Auslegung Und Systematische Einordnung Des 392 Abs. 2 Hgb: Zum Verhaltnis Von Analogie Und Fiktion Bei Mittelbarer Stellvertretung (German Edition) 3428024974, 9783428024971

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German Pages 108 [109] Year 1971

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Auslegung Und Systematische Einordnung Des 392 Abs. 2 Hgb: Zum Verhaltnis Von Analogie Und Fiktion Bei Mittelbarer Stellvertretung (German Edition)
 3428024974, 9783428024971

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KLAUS RUDOLF BÖHM

Auslegung und systematische Einordnung des § 392 Ahs.2 HGB

Berliner Juristische Abhandlungen unter Mitwirkung von

Walter G. Becker, Hermann Blei, Arwed Blomeyer, Erich Genzmer, Ernst Heinitz, Ernst E. Hirsch, Hermann Jahrreiß, Emil Kießling, Wolfgang Kunkel, Richard Lange, Walter Meder, Dietrich Oehler, Werner Ogris, Ludwig Schnorr von Carolsfeld, Erwin Seidl, Karl Sieg, Klaus Stern, Wilhelm Wen gier, Franz Wieacker, Hans Julius Wolff (Freiburg i. Br.) herausgegeben von

Ulrich von Lübtow

Band 24

Auslegung und systematische Einordnung des § 392 Abs. 2 HGB Zum Verhältnis von Analogie und Fiktion bei mittelbarer Stellvertretung

Von

Dr. Klaus Rudolf Böhm

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berl1n 41 Gedruckt 1971 bei Buchdruckerei Richard Schröter, Berl1n 61 Printed in Germany

® 1971 Duncker

ISBN 3 428 02497 4

Vorwort Meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. jur. Horst Bartholomeyczik, möchte ich für die verständnisvolle Förderung dieser Arbeit und die Anregungen danken, die ich als Teilnehmer seines Seminars für Handels-, Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht sowie im persönlichen Gespräch erhalten habe. Herrn Professor Dr. jur. Otto Mühl gilt mein Dank für seine aufmerksame Kritik. Herrn Professor Dr. jur. Ulrich von Lübtow danke ich für die Aufnahme der Arbeit in diese Schriftenreihe. Schließlich danke ich der Rudolf Siedersleben'schen Otto-WolffStiftung in Köln für die großzügige Druckbeihilfe. Ich widme diese Arbeit meinen Eltern. Mainz, im Januar 1971

Klaus Böhm

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung Problemstellung 1. Vorbemerkung

13

2. Beispielsfälle ...................................................

13

3. Darstellung der bisher vertretenen Meinungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

a) Zur Aufrechnung des Dritten ................................. b) Zur Aufrechnung des Kommissionärs. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zur Abtretung der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 16 17

4. Kritik der bisher vertretenen Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

a) Zur Aufrechnung des Dritten .................... , . . . . . . . . . . . .

19

b) Zur Aufrechnung des Kommissionärs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

c) Zur Abtretung der Forderung ................................

22

d) Ergebnis

24

....................................................

B. Hau p t teil I. Abschnitt:

Bedeutung und Auslegung der juristischen Fiktion 1. "Gelten als" in § 392 Abs. 2 ......................................

25

2. Die erkenntnistheoretische Fiktion Vaihingers ....................

25

3. Ablehnung der erkenntnistheoretischen Fiktion für die Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

4. Die Fiktion als besondere gesetzliche Verweisungsform ...........

30

5. Gemeinsame Probleme bei allen Arten gesetzlicher Verweisung. . .

31

6. Verwandtschaft von Fiktion und Analogie .......................

33

7. Das Ähnlichkeitsurteil bei der Analogie. . . . . . . .. . . .. .. . . . . . . . . . . .

35

8. Auflösung der Fiktion des § 392 Abs. 2 durch Ähnlichkeitsurteil ...

38

8

Inhaltsverzeichnis II. Abschnitt: Vergleich des § 392 Abs.2 mit anderen gesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen Regelungen

1. Kommissionär als direkter Stellvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

2. Cessio legis oder fingierte Zession in § 392 Abs.2 .................

47

3. § 392 Abs. 2 als Ausdruck des Surrogationsgedankens .............

48

4. Kommissionär und Kommittent als Gesamthänder . . . . . . . . . . . . . . . .

49

5. Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) zwischen Kommissionär und Kommittent ................................................

50

6. Nießbrauch an der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

7. § 392 Abs. 2 und das Konkursvorrecht des Depotgesetzes ..........

54

8. Vergleich des § 392 Abs.2 mit Vorschriften des Erbrechts .........

56

a) § 1959 BGB ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 2113 Abs. 2 BGB ............................................ c) § 2184 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56 57 58

9. § 392 Abs.2 und die Versicherung für fremde Rechnung ...........

59

10. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit §§ 135, 136 BGB ....................

62

11. § 392 Abs. 2 ein Fall der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

12. Kommittent als Anwartschaftsberechtigter .......................

65

13. Kommittent als relativer Gläubiger i. S. d. §§ 23,26 ZVG ..........

66

14. Pfandrecht des Kommissionärs oder Kommittenten an der Forderung ...........................................................

67

15. § 392 Abs. 2 als ein Fall der Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

a) Tatbestände der Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 392 Abs. 2 und fiduziarische Treuhand .......................

69 70

aal Das Erfordernis der "Unmittelbarkeit" .................... bb) Verhältnis zu § 392 Abs.l ................................. § 392 Abs. 2 und eigennützige Treuhand ....................... § 392 Abs. 2 und Einziehungsermächtigung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 392 Abs. 2 und Inkassozession ................................ Analoger Obersatz für Inkassozession und § 392 Abs. 2 ......... aal Rechtspolitische Zwecksetzung des § 77l ZPO .............. bb) Rechtspolitische Zwecksetzung des § 43 KO ................ cc) Formulierung des analogen Obersatzes ... . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleichbehandlung von Inkassozession und § 392 Abs. 2. . . . . . . . . . aal Problem der Zwangsvollstreckung und des Konkurses. . . . . . bb) Problem der Abtretung der Forderung ....................

7l 72 73 74 76 76 77 78 78 80 80 81

c) d) e) f)

g)

Inhaltsverzeichnis

9

cc) Problem der Aufrechnung durch den Kommissionär dd) Problem der Aufrechnung durch den Dritten .............. (1) Unterschiedliche Auffassungen bei Inkassozession und Kommission .......................................... (2) Begründung der Aufrechnung bei der Inkassozession aus dem Gesichtspunkt des § 406 BGB ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Unanwendbarkeit des § 406 BGB bei § 392 Abs. 2 ........ (4) Bestätigung der gefundenen Auslegung durch die Rechtsprechung ............................................ (5) Zwangsvollstreckungscharakter der Aufrechnung kein Argument gegen die gefundene Auslegung .............

82 83 83 84 84 86 87

IH. Abschnitt: Auslegung des § 392 Abs. 2 aus historischer Sicht 1. Materialien zum HGB ...........................................

89

2. Die Rechtsprechung zu Art. 368 Abs. 2 ADHGB ...................

90

3. Die Auffassung in der Literatur zu Art. 368 Abs.2 ADHGB .......

92

4. Entstehungsgeschichte des § 392 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

5. Ergebnis der historischen Untersuchung. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .

95

C. SchI uB 1. Zusammenfassung des gefundenen Auslegungsergebnisses

96

2. Lösung der Beispielsfälle ........................................

97

Literaturverzeichnis Gesetzesmaterialien, Sammlungen und TextfundsteIlen ..............

99 107

Abkürzungsverzeichnis Abs. Abt. AcP ADHGB ADS AkfDR ALR Anm.

ArchBürglR Art. AT BB Bd. BGB BGH BGHZ DepotG Diss. Einf. Ein!. Er!. gem. Gruchot GVG HGB h.M. i. V. m. i. S. d. JherJb JuS JW

JZ KG KO LM LZ NJW OLG OLG.

o. a.

Absatz Abteilung Archiv für die civilistische Praxis Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861 Allgemeine Deutsche Seeversicherungs-Bedingungen Akademie für Deutsches Recht Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 Anmerkung Archiv für Bürgerliches Recht Artikel Allgemeiner Teil Der Betriebsberater Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Depotgesetz Dissertation Einführung Einleitung Erläuterung gemäß Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts Gerichtsverfassungsgesetz Handelsgesetzbuch herrschende Meinung In Verbindung mit im Sinne des (der) Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kammergericht Konkursordnung Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerke des Bundesgerichtshofes Leipziger Zeitschrift für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht Neue Juristische Wochenschrift Oberlandesgericht Sammlung der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte oben angeführt

Abkürzungsverzeichnis Pr.AGO Rdn. Recht RG RGZ ROHG RPfl. Sp. VVG

WarnRspr. WM ZHR ZPO ZStW ZVG ZZP

11

Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten Randnote Das Recht Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Reichsoberhandelsgericht Der Deutsche Rechtspfleger Spalte Gesetz über den Versicherungsvertrag Warneyers Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Zivilrechts Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht Zivilprozeßordnung Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung Zeitschrift für Zivilprozeß

A. EINLEITUNG

Problemstellung 1. Vorbemerkung

In Literatur und Rechtsprechung ist man sich heute darüber einig, daß der Kommittent im Konkurs des Kommissionärs die noch ausstehende Forderung des Kommissionärs gegen seinen Vertragspartner aus dem Ausführungsgeschäft gern. § 392 Abs. 21 i. V. m. § 43 KO aussondern kann. Weiter besteht Einigkeit darüber, daß der Kommittent bei der Einzelzwangsvollstreckung von Gläubigern des Kommissionärs in die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft gern. § 392 Abs. 2 i. V. m. § 771 ZPO widersprechen kann2 • Dieses Bild einer einmütigen Auffassung ändert sich aber schnell, wenn es um die Frage geht, ob der Dritte3 gegen die Forderung des Kommissionärs aus dem Ausführungsgeschäft aufrechnen kann oder ob dies dem Kommissionär möglich ist. Ebenso ist umstritten, ob der Kommissionär die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft an einen anderen als den Kommittenten abtreten kann. 2. Beispielsfälle Zur Verdeutlichung der Problemstellung soll folgende Fallzusammenstellung dienen: §§ ohne Gesetzesangabe sind solche des HGB. RGZ 32, 39 (42); 35, 48 (57); 40, 85 (87); 84, 214 (216); 92, 8 (11); 96, 5 (8); RG LZ 1913, Sp.156; RG JW 1935, 3156; BGH BB 1959, 975; Schwarz NJW 1969, 1943; CapeUe, Handelsrecht S. 107; Bandasch, § 392 Anm.2; Lippmann, S.151; MüHer, S.29; Baumbach-Duden, § 392 Anm. 2 B; Heymann-Kötter, § 392 Anm.3; Ratz in HGB-RGRK, § 392 Anm.5 und 5 a; Ritter, § 392 Anm. 3 c; Hartmann, S. 40; SchLegeLberger-HefermeM, § 392 Rdn.19, 17; KJeinrahm, S.617; Weidmann, S.247; Petzke, S.29; Locher, S.1354; v. Gierke, Handelsrecht S.30; Schmidt-RimpLer, Kommissionsgeschäft S.914/5; Cosack, S.267; MüHer-Erzbach, Handelsrecht S.167. 3 Unter dem Dritten wird im folgenden immer der Vertragspartner des Kommissionärs bei dem Ausführungsgeschäft der Kommission verstanden. 1

2

14

A. Einleitung

Fall 1: Kommisionär K verkauft kommissionsweise für 2000 DM einen Kraftwagen des Kommittenten an den Dritten D. K verpflichtet sich, bei nicht termingerechter Lieferung 500 DM Vertragsstrafe zu zahlen. Da K den Liefertermin nicht einhält, zahlt D nur 1500 DM an ihn und rechnet im übrigen mit seiner Forderung aus der Vertragsstrafe gegen die Kaufpreisrestforderung auf. Fall 2: Kommissionär K verkauft einen Kraftwagen des Kommittenten E für 2000 DM an D. Da D bereits eine Werklohnforderung gegen K von ebenfalls 2000 DM hatte, rechnet er mit dieser gegen die Forderung des K aus dem Kaufvertrag auf. a) D wußte bei Abschluß des Kaufvertrages, daß K für fremde Rechnung handelte. b) D wußte bei Abschluß des Kaufvertrages nicht, daß K für fremde Rechnung handelte.· Fall 3: Wie Fall 2, jedoch mit dem Unterschied, daß D seine Werklohnforderung erst nach Abschluß des Kaufvertrages erwirbt. a) D wußte beim Erwerb der Werklohnforderung, daß K beim Kaufvertrag für fremde Rechnung gehandelt hat. b) D wußte beim Erwerb der Werklohnforderung nicht, daß K beim Kaufvertrag für fremde Rechnung gehandelt hat. Fall 4: Kommissionär K verkauft einen Kraftwagen des Kommittenten E für 2000 DM an D, der eine Forderung von 2000 DM gegen K hat. K rechnet mit der Kaufpreisforderung gegen die Forderung des D an ihn auf. a) Die Forderung des D ist im Zusammenhang mit der Durchführung des Kaufvertrages entstanden. b) Die Forderung des D steht in keinem Zusammenhang mit dem Kaufvertrag. Fall 5: Kommissionär K verkauft kommissionsweise Waren des E für 1000 DM an D. Er tritt die Kaufpreisforderung an X ab, um diesem aus einer vorübergehenden Geldverlegenheit zu helfen. a) X weiß nicht, daß die Forderung für fremde Rechnung erworben wurde. b) X weiß, daß die Forderung für fremde Rechnung erworben wurde. Fall 6: Wie Fall 5, jedoch tritt K dem X die Forderung an Erfüllungs Statt ab. a) X weiß nicht, daß die Forderung für fremde Rechnung erworben wurde. b) X weiß, daß die Forderung für fremde Rechnung erworben wurde.

3. Darstellung der bisher vertretenen Meinungen

15

Fall 7: Wie Fall 6, jedoch tritt K die Forderung nicht an X ab, sondern ermächtigt ihn zur Einziehung der Forderung. Der Anspruch des K auf Auszahlung des Erlöses soll mit seiner Schuld gegenüber X verrechnet werden. 3. Darstellung der bisher vertretenen Meinungen a) Zur Aufrechnung des Dritten

BetraChtet man die in Literatur und Rechtsprechung vertretenen zahlreichen Auffassungen zu dem Fragenkreis, ob der Dritte aufrechnen kann (Fälle 1-3), so fällt auf, daß diese recht unterschiedlich sind. Die Rechtsprechung' und ein Teil der Literatur5 stellen sich auf folgenden Standpunkt: der Kommissionär schließt das Ausführungsgeschäft im eigenen Namen ab. Er wird Vertragspartner des Dritten mit allen Rechten und Pflichten. Der Kommittent kann, wie sich aus § 392 Abs. 1 ergibt, erst dann gegen den Dritten vorgehen, wenn ihm der Kommissionär die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft abgetreten hat, wozu er gern. § 384 Abs. 2 verpflichtet ist. Zwar wird das in § 392 Abs. 1 zum Ausdruck kommende Prinzip der mittelbaren Stellvertretung durch § 392 Abs. 2 durchbrochen, wonach die Forderung auch schon vor der Abtretung als Forderung des Kommittenten gilt; dies beschränkt sich aber auf das Innenverhältnis zwischen Kommittent und Kommissionär. Obwohl § 392 Abs. 2 die Forderung dem Kommittenten auch gegenüber den Gläubigern des Kommissionärs zuordnet und der Dritte zu den Gläubigern des Kommissionärs zählt, muß beachtet werden, daß der Dritte auch Schuldner des Kommissionärs ist. Diese SchuldnersteIlung des Dritten kann nicht unberücksichtigt bleiben. Die Sicherheit und die Rechte des Drittkontrahenten dürfen durch das Innenverhältnis zwischen Kommittent und Kommissionär nicht beeinträchtigt werden. Dem Dritten ist die Aufrechnung daher nur dann zu versagen, wenn zwischen ihm und dem Kommissionär Kollusion zum Nachteil des Kommittenten vorliegt'. 4 RGZ 32, 39 (42): diese Entscheidung erging zu Art. 368 ADHGB, der aber den gleichen Wortlaut wie § 392 hatte. Vgl. ferner RGZ 121, 177 (178); BGH NJW 1969, 276 f. 5 Bandasch, § 392 Anm. 2; Brand, § 392 Anm. 2; Dünnger-HachenburgLehmann, § 392 Anm. 2; Weck~er, S.80, 81; Mosse-Heymann, § 392 Anm.2; Ratz in HGB-RGRK, § 392 Anm. 11; Lippmann, S. 151; Mennrath, S. 20; MüHer, S.41-44; MüHer-Erzbach, Handelsrecht S.167; Baumbach-Duden, § 392 Anm. 1; Kamnitzer-Bohnenberg, § 392 Anm. III; Weidmann, S. 250; Hartmann, S. 42; Gadow JherJb 84, 182. , Vgl. BGH NJW 1969, 276 (277); RGZ 121, 177 (178); Ratz in HGB-RGRK, § 392 Anm.l1.

16

A. Einleitung

Während diese von der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur vertretene Meinung dem Dritten bis zur Grenze der Arglist die Aufrechnungsmöglichkeit gibt und damit die Fälle 1-3 zu seinen Gunsten entscheiden müßte, will eine Auffassung in der Literatur nur eine Aufrechnung mit konnexen Forderungen zulassen7 • Die Vertreter dieser Ansicht betonen im Gegensatz zur Rechtsprechung, die das entscheidende Gewicht auf die Schuldnerstellung des Dritten legt, daß der Drittkontrahent Gäubiger des Kommissionärs sei. Gehe man vom Wortlaut des § 392 Abs. 2 aus, so müsse der Dritte also grundsätzlich von der Wirkung dieser Vorschrift erfaßt werden. Nur für den Fall, daß er mit einer aus dem Ausführungsgeschäft entspringenden, also konnexen Forderung aufrechne, verlange es die Billigkeit, eine Ausnahme zu machen. Wenn er aber mit einer nicht konnexen Forderung aufrechne, so müsse seine Gläubigerstellung betont werden mit der Folge, daß eine Aufrechnung in diesem Fall nicht möglich sei. Diese Meinung kommt also dazu, in den Fällen 2 und 3 dem Dritten die Aufrechnung zu versagen, während diese im ersten Fall zulässig ist. Eine dritte Auffassung schließlich vertritt Capelle8 • Er will eine Aufrechnung durch den Drittkontrahenten mit konnexen Forderungen ohne Einschränkung zulassen, bei den nicht konnexen Forderungen aber danach unterscheiden, ob der Dritte die Kommissionäreigenschaft seines Vertragspartners kannte. Wußte der Dritte beim Abschluß des Kaufvertrages oder beim Erwerb der nicht konnexen Forderung gegen den Kommissionär, daß dieser für fremde Rechnung gehandelt hat, so sei er nicht schutzbedürftig. Nur wenn er von vornherein auf den Eintritt einer Aufrechnungslage vertrauen durfte, verlange es die Billigkeit, seine Gläubigerstellung nicht zu berücksichtigen. Capelle muß daher in den Fällen 2 a und 3 a eine Aufrechnungsmöglichkeit verneinen; in den Fällen 1, 2 bund 3 b jedoch kann der Dritte aufrechnen. b) Zur Aufrechnung des Kommissionärs

Mit der in Fall 4 a und b auftauchenden Frage, ob der Kommisionär mit seiner Forderung aus dem Ausführungsgeschäft gegen eine Forderung des Dritten an ihn aufrechnen kann, hat sich die Rechtsprechung bisher noch nicht beschäftigt. Die fast einhellige Meinung in der Literatur9 geht dahin, daß der Kommissionär zwar nicht aufrechnen dürfe, 7 Dressler NJW 1969, 656; Janz, S. 15; Ritter, § 392 Anm. 3 c; SchlegelbergerHefermeht, § 392 Rdn.23; Cosack, S.267; Schmidt-Rimpler, Kommissionsgeschäft S. 911/2; Heymann-Kötter, § 392 Anm.1. 8 Capelle, Handelsrecht S.107; Cape He, Festschrift für Raape S.333; so auch Schwarz NJW 1969, 1943. 9 Reichel LZ 1913, Sp. 98/99; Mennrath, S. 20; MüHer, S. 27; DüringerHachenburg-Lehmann, § 392 Anm. 22; Koenige, § 392 Anm.2; Schmidt-Rimpler, Kommissionsgeschäft S. 911; Ritter, § 392 Anm. 3 C.

3. Darstellung der bisher vertretenen Meinungen

17

die Aufrechnung aber dennoch wirksam sei. Denn obwohl der Kommissionär gemäß § 384 Abs. 2 verpflichtet sei, die Forderung an den Kommittenten abzutreten und deshalb gegen den Kommissionsvertrag verstoße, wenn er dieser Verpflichtung nicht nachkomme, müsse der Dritte jedoch den Kommissionär als seinen Vertragspartner ansehen können, so daß eine Aufrechnung durch den Kommissionär ebenso wie ein Erlaßvertrag10 wirksam sei. Der Kommissionär kann daher in Fall 4 a und b wirksam aufrechnen. Im Gegensatz zu dieser Auffassung kommt Hartmann l1 ohne nähere Begründung zu dem Ergebnis, daß der Kommissionär nur gegen konnexe Forderungen aufrechnen könne. Danach ist nur die Aufrechnung im Fall 4 a wirksam. c) Zur Abtretung der Forderung

Zu der Problematik der Fälle 5 und 6 vertritt die Rechtsprechung 12 ebenso wie der größte Teil der Literatur l3 folgende Auffassung: der Kommissionär ist nach dem Kommissionsvertrag verpflichtet, sich aller weisungswidrigen Verfügungen über die Forderung zu enthalten; hält er sich an diese Verpflichtung nicht, so macht er sich gegenüber dem Kommittenten schadensersatzpflichtig. Eine Verfügung und damit auch eine Abtretung der Forderung ist aber trotzdem wirksam. Nur wenn die Abtretung an einen Gläubiger des Kommissionärs zur Sicherung oder Abdeckung einer Schuld des Kommissionärs erfolgt, ist sie dem Kommittenten gegenüber unwirksam. Begründet wird diese Ansicht damit, daß in diesem Fall derjenige, an den der Kommissionär abtritt, dessen Gläubiger ist. Deshalb muß nach dem Wortlaut des § 392 Abs.2 der Kommittent auch gegenüber dem Abtretungsempfänger als Gläubiger der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft angesehen werden. Von dieser Meinung ausgehend ist im Fall 5 die Abtretung durch den Kommissionär gegenüber jedermann wirksam, während in Fall 6 der Kommittent die Abtretung nicht gegen sich gelten zu lassen braucht und nun seinerseits vom Kommissionär die Abtretung der Forderung verlangen kann. Zur Problematik des Falles 7 haben bisher nur der BGHu und Baumbach-Dudenl5 Stellung genommen. Beide versagen demjenigen, den der Vgl. hierzu Düringer-Hachenburg-Lehmann, § 392 Anm.2. S.41. 12 RG JW 1935, 3156 f.; KG JW 1933, 1846; RGZ 148, 190 f.; BGH BB 1959, 1959, 975 = BGH LM Nr. 1 zu § 392. 13 Schlegelberger-Hefermehl, § 392 Rdn. 9, 14, 22; Ratz in HGB-RGRK, § 392 Anm.9, 12; Lippmann, S.150; Capelle, Handelsrecht S.107, 105; Düringer-Hachenburg-Lehmann, § 392 Anm. 19,23; Schmidt-Rimpler, Kommissionsgeschäft S. 914; Weidmann, S.245. 14 BGH BB 1959, 975 = BGH LM Nr. 1 zu § 392. 15 § 392 Anm. 2 B. 10 11

2 Böhm

A. Einleitung

18

Kommissionär mit der Einziehung der Forderung beauftragt hat, die Aufrechnung gegen den Anspruch des Kommissionärs auf Herausgabe des Erlöses der eingezogenen Forderung. Da der Beauftragte hier als Gläubiger handelt, müßten aber auch die anderen Vertreter der o. a. Auffassung konsequenterweise zu diesem Ereignis kommen. Ein nicht unbeachtlicher Teil der Literatur16 vertritt im Gegensatz dazu die Meinung, daß der Kommisionär ohne jede Einschränkung über die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft verfügen könne. Er sei zwar durch den Kommissionsvertrag verpflichtet, sich jeder weisungswidrigen Verfügung zu enthalten, eine Verfügung sei aber trotzdem wirksam. Als Begründung für diese Entscheidung wird angegeben, daß der Erwerber sich nicht um das Innenverhältnis zwischen Kommissionär und Kommittent zu kümmern brauche 17 und daß § 392 Abs. 2 nur für einen zwangsweise vorgehenden Gläubiger gelte18• Durch den Kommissionsvertrag könne der Kommissionär, wie sich aus § 137 BGB ergebe, seine Verfügungsbefugnis nicht verlieren19• Diese Auffassung kommt in den Fällen 5 und 6 zu dem Ergebnis, daß die Aufrechnung der Forderung durch den Kommisionär gegenüber jedermann, also auch gegenüber dem Kommittenten wirksam ist. In Fall 7 ist die Aufrechnung des Beauftragten mit seiner Forderung gegen den Kommissionär gegen dessen Forderung auf Auszahlung des Erlöses möglich. Mit der soeben dargelegten Auffassung hat die Ansicht von Staub20 gemeinsam, daß sie nicht danach unterscheidet, ob derjenige, an den der Kommissionär die Forderung abtritt, dessen Gläubiger ist oder nicht. Es soll vielmehr darauf ankommen, ob derjenige, an den die Forderung abgetreten wird, weiß, daß diese aus einem Kommissionsverhältnis stammt21 • Staub kommt also in den Fällen 5 bund 6 b zu dem Ergebnis, daß die Abtretung unwirksam, in den Fällen 5 a und 6 a jedoch gegenüber jedermann wirksam ist. Ebenso wie Staub stellt auch Bandasch auf subjektive Kriterien bei dem Abtretungsempfänger ab 22 • Auf eine Kenntnis oder Nichtkenntnis des Kommissionsverhältnisses soll es aber nur dann ankommen, wenn derjenige, an den der Kommissionär die Forderung abgetreten hat, dessen Gläubiger war. 18 Wolany, S.65; Koenige, § 392 Anm.2; Mennrath, S.19; MüHer, S.29; Janz, S.16/17; Mosse-Heymann, § 392 Anm.5; Ritter, § 392 Anm. 3 c; Cosack, S.267; MüHer-Erzbach, Handelsrecht S.167. 17

18 19

20 21

22

Vgl. Janz, S.16/17. MüHer, S.29. Wotany, S.65. § 392 Anm. 12. Vgl. Staub, § 392 Anm. 5. Bandasch, § 392 Anm. 2.

4. Kritik der bisher vertretenen Ansichten

19

In allen übrigen Fällen ist eine Abtretung möglich. Bei den Beispielen 5 a, 5 bund 6 a kommt Bandasch daher zu einer unbeschränkten Wirksamkeit der Abtretung. Dagegen ist im Fall 6 b die Abtretung dem Kommittenten gegenüber unwirksam. 4. Kritik der bisher vertretenen Ansichten a) Zur Aufrechnung des Dritten

Unter Aufrechnung i. S. d. §§ 387 ff. BGB versteht man die wechselseitige Tilgung zweier gleichartiger Forderungen aufgrund einseitiger Erklärung eines Beteiligten23 • Der Vertragspartner des Kommissionärs aus dem Ausführungsgeschäft kann aufrechnen, wenn die von § 387 BGB geforderten Bedingungen erfüllt sind. Von der Fälligkeit, ErfüllbarkeW' und Gleichartigkeit25 der Forderungen muß man hierbei ausgehen. Fraglich ist nur, ob die Gegenseitigkeit 26 der Forderungen gegeben ist. Der Dritte ist Gläubiger einer Forderung gegen den Kommissionär, und dieser ist somit sein Schuldner. Umgekehrt müßte der Kommissionär Gläubiger der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft und der Dritte Schuldner dieser Forderung sein. Hier setzt § 392 an. Gem. Abs. 1 schließt der Kommissionär das Ausführungsgeschäft im eigenen Namen ab. Vor der Abtretung der Forderung an den Kommittenten kann dieser nicht gegen den Dritten vorgehen. Der Dritte kann nur an den Kommissionär leisten und auch nur dieser die Leistung verlangen. Hieraus folgt, daß der Kommissionär bis zur Abtretung Gläubiger der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft sein muß. Denn andernfalls müßte man den Kommittenten als Gläubiger ansehen und dem Kommissionär eine gesetzliche Einziehungsermächtigung zusprechen. Dann wäre aber nicht verständlich, warum der Kommissionär die Forderung noch an den Kommittenten abtreten soll, wie es § 392 Abs. 1 vorsieht. Geht man von dem bisher gefundenen Ergebnis aus, so muß der Dritte aufrechnen können, denn alle Voraussetzungen des § 387 BGB sind erfüllt. Nun bestimmt aber § 392 Abs. 2, daß schon vor der Abtretung im Verhältnis zwischen Kommittent und Kommissionär sowie dessen Gläubigern die Forderung als eine Forderung des Kommittenten anzu23 Vgl. Fikentscher, § 39 In S.181; Enneccerus-Lehmann, § 69 I S. 276; Esser, Schuldrecht I § 27 I S.164; Larenz, Schuldrecht I § 27 In S.325; Löscher in BGB-RGRK, Vor § 387 Anm.l; Palandt-Danckelmann-Heinrichs, § 387 Anm. 1; Erman-Westermann, Vorbem.l zu § 387. 24 Vgl. hierzu Soergel-Siebert-Schmidt, § 387 Rdn. 1; Löscher in BGBRGRK, § 387 Anm. 2; Palandt-Danckelmann-Heinrichs, § 387 Anm.4. 25 V gl. hierzu Erman-Westermann, § 387 Anm. 3. 26 Vgl. hierzu Larenz, Schuldrecht I § 27 In 3 und 4 S.327.

2'

20

A.

Einleitung

sehen ist. Da aber der Dritte im Falle einer Aufrechnung notwendigerweise eine Forderung gegen den Kommissionär haben muß, ist er dessen Gläubiger. Nach § 392 Abs. 2 ist daher die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft im Verhältnis von Kommittent zum Dritten eine Forderung des Kommittenten. Dann aber hätte der Dritte zwei Gläubiger, einen aus der Sicht des Abs. 1 und einen aus der Sicht des Abs. 2 des § 392. Theoretisch lösbar wäre das Problem durch die Annahme einer relativen Rechtszuständigkeit. Dann wäre eine Leistung des Dritten an den Kommissionär oder eine Aufrechnung gegen dessen Forderung mit Ausnahme des Kommittenten allen gegenüber wirksam. Umgekehrt wäre eine Leistung des Dritten an den Kommittenten oder eine Aufrechnung mit einer Forderung des Dritten an den Kommittenten diesem gegenüber wirksam, allen anderen, vor allem dem Kommissionär gegenüber, unwirksam. Wie sich leicht erkennen läßt, ist diese Lösung des Problems praktisch unbrauchbar und wird auch von niemandem vertreten. Trotzdem bleibt sie die theoretisch einzig denkbare, solange man die Formulierung des § 392 Abs. 2, daß die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft im Verhältnis von Kommittent zu Kommissionär und dessen Gläubigern als Forderung des Kommittenten gelte, so versteht, den Kommittenten in diesem Verhältnis als Gläubiger anzusehen. Die Lösung der Problematik muß bei den Worten "gelten als" und damit bei einer überprüfung des Verständnisses der Fiktion des § 392 Abs. 2 beginnen. Einen Ansatzpunkt dazu hat das Reichsgericht im 32. Band gemacht 27 • Es will die Wirkung des § 392 Abs. 2 auf die Zwangsvollstreckungssituation beschränken. Ohne es auszusprechen, versteht das Reichsgericht die Fiktion des § 392 Abs. 2 nicht in dem oben dargelegten Sinne, sondern sieht in der Formulierung "oder dessen Gläubigern" einen Hinweis auf die Zwangsvollstreckung. Die Lösungsversuche dagegen, die mit dem Argument arbeiten, daß § 392 Abs. 2 für den Dritten nicht passe, weil er auch Schuldner des Kommissionärs sei, müssen scheitern. Da in § 392 Abs. 2 nicht danach unterschieden wird, ob der Gläubiger des Kommissionärs auch dessen Schuldner ist, kann es auf die Schuldnerstellung des Dritten nicht ankommen. Eine Antwort auf die Frage, warum der Dritte, der nun einmal Gläubiger des Kommissionärs ist, nicht von der Fiktion des § 392 Abs.2 erfaßt wird, bleiben die Verfechter dieser Meinung schuldig. Der Hinweis, daß andernfalls § 392 Abs. 2 nicht mit den in Abs. 1 formulierten Grundsätzen der mittelbaren Stellvertretung vereinbar sei, spricht nur gegen, nicht aber für ihre Auffassung. 27 RGZ 32, 38 (42). Die Entscheidung erging noch zu Art. 368 ADHGB, der aber wörtlich mit dem heutigen § 392 übereinstimmt.

4. Kritik der bisher vertretenen Ansichten

21

Noch bedenklicher sind die Ansichten, die auf die Konnexität der Forderungen abstellen. Generell ist für eine Aufrechnung die Konnexität der Forderungen nicht erforderlich28 • Die Aufrechenbarkeit nur mit konnexen Forderungen müßte sich also aus § 392 Abs. 2 ergeben. Dort wird aber nur danach differenziert, ob der Dritte Gläubiger des Kommissionärs ist oder nicht. Seine gleichzeitige Schuldner stellung ist ebenso unbeachtlich wie die Tatsache, ob seine Gläubiger- und Schuldnerstellung aus demselben Rechtsgeschäft herrührt. Die Ansicht, die auf die Konnexität der Forderungen abstellt, hat also im Wortlaut des § 392 Abs. 2 keine Stütze und muß als eine reine Gefühlsentscheidung angesehen werden. Auf derselben Linie liegt auch die Auffassung von Capelle, der bei nicht konnexen Forderungen die Aufrechnung davon abhängig machen will, ob der Dritte die Kommissionäreigenschaft seines Vertragspartners kannte. De lege ferenda ließe sich über eine solche Interessenbewertung diskutieren. § 392 Abs. 2 in seiner jetzigen Fassung gibt dagegen keinerlei Anhaltspunkt dafür, auf die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten abzustellen. b) Zur Aufrechnung des Kommissionärs

Mit Ausnahme von Schmidt-Rimpler und Hartmann kommen diejenigen, die zur Aufrechnungsmöglichkeit sowohl des Dritten als auch des Kommissionärs Stellung genommen haben, in beiden Fällen zum gleichen Ergebnis: der Kommissionär kann ebenso wie der Dritte ohne Einschränkung aufrechnen. Diese Ansicht hat den Vorzug, daß sie konsequenterweise die von § 387 BGB geforderte Aufrechnungslage aus der Sicht des Kommissionärs und des Dritten gleich beurteilen kann. Schmidt-Rimpler2D dagegen will dem Dritten die Aufrechnung mit nicht konnexen Forderungen versagen, während der Kommissionär gegen jede Forderung aufrechnen kann. Eine Begründung für die unterschiedliche Beurteilung gibt er nicht. Dem Wortlaut des § 392 Abs.2 läßt sie sich mit Sicherheit auch nicht entnehmen, denn die Fiktion des § 392 Abs. 2 unterscheidet nicht zwischen dem Kommissionär und dessen Gläubigern. Wenn also dem Dritten als Gläubiger des Kommissionärs nur die Aufrechnung mit konnexen Forderungen gestattet ist, dann müßte umgekehrt auch der Kommissionär nur gegen konnexe Forderungen aufrechnen können. Dieses Argument, daß § 392 Abs. 2 keinen Unterschied macht zwischen dem Kommissionär und dessen Gläubigern, muß auch Hartmann30 ent28 Vgl. Erman- Westermann, § 387 Anm.3; Soergel-Siebert-Schmidt, § 387 Rdn.1. 29 Kommissionsgeschäft S. 911 und 914. 30 S.41.

22

A. Einleitung

gegengehalten werden, der dem Kommissionär die Aufrechnung gegen nicht konnexe Forderungen versagt, während der Dritte unbeschränkt aufrechnen kann. c) Zur Abtretung der Forderung

Bei dem Problem, ob der Kommissionär die Forderung aus dem Ausführungs geschäft an einen anderen als den Kommittenten abtreten kann, muß zunächst diejenige Auffassung als mit dem Wortlaut des § 392 Abs. 2 unvereinbar bezeichnet werden, die danach unterscheidet, ob der Abtretungsempfänger die Kommissionäreigenschaft seines Vertragspartners kannte oder nicht. Wie bereits oben ausgeführt, enthält § 392 Abs. 2 keinen Anhaltspunkt für eine Differenzierung in subjektiver Hinsicht. Auf die Vorstellungen des Abtretungsempfängers kann es deshalb in keinem Fall ankommen. Aber auch die Ansicht der Rechtsprechung und des überwiegenden Teils der Literatur kommt, konsequent zu Ende gedacht, zu einem unhaltbaren Ergebnis. Wenn der Kommissionär die Forderung an einen Gläubiger abtritt, so ist diese Abtretung dem Kommittenten gegenüber unwirksam. Der Kommittent kann den Kommissionär weiterhin als Gläubiger der Forderung betrachten und von ihm Abtretung verlangen. Ist derjenige, an den der Kommissionär die Forderung abtritt, dagegen nicht sein Gläubiger, so ist die Abtretung auch gegenüber dem Kommittenten wirksam. Wie ist es aber, wenn der Kommissionär zuerst an einen Gläubiger und dann an einen Nichtgläubiger abtritt? Die erste Abtretung ist dem Kommittenten gegenüber nicht wirksam. Die zweite dagegen müßte ihm gegenüber wirksam sein, denn die Fiktion wirkt nur gegenüber Gläubigern des Kommissionärs. Dann käme man zu dem Ergebnis, daß sich die relative Rechtszuständigkeit über die in § 392 Abs. 2 genannten Personen ausdehnen würde. Das kann jedoch nicht richtig sein. Man könnte sich natürlich noch auf den Standpunkt stellen, daß im obigen Fall der Kommisionär nur einmal die Forderung abtreten kann. Dann würde sich die Fiktion des § 392 Abs. 2 im Ergebnis aber doch gegen einen Nichtgläubiger des Kommissionärs auswirken, was mit dem Wortlaut der Vorschrift, so wie ihn die Vertreter dieser Ansicht verstehen, nicht vereinbar wäre. Probleme ergeben sich auch, wenn man die Abtretung von der Sicht des Dritten aus betrachtet. An wen soll er leisten, wenn der Kommissionär die Forderung an einen Gläubiger abgetreten hat? Da die Abtretung nur dem Kommittenten gegenüber unwirksam ist, müßte er eigentlich an den Abtretungsempfänger leisten. Wie läßt sich dieses Ergebnis aber wiederum mit dem Wortlaut des § 392 Abs.2 vereinbaren? Denn solange der Kommisionär dem Dritten gegenüber seine

4. Kritik der bisher vertretenen Ansichten

23

Verpflichtungen aus dem Ausführungsgeschäft nicht erfüllt hat, ist der Dritte Gläubiger des Kommissionärs. Die Fiktion des § 392 Abs. 2 müßte in diesem Fall auch für ihn gelten mit der Folge, daß auch er den Abtretungsempfänger nicht als Gläubiger ansehen dürfte. Dabei erhebt sich dann aber die Frage, ob die Fiktion gegenüber dem einen Gläubiger des Kommissionärs wirken soll, dem anderen gegenüber jedoch nicht. Die Erklärung dafür wäre, daß dieser andere Gläubiger der Partner des Kommissionärs aus dem Ausführungsgeschäft ist. Eine solche Differenzierung ist aber in § 392 Abs. 2 nicht getroffen, sondern es ist schlechthin von Gläubigern des Kommissionärs die Rede. Ferner ist den Anhängern dieser Meinung noch folgende Überlegung entgegenzuhalten. Geht man - wie sie - davon aus, daß durch die Fiktion des § 392 Abs. 2 der Kommittent als Gläubiger der Forderung anzusehen ist, so bleibt unerklärlich, warum die Abtretung nur dann wirksam sein soll, wenn der Abtretungsempfänger Gläubiger des Kommissionärs ist. Denn nach dem Wortlaut des § 392 Abs.2, wonach auch im Verhältnis von Kommittent zu Kommissionär der Kommittent als Gläubiger der Forderung gilt, müßte es bereits genügen, daß dieser von der Fiktion erfaßt wird. Aus der Sicht des Kommittenten ist der Kommissionär nicht Gläubiger der Forderung, so daß er über sie auch nicht mit Wirkung gegenüber dem Kommittenten verfügen kann. Schließlich muß noch die Frage aufgeworfen werden, wie es möglich ist, daß der Kommissionär nach allgemeiner Ansicht die Leistung des Dritten in Empfang nehmen, mit der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft aufrechnen und mit dem Dritten einen Erlaßvertrag31 schließen kann. Selbst wenn man die Inempfangnahme der Leistung nicht als Verfügung ansehen wollte32, so stellen doch zumindest die Aufrechnung und der Erlaßvertrag eine rechtsgeschäftliche Einwirkung auf die Forderung und damit eine Verfügung dar 3 • Wenn der Kommissionär aber trotz § 392 Abs. 2 hier über die Forderung verfügen darf, dann muß er auch in der Form der Abtretung über sie verfügen können. Eine Differenzierung nach einzelnen Verfügungsarten findet jedenfalls in § 392 Abs. 2 keine Stütze. Auch die Vertreter der Meinung, daß der Kommissionär die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft an jedermann abtreten könne, vermögen ihren Standpunkt nicht zu begründen. Der Hinweis auf § 137 31 Zum Erlaßvertrag vgl. Baumbach-Duden, § 392 Anm. 1; DüringerHachenburg-Lehmann, § 392 Anm.2. 32 Vgl. hierzu Esser, Schuldrecht I § 26 I 3 S.150; Fikentscher, § 38 Ir S. 169 ff.

33 Die Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, durch welches unmittelbar ein Recht übertragen, belastet, verändert oder aufgehoben wird; vgl. BGHZ 21, 294 (304); Staudinger-Coing, § 185 Rdn.l; Kuhn in BGB-RGRK, § 185 Anm.l;

v. Tuhr, II 1 § 54 1.

24

A. Einleitung

BGB oder die Bemerkung, daß der Erwerber sich um das Innenverhältnis zwischen Kommissionär und Kommittent nicht zu kümmern brauche oder daß § 392 Abs. 2 nur für den zwangsweise vorgehenden Gläubiger gelte, sind nicht am Wortlaut des § 392 Abs.2 orientiert. Die Erklärung dafür, daß der Kommissionär über die Forderung verfügen kann, obwohl im Verhältnis zu ihm der Kommittent als Gläubiger der Forderung gilt, wird nicht gebracht. d) Ergebnis

Schon die Darstellung der verschiedenen Meinungen zu den einzelnen Problemkreisen ließ die Vermutung aufkommen, daß grundlegende Meinungsverschiedenheiten über das Verständnis des § 392 Abs.2 bestehen. Die Probleme wurden mit Gefühlsentscheidungen zu lösen versucht. Die Ergebnisse mußten daher notwendigerweise verschieden ausfallen, je nachdem, ob man die Interessen des Kommittenten, des Kommissionärs oder die seiner Gläubiger am höchsten bewertet. Die Kritik der einzelnen, schon zu Ideologien 34 erstarkten Auffassungen bestätigt diese Vennutung. Darüber hinaus zeigt sie aber auch, daß die einzelnen Meinungen in sich nicht konsequent und nicht am Wortlaut des § 392 Abs. 2 orientiert sind. Keiner Auffassung gelingt es, zu einem in sich widerspruchsfreien und mit den Prinzipien unseres Privatrechts zu vereinbarendem Ergebnis bei allen drei in Frage stehenden Problemen zu kommen. Ziel dieser Arbeit muß es deshalb sein, eine Auslegung des § 392 Abs. 2 zu finden, die zu allen Fragenkreisen eine in sich logische und in das System unseres Privatrechts einzuordnende Lösung der Problematik bietet. Nicht zu befassen dagegen hat sich diese Arbeit mit der Frage, ob § 392 Abs. 2 auch auf die Eigentumsverhältnisse an den Sachen angewandt werden kann, die der Dritte in Erfüllung seiner Verbindlichkeit aus dem Ausführungsgeschäft an den Kommittenten übereignet 35 • Ebensowenig soll die Frage untersucht werden, ob § 392 Abs. 2 über das Kommissionsverhältnis hinaus auf alle Fälle der mittelbaren Stellvertretung ausgedehnt werden sollte 36 • Es handelt sich hier nämlich nicht um Auslegungsprobleme des § 392 Abs. 2, sondern um die Frage, ob die in ihren rechtlichen Auswirkungen erkannte Regelung des § 392 Abs. 2 analog auf andere Sachverhalte angewandt werden kann. 3' über Interessenbewertung und Ideologie vgl. MaihofeT, Ideologie und Recht S. 8 und S. 35. 35 Vgl. hierzu Simon, Die sachenrechtlichen Wirkungen des Kommissionsgeschäfts bei der Wareneinkaufskommission. 36 Vgl. dazu DTessleT, Die entsprechende Anwendung handelsrechtlicher Normen auf Nichtkaufleute am Beispiel des § 392 Abs.2 HGB.

B. HA UPTTEIL

I. Abschnitt

Bedeutung und Auslegung der juristischen Fiktion 1. "Gelten als" in § 392 Abs. 2

Jede Auslegung muß mit einer strikten Wortinterpretation beginnen 1 • Keine Schwierigkeiten bereiten insoweit die Begriffe Kommissionär und Kommittent, da sie vom Gesetz selbst in § 383 definiert werden2 • Ferner steht fest, was § 392 Abs. 2 unter "solche Forderungen" versteht. Durch das Wort "solche" wird auf Abs.l verwiesen und damit klargestellt, daß es sich um die Forderungen aus dem Geschäft handelt, das der Kommissionär mit einem Dritten in Ausführung des Kommissionsvertrages geschlossen hat. Der Nebensatz des § 392 Abs.2 "auch wenn sie nicht abgetreten sind" wird ebenfalls durch Abs. 1 verständlich. Dort ist angeordnet, daß der Kommittent gegen den Schuldner des Kommissionärs erst nach einer Abtretung der Forderungen vorgehen kann. Hieraus folgt, daß in dem Nebensatz des § 392 Abs.2 die Abtretung zwischen Komissionär und Kommittent gemeint ist. Schwierigkeiten dagegen bereiten die beiden Worte "gelten als", die als Prädikat die Hauptaussage des § 392 Abs. 2 tragen. Der Gesetzgeber drückt sich hier in der Form einer Fiktion aus. Da schon bei der W ortauslegung der besondere juristische Sprachgebrauch zu berücksichtigen ist3 , muß die Auslegung des § 392 Abs. 2 mit einer Untersuchung der Bedeutung der Fiktion beginnen. 2. Die erkenntnistheoretische Fiktion Vaihingers Grundlegend und weit über den juristischen Bereich hinausgehend hat Hans Vaihinger4 sich mit dem Problem der Fiktion befaßt. Die im Vgl. Bartholomeyczik, Kunst der Gesetzesauslegung S.18. Der Kommissionsbegriff wird in § 406 Abs. 1 noch erweitert. 3 Vgl. Bartholomeyczik, Kunst der Gesetzesauslegung S.19; Larenz, Methodenlehre S. 302/3. 4 Die Philosophie des Als Ob. 1

2

26

B. I. Bedeutung und Auslegung der juristischen Fiktion

Vorwort formulierte Frage "wie kommt es, daß wir mit bewußt falschen Vorstellungen doch das Richtige erreichen?"·, zeigt, daß es Vaihinger um eine philosophische Erkenntnistheorie gehtß • Für Vaihinger ist Denken eine Funktion der Psyche, die er als die organische Gesamtheit aller sogenannten "seelischen" Aktionen und Reaktionen bezeichnet. Zurückgehend auf SteinthaF vergleicht er die psychischen Vorgänge mit den Funktionen des Organismus, da sowohl bei den organischen als auch bei den psychischen Funktionen eine empirische Zweckmäßigkeit zu beobachten ists. Wie der physische Organismus die aufgenommene Nahrung zersetzt, um sie so verwerten zu können, und dabei höchst zweckmäßig vorgeht, so reagiert auch die Psyche auf äußere Reize. Sie formt und verarbeitet das von außen an sie Herantretende durch bestimmte Begriffe und logische Gebilde, die man deshalb als Organe der Psyche bezeichnen kann9 • Die Zweckmäßigkeit der logischen Gebilde und damit der gesamten organischen Denkfunktion liegt darin, in unserem Bewußtsein eine Vorstellung des objektiven Seins zu erhalten, mit der wir praktisch arbeiten können. Es kann nicht darum gehen, eine möglichst genaue theoretische Abbildung der objektiven Dinge zu erhalten, da es niemals möglich sein wird, das "objektive Sein" zu erkennen. Darum ist die organische Funktion des Denkens10 am besten dazu geeignet, uns im Bewußtsein Bilder des Seins zu vermitteln, die uns in die Lage versetzen, die Ereignisse der Außenwelt zu berechnen und damit auch durch inneren Willen zu beeinfiussen 11 • Da die organische Funktion des Denkens eine natürliche Fähigkeit ist, kann sie wie jede natürliche Fähigkeit durch übung, Ausbildung und Vermittlung vervollkommnet werden. Die natürliche Veranlagung wird zur Kunst gesteigert. Die Logik kann man somit als eine Kunstlehre bezeichnen l2 • Einer dieser Kunstgriffe des logischen Denkens ist nun die Fiktion. Da der Mensch in seiner Psyche nur eine subjektive Vorstellung vom objektiven Sein erlangen kann und er sich bewußt ist, daß das objektive Sein sich nicht mit seiner subjektiven Anschauung deckt, muß er diese Divergenz mit einem logischen Hilfsmittel überbrücken. Im Bewußtsein der Unvollkommenheit seiner Vorstellung von den objektiven Dingen fingiert er, daß seine subjektive Erkenntnis dem objektiven Sein entspricht. Das objektive Sein wird so der menschlichen Psyche ange5 6

7 S 9

S. VII. S. VIII. Steinthal, S. 263 ff. Vaihinger, S. 1. Vaihinger, S.3.

die meistens natürlich unbewußt verläuft, s. Vaihinger, S.9. Vaihinger, S.8. 12 Vaihinger, S.12; vgl. auch Schelling, S. 35 ff.; Avenarius, S. 32 ff.; Mach, S. 69 ff. 10 11

2. Die erkenntnistheoretische Fiktion Vaihingers

27

paßt und für diese begreifbar und berechenbar1s• Die Fiktion ist daher ein äußerst zweckmäßiges Hilfsmittel, die Kluft zwischen dem objektiv Wirklichen und der unvollkommenen Erkenntnis des Subjekts zu überwinden. Hieraus ergeben sich aber auch gleich die Grenzen des praktischen Nutzens der Fiktion. Gelingt es nicht, durch sie das objektive Sein erkennbar und berechenbar zu machen, so handelt es sich um eine wertlose Fiktion, die aufgegeben werden muß. Ebenso unbrauchbar ist eine Fiktion, wenn die Grenze der unvollkommenen Erkenntnis verschoben wird und der Mensch das bisher nur durch die Fiktion Verständliche nun ohne die "Krücke des Denkens" begreift. Die Fiktion wird dann als überflüssig aufgelöst. Da aber jede Erkenntnis nur Probleme schafft, werden wieder neue Fiktionen erforderlich. Von dieser philosophischen Grundposition ausgehend, versucht Vaihinger, die Fiktionen in bestimmte Typen zu klassifizieren. Näher befassen müssen wir uns mit den symbolischen oder auch analogischen Fiktioneni" als deren Unterart Vaihinger die juristischen Fiktionen 15 ansieht. Ein ganz typischer Mechanismus des Denkens besteht darin, daß mit der Wahrnehmung von Fakten sofort ähnliche Fakten, die das Ergebnis früherer Warhnehmung sind, im Bewußtsein auftauchen. Diese neuen Fakten werden der Psyche durch einen Vergleich mit bereits bekannten verständlich. Zwischen dem Neuen und dem Alten wird eine analoge Proportion gedacht l6 • Da die menschliche Psyche aber weder das Alte noch das Neue in seinem tatsächlichen Sein erkennen kann und das Alte dem Neuen eben nicht gleich, sondern nur ähnlich ist, muß sie davon ausgehen, daß das Alte das wahre Sein ist, weil nur dann ein Vergleich mit dem Neuen möglich wird. Die Annahme dieses Ausgangspunktes sowie die Gleichstellung des Alten mit dem Neuen in dem Bewußtsein, daß es nicht das gleiche ist, kann als analogische Fiktion bezeichnet werden17• Eine besondere Unterart der analogischen Fiktion ist die juristische Fiktion. Der bekannte Fall A wird wie der zu lösende Fall B behandelt, weil er dem Fall A ähnlich ist. Wie bei der analogischen Fiktion besteht auch hier der psychologische Mechanismus darin, daß der neue Fall unter das Vorstellungsgebilde 13 14 15

16

17

Vaihinger, S. 18/19. S.39-46. S. 46--49. S.40.

Ein anderer Ausdruck für diese analogische Fiktion ist nach Ansicht

Vaihingers (vgl. S.42/43) in der Kantischen Philosophie, auf der er aufbaut der Begriff der Kategorie. Vgl. auch Hofjmeister, S. 31. '

B. 1. Bedeutung und Auslegung der juristischen Fiktion

28

des alten subsumiert wird. Die Erkenntnis des neuen Falles beruht auf Analogie, die tatsächliche Gleichsetzung mit dem alten Fall ist eine Fiktion l8 • Im Gegensatz zur praesumtio, wo die Gleichheit nur vermutet wird, ist die fingierte Gleichheit eine bewußte Erfindung I9 ,20. Obwohl Vaihinger die juristische Fiktion in seine Darstellung einbezogen und sie sogar als die einzig wirklich wissenschaftliche bezeichnet hat, so kann man doch zweifeln, ob die Fiktion in der Jurissprudenz etwas mit einer philosophischen Erkenntnistheorie zu tun haben kann. Denn, so könnte man sagen, eine Erkenntnistheorie befaßt sich mit dem Seienden, während die Jurisprudenz sich mit Normen befaßt. Bedenken gegen eine Gleichsetzung der Rechtswissenschaft als einer "Wissenschaft menschlicher willkürlicher Einrichtungen" mit den "eigentlichen Wissenschaften des Seienden" sind Vaihinger gekommen21 , jedoch ist er diesen nicht weiter nachgegangen. 3. Ablehnung der erkenntnistheoretischen Fiktion für die Rechtswissenschaft In der rechtswissenschaftlichen Literatur sind die Ansichten über den Wert der Fiktion geteilt. So bezeichnet Crome22 sie als einen Fehlgriff der Rechtsordnung, v. Bülow23 als eine Bankrotterklärung der Rechtswissenschaft, und KuntzeU schließlich spricht davon, daß die Fiktion "den Wanderer blende und in die Sümpfe' locke". Im Gegensatz dazu sieht Mallochow25 in der Fiktion eine elementare Lebensnotwendigkeit, und Krückmann26 nennt sie unser tägliches Brot. 18 S. 46. Den Grund für diese juristische Methode sieht Vaihinger darin, daß nicht alle einzelnen Fälle durch allgemeine Formeln erfaßt werden können. So werden einzelne abnorme Fälle so betrachtet, als ob sie unter die allgemeinen Formeln zu bringen seien. Ein Fall wird unter einen allgemeinen Begriff subsumiert, obwohl er unter diesen nicht zu bringen ist. 19 S. 48. 20 Als Beispiel (S.48/49) bringt Vaihinger Art. 347 ADHGB, der bestimmt, daß eine nicht rechtzeitig dem Absender wieder zur Verfügung gestellte Ware so zu betrachten sei, als ob sie vom Empfänger genehmigt und angenommen ist. Die Annahme einer Leistung als Erfüllung ist etwas anderes als das Versäumen der Frist, innerhalb derer gerügt werden müßte. Im letzteren Fall will der Empfänger möglicherweise gar nicht annehmen. Beide Sachverhalte ziehen jedoch die gleiche Rechtsfolge nach sich, weil sie als ähnlich angesehen werden; denn in beiden Fällen verstreicht eine bestimmte Zeit, in der nicht gerügt wird. 21 S. 257. 22 System des bürgerlichen Rechts S. 108. 23 AcP 62 (1879), S.7. 24 S.88.

25 26

S. 114.

ZStW 37 (1916), S. 362.

3. Ablehnung der erkenntnistheoretischen Fiktion

29

Eine solche unterschiedliche Bewertung läßt sofort die Vermutung aufkommen, daß bei der Beurteilung der Fiktion in der Rechtswissenschaft eine grundlegende Unklarheit besteht. Üblicherweise wird die Fiktion als eine Gleichsetzung eines nichtwirklichen mit einem wirklichen Sachverhalt27 definiert. Sieht man diese Definition aus der erkenntnistheoretischen Sicht Vaihingers, so müßte es bei der Fiktion darum gehen, Erkenntnisse über die beiden angesprochenen Sachverhalte zu gewinnen. In der Fiktion des § 1589 Abs.2 (a. F.) BGB z. B. wäre dann eine Aussage über die eheliche und uneheliche Geburt oder ganz allgemein über die Abstammung zu sehen. Eine solche Ansicht würde aber verkennen, daß § 1589 Abs. 2 (a. F.) BGB nichts über die tatsächliche Abstammung aussagen will, sondern lediglich anordnet, daß die Rechtsfolgen, die an die Ehelichkeit geknüpft sind, im Verhältnis von Vater zu unehelichem Kind nicht angewandt werden sollen28 • Der in einer Rechtsform aufgestellte Tatbestand ist lediglich der Anknüpfungspunkt für das in der Norm ausgesprochene Ge- oder Verbot. Die natürlichen Tatsachen des Tatbestandes sind für den Juristen keine naturwissenschaftlich zu bestimmende Erscheinungen 2v • Für den Gesetzgeber und damit auch den Rechtsanwendenden ist ein rechtliches Mittel nicht an einen bestimmten Tatbestand gebunden. Es ist durchaus denkbar, daß verschiedene Tatbestände mit der gleichen Rechtsfolge versehen werden. Wenn also eine Fiktion einen nichtwirklichen Tatbestand mit einem wirklichen gleichsetzt, so soll erkenntnistheoretisch nichts über die Tatbestände als natürliche Erscheinungen ausgesagt werden, sondern es wird lediglich angeordnet, daß beide die gleiche Rechtsfolge haben sollen30 • Der Streit um die Fiktion beruht, wie Stammler31 bemerkt, auf der unzulässigen Übertragung des erkenntnistheoretischen Fiktionsbegriffes auf die Rechtswissenschaft. Die oben angeführten ablehnenden Äußerungen über die Fiktion sind daher nur so zu erklären, daß der Fiktionsbegriff einer Wissenschaft, die auf Seinsbetrachtung gerichtet ist, auf eine Normenwissenschaft übertragen wird. Da aber eine erkenntnistheoretische Untersuchung des Sachverhalts außerhalb der juristischen Betrachtung bleibt, ist eine Übertragung des Fiktionsbegriffes nicht Lange, BGB AT S.52; Somto, S.524. Vgl. Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktion S.117/8. 29 Vgl. v. Rippet, S. 24 ff.; Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktion S. 133 ff.; Sturm, S. 21; DemeUus, S. 39. 30 v. Bmow AcP 62 (1879), S. 3 irrt, wenn er sagt, daß die Fiktion den Richter zwinge, Unwahres für wahr zu halten und eine bewußt unrichtige Subsumtion vorzunehmen. 31 S.333. 27

28

30

B. 1. Bedeutung und Auslegung der juristischen Fiktion

möglich. Eine erkenntnistheoretische Fiktion im Sinne Vaihingers gibt es daher in der Jurisprudenz nicht32 • 4. Die Fiktion als besondere gesetzliche Verweisungsform Um die Bedeutung der Fiktion in der Rechtswissenschaft zu erkennen, erscheint es angebracht, sich in die Lage eines Gesetzgebers zu versetzen. Nehmen wir einmal an, daß § 1 eines Gesetzes gegen die Verbreitung von Tierseuchen folgendermaßen lautet: "Bei der Veräußerung eines Hundes haben Veräußerer und Erwerber für eine Schutzimpfung des Tieres gegen Tollwut Sorge zu tragen." Wenn nun der Gesetzgeber zu der überzeugung gelangt, daß auch für Katzen eine solche Schutzimpfung erforderlich ist, so könnte er dem Abs.l einen zweiten Absatz mit folgenden Formulierungen hinzufügen: (1) Bei der Veräußerung einer Katze haben Veräußerer und Erwerber für eine Schutzimpfung des Tieres gegen Tollwut Sorge zu tragen. (2) Bei der Veräußerung einer Katze gilt Abs. 1 entsprechend. (2) Die Ver äußerung einer Katze gilt als Veräußerung eines Hundes. Der Inhalt des in Abs. 2 ausgesprochenen Gesetzesbefehls wäre ohne Rücksicht auf die Formulierungsart in allen drei Fällen der gleiche: Erwerber und Veräußerer müssen die Katze gegen Tollwut impfen lassen. Der Unterschied liegt lediglich darin, wie dem gesetzlichen Tatbestand die Rechtsfolge zugeordnet wird33 • Bei der ersten Formulierungsart wird dem gesetzlichen Tatbestand (Veräußerung einer Katze) die Rechtsfolge (Verpflichtung zur Impfung) vollständig ausformuliert und aus sich selbst heraus verständlich angefügt. Zum Verständnis der Rechtsfolge braucht nicht auf eine andere Norm zurückgegriffen zu werden. Dieser Vorteil wird durch die sprachlich steife wörtliche Wiederholung der Rechtsfolge des Abs. 1 wieder ausgeglichen. Da sich Abs. 1 und Abs. 2 nur in dem gesetzlichen Tatbestand unterscheiden, kann der Gesetzgeber sich damit begnügen, den Tatbestand des Abs. 2 neu zu formulieren und hinsichtlich der Rechtsfolge auf Abs. 1 zu verweisen. Die Verweisung wird dann durch die Worte "gilt Abs. 1 entsprechend" ausgedrückt. Die Rechtsfolge ist nicht aus sich selbst heraus verständlich, sondern kann nur im Zusammenhang mit Abs. 1 begriffen werden. 32 Vgl. dazu Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsftktion S. 17; Demelius, S. 39; so auch ausdrücklich Kelsen, S. 1222 f.; ebenso Somlo, S.524-528. 33 über den Aufbau einer Rechtsnonn vgl. Bartholomeyczik, Kunst der Gesetzesauslegung S. 22.

4. Gemeinsame Probleme bei allen Arten gesetzlicher Verweisung

31

Nichts anderes als die Verweisung auf die Rechtsfolge des Abs. 1 ist es aber, wenn der Gesetzgeber die dritte Formulierungsart wählt. Im Ergebnis ist dem gesetzlichen Tatbestand (Veräußerung einer Katze) die Rechtsfolge des Abs. 1 (Verpflichtung zur Impfung) zugeordnet. Der Unterschied zu der unter Nr. 2 gebrauchten Ausdrucksweise liegt darin, daß nicht direkt auf die Rechtsfolge des Abs. 1 verwiesen, sondern ein Umweg über den gesetzlichen Tatbestand des Abs. 1 gemacht wird. Es wird fingiert, daß die Veräußerung einer Katze die Veräußerung eines Hundes sei. Der gesetzliche Tatbestand des Abs. 2 wird dem des Abs. 1 gleichgesetzt und damit konkludent die Anordnung getroffen, daß der Tatbestand des Abs. 2 die gleiche Rechtsfolge wie Abs. 1 haben soll. Die Fiktion ist also nur eine besondere Art der Verweisung, bei der nicht direkt auf die Rechtsfolge einer anderen Norm, sondern auf den gesetzlichen Tatbestand eines anderen Rechtssatzes verwiesen wird. Es bedarf keiner besonderen Erläuterung, daß in dem angeführten Beispiel nichts erkenntnistheoretisch über den Unterschied von Hund und Katze ausgesagt werden soll. Die Veräußerung eines Hundes wird mit der einer Katze nur hinsichtlich der Rechtsfolge gleichgesetzt34 • Eine solche Gleichsetzung verschiedener gesetzlicher Tatbestände im Hinblick auf die Rechtsfolge beinhaltet aber jede Verweisung unabhängig von ihrer Ausdrucksweise. Die Fiktion in der Rechtswissenschaft ist daher als eine Verweisung in einer besonderen sprachlichen Form anzusehen35• 5. Gemeinsame Probleme bei allen Arten gesetzlicher Verweisung

Nunmehr stellt sich die Frage, ob bei der Fiktion gleichliegende Probleme auftreten, wie sie bei Verweisungen in anderer sprachlicher Form zu beobachten sind. Eine im bürgerlichen Recht häufig anzutreffende Art zu verweisen besteht darin, daß das Gesetz bestimmte Vorschriften für entsprechend anwendbar erklärt36 • So ist z. B. in § 254 Abs. 2 S. 2 BGB angeordnet, 34 Von einer relativen Gleichsetzung sprechen Fischer AcP 117 (1919), S.154 und Hölder, Natürliche und juristische Personen S.331. 35 So auch Stammler, S.33l; Demelius, S.81; Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktion, S.26 u. 48; v. Tuhr, I S.24; Leonhard, S.10; Leß, S.115; Hölder, Natürliche und juristische Personen S. 223; Hölder AcP 69 (1886), S. 222 f.; Sturm, S.65; Lange, BGB AT S.52; Schneider, Das Urteil S.52; Schneider LZ 1916, Sp.1089. Vgl. auch Kelsen, S. 1222 ff., bes. S.1224: "jede sogenannte ,Fiktion' des Gesetzgebers ist nichts anderes als eine abbrevierende Ausdrucksweise." 36 z. B. im allgemeinen Teil des Schuldrechts: §§ 254 Abs.2; 280 Abs.2; 286 Abs.2; 291; 307 Abs. 2; 309; 326 Abs.1; 327; 348; 396 Abs.1 und 2; 408 Abs.1; 412; 419 Abs. 2; 429 Abs. 3.

32

B. I. Bedeutung und Auslegung der juristischen Fiktion

daß die Vorschrift des § 278 BGB entsprechende Anwendung findet, wenn es darum geht, daß der Geschädigte seiner Verpflichtung zur Schadensminderung nicht nachgekommen ist. Hier stellt sich das bekannte Problem, ob § 278 BGB auch auf § 254 Abs. 1 BGB anzuwenden ist, wenn ein Schuldverhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem nicht bestanden hat. Die Rechtsprechung 37 hat § 278 BGB in diesem Fall nicht angewandt, während sich ein beachtlicher Teil der Literatur 38 für eine Anwendung ausspricht. Die Problematik liegt darin, ob man die "Obliegenheit" des Geschädigten, selbst darauf zu achten, nicht geschädigt zu werden, als ein Schuldverhältnis i. S. d. § 278 BGB ansehen kann. Hieraus wird deutlich, daß erhebliche Streitfragen über den Umfang der Verweisung auftreten können, wenn das Gesetz eine Vorschrift für entsprechend anwendbar erklärt. Diese Feststellung wird auch durch das weitere Beispiel des § 327 BGB bestätigt, der bestimmt, daß die Vorschriften des vertraglichen Rücktrittsrechts auf das Rücktrittsrecht der §§ 325, 326 BGB entsprechende Anwendung finden sollen. Das Problem des Umfangs der Verweisung ergibt sich hier im Zusammenhang mit der Anwendung des § 347 BGB. Die strenge Haftung des Rücktrittsberechtigten nach § 347 ist beim vertraglichen Rücktritt angemessen, weil dort jederzeit mit der Ausübung des Rücktritts gerechnet werden muß. Bei einer Rücktrittsberechtigung nach §§ 325, 326 BGB ist aber von vornherein mit einem Rücktritt nicht zu rechnen, so daß die h. L. die strenge Haftung des § 347 BGB für den Berechtigten aus den §§ 325, 326 BGB nicht anwendet39 • Auch bei einer Verweisung durch den Gebrauch einer Fiktion kann es Streitfragen über den Umfang geben. In § 263 Abs.2 BGB z. B. ist bestimmt, daß bei einem Wahlschuldverhältnis die gewählte Leistung als die von Anfang an allein geschuldete gilt. Die Verweisungswirkung bei dieser Vorschrift liegt darin, daß alle Bestimmungen, die für eine normale schuldrechtliche Leistungspflicht gelten, von Anfang an auf die gewählte Leistungsverpflichtung beim Wahlschuldverhältnis Anwendung finden. Es fragt sich dann, ob etwa auch die Regeln über die Verjährung auf die gewählte Leistung angewandt werden sollen mit der Folge, daß der Schuldner die Einrede der Verjährung erheben kann, obwohl die nicht gewählte Leistung noch nicht verjährt ist 40 • Oder wie 37

Vgl. RGZ159, 283 (292); 3, 46 (49); 9, 316 (317).

Larenz, Schuldrecht AT § 15 I d S. 182/3; Staudinger-Werner, § 254 Anm. 61; Enneccerus-Lehmann, § 16 II S. 79; Gernhuber AcP 152 (1952/3), S. 71; Lange NJW 1953, 968. 39 Das wird mit dem "allgemeinen Rechtsgedanken" des § 327 S.2 BGB begründet; vgl. Larenz, Schuldrecht AT § 25 I b S. 303; Palandt-DanckelmannHeinrichs, § 327 Anm.2; Boehmer JZ 1953, 393; Mezger JZ 1953, 67. 38

40

Vgl. hierzu München Recht 1910, Nr. 1496.

6. Verwandtschaft von Fiktion und Analogie

33

ist zu entscheiden, wenn nur für die nicht gewählte Leistung eine Schiedsgerichtsklausel vereinbart war?41 Es läßt sich somit festhalten, daß sich auch bei der Verweisung in der Form der Fiktion das Problem stellt, wie weit die in ihr ausgesprochene Gleichsetzung reicht42 •

6. Verwandtschaft von Fiktion und Analogie Es taucht nun die Frage auf, wie man ganz allgemein den Umfang der Verweisung in Form der Fiktion feststellen kann. Zur Beantwortung dieser Frage erscheint es angebracht, zunächst einmal zu untersuchen, ob es für die rechtliche Gleichbehandlung verschiedener Tatbestände einen tieferen Grund gibt. Betrachten wir zu diesem Zweck die Fiktion des § 119 Abs.2 BGB. Der Irrtum über die verkehrswesentliche Eigenschaft einer Person oder Sache gilt als Erklärungs- oder Inhaltsirrtum des Abs. 1. Damit soll keineswegs gesagt werden, daß es keinen Unterschied zwischen Motivund Inhaltsirrtum gibt, sondern es wird lediglich angeordnet, daß auch der Motivirrtum des Abs. 2 zur Anfechtung der Willenserklärung berechtigt. Der Inhalts- und Erklärungsirrtum hat zur Folge, daß der Erklärende etwas anderes zum Ausdruck gebracht hat, als er wollte. Obwohl die Willensbildung fehlerfrei war, wird der Vollzug des Willens beeinträchtigt. Beim Motivirrtum dagegen tritt der Fehler bereits im Stadium der Willensbildung ein und setzt sich dann im Willensentschluß fort 43 • Obwohl sich also Inhalts- und Motivirrtum darin unterscheiden, zu welchem Zeitpunkt menschlicher Willensbildung sie auftreten, haben sie doch etwas Gemeinsames. Sie sind sich darin ähnlich, daß der Erklärende in beiden Fällen unrichtige Vorstellungen über irgendwelche Dinge, Vorgänge oder Zusammenhänge hatte. Die Ähnlichkeit des nach § 119 Abs.2 BGB relevanten Motivirrtums mit dem Inhaltsirrtum des Abs. 1 wird aber dadurch verstärkt, daß sich der Motivirrtum auf eine verkehrswesentliche Eigenschaft einer Person oder Sache beziehen muß. Hierdurch wird nur der Motivirrtum für beachtlich erklärt, der ähnlich wie der Inhaltsirrtum für die Willenserklärung von besonderer Bedeutung ist". Daraus läßt sich schließen, daß die ÄhnlichVgl. OLG Hamburg OLG.22, 184 (185 f.). Vgl. Bernhöjt, S.245: "Umfang der Fiktion ist Auslegungsfrage." Siehe ferner Fischer AcP 117 (1919), S. 154: "Fiktion ist nur beschränkte Gleichsetzung." Ebenso Hölder, Natürliche und juristische Personen S.331. 43 Vgl. hierzu Larenz, BGB AT § 26 II b S.380. U Vgl. hierzu Larenz, BGB AT § 26 II b S.381. 41

42

3 Böhm

34

B. I. Bedeutung und Auslegung der juristischen Fiktion

keit des besonderen Motivirrtums des Abs. 2 mit dem Inhalts- und Erklärungsirrtum des Abs. 1 der tiefere Grund für die Gleichbehandlung der Rechtsfolge ist45 • Damit steht fest, daß die innere Berechtigung für eine Verweisung in Form der Fiktion die Ähnlichkeit der beiden Sachverhalte ist. Nun liegt zur Verdeutlichung des Begriffs der Ähnlichkeit ein Vergleich der Analogie mit der Fiktion nahe. Eine Verwandtschaft von Fiktion und Analogie hat Ihering bereits im römischen Recht bemerkt46 • Der konservativen Einstellung der Römer widersprach es, Normen oder juristische Axiome aufzuheben. Um aber das Recht den neuen Verhältnissen anzupassen, gebrauchte der Praetor einen Kunstgriff. Wenn ihm vom Kläger ein Sachverhalt vorgetragen wurde, auf den keine Klageformel angewandt werden konnte, so hätte er an und für sich den Kläger abweisen müssen. War er aber der Meinung, der Kläger verdiene trotzdem Rechtsschutz, dann bildete er den vorgetragenen Sachverhalt so um, daß er unter die gewünschte Klageformel zu bringen war. Er fingierte einfach, daß der Sachverhalt so gewesen sei, wie er hätte sein müssen, um unter die Klageformel zu fallen. Dann wies er den Iudex an, nur den fingierten Sachverhalt zur Grundlage seines Urteils zu machen. Dieses Vorgehen des Praetors war aber nicht anderes als eine eigentümliche Form der analogen Ausdehnung des Gesetzes; denn die Rechtsnormen wurden im Ergebnis auf Sachverhalte angewandt, die bisher von dem Rechtssatz nicht erfaßt wurden. Der tiefere Grund für das Vorgehen des Praetors war, daß der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt dem nach der Klageformel erforderlichen Sachverhalt so ähnlich war, daß eine unterschiedliche Beurteilung nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Die Verwandtschaft von Analogie und Fiktion zeigt sich im geltenden Recht z. B. an § 1923 Abs. 2 BGB. Der Gesetzgeber stand vor der Frage, wie die schutzwürdigen Erbrechtsinteressen der lebenden Leibesfrucht zu verwirklichen sind47 • Er entschied sich dafür, in § 1923 Abs.2 BGB zu fingieren, daß der nasciturus als vor dem Erbfall geboren gelte. Damit hat er angeordnet, daß die §§ 1922 ff. BGB auch auf den später lebend geborenen nasciturus Anwendung finden sollen. Es handelt sich bei § 1923 Abs. 2 BGB um nichts anderes als eine gesetzlich angeordnete analoge Rechtsanwendung in der sprachlichen Form der Fiktion. So auch Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsftktion S. 105. Ihering, S. 304. Auch Savigny behandelte die Fiktionen unter dem Stichwort der Analogie; vgl. System des Römischen Rechts, Bd. 1 S. 295 ff. 47 Vgl. Bartholomeyczik, Erbrecht § 6 VI 2 S.37. 45

46

7. Das Ähnlichkeitsurteil bei der Analogie

35

7. Das Ähnlichkeitsurteil bei der Analogie Um zu verstehen, wie man aufgrund eines Ähnlichkeitsurteils zu der rechtlichen Gleichbewertung zweier Sachverhalte gelangt, ist es erforderlich, näher auf die Analogie einzugehen. Unter Analogie versteht man nach der Definition von WindscheidKipp48 die ausdehnende Anwendung der aus dem Gesetz zu entnehmenden Prinzipien auf Fälle, die von dem im Gesetz entschiedenen nur unwesentlich abweichen. Dieser Deutung hat sich die heutige Rechtswissenschaft überwiegend angeschlossen 49 • Durch die Analogie soll von einer bekannten Einzelregelung oder Gesamtregelung50 auf eine noch unbekannte Regelung eines vom Gesetz nicht erfaßten Falles geschlossen werden; man dringt also von Bekanntem zu bisher Unbekanntem vor 51 • Die innere Berechtigung für die Gleichsetzung des geregelten Sachverhalts mit dem nicht geregelten hinsichtlich der Rechtsfolge ist die Ähnlichkeit der beiden in Frage stehenden Sachverhalte. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Klug 52 den Begriff "Analogie" synonym dem Terminus "argumentum a simili" gebraucht und Engisch53 zu der Feststellung gelangt, daß bei der Analogie der vieldeutige Begriff der Ähnlichkeit zum Angelpunkt des Schließens wird. Es ergibt sich folgendes Schlußschema bei der Analogie 54 : Mist P S ist M ähnlich S ist (wahrscheinlich) P G5 Hieraus zeigt sich deutlich, daß es ganz entscheidend darauf ankommt festzustellen, wann S M ähnlich ist. Der Begriff der Ähnlichkeit steht in der traditionellen Logik zwischen den Relationen "Gleichheit" und "Verschiedenheit"56. Unter Gleichheit versteht man die übereinstimmung zweier nicht identischer Gegenstände in allen Merkmalen57 oder auch die über48 S.104. 49 Vgl. Schack, S.278; Enneccerus-Nipperdey, § 58 II 1; Larenz, Methodenlehre S.359; Pisko, S.25; Heller, S.75; Dressler, Anwendung handelsrechtlicher Normen auf Nichtkaufleute S.29. 50 je nachdem, ob es sich um Gesetzes- oder Rechtsanalogie handelt. 51 Vgl. Dressler, Anwendung handelsrechtlicher Normen auf Nichtkaufleute S.36. 52 Klug, S.97. 53 Engisch, S.143. 54 Vgl. Heller, S.ll; Klug, S. 108; Dressler, Anwendung handelsrechtlicher Normen auf Nichtkaufleute S.34; Drews, S.406; Erdmann, S. 739 ff.; Honecker, S. 153; Ueberweg, S.422. 55 Es handelt sich um eine sog. quaternio terminorum. über die logischen Bedenken dieser Schlußfigur s. Klug, S. 108 und Heller, S.ll. 56 Vgl. Heller, S.3. 57 So Drews, S.163. 3·

36

B. I. Bedeutung und Auslegung der juristischen Fiktion

einstimmung in allen Bestimmungen und Ordnungsbeziehungen58 • Verschiedenheit wird als eine nicht näher zerlegbare Beziehung zwischen nicht identischen Gegenständen angesehen59• Die Ähnlichkeit schließlich definiert man als eine teilweise übereinstimmung, gelegentlich auch als partielle oder unvollständige Gleichheit60 oder partielle Verschiedenheit61 • Alle diese Definitionen der Ähnlichkeit sind jedoch ohne praktischen Wert, da schon jede teilweise übereinstimmung in irgendeiner Hinsicht die Relation "ähnlich" begründet. Um zu praktikablen Abgrenzungen zu gelangen, hat man versucht, durch fortschreitende Abstraktion der einzelnen Merkmale des betrachteten Gegenstandes Ähnlichkeitsreihen aufzustellen, innerhalb derer alle Glieder untereinander in irgendeiner Beziehung ähnlich sind62 • Die Ähnlichkeit läßt sich dann abstufen nach der Nähe der in Frage stehenden Glieder derselben Reihe. Nebeneinanderstehende Glieder sind einander ähnlicher als solche, die durch ein oder mehrere Zwischenglieder voneinander getrennt sind63 • Die Ansicht Erdmanns wird modifiziert durch die Auffassung von Drews6" der nicht die unterschiedlichen Abstraktionsstufen, sondern die Anzahl der übereinstimmenden Merkmale der verglichenen Gegenstände für entscheidend ansieht. Nach dieser Ansicht ist die Ähnlichkeit umso größer, je zahlreicher die gemeinsamen Eigenschaften sind. Drews Ansicht wird durch Ziehen65 dahingehend abgewandelt, daß nicht die absolute Zahl der übereinstimmenden Merkmale entscheidend ist, sondern das Verhältnis der übereinstimmenden mit den unterschiedlichen Merkmalen. Während Ziehen und Drews noch von einer inhaltlichen Gleichwertigkeit der einzelnen Merkmale ausgehen, will George 86 die einzelnen Merkmale nach ihrer Wesentlichkeit einstufen. Die inhaltliche Bewertung erlangt dann Vorrang vor einer numerischen Betrachtungsweise. 58

59 60

'1

62

83

Erdmann, S. 364. Erdmann, S. 347. Vgl. Eisler, S. 21; Erdmann, S.364. Heller, S.6. Erdmann, S. 208 ff. Erdmann, S.210 bringt als Beispiel folgende Ähnlichkeitsreihe: Madon-

nenbilder Raphaels, italienische Madonnenbilder des 16. Jahrhunderts, Madonnenbilder der Renaissance, Heiligenbilder. Es ist leicht einzusehen, daß ein italienisches Madonnenbild des 16. Jahrhunderts den Madonnenbildern Raphaels ähnlicher ist als Bilder, die nur als Heiligenbilder qualifiziert werden können. 64

85 86

Drews, S. 405. S.761. S.545.

7. Das Ähnlichkeitsurteil bei der Analogie

37

Auch diese Auffassungen können, wie Klug erkannt hat87 , das Problem des Urteils über die Ähnlichkeit nicht lösen, weil sich die Zahl der Merkmale eines Sachverhaltes oder eines Tatbestandsbegriffes nicht genau angeben läßt. Die Einstufung der Merkmale nach ihrer Wesentlichkeit würde darüber hinaus noch eine Wertskala erforderlich machen, zu der die Bewertungsgrundlagen fehlen. Schließlich läßt sich noch allen Ansichten entgegenhalten, daß genaue Angaben darüber fehlen, wann der nach den einzelnen Verfahren ermittelte Ähnlichkeitsgrad für eine analoge Rechtsanwendung ausreichen so1l68. Auch die Bemühungen von Heller69 und Klug70 , mit Hilfe der kalkülisierten Logik die Bestimmung der Ähnlichkeit zu ermöglichen, müssen erfolglos bleiben. Zwar kann man über die Relationslogik zu der Feststellung gelangen, daß eine Relation, welche symmetrisch und reflexiv ist, eine Ähnlichkeit bildet. Es kann dann ein Ähnlichkeitskreis gebildet werden71 , bei dem alle Fälle untereinander in der Relation "nahezu-der-gleiche-Sachverhalt-sein" stehen. Dieser Ähnlichkeitskreis ist dann vollständig, wenn kein Fall außerhalb des Kreises besteht, von dem man sagen könnte, er habe nahezu den gleichen Sachverhalt wie die Fälle innerhalb des Kreises. Da es aber erst dann möglich ist, einen konkreten Ähnlichkeitskreis zu konstruieren, wenn man vorher festgestellt hat, welche Sachverhalte zu dem Kreis zu rechnen sind, kann auch hier kein Anhaltspunkt dafür gefunden werden, wie man zu einem Ähnlichkeitsurteil gelangen kann. Schließlich besteht noch die Möglichkeit, die Analogie als eine Kombination eines Induktions- und eines Deduktionsschlusses zu verstehen 72 • Von dem besonderen Tatbestand wird zunächst auf einen allgemeinen Tatbestand geschlossen, der in einem allgemeinen Obersatz formuliert wird. Von diesem ausgehend kann dann wieder der Einzelfall deduktiv entschieden werden. Diese Methode hat den Vorteil, daß Logik und Teleologie miteinander verbunden werden können 73 • In dem analogen Obersatz wird nach teleologischen Kriterien der Sinn und Zweck: der Einzelregelung abstrahiert. Hat man diesen ermittelt, so ist es leicht möglich, mit Hilfe eines Deduktionsschlusses festzustellen, ob auch der analog anzuwen81

S.117.

Vgl. Dresster, Anwendung handelsrechtlicher Normen auf Nichtkaufleute S.32. 69 S. 34 ff. 88

70

S.79.

s. Hetter, S.37. So Barthowmeyczik, Kunst der Gesetzesauslegung S. 83 ff.; Oertmann, Interesse und Begriff in der Rechtswissenschaft S. 29; RümeUn, S. 39; Engisch, S. 143; George, S.546. 73 über die Notwendigkeit der Teleologie neben der Logik vgl. HeUer, S. 89 ff. 71

72

38

B. I. Bedeutung und Auslegung der juristischen Fiktion

dende Rechtssatz auf den allgemeinen Grundgedanken gebracht werden kann. Logisch einwandfrei wird dieses Verfahren dadurch, daß man was meistens stillschweigend geschieht - voraussetzt, daß ein Sachverhalt, der dem geregelten ähnlich ist, die gleiche Rechtsfolge wie dieser auslöst74 • Es kann also festgestellt werden, daß bei der Analogie das Ähnlichkeitsurteil durch die Bildung eines analogen Obersatzes gefällt wird. Dieser Obersatz ist das tertium comparationis, an dem sowohl die vorhandenen Regelungen als auch die neu zu bildenden gemessen werden. 8. Auflösung der Fiktion des § 392 Abs. 2 durch Ähnlichkeitsurteil Während bei der Analogie durch die Bildung des analogen Obersatzes die Frage entschieden wird, ob die für einen Tatbestand gesetzlich festgesetzte Regelung auf einen anderen Sachverhalt ausgedehnt werden kann, der vom Gesetz nicht erfaßt wurde, ist diese Entscheidung bei der Fiktion bereits durch den Gesetzgeber getroffen worden. Da er durch die Fiktion die Gleichbehandlung zweier Tatbestände angeordnet hat, kann es nicht mehr um das "Ob", sondern nur noch um das "Wie" der Gleichbehandlung gehen. Insoweit können bei der Fiktion - wie oben dargelegt - erhebliche Zweifelsfragen auftreten. Das läßt sich noch durch folgenden Gedanken verdeutlichen. Angenommen, zwei verschiedene gesetzliche Tatbestände hätten wörtlich die gleiche Rechtsfolge. Geht es nun um die Entscheidung von Zweifelsfragen bei einer der beiden Normen, so wird der Auslegende die andere Norm zum Vergleich heranziehen. Es kann dann durchaus sein, daß eine Detailfrage bei der einen Bestimmung anders entschieden werden muß als bei der anderen. Um aber festzustellen, inwieweit gleich zu entscheiden ist, muß das Gemeinsame beider Tatbestände herausgearbeitet werden. Das kann aber nur durch die Bildung eines analogen Obersatzes geschehen. Ebenso ist es, wenn die Rechtsfolge nur bei einem Tatbestand wörtlich festgelegt ist und auf diese Rechtsfolge mittels Fiktion verwiesen wird, indem diese anordnet, daß ein zweiter Tatbestand so anzusehen ist wie derjenige mit der fixierten Rechtsfolge. Inwieweit man beide Tatbestände in Detailfragen gleich behandelt, kann nur durch einen Vergleich beider festgestellt werden. Man muß herausfinden, bis zu welchem Grad die sich ähnlichen Tatbestände gleich oder ungleich sind. Das kann aber wie bei der Analogie durch die Bildung eines analogen Obersatzes geschehen. Soweit der Obersatz reicht, sind die Tatbestände 74

Vgl. Engisch, S.143.

8. Auflösung der Fiktion des § 392 Abs. 2 durch Ähnlichkeitsurteil

39

hinsichtlich der Rechtsfolge gleich zu behandeln. Was nicht unter den Obersatz zu bringen ist, ist ungleich und kann deshalb bei beiden Tatbeständen verschieden behandelt werden 75 • Der gedankliche Vorgang bei der Analogiebildung und der Auslegung einer Fiktion ist also der gleiche7'. Es müssen zwei Tatbestände verglichen werden, die einander ähnlich sind. Das Ähnlichkeitsurteil kann aber nur gefällt werden, wenn man die rechtspolitische Zwecksetzung in einem analogen Obersatz abstrahiert. Die Fragestellung bei der Auslegung einer Fiktion ist allerdings enger als bei der Analogiebildung. Da der Gesetzgeber bei der Fiktion die Gleichbehandlung der beiden Tatbestände bereits angeordnet hat, kann es nur noch um die Frage gehen, inwieweit diese Gleichbehandlung durchgeführt werden kann. Da die innere Berechtigung für die Verweisung in Form der Fiktion die Ähnlichkeit der beiden Tatbestände ist, muß diese durch die Bildung des analogen Obersatzes untersucht werden. Auf diese Weise kann man den Umfang der Verweisung feststellen. Bisher wurde immer von dem Regelfall der Fiktion ausgegangen, daß zwei Tatbestände hinsichtlich der Rechtsfolge gleichgesetzt werden. Es ist aber auch möglich, daß die Fiktion direkt auf eine Rechtsfolge verweist. Eine solche Verweisung auf die andere Rechtsfolge erfolgt nicht über den Umweg der Gleichsetzung zweier Tatbestände, sondern es wird sofort auf die Rechtsfolge selbst verwiesen. Den dieser Rechtsfolge zugrunde liegenden Tatbestand muß der Auslegende selbst herausfinden. Während also im Normalfall der durch die Fiktion gleichgesetzte Tatbestand feststeht und aus diesem die gemeinsame Rechtsfolge abgeleitet werden muß, wird hier sofort auf die Rechtsfolge verwiesen und die Ermittlung des zugehörigen Tatbestandes dem Auslegenden überlassen. Um eine Fiktion der eben dargestellten Art handelt es sich bei der Fiktion des § 392 Abs.2. Wenn dort gesagt wird, daß die Forderungen auch vor der Abtretung im Verhältnis von Kommittent zu Kommissionär und dessen Gläubigern als Forderungen des Kommittenten gelten, ist nicht ein anderer Tatbestand genannt, aus dem sich diese Rechtsfolge ergeben könnte. Die Anordnung, daß die Forderungen aus dem Ausführungsgeschäft als Forderungen des Kommittenten anzusehen sind, ist bereits die Rechtsfolge aus einem Tatbestand. Wäre der Gesetzgeber in § 392 Abs.2 wie bei dem Normalfall der Fiktion vorge75 Auch Heller, S.72 erwähnt die Möglichkeit, aus einer Verweisungsnorm und der materiellen Norm, auf welche verwiesen wird, eine gemeinsame Obernorm zu entwickeln und unter diese zu subsumieren. Ein tertium comparationis halten auch für notwendig: Fischer AcP 117 (1919), S. 156; Sturm, S. 163; Steinthai, S. 261 f. 7S So auch Kelsen, S. 1231: "Die Fiktionen der Rechtsanwendung sind identisch mit den Fällen der Interpretation durch Analogie." Vgl. auch Kaufmann, S.20.

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B.1. Bedeutung und Auslegung der juristischen Fiktion

gangen, so hätte er sagen müssen, daß in dem angesprochenen Verhältnis der Kommittent etwa als unmittelbar Vertretener, Anwartschaftsberechtigter oder Treugeber gelte. Daraus hätte man dann die Rechtsfolge ableiten können, daß die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft eine Forderung des Kommittenten ist. Die Aussage des § 392 Abs. 2 "gelten als Forderungen des Kommittenten" läßt sich an verschiedene Tatbestände anknüpfen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Tatbestand bereits vor Erlaß des Handelsgesetzbuches bestanden hat 77 • Wenn es im Rahmen des § 392 Abs.2 so anzusehen ist, als handele es sich bei der Kommission um eine unmittelbare Stellvertretung, so wäre die Aussage "gelten als Forderungen des Kommittenten" von diesem Ausgangspunkt aus richtig. Ebenso richtig wäre sie aber auch, wenn man den Kommittenten als Anwartschaftsberechtigten auf die Forderung ansehen würde, denn auch in diesem Fall könnte man schon von einer Forderung des Kommittenten sprechen. Eine Forderung des Kommittenten wäre die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft unter Umständen auch dann schon zu nennen, wenn der Kommittent lediglich Treugeber dieser Forderung wäre. Hieraus ergibt sich, daß die Aussage des § 392 Abs. 2 nicht eindeutig ist. Allein durch die Verweisung auf eine Rechtsfolge, ohne den Tatbestand zu nennen, dem sie zugeordnet werden kann, ist die Fiktion nicht zu verstehen. Es muß der der Rechtsfolge zugrunde liegende Tatbestand ermittelt werden, um die Fiktion auslegen zu können. Bei der Entscheidung der in § 392 Abs. 2 auftretenden Problematik ist es erforderlich zu wissen, ob die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft eine Forderung des Kommittenten etwa als unmittelbar Vertretenem, Anwartschaftsberechtigtem oder Treugeber ist. Wenn man das herausgefunden hat, ist man so weit wie bei dem Normalfall der Fiktion. Es liegen zwei Tatbestände und eine Rechtsfolge vor, und man kann zur Entscheidung von Detailfragen beide Tatbestände durch die Bildung eines analogen Obersatzes auf ihre Ähnlichkeit hin untersuchen. Um bei der Fiktion des § 392 Abs. 2 in dieses Stadium zu gelangen, muß jedoch erst herausgefunden werden, welchem gesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen Tatbestand die Rechtsfolge "gelten als Forderungen des Kommittenten" zugeordnet werden kann. Zu diesem Zweck muß die Regelung des § 392 Abs. 2 mit anderen gesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen Regelungen verglichen werden. Bei diesem Vergleich kann man einen doppelten Weg einschlagen. 77 Nach der objektiv teleologischen Methode ist die rechtspolitische Zwecksetzung eines Gesetzes zur Zeit der Auslegung maßgebend; vgl. BartholomeycZik, Kunst der Gesetzesauslegung S. 43 ff.; Larenz, Methodenlehre S. 296 ff.

8. Auflösung der Fiktion des § 392 Abs. 2 durch Ähnlichkeitsurteil

41

Da Abs. 2 des § 392 nicht ohne Abs. 1 gesehen werden darf, kann man untersuchen, welcher gesetzliche oder gewohnheitsrechtliche Tatbestand zwar dem Wortlaut nach die Aussage des Abs.2 "gelten als Forderungen des Kommittenten" rechtfertigt, sich aber nicht mit den Grundsätzen des Abs. 1 verträgt, der bestimmt, daß der Kommissionär Gläubiger der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft wird. Wenn man beispielsweise, nachdem man der Rechtsfolge des Abs. 2 einen Tatbestand zugeordnet hat, zu dem Ergebnis kommt, daß der Dritte schon vor der Abtretung an den Kommittenten leisten muß, so steht fest, daß die Rechtsfolge des Abs. 2 nicht auf diesem Tatbestand beruhen kann 78 • Auf diese Weise kommt man dann dazu, entscheiden zu können, welcher gesetzliche oder gewohnheitsrechtliche Tatbestand nicht als Voraussetzung der Anordnung des Abs. 2 "gelten als Forderungen des Kommittenten" anzusehen ist. Mit dieser negativen Feststellung darf man sich aber nicht begnügen, sondern muß nach Kriterien suchen, die ein positives Urteil zulassen. Das ist vor allem dann erforderlich, wenn die negative Auslese mehrere Möglichkeiten offen läßt. Aber auch für den Fall, daß nur noch ein Tatbestand übrig bleibt, der sich nahtlos an Abs. 1 anfügen läßt, ist eine überprüfung erforderlich. Auch bei einer Fiktion, die wie in § 392 Abs. 2 direkt auf eine Rechtsfolge verweist und dem Auslegenden die Ermittlung des ihm zugehörigen Tatbestandes überläßt, kommt es auf die Ähnlichkeit der beiden Tatbestände an. Das Ähnlichkeitsurteil wird aber-wie dargelegtdurch die Bildung eines analogen Obersatzes gefällt. Wenn sich der Tatbestand des § 392 Abs. 2 und der zum Vergleich herangezogene Tatbestand in einem analogen Obersatz zusammenfassen lassen, dann kann positiv gesagt werden, daß die Anordnung des Abs. 2 "gelten als Forderungen des Kommittenten" als Rechtsfolge dieses Tatbestandes anzusehen ist. Dann ist man so weit wie bei einer Fiktion, die wie im Normalfall den Tatbestand nennt. Um nunmehr Detailfragen entscheiden zu können, braucht der analoge Obers atz nicht mehr neu gebildet, sondern gegebenenfalls nur noch interpretiert zu werden. Bei der Auslegung der Fiktion des § 392 Abs. 2 ist also folgendermaßen vorzugehen: das gesamte Zivilrecht muß daraufhin untersucht werden, ob es gesetzliche oder gewohnheitsrechtliche Tatbestände gibt, welche die Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 "gelten als Forderungen des Kommittenten" rechtfertigen könnten. Sodann muß jeder einzelne Tatbestand darauf geprüft werden, ob er sich - verbunden mit der Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 - mit den Grundsätzen des Abs. 1 vereinbaren So schon Laband ZHR 9 (1865), S. 457: "Das Gesetz kann unmöglich in 1demselben Artikel zwei miteinander unverträgliche Sätze sanctioniert haben." 78

42

B. I. Bedeutung und Auslegung der juristischen Fiktion

läßt. Wenn das der Fall ist, kann zur Kontrolle das Gemeinsame des Tatbestandes des § 392 Abs. 2 und des zum Vergleich herangezogenen Tatbestandes in einem analogen Obersatz zusammengefaßt werden, um so die Ähnlichkeit festzustellen. Sind sich beide Tatbestände ähnlich, dann kann durch eine Interpretation des analogen Obersatzes entschieden werden, inwieweit Detailfragen gleich zu entscheiden sind.

II. Abschnitt

Vergleich des § 392 Ahs. 2 mit anderen gesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen Regelungen 1. Kommissionär als direkter Stellvertreter

Bei der Suche nach vergleichbaren Tatbeständen, die die Rechtsfolge des § 392 Abs.2 rechtfertigen könnten, ist zunächst an die Vorschriften zu denken, die sich wie die §§ 383 ff. mit Vermittlungsgeschäften im Handelsverkehr befassen. Ebenso wie der Kommissionär gehört der Handelsmakler (§ 93) zu den Vermittlern im Handelsverkehr. Der Handelsmakler schließt aber nicht wie der Kommissionär Verträge ab, sond~l'll beschränkt sich darauf, seinem Auftraggeber die Geschäfte zu vermitteln. Die Verträge schließen die beiden vom Makler zusammengebrachten Parteien im eigenen Namen und für eigene Rechnung; der Makler erhält lediglich eine Provision. Da er also an dem Ausführungsgeschäft weder als Gläubiger noch als Schuldner beteiligt ist, läßt er sich mit dem Kommissionär, der das Ausführungsgeschäft im eigenen Namen für Rechnung des Kommittenten abschließt, nicht vergleichen'. Aus denselben Gründen kommt auch eine Untersuchung der Vorschriften über den Handelsvertreter (§ 84), der lediglich Geschäfte vermittelt (Vermittlungsvertreter), zu keinem Ergebnis 2• Weiterführen könnte dagegen ein Vergleich mit einem Handelsvertreter, der Verträge im Namen eines anderen Unternehmers abschließt. Obwohl der Abschlußvertreter ebenso wie der Kommissionär selbständiger Gewerbetreibender ist und für fremde Rechnung handelt, schließt er im Gegensatz zum Kommissionär die Verträge im fremden Namen ab'. Er ist genauso unmittelbarer Stellvertreter wie der Prokurist oder ein sonstiger Handlungsgehilfe, der im Namen des Prinzipals Verträge abschließt. Eine dem § 392 vergleichbare besondere handelsrechtliche Bestimmung über die Forderungen aus den von ihnen abgeschlossenen Geschäften besteht nicht. Für sie alle gilt § 164 Abs.1 BGB, wonach , So auch Cape He, Handelsrecht S. 101; Mennrath, S. 5. Vgl. Cape He, Handelsrecht S.101 und S.63. 3 Vgl. Cape He, Handelsrecht S. 101; Locher, S. 1352. 2

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B. 11. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

die im fremden Namen abgegebenen Willenserklärungen unmittelbar für und gegen den Vertretenen gelten. Da es keine besondere handelsrechtliche Regelung der unmittelbaren Stellvertretung gibt, kann § 392 Abs.2 nur mit der für jede direkte Stellvertretung geltenden Vorschrift des § 164 BGB verglichen werden. An den Tatbestand des § 164 Abs. 1 BGB, daß jemand eine Willenserklärung innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, schließt sich die Rechtsfolge an, daß diese Willenserklärung unmittelbar für und gegen den Vertretenen wirkt. Im Gegensatz zum Tatbestand des § 392 Abs. 2, der davon ausgeht, daß der Kommissionär den mit dem Kommittenten geschlossenen Kommissionsvertrag ausführt, kommt es in § 164 Abs. 1 BGB auf das Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem nicht an. Die abstrakte Vollmacht ist scharf von dem Grundverhältnis zu unterscheiden4 • Als Gemeinsames der Tatbestände der §§ 164 Abs.l BGB und 392 Abs.2 bleibt also, daß in beiden Fällen ein Vertreter für einen anderen handelt und daß die Ergebnisse dieses Handeins dem Vertretenen zukommen sollen. Die Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 könnte daher so aufgefaßt werden, daß im Verhältnis von Kommittent zu Kommissionär und dessen Gläubigern der Kommittent im Hinblick auf die Forderungen aus dem Ausführungsgeschäft als unmittelbar Vertretener anzusehen ist. Es fragt sich daher, ob eine direkte Stellvertretung als Tatbestand für die Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 zu einer Auslegung führt, die mit § 392 Abs. 1 vereinbar ist. Wenn man den Kommittenten als unmittelbar Vertretenen ansehen wollte, so wäre er im Verhältnis zum Kommissionär und dessen Gläubigern sofort mit Abschluß des Vertrages Gläubiger der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft. Da der Dritte, solange der Komissionär seine Verpflichtungen ihm gegenüber nicht erfüllt hat, Gläubiger des Kommissionärs ist, müßte für ihn der Kommittent Gläubiger der Forderung sein. Er müßte daher von Anfang an seine Leistung an den Kommittenten erbringen. Dieses Ergebnis widerspricht aber eindeutig dem in § 392 Abs. 1 zum Ausdruck kommenden Grundsatz der mittelbaren Stellvertretung, wonach der Kommittent erst nach Abtretung der Forderung einen Anspruch gegen den Dritten erlangt5. Schmidt-Rimplers hat es gerade als Charakteristikum des Kommissionsgeschäftes und deshalb als Aufgabe 4 Vgl. Lehmann-Hübner, § 36 V 3 a S. 320 f. Der Bevollmächtigung liegt allerdings regelmäßig ein anderes Rechtsverhältnis zugrunde, das dem Bevollmächtigten das Recht gibt, für den Vollmachthaber zu handeln. 5 So auch Köhler, S. 34. 6 Kommissionsgeschäft S. 893.

1. Kommissionär als direkter Stellvertreter

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des Kommissionärs bezeichnet, das Ausführungsgeschäft so abzuschließen, daß keine Stellvertretungswirkung erzeugt wird. Müller-Erzbach kommt zwar bei seinem theoretischen Modell der mittelbaren Stellvertretung zu einer unmittelbaren Rechtswirkung zwischen Geschäftsherrn und Drittem7 , beteuert aber immer wieder 8 , daß das von ihm entwickelte Modell mit dem geltenden Recht nichts zu tun habe. De lege lata hält er daran fest9 , daß es nur Rechtsbeziehungen zwischen Vermittler und Geschäftsherrn einerseits und zwischen dem Dritten und dem Vermittler andererseits gibt10• Da der Kommissionär im eigenen Namen gehandelt hat, muß der Dritte ihn als seinen Vertragspartner ansehen können. An ihn muß er leisten, solange nicht der Kommissionär die Forderung an den Kommittenten abgetreten hat11 • Dieser klaren Aussage des § 392 Abs. 1 würde es widersprechen, wenn man im Abs. 2 den Kommittenten als unmittelbar Vertretenen ansehen wollte mit der Folge, daß er im Verhältnis zum Dritten Gläubiger der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft wäre. Diese Auslegung des § 392 Abs. 2 ließe sich nur halten, wenn man den Vertragspartner des Kommissionärs nicht als seinen Gläubiger i. S. d. § 392 Abs.2 ansehen wollte, weil er auch gleichzeitig Schuldner des Kommissionärs ist. Eine Differenzierung danach, ob der Gläubiger auch Schuldner des Kommissionärs ist, kann aber dem Wortlaut des § 392 Abs. 2 nicht entnommen werden l2 • Dort ist nur auf die Gläubigereigenschaft abgestellt, unabhängig davon, daß der Gläubiger auch gleichzeitig Schuldner des Kommissionärs sein kann. Man kommt also nicht umhin, den Dritten als Gläubiger i. S. d. § 392 Abs. 2 anzusehen. Dann aber kann diese Vorschrift nicht mehr so ausgelegt werden, daß der Kommittent als unmittelbar Vertretener anzusehen ist, weil sich ein logischer Widerspruch zwischen den Aussagen des § 392 Abs. 1 und Abs. 2 ergibt 13 • Mittelbare Stellvertretung S. 9. Mittelbare Stellvertretung S. 8, 9, 17, 20, 26. » Mittelbare Stellvertretung S. 8. 10 Daß Müller-Erzbach sein Modell nur de lege ferenda entworfen hat, wird häufig verkannt, so z. B. von Janz, S. 41 ff.; Wolany, S.63 und Hartmann, S.24. 11 Vgl. Capelle, Handelsrecht S.105. 12 So auch Schlegelberger-Hefermehl, § 392 Rdn.23; Dressler NJW 1969, 656; Schmidt-Rimpler, Kommissionsgeschäft S.911; Ritter, § 392 Anm. 3 c; Heymann-Kötter, § 392 Anm.1. 13 So auch schon Laband ZHR 9 (1865), S. 456 f.: "Wie ein und dieselbe Forderung verschiedenen Personen in der Art zustehen soll, daß dem Schuldner gegenüber einer der Gläubiger, diesem wahren und eigentlichen Gläubiger gegenüber aber ein anderer der noch eigentlichere Gläubiger sei, das ist in der Tat nicht zu begreifen." Vgl. auch Mennrath, S.13. 7

8

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B. 11. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

Zur Bestätigung dieses Ergebnisses könnte § 18 DepotG u dienen. Dort wird die Frage behandelt, wie der Kommittent Eigentum an den vom Kommissionär gekauften Wertpapieren15 erlangt. Führt ein Kommissionär einen Auftrag zum Einkauf von Wertpapieren aus, so muß er dem Kommittenten unverzüglich, spätestens jedoch binnen einer Woche ein Verzeichnis der gekauften Stücke übersenden (§ 18 Abs. 2 DepotG). Mit der Absendung des Stückeverzeichnisses geht das Eigentum an den darin bezeichneten Wertpapieren auf den Kommittenten über (§ 18 Abs.3 DepotG). Der Grundgedanke dieser Regelung ist es, beim Handel mit Wertpapieren die Eigentumsverhältnisse möglichst schnell klarzustellen und den Kommittenten durch unverzügliche übertragung des Eigentums an den Wertpapieren zu schützenl6 • Wie aber § 18 Abs.3 DepotG ausdrücklich erwähnt, kann das Eigentum an den Wertpapieren schon vor der Absendung des Stückeverzeichnisses nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts übergehen17 • Hieraus ist zu schließen, daß § 18 DepotG grundsätzlich vom Eigentumserwerb des Kommissionärs an den Wertpapieren ausgeht, wenn dieser seine Forderung gegen den Dritten aus dem Kaufvertrag einziehtl8 • Der Gesetzgeber hatte den Normalfall einer Einkaufskommission vor Augen, als er in § 18 DepotG Zusatzvorschriften für die Wertpapierkommission aufstellte. Der Kommissionär handelt im eigenen Namen, wenn er sich beim Einziehen der Forderung mit dem Dritten gemäß § 929 Abs. 1 BGB einigt, und wird deshalb Eigentümer der geleisteten Sache 19 • Da der Dritte gemäß § 362 BGB aber nur durch eine übereignung an seinen Gläubiger von seiner Leistungspflicht befreit wird, muß der Dritte den Kommissionär unbeschadet der Vorschrift des § 392 Abs. 2 als Gläubiger der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft ansehen können. 14 Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren vom 4.2.1937. 15 Die Definition der Wertpapiere im Sinne des DepotG findet sich in § 1 Abs.l DepotG. 16 Vgl. Quassowski-Schröder, § 18 Anm.4; Opitz, § 18 Anm.2, § 32 Anm.2; RGZ 104, 119 (120). 17 Es bedarf dazu aber einer äußeren Handlung, die den Willen des Kommissionärs kenntlich macht, das Eigentum an bestimmten Stücken auf den Kommittenten zu übertragen. Vgl. RGZ 109, 324 (325); Quassowski-Schröder, § 18 Anm. 3; Opitz, § 18 Anm.8. 18 Die Erkenntnis wird auch durch § 24 DepotG bestärkt. Hiernach wird auch der Kommissionär zunächst Eigentümer der Wertpapiere, kann aber seiner Pfiicht, sie dem Kommittenten zu übereignen, dadurch nachkommen, daß er ihm Miteigentum an den zum Sammelbestand einer Wertpapiersammelbank gehörenden Wertpapieren verschafft. Mit der Eintragung des übertragungsvermerks im Verwahrungsbuch des Kommissionärs geht dann das Eigentum über (§ 24 Abs.2 DepotG). 1. Vgl. Quassowski-Schröder, § 18 Anm.2 I 1.

2. Cessio legis oder fingierte Zession in § 392 Abs. 2

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Es bestätigen sich also die gefundenen Auslegungsergebnisse des § 392 Abs.1, wonach der Dritte trotz der Anordnung des § 392 Abs.2 vor einer Abtretung den Kommissionär als seinen Gläubiger betrachten kann. Jede Ansicht, die durch eine Auslegung des § 392 Abs.2 zu einer Art Gesamtgläubigerschaft von Kommissionär und Kommittent oder sogar zur alleinigen GläubigersteIlung des Kommittenten käme, ist daher auch vom Gesichtspunkt des § 18 DepotG aus abzulehnen. 2. Cessio legis oder fingierte Zession in § 392 Abs. 2 Obwohl der Kommittent, wie wir gesehen haben, nicht mit einem unmittelbar Vertretenen vergleichbar ist, wird eine solche Gleichstellung von Lehmann-Ring2° dennoch indirekt befürwortet, wenn sie in § 392 Abs.2 eine nach innen wirkende cessio legis sehen 21 • Die beschränkte Wirkung des gesetzlichen Forderungsübergangs erklärt sich daraus, daß § 392 Abs.2 nur das Verhältnis von Kommittent zu Kommissionär und dessen Gläubigern anspricht. In diesem Verhältnis ginge die Forderung kraft Gesetzes auf den Kommittenten über, nachdem sie gemäß dem Grundsatz der mittelbaren Stellvertretung für eine logische Sekunde in der Person des Kommissionärs entstanden ist 22 • Von dieser logischen Sekunde abgesehen, muß § 392 Abs. 2 bei der Annahme einer cessio legis genauso ausgelegt werden, wie dies bei einer unmittelbaren Stellvertretung der Fall ist. Es bedeutet für die Auslegung des § 392 Abs.2 keinen Unterschied, ob man in dem dort angesprochenen Verhältnis den Kommittenten die Forderung originär (§ 164 Abs.1 BGB) erwerben oder sie sofort nach ihrer Entstehung ohne weiteres Zutun des Kommissionärs auf den Kommittenten übergehen läßt. Die Ansicht von der cessio legis führt daher indirekt zu einer Gleichsetzung des Kommittenten mit einem unmittelbar Vertretenen. Ihr stehen deshalb dieselben Bedenken entgegen. Solange der Kommissionär Schuldner des Dritten ist, müßte der Dritte als Gläubiger des Kommissionärs im Rahmen des § 392 Abs. 2 den Kommittenten als Gläubiger der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft betrachten. Das läßt sich aber nicht mit der Anordnung des § 392 Abs. 1 vereinbaren, der eine Abtretung der Forderung an den Kommittenten vorsieht. Vor der Abtretung ist nur der Kommissionär Gläubiger des Dritten. Die Ansicht von Lehmann-Ring führt also zu einer Auslegung des § 392 Abs. 2, die einen logischen Widerspruch der Aussagen des Abs. 1 und Abs. 2 des 20

§ 392 Abs. 2; ebenso Hellmann, S.161; Weckler, S.78.

Diese Ansicht erinnert an die im gemeinen Recht von Puchta, S. 432 und Savigny, Obligationenrecht I S.243 vertretene und vom Reichsgericht (RGZ 21

1, 314/5) widerlegte Meinung, daß in allen Fällen einer erzwingbaren Zession die Forderung ipso iure auf den neuen Gläubiger übergehe. 22 Fälle des gesetzlichen Forderungsübergangs finden sich in den §§ 268 Abs.3, 426 Abs.2, 774 Abs. 1, 1143 Abs. I, 1225, 1249, 1607 Abs.2 BGB.

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B.II. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

§ 392 herbeiführt. Da es einen solchen aber nicht geben kann, ist sie als mit dem Gesetz unvereinbar abzulehnen 23 • Die gleichen Gründe müssen auch Staub24 entgegengehalten werden, der in § 392 Abs. 2 eine fingierte Zession sehen will. Es müßte hiernach für die Interpretation des § 392 Abs. 2 so angesehen werden, als ob der Kommissionär sofort nach dem Entstehen der Forderung diese an den Kommittenten abgetreten hätte. Da es aber keinen Unterschied für die Auslegung des § 392 Abs. 2 bedeutet, ob die Forderung eine logische Sekunde nach ihrer Entstehung kraft Gesetzes übergeht oder abgetreten wird, führt die Meinung von Staub zu den gleichen logischen Widersprüchen zwischen Abs. 1 und Abs. 2 des § 392 wie die Auffassung von Lehmann-Ring und muß deshalb ebenso abgelehnt werden. 3. § 392 Abs. 2 als Ausdruck des Surrogationsgedankens Der Gesichtspunkt der Surrogation ist häufig herangezogen worden, um die in § 392 Abs. 2 für Forderungen getroffene Regelung auch auf Sachen auszudehnen, die der Kommissionär durch Einziehen der Forderung erlangt hat 25 • Die vom Dritten an den Kommissionär übereigneten Sachen sollen im Verhältnis von Kommittent zu Kommissionär und dessen Gläubigern im Eigentum des Kommittenten stehen, weil sie als Surrogat der Forderung anzusehen sind. Die in § 392 Abs. 2 für Forderungen selbst getroffene Anordnung wird dagegen nicht auf das Surrogationsprinzip zurückgeführt. Im Gegensatz dazu vertritt Hartmann26 die Auffassung, daß auch schon die in § 392 Abs. 2 für Forderungen getroffene Regelung ein Ausdruck des Surrogationsgedankens sei. Wäre diese Ansicht richtig, so müßte die Aussage des § 392 Abs. 2 als Folge eines Surrogationstatbestandes anzusehen sein. Obwohl sich im bürgerlichen Recht in den verschiedensten Zusammenhängen Surrogationsvorschriften finden 27 , läßt sich ein allen diesen Vor23 So auch Laband ZHR 9 (1865), S.457: "Der Art. 368 Abs.2 ist nicht so zu verstehen, daß die Forderungen des Kommissionärs ipso iure auf den Kommittenten übergehen. Dies würde geradewegs der Bestimmung des Abs. 1 desselben Artikels widersprechen, und das Gesetz kann unmöglich in demselben Artikel zwei miteinander unverträgliche Sätze sanctioniert haben." 2' Vgl. Staub (8. Aufl.), § 392 Anm.5; ebenso Lippmann, S.150. 25 Vgl. hierzu Kniep, S.235; Kohler, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 27, 449 f.; Wolany, S. 64 f.; Kleinrahm, S.25-27. 26 S.68: "Das Surrogationsprinzip hat mit § 392 Abs. 2 HGB die Forderung des Kommissionärs gegen den Dritten der Gefahrzone des Kommissionärvermögens grundsätzlich entrückt und damit Unbilligkeiten vermieden, die sich aus der allgemeinen Berechtigung des Kommissionärs ergeben könnten." Vgl. auch S.33 und 47. 27 §§ 281 Abs. 1, 718 Abs.2, 818 Abs. 1, 1247, 1473 Abs. 1, 1646 Abs. 1 und Abs. 2,2019 Abs. 1, 2041, 2111 Abs. 1, 2164 Abs.2, 2288 Abs.l BGB.

4. Kommissionär und Kommittent als Gesamthänder

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schriften gemeinsamer Tatbestand abstrahieren28 • An die Stelle eines Gegenstandes, den jemand sofort oder möglicherweise später einmal herausgeben muß, ist wirtschaftlich ein anderer Gegenstand getreten. Daran knüpft sich die Rechtsfolge, daß nun das Surrogat der Herausgabeverpflichtung unterliegt. überträgt man den allgemeinen Tatbestand der Surrogation auf § 392 Abs. 2, so stellt sich die Frage, was der Gegenstand sein könnte, an dessen Stelle wirtschaftlich die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft des Kommissionärs getreten ist. In Betracht kommt hier nur dasjenige, was der Kommittent an den Kommissionär geleistet hat, damit dieser das Kommissionsgeschäft durchführen kann. Da der Kommittent bei der Verkaufskommission regelmäßig die zu veräußernde Sache nicht an den Kommissionär übereignet, könnte in diesen Fällen die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft nicht als Surrogat angesehen werden. Dann käme man zu dem Ergebnis, daß § 392 Abs. 2 bei der Verkaufskommission nicht anwendbar wäre, es sei denn, der Kommittent hätte die zu verkaufende Sache ausnahmsweise an den Kommissionär übereignet. Aber auch die Fälle der Einkaufskommission würden nur dann von § 392 Abs. 2 erfaßt, wenn der Kommittent dem Kommissionär den für den Kauf der Sache erforderlichen Geldbetrag übereignet hätte. Da aber § 392 Abs. 2 nicht danach differenziert, ob eine Einkaufs- oder Verkaufskommission vorliegt und es auch nicht darauf ankommt, ob der Kommittent seine Verpflichtungen gegenüber dem Kommissionär bereits erfüllt hat, kann der Tatbestand des § 392 Abs. 2 nicht mit einem Surrogationstatbestand verglichen werden. Die Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 tritt unabhängig davon ein, ob der Kommittent bereits seine Verpflichtungen gegenüber dem Kommissionär erfüllt hat oder nicht. Die Ansicht von Hartmann, § 392 Abs. 2 sei ein Ausdruck des Surrogationsgedankens, ist daher abzulehnen.

4. Kommissionär und Kommittent als Gesamthänder Rechtsprechung29 und Literatur30 haben sich des öfteren mit dem Problem befaßt, wie das Kommissionsverhältnis von der Gesellschaft abzugrenzen sei. Daß eine bestimmte Ähnlichkeit zwischen beiden Instituten besteht, kann man leicht am folgenden Sachverhalt erkennen: A und B vereinbaren, daß A mit dem ihm von B zur Verfügung 28 Damit ist noch nicht gesagt, daß eine analoge Anwendung der Surrogationsvorschriften auf nicht im Gesetz geregelte Tatbestände möglich ist. 29 ROHG 22, 77 (78); RGZ 97, 235 (237). 30 Nußbaum, S. 54; Schmidt-Rimpler, Kommissionsgeschäft S. 522 f.; Schmidt-Rimpler, Geschichte des Kommissionsgeschäfts S. 6ft.; vgl. auch Weiß, S.37.

4 Böhm

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B. 11. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

gestellten Geld im eigenen Namen Waren kaufen und dann wieder verkaufen soll. Der erzielte Gewinn soll jedem zur Hälfte zukommen. Die Ähnlichkeit von Kommission und Gesellschaft hat Wolany31 sogar dazu bewogen, mit Hilfe eines Analogieschlusses zu § 718 Abs. 2 BGB die in § 392 Abs. 2 für Forderungen getroffene Regelung auch auf die Sachen auszudehnen, die der Kommissionär durch Einziehung der Forderung erlangt hat. Es erscheint daher naheliegend zu untersuchen, ob die Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 auf dem Tatbestand des § 718 Abs. 1 BGB beruhen könnte. Wäre das der Fall, so müßte es im Verhältnis von Kommittent zu Kommissionär und dessen Gläubigern so anzusehen sein, als ob die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft Kommissionär und Kommittent zur gesamten Hand zustände. Es stellt sich dann sofort die Frage, ob eine solche Auslegung des § 392 Abs. 2 mit Abs. 1 zu vereinbaren ist. Zwar könnte man die Aussage des § 392 Abs. 1, daß der Kommissionär die Forderung gegenüber dem Dritten geltend machen kann, noch dadurch rechtfertigen, daß man den Kommissionär als Vertretungsberechtigten für die aus ihm und dem Kommittenten gedachte Gesellschaft ansieht. Wenn der Kommissionär aber Vertreter wäre, müßte er seine Vertretereigenschaft seinem Vertragspartner zu erkennen geben, § 164 Abs.1 BGB. Das ist jedoch nicht möglich, denn § 392 Abs. 1 geht von der gesetzlichen Definition des Kommissionärs in § 383 aus, wonach der Kommissionär im eigenen Namen handelt. Hieraus ergibt sich, daß § 392 Abs. 2 nicht so ausgelegt werden kann, als ob die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft zum Gesamthandsvermögen einer aus Kommissionär und Kommittent bestehenden Gesellschaft gehören würde. Bei dem oben dargestellten Sachverhalt kann es daher nur darum gehen, ob eine Innengesellschaft oder ein Kommissionsverhältnis mit partiarischer Gewinnbeteiligung des Kommissionärs vorliegt32 • Ein Kommissionsverhältnis, bei dem die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft zu einem Gesamthandsvermögen gehören könnte, ist jedenfalls undenkbar3 • Die Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 kann daher nicht auf dem Tatbestand des § 718 Abs. 1 BGB beruhen.

5. Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 11. BGB) zwischen Kommissionär und Kommittent Nachdem festgestellt ist, daß die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft nicht dem Kommittenten und dem Kommissionär zur gesamten S. 63 f. Vgl. Nußbaum, S.54; Schmidt-Rimpler, Kommissionsgeschäft S. 522 f.; Crome, Das partiarische Rechtsgeschäft S. 454. 33 So auch Schmidt-Rimpler, Geschichte des Kommissionsgeschäfts S. 9. 31 32

5. Bruchteilsgemeinschaft zwischen Kommissionär und Kommittent

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Hand zustehen kann, ist zu untersuchen, ob nicht wenigstens eine gemeinschaftliche Berechtigung i. S. d. §§ 741 ff. BGB des Kommissionärs und Kommittenten an der Forderung besteht. Die Aussage des § 392 Abs. 2, daß die Forderung in dem angesprochenen Verhältnis eine Forderung des Kommittenten sei, müßte dann so ausgelegt werden, als ob die Forderung Kommittent und Kommissionär gemeinschaftlich zustände. Das hätte zur Folge, daß jeder Gemeinschafter, also Kommittent und Kommissionär, über seinen Anteil frei verfügen könnte (§ 747 BGB). Die Gläubiger jedes Gemeinschafters könnten in den Anteil ihres Schuldners vollstrecken (§ 857 ZPO)34. Im Konkurs eines Gemeinschafters wäre es den Gläubigern des Gemeinschuldners möglich, abgesonderte Befriedigung aus dem nach § 16 Abs. 1 KO errechneten und in die Masse gefallenen Gemeinschaftsanteil des Gemeinschuldners zu verlangen (§ 51 KO)35. Es stellt sich daher die Frage, welche Teilberechtigung an der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft dem Kommittenten und Kommissionär zustehen sollte. Ein dem Kommissionär zustehender Bruchteil an der Forderung könnte sich aus § 399 ergeben, der bestimmt, daß der Kommissionär sich aus der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft für die in § 397 bezeichneten Ansprüche, vor allem also für seinen Provisionsanspruch, befriedigen kann. Daraus könnte man schließen, daß der Kommissionär zu dem Bruchteil an der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft beteiligt ist, der dem Verhältnis von seiner Forderung gegen den Dritten und seiner Forderung an den Kommittenten entspricht. Würde die Forderung des Kommissionärs an den Dritten etwa 1000 DM und der Provisionsanspruch gegen den Kommittenten 100 DM betragen, so wäre der Kommissionär mit 10 % und der Kommittent mit 90 % an der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft beteiligt. Ob für den Kommissionär durch § 399 ein Teilgläubigerrecht begründet wird, das bei Auslegung des § 392 Abs. 2 zu berücksichtigen ist, muß durch eine Untersuchung des § 399 im Zusammenhang mit den §§ 397, 398 geprüft werden. Gem. § 397 hat der Kommissionär an dem in seinem Besitz befindlichen Kommissionsgut ein Pfandrecht für seine Provisionsforderung, die von ihm auf das Gut verwendeten Kosten, die für das Gut gegebenen Vorschüsse und Darlehen, die mit Rücksicht auf das Gut gezeichneten Wechsel oder in anderer Weise eingegangenen Verbindlichkeiten sowie wegen aller Forderungen aus laufender Rechnung aus Kommissionsgeschäften. 3' Vgl. Lent-Jauernig, § 20 111 S.72. 35 Vgl. Lent-Jauernig, § 45 11 1 d S.145. 4*

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B. 11. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

Wird der Kommissionär Eigentümer des Kommissionsgutes, also vor allem bei der Einkaufskommission an dem gekauften Gut, dann ist ein Pfandrecht des Kommissionärs nicht erforderlich. Er kann dann gem. § 398 seine eigenen Sachen für die in § 397 bezeichneten Ansprüche nach den für das Pfandrecht geltenden Vorschriften verwerten. An die §§ 397, 398 schließt sich § 399 an, um den Schutz des Kommissionärs zu vervollkommnen. Der Kommissionär soll auch schon an der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung haben, das er durch Einziehen der Forderung realisieren kann, ohne dazu einen vollstreckbaren Titel zu benötigen36 • Ebenso wie § 398, der dem Kommissionär im Gegensatz zu § 397 kein Pfandrecht gibt, weil er bereits Eigentümer des Kommissionsgutes ist, gibt § 399 dem Kommissionär kein gesetzliches Pfandrecht an der Forderung, weil der Kommissionär gemäß dem in § 392 Abs. 1 zum Ausdruck kommenden Prinzip der mittelbaren Stellvertretung Gläubiger der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft wird. Durch § 399 soll nur klargestellt werden, daß der Kommissionär, um sich für die in § 397 genannten Ansprüche zu befriedigen, über die Forderung verfügen darf, wozu er normalerweise ohne Zustimmung des Kommittenten nicht berechtigt ist37 • Die Bestimmung des § 399 knüpft an die Aussage des § 392 Abs. 1 an, daß der Kommissionär Gläubiger der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft wird. Das pfandrechtsähnliche Befriedigungsrecht des Kommissionärs hat nichts mit § 392 Abs. 2 zu tun, der regeln soll, wie der Kommittent vor Zugriffen der Gläubiger des Kommissionärs auf die Forderung geschützt werden soll. Hieraus ergibt sich, daß durch § 399 nicht eine bruchteilsmäßige Aufteilung der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft erfolgen soll. Dieses Ergebnis wird auch noch durch folgende überlegung erhärtet. Spätestens dann, wenn der Kommittent alle ihm obliegenden Verpflichtungen gegenüber dem Kommissionär erfüllt hat, müßte die Annahme einer Bruchteilsgemeinschaft bei der Auslegung des § 392 Abs. 2 versagen, weil sich aus den §§ 399, 397 keine Teilberechtigung des Kommissionärs mehr ergibt. Wie bereits oben ausgeführes, kann aber bei der Interpretation des § 392 Abs. 2 nicht danach unterschieden werden, ob der Kommittent bereits alle seine Verpflichtungen gegenüber dem Kommissionär erfüllt hat oder nicht. Die Annahme einer Bruchteilsgemeinschaft zwischen Kommissionär und Kommittent an der Forderung und die sich daraus ergebende Auslegung des § 392 Abs. 2 ist daher abzulehnen. 36 37

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Vgl. CapeHe, Handelsrecht S.105. Vgl. Wolany, S.62. s. oben S. 49.

6. Nießbrauch an der Forderung

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6. Nießbrauch an der Forderung Wolany 39 vertritt, ohne seine Ansicht im einzelnen darzulegen, die Auffassung, daß die durch § 392 Abs. 2 geschaffene Rechtslage der Situation beim Nießbrauch an einer Forderung ähnlich ist. Es fragt sich daher, ob § 392 Abs. 2 so ausgelegt werden kann, als ob an der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft ein Nießbrauch besteht. Vier theoretische Möglichkeiten sind zu unterscheiden. Man könnte sowohl den Kommissionär als auch den Kommittenten als Nießbraucher ansehen und dann noch danach differenzieren, ob es sich um einen Nießbrauch an einer verzinslichen oder unverzinslichen Forderung handelt. Wollte man den Kommittenten als Nießbraucher einer unverzinslichen Forderung ansehen (§ 1074 BGB), so hätte das zur Folge, daß er die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft einziehen kann. Diese Auslegung des § 392 Abs. 2 verstößt jedoch gegen Abs. 1, wonach der Kommittent vor einer Abtretung der Forderung durch den Kommissionär keinerlei Ansprüche gegenüber dem Dritten geltend machen kann. Da aber zwischen Abs. 1 und Abs. 2 des § 392 kein Widerspruch bestehen kann, ist diese Auslegung nicht möglich. Zu einem solchen Ergebnis würde es aber auch führen, wenn man den Kommissionär als Nießbraucher und den Kommittenten als Gläubiger einer unverzinslichen Forderung ansehen wollte. Der Kommissionär könnte dann zwar die Forderung gegen den DrittEn einziehen, wäre aber zu anderen Verfügungen über die Forderung nicht berechtigt (§ 1074 Satz 2 und 3 BGB). In § 392 Abs. 1 und 2 ist aber gerade vorgesehen, daß der Kommissionär über Forderungen dadurch verfügt, daß er sie an den Kommittenten abtritt. Eine Auslegung des § 392 Abs. 2, bei der der Kommissionär als Nießbraucher einer unverzinslichen Forderung anzusehen ist, muß daher abgelehnt werden. Die dritte und vierte Möglichkeit, nämlich den Kommissionär oder den Kommittenten als Nießbraucher einer verzinslichen Forderung anzusehen, brauchen nicht getrennt untersucht zu werden. In bei den Fällen müßte § 392 Abs. 2 so ausgelegt werden, daß entsprechend § 1077 Abs.1 BGB der Dritte seine Verpflichtung aus dem Ausführungsgeschäft nur gegenüber Kommittent und Kommissionär gemeinschaftlich erfüllen kann. Das aber würde wieder im Gegensatz zu § 392 Abs. 1 stehen, der bestimmt, daß vor der Abtretung nur der Kommissionär und nach der Abtretung nur der Kommittent Erfüllung der Forderung verlangen kann und der Dritte entsprechend nur an den Kommissionär oder Kommittent leisten darf. Die Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 kann daher nicht auf dem Tatbestand des § 1077 BGB beruhen. 39

S.65.

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B. H. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen 7. § 392 Abs.2 und das Konkursvorrecht des Depotgesetzes

Das DepotG stellt in den §§ 32 ff. Sondervorschriften für den Fall auf, daß das Kommissionsgeschäft den Einkauf von Wertpapieren 40 zum Gegenstand hat. Es wäre durchaus denkbar, daß der Gesetzgeber in diesem Gesetz Zweifelsfragen der §§ 383 ff. für den Sonderfall der Wertpapierkommission geklärt hat und deshalb Rückschlüsse vom DepotG auf die allgemeine Regelung des Kommissionsgeschäftes im HGB möglich sind. Es ist deshalb zu untersuchen, ob nicht die Rechtsfolge des § 392 Abs.2 auf den Tatbeständen des § 32 Abs.1 Nr.1-3 DepotG beruhen könnte. Wenn das der Fall wäre, müßte § 392 Abs.2 so ausgelegt werden, wie es § 32 DepotG für den Sonderfall der Wertpapierkommission vorsieht. Der Inhalt des Konkursvorrechts ist in Abs. 3 und 4 des § 32 DepotG festgelegt. Danach werden die in Abs. 1 und 2 genannten Forderungen, zu denen auch die Forderung des Kommittenten gegen den Kommissionär gehört, vor den Forderungen aller anderen Konkursgläubiger aus einer Sondermasse beglichen, die aus den in der Konkursmasse vorhandenen Wertpapieren derselben Art und aus Ansprüchen auf Leistung solcher Wertpapiere gebildet wird. Gern. Abs.4 hat der Kommittent das beanspruchte Vorrecht nach § 139 KO anzumelden. Der Schutz des Kommittenten im Konkurs des Kommissionärs wird also dadurch erreicht, daß eine Sonderrnasse gebildet wird und sich der Kommittent aus dieser Sonderrnasse noch vor den in § 61 Nr.1-5 KO berechtigten Gläubigern befriedigen darf41 . Durch § 32 DepotG soll dem Kommittenten kein Aussonderungs- oder Absonderungsrecht gegeben werden; er wird vielmehr zum bevorrechtigten Konkursgläubiger für seine Forderung aus dem Kommissionsvertrag und das nur im Hinblick auf einen bestimmten Sondert eil der Masse, da er hinsichtlich des anderen Vermögens des Kommissionärs normaler Konkursgläubiger ist (§ 32 Abs.4 Satz 3 DepotG)42. Ob der Kommittent eine Forderung aus dem Kommissionsvertrag gegen den Kommissionär hat oder nicht, muß nach den allgemeinen Vorschriften festgestellt werden. Nur wenn gesagt werden kann, daß der Kommittent eine solche Forderung hat und mit dieser ganz normaler Konkursgläubiger wäre, wird die Konkursforderung gern. § 32 DepotG bevorrechtigt43 . Dem § 32 DepotG gehen somit alle Aussonderungs- oder Absonderungsrechte sowie auch die Regelung des § 17 KO vor44 • 40 41 42 43

U

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

S.46 Anm. 15. Opitz, § 32 Anm. 2 und 3. Opitz, § 32 Anm. 2; Quassowski-Schröder, § 32 Anm.21. Quassowski-Schröder, § 32 Anm.4. Quassowski-Schröder, § 32 Anm.21 und 7.

7. § 392 Abs. 2 und das Konkursvorrecht des Depotgesetzes

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Wenn also § 392 Abs. 2, wie allgemein angenommen, dem Kommittenten im Konkurs des Kommissionärs ein Aussonderungsrecht hinsichtlich der Forderung geben würde, so müßte dieses der Regelung des § 32 DepotG vorgehen. Die Sondervorschrift des § 32 DepotG wäre erst dann anzuwenden, wenn festgestellt ist, daß § 392 Abs. 2 nicht zum Zuge kommt. In diesem Fall könnten aus § 32 DepotG keine Rückschlüsse über die Auslegung des § 392 Abs. 2 gezogen werden, da § 32 DepotG keine spezielle Ausgestaltung des § 392 Abs. 2 für den Fall der Wertpapierkommission wäre. Von den in § 32 Abs.1 Nr.1-3 DepotG beschriebenen alternativen Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorzugsrecht ist nur Nr. 1 2. Halbsatz der Situation des § 392 Abs. 2 vergleichbar. Die dort geforderte Voraussetzung, daß der Kommissionär die Wertpapiere noch nicht angeschafft hat, ist erfüllt, wenn der Kommissionär wie in § 392 Abs. 2 die Wertpapiere zwar gekauft, aber seine Forderung aus dem Kaufvertrag noch nicht eingezogen hat. Im Gegensatz dazu verlangt Nr. 1 1. Halbsatz, daß der Kommissionär bereits Eigentümer der Wertpapiere ist45, und Nr.2 geht sogar davon aus, daß bereits der Kommittent Eigentum an den Wertpapieren erlangt hat, das ihm durch eine rechtswidrige Verfügung des Kommissionärs wieder entzogen wurde's. Da alle diese nebeneinanderstehenden Tatbestandsvoraussetzungen das oben beschriebene Vorzugsrecht geben, ist anzunehmen, daß durch Nr. 1 Satz 2 nicht eine von § 392 Abs. 2 abweichende Sonderregelung für die Wertpapierkommission geschaffen werden sollte. Das Vorzugsrecht des § 32 DepotG soll vielmehr dann eingreifen, wenn § 392 Abs. 2 nicht zum Zuge kommt. Dieses Ergebnis wird noch durch die überlegung bestätigt, daß § 32 DepotG in allen Modalitäten verlangt, daß der Kommittent bei Konkurseröffnung seine Verpflichtungen gegenüber dem Kommissionär bereits voll erfüllt hat (§ 32 Abs. 1 Nr.1 und 2 DepotG) oder zumindest zu diesem Zeitpunkt der nicht erfüllte Teil der Verpflichtungen des Kommittenten zehn vom Hundert des Wertes seines Wertpapierlieferungsanspruches nicht überschreitet und er diese Restverpflichtung binnen einer Woche nach Aufforderung durch den Konkursverwalter vollständig erfüllt (§ 32 Abs. 1 Nr.3 DepotG). Wie aber oben bereits ausgeführt 47 , kann bei § 392 Abs. 2 nicht danach differenziert werden, ob der Kommittent seine Verpflichtung aus dem h. M.: vgl. Quassowski-Schröder, § 32 Anm. 8. Das Konkursvorrecht erhält der Kommittent gemäß § 32 Abs. 2 DepotG selbst dann, wenn der Kommissionär als Eigentümer aufgetreten ist. 47 Vgl. S.49 und 52. 45

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B. H. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

Kommissionsvertrag gegenüber dem Kommissionär vollständig oder nur zu einem bestimmten Teil erfüllt hat. Die Regelung des § 32 DepotG muß daher als eine Sondervorschrift angesehen werden, die erst eingreift, wenn die Unanwendbarkeit des § 392 Abs. 2 festgestellt ist. Die Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 kann somit nicht auf einem der Tatbestände des § 32 DepotG beruhen. 8. Vergleich des § 392 Abs.2 mit Vorschriften des Erbrechts a) § 1959 BGB

Ebenso wie in § 392 Abs. 2 die Rechtsbeziehungen zwischen drei Parteien - nämlich von Kommittent, Kommissionär und dessen Gläubigern - geregelt sind, wird in § 1959 BGB das Verhältnis des vorläufigen und des endgültigen Erben sowie der Nachlaßgläubiger festgelegt. Man könnte deshalb daran denken, daß in beiden Vorschriften der vom Gesetz angeordnete Interessenausgleich ähnlich gestaltet ist. Es fragt sich daher, ob die Rechtsfolge des § 392 Abs.2 auf dem Tatbestand des § 1959 Abs. 1 BGB beruhen könnte. In § 1959 Abs. 1 BGB ist bestimmt, daß der vorläufige Erbe gegenüber dem endgültigen Erben im Hinblick auf erbschaftliche Geschäfte wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag berechtigt und verpflichtet ist. Da der Kommissionär nicht mit dem endgültigen, sondern nur mit dem vorläufigen Erben vergleichbar ist, weil er, ebenso wie dieser Geschäfte für den Nachlaß führt, für den Kommittenten tätig wird, kann § 1959 Abs. 1 BGB nicht zur Auslegung des § 392 Abs. 2 herangezogen werden, soweit es sich um die Berechtigung des vorläufigen Erben handelt. Denn § 392 Abs. 2 ist eine Schutzvorschrift zugunsten des Kommittenten, die nichts über die Ansprüche des Kommissionärs aus der Geschäftsführung gegen den Kommittenten aussagt48. über die Berechtigung des endgültigen Erben, der insoweit mit dem Kommittenten vergleichbar wäre, sagt § 1959 Abs. 1 BGB aber nur, daß ihm der vorläufige Erbe wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag verpflichtet ist. In den §§ 677 ff. BGB ist jedoch eine dem § 392 Abs. 2 entsprechende Regelung nicht enthalten 49 . Hieraus folgt, daß § 1959 Abs. 1 BGB nicht zur Auslegung des § 392 Abs. 2 herangezogen werden kann. Wollte man die Rechtsfolge des § 392 Abs.2 als auf dem Tatbestand des § 1959 Abs. 2 BGB beruhend ansehen, so hätte das zur Folge, daß 48 Im Kommissionsrecht wird der Kommissionär durch die §§ 397-399 geschützt. 48 Das, was die §§ 677 ff. BGB im Verhältnis von endgültigem zu vorläufigem Erben regeln, wird beim Kommissionsverhältnis schon durch den Kommissionsvertrag (§§ 383 ff.) erfaßt.

8. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit Vorschrüten des Erbrechts

57

nur dringliche Verfügungen des Kommissionärs über die Forderung wirksam wären50 • Der Dritte würde also nur dann von seiner Verbindlichkeit aus dem Ausführungsgeschäft befreit, wenn der Kommissionär die Leistung aus Dringlichkeit annähme 51 • Eine solche Auslegung des § 392 Abs. 2 widerspricht aber Abs. 1, der bestimmt, daß der Dritte vor einer Abtretung der Forderung den Kommissionär als seinen Gläubiger betrachten kann. Aus diesem Grunde kann die Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 nicht auf dem Tatbestand des § 1959 Abs. 2 BGB beruhen. b) § 2113 Abs.2 BGB

In § 2113 Abs.2 BGB sind ebenso wie in § 392 Abs.2 die Interessen von drei Personen bzw. Personengruppen geregelt. Unentgeltliche Verfügungen des Vorerben sind mit dem Eintritt des Nacherbfalles insoweit unwirksam, als sie ein Recht des Nacherben beeinträchtigen52 • Die Beschränkung der Verfügungsmacht des Vorerben hat ihren tieferen Sinn darin, daß der Nachlaß nicht endgültig zum Vermögen des Vorerben gehört 53 • Da insoweit eine gewisse Parallelität zu § 392 Abs. 2 besteht, weil auch dort die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft nur formal zum Vermögen des Kommissionärs zu zählen ist, bietet sich die Untersuchung an, ob § 2113 Abs.2 BGB zur Auslegung des § 392 Abs. 2 herangezogen werden kann. Würde die Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 auf dem Tatbestand des § 2113 Abs. 2 BGB beruhen, so könnte der Dritte durch eine Leistung an den Kommissionär nicht von seiner Verbindlichkeit aus dem Ausführungsgeschäft befreit werden, weil die Forderung als materiell zum Vermögen des Kommittenten gehörig anzusehen ist. Man käme dann zur gleichen Diskrepanz zwischen Abs. 1 und Abs. 2 des § 392 wie beim Vergleich mit § 1959 Abs. 2 BGB. Schon aus diesem Grunde kann daher § 2113 Abs. 2 BGB nicht zur Auslegung des § 392 Abs. 2 herangezogen werden54 • 50 § 1959 Abs. 2 BGB führt nicht zu relativ wirksamen Verfügungen im Verhältnis vom vorläufigen zum endgültigen Erben. Vgl. Bartholomeyczik, Erbrecht § 31 V 4 b S. 184; Staudinger-Lehmann, § 1959 Rdn.l1. 51 Unter § 1959 Abs. 2 BGB fällt auch die Annahme einer Leistung durch den vorläufigen Erben als Erfüllung einer Nachlaßverbindlichkeit; vgl. Bartholomeyczik, Erbrecht § 31 V 4 b S. 184. 52 Es handelt sich nicht um eine relative, sondern um eine absolute Unwirksamkeit; h. M.: vgl. Bartholomeyczik, Erbrecht § 41 VI 2 a aa S.260; Johannsen in BGB-RGRK, § 2113 Anm. 2 a; Lange, Erbrecht § 26 IV 4 S.235; Palandt-Keidel, § 2113 Anm. 1 a. 53 Vgl. Bartholomeyczik, Erbrecht § 41 VI 2 S.259. 54 Aus den gleichen Gründen kann auch § 2129 Abs. 2 BGB keinen Aufschluß über die Auslegung des § 392 Abs. 2 geben.

58

B. 11. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen c) §2184 BGB

Verschiedentlich ist § 392 Abs.2 in Zusammenhang mit § 2184 BGB gebracht worden 55 • Es ging dabei um die Frage, wie der Vermächtnisnehmer gegenüber den Gläubigern des Beschwerten zu schützen ist. Da das BGB grundsätzlich nicht mehr das Vindikations-, sondern lediglich das Damnationslegat kennt, ist es nicht mehr möglich, einen bestimmten Gegenstand mit unmittelbarer Wirkung dem Vermächtnisnehmer zuzuordnen. Es vergeht deshalb immer eine gewisse Zeit, bis der Beschwerte die in § 2174 BGB festgelegte Pflicht, den vermachten Gegenstand dem Beschwerten zu leisten, erfüllt hat. Der Bedachte kann daher gemäß § 2184 BGB die seit dem Anfall des Stückevermächtnisses gezogenen Früchte sowie das sonst aufgrund des vermachten Rechtes Erlangte herausverlangen. Andererseits muß er aber auch wie ein Eigentümer dem Besitzer die auf die Sache gemachten Verwendungen sowie Aufwendungen ersetzen (§ 2185 BGB). Hieraus ergibt sich, daß im Verhältnis vom Bedachten zum Beschwerten der vermachte Gegenstand als dem Bedachten gehörig behandelt wird. Durch eine Analogie zu § 392 Abs. 2 sollten auch die Gläubiger des Beschwerten in das Verhältnis mit einbezogen werden5&. Im Rahmen dieser Untersuchung ist umgekehrt zu verfahren und zu prüfen, ob nicht die Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 auf dem Tatbestand des § 2184 BGB beruhen könnte. Wenn das der Fall wäre, so dürfte der Aussage des § 392 Abs.2 kein dinglicher, sondern lediglich schuldrechtlicher Charakter beigemessen werden 57. Die Bedeutung des § 392 Abs. 2 würde sich dann darin erschöpfen, den Kommissionär zur Herausgabe des aufgrund der Forderung Erlangten zu verpflichten. Unabhängig davon, daß die sprachliche Fassung des § 392 Abs. 2 "Forderung des Kommittenten" auf eine unmittelbare Wirkung hindeutet, kann schon deshalb nicht von einer rein schuldrechtlichen Wirkung gesprochen werden, weil § 392 Abs. 2 auch die Gläubiger des Kommissionärs erwähnt. Eine dem § 2184 entsprechende Regelung wäre aber nur im Verhältnis von Kommittent zu Kommissionär, niemals aber auch zu den Gläubigern des Kommissionärs denkbar. Im übrigen würde bei dieser Interpretation der § 392 Abs. 2 überflüssig, denn die Verpflichtung des Kommissionärs, das aufgrund der Forderung Erlangte herauszu55 Vgl. Denkschrift des Erbrechtsausschusses der AkfDR 5, S.256; Lange, Erbrecht § 27 11 1 S. 259 Anm. 11; Staudinger-Böhmer, § 1922 Rdn.243. 56 Vgl. Anm.55. Die Frage, ob ein solcher Analogieschluß zulässig ist, gehört nicht zur hier behandelten Thematik. 57 Die h. M. lehnt eine dingliche Wirkung des § 2184 BGB ab. Vgl. Bartholomeyczik, Erbrecht § 43 IV 4 d S.297/8; Erman-Hense, § 2184 Anm. 1; Johannsen in BGB-RGRK, § 2184 Anm.2; Soergel-Siebert-Erhard-Eder, § 2184 Rdn. 1.

9. § 392 Abs. 2 und die Versicherung für fremde Rechnung

59

geben, besteht schon gem. § 384 Abs.2. Die Vorschrift des § 2184 BGB kann daher nicht zur Auslegung des § 392 Abs. 2 herangezogen werden. 9. § 392 Abs. 2 und die Versicherung für fremde Rechnung In Literatur58 und Rechtsprechung59 besteht seit jeher Streit darüber, ob die Versicherung für fremde Rechnung ein Unterfall der Stellvertretung oder ein Vertrag zugunsten Dritter ist. Der Gesetzgeber hatte folgende Problematik zu lösen. Normalerweise dient eine Versicherung dem Versicherungsnehmer dazu, den Schaden abzudecken, den er durch den Verlust eines Sachwertes erleidet. Es kann aber auch vorkommen, daß jemand eine Versicherung abschließen will, obwohl der Verlust des versicherten Sachwertes nicht zu einem Schaden für ihn führen würde 60 . Wenn in einem solchen Fall derjenige, der die Versicherung abschließt, auch den Anspruch auf die Versicherungssumme erhält, wird die Versicherung zur Wette 61 • Um dieses Ergebnis zu vermeiden, hat der Gesetzgeber das Institut der Versicherung für fremde Rechnung geschaffen62 . Es unterscheidet in den §§ 781 ff. HGB 83 und §§ 74 ff. VVG zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer. Der Letzte kann mit dem Versicherer einen Versicherungsvertrag im eigenen Namen abschließen. Er selbst wird mit allen Pflichten aus dem Vertrag, besonders also mit der Pflicht zur Zahlung der Prämien belastet (§ 781, § 74 VVG)64. Das Hauptrecht aus dem Vertrag aber, nämlich der Anspruch auf die Versicherungssumme im Schadensfall, steht dem Versicherten ZU 65 , d. h. Vgl. Ehrenberg JherJb 30 (1891), S. 422 ff., Byk, S.7/8. sv Vgl. RGZ 35, 48 (54). 60 Der Kommissionär z. B. ist gern. § 390 Abs.1 für Verlust oder Beschädigung des in seiner Verwahrung befindlichen Kommissionsgutes nur verantwortlich, wenn er die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns außer acht gelassen hat. Darüber hinaus haftet er nicht. Trotzdem wird er häufig für den Kommittenten eine Versicherung abschließen wollen, wozu er sogar gern. § 390 Abs. 2 verpflichtet sein kann. Da häuflg der Kommittent nicht bekannt werden möchte und der Versicherer den ihm bekannten Kommissionär als Schuldner haben möchte, kommt eine direkte Stellvertretung in diesen Fällen nicht in Betracht. 81 Vgl. hierzu Kisch JherJb 63 (1913), S.372; Ehren berg, Versicherungsrecht S. 190. 62 Schon das preußische ALR II 8 §§ 2070, 2071 kannte die Versicherung zugunsten Dritter. Ga Seit 1919 stellen die §§ 781 ff. allerdings totes Recht dar, da sie durch die Allgemeinen Deutschen Seeversicherungs-Bedingungen (ADS) ersetzt wurden. Die hier interessierende Problematik ist in den §§ 52 ff.ADS geregelt. Vgl. hierzu Prüssmann, Vorbem. I zu Anhang § 900. 84 § 52 ADS. 85 Steht der Versicherte schon bei Vertragsschluß fest, so kann er im Vertrag als Anspruchsberechtigter bezeichnet werden. Ist er jedoch noch unbe58

60

B. 11. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

demjenigen, dem durch den Versicherungsfall ein Schaden entstanden ist (§ 75 VVG, § 786)66. Die Gefahr einer Wettversicherung ist damit gebannt, denn die Versicherungssumme wird an den Geschädigten gezahlt, und so kann sich niemand durch den Versicherungsfall bereichern. Da der beim Vertragsschluß im eigenen Namen handelnde Versicherungsnehmer mit allen Pflichten aus dem Vertrag belastet wird, während dem Versicherten alle Rechte zustehen, kommt Müller-Erzbach87 zu der Feststellung, daß die Versicherung für fremde Rechnung ein spezieller Anwendungsfall des gewöhnlichen Kommissionsgeschäftes sei. Wäre diese Ansicht richtig, so könnte man annehmen, daß § 392 Abs. 2 genauso ausgelegt werden muß, wie die entsprechende Problematik in dem Sonderfall der Versicherung für fremde Rechnung gelöst ist. Hiernach wäre § 392 Abs. 2 so zu verstehen, daß der Kommittent mit Abschluß des Ausführungsgeschäftes sofort Gläubiger der Forderung aus diesem Geschäft wird. Er könnte daher gem. § 771 ZPO vorgehen, wenn Gläubiger des Kommisionärs in die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft vollstrecken. Im Konkurs des Kommissionärs hätte er einen Anspruch auf Aussonderung der Forderung gem. § 43 K0 68 • Es würde sich auch insoweit kein Widerspruch zu § 392 Abs. 1 ergeben, der bestimmt, daß der Kommissionär vor der Abtretung die Forderung gegenüber dem Dritten geltend machen kann. Denn im Versicherungsrecht ist ebenfalls in den §§ 76 Abs. 1 VVG und 787 Abs. 189 vorgesehen, daß der Versicherungsnehmer über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag im eigenen Namen verfügen kann, obwohl er niemals Gläubiger dieser Rechte war. Während sich diese Erscheinung im Versicherungsrecht dogmatisch so erklären läßt, daß man dem Versicherungsnehmer eine gesetzliche Verfügungsmacht zuerkennt70 , die ihn zur Verfügung über die Rechte des Versicherten ermächtigt, ergeben sich erhebliche Zweifel, ob § 392 Abs. 2 ebenso verstanden werden kann. Zwar könnte durch die Annahme einer gesetzlichen Ermächtigung erklärt werden, daß der Kommissionär die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft gegenüber dem Dritten geltend machen kann, jedoch bliebe unverständlich, warum § 392 Abs. 1 eine Abtretung der Fordekannt oder will er nicht genannt werden, so kann die Versicherung auch für den abgeschlossen werden, den es angeht: §§ 74 VVG, 781, 52 ADS. es § 53ADS. 67 Grundsätze der mittelbaren Stellvertretung S.65; Handelsrecht S.796. 68 Der Versicherte kann gern. § 771 ZPO oder § 43 KO vorgehen, wenn die Gläubiger bzw. der Konkursverwalter des Versicherungsnehmers die Forderung aus dem Versicherungsvertrag für sich in Anspruch nehmen; vgl. Ritter-Abraham, § 53 Anm. 5; Prmss, § 75 Anm. 2. 69 § 54 Abs. 1 ADS. 70 Prötss, § 76 Anm. 1 spricht von einer Art gesetzlichem Treuhandverhältnis.

9. § 392 Abs. 2 und die Versicherung für fremde Rechnung

61

rung vorsieht, wenn doch der Kommittent schon Gläubiger der Forderung ist. Hier zeigt sich der grundlegende Unterschied zwischen der Versicherung für fremde Rechnung und der Kommission. Der Versicherungsnehmer wird nie Gläubiger der Rechte aus dem Versicherungsvertrag. Da diese sofort in der Person des Versicherten entstehen, ist das Hauptmerkmal des Vertrages zugunsten Dritter i. S. d. § 328 BGB, daß das Recht auf die Leistung nicht dem Vertragspartner, sondern einem Dritten zusteht, bei der Versicherung zugunsten Dritter erfüllt. Die Versicherung für fremde Rechnung ist daher als ein Unterfall des Vertrages zugunsten Dritter zu bezeichnen71 • Wie sich aus § 392 Abs. 1 ergibt, schließt der Kommissionär aber keinen Vertrag zugunsten des Kommittenten ab. Denn wenn dort eine Abtretung der Forderung an den Kommittenten vorgesehen ist, kann das nur so verstanden werden, daß der Kommittent eben nicht sofort mit Abschluß des Ausführungsgeschäftes Gläubiger der Forderung wird. Das Kommissionsverhältnis ist ein Fall der indirekten Stellvertretung, die nicht vorliegen kann, wenn der Handelnde im eigenen Namen auftritt und die Vertragsrechte in der Person eines Dritten entstehen72 . Bei der indirekten Stellvertretung kann der Vertretene völlig im Hintergrund bleiben. Die Besonderheiten ergeben sich nur im Verhältnis Vertreter-Vertretener, während der Vertragspartner des Vertreters mit dem Vertretenen nicht in Sonderbeziehung tritt. Das Kommissionsgeschäft ist nach Ansicht von Ritter-Abraham 73 nur das Verhältnis Kommissionär-Kommittent und nicht Kommissionär-Dritter oder Kommittent-Dritter74 . Bei der Versicherung für fremde Rechnung dagegen tritt der Versicherer mit dem Versicherten in unmittelbare Beziehung. Der Versicherungsnehmer muß beim Vertragsschluß offenbaren, daß nicht er, sondern der Versicherte berechtigt sein so1l75. Als Ausnahme zu § 305 BGB, der nur Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragspartner vorsieht, wird ein Dritter in den Verband mit einbezogen7o . Bei der indirek71 Heute h. M.: vgl. Kisch Recht 1919, Sp. 319 ff.; Ritter-Abraham, § 52 Anm.13; Freudiger, S.36; Schmidt, S.102/3; Soergel-Siebert-Schmidt, § 328 Rdn.15; Wilde in BGB-RGRK, § 328 Anm.30; Lenne, S. 10; Prölss, Vorbem. 1 zu § 74; Ehrenzweig, S.397; Gerhard-Hagen, § 74 Anm.3; v. Gierke, Versicherungs recht 2. Teil S.195 und 1. Teil S.122; Bronisch-Sasse-Starke, vor § 74 Erl. 4; HeHwig, S.553, 539 Anm.92; RGZ 161, 23 (27); 89,21 (25); Flechtheim LZ 1911, Sp. 676; Byk, S.47. 72 So auch Byk, S. 31, 47, 41. 73 § 52 Anm. 11. 7' Lenne, S. 11. 75 Ritter-Abraham, § 52 Anm. 11. 7& Soergel-Siebert-Schmidt, Vor § 328 Rdn. 1.

62

B. 11. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

ten Stellvertretung und damit bei dem Kommissionsgeschäft fehlt diese Ausnahme. Es bestehen nur normale Vertragsbeziehungen zwischen Vertreter und Vertretenem einerseits und Vertreter und Drittem andererseits. Wer Wert darauf legt, völlig im Hintergrund zu bleiben, muß die indirekte Stellvertretung wählen, allerdings mit dem Nachteil, nicht unmittelbar Rechte erwerben zu können. Wer dagegen unmittelbar Rechte erwerben will, muß es sich gefallen lassen, bekannt und in das Verhältnis "Vertreter"-Dritter einbezogen zu werden. Da sich also das in § 392 Abs. 1 zum Ausdruck kommende Prinzip der mittelbaren Stellvertretung nicht mit den Verträgen zugunsten Dritter vergleichen läßt77 , können die Vorschriften über die Versicherung für fremde Rechnung nicht zur Auslegung des § 392 Abs. 2 herangezogen werden.

10. Vergleich des

§

392 Abs.2 mit §§ 135, 136 BGB

In § 135 BGB ist bestimmt, daß Verfügungen über einen Gegenstand, die gegen ein den Schutz bestimmter Personen bezweckendes gesetzliches Veräußerungsverbot verstoßen, diesen Personen gegenüber unwirksam sind. Dem gesetzlichen Veräußerungsverbot setzt § 136 BGB ein gerichtliches oder behördliches Veräußerungsverbot gleich. Die Verfügungen der §§ 135, 136 BGB führen, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte, zu Rechtsverhältnissen, die aus der Sicht verschiedener Personen oder Personengruppen unterschiedlich zu beurteilen sind.

Es zeigt sich sofort eine Ähnlichkeit mit § 392 Abs. 2, da auch dort die Forderung aus dem Ausführungssgeschäft nur im Verhältnis von Kommittent zu Kommissionär sowie zu dessen Gläubigern als Forderung des Kommittenten anzusehen ist. Die Ähnlichkeit zwischen den §§ 135, 136 BGB und § 392 Abs.2 würde noch deutlicher sichtbar, wenn man, wie Raape 78 versucht, § 135 BGB in Form einer Fiktion auszudrücken: im Verhältnis von Verbotsadressaten und dem aus der Verfügung Begünstigten zu dem durch ein gesetzliches Veräußerungsverbot zu seinem Schutz Begünstigten gilt die Verfügung als nicht erfolgt. Es liegt daher nahe zu untersuchen, ob die Rechtsfolge des § 392 Abs.2 auf den Tatbeständen der § 135, 136 BGB beruhen könnte. Wollte man den Kommittenten wie einen durch ein gesetzliches oder behördliches Veräußerungsverbot Geschützten betrachten, so käme man zu folgenden Ergebnissen. Da der Vertragspartner des Kommissionärs, solange der Kommissionär seinerseits nicht erfüllt hat, zu dessen Gläubigern zählt, wäre eine Einziehung der Forderung gegenüber dem Kom77

78

So auch Schmidt-Rimpler, Kommissionsgeschäft S. 525. S.53.

10. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit §§ 135, 136 BGB

63

mittenten unwirksam. Vom Kommittenten aus betrachtet hätte der Dritte an einen falschen Gläubiger geleistet und könnte nur durch eine Einrede aus § 407 BGB von seiner Verbindlichkeit befreit werden 79 • Tritt der Kommissionär die Forderung an einen seiner Gläubiger ab, so wäre diese Abtretung unwirksam. Der Kommittent könnte den Komissionär auch weiterhin als Gläubiger der Forderung ansehen und von ihm Abtretung verlangen. War der Dritte, an den der Kommissionär die Forderung abgetreten hat, nicht sein Gläubiger, dann wäre die Abtretung auch gegenüber dem Kommittenten wirksam. Wenn ein Gläubiger des Kommissionärs die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft pfändet, könnte der Kommittent gem. §§ 772, 771 ZPO vorgehen. Der Widerspruch würde zwar nicht zur Aufhebung der Pfändung führen, sondern lediglich die überweisung der Forderung an den Gläubiger verhindern80 • Da die Pfändung aber wiederum gem. § 135 Abs. 1 Satz 2 BGB gegenüber dem Kommittenten unwirksam wäre, könnte der Kommittent den Kommissionär weiterhin als Gläubiger einer unbelasteten Forderung ansehen und Abtretung dieser Forderung verlangen. Während der Kommittent somit bei einer Einzelzwangsvollstreckung geschützt wäre, würde der Schutz des § 392 Abs. 2 versagen, wenn der Kommissionär in Konkurs fällt. Da gemäß § 13 KO ein gegen den Gemeinschuldner bestehendes Veräußerungsverbot den Gläubigern gegenüber unwirksam ist, fiele die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft in die Konkursmasse. Der Kommittent könnte nur wie alle übrigen Konkursgläubiger anteilsmäßige Befriedigung verlangen. Die Einstufung des Kommittenten als normalen Konkursgläubiger läßt schon Zweifel aufkommen, ob der Kommittent wie ein durch ein gesetzliches oder behördliches Veräußerungsverbot Begünstigter behandelt werden kann, da die Erwähnung der Gläubiger des Kommissionärs in § 392 Abs. 2 gerade auch auf eine Bevorzugung des Kommittenten im Konkurs des Kommissionärs hindeutet. Diese Zweifel werden zur Gewißheit, wenn man bedenkt, daß der Dritte durch eine Leistung an den Kommissionär gegenüber dem Kommittenten nicht von seiner Verpflichtung aus dem Ausführungsgeschäft befreit würde. Eine solche Auslegung des § 392 Abs. 2 würde im Gegensatz zu Abs. 1 stehen, wonach bis zur Abtretung nur der Kommissionär Gläubiger der Forderung ist. Vor diesem Zeitpunkt muß daher die Leistung des Dritten an ihn auch gegenüber dem Kommittenten als Erfüllung angesehen werden.

7'

Vgl. Staudinger-Coing, § 135 Rdn.7. Baumbach-Lauterbach, § 772 Anm.3 und Einf. §§ 771-774 Anm. 2 A; Staudinger-Coing, § 135 Rdn. 13 ,,§ 772 ZPO schafft selbst wieder ein rela89

tives Veräußerungsverbot ".

64

B. II. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

Schwierigkeiten ergeben sich auch, wenn der Kommissionär die Forderung an einen seiner Gläubiger abtriW 1• Die Abtretung wäre dann gegenüber dem Kommittenten unwirksam, weil im Verhältnis von Kommittent zu Kommissionär sowie dessen Gläubigern der Kommittent als Gläubiger der Forderung gilt. Da aber der Dritte, solange der Kommissionär seinerseits noch nicht geleistet hat, auch zu den Gläubigern des Kommissionärs zählt, müßte er in dieses Verhältnis mit einbezogen werden82 • Dann jedoch könnte er nicht mit befreiender Wirkung gegenüber dem Kommittenten an den Abtretungsempfänger leisten. Dem widerspricht es aber, daß der Dritte gern. § 392 Abs. 1 vor einer Abtretung an den Kommittenten den Kommissionär als Gläubiger der Forderung ansehen kann. Der Kommissionär muß dann auch in der Lage sein, die Forderung an einen anderen als den Kommittenten abzutreten mit der Folge, daß der Dritte an diesen neuen Gläubiger mit befreiender Wirkung auch gegenüber dem Kommittenten leisten kann. Eine Auslegung des § 392 Abs. 2, die den Kommittenten wie einen durch ein gesetzliches oder behördliches Veräußerungsverbot Geschützten behandeln wollte, scheitert also daran, daß sie zu einem logischen Widerspruch zwischen Abs. 1 und Abs. 2 des § 392 führen würde 83 • Es bestätigt sich die von Raape 84 getroffene Feststellung, daß die rechtliche Konstruktion sehr verschieden sein kann, wenn das Gesetz von relativer Unwirksamkeit oder relativer Berechtigung spricht. Allen Fällen ist nur die Motivation des Gesetzes gemeinsam. Es sollen die Folgen des Abstraktionsprinzips überbrückt werden, indem dem obligatorisch Berechtigten eine dingliche Sicherung verschafft wird. Der Ausgleich zwischen dem obligatorischen Verhältnis und der dinglichen Rechtslage kann auf verschiedene Art und Weise erfolgen, so daß allein der Begriff der relativen Berechtigung noch nicht die Gewähr für eine rechtliche Gleichbehandlung bieten kann. 11. § 392 Abs. 2 ein Fall der Anfechtung Windscheid85 hat die relative Unwirksamkeit mit der Anfechtbarkeit in Verbindung gebracht. Die relative Berechtigung wäre dann so zu verstehen, daß der obligatorisch Berechtigte durch die Geltendmachung Vgl. oben s. 22 ff. In den §§ 135, 136 BGB ist der Kreis der Personen, an die der durch das Veräußerungsverbot Beschränkte nicht mit absoluter Wirkung abtreten kann, nicht begrenzt, während bei § 392 Abs. 2 nur die Gläubiger des Kommissionärs betroffen werden. 83 So auch MüHer, S. 26. 84 S. 50 f. und 53 f. 85 I § 82 Note 9; vgl. auch Mitteis JherJb 28 (1889), S. 165; Reichel JherJb 46 81

82

(1904), S. 111; Regelsberger, S. 635.

12. Kommittent als Anwartschaftsberechtigter

65

seines Rechtes alle Verfügungen rückwirkend vernichten würde, die der Verwirklichung seines Rechtes entgegenstehen. überträgt man diesen Gedanken auf § 392 Abs. 2, dann müßte in dieser Vorschrift die Gewährung eines gesetzlichen Anfechtungsrechts für den Kommittenten gesehen werden, das er durch die Geltendmachung seiner Ansprüche gegenüber dem Kommissionär ausüben kann. Zu dieser Ansicht gelangt Weidmann 86 • Alle Verfügungen des Kommissionärs über die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft wären dann gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen, soweit sie dem Recht des Kommittenten, Abtretung der Forderung zu verlangen, entgegenstehen. Selbst wenn man die Einziehung der Forderung nicht als eine Verfügung über die Forderung ansehen wollte, so stellt doch auf jeden Fall der Abschluß eines Erlaßvertrages zwischen Kommissionär und Drittem eine solche dar 87• Der Erlaßvertrag müßte dann als von Anfang an nichtig anzusehen sein, wenn ihn der Kommittent durch das Verlangen nach Abtretung der Forderung anficht. Aber auch dieses Auslegungsergebnis des § 392 Abs. 2 widerspricht Abs. 1, wonach der Dritte vor einer Abtretung der Forderung an den Kommittenten den Kommissionär als Gläubiger der Forderung betrachten darf. Er muß deshalb sowohl an den Kommissionär leisten als auch mit ihm einen Erlaßvertrag schließen können. Die relative Gläubigerstellung des Kommittenten in § 392 Abs. 2 kann also nicht in der Gewährung eines gesetzlichen Anfechtungsrechts liegen, das gern. § 142 Abs.1 BGB dem Recht des Kommittenten entgegenstehende Verfügungen des Kommissionärs über die Forderung rückwirkend vernichtet. 12. Kommittent als Anwartschaftsberechtigter Oertmann88 vertritt die Auffassung, daß durch bedingte Verfügungen relative Rechte geschaffen werden können. Es ist deshalb zu untersuchen, ob der Kommittent als Anwartschaftsberechtigter i. S. d. § 161 Abs.2 BGB angesehen werden kann. Der Kommittent würde dann zwar erst mit der Abtretung vollgültiger Gläubiger der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft. Er hätte S.245. Vgl. oben S. 23 Anm. 32. - Auch wenn man in der Einziehung der Forderung keine Verfügung sieht, so müßte durch die Anfechtung rückwirkend die Empfangszuständigkeit (vgl. dazu LaTenz, Schuldrecht AT § 26 I 3 S.316.) des Kommissionärs aufgehoben werden, so daß der Dritte an den falschen Gläubiger geleistet hat. 88 ZZP 23 (1904), S. 27 f. 86

81

5 Böhm

66

B. II. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

aber schon vorher eine in der Entwicklung begriffene Gläubigerstellung, die man mit dem Vollrecht als wesensgleich bezeichnen könnte und die gegenüber dem Vollrecht kein "aliud", sondern ein "minus" darstellt B9 • Alle Verfügungen des Kommissionärs über die Forderung, die dem Recht des Kommittenten auf Abtretung entgegenstehen, wären unwirksam, wenn der Kommittent durch die Geltendmachung der Abtretung die auflösend bedingte Gläubigerstellung des Kommissionärs beenden würde. Man käme also praktisch zum gleichen Ergebnis wie bei der oben abgelehnten Auslegung des § 392 Abs. 2, dem Kommittenten ein Anfechtungsrecht zu geben90 • Der Dritte könnte entgegen § 392 Abs.l den Kommissionär vor der Abtretung nicht als vollberechtigten Gläubiger der Forderung ansehen, weil ein gegebenenfalls mit ihm abgeschlossener Erlaßvertrag entsprechend § 161 Abs.2 i. V. m. Abs.l BGB unwirksam würde, wenn der Kommittent die Abtretung der Forderung verlangt. Ebenso wäre die Leistung des Dritten an den Kommissionär als an den falschen Gläubiger erfolgt anzusehen91 • Da gern. § 392 Abs. 1 ein Erlaßvertrag jedoch wirksam sein und eine Leistung des Dritten an den Kommissionär befreiende Wirkung haben muß, hat der Kommittent vor der Abtretung noch keine unentziehbare Gläubigerstellung. Er kann daher nicht als Anwartschaftsberechtigter i. S. d. § 161 Abs. 2 BGB angesehen werden. 13. Kommittent als relativer Gläubiger i. S. d. §§ 23, 26 ZVG Raape 92 hat die Auffassung vertreten, daß die Wirkung eines durch die Beschlagnahme i. S. d. § 23 Abs. 1 ZVG entstandenen Veräußerungsverbotes in § 26 ZVG näher definiert sei. Die relative Berechtigung des die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigers zeige sich darin, daß gern. § 26 ZVG die Zwangsvollstreckung fortgesetzt werden könne, obwohl der Schuldner das Grundstück veräußert habe 93 • Das relative Recht B9 Vgl. BGHZ 28, 16 (21); Enneccerus-Nipperdey, § 82 II 4 S.475 und § 197 II 4 S. 1199 f.; Raiser, S.49; Larenz, BGB AT § 19 I 9 S.237; v. Tuhr, I § 9 I S. 180 ff.; Lehmann-Hübner, § 12 II 3 d S. 93 f.; Staudinger-Berg, § 929 Rdn.

28c.

s. oben S. 64 f. s. S. 65 Anm. 87. 92 S. 48 ff.; vgl. dazu auch Dittberger ArchBürglR 36 (1911), S.343-346 und Jaeckel-Güthe, § 23 Anm.2. 93 Es fragt sich allerdings, ob nicht in § 26 ZVG lediglich eine Ergänzung des § 325 Abs. 3 ZPO zu sehen ist, um den dinglichen Gläubiger über §§ 23 ff. ZVG hinaus für die Zeit zwischen dem Wirksamwerden der Beschlagnahme und der Eintragung des Vollstreckungsvermerks zu schützen; vgl. dazu Dassler-Schiffhauer, § 26 Anm. 1 a und c. 80

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14. Pfandrecht des Kommissionärs oder Kommittenten

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eines durch ein Veräußerungsverbot Geschützten müsse daher im Anschluß an § 26 ZVG so gedacht werden, daß der Verbotsadressat mit absoluter Wirkung über den vom Verbot erfaßten Gegenstand verfügen könne. Er behalte aber eine gesetzliche Verfügungsrnacht, die es ihm ermögliche, nochmals über den Gegenstand zugunsten des Verbotsgeschützten zu verfügen und damit die Rechte des Ersterwerbers rückwirkend zu zerstören. überträgt man die von Raape befürwortete Auslegung der §§ 23, 26 ZVG auf die relative Gläubigerstellung des Kommittenten in § 392 Abs. 2, so kommt man zu folgenden Ergebnissen 94 : Der Kommissionär kann ohne Einschränkung und gegenüber jedermann wirksam über die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft verfügen. Er behält jedoch die gesetzliche Verfügungsrnacht, die Forderung an den Kommittenten abzutreten, obwohl er nicht mehr ihr Gläubiger ist. Tritt er sie auf Verlangen des Kommittenten an diesen ab, so werden frühere Verfügungen über die Forderung unwirksam und etwa bestehende Gläubigerrechte Dritter erlöschen. Wie bereits oben 9s bei der Behandlung der Anwartschaft und des Anfechtungsrechts ausgeführt, steht eine solche Auslegung des § 392 Abs. 2 mit Abs. 1 in Widerspruch. Der Dritte kann vor einer Abtretung der Forderung an den Kommittenten den Kommissionär als Gläubiger der Forderung ansehen, so daß eine Verfügung des Kommissionärs über die Forderung - z. B. durch einen Erlaßvertrag - nicht mehr nachträglich unwirksam werden kann. Der Tatbestand des § 392 Abs. 2 kann daher nicht die von Raape den §§ 23 Abs.1, 26 ZVG zugesprochene Rechtsfolge in bezug auf die relative Berechtigung haben. 14. Pfandrecht des Kommissionärs oder Kommittenten an der Forderung

Der oben festgestellte Grundgedanke des § 392 Abs.2 98 , den Kommittenten über den schuldrechtlichen Bereich hinaus dinglich zu sichern, ist auch dem Pfandrecht gemeinsam, das dem Gläubiger eine dingliche Sicherung für seine Forderung gibt. Es ist daher verständlich, wenn 94 Raape, S. 53, hält die Fiktion für ein rechtstechnisch vortreffliches Mittel, eine relative Berechtigung oder relative Unwirksamkeit auszudrücken. 85 s. oben S. 64/65 f. 88 S. S. 64.

5*

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B. 11. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

Wolany 97 von einer Ähnlichkeit zwischen der Regelung des § 392 Abs.2 und den Vorschriften der §§ 1279 ff. BGB spricht. Da § 392 Abs. 2 den Kommittenten als Gläubiger der Forderung fingiert, bietet sich zunächst die Untersuchung an, ob im Rahmen des § 392 Abs. 2 entsprechend den §§ 1279 ff. BGB der Kommissionär als Pfandgläubiger und der Kommittent als Gläubiger der Forderung angesehen werden können. Diese Auslegung des § 392 Abs. 2 scheitert aber schon an den §§ 397 ff. In § 397 ist angeordnet, daß der Kommissionär ein gesetzliches Pfandrecht an den in seinem Besitz befindlichen Sachen hat. Gern. § 399 hat er an der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft im Gegensatz zu den in seinem Besitz befindlichen Sachen gerade kein Pfandrecht, sondern ein gesetzliches Befriedigungsrecht, das nicht nach den Vorschriften über das Pfandrecht verwirklicht wird98 • Entgegen der klaren Aussage des § 399 kann man nicht durch Auslegung des § 392 Abs. 2 doch zu einem Pfandrecht des Kommissionärs an der Forderung kommen. Eine dingliche Sicherung des Kommittenten wäre aber auch erreicht, wenn man den Kommissionär als Gläubiger der Forderung und den Kommittenten als Pfandgläubiger ansehen wollte. Diese Auslegung hätte den Vorzug, daß sie im Einklang mit § 392 Abs. 1 den Kommissionär als Gläubiger der Forderung betrachten könnte. Trotzdem muß sie an § 392 Abs. 1 scheitern, denn gern. § 1281 BGB darf der Schuldner nur an Gläubiger und Pfandgläubiger gemeinschaftlich leisten. Schon vor der Abtretung könnte der Kommittent Leistung an sich und den Kommissionär gemeinschaftlich verlangen (§ 1281 Satz 2 BGB). Demgegenüber bestimmt aber § 392 Abs. 1, daß der Kommittent vor Abtretung der Forderung keinerlei Ansprüche aus dem Ausführungsgeschäft gegenüber dem Dritten geltend machen kann. Bis zur Abtretung kann der Dritte den Kommissionär als Gläubiger der Forderung ansehen und allein an ihn mit befreiender Wirkung leisten. Die Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 kann daher nicht auf dem Tatbestand der §§ 1279 ff. BGB beruhen. 15. § 392 Abs. 2 als ein Fall der Treuhand Nachdem die Versuche, die Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 von einem gesetzlich normierten Tatbestand abzuleiten, gescheitert sind, bleibt nur noch, das Kommissionsverhältnis mit dem von Rechtsprechung und 97 S. 65. Mit Hilfe einer Analogie zu § 1287 BGB will Wolany die in § 392 Abs. 2 für Forderungen getroffene Regelung auf Sachen ausdehnen, die der Kommissionär durch Einziehung der Forderung erlangt hat. 98 Vgl. Capelle, Handelsrecht S.105.

15. § 392 Abs. 2 als ein Fall der Treuhand

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Wissenschaft entwickelten und zum Gewohnheitsrecht erstarkten Institut der Treuhand zu vergleichen. Dieser Vergleich bietet sich schon deshalb an, weil des öfteren § 392 Abs. 2 in Zusammenhang mit dem Treuhandverhältnis gebracht worden ist99 • a) Tatbestände der Treuhand

Da die tatbestandlichen Voraussetzungen der Treuhand nicht gesetzlich festgelegt sind, ist es daher zunächst einmal erforderlich, den Tatbestand des Treuhandverhältnisses näher zu definieren. Ganz allgemein läßt sich sagen, daß die Treuhand eine Rechtsbeziehung zwischen zwei Personen, dem Treuhänder und dem Treugeber, ist, wobei der Treuhänder mit Rücksicht auf den Treugeber mit einem Gegenstand, dem Treugut, in bestimmter Weise verfahren soll1Oo. Im römischen Recht hatte sich das Rechtsinstitut der fiducia herausgebildet. Das Charakteristische der fiducia war es, daß entsprechend der Unterscheidung zwischen dinglicher Rechtslage und schuldrechtlicher Vereinbarung der Treuhänder Eigentümer des Treugutes wurde, im Innenverhältnis zum Treugeber aber schuldrechtlich verpflichtet war, das Treugut nur entsprechend der Treuabrede zu gebrauchen101 • Im germanischen Recht dagegen wurde nicht zwischen dinglicher Rechtslage und schuldrechtlicher Vereinbarung unterschieden. Die dem Treuhänder übertragene dingliche Berechtigung entsprach genau dem Zweck der Treuabrede, d. h. der Treuhänder erhielt genauso viel dingliche Rechtsrnacht an dem Treugut, wie er brauchte, um seine Rechte und Pflichten aus dem Treuverhältnis erfüllen zu können 102 • Wie bereits oben ausgeführt 103 , handelt es sich bei § 392 Abs. 2 um das Problem, wie die schuldrechtliche Beziehung zwischen Kommissionär und Kommittent im Verhältnis vom Kommissionär zu seinen Gläubigern mit dinglicher Wirkung im Hinblick auf die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft ausgestaltet werden kann. Eben dieses Problem kann aber nur bei der der fiducia nachgebildeten Treuhand auftreten, weil nur hier ein Auseinanderfallen von dinglicher Rechtsrnacht und schuldrechtlicher Vereinbarung gegeben ist. Der Grundfigur der fiducia entspricht auch die von Rechtsprechung und Schrifttum entwickelte heutige Treuhand. Das ergibt sich daraus, 99 RGZ 84, 214 (215/216); Schuler JuS 1962, 52; Beyerle, S. 29; SchIeß, S.2/3; Assfalg, S.124; Köhler, S.34; Siebert, S.337; Protokolle für die 2. Lesung

des BGB S.361. 100 Vgl. Siebert, S. 102; Schultze JherJb 43 (1901), S. 1; RG Gruchot 68 (1927), S.552. 101 Schultze JherJb 43 (1901), S. 9; Serick, S. 80; Siebert, S. 34 ff. 102 Beyerle, S. 37 f.; Siebert, S.44; Schultze JherJb 43 (1901), S. 10 f.; Serick, S.71. 103 Vgl. oben S.64 und 67.

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B.I1. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

daß das bürgerliche Recht vom römischen Recht das Abstraktionsprinzip übernommen hat und die Geschlossenheit des Sachenrechts die Bildung neuer dinglicher Rechte unmöglich macht104 • Den Versuchen, die germanischrechtliche Grundkonzeption der Treuhand im geltenden Recht zu verwirklichenloS, braucht deshalb hier nicht weiter nachgegangen zu werden, weil dort der Konflikt zwischen dinglicher Rechtslage und schuldrechtlicher Abrede nicht auftreten kann 106 • Der bisher gefundene Oberbegriff der fiduziarischen Treuhand, daß der Treuhänder die umfassende dingliche Berechtigung an dem Treugut erlangt, aber durch die schuldrechtliche Treuabrede im Verhältnis zum Treugeber gebunden ist, läßt sich danach untergliedern, ob die weitergehende dingliche Rechtsstellung im Interesse des Treuhänders oder des Treugebers erfolgt ist. Im ersten Fall spricht man von eigennütziger und im zweiten Fall von uneigennütziger Treuhand107• Als eigennützige Treuhand kann man deshalb die Sicherungsübereignung und Sicherungsabtretung bezeichnen, weil dort die übereignung der Sache oder Abtretung der Forderung an den Treuhänder zu dem Zweck erfolgt, diesem eine Sicherheit für seine Ansprüche gegen den Treugeber zu verschaffen 108 • Um eine uneigennützige Treuhand handelt es sich, wenn der Treugeber Sachen oder Forderungen an den Treuhänder übereignet oder abtritt zur Verwaltung im Interesse des Treugebers. Die Inkassozession, bei der der Treugeber eine Forderung an den Treuhänder abtritt, damit dieser sie für ihn einzieht, ist deshalb eine uneigerinützige Verwaltungstreuhand10v • b) § 392 Abs.2 und fiduziarische Treuhand

Bevor die Frage entschieden werden kann, ob § 392 Abs. 2 als ein Fall der Sicherungs- oder Verwaltungstreuhand anzusehen ist, müssen zuerst die Gemeinsamkeiten der Situation des § 392 Abs. 2 und des allgemeinen Begriffes der fiduziarischen Treuhand herausgefunden werden. Ferner ist zuvor noch zu untersuchen, ob eine Auslegung des § 392 Abs. 10' Vgl. Beyer~e, S. 8 ff.; Serick, S. 71; Soerge~-Siebert-Müh~, Einl. z. Sachenrecht, Rdn. 45. 105 Vgl. hierzu Serick, S.335. Die dingliche Rechtsstellung des Treuhänders sollte mit Hilfe der Bedingung abgeschwächt werden, indem die übertragung des Treugutes von der auflösenden Bedingung der Befolgung der schuldrechtlichen Treuabrede abhängig gemacht werden sollte. 106 Daß die Problematik des § 392 Abs. 2 nicht mit der Annahme einer Bedingung zu lösen ist, wurde im übrigen bereits oben ausgeführt, vgl. S. 65/66. Die Einziehungsermächtigung wird später behandelt werden, vgl. S. 74 f. 107 Vgl. Serick, S. 72; Soerge~-Siebert-Müh~, Einl. z. Sachenrecht Rdn.45. 108 Näheres vgl. Serick, S. 34 f.; Esser, Schuldrecht § 55 VII a S.411. 109 Vgl. Reinhardt-ErLinghagen JuS 1962, 42; Esser, Schuldrecht § 55 VII b S.412.

15. § 392 Abs. 2 als ein Fall der Treuhand

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2 aus dem Gesichtspunkt der Treuhand nicht gegen § 392 Abs. 1 verstoßen würde. aa) Das Erfordernis der "Unmittelbarkeit"

§ 392 Abs. 2 wurde des öfteren im Zusammenhang mit dem Problem der "Unmittelbarkeit" beim Treuhandverhältnis erwähnt. Es handelte sich hierbei um Fälle, bei denen das Sicherungsgut nicht vom Sicherungsgeber unmittelbar auf den Sicherungsnehmer übertragen, sondern vom Sicherungsnehmer mit Mitteln des Sicherungs gebers im eigenen Namen erworben wurde. Die Rechtsprechung110 hat sich, von der dogmatischen Untergliederung des BGB in Schuld- und Sachenrecht ausgehend, auf den Standpunkt gestellt, daß die quasi-dingliche Berücksichtigung der schuldrechtlichen Treuabrede in der Zwangsvollstreckung nur ausnahmsweise dann zulässig sei, wenn das Treugut unmittelbar vom Vermögen des Treugebers in das des Treunehmers übertragen worden ist. Wollte man bei der mittelbaren Stellvertretung der schuldrechtlichen Vereinbarung (Auftrag) Beachtung schenken, so würde der Begriff der Treuhand ins Uferlose zerfließen. Die Regelung des § 392 Abs. 2, mit der man begründen könnte, daß in der Zwangsvollstreckung gegen den Vertreter das mittelbare Stellvertretungsverhältnis berücksichtigt werden müsse, sei eine traditionsbedingte handelsrechtliche Sonderregelung, die nicht auf andere Fälle mittelbarer Stellvertretung ausgedehnt werden dürfe 111 • Auch dem Versuch, die mittelbare Stellvertretung unter dem Gesichtspunkt der Surrogation zu einem Treuhandverhältnis mit quasi-dinglicher Wirkung zu machen, ist die Rechtsprechung entgegengetreten112 • Zwar erwerbe der mittelbare Stellvertreter mit Mitteln, die ihm vom Vertretenen zur Verfügung gestellt worden sind; diese Mittel seien Treugut, weil sie unmittelbar vom Vertretenen auf den Vertreter übertragen wurden, nicht aber das mit diesen Mitteln Erworbene, da es ein allgemeines Prinzip der Surrogation nicht gebe. 110 Vgl. RGZ 84, 214 (217/8); 91, 12 (16); 94,305 (308); 103, 195 (199); 121,294 (296); 127, 341 (344); 133, 84 (87); RG Gruchot 54 (1910), S. 626; 68 (1927), S.553; RG JW 1910, S.4 Nr.2; 1915, S.928 Nr.16; 1926, S.2572 Nr.5; 1927, S.670 Nr.14; 1928, S.1653 Nr.1; 1928, S.2446 Nr.10; 1931, S.2968 Nr.12; RG WarnRspr. 1921, S.157 Nr.130; 1931, S.107 Nr.51; RG Konkurs und Treuhandwesen 1928, S.168 Nr.3; 1929, S.105 Nr.4. Vgl. auch Soergel-SiebertMühl, Einl. z. Sachenrecht Rdn.49; Radke, S.40; Assfalg, S.124; ReinhardtErlinghagen JuS 1962, 47 f. 111 Schleß, S. 2/3 und Assfalg, S. 124 verwenden § 392 Abs.2 als Argument für eine Ausdehnung des Treuhandbegriffes auf die mittelbare Stellvertretung. 112 Vgl. auch Soergel-Siebert-Mühl, Einl. zum Sachenrecht Rdn. 50; Serick, S. 84 ff.; Siebert, S. 27; ReinhardtiErlinghagen JuS 1962, 43; RGZ 94, 305 (308); 153, 366 (370).

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B. H. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

Der mittelbare Stellvertreter erwirbt einen Gegenstand im eigenen Namen von einem Dritten. Er wird daher gern. § 164 BGB Eigentümer der erworbenen Sache oder Gläubiger der Forderung. Die Sache oder die Forderung soll er aber nicht für sich verwenden, sondern er ist aufgrund der schuldrechtlichen Vereinbarung mit dem Vertretenen verpflichtet, mit dem Erworbenen nur entsprechend dieser Abrede zu verfahren. Der mittelbare Stellvertreter hat deshalb die für das Treuhandverhältnis eigentümliche weitergehende dingliche Rechtsstellung, die im Verhältnis zum Vertretenen durch eine schuldrechtliche Vereinbarung eingeengt ist. Bis auf das Erfordernis, daß das Treugut unmittelbar vom Vermögen des Treugebers in das des Treuhänders übertragen worden sein muß, sind alle Voraussetzungen des Treuhandverhältnisses erfüllt. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn die Rechtsprechung auch bei fehlender Unmittelbarkeit von einem Treuhandverhältnis gesprochen hat. Sie nennt dieses Treuhandverhältnis uneigentlich im Gegensatz zur eigentlichen Treuhand, bei der die Unmittelbarkeit gegeben ist. Obwohl die Rechtsprechung den uneigentlichen Treuhandverhältnissen die Sonderbehandlung mit der oben dargelegten Begründung in der Zwangsvollstreckung versagt, hat sie dennoch anerkannt, daß es sich eben auch um eine Treuhand handelt113• 'In einer neueren Entscheidung hat der BGH114 sogar angedeutet, daß die uneigentliche Treuhand, wenn auch nicht in der Zwangsvollstreckung, so doch unter Umständen bei der Aufrechnungsproblematik berücksichtigt werden kann. bb) Verhältnis zu § 392 Abs.l Aus dem bisher Gesagten ergibt sich auch eine Antwort auf die Frage, ob es gegen § 392 Abs. 1 verstoßen würde, wenn man die Rechtsfolge des § 392 Abs.2 so ansehen wollte, als ob sie auf dem Tatbestand der Treuhand beruhte. Den Kommissionär könnte man gemäß den in § 392 Abs. 1 zum Ausdruck kommenden Grundsätzen der mittelbaren Stellvertretung als Gläubiger der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft ansehen. Der Dritte stünde also - wie es § 392 Abs. 1 vorsieht - bis zur Abtretung an den Kommittenten nur mit dem Kommissionär in Rechtsbeziehung. Nur an ihn könnte er leisten, und nur dieser könnte die Leistung fordern. Die Sonderbehandlung der Forderung gemäß den Grundsätzen der Treuhand im Konkurs des Kommissionärs und in der Einzelzwangsvollstreckung gegen den Kommissionär in die Forderung 113 Vgl. hierzu Serick, S.82; RG JW 1928, 1814 Nr. 34; BGHZ 31, 258 (264). In diesen Entscheidungen hat die Rechtsprechung mit Rücksicht auf die obligatorischen Beziehungen, allerdings ohne sachenrechtliche Konsequenz, ausdrücklich von Treuhand gesprochen. 114 BGHZ 25, 360 (367).

15. § 392 Abs. 2 als ein Fall der Treuhand

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würde nicht gegen § 392 Abs. 1 verstoßen, da insoweit nur gefordert wird, daß der Kommissionär Gläubiger der Forderung ist. Eine Auslegung des § 392 Abs. 2 aus dem Gesichtspunkt der Treuhand ergäbe also keinen logischen Widerspruch zwischen Abs. 2 und Abs. 1 des § 392. c) § 392 Abs. 2 und eigennützige Treuhand

Vergleicht man den Tatbestand des § 392 Abs. 2 mit dem einer Sicherungsabtretung1l5 , so kann man zunächst einmal die oben dargelegte, allen fiduziarischen Treuhandverhältnissen gemeinsame Situation feststellen, daß ein Auseinanderfallen von dinglicher und schuldrechtlicher Rechtslage gegeben ist. Bei der Sicherungsabtretung wird der Sicherungsnehmer Gläubiger der zur Sicherung dienenden Forderung. Entsprechend dem mit dem Sicherungsgeber abgeschlossenen Sicherungsvertrag darf er seine Gläubigerstellung nicht voll ausnutzen, sondern über die Forderung nur dann verfügen, wenn die im Sicherungsvertrag genannten Bedingungen eingetreten sind. Ebenso wie der Sicherungsnehmer wird der Kommissionär gemäß dem in § 392 Abs. 1 verwirklichten Grundsatz der mittelbaren Stellvertretung Gläubiger der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft. Genau wie der Sicherungsnehmer durch den Sicherungsvertrag ist auch der Kommissionär durch den mit dem Kommittenten abgeschlossenen Kommissionsvertrag verpflichtet, über die Forderung nur im Rahmen dieses Vertrages zu verfügen. Wenn nichts anderes vereinbart ist, muß der Kommissionär dem Kommittenten gemäß § 384 Abs. 2 die Forderung abtreten und darf sie nicht einziehen. Wie schon der Name Sicherungsabtretung zeigt, dient dieses Institut den Interessen des Sicherungsnehmers. Dieser wird durch den Sicherungsvertrag berechtigt, die ihm abgetretene Forderung zu verwerten und sich so für seine Ansprüche gegen den Sicherungsgeber zu befriedigen. Es fragt sich deshalb, ob auch der Kommissionär gegenüber dem Kommittenten ein Sicherungsinteresse hat, das durch die Regelung des § 392 Abs. 2 befriedigt werden könnte. Als Forderung des Kommissionärs gegen den Kommittenten, die durch die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft zu sichern wäre, kommen nur der Aufwendungsersatzanspruch und der Provisionsanspruch des Kommissionärs in Betracht. Das Sicherungsinteresse des Kommissionärs müßte dahin gehen, daß er die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft verwerten darf, wenn der Kommittent seine Ansprüche nicht erfüllen kann oder will. 115 Entsprechendes gilt für die Sicherungsübereignung, nur daß in diesem Fall das Treugut keine Forderung, sondern eine bewegliche Sache ist. Da bei § 392 Abs. 2 als Treugut nur eine Forderung in Betracht kommt, wird im folgenden nur noch von der Sicherungsabtretung gesprochen.

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B. II. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

Wie aber bereits oben116 bei der Behandlung des Pfandrechts festgestellt, wird dem Sicherungsinteresse des Kommissionärs bereits durch § 399 Genüge getan. Diese Vorschrift gibt dem Kommissionär schon ein gesetzliches Befriedigungsrecht, kraft dessen er die Forderung nach den für das Pfandrecht geltenden Vorschriften verwerten darf. Gem. § 392 Abs. 1 wird der Kommissionär Gläubiger der Forderung. Aus diesem Grund gibt § 399 gerade kein Pfandrecht, sondern ein gesetzliches Befriedigungsrecht. Es bedarf also nicht der Fiktion des § 392 Abs. 2, um den Kommissionär sicherzustellen. Dem Sicherungsinteresse des Kommissionärs ist vielmehr durch § 399 117 vollkommen Rechnung getragen 118 • In § 392 Abs.2 ist daher keine Schutzvorschrift für den Kommissionär zu sehen. Durch diese Bestimmung sollen vielmehr nur die Interessen des Kommittenten geschützt werden. Wenn § 392 Abs.2 einem Sicherungsinteresse des Kommissionärs hätte dienen sollen, dann wäre eine Unterscheidung zwischen den Fällen, daß der Kommittent gegenüber dem Kommissionär seine Verpflichtungen aus dem Kommissionsvertrag bereits erfüllt hat oder nicht, erforderlich gewesen. Eine solche Differenzierung enthält der Tatbestand des § 392 Abs. 2 jedoch nicht. Hieraus ergibt sich, daß der Kommissionär im Gegensatz zum Sicherungsnehmer kein durch § 392 Abs. 2 zu erfüllendes Sicherungsinteresse haben kann. Bei dem Tatbestand des § 392 Abs. 2 handelt es sich deshalb nicht um eine eigennützige Sicherungstreuhand. d) § 392 Abs. 2 und Einziehungsermächtigung

Bei einem Vergleich des Tatbestandes des § 392 Abs.2 mit der uneigennützigen Verwaltungstreuhand muß zwischen der Inkassozession und der Einziehungsermächtigung unterschieden werden. Die Rechtsprechung läßt eine Einziehungsermächtigung zumindest für den Fall zu, daß ein eigenes Interesse des Ermächtigten an der Einziehung vorliegt1l9, das weder durch Vollmacht noch durch ein Treuhandverhältnis befriedigt werden kann. Konstruktiv läßt sich die Einziehungsermächtigung auf zwei Wegen erklären. Einmal kann man in ihr eine Ermächtigung entsprechend § 185 BGB an den Beauftragten sehen, im eigenen Namen für Rechnung des Vgl. oben S. 67/68. i. V. m. §§ 397, 398. 118 Im übrigen könnte sich der Kommissionär auf die §§ 320 ff. BGB berufen und die Forderung erst dann an den Kommittenten abtreten, wenn dieser seinerseits voll erfüllt hat. 119 RGZ 73, 306 (308 /9); 117,69 (72); 133,234 (241); 146,398 (400); BGHZ 4,153 (164/5). Vgl. auch Enneccerus-Lehmann, § 79 IV 2 S. 321 f; Soergel-SiebertSchmidt, § 398 Rdn. 14; Erman-Westermann, § 398 Anm.14, 15. lIS

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15. § 392 Abs. 2 als ein Fall der Treuhand

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Auftraggebers die Forderung geltend zu machen. In diesem Fall müßte die Einziehung der Forderung als eine Verfügung angesehen werden12o • Zum anderen läßt sich die Einziehungsermächtigung als eine überlassung des Forderungsrechts an den Ermächtigten zur Ausübung qualifizieren. Der Auftraggeber bleibt Gläubiger der Forderung, und der Beauftragte wird "Ausübungsberechtigter" und erhält damit einen Teil des Gläubigerrechtes übertragen l2l • Ohne auf die Bedenken, die beiden Konstruktionsversuchen entgegenstehen, einzugehen122 , kann man sagen, daß bei der Einziehungsermächtigung die Grundform der fiduziarischen Treuhand nicht gegeben ist. Der Treuhänder erhält nicht mehr an dinglicher Rechtsmacht, als er zur Erfüllung der schuldrechtlichen Vereinbarung benötigen würde. Es wird vielmehr in Anlehnung an die deutschrechtliche Form der Treuhand123 versucht, die dingliche Rechtsstellung des Treuhänders genau seinen schuldrechtlichen Befugnissen anzupassen 124 • Aus diesem Grund kann aber die Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 nicht im Hinblick auf die Einziehungsermächtigung erklärt werden. Entsprechend dem in § 392 Abs. 1 zum Ausdruck gelangten Prinzip der mittelbaren Stellvertretung wird der Kommissionär Gläubiger der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft. Vor einer Abtretung an den Kommittenten kann er allein sie gegenüber dem Dritten geltend machen. Eine gesetzliche Teilzession der Forderung, die den Kommittenten zum Gläubiger und den Kommissionär zum "Ausübungsberechtigten " machen würde, verstößt genauso gegen § 392 Abs. 1 wie eine gesetzliche Vollzession an den Kommittenten, verbunden mit einer gleichzeitigen gesetzlichen Ermächtigung des Kommissionärs, weiter über die Forderung verfügen zu können125 • In beiden Fällen käme man zu dem Ergebnis, daß der Kommittent auch ohne Abtretung Gläubiger der Forderung wird und der Auftraggeber ebenso wie bei der Einziehungsermächtigung trotz Erteilung der Ermächtigung selbst über die Forderung verfügen könnte 126 • Dies würde aber im Gegensatz stehen zu § 392 Abs.1, wonach vor der Abtretung nur der Kommissionär die Forderung geltend machen kann. Die Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 kann daher nicht auf dem Tatbestand der Einziehungsermächtigung beruhen. Vgl. Siebert, S. 262 ff. Vgl. Larenz, Schuldrecht I § 30 V c S.357. 122 Vgl. hierzu Larenz, Schuldrecht I § 30 V c S. 356 ff.; Köhter, S. 27 ff.; Esser, Schuldrecht § 55 VI 2 S. 412 f. 128 S. oben S. 69. 124 Serick, S.72; Enneccerus-Nipperdey, § 14811 S. 921; SchuUze JherJb 43 (1901), S. 10 f. 125 Vgl. oben S. 60 f. 126 Vgl. Larenz, Schuldrecht I § 30 V c S. 356, 358. 120 1!1

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B. 11. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

e) § 392 Abs. 2 und Inkassozession Im Gegensatz zur Einziehungsermächtigung entspricht die Inkassozession der Grundform der fiduziarischen Treuhand l27 • Der Treuhänder wird nach außen vollberechtigter Gläubiger der Forderung und erhält damit ein "Mehr" an dinglicher Rechtsmacht, als ihm im Innenverhältnis zum Treugeber zusteht. Der Treuhänder soll die Forderung nur im eigenen Namen für Rechnung des Treugebers einziehen. Um dies tun zu können, wird er im Interesse des Treugebers Gläubiger der Forderung; daher handelt es sich bei der Inkassozession um eine uneigennützige fiduziarische Treuhand. Ebenso wie der Inkassozessionar ist auch der Kommissionär Gläubiger der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft, da er dieses im eigenen Namen abgeschlossen hat. Nur er allein kann - wie der Inkassozessionar - über die Forderung verfügen. Er darf es aber nur insoweit, als er im Kommissionsvertrag im Verhältnis zum Kommittenten dazu berechtigt ist. Durch den Kommissionsvertrag ist der Kommissionär gebunden, seine umfassende GläubigersteIlung nur in den vom Vertrag gesteckten Grenzen auszuüben. Das "Mehr" an dinglicher Rechtsrnacht im Außenverhältnis ist also im Innenverhältnis zum Kommittenten durch die schuldrechtliche Bindung eingeschränkt. Der Kommissionsvertrag ist daher insoweit mit dem Auftrag bei der Inkassozession vergleichbar. Man könnte somit den Kommissionär mit dem Treuhänder und den Kommittenten mit dem Treugeber einer Inkassozession vergleichen. Der einzige Unterschied zwischen Inkassozession und dem Tatbestand des § 392 Abs. 2 ist der, daß bei der Inkassozession die Forderung vom Treugeber an den Treuhänder abgetreten worden ist, während der Kommissionär die Forderung selbst begründet hat. Dieser Unterschied steht aber einer Gleichbehandlung von § 392 Abs.2 und der Inkassozession nicht entgegen, da durch die Fiktion des § 392 Abs. 2 auf den Tatbestand einer analogen Regelung verwiesen wird. f) Analoger Obersatz für Inkassozession und § 392 Abs. 2 Um einen analogen Obersatz für Inkassozession und § 392 Abs. 2 aufstellen zu können, muß noch untersucht werden, welche Gründe dafür maßgebend sind, daß die schuldrechtliche Vereinbarung zwischen Treuhänder und Treugeber in der Zwangsvollstreckung gegen den Treuhänder berücksichtigt wird. 127 Vgl. Esser, Schuldrecht § 55 VI 1 b S.412; Heck, § 68 3 S.209; ErmanWestermann, § 392 Anm. 13; Larenz, Schuldrecht I § 30 V b S. 356.

15. § 392 Abs. 2 als ein Fall der Treuhand

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aa) RechtspoHtische Zwecksetzung des § 771 ZPO

Bei der Einzelzwangsvollstreckung gegen den Treuhänder in das Treugut stellt sich die h. M. 12B auf folgenden Standpunkt: die Formulierung in § 771 ZPO "ein die Veräußerung hinderndes Recht" ist mißverständlich, weil selbst das Eigentum als das umfassendste dingliche Recht die Veräußerung nicht hindern kann, was die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs zeigt. Auf die Formulierung des § 771 ZPO kommt es aber nicht so entscheidend an, da der rechtspolitische Zweck der Vorschrift leicht zu erkennen ist. Der Zwangsvollstreckung soll nur das Vermögen des Schuldners unterliegen. Die Feststellung, ob ein Gegenstand zum Vermögen des Schuldners gehört, dürfen die Vollstreckungsorgane aber nicht zur Bedingung dieses Vorgehens machen, da darunter die Schlagkraft der Vollstreckung leiden könnte. Deshalb muß der Dritte in einem besonderen Verfahren klären, ob das Vollstreckungsobjekt zum veräußerlichen Vermögen des Schuldners gehört. Das ist dann nicht der Fall, wenn sich die Veräußerung der Sache durch den Schuldner dem Dritten gegenüber als rechtswidrig erweisen würde. Dem Gläubiger steht aber zur Befriedigung in der Zwangsvollstreckung nicht mehr zur Verfügung als das, worüber der Schuldner selbst verfügen kann und darf (Prinzip des § 1 KO). Dabei ist weniger nach formellen (juristischen) als nach materiellen (wirtschaftlichen) Gesichtspunkten vorzugehen. Da bei der uneigennützigen Treuhand die formelle Rechtsübertragung vom Treugeber auf den Treuhänder ausschließlich im Interesse des ersten erfolgt und somit das Treugut wirtschaftlich beim Treugeber verbleibt, kann dieser bei einer Vollstreckung durch Gläubiger des Treuhänders in das Treugut die Drittwiderspruchsklage erheben129 • Eine von der herrschenden Meinung abweichende Ansicht vertritt Sohm 130 • Er will streng am Wortlaut des § 771 ZPO festhalten. Dem EinV\-and, daß selbst das Eigentum nicht die Veräußerung durch einen Dritten verhindern könne, begegnet er mit der Feststellung, daß in § 771 ZPO deshalb nur die Veräußerung durch den Berechtigten gemeint sei. Dann aber fielen unter § 771 ZPO keine obligatorischen, 128 Rosenberg, § 185 III 2 S. 972 f.; Schönke-Baur, § 44 II S.187; BaumbachLauterbach, § 771 Anm. 1; Lent-Jauernig, § 13 IV S.41; Seufjert, § 771 Anm. 2; Stein-Jonas, § 771 Anm. II 1, Oertmann, Grundriß des deutschen Zivil-

prozesses S. 268 f.; RGZ 116, 363 (366). - Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die uneigennützige Treuhand. 129 Baumbach-Lauterbach, § 771 Anm. 6 a; Rosenberg, § 185 III 2 b S.974; Reinhardt/Erlinghagen JuS 1962, 44; Siebert, S. 167; Schönke-Baur, § 44 II 1 b S.188; Wieczorek, ZPO § 771 Anm. B IVa 2; Wieczorek, ZPO und GVG § 771 Anm. B IV a 2; Thomas-Putzo, § 771 Anm. 6 bund d; Stein-Jonas, § 771 Anm. II 1 a; ZöUer, § 771 Anm. 1 c; RGZ 84, 214 (218); BGHZ 11, 37 (41/42). 130 S. 77 und 80 ff.

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B. II. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

sondern nur dingliche Rechte. Man müsse erkennen, daß § 771 ZPO nur einer der sechs gesetzlich normierten Fälle der Widerspruchsklage sei131 • Aus allen gesetzlichen Regelungen der Widerspruchsklage könne aber das allgemeine Prinzip abstrahiert werden, daß jeder berechtigt sei, die Widerspruchsklage zu erheben, der ein obligatorisches Recht habe, das eine analoge Anwendung des nach dem Wortlaut nur dingliche Rechte ansprechenden § 771 ZPO rechtfertige 132 • Da Sohm weitgehend zu den gleichen Ergebnissen wie die herrschende Meinung kommt 133 , muß er mit der oben dargelegten Begründung, daß der uneigennützige Treuhänder seine Rechtsstellung im fremden Interesse hat und das Treugut wirtschaftlich dem Treugeber zusteht, zu einer analogen Anwendung des § 771 ZPO bei der Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des uneigennützigen Treuhänders kommen.

bb) Rechtspolitische Zwecksetzung des § 43 KO Auch bei § 43 KO ist generell davon auszugehen, daß nicht ausgesondert werden kann, wenn der Gemeinschuldner Eigentümer der Sache oder Gläubiger der Forderung ist134 • Da der in Konkurs gefallene Treuhänder aber Eigentümer oder Gläubiger geworden ist, muß es als systemwidrig bezeichnet werden, wenn man dem Treugeber gestattet, das Treugut auszusondern. Diese Systemwidrigkeit läßt sich aber unter Hinweis auf die Regelung des § 771 ZPO damit rechtfertigen, daß auch in § 43 KO zwischen formell-juristischem und materiell-wirtschaftlichem Eigentum bzw. Gläubigerschaft unterschieden werden muß. Da dem uneigennützigen Treuhänder nur formal, nicht aber auch wirtschaftlich das Treugut gebührt, ist der Treugeber - mittlerweile auch gewohnheitsrechtlich - berechtigt, im Konkurs des Treunehmers das Treugut auszusondern l35 •

cc) Formulierung des analogen Obersatzes Aus den Begründungen zu der Sonderbehandlung der uneigennützigen Treuhand in Einzelzwangsvollstreckung und Konkurs läßt sich Die restlichen fünf Fälle sind nach Sohm, S.149: Veräußerungsverbot 772 ZPO), Unwirksamkeit einer Zwangsvollstreckung (§ 773 ZPO), Unwirksamkeit eines Urteils (§ 774 ZPO), ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück (§ 810 ZPO), ein Recht, das durch den Zuschlag nicht erloschen ist (93 ZVG). 132 Sohm, S. 150. 133 Vgl. Sohm, S. 151 fI. 134 Vgl. Jäger, KO (6./7. Aufl.) § 43 Anm.38. 135 Vgl. MentzeL-Kuhn, § 43 Rdn.4; BöhLe-Stamschräder, § 43 Anm.9; Jäger, Lehrbuch des Konkursrechts S.104; Jäger-Lent, KO § 43 Anm.39; Siebert, S.167; Friedmann, S.870; Jaemmerle, S. 691 f.; Enneccerus-Nipperdey, § 148 II 1 a S. 923. 131



15. § 392 Abs. 2 als ein Fall der Treuhand

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leicht der Kernpunkt des Problems erkennen. In der Zwangsvollstrekkung werden grundsätzlich nur dingliche Rechte Dritter berücksichtigt, während obligatorische Ansprüche nur zu einer gleichstufigen Einreihung in den Kreis der übrigen Gläubiger führen l36 • Die systemgerechte strenge Unterscheidung zwischen dinglichen und obligatorischen, Rechten kann aber unbillige Ergebnisse mit sich bringen, wenn es unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse angebracht erscheint, auch einen obligatorischen Anspruch in der Zwangsvollstrekkung zu privilegieren. Der Zessionar einer Inkassozession wird nach außen vollberechtigter Gläubiger der Forderung. Er soll aber seine Gläubigerstellung nur dazu verwenden, die Forderung einzuziehen, um den Erlös an den Zedenten herauszugeben. Der wirtschaftliche Wert, den die Forderung darstellt, sollte nie endgültig in das Vermögen des Zessionars gelangen. Die formelle Gläubigerstellung wurde ihm nur eingeräumt, weil sie zur Geltendmachung der Forderung im eigenen Namen notwendig ist 137 • Der Zessionar ist materiell nur ein Vertreter des Zedenten, obwohl er aus rechtstechnischen Gründen Gläubiger der Forderung geworden ist. Ebenso wie bei der Inkassozession verhält es sich bei der Kommission. Der Kommissionär wird nach den Grundsätzen der mittelbaren Stellvertretung Gläubiger der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft. Die Forderung soll er aber nicht für sich verwerten können, sondern er muß sie vielmehr an den Kommittenten abtreten oder den Erlös aus der Einziehung der Forderung herausgeben. Der wirtschaftliche Wert der hören. Wirtschaftlich gesehen hat der Kommissionär die gleiche Stellung wie ein direkter Stellvertreter, obwohl er Gläubiger der Forderung geworden ist, weil er nicht im fremden, sondern im eigenen Namen gehandelt hat. Hieraus wird deutlich, daß die rechtspolitische Zwecksetzung des § 392 Abs. 2 die gleiche ist, wie sie durch die Anerkennung der Inkassozession als ein Fall der uneigennützigen Treuhand verfolgt wird. Der wirtschaftliche Hintergrund soll in beiden Fällen in der Zwangsvollstreckung berücksichtigt werden. Der analoge Obersatz, in dem der Tatbestand der Inkassozession und der des § 392 Abs. 2 gleich sind, muß daher folgendermaßen lauten: der Gläubiger einer Forderung, der die Gläubigerstellung nicht im eigenen Interesse erlangt hat und diese nur im Interesse eines anderen ausüben darf, ist uneigennütziger Treuhänder der Forderung. Von diesem analogen Obersatz läßt sich sowohl der Tatbestand des § 392 Abs. 2 als auch der der Inkassozession ableiten. Während für die 136 137

Vgl. Huber, S.402. von der umstrittenen Einziehungsermächtigung abgesehen.

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B. 11. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

Sonderbehandlung in der Zwangsvollstreckung bei der Inkassozession noch hinzukommen muß, daß die Forderung unmittelbar vom Vermögen des Treugebers in das des Treuhänders übertragen worden ist, wird dieses Erfordernis bei § 392 Abs. 2 durch die Fiktion ersetzt. Der Inkassozessionar ist eigentlicher uneigennütziger Treuhänder, während der Kommissionär als uneigentlicher uneigennütziger Treuhänder bezeichnet werden muß. Beide sind aber - und das ist das Entscheidende uneigennützige Treuhänder. Nachdem nun festgestellt ist, daß eine Gleichsetzung des Tatbestandes des § 392 Abs. 2 mit dem der Inkassozession nicht zu einem logischen Widerspruch der Absätze 1 und 2 des § 392 führt und sich beide Tatbestände in einem analogen Obersatz zusammenfassen lassen, kann wie oben ausgeführt wurde138 - positiv gesagt werden, daß die Fiktion des § 392 Abs. 2 auf den Tatbestand der Inkassozession verweist. Die in § 392 Abs. 2 formulierte Rechtsfolge "gelten als Forderungen des Kommittenten" muß also so ausgelegt werden, als ob der Kommissionär Inkassozessionar und der Kommittent Inkassozedent wäre139 • g) Gleichbehandlung von Inkassozession und § 392 Abs. 2

Da die Fiktion des § 392 Abs. 2 auf den Tatbestand der Inkassozession verweist, kann zunächst einmal davon ausgegangen werden, daß die entsprechenden Probleme bei Inkassozession und Kommission gleich behandelt werden können. Nur wenn der rechtspolitische Zweck der Entscheidung in einer Detailfrage sich nicht unter den gemeinsamen analogen Obers atz einordnen läßt, ist eine unterschiedliche Beurteilung trotz der generellen Gleichbehandlung möglich und erforderlich140 • aa) Problem der Zwangsvollstreckung und des Konkurses

Wie oben bei der Bildung des analogen Obersatzes bereits dargelegt, ist der rechtspolitische Zweck im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung bei § 392 Abs. 2 und bei der Inkassozession der gleiche. Es kann daher der herrschenden Meinung zugestimmt werden, daß der Kommittent bei der Zwangsvollstreckung gegen den Kommissionär in die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft die Drittwiderspruchsklage gern. § 771 ZPO erheben und im Konkurs des Kommissionärs die Forderung gern. § 43 KO aussondern kann 141 • s. oben S. 40 ff. über Verbindung von Treuhand und Kommission vgl. DüringerHachenburg-Lehmann, § 392 Anm. 11 a; Schmidt-RimpIer, Kommissionsgeschäft S. 900; Nußbaum, S.40; Radke, S.30; Schlossmann, 11 S.367; SchIeß, S. 2/3; AssfaIg, S. 124; Beyerle, S. 29; Siebert, S. 119, 337 f., 425. 140 s. oben S. 40 ff. 141 Für die Inkassozession vgl. S.77 Anm. 128, Anm. 129 und S.78 Anm.135; für die Kommission vgl. S. 13 Anm. 2. 138

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15. § 392 Abs. 2 als ein Fall der Treuhand

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bb) Problem der Abtretung der Forderung

Während bei der Inkassozession die einhellige Meinung dahin geht, daß der Inkassozessionar die ihm zur Einziehung übertragene Forderung an einen Dritten abtreten kann, obwohl er es im Innenverhältnis zum Zedenten nicht darf142 , gehen die Meinungen bei der entsprechenden Problematik bei der Kommission auseinander143 • Die Rechtsprechung 144 und ihr folgend der größte Teil der Literatur145 wollen eine Abtretung der Forderung durch den Kommissionär an einen Dritten nur dann wirksam sein lassen, wenn der Dritte nicht Gläubiger des Kommissionärs ist. Das Argument für diese Auslegung des § 392 Abs. 2 besteht darin, daß die Forderung im Verhältnis von Kommittent zu Kommissionär und dessen Gläubigern als Forderung des Kommittenten gilt. Dieses Argument muß aber versagen, nachdem durch die Bildung eines analogen Obersatzes festgestellt worden ist, daß die Rechtsfolge des § 392 Abs. 2 auf dem Tatbestand der Inkassozession beruht. Die Aussage des § 392 Abs. 2, daß in dem angesprochenen Verhältnis der Kommittent als Gläubiger der Forderung gilt, ist nur so zu verstehen, daß Gläubiger des Kommissionärs nicht im Wege der Einzelzwangsvollstreckung oder der Gesamtliquidierung des Schuldnervermögens im Konkurs auf die Forderung Zugriff nehmen können. Außer halb der Zwangsvollstreckung bleibt es dabei, daß der Kommissionär gemäß dem in § 392 Abs. 1 zum Ausdruck gekommenen Grundsatz der mittelbaren Stellvertretung Gläubiger der Forderung geworden ist und deshalb wie jeder andere Gläubiger über die Forderung verfügen kann. Durch den Abschluß des Ausführungsgeschäfts im eigenen Namen ist der Kommissionär ebenso Gläubiger der Forderung geworden wie der Inkassozessionar durch die Abtretung der einzuziehenden Forderung an ihn durch den Zedenten. Es muß daher bei beiden Rechtsinstituten, der Inkassozession und der Kommission, die gleiche Rechtsfolge eintreten, daß Inkassozessionar oder Kommissionär die Forderung an jeden beliebigen Dritten abtreten können, obwohl sie es beide im Innenverhältnis zum Zedenten oder Kommittenten nicht dürfen. Da Inkassozessionar und Kommissionär Gläubiger der Forderung sind, kann es bei der Inkassozession ebenso wenig wie bei der Kommission darauf ankommen, ob der Dritte das Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar oder Kommittent und Kommissionär gekannt 142 Vgl. Serick, S. 253; Staudinger-Coing, S.137 Rdn.4; Enneccerus-Nipperdey, § 148 II 1 a S.922/3; Löscher in BGB-RGRK, § 398 Anm.40; Friedmann, S.870; Siebert, S.149; ReinhardtlErlinghagen JuS 1962,46; RGZ 99, 142 (143);

153,366 (369); BGHZ 11, 37 (43). 143 s. oben S. 17-19. 144 s. oben S. 17 Anm. 12. 145 s. oben S. 17 Anm. 13.

6 Böhm

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B. 11. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

hat146 • Die Ansicht von Staub und Bandasch147 , die die Wirksamkeit der Abtretung durch den Kommissionär von der Nichtkenntnis des Abtretungsempfängers von dem Kommissionsverhältnis abhängig machen, ist daher abzulehnen. Als Ergebnis läßt sich somit festhalten, daß der von einem nicht unbeträchtlichen Teil der Literatur vertretenen Meinung148 zuzustimmen ist, daß der Kommissionär die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft an jeden beliebigen Dritten abtreten kann l49 • cc) ProbLem der Aufrechnung durch den Kommissionär Mit der Frage, ob der Kommissionär mit seiner Forderung aus dem Ausführungsgeschäft gegen eine Forderung des Dritten an ihn aufrechnen kann, hat sich die Rechtsprechung bisher nicht befaßt. In der Literatur geht die fast einhellige Auffassung dahin, daß der Kommissionär nicht aufrechnen darf, die Aufrechnung aber dennoch wirksam ist150 • Dieser Meinung ist zuzustimmen. Die Abtretung der Forderung stellt ebenso wie die Aufrechnung mit der Forderung eine Verfügung dar, weil ein bestehendes Recht durch ein Rechtsgeschäft unmittelbar übertragen oder abgehoben wird 151 • Wenn der Inkassozessionar ebenso wie der Kommissionär durch Abtretung über die Forderung verfügen kann, so muß das gleiche für eine Verfügung durch Aufrechnung gelten, da bei Inkassozession und Kommission nicht nach verschiedenen Verfügungsarten des Zessionars oder Kommissionärs unterschieden werden kann. Da der Kommissionär über die Forderung verfügen kann und die in § 387 BGB geforderten Voraussetzungen der Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen vorliegen, kann der Kommissionär mit seiner Forderung aus dem Ausführungsgeschäft gegen die Forderung des Dritten an ihn aufrechnen 152 • Auf die von Hartmann153 geforderte Konnexität der Forderungen kann es nicht ankommen, denn es ist nur auf die formelle Rechtslage abzustellen. Ferner kann der Kommissionär mit dem Dritten einen Aufrechnungsvertrag abschließen i54 , da es keinen Unterschied bedeutet, ob der KomVgl. RGZ 99,142 (143); Löscher in BGB-RGRK, § 398 Anm.40. s. oben S. 18. 148 s. oben S. 18 Anm. 16. 149 Als Ausnahme kommt natürlich Kollusion gern. § 826 BGB zwischen Kommissionär und Abtretungsempfänger zum Nachteil des Kommittenten in Betracht. Vgl. Enneccerus-Nipperdey, § 14811 1 a S.923; RGZ 99,142 (143); 153,366 (371). 150 s. oben S. 16 Anm. 9. 151 s. S. 23 Anm. 33. m Vgl. hierzu Kegel, S.75. 153 s. oben S. 17 Anm. 11. 154 So auch Düringer-Hachenburg-Lehmann, § 392 Anm.2. 146

147

15. § 392 Abs. 2 als ein Fall der Treuhand

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mlsslOnär durch ein einseitig rechtsgestaltendes Rechtsgeschäft oder durch Vertrag über die Forderung verfügt155 • dd) Problem der Aufrechnung durch den Dritten

Wenn der Kommissionär mit der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft aufrechnen kann, so wäre es konsequent, seinem Vertragspartner die Aufrechnung gegen diese Forderung mit einer Forderung an den Kommissionär zu gestatten, da in beiden Fällen die in § 387 BGB geforderten Voraussetzungen der Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen gegeben sind l56 • (1) Unterschiedliche Auffassungen bei Inkassozession und Kommission Bei der Inkassozession stellt sich die einhellige Meinung in der Literatur157 auf den Standpunkt, daß der Schuldner über § 406 BGB hinaus geschützt werden müsse. Dieser könne deshalb aufrechnen, unabhängig davon, ob er von der Abtretung an den Zessionar wußte und wann er seine Forderung gegen den Zedenten erworben habe. Umgekehrt sei es dann aber folgerichtig, dem Schuldner die Aufrechnung mit einer Forderung gegen den Zessionar zu versagen. Begründet wird diese Ansicht damit, daß der Inkassozessionar kein wirtschaftliches Interesse an der Forderung habe, sondern nur der Zedent nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Gläubiger der Forderung anzusehen sei. Die von der Literatur vertretene Ansicht geht auf ein Urteil des OLG Stettin158 zurück. Dort wurde gesagt, daß der fiduziarische Charakter der Abtretung nicht ohne Rechtswirkung bleiben könne. Deshalb sei bei der Inkassozession eine Aufrechnung mit Forderungen gegen den Zessionar unzulässig. Auch das OLG Hamm159 stellt sich auf den Standpunkt, daß eine Aufrechnung mit einer Forderung gegen den Treugeber möglich sei, wenn das Berufen auf die GläubigersteIlung des Treuhänders gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Im Gegensatz zur Inkassozession vertritt die RechtsprechungiSO und ihr folgend der überwiegende Teil der Literaturl61 bei der Kommission 155 Die Grenzen werden auch hier wieder von § 826 BGB gezogen, wenn Kollusion zwischen dem Kommissionär und dem Dritten zum Nachteil des Kommittenten vorliegt. 158 s. oben S. 15 f. 157 Fikentscher, § 57 IV 2 a S. 341; Esser, Schuldrecht § 27 11 1 c S. 165 und § 55 VIl b S.412; Löscher in BGB-RGRK, § 387 Anm.13 und § 328 Anm.40; Soergel-Siebert-Schmidt, § 387 Rdn.2 und § 398 Rdn.16; Pikart WM 1963, 365; Reinhardt/Erlinghagen JuS 1962, 45. 158 OLG. 23, 19 f. 159 OLG Hamm RPfl. 1965, 174. 160 s. oben S. 15 Anm. 4. ISI s. oben S. 15 Anm. 5.

6*

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B.II. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

die Auffassung, daß der Dritte mit Forderungen an den Kommissionär aufrechnen könne. Eine Aufrechnung mit Forderungen gegen den Kommittenten wird einhellig abgelehnt. (2) Begründung der Aufrechnung bei der Inkassozession aus dem Gesichtspunkt des § 406 BGB Es fragt sich, auf welchen Gründen diese unterschiedlichen Auffassungen beruhen und ob sie beibehalten werden können. Bei der Inkassozession muß von der Regelung des § 406 BGB ausgegangen werden. Sie dient dem Schutz des Schuldners, der darauf vertrauen darf, daß ihm eine bestehende Aufrechnungsmöglichkeit mit einer Forderung gegen seinen Gläubiger nicht durch eine Abtretung entzogen werden kann. Selbst wenn der Schuldner in Unkenntnis der Abtretung eine Forderung gegen seinen früheren Gläubiger erwirbt, so soll seine begründete Erwartung, eine Aufrechnungsmöglichkeit zu erhalten, nicht enttäuscht werden. Auch in diesem Fall darf er aufrechnen, es sei denn, daß seine Gegenforderung erst nachdem er Kenntnis von der Abtretung erlangt hat und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Durch § 406 BGB werden also die Interessen des Schuldners, mit einer Gegenforderung an den Altgläubiger aufrechnen zu können, sofern er auf die Aufrechnungslage vertrauen durfte, höher bewertet als das Interesse des Neugläubigers, die erworbene Forderung unabhängig von der zwischen Schuldner und Altgläubiger bestehenden Rechtslage durchsetzen zu können. Von dieser gesetzlichen Interessenwertung ausgehend ist es nur noch ein kleiner Schritt zu der Auffassung, die die herrschende Meinung bei der Inkassozession vertritt. Da der Inkassozessionar als uneigennütziger Treuhänder kein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Durchsetzung der Forderung hat, bleibt von den in § 406 BGB gegeneinander abgewogenen Interessen des Schuldners und des Neugläubigers nur das Interesse des Schuldners übrig. Dieser kann deshalb in jedem Fall mit einer Forderung gegen den Altgläubiger gegenüber dem Inkassozessionar aufrechnen. (3) Unanwendbarkeit des § 406 BGB bei § 392 Abs. 2 Die von § 406 BGB ausgehende Interessenwertung kann aber nicht eingreifen, wenn die Forderung nicht abgetreten wurde. Der Kommissionär hat die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft originär durch einen Vertragsabschluß im eigenen Namen und nicht durch eine Abtretung vom Kommittenten erhalten. Es gibt bei § 392 Abs. 2 keinen Alt- und Neugläubiger wie bei der Inkassozession. Der Dritte war nur mit dem Kommissionär in geschäftlichen Kontakt getreten, und nur mit Forderungen gegen ihn kommt eine Aufrechnung in Betracht.

15. § 392 Abs. 2 als ein Fall der Treuhand

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Hierin zeigt sich, daß es berechtigt ist, wenn die Rechtsprechung zwischen eigentlicher und uneigentlicher Treuhand unterscheidet l62 • Die Interessenlage stellt sich völlig verschieden dar, je nachdem, ob das Treugut vom Treugeber unmittelbar auf den Treuhänder übertragen wurde oder nicht. Wie sich aus dem oben aufgestellten analogen Obersatz 163 ergibt, sind Kommissionär und Inkassozessionar uneigennützige Treuhänder. Deduziert man aber von diesem analogen Obersatz ausgehend auf die nächst niedere Ebene, dann muß zwischen dem Kommissionär als uneigentlichem uneigennützigen und dem Inkassozessionar als eigentlichem uneigennützigen Treuhänder unterschieden werden. Die Gleichbehandlung von Inkassozession und Kommission kann daher nur so weit gehen, als die an den Oberbegriff uneigennützige Treuhand geknüpfte rechtspolitische Zwecksetzung nicht entscheidend davon beeinflußt wird, ob die Forderung vom Treugeber dem Treuhänder abgetreten worden oder in der Person des Treuhänders durch ein von ihm mit einem Dritten abgeschlossenes Rechtsgeschäft neu entstanden ist. Bei dem Problem der Zwangsvollstreckung in die Forderung führte die Unterscheidung von uneigentlicher und eigentlicher Treuhand nicht zu einer unterschiedlichen Beurteilung der rechtspolitischen Zwecksetzung bei Inkassozession und Kommission. Die auf wirtschaftlichen überlegungen beruhende Interessenbewertung der §§ 771 ZPO und 43 KO stellte nur darauf ab, daß Inkassozessionar und Kommissionär formell Gläubiger einer Forderung wurden, die wirtschaftlich einem anderen zustand. Wie sie die GläubigersteIlung erworben hatten, war insoweit ohne Bedeutungl64 • Auch bei der Frage der Wirksamkeit von Verfügungen des Kommissionärs oder Inkassozessionars über die Forderung wurde die rechtspolitische Wertung nicht davon beeinflußt, wie der Treuhänder die Forderung erworben hat. Das für die Gleichbehandlung entscheidende Argument wurde aus der überlegung gewonnen, daß die schuldrechtliche Bindung im Innenverhältnis auf die formelle Rechtsstellung des Treuhänders keinen Einfluß haben kann. Bei der Problematik der Aufrechnung durch den Schuldner kommt es jedoch darauf an, ob der Treuhänder die Forderung durch ein Rechtsgeschäft mit dem Schuldner originär erworben hat oder ob ihm die s. oben S. 71 Anm. 110 und S. 72. s. oben S. 79. m Die Rechtsprechung hat zwar die Anwendung der §§ 771 ZPO und 43 KO auf Fälle der uneigentlichen uneigennützigen Treuhand abgelehnt. Das geschah aber nicht mit der Begründung, daß die Diskrepanz zwischen formelljuristischer und materiell-wirtschaftlicher Gläubigerstellung nicht vorliege, sondern mit dem Argument, daß die Sonderbehandlung in der Zwangsvollstreckung ausufern würde. Das Problem der Ausuferung besteht bei § 392 Abs. 2 aber nicht, da dort durch die Fiktion auf die Inkassozession verwiesen wird. 162 163

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B. H. Vergleich des § 392 Abs. 2 mit anderen Regelungen

Forderung vom Treugeber abgetreten wurde. Die rechtspolitische Zwecksetzung des § 406 BGB, auf dem die Entscheidung bei der Inkassozession beruht, läßt sich nicht auf die Situation des § 392 Abs. 2 übertragen, da dort die in § 406 BGB vorausgesetzte Abtretung der Forderung nicht stattgefunden hat 165 • Hinsichtlich der Aufrechnung seitens des Schuldners sind uneigentliche und eigentliche Treuhand nicht gleich und können daher auch nicht gleich behandelt werden. (4) Bestätigung der gefundenen Auslegung durch die Rechtsprechung Diesem Ergebnis scheint auf den ersten Blick eine Entscheidung des BGH im 25. Band der amtlichen Sammlung166 zu widersprechen. Dort wird ausgeführt167 , daß die Erwägungen, die bei der Inkassozession die Aufrechnung des Schuldners mit einer Forderung gegen den Zedenten auch über § 406 BGB hinaus zulassen, eine entsprechende Beurteilung dann rechtfertigen könnten, wenn der Treuhänder im Rahmen eines Treuhandverhältnisses durch ein im eigenen Namen abgeschlossenes Geschäft die Forderung begründet habe. Das gelte aber nur, wenn der Treuhänder den Weisungen des Treugebers nach Art eines Angestellten unterstellt war. In diesem Sonderfall erscheine es gerechtfertigt, dem Schuldner die Aufrechnungsmöglichkeit mit Forderungen gegen den Treugeber zuzubilligen, weil der Treuhänder als Strohmann des Treugebers anzusehen sei, so daß es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn der in Wahrheit wirtschaftlich Interessierte dem Schuldner die formelle GläubigersteIlung seines Strohmannes entgegenhalten könnte. Der Schuldner habe hier auch entsprechend der Situation des § 406 BGB ein erhebliches Interesse daran, mit Forderungen gegen den Treugeber aufrechnen zu können, da aus seinem Blickwinkel der Treuhänder nur als eine Art Angestellter des Treugebers erschienen sei. Aus der Entscheidung läßt sich also entnehmen, daß der BGH bei der unechten Treuhand grundsätzlich eine Aufrechnung des Schuldners mit Forderungen gegen den Treugeber ablehnt. Nur wenn sich im Einzelfall aus § 242 BGB etwas anderes ergibt, kann dieser Grundsatz durchbrochen werden 168• Aber selbst dann, wenn der uneigentliche Treuhänder gegenüber dem Treugeber die Stellung eines Angestellten hat, 165 Das gilt natürlich nur, solange der Kommissionär die Forderung nicht an den Kommittenten abgetreten hat. Wenn er abtritt, dann kann selbstverständlich § 406 BGB zugunsten des Dritten eingreifen. 166 BGHZ 25, 360 ff. Diese Entscheidung wurde bestätigt durch BGH WM 1962, 1174 f. 161 BGHZ 25, 360 Leitsatz 1 und S.367. 168 BGHZ 25, 360 (367) und BGH WM 1962, 1175; vgl. auch BGHZ 17, 19 (23).

15. § 392 Abs. 2 als ein Fall der Treuhand

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hält der BGH169 eine Aufrechnung mit Forderungen, die dem Schuldner unmittelbar gegen den Treuhänder zustehen, für möglich. Hieran zeigt sich deutlich, daß der BGH von dem Grundsatz ausgeht, daß bei der unechten Treuhand der Schuldner nur mit Forderungen gegen den Treuhänder aufrechnen kann. Allein in den durch § 242 BGB begründeten Ausnahmefällen darf der Schuldner zusätzlich auch noch mit Forderungen gegen den Treugeber aufrechnen. Die Auffassung des BGH im 25. Band widerspricht also der oben getroffenen Unterscheidung zwischen eigentlicher und uneigentlicher Treuhand hinsichtlich der Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners nicht, sondern bestätigt sie. (5) Zwangsvollstreckungscharakter der Aufrechnung kein

Argument gegen die gefundene Auslegung

Diejenigen Vertreter der Literatur, die dem Dritten nur die Aufrechnung mit konnexen Forderungen gegen den Kommissionär gestatten, betonen im Gegensatz zur Rechtsprechung die Gläubigerstellung des Dritten170 • Sie werfen damit indirekt der Rechtsprechung vor, daß sie die Doppelnatur der Aufrechnung nicht genügend berücksichtigt171 • Sieht man in dem Dritten hauptsächlich den Schuldner des Kommissionärs, dann stellt sich dessen Aufrechnung als Erfüllungsersatz dar. Hebt man dagegen die Gläubigerstellung des Dritten hervor, dann tritt der private Zwangsvollstreckungscharakter der Aufrechnung in den Vordergrund. Dieser Zwangsvollstreckungsgesichtspunkt könnte nun wiederum darauf hindeuten, daß dem Dritten die Aufrechnung versagt werden muß, da eine Zwangsvollstreckung in die Forderung nicht möglich ist. Wollte man diese Schlußfolgerung ziehen, so würde man aber verkennen, daß die Betonung des Gläubigeraspektes bei der Aufrechnung gleichzeitig deren Sicherungsfunktion für den Gläubiger hervorhebt. Wenn man auch nicht mit Bötticher172 die Aufrechnungslage als Pfandrecht an eigener Schuld bezeichnet, so muß man dennoch zugestehen, daß gerade der besonders hervorgehobene Gläubigeraspekt der Aufrechnung es erfordert, das Sicherungsinteresse des Gläubigers zu berücksichtigen. Da der Kommissionär als mittelbarer Stellvertreter im eigenen Namen handelt, geht das Interesse des Dritten dahin, gegen die Forderung aus diesem Vertrag aufrechnen zu können. Diese Forderung BGHZ 25, 360 (368). s. oben S. 16 Anm.7. 171 Zur Doppelnatur der Aufrechnung vgl. RGZ 80, 30 (32, 33); 80,393 (394); 120,80 (82); 171,215 (223); BGH NJW 1955,339; ReicheZ AcP 125 (1926), S. 179 f.; SoergeZ-Siebert-Schmidt, vor § 387 Rdn. 1; Enneccerus-Lehmann, § 69 I S. 276; Löscher in BGB-RGRK, vor § 387 Anm.1; Erman-Westermann, Vorbem.1 zu § 387; PaZandt-DanckeZmann-Heinrichs, § 387 Anm. 1; Larenz, Schuldrecht I § 27 III S. 325. 172 S. 100 und 109 f. 169

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B. H. Vergleich des § 392 Abs.2 mit anderen Regelungen

bietet ihm Sicherheit dafür, eine gleichartige Forderung gegen den Kommissionär realisieren zu können. Hierin zeigt sich, daß dem Dritten auch dann die Möglichkeit aufzurechnen gegeben werden muß, wenn man seine Gläubigereigenschaft besonders in den Vordergrund stellt. Dieses Ergebnis wird noch bestätigt durch einen Vergleich mit dem Wechselrecht. Bei der treuhänderischen übertragung eines Wechsels mit Vollindossament kann der Schuldner mit Forderungen gegen den Indossanten aufrechnen 173 • Das läßt sich dadurch rechtfertigen, daß es dem Schuldner möglich sein muß, auf die formelle Rechtslage zu vertrauen. Den gleichen Vertrauensschutz verdient aber der Vertragspartner des Kommissionärs um so mehr, als bei der Kommission keine Abtretung der Forderung stattgefunden hat. Der einzige, der mit dem Dritten in geschäftlichen Kontakt getreten ist, war der Kommissionär. Nur an ihn kann sich darum der Dritte halten. Wenn man ihm schon nach ganz einhelliger Meinung zu Recht die Aufrechnung mit Forderungen gegen den Kommittenten verweigert, dann muß man ihm notwendigerweise die Aufrechnung mit Forderungen gegen den Kommissionär gestatten. Die Nichtbeachtung der formellen Rechtslage bei der Inkassozession läßt sich nur damit vertreten, daß man dem Schuldner die Aufrechnung gegen den Zedenten gibt. Einen solchen Zedenten gibt es bei der Kommission nicht. Es besteht daher keine Veranlassung, von dem Grundsatz abzuweichen, daß bei vorhandener Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen aufgerechnet werden kann. Wenn aber auf die formelle Rechtslage abgestellt wird, dann kann es ebenso wie bei der Frage der Wirksamkeit von Verfügungen des Kommissionärs l74 auf subjektive Kriterien beim Dritten nicht ankommen175• Gleichfalls unerheblich muß es auch sein, ob die Forderung, mit der der Dritte aufrechnet, mit der Gegenforderung konnex ist. Die Meinungen178 , die auf die Kenntnis des Dritten vom Kommissionsverhältnis oder auf die Konnexität der Forderungen abstellen, sind daher abzulehnen. Der Dritte kann daher mit Forderungen an den Kommissionär gegen die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft aufrechnen 177 • 173 Wienstein Gruchot 46 (1902), S.250; ReinhardtiErlinghagen JuS 1962, 45; Baumbach-Hefermehl, Art. 18 Rdn.8; Stranz, Art 18 Anm.14; Michaelis,

Art. 9 Anm. 6. 174 s. oben S. 82. 175 Eine Kollusion zwischen Kommissionär und Drittem zum Nachteil des Kommittenten kann natürlich unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) berücksichtigt werden, vgl. BGH NJW 1969, 276 (277). 17e s. oben S. 16 Anm. 7 und 8. 177 Dieses Ergebnis hat auch den Vorzug, daß es sich mit der Ansicht über die Aufrechnungsbefugnis des Kommissionärs (s. S. 82/83) verträgt. Der Grundsatz, daß bei Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen die beiden Beteiligten aufrechnen können, braucht nicht aufgegeben zu werden.

1Il. Abschnitt

Auslegung des § 392 Abs. 2 aus historischer Sicht Um die Auslegung des § 392 Abs. 2 abzurunden, ist es angebracht, sich mit dem Willen des Gesetzgebers als historischem Faktum zu befassen 1 • Wenn man das bisher gefundene Auslegungsergebnis aus historischer Sicht überprüft und ein Auseinanderfallen des objektiven Willens des Gesetzes und des subjektiven Willens des Gesetzgebers feststellt, so wäre es erforderlich zu untersuchen, ob die sozialen Veränderungen ein Abweichen vom Willen des historischen Gesetzgebers rechtfertigen. Kommt man aber zu dem Ergebnis, daß sich der objektive Wille des Gesetzes und der subjektive Wille des Gesetzgebers decken, so wird dadurch die Richtigkeit der Auslegung bestätigt.

1. Materialien zum HGB Der einzige direkte Anhaltspunkt für die Normvorstellungen des Gesetzgebers des Handelsgesetzbuches vom 10.5.1897 kann in den beiden Entwürfen mit Denkschriften aus den Jahren 1896 und 1897 gesehen werden. Die Formulierung des § 364 im Entwurf 1896 und des § 384 im Entwurf 1897 stimmen wörtlich mit der des heutigen § 392 überein. Die wörtlich gleichen Begründungen in den Denkschriften zu den Entwürfen 2 stellen den einzigen Hinweis auf die Problematik in den gesamten Gesetzesmaterialien dar3 • Vgl. Bartholomeyczik, Kunst der Gesetzesauslegung S.45/46. Vgl. Entwurf 1896, S.236 und Entwurf 1897, S.254: "Im Einklange mit dem Art. 368 des Handelsgesetzbuches bestimmt der § 364 (384), daß der Kommittent Forderungen aus einem vom Kommissionär abgeschlossenen Geschäfte dem Schuldner gegenüber erst nach der Abtretung geltend machen kann, daß solche Forderungen aber, auch wenn sie nicht abgetreten sind, im Verhältnisse zwischen Kommittent und dem Kommissionär oder dessen Gläubigern als Forderungen des Kommittenten gelten. Für die Sicherung des Kommittenten ist die letztere Vorschrift genügend; sie hat namentlich zur Folge, daß im Konkurse des Kommissionärs die noch ausstehende Forderung aus dem Ausführungsgeschäfte nur zur Befriedigung des Kommittenten dienen kann. Die Forderung schlechthin, also auch dem Schuldner gegenüber, auf den Kommittenten übergehen zu lassen, wie es Art. 399 des schweizerischen Obligationenrechts vorsieht, ist weder notwendig noch zweckmäßig, da hierdurch die Lage des Dritten, der nur mit dem Kommissionär in ein Vertragsverhältnis getreten ist, sehr erschwert würde." 1

2

90

B. IH. Auslegung des § 392 Abs. 2 aus historischer Sicht

In ihnen wird besonders darauf hingewiesen, daß im Konkurs des Kommissionärs die noch ausstehende Forderung aus dem Ausführungsgeschäft nur für die Befriedigung des Kommittenten bestimmt ist. Damit soll in der Gesamtvollstreckung eine Befriedigung der übrigen Gläubiger aus der Forderung verhindert werden. Hieraus läßt sich schließen, daß die Verfasser der Denkschrift die Zwangsvollstreckungssituation im Auge hatten und nur für diesen Fall eine Sicherstellung des Kommittenten gedacht war. Diese Ansicht wird noch dadurch bestätigt, daß die Verfasser ausdrücklich betonen, der Vertragspartner des Kommissionärs, der zu dessen Gläubigern zählt, dürfe durch die Regelung nicht benachteiligt werden. Das ist aber nur möglich, wenn man die Wirkung des § 392 Abs. 2 auf die Einzel- und Gesamtzwangsvollstreckung beschränkt. Soweit sich also der Wille des historischen Gesetzgebers aus den beiden Entwürfen mit Denkschriften erkennen läßt, wird das oben gefundene Auslegungsergebnis bestätigt. 2. Die Rechtsprechung zu Art. 368 Abs. 2 ADHGB Da in einem Gesetz die Werturteile und Zielsetzungen der herrschenden Kulturschicht auf dem Gebiete des Rechts im Zeitpunkt der Gesetzgebung ihren Niederschlag finden, müssen auch Vorstellungen und Auffassungen der damaligen Zeit zu diesem Problem berücksichtigt werden. Es sind deshalb sowohl Ansichten von Rechtsprechung und Literatur jener Zeit als auch die Vorläufer der gesetzlichen Vorschrift zu berücksichtigen4 • Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich bis zum Inkrafttreten des HGB zu der hier in Frage stehenden Problematik viermal geäußert. Das Reichsoberhandelsgericht 5 hatte sich mit der Frage zu befassen, was mit den noch ausstehenden Forderungen zu geschehen habe, nachdem der beklagte Kommissionär in Konkurs gefallen war. Es stellt fest, daß der klagende Kommittent die "Übereignung" der Forderung gleichsam als "Vindikant" begehren könne, soweit der Kaufpreis für das vor der Konkurseröffnung verkaufte Kommissionsgut bei den Käufern noch ausstand6 • 3 Die gesamten Gesetzesmaterialien sind nachzulesen bei Hahn/Mugdan, Die gesammelten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen. 4 Vgl. Bartholomeyczik, Kunst der Gesetzesauslegung S. 42, 43; Larenz, Methodenlehre S. 311; Engisch, S. 95 f. 5 ROHG 9, 231 ff. 6 ROHG 9, 231 (232).

2. Die Rechtsprechung zu Art. 368 Abs. 2 ADHGB

91

Zu dem gleichen Ergebnis kommt das Reichsoberhandelsgericht in einem anderen Fall, in dem es ausführF: "Wie indessen schon das römische Recht ausnahmsweise, um sonst unvermeidlichen Verlust des Geschäftsherrn abzuwenden, dem letzteren die noch ausstehende Forderung des Geschäftsführers befreite, so ist auch im modernen Handelsrecht die Consequenz des Princips durch die Annahme durchbrochen, daß der unbezahlte Kommittent den noch ausstehenden Kaufpreis, sowie sonstige aus dem Commissionsgute erwachsende Forderungen des Commissionärs mit Ausschluß der übrigen Gläubiger desselben vorzugsweise Befriedigung beanspruchen darf." Das Reichsgericht erwähnt in der ersten EntscheidungS, in der es sich mit der Lehre von der sogenannten "cessio necessaria"g auseinandersetzt, die Rechtsfolge des Art. 368 Abs. 2 ADHGB nur beiläufig. Es führt aus, daß Art. 368 Abs. 2 dem Kommittenten ein Separationsrecht an den Forderungen des Kommissionärs aus dem Ausführungsgeschäft gebe. Hierin erschöpfe sich die Wirkung dieser Vorschrift, da sie das in Art. 368 Abs. 1 zum Ausdruck gekommene Prinzip nicht aufheben wolle. Selbst wenn man jetzt noch Zweifel daran haben sollte, daß die Rechtsprechung die Auswirkungen des Art. 368 Abs. 2 nur auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung gesehen hat, dann werden diese Bedenken durch die Entscheidung des Reichsgerichts im 32. Band10 endgültig beseitigt. Der Vertragspartner des Kommissionärs hatte nach dem Abschluß des Ausführungsgeschäftes anderweitig eine Forderung gegen den Kommissionär erworben und mit dieser Forderung gegen die des Kommissionärs aus dem Ausführungsgeschäft aufgerechnet. Dagegen wandte sich nun der Kommittent mit der Behauptung, es sei keine Compensation eingetreten. Das Reichsgericht stellte sich auf folgenden Standpunkt11 : "Nach dem richtigen Verständnisse des Art. 368 Abs.2 ist dies (die Ansicht des Kommittenten) zu verneinen. Diese Vorschrift will verhindern, daß die anderen Gläubiger des Kommissionärs, der selbst Schuldner des Kommittenten aus dem Mandate ist, sich aus der ausstehenden Forderung, die materiell nicht zu dessen Vermögen gehört, zum Nachteil des Kommittenten Befriedigung verschaffen. Davon kann überhaupt nur die Rede sein bei dem Kommissionär, der zahlungsunfähig ist und dies dadurch dokumentiert, daß er es zum Konkurse oder zur Zwangsvollstreckung kommen läßt. Gedacht ist Art. 368 hauptROHG 7, 22/23. RGZ 1, 314 f. 9 Vgl. dazu Puchta, S. 432; Savigny, Obligationenrecht I, S.243. 10 RGZ 32, 39 ff. 11 RGZ 32, 39 (42). 7 8

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B. III. Auslegung des § 392 Abs. 2 aus historischer Sicht

sächlich für den Konkurs. In den Protokollen der Kommission zur Beratung eines deutschen HGB ist sie nur im Hinblick auf diesen Fall gerechtfertigt. Sie gibt dem Kommittenten den anderen Gläubigern gegenüber ein Aussonderungs- oder Separationsrecht. Er kondiziert auf Grund seines persönlichen Rechtes aus dem Mandate auch ohne Cession die ihm gehörige Forderung, soweit sie noch aussteht." Aus den vier Entscheidungen und insbesondere aus der letzten läßt sich erkennen, daß die Rechtsprechung in der Fiktion des Art. 368 Abs. 2 ADHGB lediglich einen Ausschluß der Gläubiger des Kommissionärs in der Zwangsvollstreckung sah. Außerhalb der Zwangsvollstreckung sollte es bei dem in Abs. 1 des Art. 368 formulierten Grundsatz der mittelbaren Stellvertretung bleiben, wonach das Kommissionsverhältnis im Verhältnis von Kommissionär zu Drittem vor der Abtretung der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft an den Kommittenten unberücksichtigt bleiben soll. Die gefestigte Ansicht der Rechtsprechung kann daher als ein Indiz dafür gewertet werden, daß auch die Verfasser des HGB diese Meinung vertreten haben, zumal sie in der Denkschrift zum Ausdruck bringen, daß der Entwurf und damit der wörtlich übereinstimmende § 392 Abs. 2 im Einklange mit dem bisherigen Art. 368 Abs. 2 ADHGB stehe 12 • 3. Die Auffassung in der Literatur zu Art. 368 Abs. 2 ADHGB Die gleiche Ansicht, daß nämlich Art. 368 Abs. 2 ADHGB nur in Konkurs und Einzelzwangsvollstreckung seine Wirkung entfalte, wurde auch in der Literatur vertreten 13 • Das Recht des Kommittenten aus Art. 368 Abs.2 hat danach die Natur eines Separationsrechtes und gehört im Konkurs zu den Vindikationsansprüchen; daher steht es dem Kommittenten auch in der Einzelzwangsvollstreckung gegen den Kommissionär zu. Es soll nur verhindert werden, daß die anderen Gläubiger des Kommissionärs sich an diejenigen Wertobjekte halten, welche zwar formell-juristisch zum Vermögen des Kommissionärs gehören, nach den tatsächlichen Umständen aber materiell zum Vermögen des Kommittenten zu rechnen sind. Gegen Dritte, denen der Kommissionär die Forderung abgetreten hat, kann der Kommittent nur aus Delikt auf Rückabtretung klagen, was aber voraussetzt, daß der Dritte im Einverständnis mit dem Kommissionär eine Benachteiligung des Kommittenten beabsichtigt hat. Auch kann der Dritte mit einer Forderung 12

13

Vgl. oben S.89 Anm.2 den Wortlaut der Denkschriften. Vgl. Puchelt-Förtsch, Art.368 Anm.4; Regelsberger, S.591 Anm.2;

Laband ZHR 9 (1865), S.456; Grünhut, S. 361 ff.

4. Entstehungsgeschichte des § 392 Abs. 2

93

an den Kommissionär gegen dessen Forderung aus dem Ausführungsgeschäft aufrechnenU.

4. Entstehungsgeschichte des § 392 Abs. 2 Nachdem festgestellt wurde, daß die Verfasser des Handelsgesetzbuches aus der Sicht der Literaturmeinungen § 392 Abs. 2 nur in der hier vertretenen Auffassung verstanden haben können, bleibt nur noch, die gesetzlichen Vorläufer des § 392 Abs. 2 zu untersuchen, um das Vorstellungsbild des Gesetzgebers von 1897 zu vervollständigen. Wie in der Denkschrift selbst ausdrücklich hervorgehoben 1S, haben die Verfasser des HGB den Wortlaut des Art. 368 ADHGB wörtlich in das neue Gesetz übernommen. Aus den Protokollen zur Beratung des 1861 in Kraft getretenen allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches ergibt sich ferner l6 , daß Art. 368 Abs.2 den Kommittenten gegenüber den anderen Gläubigern im Konkurs des Kommissionärs sicherstellen und damit bevorzugen sollte. Die Redaktoren des ADHGB stützten sich hierbei auf die Ansichten der Verfasser des Entwurfs eines Handelsgesetzbuches für die preußischen Staaten aus dem Jahre 1857. Der Art. 285 Abs.2 dieses Entwurfs wurde wörtlich übernommen. Ebenso machten sie sich die Begründung der Motive von 1857 17 zu eigen, in denen ausgeführt wurde, daß der Kommittent bei der Verkaufskommission davor geschützt werden müsse, im Konkurs des Kommissionärs sowohl Ware als auch den noch ausstehenden Kaufpreis zu verlieren. Verfolgt man die Entstehungsgeschichte des § 392 Abs.2 weiter zurück, so kommt man zu Art. 7 Abs.2 (V. Titel, erster Abschnitt) des Entwurfs eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland von 1849 18• Auch hier ging es darum, wie die Motive beweisen19, den übrigen Gläubigern des Kommissionärs den Zugriff auf die Forderung im Konkurs des Kommissionärs zu verwehren. Vgl. Dernburg, S. 381. s. S. 89 Anm. 2. 18 Vgl. Protokolle zur Beratung des ADHGB S. 704 ff. 17 Entwurf eines HGB für die preußischen Staaten S.154. 18 Art. 7 des V. Titels des sog. Frankfurter Entwurfes lautete: Forderungen aus 'einem Geschäfte, welches der Commissionär abgeschlossen hat, kann der Committent dem Schuldner gegenüber erst nach Abtretung geltend machen. Zwischen dem Committenten aber und dem Commissionär oder dessen Gläubigern gelten solche Forderungen, auch wenn sie nicht abgetreten sind, als Forderungen des Comittenten, unbeschadet der Bestimmungen dieses Abschnittes über das Vorzugsrecht des Commissionärs. 19 Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland von 1849 S.195. 14

15

94

B. 111. Auslegung des § 392 Abs. 2 aus historischer Sicht

Alle die bisher behandelten Regelungen gehen, wie SchmidtRimpler20 , Nußbaum21 und Schless22 vermuten, auf den § 300 (1. Teil, 50. Titel)23 der allgemeinen Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten zurück. Nach der Ansicht eines Kommentars der damaligen Zeit24 liegt dieser Vorschrift eine Einzelfallentscheidung der preußischen Gesetzeskommission vom 25. Oktober 1788 zugrunde. In dieser Entscheidung25 ging es um einen Einkaufskommissionär, der in Konkurs gefallen war. Hieraus wird verständlich, daß sich § 300 (I. 50) Pr.AGO mit den Problemen befaßt, die entstehen, wenn der Kommissionär in Konkurs fällt. Auch ein weiterer Rückblick auf Nr. LU der Frankfurter Wechsel- und Kaufmannsordnung von 1739 26 und Art. 26 Abs. 2 der Hamburger Fallitenordnung von 1753 27 zeigt, daß es seit jeher immer nur um die 20 Kommissionsgeschäft S. 909. 21 S.39. 22

S.81.

23 § 300 (1. 50) Pr.AGO lautete: Diejenige welche dem Gemeinschuldner Waaren oder Effekten zum Verkauf in Commission gegeben, oder zur weiteren Spedition anvertraut haben, wenn entweder diese Waaren oder Effekten zur Zeit des eröffneten Concurses annoch in des Gemeinschuldners Gewahrsam existiren, oder zwar von ihm verkauft, die Kaufgelder aber noch nicht eingezogen, oder vom Gemeinschuldner mit der ausdrücklichen Vermerkung, daß solche seinem Committenten gehören, besonders aufbewahrt worden. In diesen Fällen sind den Committenten die Waaren oder Effekten, oder die daraus gelöseten Kaufgelder zu überlassen, sobald die schuldige Provision und Auslagen entrichtet haben. 2( GräjJ-Rönne-Simon, S. 225 f. 25 Nachzulesen in Kleins Annalen S.315/6; Rabe, Sammlung Preußischer Gesetze und Verordnungen S.744/5. 26 Der Wortlaut nach Beyerbachs Sammlung der Verordnungen der Stadt Frankfurt S. 692 f.: Die einem zur Insolvenz gerathenen Debitori um die Provision zu verkauffen in Commission gegebene und annoch vorhandene Waaren und Güter betreffend, bleiben dieselbe dem Committenten nach wie vor sein Eigenthum, und ist er ohne Widerrede solche wieder zurück zu nehmen wohl befugt, wie dann auch in dem Fall, da derjenige, so die Waaren zu verkauffen in Commission bekommen, und nicht deI credere stehet, sondern die Waaren, so gut er kan, verhandelt, vor die Bezahlung aber nicht gut ist, solche zwar würcklich verkauffet, den Preiß darvor aber noch nicht erhoben hat, derselbe nicht ihm, oder, wann er etwa in Insolvenz geräthet, seinen Creditoren zustehen, sondern dem Committenten von dem Käuffer verabfolget werden soll. 27 Der Stadt Hamburg neue Fallitenordnung Art. 26 Abs. 2: Wären aber solche Commißions-Güther schon ganz oder zum Theil verkauft, und die Gelder von dem Fallito noch nicht eincaßiret, so ist in Erwegung zu ziehen, ob der Fallitus deI credere gestanden, oder nicht. Im ersteren Falle sind die ausstehenden Schulden von Curatoribus einzucaßiren, und ad massam zu bringen, und muß der Committent, in Ansehung derselben, mit einem Platze inter chirograph arios sich begnügen lassen. Im letzteren Falle aber, wenn die in Commißion gesandten, oder zur Spedition anvertrauten Güther von dem Commissionair oder Spediteur verkauft worden, und die Gelder dafür noch ausstehen, treten diese in die Stelle der verkauften Waaren, und kann der Committent solche selbst oder durch seine Gevollmächtigten, einfordern lassen. Auch sind Curatores bonorum schuldig, die Rechnungen aus des

5. Ergebnis der historischen Untersuchung

95

Problematik ging, was zu geschehen hat, wenn der Kommissionär zahlungsunfähig wird28 •

5. Ergebnis der historischen Untersuchung Es kann somit festgestellt werden, daß sich den Verfassern des heutigen HGB in Rechtsprechung, Literatur und Entstehungsgeschichte ein eindeutiges Bild der Problematik des heutigen § 392 Abs.2 dargestellt hat. Wenn die Redaktoren versichern, daß die neue Regelung im Einklang zu Art. 368 Abs. 2 erfolgte und wenn sie in der Denkschrift die Konkurssituation nochmals ausdrücklich angesprochen haben, dann kann man davon ausgehen, daß der historische Wille des Gesetzgebers darauf gerichtet war, mit § 392 Abs.2 lediglich den Kommittenten in der Einzel- und Gesamtvollstreckung gegen den Kommissionär sicherzustellen. Das ist aber auch das Ergebnis der Untersuchung des objektiven Willens der Gesetzesvorschrift des § 392 Abs. 2. Die historische überprüfung bestätigt daher das oben mit anderen Mitteln gefundene Auslegungsergebnis. Falliti Büchern zu extrahiren, solche an die Committenten zu cediren und zu übergeben.... 2R Vgl. die Schrifttumsnachweise bei Scherer, S.445.

C. SCHLUSS

1. Zusammenfassung des gefundenen Auslegungsergebnisses

Mit Hilfe des durch die Fiktion angeordneten Vergleichs des § 392 Abs. 2 mit dem Tatbestand der Inkassozession ist es gelungen, den scheinbaren Widerspruch zwischen Abs. 1 und Abs. 2 des § 392 aufzulösen. Nach dem in § 392 Abs.l zum Ausdruck gekommenen Grundsatz der mittelbaren Stellvertretung wird der Kommissionär Gläubiger der Forderung. Die klare Aussage des Abs. 1 wird nicht sofort wieder durch Abs.2 aufgehoben mit der Folge, daß der Kommittent im Verhältnis zum Kommissionär und dessen Gläubigern als der eigentliche Gläubiger der Forderung anzusehen sei. Der logische Konflikt, der sich aus der Aufteilung der Gläubigerstellung zwischen Kommittent und Kommissionär ergeben würde, wird dadurch vermieden, daß der Kommissionär ebenso wie der Inkassozessionar allein als Gläubiger der Forderung betrachtet werden kann. Da sowohl der Inkassozessionar durch Abtretung als auch der Kommissionär durch Abschluß des Geschäftes im eigenen Namen Gläubiger der Forderung geworden sind, können beide ohne Einschränkung über die Forderungen verfügen, obwohl sie es beide im Innenverhältnis zum Zedenten oder Kommittenten nicht dürfen. Es wird insoweit nur auf die formelle Rechtslage abgestellt, so daß subjektive Kriterien bei den Beteiligten außer Betracht bleiben müssen, es sei denn, sie erfüllten die Voraussetzungen des § 826 BGB. Hat der Dritte eine Forderung gegen den Kommissionär, so liegt die von § 387 BGB geforderte Aufrechnungslage vort, da der Gläubiger des einen der Schuldner des anderen ist. Der Kommissionär kann daher ebenso wie der Dritte aufrechnen. Die aus der gesetzlichen Wertung des § 406 BGB entnommenen Gesichtspunkte, die eine Aufrechnung des Schuldners mit Forderungen gegen den Inkassozessionar verbieten, können nicht analog auf § 392 Abs. 2 übertragen werden, da hier die Forderung nicht abgetreten wurde. Während sich insoweit das Kommissionsverhältnis nicht vom Normalfall der mittelbaren Stellvertretung unterscheidet, ergeben sich jedoch in der Zwangsvollstreckung Besonderheiten. Die im Rahmen des § 771 1 Vorausgesetzt, daß die Forderungen gleichartig sind und die Aktivforderung erfüllbar sowie die Passivforderung fällig ist.

2. Lösung der Beispielsfälle

97

ZPO und des § 43 KO zu beachtenden wirtschaftlichen Gesichtspunkte führen dazu, daß der Kommittent in der Einzelzwangsvollstreckung gegen den Kommissionär in die Forderung die Drittwiderspruchsklage erheben und im Konkurs des Kommissionärs die Forderung aussondern kann. Die schuldrechtliche Beziehung zwischen Kommissionär und Kommittent muß in der Zwangsvollstreckung ebenso berücksichtigt werden wie die Treuabrede bei der Inkassozession. Durch die Auflösung der Fiktion des § 392 Abs. 2 ist es gelungen, eine Auslegung dieser Vorschrift zu finden, die bei allen Problemkreisen zu einem in sich widerspruchsfreien und am Wortlaut des Gesetzes orientierten Ergebnis kommt. Zugleich kann aber auch gesagt werden, daß § 392 Abs. 2 nicht außer halb des Systems unserer Privatrechtsordnung steht, da sich lediglich in der Zwangsvollstreckung Besonderheiten gegenüber dem Normalfall der mittelbaren Stellvertretung ergeben. Die analoge Anwendung der §§ 771 ZPO und 43 KO machen § 392 Abs. 2 nicht systemwidrig, da diese Vorschriften - wie der durch die Fiktion angeordnete Vergleich mit der Inkassozession gezeigt hat - die überwindung des Abstraktionsprinzips in der Zwangsvollstreckung ermöglichen und die Berücksichtigung nicht dinglicher Rechte zulassen.

2. Lösung der Beispielsfälle Zu den Fällen 1, 2 a, 2 b, 3 a und 3 b: Die Aufrechnung des Dritten mit der Forderung an den Kommissionär gegen die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft ist in jedem Fall wirksam, da es auf die Konnexität der Forderungen ebenso wenig ankommt wie auf die Kenntnis des Dritten von dem Kommissionsverhältnis. Ferner ist es ohne Belang, wann der Dritte die Forderung gegen den Kommissionär erworben hat und ob er beim Erwerb von dem Kommissionsverhältnis wußte. Zu Fall 4 a und b: Die Aufrechnung durch den Kommissionär ist wirksam, da er ohne Einschränkung über die Forderung verfügen kann, obwohl er es im Verhältnis zum Kommittenten nicht darf. Zu den Fällen 5 a, 5 b, 6 a und 6 b: Die Abtretung der Forderung durch den Kommissionär ist in allen Fällen wirksam. Es kommt nicht darauf an, ob der Abtretungsempfänger Gläubiger des Kommissionärs ist oder nicht und ob er wußte, daß die Forderung aus einem Kommissionsverhältnis stammte. Zu Fall 7: Wenn man die Einziehungsermächtigung überhaupt für zulässig hält, kann der Kommissionär seinen Gläubiger ermächtigen, die Forderung 7 Böhm

98

c.

Schluß

aus dem Ausführungsgeschäft im eigenen Namen geltend zu machen. Der Aufrechnung des Kommissionärs mit seiner Forderung auf Auszahlung des Erlöses gegen die Forderung des Ermächtigten an ihn steht nichts entgegen, da der Kommissionär die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft auch an Erfüllungs Statt seinem Gläubiger hätte abtreten können.

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