Stelle umschmeichelt es sanft die Gestalten oder taucht sie in hauchzartes D ä m m e r n . D i e Malerei ist eine Z a u b e r i n u n d will Illusion. Sie k a n n am reinsten die w a h r e n A b sichten des Barocken enthüllen. L i e g t es doch in ihrem Wesen, den sinnlichen A b g l a n z des Lebens in die f a r b i g e Fläche zu bannen. W i r k l i c h k e i t u n d V o r s t e l l u n g fließen o h n e f ü h l b a r e G r e n z e n ineinander. Ihre künstlerische G e s t a l t u n g s k r a f t erweist sich als schöpferisch u n d lebenskräftig. O f t liegen den G e m ä l d e n schwere u n d verwickelte T h e m e n zugrunde, die schon damals n u r einem kleinen Kreis b e k a n n t w a r e n u n d heute v o n den wenigsten verstanden werden. L e i d e t darüber ihr C h a r a k t e r , ihr T e m p e r a m e n t , ihre W i r k u n g auch nur im geringsten? Es w ä r e nahezu gleichgültig, wollten sie — der Historienmalerei bereits in gewissen Zügen v e r w a n d t — nur S t o f f , Heiligengeschichte o d e r religiöse T h e m e n bewältigen. A b e r die Deckenmalerei n i m m t nicht nur durch die G e w a l t des malerischen V o r t r a g s u n d der f e i n f ü h l i g e n L e u c h t k r a f t der Farben gefangen. D i e Intensität des Ausdrucks und die G e w a l t ihrer kompositorischen K r a f t gibt ihr die W i r k u n g . Sie w i r d zum S y m b o l des ganzheitlichen Lebensgefühls, das im barocken R a u m i m m e r w i e d e r nach Gestalt ringt. Sie w i r d schließlich z u m Sinnbild einer d r ä n -

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g e n d e n u n d w i e v o n leidenschaftlichen G e s i c h t e r n g e t r i e b e n e n G e s t a l t u n g s k r a f t . M i t A n s p a n n u n g aller Sinne u n d N e r v e n w i r d d e r Beschauer in das d r a m a t i s c h e Geschehen der Deckenbilder hineingezogen. O b e r die künstlerische H e r k u n f t aus d e r italienischen D e c k e n m a l e r e i des 17. J a h r h u n d e r t s ( C a r r a c c i , P i e t r o d a C o r t o n a u n d schließlich A n d r e a P o z z o ) k ö n n e n keine U n k l a r h e i t e n bestehen. Die B r ü d e r A s a m haben durch ihren S t u d i e n a u f e n t h a l t in R o m die barocke W a n d m a l e r e i aus nächster N ä h e k e n n e n g e l e r n t . Es ist nicht unwichtig, d a ß P i e t r o d a C o r t o n a O b e r i t a l i e n e r ist u n d d a ß in Italien selbst sich das Schwergewicht v o n R o m nach Venedig u n d Oberitalien verschiebt, in der Malerei so gut wie in d e r B a u k u n s t . M a n d e n k e an T i e p o l o , der einen g r o ß e n Teil seines Lebens in Deutschland arbeitete u n d auf M a t t h ä u s G ü n t h e r nicht o h n e W i r k u n g blieb. Bleiben w i r bei C o s m a s D a m i a n A s a m . D i e V e r a r b e i t u n g italienischer V o r b i l d e r in D e c k e n b i l d e r n g r o ß e n Stils v o l l z o g d e r K ü n s t l e r in W e i n g a r t e n . D i e M a l e r e i e n im 4>5 W e s t j o c h wie im O s t j o c h sind o h n e P o z z o nicht d e n k b a r . D e n n o c h , welch ein U n t e r schied! E i n e r solchen Steigerung aller M i t t e l , e i n e r solchen r a u s c h h a f t e n Bewegung, einer solchen Ballung leidenschaftlicher G e f ü h l e w ä r e kein Italiener f ä h i g gewesen. I m W e s t joch erscheint die A r c h i t e k t u r d e r Pfeiler im D e c k e n b i l d noch e i n m a l , übersinnliches Spiegelbild des realen R a u m e s , schaubar, a b e r nicht b e t r e t b a r , w i r k l i c h k e i t s n a h , a b e r doch n u r eine v o r g e t ä u s c h t e W e l t . D i e o f f e n e K u p p e l gibt d e n Blick in d e n H i m m e l f r e i . R o t g o l d e n v e r g l ü h t der S o n n e n b a l l , v o r d e m B e n e d i k t e n t s c h w e b t . I m O s t j o c h wachsen wuchtige Säulen auf schweren Konsolen g e r a d e z u zyklopisch in die H ö h e . Ein v e r k r ö p f t e r A r c h i t r a v f a ß t sie z u s a m m e n . Eine d ä m m r i g e K u p p e l schließt nach oben. Auch sie bricht auf, helles Licht s t r ö m t h e r e i n , W o l k e n schweben h e r a b . D r o h t e n e b e n noch die K o n s o l e n v o n d e r M a c h t d e r Massen h e r u n t e r z u b r e c h e n , so w i r d d e r K u p p e l b a u leicht u n d weit v o n w a r m d u r c h g l ü h t e n F a r b e n erhellt. I n d e r Säulenhalle erleben w i r das P f i n g s t w u n d e r . Auf d e n W o l k e n t r e i b e n die R e i g e n seliger Engel d e m ü b e r w i r k l i c h e n Licht d e r H ö h e zu. Dieses magische L i c h t w u n d e r aber ist in d e r V i e r u n g s k u p p e l W i r k l i c h k e i t g e w o r d e n . H i e r b a u e n sich k e i n e Säulen m e h r auf, hier spiegelt nicht die g e m a l t e A r c h i t e k t u r die tatsächliche. D a s Bild e n t w i c k e l t sich nach eigenen Gesetzen u n d mit einer „ L o g i k " , die n u r i m Bereich der Bewegungs- u n d Lichtströme z u suchen ist. D i e W e l t e n b u r g e r G e m ä l d e , Schlußglieder d e r eigenen r ä u m l i c h e n S c h ö p f u n g , zeigen 5 4, J y das Schaffen A s a m s auf d e r H ö h e . Es sind K o m p o s i t i o n e n in g r o ß e n Gestalten, zu Massen geballt, in s t a r k e r A k t i o n , e i n a n d e r b e k ä m p f e n d wie die S t i m m e n im g r o ß e n O r c h e s t e r , in w e i t e n K u r v e n a u f g e b a u t , h i n t e r e i n a n d e r u n d ü b e r e i n a n d e r , helle u n d d u n k l e G r u p p e n im Wechsel. D a s G e m ä l d e im Mittelschiff zeigt eine K u p p e l h a l l e v o n Säulen getragen. W i e die M ü n c h n e r Kirche aus d e m gewachsenen Fels h e r a u s z u w a c h s e n scheint, so g e h t hier die K u p p e l h a l l e aus W o l k e n h e r v o r . A u s d e m lichtesten E l e m e n t e r w ä c h s t ein Bau v o n w u n d e r b a r e r K l a r h e i t , f r e i u n d l u f t i g , ü b e r s c h a u b a r u n d nicht o h n e W ü r d e . G u r t b o g e n schwingen e m p o r z u r gewaltigen T a m b o u r k u p p e l . D i e T ä u schung k a n n k a u m ü b e r b o t e n w e r d e n . D u r c h das d ä m m r i g e G e w ö l b e schießt das Licht h e r e i n , eine s t r a h l e n d e B a h n , alles in i h r e n Bereich z i e h e n d , die w a h r e K r ö n u n g des G a n z e n . Scheinwelt ist z u r W i r k l i c h k e i t g e w o r d e n , aber z u r W i r k l i c h k e i t e i n e r T r a u m welt, die auf einem Stück flachgemuldeter Decke, b e w u ß t bis zum R a f f i n e m e n t , g e k o n n t wie n u r i r g e n d e i n v o l l e n d e t e s T h e a t e r , geadelt d u r c h ein h i n r e i ß e n d e s T e m p e r a m e n t , die H e r r l i c h k e i t einer nie geschauten W e l t v o r A u g e n f ü h r e n will. D e r W o l k e n k r a n z , der die T a m b o u r k u p p e l u m s c h w e b t , m u t e t wie eine geistreiche W i e d e r h o l u n g des f r e i s c h w e b e n d e n Reifes an, n u n erst A b s t a n d , R a u m u n d T i e f e schaffend. D i e t r i u m p h i e r e n d e Kirche ist das T h e m a d e r D a r s t e l l u n g : die heilige D r e i f a l t i g k e i t schwebt in d e r K u p p e l , M a r i a auf W o l k e n h e r a b f a h r e n d e m p f ä n g t die K r o n e , zu i h r e n F ü ß e n scharen sich die H e i l i g e n , die aus d e r Säulenhalle h e r a u s s t r ö m e n , u n t e r i h n e n d e r R i t t e r G e o r g u n d d e r G r ü n d e r des O r d e n s B e n e d i k t . Auf d e r a n d e r e n Seite e r k l i n g t das himmlische K o n z e r t . D e r R e i g e n d e r Engel w i r d z u m f r e i e n Schweben im R a u m .

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I n der Münchner N e p o m u k - K i r c h e verzichtet Asam fast v o l l k o m m e n auf gemalte Architektur. Was heute nodi das forschende Auge infolge der Zerstörung des Freskos enträtseln kann, ist eine gewagte und phantastische T r a u m w e l t . Ähnlich einem gotischen Gemälde, aber ungleich kühner, hemmungsloser und schweifender werden zeitlich und räumlich auseinanderliegende Handlungen in eine neue, überlogische, aber erlebnismäßig überzeugende Handlungseinheit zusammengeschlossen. Das Leben des heiligen J o h a n n v o n N e p o m u k am H o f e König "Wenzels ist dargestellt. W i r erleben die H ö h e p u n k t e : seine Verurteilung und seinen Sturz von der Moldaubrücke. Fast geisterhaft ragen hinter diesem grausigen Geschehen die T ü r m e des St. Veitsdoms in P r a g auf. In feierlich-reichem Zuge w i r d die Leiche heimgeführt. Begleitet von den Allegorien der Weisheit, Stärke, Gerechtigkeit und Wahrheit erfolgt seine Verherrlichung im Himmel. Phantastisch der turbulente Sturz der Laster. Mit großer Freiheit behandelt Asam diese Themen. Was das innere Auge schaut, soll als Wirklichkeit empfunden werden. Die Kraft, die v o n den Bildern ausgeht, reißt den Beschauer in die W e l t des Überwirklichen. Das auf Bewegung und Spannung gerichtete R a u m g e f ü h l erhält in den Deckenfresken die rauschhafte Vorstellung der Offenbarung einer traumhaften Welt. Die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Vorstellung, Sein und Schein sind unklar gelassen. Feulner hat das W o r t der Irrationalität des T r a u m h a f t e n durch die Z e r t r ü m m e r u n g der alten T e k t o n i k geprägt. Tatsächlich stellt sich die traumhaftvisionäre Welt im A u f b a u einer neuen Handlungseinheit vor. Die Stärke der D a r stellung reißt den Beschauer in ein Meer von widerstreitenden Gefühlen. Eine heftigere H i n w e n d u n g zum Beschauer kann nicht gedacht werden. Es ist eine ausgesprochen persönliche T a t Asams, mit welch überzeugender Glaubhaftigkeit er das Übersinnliche packend und derb, sachlich und gegenwartsnah behandelt. O f t streift er hart an die Grenzen des Theatralischen. Zuweilen ist er von einer aufdringlichen Sinnlichkeit. A b e r wie keiner v o r ihm verbindet er Schweres mit bezaubernder Leichtigkeit, überwindet er oft Programmatisches mit hinreißender Ursprünglichkeit, deren Pulsschlag sein ganzes Schaffen immer wieder machtvoll durchblutet. Gerade durch sie erweist er sich als ein wahrer Sohn seines heimatlichen Bodens. Sein großer Gegenspieler war der sechs Jahre ältere Wessobrunner Johann Baptist Zimmermann. Das Deckengemälde in der Wies behandelt ein T h e m a aus der A p o k a lypse. Christus thront als Weltenrichter auf dem weitgespannten Regenbogen. Aus hellstem Licht schweben Engel auf ihn zu, ihm das K r e u z zu bringen. Z u seinen Füßen steht der Baldachinsessel, seine H a n d weist auf das unerbittlich verschlossene T o r der Ewigkeit. Ihn umgeben auf W o l k e n sitzend die Apostel und die weiten Chöre der Engel, Maria unter ihnen als ihre Königin. Das ganze Bildfeld ist ein Meer von Wolken. In die unendliche Weite schäumen und verspritzen die reichkurvierten Rahmenelemente der Dekoration. N u r Thronhimmel und T o r der Ewigkeit ragen als feste Erscheinung in den Schaum der Wolken hinein. Mannigfaltig ist die Abstufung von dicken W o l k e n ballen bis zu feinsten hauchdünnen goldumsäumten Schleiern. Die Massen der Engel und Heiligen sind mit sicherem G e f ü h l f ü r Lockerheit und Freiheit verteilt. U n t e r dem Regenbogen treten sie dicht zusammen, nach den Seiten hin entschweben sie in lockeren Reihen, bald fliegen nur noch posaunenblasende Engel durch den Äther, und in den endlosen Fernen tauchen am Rande eines Wolkenschleiers Engelsköpfchen von rührender Zartheit auf. Es liegt eine sehr vornehme und zugleich sehr verinnerlichte Stimmung über dem ganzen Bild. Ist Asam schon nicht allein v o n seinen italienischen Anregern, sondern auch von Rubens her zu begreifen, so spüren wir bei Zimmermann den vollen Einbruch der nordischen Malerei. Immer wieder klingt bei ihm ein ausgesprochenes N a t u r g e f ü h l durch. Zimmermann kann R o m a n t i k e r sein. Auch er träumt, aber seine T r ä u m e sind wie die rosigen Bilder einer sonnig durchfluteten Landschaft. In Stein7 3 hausen wachsen Bäume auf. Die W o l k e n glühen, und wie ein Reigen seliger Genien tanzen die Engel auf ihrem Saum. Die L u f t zittert. Der Maler hat keinen Sinn f ü r das Vielerlei. Einige große Motive schwingen ruhig aus. H i e r gibt es keine geballten

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Menschenmassen mit leidenschaftlicher Gestik. Schließlich ist eine V e r s a m m l u n g v o n Pathetikern auf die D a u e r nicht auszuhalten. Die G r u p p e n d e r vier Erdteile sind v o n gelöster Bewegung, locker u n d frei. In Berg am L a i m schließlich w i r k t eine poetische V e r k l ä r u n g der Geschichte des heiligen Michael v o n duftiger Z a r t h e i t durchaus wcltlich. Man ist f ü r Augenblicke versucht, an das Erscheinen des Bacchus in „ A r i a d n e auf N a x o s " zu denken. A u f der einen Seite finden wir eine Hofgesellschaft im modischen K o s t ü m der Zeit, auf der andern weidet das „bukolische" V i e h . Diese Malerei hat den Sinn f ü r das kapriziös Zugespitzte, aber auch f ü r echte Empfindsamkeit. Sie v e r f ü g t über eine reiche Palette, zarte Farben, Zwischentöne. A b e r sie kennt auch leuchtende u n d frische Farben, besonders Blau, viel R o t in allen A b s t u f u n g e n v o m R o t b r a u n ins R o t g o l d , alle Schattierungen des G r ü n . Matthäus G ü n t h e r , wie Z i m m e r m a n n Wessobrunner, löst sich frühzeitig v o n Asam. A u g s b u r g ist f ü r seine E n t w i c k l u n g entscheidend. Sein W e r k ist außerordentlich u m fangreich. A b e r es fehlt ihm die volkstümliche K r a f t Holzers u n d der feinsinnge Zauber Z i m m e r m a n n s . Er ist Illusionist und Historienschilderer, vordergründig-prächtig, auch modisch-zeitverhaftet, rhythmisch-impulsiv und v o n einer glänzenden Koloristik, die die V o r z ü g e bayrischer Rokokokunst erkennen läßt. In vielem ist ihm J. B. G ö z verwandt, seiner H e r k u n f t nach augsburgisch bestimmt, sensibel in der Zeichnung, minutiös genau in der D u r c h b i l d u n g der Details. Sein Engelskonzert in Birnau ist eine kongeniale Erf ü l l u n g der T h u m b s c h e n Architektur. Sehr anderer A r t ist das SdiafTen des Schwaben Joseph Spiegier, dessen visionäre D y n a m i k und expressive H e f t i g k e i t eine hohe Phantasiekraft v o n starker Empfindung offenbaren. Seine großen Deckengemälde in Z w i e f a l t e n stellen ihn in eine Reihe mit 2 5 , 2 7 den besten deutschen Freskomalern. Sie haben die gleiche glutvolle Leidenschaft, die dämonische H i n t e r g r ü n d i g k e i t , die gleiche Beherrschung der Massen, die gleiche feurige D y n a m i k wie Asams Gemälde. Dennoch scheint unter seinen H ä n d e n der A u f b a u des Bildes lockerer, schwebender g e w o r d e n z u sein. In k ü h n e n Spiralen gleitet der Blick v o n G r u p p e z u Gruppe. V o n der Dreifaltigkeit z u r Mariengruppe, v o n ihr auf das Gnadenbild, weiter z u Benedikt, schließlich z u der dichtgedrängten Fülle der Gestalten am R a n d e . M i t fast unheimlicher Phantastik umschließt ein riesiger ovaler W o l k e n trichter das ganze Bild, v o n den schimmernden W e l l e n k ä m m e n der Stukkaturen u m brandet. E r saugt den Blick in unendliche Weiten. W i e eine K u p p e l erschließt er den überwirklich-geheimnisvollen T i e f r a u m als eine unbegrenzte W e l t verklärter U n e n d lichkeit. Das

Ornament

Die S t u k k a t u r e n Johann Schmuzers in Obermarchtal unterstreichen die Strenge der 2 A r c h i t e k t u r . A n sich außerordentlich reich, ordnen sie sich der Gliederung des T o n n e n gewölbes unter, betonen die G u r t e n , R i p p e n u n d Stickkappen u n d heben sie k r ä f t i g heraus. Das G e w ö l b e w i r d v o n einer plastisch k r a f t v o l l b e t o n t e n Stuckdekoration in klarer A u f t e i l u n g überzogen. Es ist schlohweiß. W e i ß ist auch die ganze Kirche gehalten, die n u r durch die tiefbraunen A l t ä r e und die goldenen G i t t e r einen w a r m e n K l a n g erhält. A k a n t h u s r a n k e n , Lorbeerstäbe, Fruchtkränze, vollsaftig und üppig, bestimmen den Motivschatz. N i c h t nur die G u r t e n und R i p p e n werden betont, auch die einzelnen Binnenfelder w e r d e n in g r o ß z ü g i g strenger Einteilung gegliedert. A l s Kelch, Blatt, R a n k e , als R a n k e n b ü n d e l oder Rosette, in V e r b i n d u n g mit anderen Früchten oder m i t Engelsköpfchen, V o l u t e n u n d Vasen w i r d der A k a n t h u s fast überschwenglich v e r wendet. L o r b e e r tritt h i n z u als Stab oder K r a n z . U n d Fruchtgehänge beleben das G e samtbild im Sinne antikischer V o r b i l d e r . In Friedrichshafen ist das B l a t t w e r k kleinund feinteiliger geworden. H i e r gruppiert es sich nicht mehr in einer klar überschaubaren O r d n u n g . Es ist dichter gehäuft, v o l l blühenden Lebens. Das M o t i v der D o p p e l muscheln setzt A k z e n t e , und die hcxhschwingenden und herabfallenden Fruchtgirlanden 35

mit Vasen schaffen Ruhepausen. W o h l ist diese Dekoration in großzügiger Flächenaufteilung streng und klar — im Ganzen w i r k t sie doch zitternd und flimmernd wie engmaschiges Spitzenwerk. M a n fühlt, daß die kommende Zeit Entscheidungen bringt: W i r d sich das pflanzlich-imitative Ornament der Architektur unterordnen oder wird sich das abstrakt linienhafte Ornament durchsetzen und mit ihm verbinden? Tatsächlich hat sich seit Weißenau das Ornament unter den Händen desselben Meisters Joseph Schmuzer in dieser Richtung verändert. Das Blattwerk wird magerer, seine Üppigkeit schwindet, seine naturhafte Bildung nimmt ab. Es wird abstrakter. Die A b stände werden größer, die Rankenstengel verbinden sich in verschlingendem Bewegungsablauf miteinander. Die N a t u r f o r m wandelt sich in ein lineares System, die R a n k e wird zum Band. In Fürstenfeld und in Ingolstadt ist diese reine F o r m am klarsten zu beobachten. Im Bandelwerk treffen italienische Arabeske, französische Groteske und deutsches R o l l w e r k in einer völlig neuen Weise zusammen. Das flächenfüllende und flächengliedernde naturalistische R a n k e n w e r k , immer einem deutlich bestimmbaren technischen A u f b a u folgend, wird von der vergeistigten Gestalt der Groteske durchdrungen, die aus der Phantasie lebt, aus einer vorgestellten Welt, die ihren ausgeklügelten Ursprung nicht verleugnen kann und es auch gar nicht will. Sie entstammt im Grunde einer Traumwelt. Gerade diese Verbindung ist (auch im Hinblick auf ähnliche Leistungen dieser Generation) besonders aufschlußreich. Die willkürliche Verbindung der gegensätzlichen Elemente sprengt sogleich jede „ L o g i k " der Motive oder des A b laufs. Das Ganze ist nicht naturalistisch, sondern nur in Einzelheiten v o n solchen M o tiven durchsetzt. Dadurch ergibt sich auch der Charakter des Zufälligen, Augenblicklichen, ja des ewig Veränderlichen. Die Schwerelosigkeit, die allen Teilen anhaftet, läßt das Ornament körperbefreit — flächenhaft erscheinen. Dieser Flächencharakter, der etwas Teppichartiges und Gespinsthaftes haben kann, gibt der Wand einen besonderen Sinn, er hebt sie in ihrer statischen Bedingtheit auf. E r bringt so aber die Raumschale zu einer größeren Einheit. Das Bandelwerk bedeutet einen Protest gegen das italienische Dekorationsprinzip, eine (wohl bewußte) A n k n ü p f u n g an das Manieristische — damit auch eine f ü r französische Auffassung erstaunlich klar ausgesprochene A b w e n d u n g v o n jeglichem Klassizismus. Gerade hier aber liegt der Grund, w a r u m die Deutschen sich dem Bandelwerk leidenschaftlich zuwandten. Die Entwicklung ging noch einen Schritt weiter. Z u dem Bandmotiv treten R a n k e , Girlande, Blüte, unzählige Motive der Pflanzenwelt, schließlich wird es durch diese ersetzt. Die N a t u r bricht mit der Fülle ihrer Erscheinungswelt in das Ornament ein, bald in lauter H ä u f u n g , bald in feiner Abgewogenheit. Das Ornament sprengt alle Bindungen. Ein Übermaß sprudelnder Einfälle, ein nicht rastender Darstellungsdrang des naturhaft Bewegten schaffen ebenso lebendige wie geistvolle Gebilde, im einzelnen von erstaunlichem Reichtum an Beobachtung und Sicherheit der Wiedergabe, im Ganzen von überlegener Schöpferkraft. Z w e i Künstler, ein N o r d f r a n z o s e und ein Deutscher, haben sich in die H ä n d e gearbeitet: François Cuvilliés und Johann Baptist Zimmermann. Cuvilliés hat der Baukunst und Ornamentik Bayerns unverkennbare Züge eingeprägt. G a n z hat auch er sich nicht durchsetzen können. A b e r da stand neben ihm Zimmermann, beweglich genug, das Fremde zu studieren, stark genug, Eigenes hinzuzutun, begabt m i t einem feinen G e f ü h l f ü r Schönheiten der N a t u r und mit blühender Phantasie. Da stand sein B r u d e r Dominikus, der nicht nur mit einer einzigartigen Gestaltungskraft das Ornamentale mit dem Räumlichen verband, sondern auch als architektonisches Prinzip zu meistern wußte. Auch die beiden Asams gehören hierher. Man blicke in den C h o r ihrer Mündiener 6 2 , 7 6 Kirche, man schaue in die Deckenzone in Steinhausen; dort leidenschafttlicher Ernst, plastische Wucht, gleichsam v o n innen glühende Lebenslust, hier festliche Freude und naiv-geistvolle Lebendigkeit. Doch auch dies Bild ändert sich rasch. Zwiefalten, Ottobeuren, Wies, N e u b i r n a u bringen neue ornamentale Möglichkeiten. Abstraktes Linienwerk und naturhaftes

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Pflanzenwerk sind eins. Aus der Form der Muschel, selbst eigenwillig übersetzte Naturform, erwachsen die Ornamente. Sie gischten und zerstieben in wildem Auszüngeln, quirlend und fließend, zersträhnt, in heftigen Zuckungen ausschwingend. Das W o r t erlahmt angesichts der unbegreiflichen und erregenden Ausdruckskraft dieser D e k o rationsweise. Man verwechsle dies nicht mit Unordnung. Diese neue Ornamentform, die Rocaille, hat ihre eigenen Gesetze und ihre eigene Schönheit. R o t t am Inn spiegelt sie in voller Klarheit. Die Rocaille ist ein Kartuschenornament, eine R a h m e n f o r m von höchst besonderer Prägung mit leerem Feld, der ein dynamisches Prinzip zugrunde liegt. Sie ist bewegungsgeladen. Sie ist eine eigentümliche Verbindung sphärischer Kurven. In rhythmischem Wechsel rollen sich muschelförmige Rahmenteile zusammen, verstärken sich und schwingen frei gelöst aus. Der Rocaille liegt auch ein musikalisches Prinzip zugrunde. Sie entspricht jenen kleinen Figuren, die keineswegs eine nur schmückende Bedeutung haben, sondern die großen T h e m e n in geistreicher Weise umspielen, um selbst in kleinster aber treffendster Form etwas von dem Geist des Ganzen widerzuspiegeln (Haydn). Es ist klar, daß die Rocaille eine Abstraktion darstellt. Es liegen ihr naturalistische Motive zugrunde, Motive, die aber als Bewegungsträger und zugleich als bizarr veränderliche Formelemente jeder Biegsamkeit und jedes Bewegungsablaufs fähig sind. Die Rocaille vereint feurigen Schwung und graziöse Mühelosigkeit, sie erregt und beruhigt zugleich. Nie ist sie durch sich selbst ganz erfüllt, sondern sie bedarf des Gegenspielers, um in einem höheren Sinn Ausgleich und damit wiederum Beruhigung zu erfahren. Die Bewegungsströme, die von ihr ausgehen, werden nicht als körperliche Energien ausgeschleudert, sondern gleiten unaufhaltsam, aber nur als geheime Spannung spürbar, über die Flächen und durch den R a u m zu anderen Rocaillen. Eine höhere Harmonie wird erreicht. Darin liegt auch ihre völlig unklassizistische Haltung. Sie verkörpert keinen symbolhaften Sinn, aber sie vergeistigt die Bewegung an sich, die Spannung als Lebenselement und als dem Sprachlichen entrücktes Erlebnis, allein der Musik vergleichbar. Diese feinfühlige Behandlung wurde fast überall in bewundernswerter Weise verwirklicht. Die Künstler empfanden, jeder an seiner Stelle, jeder in vollkommener Beherrschung seines Handwerks, die verpflichtende Einheit des Gesamtwerkes. Sie unterwarfen sich den führenden Absichten des Architekten und fügten dennoch in großzügiger Freiheit und selbstverständlich anmutender Sicherheit ihre Stimmen dem Ganzen ein; so geben sie ihm erst seinen letzten Sinn. Damit beweisen sie aber auch, daß sie nicht nur dekorierten. Dekoration ist nicht nur Schmuck als bereichernde Zutat. Sie erfüllt die unentbehrliche Aufgabe, die geheimen Spannungen des Raumes in ein entfesseltes Spiel sichtbarer Bewegungsimpulse ausklingen zu lassen. Sie gibt gewissermaßen die Deutung des Raumes, der ohne sie wohl derselbe bliebe, der er ist, aber der Vielfalt entbehrte, die zu seinem letzten Verständnis und zur Entfaltung seiner ganzen Schönheit für jene Zeit eben unerläßlich war. Die Bauten selbst sind, in einem höheren Sinne verstanden, Ornament. Allein die Grundrisse, kunstvolle Niederschläge eines freien schöpferischen Gestaltens, beweisen es. Was die deutschen Künstler schufen, war eine ganzheitliche Leistung! Sie waren wieder der Ganzheit fähig, weil sie nicht nur bauten, sondern auch malten, meißelten, musizierten, und alle diese einzelnen künstlerischen Fähigkeiten zur Bewältigung großer Aufgaben vereinigten. Erst durch den Zusammenklang aller Künste gaben sie den Bauten ihre wahre Gestalt.

37

42

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INNSBRUCK

Die behandelten

Orte

sind in fetter

D I E Nach

Schrift

hervorgehoben

M E I S T E R

Generationen

geordnet

Baumeister Enrico

Zuccalli,

um 1 6 4 2 R o v e r e d o (Graubündner T a l ) bis 1 7 2 4 München. Ausbildung bei K a -

spar Z . 1 6 7 3 München, bayer. H o f a r c h i t e k t . E n t w ü r f e f ü r A l t ö t t i n g seit 1 6 7 2 (nicht ausgeführt), seit 1674 N a c h f o l g e r Barellis an der Münchner Theatinerkirche, T ä t i g k e i t an der Residenz 1 6 8 0 bis 168 j , G r a f M o n t f o r t empfiehlt ihn 1 6 7 9 nach Weingarten, E n t w ü r f e 1682 ( K u p p e l ?), Reise nach Paris 1 6 8 4 — 8 5 , Schloß Schleißheim, ab 1695, P l ä n e f ü r E t t a l , Fassade, C h o r , K u p p e l b a u , seit 1709. Johann

Jacob

Herkommer,

1648 Sammeister (Schwaben) bis 1 7 1 7 Füssen. Ausbildung in Italien

(Venedig). Baumeister von St. J a k o b Innsbruck, St. M a n g , Kirche und Kloster in Füssen 1 7 0 1 — 1 7 (auch als M a l e r tätig), Pläne f ü r Ottobeuren 1 7 1 1 , P l a n f ü r Weingarten 1 7 1 2 . Zwischen 1708 und 1 7 1 6 Beziehungen zu Dominikus Z i m m e r m a n n , der damals in Füssen lebte. Caspar

Moosbrugger,

1656 A u (Bregenzer W a l d ) bis 1 7 2 3 A u , 1 6 7 3 Freisprechung durch seinen

Lehrmeister Christian T h u m b . G e h i l f e bei H a n s G e o r g K u e n ( 1 6 4 2 — 9 1 ) , dem E r b a u e r des C h o r s von Einsiedeln. E n t w u r f und R e d a k t i o n der beiden „Architekturlehrgänge" (vgl. D a s Münster, 1 9 J 1 ) . Lehrgang 2 enthält G r u n d - und A u f r i s s e von Kirchen in R o m und M a i l a n d . I n Italien zwischen 1676 und 80 (?). L e i t m o t i v : verschiedenartige Verbindung von L a n g - und Z e n t r a l b a u . A u s w e i t u n g und V e r w a n d l u n g des Vorarlberger Schemas. Seit 1684 Pläne f ü r Weingarten, Einsiedeln Kirche und K l o s t e r 1 7 0 4 — 2 3 . Die Vorarlberger

— Auer Zunft — in A u im Bregenzer W a l d — alemannisch-walserisdie Begeg-

nung — eng v e r w a n d t e Familiengemeinschaft der Beer, Moosbrugger, T h u m b , Schreckh, K u e n , Michael Beer, Kempten, S. Lorenz, um 1 6 5 2 — 5 3 , F r a n z Beer, 1660—1726,

in Weingarten

1716

bis 1 7 1 7 , Irrsee, Thannheim, Keisheim, D o n a u w ö r t h , B a d Wörishofen, u. a., zumeist als a u s f ü h render Architekt tätig. Michael T h u m b , K l o s t e r und K i r i h e Wettenhausen 1 6 7 0 , H o l z m o d e l l f ü r

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Obermarchtal 1685, 1686—92 erbaut, voll, von Christian Thumb. Christian Thumb f i7*> Pläne für Schussenried 1699, Kirche und Priorat Hofen (Schloß Friedrichshafen) 1695, Pläne für Ottobeuren 1 7 1 1 . Der weitaus überragende Geist ist neben Moosbrugger Peter Thumb 1681 Bezau — 1766 Konstanz, Hauptwerke: Ebersmünster (Elsaß) 1727 vollendet. St. Peter i. Schwarzwald 1724—27 u. Bibliotheksaal 1 7 3 7 , Neubirnau 1746—49, St. Gallen, wohl Planentwerfer der Kirche 17$ 5, Bibliothek 1 7 5 8 — 6 1 . Donato Giuseppe Frisoni, 1683 Laino am Corner See bis 1735 Ludwigsburg. In Prag als Stukkator tätig, seit 1709 in Ludwigsburg, seit 1 7 1 7 Württemberg. Baudirektor. Hauptwerk: Ludwigsburger Schloß 1 7 1 7 — 3 0 . In Weingarten seit 1 7 1 7 : an der Gestaltung der Türme, des Frontispiz und der Kuppel beteiligt. Vielleicht auch Gestalter des Idealplans, von P . Beda Stadtmüller 1723 gezeichnet. Dominikus Zimmermann, 168 5 Gaispoint bei Wessobrunn bis 1766 Wies. Erster Unterricht beim Stiefvater, dem Stukkator Christoph Schäffler, vielleicht bei Joh. Schmuzer, Verbindung mit J . J. Herkommer, 1708—16 in Füssen, 1 7 1 6 in Landsberg am Lech, von da ab in der Wies. Hauptwerke: 1 7 0 5 — 2 } Scagliola-Altäre, Maria Medingen 1 7 1 8 — 2 5 , Neresheim Festsaal 1 7 1 9 , Landsberg 1725, Siessen 1725—28, Steinhausen 1727—33, Ottobeuren Pläne 1732, Günzburg 1 7 3 6 — 4 1 , Landsberg Joh.-Kirche 1 7 4 1 — 5 2 , Wallfahrtskirche Wies 1745—54. Während seiner Tätigkeit in der Benediktinerkirche Fischingen (Thurgau) wohl Zusammentreffen mit Moosbrugger. Cosmas Damian Asam, 1686 bis 1739, siehe Maler. Johann Michael Fischer, 1691 Burglengenfeld, bis 1766 Münchner Stadtbaumeister. Hauptwerke: Niederalteich 1724—26, Schärding um 1726, München St. Anna am Lehel 1727, Osterhofen 1726 bis 1727, Diessen 1733—39, Aufhausen 1 7 3 6 — 5 1 , München Berg am Laim 1 7 3 7 — 5 1 , Ingolstadt 1739, Fürstenzell 1740, Zwiefalten 1738, Ottobeuren 1748 ff., Rott am Inn 1759—63, Altomünster 1763—73. Egid Quirin Asam, 1692 bis 1750, siehe Plastik.

Maler Johann Baptist Zimmermann, 16S0 Gaispoint bis 1758 München. Ausbildung in Augsburg, 1720 Berufung durch Kurfürst Max Emanuel an den kurbayrischen Hof nach Schleißheim (neben Amigoni und C. D. Asam), Nymphenburg und München (Residenz). 1729 „Hof-Stuccateur", 1730 München, Stukkierung der „reichen Zimmer" in der Residenz unter F. Cuvilliis. Ausmalung und Stukkierung in einer Hand, durch enge Zusammenarbeit mit seinem Bruder Dominikus Stileinheit. Umfangreicher Gehilfenstab, u. a. Fr. X . Schmädl, Chr. Greinwald, Martin Heigl. Hauptwerke: Ausstattung. Steinhausen 1 7 3 1 , Berg am Laim und Ingolstadt 1739—44, Landshut, Dominikanerkirche 1749, Wies 1 7 4 6 — J 4 , Andechs 1754, Schäftlarn 1 7 J 4 , Nymphenburg Großer Saal 1756—$7. Comas Damian Asam, 1686 Benediktbeuren bis 1739 Weltenburg. Lehrzeit bei seinem Vater in Benediktbeuren und Tegernsee. 1 7 1 2 — 1 4 mit seinem Bruder in Italien als Schüler von P. L. Ghezzi. 1730 Preis Accademia di San Luca. Studien der Werke Pozzos, Gaullis, Lanfrancos, Correggios und Cortonas, doch wohl auch der Niederländer, besonders Rubens. Hauptmeister der bayrischen Freskomalerei, tätig bis an den Oberrhein, in der Schweiz, in Tirol, in Böhmen und Schlesien. Hauptwerke: München Dreifaltigkeitskirche 1 7 1 5, Weingarten 1 7 1 7 fr., Aldersbach 1720 Innsbruck Pfarrkirche 1 7 2 2 — 2 3 , Freising 1723—24, Einsiedeln 1724—26, Kladrau 1726, München St. Anna am Lehel 1729, Wahlstatt bei Liegnitz 1 7 3 1 , Ingolstadt, Maria Victoria 1 7 3 2 - 3 6 , Ettlingen 1732, Weltenburg 1733, München St. Anna-Damenstift 1734, München Johann v. NepomukKirche 1735—39. Fresken in Schloßbauten: Mannheim 1729—30, Alteglofsheim 1730, Straubing 1736—37. In vielen Kirchen engste Zusammenarbeit mit seinem Bruder Egid Quirin. Johann Georg Bergmüller, 1688 Türkheim bis 1726 Augsburg. Seit 1730 Direktor der Akademie in Augsburg, Fassadenmalereien in alter Augsburger Tradition, z. B. Stuttgart, Altes Ständehaus 1730. Illusionistische Deckenmalereien: Augsburg Dom, Pollheim-Kapelle, Karmeliter-, Barfüßer-, Anna-, Katharinenkirche. Steingaden seit 1740. Bedeutendstes Werk: Fresken in Diessen 1736. Franz Joseph Spiegier, 1691 Wangen bis 1 7 5 7 Konstanz. Ausbildung bei J . K . Sing, Aufenthalt in Wien?, neben K a r l Stauder d. J . wichtigster schwäbischer Freskomaler. Neben Fresken in 39

Ottobeuren (Theatersaal) 1725, Wolfegg Schloßkirche 1732?, Konstanz Dreifaltigkeitskirche — Hauptwerk Ausmalung der Kirche in Zwiefalten 1 7 4 7 — 5 1 . („Theatrum symbolicum salutis".) Jacob Karl Stauder, Oberweiler (Württbg.) bis 1 7 5 1 Konstanz. Reiche Tätigkeit zwischen 1709 bis 1740, nicht ohne Anregung Asams, stark konventionell, Beginn der Historienmalerei. Hauptwerke: Ottobeuren Kaisersaal und Kloster 1724, Salem. Franz Georg Hermann, 1692 bis 1768 Kempten. Ausbildung bei seinem Vater Franz Benedikt. Stipendium des Klosters St. Mang (mit Herkommer an der Ausmalung tätig), für Studium in Venedig. Akademie S. Luca in Rom 1 7 1 3 erster Preis. 172$ Hofmaler bei Fürstabt Anselm in Kempten. Fresken und Altarblätter: Weißenau, Salzburg, Maria-Steinbach, Markt-Oberdorf, Diessen, Steinhausen, Schussenried, Ettal, Ottobeuren. Felix Anton Scheffler, 1701 München bis 1760 Prag. Ausbildung bei C. D. Asam, später tätig in Stuttgart, Breslau (seit 1734 bischöflicher Hofmaler), Prag seit 1747, 1756—S7 in Augsburg und Bayern. Hauptwerke: Neiße, Leubus, Fürstenstein, Breslau Universität, Brünn Jesuitenkirche, Landsberg am Lech 1756—57, Ettal (Altarbild 1756), Baumburg, Fresken 1756—57. Matthäus Günther, 170$ Peißenberg bis 1788 Augsburg (Haid bei Wessobrunn?). Führender Meister der süddeutschen Freskomalerei des „Rokoko". Schüler von C. D. Asam, seit 1731 in Augsburg neben Bergmüller und Holzer selbständig tätig. Starke Beeinflussung durch Tiepolo in Würzburg. Zahlreiche Aufträge in Schwaben, Franken, Bayern, Tirol. Seit 1762 Nachfolger Bergmüllers als Akademiedirektor. Hauptwerke: Rottenbuch 1738 und 1742, Mittenwald 1740, Oberammergau 1 7 4 1 , Neustift (Brixen) 1743, Amorbach 174$—47, Wilten 1754, Rott am Inn 1763, Schloß Straubing Festsaal 1 7 6 1 . Gottfried Bernhard Göz, 1708 Welehrad (Mähren) bis 1774 Augsburg. Neben M. Günther der führende Meister der Augsburger Malerei. Höhepunkt seines Schaffens in den fünfziger und sechziger Jahren. Hauptwerk: Ausmalung von Birnau 1750. Johann Jakob Zeiller, 1708 Reutte (Tirol) bis 1783 Reutte. Das bedeutendste Mitglied der weithin tätigen Freskanten-Familie, Lehrzeit bei seinem Vater Paul Zeiller. Langjähriger Aufenthalt in Rom (1724—28?) und Neapel, Schüler von Solimena, von 1735 in Wien, Besuch der Akademie, erhält ersten Preis, tritt in engere Beziehungen zu Paul Troger. Aufenthalt in Wien bis 1755, mehrfach Aufträge in Ungarn. Später in Reutte tätig. Hauptwerke: Stift Altenburg 1742, Fürstenzell 1744—45, Aldersbach 1746, Ettal 1747—5 5, Ottobeuren 1763 und viele andere. Johann Evangelist Holzer, 1709 Burgeis (Südtirol) bis 1740 Clemenswert. Die stärkste Persönlichkeit der Augsburger Schule. Hauptwerk: St. Anton in Partenkirchen 1739. Franz Anton Zeiller, 1 7 1 6 Reutte (Tirol) bis 1774 Reutte. Vetter des Johann Jakob Zeiller, ab 1738 in Augsburg bei Holzer und Göz, dann in Italien bei Giacinto (Solimenaschüler), weitere fünf Jahre in Venedig, Einfluß Veroneses und Tiepolos, später in Tirol tätig. Hauptwerke der Freskenmalerei: Stams 1 7 J 5 , Abfaltern 1769?, Ranggen 1778, Weer 1779, Ottobeuren, Brixen, zahlreiche Altarblätter. Franz Martin Kuen, 1 7 1 9 bis 1 7 7 1 Linz, Donau? Schüler Bergmüllers, Studien in Rom und Venedig. Fresko im Bibliothekssaal von Wiblingen 1744. Martin Knoller, 1725 Steinach (Tirol) bis 1804 Mailand. Um 1744 kam er über Innsbruck nach Wien in die Schule Trogers, 1 7 5 3 großer Preis f ü r Historienmalerei, 1755 Rom, freundschaftliche Beziehungen zu Anton R a f f a e l Mengs, später Winkelmann, seit 1759 in Mailand tätig (Palazzo Vigoni-Firmian), 1760—65 zweiter Rom-Aufenthalt. Hauptwerke Fresken: Volders (Tirol) 1765, Ettal Chorkuppel 1769, Neresheim 1775, Stift Gries 1 7 7 2 — 7 5 , Ettal Hochaltarbild 1784—85. Franz Sigrist, 1727 bis 1803, stammt aus Schwaben. Der jüngste Rokokomaler der Wiener Schule. Hauptwerke in Ungarn und Böhmen, Vorhallenfresko in Zwiefalten 1750.

Bildhauer Diego Francesco Carlone, 1667 Scaria bei Como bis 1750 ebendort. Ausbildung und Mitarbeit beim Vater Giovanni Battista (Passau), Wanderleben des „Comasken" als Stukkator und Plastiker, Lehrer von Joh. Anton Feuchtmayer. Werke: Salzburg Kollegienkirche 1707, Lambach 1707—08, Rattenberg (Tirol) 1707—09, Schloß Kiesheim, Linz St. Florian 1 7 1 j , Kremsmünster Kaisersaal 1 7 1 9 — 2 0 , Ludwigsburg 1 7 1 4 , Weingarten 1 7 2 3 — 2 $ .

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Anton Sturm, 1690 Prutz bei Landeck (Tirol) bis 1 7 5 7 Füssen. Holz- und Steinbildhauer, Herkunft aus dem Kreis von J . J . Herkommer, vielleicht auch in Augsburg bei E. D. Bendi weiterentwickelt, Lehrer des R . A . Boos, Einwirkung auf Fr. X . Schmädl (Rottenbuch). Werke: Waltenhofen bei Füssen 1 7 2 0 — 2 1 , Steingaden, Bernbeuren, Roggenburg, Markt-Oberdorf 1 7 3 2 — 3 3 , Ottobeuren Kaisersaal und Treppenhaus 1724—27, Refektorium, Kreuzigung 1 7 3 3 , Garmisch Hochaltar Peter und Paul 1734, Burggen 1733—38, Wies (Vier Kirchenväter, Plastik an den beiden Seitenaltären und an den Emporen) 1749 ff. Joachim Dietrich, f 1753 München. 1736 Hofbildhauer in München, tätig unter Effner an den „Reichen Zimmern" der Residenz in München, in der Amalienburg und im Residenztheater. Werke: Diessen Hochaltar um 1739 (Entwurf Cuivilliés). Gemeinsam mit Greiff Chorgestühl in St. Peter München. Egid Quirin Asam, 1692 Tegernsee bis 1750 Mannheim. Bruder von Cosmas Damian Asam, Stukkator, Bildhauer, Architekt. Ausbildung beim Vater, 1 7 1 1 — 1 3 Akademie S. Luca in Rom (Nachwirkung Berninis, Borrominis, Pietro da Cortonas). Beschäftigung mit Bauten Fischer von Erlachs in Wien und Salzburg. Vielfach gemeinsame Arbeiten mit dem Bruder, so Weltenburg 1 7 1 7 — 2 1 und München St. Nepomuk 1733 ff., der Gnadenstuhl etwa 1738. Von E. Qu. Asam Hochaltar (Himmelfahrt Märiens) in Rohr 1 7 1 7 — 1 9 , Osterhofen Hochaltar (Glaube besiegt die Falschheit der Welt), Seitenaltäre, Brüstungsplastik um 1728. Zahlreiche Entwurfzeichnungen. Joseph Anton Feuchtmayer, 1696 Linz an der Donau bis 1770 Mimmenhausen. Mitglied der Wessobrunner Familie Feuchtmayer, der bedeutendste Bildhauer am Bodensee. Jugend in Schongau und Salem. Ausbildung bei seinem Vater Franz Joseph, Heirat 1722, wohnhaft in Mimmenhausen, sein Grabmal in der dortigen Pfarrkirche von seinem Mitarbeiter und Nachfolger Joh. G. Dirr. Hauptwerke: Weingarten 1720, Salem, immer wieder tätig, so 1723, 1730, 1736, 1767 ff., St Peter im Schwarzwald 1728, Einsiedeln 1730, Engelberg 1734—38, Mainau 1737—38, Merdingen i. Breisgau 1740, Meersburg Gesamtausstattung 1 7 4 1 , Neubirnau 1747—50, Überlingen 1 7 J 9 , St. Gallen 1760—70. Ägid Verhelst, 1696 Antwerpen bis 1749 Augsburg. Ausbildung Antwerpen und Paris (?) bei W. de Groff, seit 1 7 1 8 in München, seit 1738 in Augsburg. Hofbildhauer in Kempten und Augsburg. Einwirkung von Cuvillies und E. Qu. Asam. Werke: Ettal Apostel an der Fassade um 1 7 1 1 — 1 4 , Altäre (Himmelfahrt Mariens) 11m 1726, Diessen Vier Seitenaltäre 1738. Wies Choraltarfiguren, vier Evangelisten, Jesaias und Joachim, vor 1749. Johann Baptist Straub, 1704 Wiesensteig bis 1784 München. Ausbildung beim Vater und in München, dort tätig für die Residenz, seit 1728 in Wien bei J . Chr. Mader, an der Akademie bei Fischer von Erlach und Galli Bibiena. Um 1734 bei Feistenberger in München, 1737 kurbayrischer Hofbildhauer. Neben Ignaz Günther Hauptmeister der altbayrischen Plastik, kein Stuckbildner, sondern Holzplastiker (Weißfassung und Gold). Hauptwerke: Diessen 1 7 3 9 — 4 1 , Berg am Laim 1743 und 1758—59, Fürstenzell 1 7 4 1 und 1745, Andechs 1 7 5 1 — 5 5 , Schäftlarn 1755—56, Ettal 1757—62, Altomünster 1765—68, München Törringpalais 1 7 7 0 — 7 1 . Johann Joseph Christian, 1706 bis 1777 Riedlingen. Das Problem, ob Christian oder J . M. Feichtmayer die schöpferische Leistung in der figürlichen Ausstattung in Zwiefalten Chorgestühl 1747, und Ottobeuren Orgel und Chorgestühl, Altarplastik 1 7 J 5 — 6 4 , zufällt, ist nodi immer nicht restlos gelöst. Jedoch scheint aus stilistischen Gründen wenig Zweifel möglich. Weitere Werke: Buchau am Federsee 1774—77, vollendet von seinem Sohn Franz Joseph (1739—98), Meßkirch Epitaph K a r l F. v. Fürstenberg, Stucimarmor 1775—76. Ignaz Gunther, 1725 Altmannstein (Altmühltal) bis 1775 München. Ausbildung bei Joh. Baptist Straub in München, tätig in Mannheim, 1 7 5 1 , und Wien, 1 7 $ 2 , seit 1753 in München. Werke: Altenhohenau 1 7 6 1 , Rott am Inn 1762, Weyarn 1764, Neustift 1765, Mallersdorf 1768—70. Memmingen Pietà 1774. Placidus Verhelst, ìyzj Ettal bis 1778 (?) St. Petersburg (?). Schüler seines Vaters Ägid. Führt Werkstatt in Augsburg mit seinem Bruder Ignaz, 1758 Hofstatuarius in Kempten, 1762 fürstbischöflicher Hofbildhauer in Augsburg. Zahlreiche Werke in Bayrisch-Schwaben. Roman Anton Boos, 1730 Roshaupten b. Füssen bis 1 8 1 0 München. Kurfürstlich bayrischer H o f bildhauer, Schüler von Sturm und Straub, Kolossalstatuen Theatinerkirche München, Ettal Reliefs 1790.

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Stukkateure Die „Wessobrunner", ebenbürtig den großen französischen Dekorateuren, unterhalten reiche Beziehungen zu allen Teilen Bayerns und Schwabens, nach München, Augsburg, ins Alpenland und weit über die Donau nach dem Rhein und nach Böhmen. Aus der Fülle der Namen seien einige der bedeutendsten Künstler herausgehoben: Schmuzer, Feichtmayer, Oblhör. Johann Schmuzer, 1642 bis 1 7 0 1 . Architekt und Stukkator, Einwirkung auf Dominikus Zimmermann. Obermarchtal Stukkaturen 1689, Erbauer von Vigertshofen (Zentralbau mit Choremporen 1687—92), Hofen (Friedrichshafen) gemeinsam mit Franz und J . Schmuzer, 1695. Franz Schmuzer, 1676 bis 1 7 4 1 . Hofen (Friedrichshafen) Hochaltar 1701 und 1 7 1 1 , Rheinau 1708—10, Weißenau 1 7 1 1 , Weingarten 1 7 1 8 . Joseph Schmuzer, 1683 bis 1752. Sohn des Johann Schmuzer, Stiftsbaumeister von Wessobrunn, Einwirkung von Herkommer und J . M. Fischer, Zusammenarbeit mit dem Wessobrunner Matthäus Günther. Wichtigste Werke: Wessobrunn (auch Plan der Gesamtanlage) 1 7 0 7 — 2 1 , Garmisch Bau der Pfarrkirche 1730—33, Bau der Kirchen in Oberammergau und Rottenbuch 1737 ff., Entwürfe für Ottobeuren und Zwiefalten 1739 (?), Ettal Wiederherstellung der Kirche auf Grund der Zuccallischen Planung (bez. Grundriß der Gesam anlage in München), nach dem Brand 1744. Johann Georg Ublhör, 1700 bis 1763 Maria Steinbach a. d. Iiier. Verwandt mit Joseph Schmuzcr, in enger Werkgemeinschaft mit Johann Michael Feichtmayr, Ausbildung im Kreis Cuvilliis durch J . B. Zimmermann, 1744 Hofstukkator in Kempten. In Zusammenarbeit mit J . M. und F. X . Feichtmayr „Reiche Zimmer" in der Residenz München 1730—33, Diessen 1736—38, Kempten um I 7 4 0 f f . , Wilhering 1 7 4 1 — 4 6 , Münsterschwarzach 1743—49 (nicht mehr erhalten), Amorbach 1744—47, Ettal zwischen 1748 und 52, Engelzell 1758, Sieinbach a. d. Iiier 1756—63. Hauptsächlich figürlich-plastischer Anteil. Johann Michael Feichtmayr, 1709 bis 1772 Augsburg. Lehrzeit in Augsburg, Bruder des Franz X a v e r Feichtmayr (geb. 1705, stuckierte Diessen, Stams, Innsbruck-Wilten), enge Zusammenarbeit mit Ublhör. Hauptwerke: Diessen 1736—38, Amorbach 1744—47, Zwiefalten 1747—58, Bruchsal 1 7 5 1 — 5 6 , Ottobeuren seit 1754, Vierzehnheiligen um 1764. Franz Michael Zimmermann, Franz Dominikus

1709 bis 1784.

Zimmermann,

1 7 1 6 bis 1768.

Jacob Rauch, geb. 1 7 1 8 .

DIE Nach

WERKE

E ntstehungsj a hren

geordnet

1 6 8 5 — 1 7 0 1 Obermarchtal a. d. Donau (Württemberg, Amt Ehingen). Seit 1 1 7 1 Prämonstratenser-Chorherrenstift. Die 1239 gew. Kirche stand bis 1686. Baumeister: Michael Thumb, Holzmodell 1685 (in Ellwangen), Grundstein 1686 (auch Planleger?). Nach dessen Tode Nachfolger Christian Thumb und Franz Beer (wohl nur Bauführer). 1692 voll. 1 7 0 1 Weihe. Bauherr: Abt Nikolaus ( 1 6 6 1 — 1 6 9 1 ) . Stukkaturen: Michael Schnell und Christoph Zöpf aus Wessobrunn 1687—88, J o hann Schmuzer 1689—92. Hochaltar und Chorgestühl 1697 von Paul Speisegger aus Sdiaffhausen. Chorgestühl Kapitelsaal 1 7 1 0 und Figuren Hauptaltäre von Andreas Etschmann (Tirol), Chorgitter 1690 von Hans Rieger (franz. Entwurf). Stukkaturen Sakristei und Altäre in Chorabseiten 1759 von Fr. X . Schmuzer. 1 7 1 5 — 1 7 2 4 Weingarten (Württemberg, Amt Ravensburg). Benediktinerkloster, ehem. Grabkirche der Weifen, um IOJJ von Weif I I I . gegr. Roman. Kirche ( 1 1 2 4 — 1 1 8 2 ) bis 1 7 1 $ erhalten. Barocke Bautätigkeit unter Abt Alfons I. Stadelmayer aus Innsbruck (21 Jahre Rektor der Salzburger Universität) von 1673—83. 1682 Beginn des Kirchenneubaus nach Plänen von Enrico Zuccalli vorgesehen, vielleicht auch Michael Thumb beteiligt. 1684 erste Baubesprechung des Abtes Willibald Kobold mit dem Einsiedelner Architekten Caspar Moosbrugger (Brief des Abtes, daß er „Ihne vor allen anderen dises negotium und direction ahnvertrauen möchte"). M. zeichnet einen maßstäblichen Grundriß im „Lehrgang" N r . 1 in Au, in ihm auch Pläne, die mit Weingarten in Beziehung stehen (Plan X V I I I — X X ) . Ein Weingartner Plan im Einsiedelner (!) Stiftsarchiv, ebenso 4-2

Querschnitt, beide doch wohl yon C. M. Es besteht heute in der Kunstwissenschaft kein ernstlicher Zweifel, daß M. der Architekt von Weingarten ist. M. weitet in der künstlerischen Auseinandersetzung mit Italien und Salzburg das Vorarlberger Schema aus und prägt es neu. 1 7 1 2 Plan von J . J . Herkommer, siehe Eintrag im „Baubeschrieb" v. 1724 „Baumeister Herkommer aus Füssen hat einen Riß gemacht", „Baumeister Behr" war nicht mehr als Baupraktiker. Baubeginn 1 7 1 5 . 1 7 1 6 scheidet F. Beer aus. (Wie Kanzler Kuen 1 7 5 7 schildert „aus Mißvergnügen, daß ihme der ganze Bau nit verakkordiert werden solle.") Der 75jährige Chr. Thumb übernimmt Bauführung, Oberaufsicht A . Schreck. D . G . Frisoni seit Ende 1 7 1 7 eingeschaltet, Mitwirkung an Kuppel, Frontispiz und Türmen, auch Entwürfe für Hochaltar und Seitenaltäre 1723. Von ihm der Idealplan von 1723? Die Kuppel in ihrer heutigen Gestalt ist wohl ein Kompromiß durch Verarbeitung mehrerer Plangedanken. Ausstattung: Hochaltar 1 7 1 9 — 2 3 , Seitenaltäre 1 7 2 3 , Plastiken von Diego Carlone. Fresken: C . D. Asam 1 7 1 8 . Themen: Geburt Christi, H l . Blut als Gnadenbrunnen, Das Leben des Hl. Benedikt und seine Schau der himmlischen Glorie, Bildnisse der Weifenfamilie, die die hl. Blutreliquie stifteten. In der Kuppel die triumphierende Kirche. Stukkaturen: Frz. X . Schmuzer 1 7 1 8 , Chorgestühl: Jos. Ant. Feuchtmayer 1720. Orgel: Josef Gabler 1737. Jetzige Kanzel: Fidel Sporer 1762—65. (Vergl. H . Schnell, das Münster I I I - V ) 1 7 1 7 — 1 7 1 9 , Rohr, Niederbayern, Amt Kehlheim. Ehem. Augustiner Chorherrenstift. Gegr. 1 1 3 3 . 4 4 - 4 7 Neubau 1 7 1 7 , Plastiken (Hochaltar) und Dekoration v. E. Qu. Asam. Vollendung der Ausstattung 1725. Altarbild im Seitenschiff: Martyrium Petrus und Paulus v. C . D. Asam. Bauherr: Propst Patritius Freiherr von Heydon (1692—1730). 1 7 1 7 — 1 7 2 1 , Weltenburg a. d. Donau, Niederbayern, Amt Kehlheim. Uralter Kulturboden um 5 0 - 5 9 620 Zelle des Agilus, um 760 Gründung durch Herzog Tassilo. Unter Abt Maurus Bächl ( 1 7 1 3 — 4 3 ) Blütezeit: 1 7 1 4 - 2 5 Klosterneubau, 1 7 1 6 Abbruch der alten Kirche, 1 7 1 7 Neubau v. C. D . Asam, bez. im Deckengemälde „Pictor et architectus" Fresken 1 7 2 1 : Triumphierende Kirche und Bilder aus der Geschichte des Klosters u. d. Benediktinerordens. Stukkaturen: E. Qu. Asam, von ihm auch die vier Seitenaltäre. Der Hochaltar (Hl. Georg mit Drachen, Jungfrau, Hl. Abt Maurus u. H l . Martin) gemeinsames Werk. Fresko d. Vorhalle und hinter d. Hochaltar: Franz Asam. 1 7 2 3 — 1 7 2 4 , Freising, Oberbayern. Dom, 1161, Umgestaltung des Inneren durch einheitliche 6 6 Dekoration von den Brüdern Asam (architekt. Gliederung u. Stukkaturen E. Qu. A., von ihm auch Stuckkruzifix und Schmerzensmutter, Deckenfresken u. Querbilder a. d. Emporenbrüstungen C. D. A . Themen: Szenen a. d. Leben des H l . Korbinian, Glaube, Hoffnung, Liebe, Anbetung des Lamm Gottes. 1 7 2 6 — 1 7 3 1 , Osterhofen (Altenmarkt), Niederbayern, Amt Vilshofcn. Ehem. Prämonstratenser-, später Damen-Stiftskirche, erbaut 1 1 1 0 , Neubau 1726 v. J . M. Fischer, 1728 voll. Stukkaturen, Deckenmalereien (aus d. Leben des H l . Norbert) durch die Brüder Asam 1 7 3 1 (Chronogramm) voll. Hochaltar (bewegte Gruppen „Glaube" und „Hoffnung", Chorbogenaltäre (St. Anna m. d. Marienkind), Seitenaltäre, einzelne Chorgestühle, Stifterfiguren auf d. Brüstungen der beiden Chorfenster (Odilo mit Hiltrudis u. Heinrich I V . mit Luitgard u. d. Bauplan der alten Kirche) v . E . Q u . Asam. Hochaltarbild (Martyrium d. Hl. Margaretha) v. C. D. Asam, 1732. 1 7 2 7 — 1 7 3 0 , München, St. Anna am Lehel. Hieronymiten-, jetzt Franziskanerkloster. Neu- 8 bau von J . M . F i s c h e r . 1944 schwer beschädigt, bis 1950 nüchtern restauriert, am besten erhalten die beiden vorderen Seitenaltäre mit Gemälden von C. D . Asam, weiterhin Tabernakelengel und Kanzel von J . B. Straub. Ehemals Hochaltar und Hauptseitenaltäre 1739 sowie Stukkaturen von E. Qu. Asam. Malereien von C. D. Asam (Deckenbild sign. 1729) Vorhalle, Fassade, Türme von K . v. Voit 1852/53, im Krieg zerstört. 1 7 2 7 — 1 7 3 3 , Steinhamen, Württemberg, Donaukreis. Wallfahrtskirche f ü r Kloster Schussenried. Bauherr: A b t Didakus Ströbele ( 1 7 1 9 — 3 3 ) , Baumeister: D. Zimmermann (Signierung unter Orgelempore „Dominicus Zimmermann Archit. E. Stuckador Landsbergiensis"). Pläne 1727, Fundament 1728, Fresken 1 7 3 0 — 3 1 v. J . B. Zimmermann (Chor: Gottvater u. Hl. Geist erwarten Christus u. Maria, Haupthaus: Maria Königin d. Himmels u. d. Erde „Joh. Zimmermann Pinx. Monac. 1 7 3 1 " ) . Hochaltarbild von Franz Martin Kuen. Stukkaturen v. beiden Brüdern zusammen.

72-76

1 7 3 2 — 1 7 3 6 , Ingolstadt, Donau. Bürgersaal S. Maria Victoria f ü r die Jesuiten-Studenten-Kon- 6 7 gregation erbaut, stuckiert und ausgemalt von den Brüdern Asam (Hochaltar von Breitenauer, Wandbilder seitlich des Hochaltars v. H . B. Götz, a. d. Langseiten von Melchior Puchner u. a.). 43

j i-2 i

1733—1739, Diessen am Ammersee. Ehem. Augustiner-Chorherren-Stiftskirche. Bauherr: Propst H e r k u l a n K a r g (1728—55). Baumeister: J . M. Fischer, vielleicht Beteiligung v. F. Cuvilliis. Weihe 1739. Fresko im Langhaus v. J. Gg. Bergmüller, S t u k k a t u r e n v. d. Wessobrunnern Frz. X . u. J . M . Feichtmayr, J. Gg. Üblhör. Hochaltar: Plastik 4 Kirchenväter v. J. Dietrich. Altarbild v. B. A. Albrecht (1738) 2 Seitenaltäre u. Kanzel v. J. B. Straub. Altarbilder v. Giov. Batt. Tiepolo (1696 bis 1770), (Sebastiansaltar) G. B. Pittoni u. J. Ev. H o l z e r (St. Michaels-Altar).

60-6j

1733, München, Johann von Nepomuk-Kirche. E. Q u . Asam stiftet den Bau der Kirche, kauft 1729 bis 1733 in der Sendlingerstraße mehrere Häuser, von denen er eines als sein W o h n h a u s einrichtet und dessen Fassade er mit S t u k k a t u r e n überzog. 1731 macht er Eingabe wegen der Stiftung, nach zweimaliger Ablehnung Baubeginn 1733. 1734 im R o h b a u , 1746 im Innern im wesentlichen fertig, aber auch nach dem T o d e Asams weiterhin noch ausgestattet ( T a b e r n a k e l altar). Mitarbeit seines Bruders C. D. bei P l a n u. Ausstattung. Deckenmalereien (aus dem Leben d. H l . Joh. v. N e p o m u k ) von seiner H a n d . H o c h a l t a r f r ü h e r Figurengruppe mit dem Namensheiligen. — I 74°> Günzburg a. d. Donau, Bayr.-Schwaben. Frauenkirche. Die Stadt G ü n z b u r g w u r d e 1735 durch ein großes Feuer heimgesucht. Die alte Kirche verbrennt vollständig. D e r R a t beruft D. Zimmermann. Malereien 1741 (sign.) und A l t a r b l ä t t e r 1747 u. 1752 v. A n t o n Enderle (1700 bis 1761), Stukkaturen 1740—41 von T h o m a s Gering, beide v. G ü n z b u r g Hochaltarplastik 1757 v. Ignaz Hillebrand. Chorgestühl v. H a n s Rieh. Bauer-Offingen 1740—41, Orgel 1746 v. Kaspar Briegel, Aislingen.

70,71

9,10

' 7 3 6 — ' 7 3 9 ) Ingolstadt. Franziskanerkirche, ehem. Wallfahrtskirche. Bauherr: P r i o r German Auer (1734—40). Baumeister: J. M. Fischer, Grundstein 1736, Vollendung 1739, Weihe 1740. Fresken: J. B. Z i m m e r m a n n ( H a u p t f r e s k o : Gnadenbild und Entstehungsgeschichte der W a l l f a h r t . 2 G r a b d e n k m ä l e r der Preysing v. Ignaz Günther. (Vergl. Fischers Kirchen in A u f h a u s e n 1736—46 und Berg am Laim.) 1945 schwer beschädigt, 1950 Reste abgetragen. 36,37 1737, Berg am Laim bei München. H o f k i r c h e St. Michael. Baumeister: J. M. Fischer. Bauinspekteur ist 1739 F. Cuvillies, n i m m t Einfluß auf die Gestaltung der Stirnseite. S t u k k a t u r e n u. Fresken (aus dem Leben des H l . Michael) v. J. B. Zimmermann, sign. 1743. Altarplastik v. J. B. Straub (4 Nebenaltäre 1743, 2 große Seitenaltäre 1758—59, Entwurf G r a p h . Slg. München, Christus u. Maria 1768, Fassade St. Michael 1742—43) Ausstattung erst in den 60er J a h r e n vollendet. 22-27 1738—1762 5 Zwiefalten, W ü r t t e m b e r g , Donaukreis. Ehem. Benediktinerkloster, gegr. 1089. Nach Abbruch der mittelalterl. Kirche N e u b a u durch J. M. Fischer. Stukkaturen und A l t ä r e 1747—58 v. J. Feichtmayr, Chorgestühl 1747 v. Joseph Christian. Deckenmalereien v. Fr. J. Spiegier (Chor: M a r t y r i u m d. H l . Placidus, Quersdiiff: Glorie d. H l . Stephanus u. Benedikt, 1748, Vierungskuppel: Verehrung und K r ö n u n g der Immaculata, 1749, L a n g h a u s f r e s k o : Vision d. H l . Benedikt.) Fresken der Vorhalle v. Franz Sigrist (1720—1807). Bauherren: August Stegmüller und Benedikt M a n z , 1744—1765. 87 1738—1750, Wiblingen bei Ulm, W ü r t t e m b e r g , Donaukreis. Seit 1714 N e u b a u des gesamten Klosters, Bibliotheksraum im Nordflügel von Christian W i d e m a n n von Elchingen (um 1689 bis 1739), ausgemalt v. F. M Kuen, 1744. Plastik wohl v. J . M. Fischer aus Dillingen. 88-90 "744— r 75 2 > Ettal, O b e r b a y e r n , A m t Garmisch. Wallfahrtskirche Benediktinerkloster, durch Ludwig den Bayern 1330 gegr. Weihe 1370, erster Z e n t r a l b a u der Hochgotik in Deutschland (Zwölfeckbau mit doppelgeschossiger Ummantelung, Mittelsäule, polygonal geschl. Chor), um 1480—90 spätgotisches Gewölbe. G n a d e n b i l d : Muttergottes mit K i n d , M a r m o r 1312—13 von Giovanni Pisano. U n t e r A b t Placidus II. Seiz (1709—36) 1710 Fassade u n d querovaler Chor. N e u b a u von Enrico Zuccalli. Monumentalfiguren der 12 Apostel, um 1711 —14, von Ägid Verhelst. Brand 1744 zerstört Gewölbe des Zentralraumes und des Chors. Wiederherstellung und Vollendung (nach den Plänen Zuccallis?) unter Beibehaltung der gotischen Anlage durch Joseph Schmuzer. Sein G r u n d r i ß der Gesamtklosteranlage 1748. S t u k k a t u r e n von ihm und Georg Ublhör. 6 Altäre im R u n d b a u und Kanzel ( E n t w u r f ) 1757—62 v. J. B. Straub. K u p p e l b i l d (Verherrlichung der Dreifaltigkeit) 1752 von J. J. Zeiller. Hochaltar 1788 v. Salzburger Lindner, z. T . Entwurf J. G ü n t h e r , A l t a r b l a t t ( H i m m e l f a h r t Mariens) 1786 von M a r t . Knoller. Reliefs a. d . Säulen 1790 v. R o m a n A n t o n Boos. S t u k k a t u r e n in der Sakristei v. J . B. Z i m m e r m a n n (n. H u g o Schnell) lt. Dehio-Gall, H a n d b u c h der K u n s t d e n k m ä l e r , W i e d e r a u f b a u nach dem Brand, insbesondere der Kuppel, durch F r a n z X a v e r Schmuzer (?).

44

174$—'754 Wies, Oberbayern, Amt Schongau. Die Wallfahrt gilt der Verehrung einer Statue des gegeißelten Heilands (Hochaltar). Abt Hyazinth Gassner u. sein Nachfolger Marian II. Meyer vom Kloster Steingaden planen die Kirche. Bauzeit 174 j—54, Weihe des Chors 1749, Weihe der Kirche 1754, Seitenaltäre 1756, Orgel 1757. Mit der Kirche verbunden das Priesterhaus. Baumeister: D. Zimmermann (a. d. Westempore sign.). Ausstattung: Stukkaturen u. Fresken J. B. Zimmermann, Mitarbeit J. G. Üblhör. Themen der Bilder: der gegeißelte Heiland und die Erhörung durch sein Blutopfer, Haupthaus: der Ruf z. jüngsten Gericht. Bilder im Hochaltar vom Münchner Hofmaler B. A. Albrecht (1687—176j), a. d. Seitenaltären v. J. G. Bergmüller (1756) u. J. Mages (1728—69) aus Augsburg. Evangelisten u. Propheten am Hochaltar Eg. Verhelst. Kirchenväter im Hauprhaus u, Figuren d. Seitenaltäre v. A. Sturm. Kanzelentwurf v. D. Zimmermann. (Carl Lamb, die Wies, München 1948 behandelt das Phänomen des Lichts i. d. Wieskirche.) 1746—1750, Neu-Birnau am Bodensee. Wallfahrtskirche f. d. Kloster Salem. Bauherr: Abt Anselm Straub. Baumeister: Peter Thumb, Vertrag 1746, Grundstein 1747. Deckenmalereien v. G. B. Göz 1749 (Über d. Hochaltar: Esther u. Maria als Fürbitterin vor Christus, Chorkuppel: Apokalyptische Gottesmutter mit den Symbolen Erdkugel, Schlange, Herz, Spiegel, Kreuz, Anker, Hase. Zwickel: die vier Weltteile. Hauptdecke: Verehrung der Muttergottes). Gesamte Bildhauerarbeit (Altäre, Kanzel, Skulpturen, Schnitzereien u. Stukkaturarbeit) von Joseph Anton Feuchtmayer 17JO—1757. Mitwirkung Joh. Gg. Dirr. 1748—1766, Ottobeuren, Bayr.-Schwaben, Amt Memmingen. Benediktinerabteikirche, ehem. Reichsstift. 764 gegr., unter Abt Rupert I. Seliger (1102—45) romanischer Bau. Unter Abt Rupert II. Ness (1710—40) und Anselm Erb (1740—67) Neubau von Kloster und Kirche. Grundsteinlegung zum Klosterbau 1711, zur Kirche 1737. Dachstuhl 1753, Inneneinrichtung ab 1757, Weihe 1766. Baumeister: Christoph Vogt 1711—25 Kloster und Stiftsanlage, Kirdienplänc um 1725, Andrea Maini, Stukkator aus Oberitalien, und Kaspar Radmiller, schwäb. StukkatorMaurermeister, Dominikus Zimmermann 1732 mit zwei Plänen, Joseph Schmuzer aus Wessobrunn, Simpert Kramer (1675—1753), Maurermeister aus dem Allgäu, 1736. Nach seinem Plan erfolgt Grundsteinlegung. Joseph Effner 1744; seit 1748 Johann Michael Fischer. 1749 scheidet Kramer aus. Stukkaturen: Johann Michael Feichtmayr 1756—64 unter Mitarbeit von Ferdinand Schnell, Figürl. Plastik: Chorgestühl u. Orgel Joseph Christian (Schreiner Martin Hörmann). Orgel: Karl Josef Riepp 1757—64. Malereien: Deckenbild i. Gemeinderaum, Verherrlichung St. Benedikts in Gemeinschaft der Heiligen v. Frz. Ant. Zeiller. Chorgewölbe, Sieg des Hl. Michael und Engelchöre, Altargewölbe, Anbetung des Lamms aus d. Offenbarung v. Joh. Jac. Zeiller. Kuppelbild i. Vierung, Ausbreitung der Kirche über die Welt, gemeinsame Arbeit beider Maler. Von Joh. Jac. Zeiller das Hochaltarbild, Hl. Dreifaltigkeit und Erlösung der Menschheit, die Hauptaltäre der Querarme, die Seitenaltäre m. Hl. Ursula u. Hl. Anna v. Januarius Zick. 1752, Schussenried, Württemberg, Donaukreis. Ehem. Prämonstratenser—Kloster. Bibliothek von Dom. Zimmermann. Freskogemälde von Fr. Gg. Hermann, bez. 1757. Plastiken v. Jakob Schwarzmann aus Feldkirch. 1751—jj, Andechs, Oberbayern. Kloster- und Wallfahrtskirche Kapelle seit 1128. 1277 Vergrößerung, Neubau 1388, 1438—39 Errichtung eines Chorherrenstiftes. Die heutige Kirche entstand durch Umbau 1751—5$, Baumeister Lorenz Säpel u. Ig. Merani. Stukkaturen u. Fresken: J. B. Zimmermann, Mitwirkung J. G. Üblhör (Fresko Mittelraum: Heilige aus dem Hause Andechs beten die drei wunderbaren Hostien an. Christi Himmelfahrt). Plastik v. J. B. Straub (unterer Hochaltar, Tabernakel 1751—55, Gesamtentwurf J. B. Zimmermann, Goldschmiedearbeit J. M. Roth-München 1756) und Frz. X. Schmädel-Weilheim (Oberer Hochaltar). Immaculata Hans Degler 1608. 1759, Rott am Inn, Oberbayern, Amt Wasserburg. Ehem. Benediktinerklosterkirche. Zwischen 1081 u. 1085 gegr., seit 1718 Neubau des Klosters, 1758 Abt. Benedikt Lutz plant dekorative Erneuerung der romanischen Kirche durch Fr. X. Feiditmayr u. Jac. Rauch. Neubau v. J. M. Fischer, Grundsteinlegung 1759, Weihe 1763. Deckengemälde (Apotheose des Benediktinerordens) v. Matth. Günther bez. 1763. Plastiken am Hochaltar und Seitenaltäre von Ignaz Günther (Korbinian, Benno, Heinrich, Kunigunde, Gregor, Petrus Damianus, Notburga u. Isidor, Entwürfe f. Altäre). Seitenaltäre von Joseph Götsch. Stukkaturen Jakob Rauch u. Frz. Xaver Feichtmayr. 45

77-8$

91-96

28-3 j

86

68,69

38-43

ZU D E N

BILDERN

T r o t z aller Fortschritte, die die photographische Technik im L a u f e der J a h r e gemacht hat, bleibt die Photographie, gemessen an unserem A u g e und an seiner Erlebnisfähigkeit, ein primitives und mit technischen Mängeln behaftetes Ausdrucksmittel. N u r w e r sich ernsthaft damit beschäftigt, kennt die Grenzen. Freilich w i r d mandler, der eine Barockkirche gesehen hat, meinen, daß dieses T h e m a der P h o t o graphie von selbst entgegenkomme. D a s aber ist ein Irrtum, denn die Fülle der Motive und ihre Vielseitigkeit

ist

f ü r das Augenerlebnis des Betrachters

gesdiaffen. D a s A u g e

sieht

noch im

dunkelsten Schatten, noch im hellsten Licht, in der N ä h e und in höchster H ö h e alles. Es e r f a ß t den ganzen R a u m und greift sich Einzelheiten heraus. D a r a u f jedodi muß die Photographie von vornherein verzichten, denn sie kann nur A n r e g u n g und Wegweiser zum Original sein, w e n n sie nur das bringt, was in ihren Möglichkeiten liegt. N i r g e n d s ist der Betraditungspunkt so festgelegt wie beim Barock. Niemals dürfen f ü r die K a m e r a Standpunkte gewählt werden, die nicht auch das Auge des durch die R ä u m e gehenden Betrachters einnehmen kann. So sind Gerüste und hohe S t a t i v e überflüssig. Einzelheiten, K a p i t e l l e , Figuren in großer H ö h e müssen von demselben Standpunkt, nur mit längeren Brennweiten a u f genommen werden. Au? diesem Grunde lassen sich starke Steilblicke mit schräggestellten Senktediten manchmal nicht vermeiden. N u r die Führung des Lichtes und die Perspektiven der Malerei in den Barockräumen, v o r allem bei den Asambautcn, kommen vielfach der Photographie entgegen. Die Täuschung der

Uber-

gänge von Architektur zum Stuck und zur Malerei gelingt der Photographie fast besser als der Wirklichkeit. Meine Assistentin U r s u l a von und zu Loewensteinf und mein Bruder Fritz Hege h a l f e n mir bei diesem W e r k . Walter

Bildernachweis:

Hege

G . Dangel, Stuttgart S. 7 j . G . Schmidt, München S. 6 8 — 7 1 . H . R e t z l a f f ,

T a n n S . 7 2 . A l l e anderen A u f n a h m e n w u r d e n von Walter H e g e , Gelsenkirchen mit L i n h o f k a m e r a 1 3 X 1 8 und Objektiven der Firma K a r l Zeiss und dem 1 2 cm A n g u l o n der F i r m a Schneider & Co., Kreuznach hergestellt. — N e g a t i v M a t e r i a l : A g f a Isopanfilm 1 3 X 1 8 . Titelbild: A g f a c o l o r . Es

l i e f e r t e n : D a s P a p i e r Scheufeien, Oberlenningen. D i e Druckstöcke Böhm & C o . , Berlin.

D e n Druck Universitätsbuchdruckerei D r . C . W o l f & Sohn. D e n Einband J . Schmidkonz, München. Erschienen Dritte

1953

im D e u t s c h e n

verbesserte

Auflage.

Kunstverlag

G m b H.,

München

Berlin.

DIE

BILDER

i. W e i n g a r t e n ,

Benediktiner-Klosterkirche.

1 7 1 5 bis

1724

i . O b e r ni a r c h t a I, c li (.' m ¡i I i s t B l i c k

P r

111 o 11 s t r .1 t v n s e r - K I o s t e r k i r c li e

/ u 111 C li o r

3. W e i n g a r t e n ,

B e n e d i k t i n e r - K l o s t e r k i r c h e . Blick

zum

Chor

4< W e i n g a r t e n , Deckenfresken

von

Vierungskuppel. C . D. A s a m , 1 7 1 8

bis

1720

5. W e i n g a r t e n , K u p p e l i m Deckenfresken

von

C. D. A s a m ,

Chorjoch. 1718

bis

1720

7. Vi' e i n g a r t e n , C l i o r g i t t e r ,

z «• I s c h o n

1 7 1 0

und

i 7 j S. S c i t f 11 s t ¿i c k

8. J o h a n n

M i c h a e l 1727

bis

Fischer, 1730.

M ü n c h e n ,

V o r

der

St.

A n n a

Z e r s t ö r u n g

am

Lehel.

9. I o h a n n M i c li a e I F i s c h e r, I n g o l s t a d t . 1736 bis 1739

I : r a n n s t ) n c r k i r c h c.

IO. J o h a n n

Michael

Fischer,

Empore

Ingolstadt,

einer

F r a n z i s k a n e r k i r c h e .

S e i t e n k a p e 11 e

ii. J o h a n n

Michael

Fischer, Diessen, Kapitell

ehemalige

Stiftskirche.

12. J o h a n n

Michael

Fischer, Diessen 1733

am A m m e r s e e , bis

1739

ehemalige

Stiftskirche.

13- J o h a n n

Michael

Fischer,

D i e s s e n. B l i c k

zum

Chor

15- D i e s s e n ,

H o c h a l t a r ,

1738

17- D i e s s e n, H o c h a l t a r ,

die

Kirchenväter

von

Joachim

Dietrich

i S. D ¡ e s s e n. 11 o c Ii a I i a r. G o t i v a t e r v o n | o .1 c Ii i ni D i e t r i c Ii

19- D i ir s s c 11. H i l c li a I t .1 r. d e r

I I I . H i c r o n y 111 u s v o n

J o .1 c h i m

D ¡ e t r i c 11

20. D i c s s V n , O r K c I c m p o r c. S t u k k a t u r e n von J o h a n n M i c h a e l I ' c i c h t m a y r und J o h a n n

G cor s

Oblhör

21. D ¡ e s s e n , S c h w e b e n d c r

E n g e l in d e r

Taufkapelle

J o h a n n

Michael

Fischer,

Zwiefalten, 1758

bis

ehemaliges 1762

B e n e d i k t i n e r - K l o s t e r .

23. J o h a n n

M i c h a e l

Fischer,

Z w i e f a l t e n .

B l i c k

z u m

C h o r

>4- J o h a n n

Michael

F i s c h e r , O s t e r h o f e n , ehem. Prämonstratenser-Klostcrkirchc. 1726 bis 1731

i5- J o h a n n

M i c Ii a c I I' i s c Ii c r, Z w i e f a l t e n ,

i 7

S li ¡ s ! 7 6 J

i6. Z w i e f a l t e n ,

Kindergruppe

in

Rocaillen

von

Johann

Michael

Feichtmayr

ly. Z w i e f a l t e n ,

F r e s k o im L a n g h a u s von F r a n z V i s i o n des Hl. B e n e d i k t

Joseph

Spiegier.

29. J o h a n n

Michael

Fischer,

Ottobeuren, Benediktiner-Klosterkirche. 1 7 4 4 bis 1766

30. J o h a n n

Michael

Fischer,

Otto b euren.

Blick

zum

Chor

3i. J o h a n n

Michael

Fischer,

Ottobeuren.

Langhaus

und

Chor

32. O t t o b e u r e n , T a u f e C h r i s t i von Johann Michael Feichtmayr

33. O t t o b e u r e n , S e i t e n k a p e l l e n a m L a n g h a u s Kanzel von Johann Michael Feichtmayr

34- O t t o b e u r e n , C h o r g e s t ü h l m i t O r g e l . Plastik von Joseph C h r i s t i a n

üttobcurcn,

K i n ti c r s; r u p p e a m

Vo n J o h a n n

Michael

S c ¡t c n aIt a r

F c¡c h t m a y r

;6. J o li a n n M i c h a e l

F i s c h er, B e r g 1

am

7 } 7 his

Laim,

"74}

Hofkirchc

St.

Michael.

37- J o h a n n M i c h a e l F i s c h e r , B e r g a m Blick zum Chor

Laim.

38. J o h a n n

Michael

Fischer,

R o t t am I n n , e h e m . 1759 begonnen

Benediktiner-Klosterkirche,

39- R o t t

am

Inn,

Aufsatz

am

S e i t e n a l t a r

41. R o t t

am

Inn,

Hochaltar.

Kaiserin

Kunigunde

von

Ignaz

Günther

42. R o t t

am

Inn,

Stukkaturen

von

Jacob

Rauch

43-

Rott

am

Inn.

K u p p c If r cs k o

von

Matthäus

Günther.

Ausschnitt

44- E g i d

Quirin Blick

Asam, Rohr, Stiftskirche. 1 7 1 7 durch das L a n g h a u s zum Chor

bis

1 7 1 9.

45- E g i d

Quirin

Asam, Rohr.

Hochaltar

4. D o m i n i k u s

Zimmermann,

S t e i n h a 11 s c 11. B l i c k

/um

(. h D

jb. D o m i n i k u s

Z i m m e r m a n n ,

G e w ö l b e a n s a t z

S t e i il h a u s c n.

77-

W a l l f a h r t s k i r c h e in d e r Wies. D o m i n i k u s Z i m m e r m a n n , Umgangs in d i e D c c k c n z o n e d e s H a u p t r a u m s u n d

Blick

78. D o m i n i k u s

Zimmermann,

Wallfahrtskirche

in

der

Wies.

1745

bis

1754

81.

D o m i n i k u s

Z i m m e r m a n n ,

W i c s k 1 r c h e.

C h o r

82. W i e s k i r c h c, d e r H l . A m b r o s i u s v o n A n t o n

Sturm

S j. W i i ' s k i r t h c . d i T H l . G r t g o r d e r G r o ß e

von A n t o n

Stur m

84. W i e s k i r c h c.

K a n z e l

S6. D o m i n i k u s

Z i m m e r m a n n ,

S c h u s s e n r i e d ,

B i b l i o t h e k , 1 7 5 2

e h e m a l i g e s

Kloster.

87.

Chr.

und

J.

W i d e n m a n n , B i b l i o t h e k ,

W i b l i n g e n , 1738

bis

e h e m a l i g e s 1 7 5 0

Kloster.

90. S t u k k a t u r e n

v o n

Ii. t t a 1 , B l i c k j o s c p h

z H m

S c 11 m

C

u z c r

h o

r.

u n d

G

c o r i;

Ü b I Ii ü

r

91-

I' e t c i T h u m

li, N e u li I r n .1 u , V j l l t j h r i s k i 1746

bis

1 7 5 3

r c li c.

92- P e t e r

Thumb,

Neubirnau.

Kanzel

und

Seitcnaltar

93- P e t e r

Thumb,

Neubirnau.

Chor

95- P e t e r

Thumb,

N e u b i r n a u. B i l d w e r k e

von

Joseph

Anion

I ; e u e h t m .1 y e r

96. N e u b i r n a u, d e r

Honigschleckcr

von Joseph

Anion

I e u c h i m .1 y e r