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German Pages 231 [232] Year 2008
Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike
Enzyklopädie der griechisch römischen Antike Herausgegeben von Aloys Winterling in Verbindung mit Kai Brodersen, Martin Jehne und Winfried Schmitz Band 7
Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike Von Ernst Baltrusch
R. Oldenbourg Verlag München 2008
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
© 2008 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Straße 145, D 81671 München Internet: oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Umschlagentwurf: Dieter Vollendorf Umschlagabbildung: Übergabe von Feldzeichen; Detail aus dem Brustpanzer der Augustusstatue aus der Villa Livia bei Prima Porta, Vatikanische Museen, Rom. Foto: akg images. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht) Satz: primustype R. Hurler GmbH, Notzingen, gesetzt in UltraXML Druck: Grafik+Druck, München Bindung: Thomas Buchbinderei, Augsburg ISBN brosch. 978 3 486 58401 1 ISBN Leinen 978 3 486 58530 8
Vorwort Die „Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike“ richtet sich an Studierende, Lehrende und Forschende der Geschichte, an interdisziplinär interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler benachbarter Fächer sowie an historisch interessierte Laien. Ihnen soll ein praktisches Hilfsmittel an die Hand gegeben werden, das auf knappem Raum einen forschungsnahen, problemorientierten Zugang zu zentralen Themenfeldern des griechisch-römischen Altertums eröffnet. Die einzelnen Bände orientieren sich an der bewährten Konzeption der Reihen „Grundriss der Geschichte“ und „Enzyklopädie deutscher Geschichte“ des Oldenbourg Verlags: Zunächst wird jeweils eine einführende Überblicksdarstellung des Gegenstandes gegeben. Es folgt eine Analyse der wissenschaftsgeschichtlich wichtigsten sowie der aktuellen Probleme, Diskussionen und Kontroversen der Forschung. Den Abschluss bildet eine auf den Forschungsteil bezogene, ausgewählte Bibliographie. Die thematische Gliederung des Gesamtwerks geht aus von der strukturgeschichtlichen Bedeutung städtischer Bürgerschaften für Gesellschaft und Kultur der klassischen griechisch-römischen Antike. Behandelt werden daher – teils gemeinsam, teils getrennt für Griechenland und Rom – Haus und Familie als Grundeinheiten der Stadt, soziale Strukturen und politische Organisationsformen, die auf der Basis städtischer Siedlung entstanden, schließlich außerstädtische und stadtübergreifende politische Strukturen (Reiche, Monarchien) sowie Themenfelder, die auf mehreren der drei Ebenen in Erscheinung traten (Militär, Wirtschaft, Geschlechterrollen, Religion). Methodisch sind die Bände einer Sichtweise verpflichtet, die an der Besonderheit der griechisch-römischen Antike gegenüber anderen vormodernen und gegenüber modernen Gesellschaften interessiert ist und die daher mit der Übertragung von Begriffen und Konzepten, die für moderne Sachverhalte entwickelt wurden, auf antike Phänomene vorsichtig umgeht. Entsprechend werden die begriffsgeschichtliche Dimension gegenwärtigen wissenschaftlichen Sprachgebrauchs und die kulturelle Dimension der behandelten Themen – die aus der Antike überlieferten symbolischen Sinnzuschreibungen und sprachlichen Selbstdeutungen – in die Überlegungen einbezogen. Eine systematische Enzyklopädie, die in dieser Weise dem heutigen Bild der Antike eine kritische Bestandsaufnahme der vergangenen und gegenwärtigen wissenschaftlichen Beschäftigung mit ihr an die Seite stellt, wird in unterschiedlichen Kontexten von Nutzen sein: Studierende bekommen Überblickswissen zur Einführung geboten und zugleich einen schnellen diskursiven Zugang zu den unterschiedlichen Positionen der Forschung, die sich sonst erst nach längerer Einarbeitung in das jeweilige Thema erschließen. Lehrenden wird ein Arbeitsinstrument für modernen akade-
VI
Vorwort
mischen Unterricht an die Hand gegeben, das nicht nur die Ergebnisse historischer Forschung, das „gesicherte Wissen“, sondern auch die Entstehung dieses Wissens vorstellt und das daher bestens geeignet ist für das exemplarische Erlernen der Methoden historischen Arbeitens durch Beobachtung konkreter Forschungsdiskurse. Zweifellos werden die Bände der Enzyklopädie auch in der althistorischen Wissenschaft selbst willkommen sein. Die zunehmende Spezialisierung und die steigende Quantität der Publikationen hat auch hier den Überblick über das Fach längst zum Problem gemacht und das Bedürfnis nach Orientierung über herrschende Meinungen, aber auch über Desiderate und offene Fragen wachsen lassen. Im Kontext wissenschaftlicher Arbeit erleichtert eine systematische Aufarbeitung der Forschung zudem stets auch die kritische Reflexion der Prämissen, Fragen, Begriffe, Theorien und Methoden der bisherigen Beschäftigung mit der Antike. Orientierung über vorhandenes Wissen und Selbstbeobachtung der Forschung aber sind nicht nur Voraussetzung für die Fortentwicklung einer modernen Alten Geschichte, sie erleichtern auch den Zugang zum Fach für benachbarte Disziplinen und für eine breitere, in den letzten Jahren verstärkt an der Antike interessierte Öffentlichkeit. In gemeinsamen Treffen der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden methodisch-theoretische Fragen und der Zuschnitt der einzelnen Bände diskutiert; die Manuskripte wurden von den Herausgebern vor der Drucklegung kritisch kommentiert. Trotz seines Bezugs auf das Gesamtwerk stellt gleichwohl jedes Buch eine unabhängige und eigenständige Abhandlung der jeweiligen Autorinnen und Autoren dar. Aloys Winterling
Inhalt Vorwort........................................................................................
V
Zu diesem Band............................................................................. XI I. Enzyklopädischer Überblick..........................................................
1
1. Vorbemerkungen...............................................................
1
2. Griechische und römische Frühzeit......................................
5
2.1 Homerische Zeit (ca. 800–600 v.Chr.) ........................... 2.2 Römische Frühzeit (8.–4. Jahrhundert v.Chr.) ................
5 9
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht....
14
3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9
Begrifflichkeit............................................................. Autonomie, Souveränität, Völkerrechtssubjektivität ........ Krieg und Frieden ...................................................... Religion und Außenpolitik .......................................... Diplomatie, Gesandtschaften, Proxenie ......................... Vertragswesen ............................................................ Schiedsgerichte........................................................... Neutralität ................................................................. Reichs- und polisübergreifende Konzeptionen: Koine Eirene und bellum iustum ....................................
4. Bünde .............................................................................. 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
14 17 22 26 29 31 34 34 34 37
Vorbemerkungen........................................................ Amphiktyonie ............................................................ Symmachie ................................................................ Der Peloponnesische Bund .......................................... Der Hellenenbund zur Abwehr der Perser von 481 v.Chr. ........................................................... 4.6 Die athenischen Seebünde 478–404 v.Chr. und 377–336 v.Chr. .................................................... 4.7 Die griechischen Bundesstaaten des 4. und 3. Jahrhunderts v.Chr. ................................................. 4.8 Das römische Bundesgenossensystem ...........................
37 38 40 43
53 56
5. Reichsbildung ...................................................................
59
5.1 Vorbemerkungen........................................................ 5.2 Das Alexanderreich ....................................................
59 60
46 48
VIII
Inhalt
5.3 Die hellenistischen Reiche und das „Gleichgewicht der Mächte“............................................................... 5.4 Der römische „Imperialismus“: die Reichsbildung seit 264 v.Chr. ................................. 5.5 Das Imperium der Kaiserzeit .......................................
64 67 72
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung...................................
77
1. Forschungstendenzen/Forschungsgeschichte .........................
77
2. Griechische und römische Frühzeit......................................
85
2.1 Homerische Zeit (ca. 800–600 v.Chr.) ........................... 2.2 Römische Frühzeit (8.–4. Jahrhundert) ..........................
86 90
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht ................................................................
97
3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9
Forschungstendenzen und Begrifflichkeit ....................... Autonomie, Souveränität, Völkerrechtssubjektivität ........ Krieg und Frieden ...................................................... Religion und Außenpolitik .......................................... Diplomatie, Gesandtschaften, Proxenie ......................... Vertragswesen ............................................................ Schiedsgericht ............................................................ Neutralität ................................................................. Reichs- und polisübergreifende Konzeptionen: Koine Eirene und bellum iustum ....................................
97 101 103 106 110 114 124 125 126
4. Bünde .............................................................................. 130 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Vorbemerkungen........................................................ Amphiktyonie ............................................................ Symmachie ................................................................ Der Peloponnesische Bund .......................................... Der Hellenenbund zur Abwehr der Perser von 481 v.Chr. ........................................................... 4.6 Die athenischen Seebünde 478–404 v.Chr. und 377–336 v.Chr. .................................................... 4.7 Die griechischen Bundesstaaten des 4. und 3. Jahrhunderts v.Chr. .......................................... 4.8 Das römische Bundesgenossensystem ...........................
130 130 131 135 137 141 145 149
5. Reichsbildung ................................................................... 151 5.1 Vorbemerkungen........................................................ 151 5.2 Das Alexanderreich .................................................... 153
Inhalt
IX
5.3 Die hellenistischen Reiche und das „Gleichgewicht der Mächte“............................................................... 158 5.4 Der römische „Imperialismus“: die Reichsbildung seit 264 v.Chr. ................................. 164 5.5 Das Imperium der Kaiserzeit ....................................... 170 III. Literatur ................................................................................. 177 1. Forschungstendenzen/Forschungsgeschichte ......................... 177 2. Griechische und römische Frühzeit...................................... 181 2.1 Homerische Zeit (ca. 800–600 v.Chr.) ........................... 181 2.2 Römische Frühzeit (8.–4. Jahrhundert v.Chr.) ................ 182 3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht ................................................................ 184 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9
Forschungstendenzen und Begrifflichkeit ....................... Autonomie, Souveränität, Völkerrechtssubjektivität ........ Krieg und Frieden ...................................................... Religion und Außenpolitik .......................................... Diplomatie, Gesandtschaften, Proxenie ......................... Vertragswesen ............................................................ Schiedsgerichte........................................................... Neutralität ................................................................. Reichs- und polisübergreifende Konzeptionen: Koine Eirene und bellum iustum ....................................
184 185 186 188 188 189 191 191 192
4. Bünde .............................................................................. 193 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Vorbemerkungen........................................................ Amphiktyonie ............................................................ Symmachie ................................................................ Der Peloponnesische Bund .......................................... Der Hellenenbund zur Abwehr der Perser von 481 v.Chr. ........................................................... 4.6 Die athenischen Seebünde 478–404 v.Chr. und 377–336 v.Chr. .................................................... 4.7 Die griechischen Bundesstaaten des 4. und 3. Jahrhunderts v.Chr. ................................................. 4.8 Das römische Bundesgenossensystem ...........................
193 193 193 194 195 195 197 198
5. Reichsbildung ................................................................... 199 5.1 Vorbemerkungen........................................................ 199 5.2 Das Alexanderreich .................................................... 199
X
Inhalt
5.3 Die hellenistischen Reiche und das „Gleichgewicht der Mächte“............................................................... 201 5.4 Der römische „Imperialismus“: Die Reichsbildung seit 264 v.Chr. ................................ 203 5.5 Das Imperium der Kaiserzeit ....................................... 205 Abkürzungen ................................................................................. 208 Register der neuzeitlichen Autoren....................................................... 209 Register der antiken Personen und Orte................................................ 214 Sachregister................................................................................... 216
Zur Zitierweise: Die Literaturangaben in Teil II beziehen sich direkt auf die parallelen Unterkapitel in Teil III oder auf die jeweils ausgewiesenen weiteren Unterkapitel in Teil III.
Meiner Tochter Anna Victoria zugeeignet
Zu diesem Band Ein schmales, aber umfassendes Buch über Außenpolitik in der Antike ist eine wahre Herausforderung an die Fähigkeit zur Beschränkung. Welche Themen liebten schließlich Geschichtsschreiber, erst recht antike, mehr als außenpolitische und „Reichsbildungen“? Nur deshalb ist die Spätantike auch ganz ausgespart, aus pragmatischen also, nicht weltanschaulichen Gründen. Im Mittelpunkt des Buches stehen die äußeren Beziehungen, der Prozess von Reichsbildungen, weniger das Verwalten oder Funktionieren von Reichen. Die Arbeit daran, so verschlungen ihre Wege mir manchmal vorkamen und so unvollkommen das Ergebnis sein mag, hat mir dennoch große Freude gemacht und war Inspiration zu neuen Fragestellungen. Ich wünsche mir, dass das Buch ein wenig davon zum Ausdruck bringen kann. Für das Zustandekommen bin ich Dank schuldig: zuvörderst dem Herausgeber Aloys Winterling, der mir diesen Band anvertraut hat und mit dem ich die vielen Fragen des Projektes fruchtbar besprechen konnte; sodann Martin Jehne, der als Mitherausgeber das Manuskript sehr gründlich gelesen hat und viele wichtige Hinweise geben konnte; schließlich Frau Cordula Hubert vom Oldenbourg Verlag für die kompetente lektoriale Betreuung – heute gewiss keine Selbstverständlichkeit mehr. Aber die angenehme Atmosphäre und die bereitwillige Unterstützung am FriedrichMeinecke-Institut der FU Berlin haben mir vieles – von der inhaltlichen Diskussion über die korrigierende Lektüre bis hin zur Bücherbeschaffung – leicht gemacht. Nennen möchte ich hier zuerst Herrn Dr. Christian Wendt, dessen Sachkunde mir in vielen Diskussionen und bei unzähligen Fragen zu Hilfe kam und der, sei es bei der Literaturauswahl, sei es bei der Registererstellung, sei es bei der Korrektur, in jeder nur erdenklichen Weise meine Arbeit erleichtert hat. Meine Mitarbeiterin Frau Dr. Julia Wilker war eine höchst kompetente Diskussionspartnerin für außenpolitische Problemlagen und hat tatkräftig beim Korrekturlesen mitgeholfen. Und dann konnte ich immer auf meine Hilfskraft Carola Söllner, M.A., rechnen, wenn es ums Bibliographieren, Internetfragen, Korrekturlesen ging. Mein Dank geht auch an meine Sekretärin Bärbel Trettler, die mir vieles geschrieben und noch mehr an organisatorischen Dingen abgenommen hat. Für mich durch nichts ersetzbar ist die Hilfe meiner Familie. Meine Frau Dr. Dagmar Beate Baltrusch hat ihr prächtiges, schon weit gediehenes Projekt über Königinnen im Frühmittelalter der Familie zuliebe nun schon über 12 Jahre zurückgestellt, übrigens ein Projekt, das auch für die äußeren Beziehungen ein unerschöpfliches Reservoir darstellt; sie hat auch dieses
XII
Zu diesem Band
Buch unablässig mit ihrem mediävistischen Blick bereichert. Meine Tochter Anna-Victoria ist nun (wirklich?) erwachsen, mit ihren 18 Jahren wird sie bald davonziehen, wahrscheinlich ist dieses Buch das letzte, das gänzlich bei Klavier- und Orgelklängen entstanden ist. In Dankbarkeit, wehmütig und auch vorsorglich möchte ich es ihr daher zueignen. Berlin, September 2007
Ernst Baltrusch
I. Enzyklopädischer Überblick 1. Vorbemerkungen Die Struktur der internationalen Beziehungen wird heute längst nicht mehr allein von den Nationalstaaten getragen. Hinzugekommen ist eine Vielzahl von transnationalen, privat-öffentlichen und nichtstaatlichen Akteuren, die ganz neuartige Probleme der Regierbarkeit aufwerfen. Wie sieht demgegenüber die „internationale Ordnung“ der Antike aus? Wie steht es mit ihrer Erforschung? Diesen Fragen geht die folgende Darstellung nach. Die Anlage des Buches orientiert sich mit der im Titel gegebenen Dreiteilung an der unterschiedlichen Intensität von Bindungen antiker Gemeinwesen untereinander, die von bloßer außenpolitischer Zusammenarbeit über ein zielgerichtetes Bündnis bzw. Bündnissystem zu einer Reichsbildung führen konnten. Dabei sind die Grenzen fließend, und es werden im Text immer wieder Überlappungen und Grauzonen auftauchen, z. B. zwischen Außenpolitik und Reichsbildung (Imperium Romanum), zwischen Bündnis und Außenpolitik (Sparta) oder zwischen Bündnis und Reich (Attischer Seebund). Die im Titel des Buches genannten Begriffe, Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung, bedürfen der Erklärung und der Rechtfertigung. Ihre Verwendung für antike Verhältnisse ist nicht unproblematisch, denn sie haben – zumindest teilweise – keine originären Entsprechungen in der antiken Begrifflichkeit (das gilt für „Außenpolitik“, „Reichsbildung“ und in gewisser Hinsicht auch „Bünde“, dazu unten). Daraus ergibt sich für den Historiker, zumal den Autor eines Handbuches, das Problem, die innerhalb einer bestimmten Epoche herausgearbeiteten Entwicklungen und Strukturen, ihr „System“, seiner eigenen Zeit verständlich zu machen. Dies zwingt ihn wiederum zunächst, vom modernen Begriffsinstrumentarium auszugehen, dieses jedoch für die vergangenen Verhältnisse zu überprüfen, gegebenenfalls seine Anwendung zu legitimieren oder auch zurückzuweisen. Der Geschichtswissenschaft geht es immer um eine Vergegenwärtigung (im eigentlichen Sinne) des historischen Stoffes, und dafür muss sie diesen den Zeitgenossen mit deren Begrifflichkeit verständlich machen. Wer demgegenüber „die Forderung stellt, man habe im historischen Verstehen die eigenen Begriffe beiseite zu lassen und nur in Begriffen der zu verstehenden Epoche zu denken“ (Gadamer), verfehlt seine Aufgabe ebenso wie derjenige, der bei der Auslegung der Quellen das Begriffsinstrumentarium der
Begrifflichkeit
2
Staatlichkeit
1. Vorbemerkungen
Vergangenheit durch das der eigenen Zeit pauschal zu ersetzen sucht und damit die Geschichte (im Wortsinn) verfälscht. Es bestünde die Gefahr irreführender Ergebnisse sowie einer scheinbaren Gleichartigkeit (Identität) moderner und vergangener Epochen. Die Perspektiven, Fragen und Probleme der jeweils eigenen Welt sind es freilich immer, die auch den Blickwinkel auf die Verhältnisse vergangener Epoche bestimmen, und das gilt auch für diesen Band, dessen Augenmerk auf die „äußeren“ Beziehungen in der Antike gerichtet ist. Um das Vorhaben von vornherein auf eine nachvollziehbare Grundlage zu stellen, müssen also die begrifflichen Voraussetzungen geklärt werden. Die erste und wichtigste dieser Voraussetzungen ist eine behutsame Übertragung des modernen Staatsbegriffs auf die antiken Verhältnisse. Ganz ohne die apriorische Setzung von „Staaten“, denen zumindest rudimentär die Dreiheit Staatsgewalt, Staatsvolk und Staatsgebiet sowie ergänzend das Gewaltmonopol zukommt, ist freilich eine Geschichte der äußeren Beziehungen nicht zu schreiben. Die Alternative, mit der antiken, griechischlateinischen Begrifflichkeit polis/politeia, res publica, civitas, a)rxh///arché, imperium etc., oder – noch radikaler – auf personaler Basis zu verfahren, führt den Begriff des Äußeren ad absurdum; so könnten die Außenbeziehungen der griechischen Poleis nur in der Zeit ihrer Autonomie (also bis zu ihrer Eingliederung in das Weltreich Alexanders des Großen ab 336 v.Chr.) als Außenpolitik im eigentlichen Sinne begriffen werden, während für die hellenistische und römische Zeit eine andere, umfassendere Begrifflichkeit zu verwenden wäre. Daher soll – auch im Interesse der Verständlichkeit – in der folgenden Darstellung von Staaten und deren zwischenstaatlichen Beziehungen die Rede sein. Mitgedacht werden muss dabei freilich, dass dem modernen Begriff „Staat“ immer eine Konzeption zugrunde liegt, die die antiken Gemeinschaften nicht oder nur unzureichend beschriebe. Dagegen ist unbedingt darauf zu verzichten, von „internationalen“ Beziehungen und „internationalem“ Recht zu sprechen, da der Begriff des Nationalstaates eine weitergehende Spezifizierung des Staatsbegriffs ist, die gänzlich außerhalb antiker Denkweise steht und daher auch in ihren Ableitungen wie „international“ vermieden werden sollte. Schon früher und neuerdings wieder wurde darüber hinausgehend bereits der Staatsbegriff für die griechische Poliswelt in Frage gestellt. In einem wichtigen Beitrag schlägt A. Winterling [s. in II.1.] in Anlehnung an C. Meier den Begriff „interpolitische“ Beziehungen für den äußeren Bereich vor. Dem ist jedoch nicht problemlos zu folgen, da er auf die Beziehungen außerhalb des griechischen Raumes und der klassischen Epoche keine Anwendung finden kann. Zwar stellt die Polis auch hier den Mittelpunkt für die Beherrschung der antiken Reichsterritorien dar (teilweise im Reich Alexanders des Großen, ebenso in der Staatenwelt des Hellenismus und im Imperium Romanum), doch ist sie nicht mehr die außenpolitisch treibende
1. Vorbemerkungen
3
Kraft. Eine autonome Einheit ist sie nur in der archaischen und klassischen Epoche der griechischen Welt, und für diese Epoche ist der Begriff „interpolitische Beziehungen“ passend. Der Begriff „Bund“ war auch in der Antike gebräuchlich: Bünde gab es in der griechischen Welt (Symmachien) genau wie in der römischen (societates, in einem weiteren Sinne auch foedera), und sie waren probate Mittel der staatlichen Zusammenarbeit. Der Begriff „Bund“ kann aber nicht nur auf Formen interpolitischer Kooperation angewendet werden wie den Attischen Seebund oder den Peloponnesischen Bund, sondern auch auf andere, fast „bundesstaatliche“, z. B. den Aitolischen und Achaiischen Bund, und herrschaftliche Konstruktionen wie das voll entwickelte römische Bundesgenossensystem; er steht für sich und ist für die antiken Verhältnisse besser geeignet als seine Erweiterungen wie „Staatenbünde“ und „Bundesstaaten“, welche zu starke Assoziationen mit modernen Konstruktionen wie Deutscher Bund, Bundesrepublik, Völkerbund, Vereinte Nationen, NATO, EU wecken könnten. „Außenpolitik“ ist ein auf die moderne Staatenwelt bezogener Begriff, den es nicht – auch nicht in abgeleiteter Form – in der Antike oder im Mittelalter geben konnte. Antik ist zwar das Begriffsfeld „innerstämmisch“ (e )mfu/liov/emphýlios vs. fremd, äußerlich: o)qnei=ov/othneîos, e)kto/v/ektós, exterus; s. etwa Dion. Hal. 1,8), doch konstituierte sich damit nicht ein eigenständiges Politikfeld entsprechend heutiger Ressortzuschreibung. Zu keiner Zeit war Außenpolitik ein eigenes Aufgabenfeld antiker Regierungen, das etwa ein „Außenminister“ zu bestellen gehabt hätte. Außenpolitische Konzepte sucht man – abgesehen vom bellum iustum – in den großen staatstheoretischen Arbeiten von Platon, Aristoteles oder Cicero vergeblich. Vielmehr befassten sich alle Verfassungselemente antiker Staaten auch mit äußeren Angelegenheiten: Rat (Senat), Volksversammlung und Magistratur, ja selbst Privatpersonen konnten außenpolitisch tätig werden. Dennoch ist die Verwendung des Begriffes „Außenpolitik“ nicht nur aus pragmatischen Gründen gerechtfertigt. Er bezeichnet grundsätzlich und umfassend alle zielgerichteten – friedlichen oder kriegerischen – Aktivitäten eines Staates im Verkehr mit anderen Staaten. Auf einen weiteren modernen, im Folgenden gebrauchten Begriff sei an dieser Stelle bereits hingewiesen. Die Beziehungen zwischen den verschiedenen Gemeinwesen wurden von Anfang an (für die Antike nachweisbar seit der homerischen Zeit) nach allgemein bekannten und akzeptierten Rechtsregeln gestaltet, wie der diplomatische Verkehr, der Abschluss von Verträgen und selbst die Kriegführung. Das hinter diesen Regeln stehende juristische Feld, das die Griechen auch umschrieben mit Formulierungen wie „die bei allen Menschen gültigen Rechtsregeln“ (ta\ no/mima pa/ntwn tw=n a)nqrw/pwn/tà nómima pánton tôn anthrópon) ist mit dem modernen Begriff des „Völkerrechts“ zutreffender als mit dem des römischen ius gentium umschrieben; letzteres ist inhaltlich viel weiter gefasst und dabei
Bünde
Außenpolitik
Völkerrecht
4
Reiche
Nichtstaatliche Außenpolitik
Darstellungs gegenstand
1. Vorbemerkungen
immer eine Spielart des Römischen Rechts geblieben (zur Begriffsproblematik s. Kap. 3.1). Unter „Reichsbildung“ schließlich sollen in der folgenden Darstellung ganz unterschiedliche Phänomene gefasst werden. Sie umfasst die schnelle Eroberung ohne Dauerhaftigkeit der Herrschaft wie bei Alexander dem Großen, die „politische“, also von Städten ausgehende Herrschaftsentwicklung über Bündnisse und außenpolitische Erfolge (z. B. Attischer und Peloponnesischer Bund) und den „Imperialismus“ (wieder ein moderner Begriff, s. Kap. 5.4) und langfristigen Reichsausbau (Rom). Außenpolitik ist heute kein abgeschiedener Komplex allein staatlicher Handlungen, und sie war dies erst recht nicht in den vormodernen Zeiten. Das Zeitalter des Terrorismus und insbesondere der 11. September 2001 haben sicher wieder stärker ins allgemeine Bewusstsein gebracht, dass es abseits der Staaten supra-, trans- und vor allem paranationale Strukturen unterschiedlichster Art (multinationale Konzerne, transnationale Vereinigungen, public private partnerships etc.) gibt, die mit den traditionellen Mitteln und Konzepten staatlicher Außenpolitik nur unzureichend einbezogen und berücksichtigt werden können. Solche Strukturen bieten Berührungspunkte mit antiken Verhältnissen, wenn man etwa an die „Terroristen“ der Antike, insbesondere die „Seeräuber“-Problematik der späten Römischen Republik, die überstaatliche, gleichsam „transnationale“ (hier sei der Begriff einmal erlaubt) Rolle der großen Heiligtümer oder die Städte und Staaten übergreifenden Verbindungen adliger Familien denkt. Schließlich gehen auch in der Antike die Ziele, Funktionen und Wirkungen von Außenpolitik und Bündnisabschlüssen weit über ihre „klassische“, nämlich friedensstiftende, zwischenstaatliche und reichsbildende Dimension hinaus. Außenpolitik sollte zu bestimmten Zeiten dauerhaft den Frieden sichern, sie war ein Mittel der Abgrenzung bzw. der Transformation, der Akkulturation bzw. ihrer Abwehr, oder sie zielte ausschließlich auf innenpolitische Diskurse (z. B. die spartanisch-jüdischen Beziehungen im 3. und 2. Jahrhundert v.Chr., welche Autonomie und Weltoffenheit legitimierten). Um die unterschiedlichen Formen der äußeren Beziehungen deutlich hervortreten zu lassen, wurde für das vorliegende Buch eine systematische der chronologischen Vorgehensweise vorgezogen. Historisch ist der Band auf drei Epochen ausgerichtet: 1. die griechische Antike von der homerischen Zeit des 8. Jahrhunderts bis zum Ende des letzten hellenistischen Teilreiches, des ägyptischen Ptolemaierreiches, im Jahre 31/30 v.Chr.; 2. die Römische Republik von 509 bis 31/30 v.Chr.; und schließlich 3. den römischen Prinzipat von 31/30 v.Chr. bis 284/312 n.Chr. Die Zeit der christlichen Spätantike von 312 bis 565 n.Chr. wird nicht mehr berücksichtigt. In ihr vollzieht sich zwar durchaus kein rigoroser Bruch mit den antiken Traditionen – im Gegenteil –, doch würde es den begrenzten Rahmen dieses Buches sprengen, bezöge man die allmählichen, auch außenpolitisch sichtbar werdenden Veränderungen mit ein.
2.1 Homerische Zeit (ca. 800 600 v.Chr.)
5
2. Griechische und römische Frühzeit Wenn wir den Begriff „Außenpolitik“ an das Vorhandensein von Staatlichkeit im modernen Sinne bänden, müssten wir die gesamte Vormoderne auf sich beruhen lassen. Nach den im vorigen Kapitel entwickelten Definitionen und Einschränkungen ist jedoch eine Einbeziehung auch der „archaischen Zeiten“, also der homerischen Zeit und der römischen frührepublikanischen Epoche, möglich und gerechtfertigt. Denn es gab über persönliche Freund- und Feindschaften hinaus auch Beziehungen zwischen Gemeinwesen, es gab private und öffentliche Kriege, Kriegsunterbrechungen, Bündnisse, Verträge, gegenseitige Beeidungen und diplomatischen Verkehr. Ferner beginnt – als eine unabdingbare Voraussetzung für Außenpolitik – ein Unterscheiden zwischen „öffentlicher“ und „privater“ Angelegenheit, und es wird ein deutliches Rechtsbewusstsein erkennbar. Gerade die strukturellen Gegebenheiten der homerischen Gesellschaft wie der frühen Republik Roms ermöglichten Außenpolitik. Die Probleme für die moderne Forschung ergeben sich auf einem ganz anderen Feld, nämlich dem der Quellen. Die homerischen Epen einerseits, die römische Annalistik andererseits stellen an den Historiker auch im Bereich der Außenpolitik, wie unterschiedlich auch die Quellengattungen für beide Epochen sein mögen, die denkbar höchsten quellenkritischen Anforderungen. Die Beurteilung ihres Wertes als historische Zeugnisse, mit deren Hilfe wir die Verhältnisse zu einer bestimmten Zeit rekonstruieren können, steht nicht von ungefähr am Beginn der Geschichtswissenschaft überhaupt, und ein Ende dieser Forschungen ist noch nicht abzusehen. Die folgende Darstellung der äußeren Beziehungen und Bündnisse steht also nach wie vor unter dem Vorbehalt einer gänzlich unsicheren Quellenlage. 2.1 Homerische Zeit (ca. 800–600 v.Chr.) Unter „Homerischer Zeit“ versteht man heute im allgemeinen nicht die Handlungs-, sondern die Entstehungszeit der beiden Epen Homers, der Ilias und (etwas später) der Odyssee, also die Welt des 8. und 7. Jahrhunderts. Es war eine Zeit des Übergangs, auch der Krise der adligen Gesellschaft. Was die vertraglichen Abschlüsse angeht, so wird gerade in einer kontrovers geführten Forschungsdebatte über weit zurückreichende anatolische, phönizische oder mesopotamische Einflüsse auf die homerischen Texte, die von Verträgen und ihren Beeidungen handeln, gestritten. Obwohl also der Begriff „Homerische Zeit“ keineswegs eindeutig definierbar ist, sei hier darunter pragmatisch die früharchaische Zeit, also von 800–600, begriffen. Das kriegerische Geschehen der homerischen Zeit entsprang vordergründig dem Streben nach Reichtum, nach Besitz von Land und Vieh-
Definition des Zeitraums
Krieg bei Homer
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Der Trojanische Krieg
Kriegsgründe
2. Griechische und römische Frühzeit
herden. Aber es gab auch andere Gründe für Krieg. Außenpolitisch und für die Ausbildung eines „interpolitischen“ Rechts sind die Epen Homers in mehrfacher Hinsicht grundlegend, da sie 1. einen öffentlichen, formell erklärten Krieg, nämlich in der Ilias den Trojanischen Krieg mit all seinen rechtlichen und vertragspolitischen Konsequenzen, und 2. die Lebenswelt von „Adligen“ (über die Anwendbarkeit dieses Begriffes auf die homerischen Verhältnisse wird ebenfalls gestritten) beschreiben, die wie in der Odyssee mit ihrer Schilderung der Irrfahrten des Odysseus nach dem griechischen Erfolg gegen Troja wesentlich auch außerhalb der eigenen Gemeinde vorzufinden war. Deshalb geraten beide Bereiche von Außenpolitik, Krieg und Frieden, Konfrontation und Kooperation, in unseren Blick. Dazu kommt, dass die Ilias in ihrer über den griechischen Raum hinaus weisenden Thematik die Frage nach Beziehungen zum „Orient“, also zu den früheren und gleichzeitigen Kulturen der kleinasiatischen, nahöstlichen und auch ägyptischen Reiche aufwirft. Das griechische Lager im Trojanischen Krieg wird nach einer verbreiteten Auffassung als „Urbild“ einer großen Allianz angesehen, obwohl Homer noch nicht den klassischen Bündnis-Begriff Symmachie kennt und verwendet. Ihrem Anführer, dem Anax (a)n/ ac) Agamemnon, folgten in den Krieg gegen Ilion zahlreiche andere griechische Fürsten, die durch persönliche Nahverhältnisse (bereits zuvor gestiftet und gesichert etwa durch Freundschaft oder Eheverbindung) untereinander verbunden waren. Erst diese Voraussetzung ermöglichte das gemeinsame Vorgehen, das man in Aulis vor der Ausfahrt eidlich mit der Versicherung bekräftigte, nicht vor Trojas Fall wieder nach Hause zurückkehren zu wollen; damit ist das Bündnis für den konkreten Fall formalisiert. Es erlischt, wenn sein Zweck erfüllt ist, während natürlich das Nahverhältnis der Fürsten untereinander darüber hinaus Bestand hat. Eine Verbindung dieser Art kann auch jederzeit wieder reaktiviert werden. Der Grund für den Krieg war der Raub der Helena, der Gattin des spartanischen Königs Menelaos, durch Paris, den Sohn des trojanischen Königs Priamos. Die causa belli war also nach heutigem Verständnis privat (idiov/ídios), )/ der Krieg dagegen gemeinschaftlich, „öffentlich“ (dh/miov/démios). Diese Entwicklung zu einem öffentlichen Kriegszug vollzieht sich über drei Schritte: 1. Menelaos wendet sich ob der Rechtsverletzung durch die Trojaner an seinen Bruder, den mächtigsten Fürsten von Griechenland, Agamemnon von Mykene, der sogleich die Angelegenheit zu einer öffentlichen macht; 2. für das Vergehen des Paris wird die Gemeinde Troja als Ganzes haftbar gemacht; eine Gesandtschaft (in diesem Fall bestand sie aus Menelaos und Odysseus) fordert Wiedergutmachung vom Haupt des trojanischen Gemeinwesens, König Priamos, und kündigt andernfalls die Kriegserklärung an; 3. der Zurückweisung durch die Trojaner folgt der Zusammenschluss von Agamemnons Gefolgsleuten, die eidliche Bindung an das gemeinschaftliche Unternehmen und die Ausfahrt der Flotte.
2.1 Homerische Zeit (ca. 800 600 v.Chr.)
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Ob der aus diesem Szenario hervorgehende „Trojanische Krieg“ tatsächlich stattgefunden hat, wissen wir nach wie vor nicht, aber das überlieferte Verfahren zu seiner Eröffnung ist keine Erfindung Homers, sondern den Erfahrungen seiner Zeit nachgebildet und typisiert. Homer hatte in seiner Konstruktion die außenpolitischen Praktiken, Rituale und symbolisierten Handlungen seiner eigenen Zeit am Ende des 8. Jahrhunderts v.Chr. vor Augen. Wenn Homer wirklich, wie es unsere Ausgangshypothese war, eine authentische Quelle für das 8. Jahrhundert darstellt, dann ist von vornherein die in der Neuzeit insbesondere seit Thomas Hobbes vertretene, lange Zeit vorherrschende und auch heute noch nicht ganz verschwundene These vom naturgemäßen Kriegszustand aller gegen alle in den archaischen Gesellschaften widerlegt. Neben kriegerischen und friedlichen Beziehungen gab es auch die Nicht-Beziehung zwischen verschiedenen Gemeinschaften, die zweifellos als die ursprüngliche anzusehen ist und erst durch die kriegerische bzw. friedliche Kontaktaufnahme abgelöst zu werden pflegte. Dieser ursprüngliche und ungewisse Zustand schuf Rechtsunsicherheit, welche wegen des Fehlens friedensrechtlicher Normen private „Raubkriege“ (Vieh-, Menschenraub) leicht machte und auch die (nicht zu bestreitende) Rechtlosigkeit des Fremden erklärt; letztere ist wörtlich zu verstehen und keinesfalls mit „unter Kriegsrecht stehend“ in eins zu setzen. Erst wenn die Gemeinden der jeweils geschädigten Mitglieder die Wiedergutmachung zu ihrer eigenen, d. h. öffentlichen Angelegenheit machten, wurde der Krieg regelgerecht erklärt und dadurch gleichsam zu einem Mittel der Rechtsexekution. Diese beiden Arten von Krieg, den privaten Raubkrieg und den öffentlichen Wiedergutmachungskrieg, kennen die homerischen Epen, und es ist sehr bemerkenswert, dass dabei grundsätzlich die privaten hinter den öffentlichen Kriegen zurückzutreten hatten (erkennbar in der sogenannten „Lügengeschichte des Odysseus“: Hom. Od. 14,191–359, besonders 238f.: „da gab es auch gar keine Ausflucht, es zu verweigern, unser Ruf im Volk hätte uns schwer belastet“). Homer steht noch am Anfang, aber er reflektiert eine Zeit der beginnenden Ausbildung von Institutionen, welche zunehmend neben die bzw. auch in Konkurrenz zu den persönlichen, privaten Bindungen oder Auseinandersetzungen traten. Die private Freundschaft und der Streit wurden allmählich zu öffentlicher Zusammenarbeit und Krieg. In der Tat gibt es in den Epen des Homer bereits Institutionen, in denen Außenpolitik neben anderen politischen Tätigkeiten betrieben werden konnte. Im homerischen Troja lagen (vielleicht nach dem Vorbild hethitischer und luwischer Verfassungen) alle und so auch die außenpolitischen Kompetenzen bei der Sippe des Königs, auf der griechischen Seite dagegen hatten neben dem König Agamemnon auch die Fürsten und die Heeresversammlung mitzubestimmen. Es stehen sich also durchaus unterschiedliche außenpolitische Kompetenzebenen gegenüber. Den Abschluss von Verträgen mussten aber in jedem Falle die Herrscher selbst beeiden, in
Naturgemäßer Kriegszustand?
Archaische Kompe tenzverteilung
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Übereinkünfte
Zweikampf
2. Griechische und römische Frühzeit
deren Beisein auch die immer notwendige Opferzeremonie (bestehend aus Weinspenden und Tieropfern) durchgeführt wurde. Eine besondere außenpolitische Rolle kam – auf griechischer wie trojanischer Seite – den „Diplomaten“, nämlich den Herolden (kh/rukev/kérykes) und Gesandten (pre/sbeiv/présbeis) zu. Sie waren fest institutionalisiert und deshalb auch durch besondere Insignien (Zepter) gekennzeichnet, mussten bestimmte Qualifikationen erfüllen (z. B. eine laute und klare Stimme haben) und genossen nach allgemein akzeptiertem Gewohnheitsrecht eine im Sakralen wurzelnde Unverletzlichkeit. Ihr Aufgabenfeld war allerdings umfassender und nicht, wie auch nicht anders zu erwarten, auf die äußeren Beziehungen beschränkt. Neben der Kriegserklärung waren auch gegenseitige Übereinkünfte formalisiert. Vertraglich geregelt wurden erstaunlich viele Bereiche: die durch einen Zweikampf vorzeitige und relativ unblutige Kriegsbeendigung, die Waffenruhe und der Waffenstillstand, die Totenbergung nach einer Schlacht, der Schutz für bestimmte Personen und Feste (z. B. der sog. Olympische Friede), sogar Einschränkungen bei der Kriegführung (z. B. im Lelantinischen Krieg der Verzicht auf „Fernwaffen“). Auf eine spezifische Begrifflichkeit, die wie heute den Inhalt des Vertrages nennt, verzichtete man; der Vertragstitel benennt zumeist die Form des Abschlusses (Spondaí/spondai& = Trankspende, Hórkia/o(r / kia = Eidesleistungen, Písteis/ pi/steiv = Absicherungen) oder auch das Ergebnis (Philía/fili/a, Philótes/ filo/thv = Freundschaft, Xeinía/ceini/a = Gastfreundschaft). Homer geht besonders ausführlich im 3. Gesang der Ilias auf die Formalitäten eines Vertragsabschlusses ein, als er die mögliche Kriegsbeendigung durch einen Zweikampf zwischen den beiden Protagonisten des Konfliktes, Paris (dem Räuber der Helena) und Menelaos (dem geschädigten Ehemann der Helena), in allen Einzelheiten analysiert. Wir kennen Zweikämpfe als Mittel der Streitbeilegung in vorstaatlichen Perioden sehr gut, und dies nicht nur aus dem griechischen Kulturkreis; das Duell David gegen Goliath, ähnlich formalisiert vorbereitet wie der Zweikampf zwischen Menelaos und Paris, ist nur das bekannteste, aber bei weitem nicht das einzige Beispiel aus anderen Regionen (1 Samuel 17,1–54); auch aus den germanischen Stämmen des Frühmittelalters sind Zweikämpfe zur Lösung eines Konfliktes überliefert. Der Beschluss der Trojaner wurde nach Verhandlungen mit den Griechen mit einer bezeichnenden Modifikation des Vorschlags – nämlich der zusätzlichen Festsetzung einer Bußzahlung der Trojaner für den Fall, dass Menelaos siegt – angenommen und dann durch beide Seiten in einem förmlichen, von Opfern und Weinspende begleiteten Verfahren beeidet (Hom. Il. 3,245ff.; 275ff., 292ff.). Dieser Eid, gesprochen vom Anführer der Griechen Agamemnon, ist klar strukturiert: Er enthält eine Präambel (Anrufung der Götter als Zeugen der Übereinkunft), die inhaltlichen Bestimmungen mit einer Sanktion; die Opferhandlung – das Schlachten von Lämmern und das Ausgießen von Wein –, verbunden mit
2.2 Römische Frühzeit (8. 4. Jahrhundert v.Chr.)
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Eidesleistungen beider Seiten, machte den Vertrag rechtskräftig. Allerdings scheiterte der Versuch, den Krieg auf diese Weise einigermaßen unblutig zu beenden, durch den Vertragsbruch der Trojaner, da Paris sich der drohenden Niederlage entzog. Neuere Forschungen betonen gegenüber dem früheren, an Institutionen orientierten Ansatz alternative Formen in der griechischen Außenpolitik, etwa die Bedeutung des Geschenks, des „Gabentausches“, der Gastfreundschaft zwischen den führenden Persönlichkeiten der Städte. Danach ist also das persönliche Element ein integraler Bestandteil der äußeren Beziehungen. Erst recht gilt das für die homerische Zeit. Alles mögliche wurde „ausgetauscht“, von Kleidung und Schmuck über Pferde und Maultiere bis hin zu Sklaven und Sklavinnen. Geschenke wurden nicht nur entgegengenommen, sondern mussten auch angemessen erwidert werden, denn aus der adäquaten Vergeltung bemaß sich der soziale Status. Die meisten Handlungen waren personalisiert. Zielgerichtete Politik zum Zwecke gemeinsamer Aktionen wurde von Einzelpersonen durchgesetzt; persönliche Bande waren es, die den Kriegszug gegen Troja überhaupt erst ermöglichten, und in die Kampfesschilderungen der Ilias werden vom Dichter immer wieder Reminiszenzen an einstige Bindungen zwischen aktuellen Gegnern eingestreut (z. B. zwischen den „feindlichen Freunden“ Diomedes und Glaukos), die durchaus in Konkurrenz zu ihren jeweiligen politischen Standorten aufrechterhalten wurden und nach den Gepflogenheiten der Zeit auch aufrechterhalten werden konnten. Dennoch sind die Ansätze neuer, nicht-personaler Formen von Außenpolitik in der Ilias nicht zu übersehen. Diese entwickelten sich nicht linear aus den persönlichen, vielmehr konnten beide Formen nebeneinander existieren; in der Phase der älteren Tyrannis (7.–6. Jahrhundert) etwa waren äußere Beziehungen ohne persönliches Fundament nicht denkbar, da die Tyrannen ihre Verbindungen überall in der griechischen Welt zu politischen Allianzen nutzten. Die institutionell bestimmten Ansätze in den äußeren Beziehungen können wir in der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Poleis greifen, die vertraglich gestaltet wurde. Eine der ersten und bedeutendsten Formen dieser Zusammenarbeit war das militärische Bündnis. Dieses hatte sich zwar aus den persönlichen Allianzen entwickelt, doch war es neu und nur auf staatlicher Ebene denkbar; deshalb bekam es auch einen eigenen Namen: Symmachie (vgl. Kap. 4.3). 2.2 Römische Frühzeit (8.–4. Jahrhundert v.Chr.) Bekanntermaßen lassen sich die römische Königszeit und die frühe Republik, also die Zeit von 753 bis in das 4. Jahrhundert hinein, bestenfalls in Ansätzen rekonstruieren, was einer außerordentlich verworrenen und unsicheren Quellenlage geschuldet ist; die uns vorliegenden Berichte, insbesondere Dionysios von Halikarnass und Livius, enstammen der augustei-
Gabentausch
Entwicklung zur Institutionalisierung
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Ansätze zur Außenpolitik
Öffentliche und private Sphären
2. Griechische und römische Frühzeit
schen Zeit und hängen selbst wiederum von einer mehrstufigen, letztlich auf immer stärker ausgeschmückte „Ur-Annalen“ (annales maximi) zurückreichenden Quellenentwicklung ab. Gerade in diese frühe Zeit fallen aber nun für die Außenpolitik wesentliche Entwicklungen, welche von vielen Forschern unter die Begriffe „Staatswerdung“ und „Reichsbildung“ gefasst werden. Denn nicht nur entstand und festigte sich die Römische Republik mit ihren spezifischen Institutionen, sondern es lassen sich im inneren wie auch im äußeren Bereich seit dem 5. Jahrhundert erste einigermaßen gesicherte Ereignisse und Vorgänge rekonstruieren. Im Inneren gehören dazu etwa die Ständekämpfe, im Äußeren die Kriege gegen die umliegenden Städte und Stämme ebenso wie verschiedene Vertragsschlüsse (z. B. mit den Karthagern und Latinern) und die Herausbildung und Durchsetzung des Fetialrechts, das die römische Kriegserklärung formalisierte und für die Vertragsschlüsse maßgeblich war. Ein kohärenter Rekonstruktionsversuch verbietet sich natürlich oder wäre nur bei optimistischer Quellenkritik möglich. Erschwerend für diese Rekonstruktion kommt die spätere republikanische Interpretation der Königszeit hinzu, welche nach der annalistischen Überlieferung zentrale institutionelle Voraussetzungen für die republikanische Zeit geschaffen haben soll, aber jegliche auch nur in Andeutungen gesicherte Quellenbasis vermissen lässt. Wir können allerdings sicher davon ausgehen, dass es vor der Republik eine Zeit gab, in der Rom eine Monarchie war, und dass diese Zeit auch außenpolitisch und für die Ausbildung völkerrechtlicher Institute von großer Bedeutung war. Natürlich reflektieren die Begriffe „außenpolitisch“ und „völkerrechtlich“ auch in Bezug auf die römische Politik nur unsere heutige Kategorisierung politischer Handlungen und juristischer Bereiche. Doch dürfen wir für die römische Frühzeit stärker als bei den Griechen eine bewusste Scheidung von Innen- und Außenpolitik, von Zivil- und Völkerrecht annehmen, jedenfalls in Ansätzen; ein Grund für diese Annahme liegt in der Existenz des Pomeriums, der heiligen Stadtgrenze zwischen domi (zu Hause) und militiae (im Felde). Die Begrifflichkeit, wie sie auch in den Fragmenten der 12-Tafeln – jener Kodifizierung des geltenden Rechts und einiger neuer Rechtsregeln wohl in der Mitte des 5. Jahrhunderts – vor unser Auge tritt, ist allerdings weniger an „Staatszugehörigkeiten“ als an Personen gebunden: Dem Bürger tritt der Fremde, der Feind (für beides steht das lateinische Wort hostis) gegenüber, dem Patron der Klient, dem Geschädigten der Rechtsbrecher. Die Beziehungen „der Römer“ zu ihren Nachbarn waren unsicher, Gefahren lauerten überall und beständig infolge unbestraft bleibender Raubzüge, Privatfehden und Racheakte. Von einem „staatlichen“ Kriegsmonopol war man weit entfernt, doch wurden durchaus auch „öffentliche“ Kriege geführt; diese Unterscheidung zwischen privaten Feldzügen und öffentlichen Kriegen haben wir bereits bei Homer kennengelernt. Die Rechtmäßigkeit von Kriegen erwies sich den kriegführenden Parteien an deren Ausgang. In
2.2 Römische Frühzeit (8. 4. Jahrhundert v.Chr.)
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der Auffassung der damaligen Menschen mussten sie „ordentlich“ begonnen und geführt werden, damit sie die Unterstützung der Götter und insbesondere des obersten Gottes Jupiter erlangen konnten. War die Eröffnung regelgerecht und der Ausgang des Krieges erfolgreich, musste auch der Kriegsgrund gerecht gewesen sein, denn sonst hätten die Götter dem Feind den Sieg zugesprochen. In der späteren Auffassung eines Cicero verdichteten sich diese Ansätze zur Forderung nach formal und sachlich „gerechten Kriegen“. Die Religion (und die mit ihr verbundenen Rituale) spielte folglich für die Lebenswirklichkeit des frühen Rom eine zentrale Rolle, und sie unterschied nicht zwischen Innen und Außen. Jupiter war das Zentrum des juristischreligiösen römischen Systems in der Frühzeit, er war universell und überwachte in der Vorstellung der Zeit die Beziehungen zwischen Patriziern und Plebejern ebenso wie die zwischen Römern und Peregrinen („Fremden“, „Ausländern“). Das, was wir heute mit dem Begriff Völkerrecht umschreiben, war also Teil eines umfassenden religiös eingebundenen Rechts. Hierin liegt die Ursache für zwei fundamentale Charakteristika des römischen Systems: 1. den weitgefassten Inhalt des römischen ius gentium (wörtlich Völkerrecht) – das nicht zwischen äußerem und innerem Recht unterschied und daher auch nicht mit dem modernen Völkerrechtsbegriff deckungsgleich sein kann –, verbunden mit der späteren Teilung des Römischen Rechts in ius civile (bürgerliches Recht) und ius gentium, und 2. die Fähigkeit der Römer, fremde Völker durch differenzierte und komplexe, im Religiösen wurzelnde Bindungsformen, welche im Laufe des 4. und 3. Jahrhunderts geschaffen worden waren, zu integrieren. In die Königszeit fällt mit Sicherheit der Formationsprozess der römischen Religion, wie er sich aus Tempelanlagen und Kalender rekonstruieren lässt. Nach der Vertreibung der Könige war der patrizische Adel, organisiert im Senat, dominierend, die politische und militärische Ordnung gründete sich auf die adlig gelenkten Kurien. Außenpolitisch prägend waren zum einen die Schwäche der etruskischen Macht, zum anderen die zunehmenden Kontakte und wechselvollen Konflikte mit den umliegenden Stämmen und Völkerschaften, den Latinern, den Äquern, Volskern und anderen. Es scheint, dass Rom und andere latinische Städte sich im frühen 5. Jahrhundert zunächst bekriegt (Schlacht am See Regillus 496) und dann 493 verbündet haben; die Annalistik hat dafür einen Vertrag, das foedus Cassianum, verantwortlich gemacht (Dion. Hal. 6,95,1f.). Diesen Vertrag hat es sicher gegeben (noch Cicero konnte seine Inschrift auf dem Forum Romanum studieren), aber wohl noch nicht 493, weil der Konsul Spurius Cassius der Tradition nach Plebejer war und daher 493 noch nicht Konsul sein konnte und weil das Vertragsformular eine Frühdatierung ausschließt (etwa die enthaltene so genannte Abänderungsklausel, nach der Änderungen am Vertragstext nur in beiderseitigem Einvernehmen erfolgen durften). Vielmehr gehört er in das 4. Jahrhundert, am wahrscheinlichsten in das Jahr
Bedeutung der Religion
Vor dem 5. Jahrhundert
foedus Cassianum
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Veji
Kriegsmonopol?
Kelteneinfall
Karthago
2. Griechische und römische Frühzeit
358, für das Livius eine Erneuerung des Vertrages erwähnt, also nach den Wirrungen des Kelteneinfalls. Er regelte nicht nur den militärischen Beistand, sondern ermöglichte auch freien Handel und Eheschließungen zwischen Römern und Latinern. Dennoch bedurfte es eines weiteren Krieges (340–338), ehe die Latiner endgültig in den römischen Staatsverband inkorporiert wurden. Weiterhin verzeichnet die Annalistik einen langen Krieg der jungen Römischen Republik gegen die ca. 15 km nordöstlich gelegene etruskische Stadt Veji, die nach fast 100-jährigem Krieg und dem endgültigen römischen Sieg 396 in das römische Bürgergebiet eingemeindet wurde und deren Stadtgöttin der Legende zufolge „herausgerufen“ (diese Praxis wird als evocatio bezeichnet), nach Rom verfrachtet und als Iuno Regina mit Tempel auf dem Aventin zum Sinnbild römischer Rechtschaffenheit wurde. Konkret bedeutete freilich die Eingemeindung der mächtigen Stadt eine erhebliche Vergrößerung des Bürgergebietes um mehr als das Doppelte – ein erster Schritt zum Imperium Romanum. In diesem Krieg, so wird von den Annalisten berichtet, fand ein denkwürdiges Ereignis statt: Im Jahre 477 habe das Adelsgeschlecht der Fabier (gens Fabia) es übernommen, den Krieg gegen Veji alleine zu führen und damit den Staat zu entlasten. Das Unternehmen sei aber bei gutem Beginn letztendlich gescheitert, und bis auf einen seien alle 306 Mitglieder des Geschlechtes an dem kleinen Flüsschen Cremera umgekommen. Wenngleich die Erzählung legendarischen Charakter trägt, so mag sie doch als ein Beleg dafür gelten, dass im 5. Jahrhundert v.Chr. die Ausbildung eines öffentlichen Kriegsmonopols noch in den Anfängen steckte. Sicher dagegen dürfte der für das Jahr 387 v.Chr. berichtete Einfall eines keltischen Stammes, der Senonen, in Nord- und Mittelitalien – zumindest im Kern – historisch sein. Die Senonen eroberten Rom und konnten nur durch demütigende vertragliche Regelungen zum Abzug bewogen werden. Die Niederlage des römischen Heeres an der Allia, dort, wo das Flüsschen in den Tiber mündet, am 18. Juli ging als „schwarzer Tag“ (dies Alliensis) in die Annalen ein, der überlieferte Ruf Vae Victis – „Wehe den Besiegten“ wurde sprichwörtlich, die aus dem ganzen Vorgang resultierende Gallierfurcht ebenso. Roms Stellung in Mittelitalien war im Gefolge dieser Niederlage erst einmal stark gefährdet, die Römer fühlten sich umzingelt von Neid und Hass der Nachbarn (Liv. 6,6,11) – ein außenpolitisches Trauma, das Roms künftigen Umgang mit den „Anderen“ ebenso prägen sollte wie die unausrottbare Furcht vor den Galliern. Von besonderem Interesse sind die Beziehungen Roms zu der Großmacht des westlichen Mittelmeeres während der Zeit der frühen Republik, zu Karthago. Die Römische Republik hatte lange vor den römisch-karthagischen Kriegen des 3. Jahrhunderts, wie es scheint, friedliche, ja sogar freundschaftliche Kontakte mit dieser bedeutenden Handelsmetropole aufgenommen. Die überlieferten Verträge stellten seit dem Beginn der Repub-
2.2 Römische Frühzeit (8. 4. Jahrhundert v.Chr.)
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lik, spätestens aber seit dem 4. Jahrhundert gute Beziehungen zwischen beiden Mächten her, definierten insbesondere die geographischen Einflusssphären und legten in diesem Rahmen auch bestimmte Handelsregeln fest. Durch die vier überlieferten Vertragstexte – der erste wurde nach Polybios bereits 508, der letzte 279/8 v.Chr. abgeschlossen – scheint eine Welt der Unsicherheit und der Piraterie hindurch. Vor allem die Karthager versuchten in einer Zeit noch unklarer Verantwortlichkeit, Rom als politische Organisation in die Pflicht zu nehmen und Rechtssicherheit in die beiderseitigen Beziehungen einkehren zu lassen. Die Gemeinschaft sollte ihre Bürger kontrollieren und die Haftung für deren Handlungen übernehmen. Die Zusammenarbeit wurde noch ausgebaut, denn zu Beginn des 3. Jahrhunderts fand man sich sogar zu einem militärischen Bündnis wider den gemeinsamen Feind Pyrrhos, den in Italien und auf Sizilien Krieg führenden epirotischen König, zusammen. Welche Regularien und Konzepte stehen hinter all den Konflikten und Kontakten, Kriegen und Verträgen? Kriege waren allgegenwärtig. Die Grenzen zu Plünderungs- und Raubzügen oder zur Piraterie waren fließend, ein „staatliches“ Kriegsmonopol gab es zumindest bis etwa 400 v.Chr. nicht; die Entwicklung außenpolitischer Beziehungen zwischen Rom und seinen Nachbarn, welche schließlich nur noch öffentliche Kriege gestattete, verlief ebenso prozesshaft wie die Verfestigung innenpolitischer Institutionen. Vertragliche Regelungen wie die zwischen Karthago und Rom mit ihrem Versuch, Rechtssicherheit zu Lande und zu Wasser zu stipulieren, mögen den Spielraum für Raub und Plünderung allmählich eingeschränkt und schließlich aufgehoben haben. Die Piraterie blieb allerdings als ein Problem, das einer Lösung harrte, bestehen, da das Meer auch weiterhin eine staatsfreie Zone blieb. Zu den frühesten zwischenstaatlichen Errungenschaften gehört auch – wie bereits ausgeführt –, dass Kriege regelgerecht eröffnet werden mussten. Dies war notwendig, um die Unterstützung der Götter für eine gerechte Sache zu erhalten. Für die Beobachtung der Rechtmäßigkeit von Kriegen war ein Priesterkollegium zuständig, die fetiales, dessen Einrichtung verschiedenen Königen zugeschrieben wurde. Ebenso wie die Kriegseröffnung gehörte das Vertragswesen zum Aufgabenfeld der Fetialen. Wichtig ist, dass das Fetialrecht eine Einrichtung des Völkerrechts war, denn offenbar war es gesamtitalisch, also keine römische Besonderheit. Livius hat den genauen Ritus der Kriegseröffnung geschildert (Liv. 1,24). Im Zentrum des Verfahrens steht die rerum repetitio, die Wiedergutmachungsforderung, welcher nach 33 Tagen ohne positive Reaktion die formelle Kriegserklärung folgt, indem eine Lanze ins feindliche Gebiet geschleudert und dazu eine Eidesformel feierlich intoniert wird. Seit dem 3. Jahrhundert wurde – wegen der territorialen Ausweitung der Kriege – das Priesterkollegium zunehmend durch Legaten ersetzt, dann aber unter Augustus idealiter und unter ausdrücklichem Verweis auf die Tradition wieder neu installiert.
Konzepte
Kriegseröffnung
Fetialrecht
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Beginn differenzierter Außenpolitik
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
Die vertraglichen Beispiele der römischen Frühzeit lassen eine Systematisierung verschiedener Vertragsformen, wie sie sich in der griechischen Archaik und Klassik herausbildeten, noch nicht zu, auch weil die jeweilige Datierung an zu viele Unwägbarkeiten geknüpft werden muss. Doch gewinnen die außenpolitischen Perspektiven – trotz aller quellenbedingten Unsicherheiten – zunehmend an Klarheit. Die römische Außenpolitik begann, ein äußerst flexibles Instrumentarium zu entwickeln, um den vielgestaltigen Herausforderungen begegnen zu können. Dadurch z. B., dass Rom eine Art Hegemonialstellung im latinischen Raum südlich des Tibers gewann, konnten und mussten in beiderseitigem Interesse die Beziehungen zu Karthago definiert werden, und diese Definition hatte auch Bestand, als Roms Stellung nach dem Kelteneinfall von 387 v.Chr. gefährdet war. Ebenso waren es Diplomatie und differenzierte Vertragsgestaltung, welche es den Römern im 4. Jahrhundert ermöglichten, gleichgesinnte Partner (wie die Latiner) zu binden und diese Bindungen produktiv für Kriege gegen andere Völker und Städte zu nutzen. Diese Kriege wieder schufen durch Siege und Einigungen neue vertragliche Formen. Mit solcher stetigen Anpassung an die aktuellen Verhältnisse wuchs das Instrumentarium für das römische Bundesgenossensystem, das im 3. und 2. Jahrhundert seine so erstaunliche Festigkeit gerade aus der Flexibilität heraus bewies und im 1. Jahrhundert in der von den socii (Bundesgenossen) kriegerisch erzwungenen Einheit Italiens in einem römischen Bürgergebiet aufging – im Grunde das größte Kompliment, das man diesem System machen kann. Karthagerverträge und foedus Cassianum sind in dieser Hinsicht die ersten Stufen der römischen Reichsbildung gewesen.
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht 3.1 Begrifflichkeit Außenpolitik als weiter Begriff
Der Begriff „Außenpolitik“ verträgt trotz seines Ursprungs in der Frühen Neuzeit durchaus eine sehr weite inhaltliche Auslegung und ist daher am wenigsten problematisch in seiner Anwendung auf vormoderne Verhältnisse, da er weder eine moderne Vorstellung von Staat voraussetzt noch an irgendein anderes System a priori gebunden ist (s. Kap. 1). Weit gefasst ist also unter Außenpolitik jede zielgerichtete friedliche oder kriegerische Aktivität einer Polis oder eines andersgearteten, zu solcher Aktivität befähigten (also in der Regel autonomen) Gemeinwesens bzw. ihrer Amtsleute und Vertreter im Verhältnis zu anderen Poleis oder Gemeinwesen zu verstehen. Darin sind eingeschlossen: Kriege und ihre Androhung, Verträge und vergleichbare Beziehungen (Kapitulation, Schutzsuche, alle Formen der Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit), Diplomatie und Verhandlun-
3.1 Begrifichkeit
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gen, schiedsgerichtliche und vermittelnde Verfahren, religiöse Verbindungen (z. B. gemeinsame Festveranstaltungen und Kulte). Schwerer zu rechtfertigen ist die Verwendung des Begriffes „Völkerrecht“ für antike Verhältnisse, erstens in seinem heutigen Verständnis als ein von neuzeitlichen Fachgelehrten entwickeltes juristisches System, zweitens in seiner Nähe zum römischen ius gentium, aus dem es hervorgegangen ist, von dem es sich aber inhaltlich stark unterscheidet, und drittens in seiner Anwendung auf ein Staatensystem. Wenn die klassischen römischen Juristen von „Völkerrecht“ (ius gentium) sprachen und dieses deutlich vom „bürgerlichen Recht“ (ius civile) und vom „Amtsrecht“ (ius honorarium) schieden, so verstanden sie es doch immer nur als ein römisches, nicht übergeordnetes Recht. Dieses ius gentium war zudem nicht ausschließlich auf die rechtlichen Beziehungen zwischen Staaten beschränkt, sondern umfasste z. B. auch die Freilassung von Sklaven, weil die Sklaverei eine allen Völkern gemeinsame Einrichtung und deshalb auch die Freilassung ein überall anzutreffendes Rechtsinstitut sei (Ulp. Dig. 1,1,4); auch die Griechen, die keinen dem römischen ius vergleichbaren Rechtsbegriff entwickelt hatten, stellten sich allen Menschen gemeinsame Rechtsregeln vor (ta\ no/mima bzw.ta\ di/kaia tw=n a)nqrw/pwn/tà nómima bzw. tà díkaia tôn anthrópon). Trotz dieses Befundes halte ich an dem Begriff „Völkerrecht“ auch für die antiken Verhältnisse von folgenden Überlegungen ausgehend fest: 1. Das Vorhandensein eines Völkerrechtes hängt nicht ursächlich an einem modernen Staatsbegriff, sondern an der Existenz autonomer politischer Einheiten – modern: Völkerrechtssubjekte –, die zum einen miteinander in regelmäßigen Kontakt treten, zum anderen sich an abgeschlossene Vereinbarungen gebunden fühlen. 2. Die Rechtsquellen des modernen Völkerrechts (allgemeine Rechtsregeln, Vertragsrecht, Gewohnheitsrecht) und das Anwendungsfeld des Völkerrechts (Kriegsrecht, Vertragsrecht, Gesandtenrecht) stellen Berührungspunkte zwischen antikem und modernem Völkerrecht her. 3. Für die griechische Klassik als die wohl „modernste“ (im Sinne der Dichte zwischenstaatlicher Zusammenarbeit) Zeit des antiken Völkerrechts lässt sich sogar eine Art von Rechtssystem feststellen, das aus einer Vielzahl von formalisierten Beziehungen erwachsen ist und im Peloponnesischen Krieg einer harten, aber bestandenen Bewährungsprobe unterzogen wurde. 4. Hermeneutisch ist der Begriff „Völkerrecht“ für die Erkennung zwischenstaatlicher Strukturen unverzichtbar. Die griechische Philosophie und das römische Recht haben keinen vergleichbaren Begriff entwickelt, weil die Philosophen sich ausschließlich auf die einzelne Polis und ihre innere Struktur, unter die auch die außenpolitischen Beziehungen gefasst wurden, konzentriert haben, und die römischen Juristen angesichts des real existierenden Weltreiches und einer daran anknüpfenden Weltherrschaftsideologie keine Notwendigkeit verspürten, ein anderes als ein römisches Recht zu konzipieren.
Antikes „Völkerrecht“?
Völkerrechtssubjekte
Parallelen zur Moderne
System
Hermeneutik
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„International“ und „interpolitisch“
Periodisierung
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
5. Gegenüber einer (in der Neuzeit möglichen) Alternative wie „Internationales Recht“ ist aus gleich zu erörternden Gründen der VölkerrechtsBegriff vorzuziehen. Schließlich der jüngste Begriff, internationale Beziehungen. Dieser ist gänzlich ungeeignet, auf die antiken Verhältnisse übertragen zu werden, da zum einen der klar abgesteckte Nationenbegriff anders als der unspezifische Völkerbegriff die tatsächliche Polis-Welt überlagern und damit eine Schieflage herstellen würde, und zum anderen das diesem Begriff innewohnende systemische Element für die Antike unbrauchbar ist. Wie aber dann die Beziehungen zwischen den autonomen Gemeinden bezeichnen? A. Win terling hat dazu eine Begriffsbildung von C. Meier wieder aufleben lassen und „interpolitische Beziehungen“ (also die Beziehungen der Poleis untereinander) vorgeschlagen. Diesen Begriff habe ich teilweise verwendet, denn für die griechischen Verhältnisse ist er sinnvoll, zumal man für die klassische Zeit sogar von einem System interpolitischer Beziehungen sprechen kann; für die Beziehungen zwischen Reichen und für die römische Zeit ist er natürlich weniger geeignet. Eher scheint mir der ganz weit gefasste Begriff „äußere Beziehungen“ zu passen, wenn man unter ihm nicht die Außenpolitik eines Staates, sondern umfassender die Gesamtheit aller politischen Aktivitäten versteht, die den gegenseitigen Verkehr zwischen relativ autonomen politischen Einheiten betreffen; des weiteren kann der Begriff „zwischenstaatliche Beziehungen“ verwendet werden. Der Völkerrechtshistoriker W. Preiser hat in dem diesen Band betreffenden Zeitraum zwei unterschiedliche Phasen in den äußeren Beziehungen ausgemacht: 1. Ein altgriechisches Völkerrecht vom 7. Jahrhundert an – welches Preiser für den vollen Ausbau der Polis in Anspruch nimmt –, an dem nicht nur Griechen, sondern auch nichtgriechische Mächte wie die Perser teilhatten; 2. ein römisches Völkerrecht, das nur solange bestanden habe, wie „Rom bereit war, andere Staaten als unabhängige Rechtssubjekte gleichen Ranges neben sich anzuerkennen“ (Preiser). Danach sei mit dem römischen Sieg über den makedonischen König Perseus in der Schlacht bei Pydna 168 v.Chr. ein Wendepunkt in den äußeren Beziehungen anzunehmen. Diese Zweiteilung entbehrt durchaus nicht einer gewissen Rechtfertigung, doch wird man heute stärker, als Preiser das tat, auch das Miteinander der hellenistischen Mächte betonen und darüber hinaus auch die späte Republik und die Kaiserzeit einschließlich der Spätantike nicht vom Völkerrecht gleichsam ausschließen, da zum einen die Formen äußerer Beziehungen erhalten blieben und an die neuen Entwicklungen angepasst wurden, zum anderen Rom nur idealiter und per Eigendefinition, nicht aber realiter die einzige Macht auf der Welt war, was in der Praxis auch von den römischen Kaisern akzeptiert wurde. Man kann also auch in der Kaiserzeit die Existenz von Völkerrecht annehmen, auch wenn natürlich an dem römischen Suprematieanspruch immer festgehalten wurde. Eine
3.2 Autonomie, Souveränität, Völkerrechtssubjektivität
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dies berücksichtigende und gegenüber Preiser modifizierte Gliederung der außenpolitischen Phasen könnte sich also folgendermaßen ausnehmen: 1. Die Poliswelt des archaischen und klassischen griechischen Raumes von ca 800–336 v.Chr. 2. Das Vielmächtesystem des Hellenismus samt des darin integrierten mehrdeutigen Verhältnisses der Poleis untereinander sowie des Umgangs mit den hellenistischen Staaten von 323–31/30 v.Chr. (ausgenommen die Weltmonarchie Alexanders des Großen von 336–323 v.Chr.). Die römischrepublikanische Expansion spielt sich in diesem Rahmen und unter den völkerrechtlichen Gepflogenheiten der Zeit ab. 3. Die römische Weltmonarchie bis zur Christianisierung des Reiches 27 v.Chr.–312 n.Chr.: Rom versteht sich idealiter als weltumspannendes System, unterhält aber realiter vielfältige Beziehungen völkerrechtlicher Art. 4. Christentum und Weltstaat (313–565 n.Chr.): Die spätantike Neuorientierung und die zunehmende Schwäche des römischen Staates auch im äußeren Bereich begünstigen die Weiterentwicklung eines Völkerrechts, wie es sich auch in der juristischen Literatur niedergeschlagen hat. Freilich hat man immer zu bedenken, dass diese Gliederung sich an völkerrechtlichen, nicht an ökonomischen, kulturellen und administrativen Strukturen orientiert. Die griechisch-römische Stadt bleibt auch in der römischen Weltmonarchie das Charakteristikum der antiken Welt, nur spielt sie keine – oder nur noch eine stark reduzierte – Rolle mehr in den äußeren Beziehungen. 3.2 Autonomie, Souveränität, Völkerrechtssubjektivität Die völkerrechtliche Debatte heute prägende Begriffe wie Souveränität (nach Jean Bodin „die dem Staat eignende absolute und zeitlich unbegrenzte Gewalt“) oder Völkerrechtssubjektivität wurden in der Antike nicht reflektiert. Dennoch gibt es ein Pendant: Ein vergleichbarer Begriff aus dem interpolitischen Leben der Griechen ist die Autonomie (au)tonomi/a/autonomía), die Römer behalfen sich mit Umschreibungen wie suae potestatis esse (wörtl. in eigener Gewalt stehen, also selbstständig sein) und bezeichneten damit einen liber populus, qui nullius alterius populi potestati est subiectus („ein freies Volk, das der Gewalt keines anderen Volkes unterworfen ist“) (Dig. 49,15,7,1–2); spätantik wurden für außenpolitische Unabhängigkeit auch die Ableitungen von liber (frei) gesetzt (Amm. 17,12,20; Symm. 2,12). Es liegt auf der Hand, dass die römische Umschreibung inhaltlich der modernen Souveränität näher kommt als der griechische Autonomie-Begriff. Dieser ist, wie die griechische „Politik“ überhaupt, von den inneren Verhältnissen her zu deuten, denn eine Vorstellung von äußeren Beziehungen (im Sinne von Außenpolitik der Poleis) ist in der griechischen Staatstheorie nur rudimentär entwickelt, und es ist die Außenpolitik überhaupt kein Phänomen sui generis. Diese Selbstbezogenheit wurzelt in der ausge-
Autonomie
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suae potestatis esse
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
prägten Sehnsucht der griechischen Staatstheoretiker nach Autarkie, der „Selbstgenügsamkeit“ im Wortsinne, welche im Extremfall (nämlich in der platonischen Utopie) Kommunikationslosigkeit bedeuten konnte. Dahinter stand ein Gegenentwurf zur Realität, denn natürlich waren intensive Kontakte mit anderen geradezu ein Charakteristikum der Poliswelt. Recht spät, um die Mitte des 5. Jahrhunderts, fand man in der griechischen Poliswelt ein au)to/j/autós-Kompositum zur Bezeichnung einer von einer anderen Polis nicht beeinträchtigten Unabhängigkeit, die freilich inhaltlich nicht spezifiziert war. Das Wort Autonomie hat also den Charakter eines Schlagwortes ohne begriffliche Prägnanz, was in der Forschung zu vielfältigen und teilweise gegensätzlichen Definitionsversuchen geführt hat. Als ein solches Schlagwort ist es erstmals greifbar in den Auseinandersetzungen zwischen den Verbündeten Spartas und Athen vor dem Peloponnesischen Krieg (431–404). Damals ging die Stoßrichtung gegen die Herrschaftsausübung der Athener in ihrem Bündnissystem, die von den gemeingriechischen Normen – man sollte hier durchaus von Völkerrecht sprechen – abzuweichen schien. Autonomie ist also eine Unterkategorie, in gewisser Hinsicht auch komplementär zum umfassenden Begriff der Freiheit (e)leuqeri/a/eleuthería), welche von der nichtgriechischen Macht der Perser zu Beginn des 5. Jahrhunderts bedroht worden war und zu dieser Zeit ständig im Munde geführt wurde. Während jedoch Eleutheria die politische und individuelle Freiheit in ihrem ganzen Umfange bezeichnet, ist Autonomie ein originär politischer Begriff. Die Bestandteile des Wortes Autonomie – no/mov/nómos (Gesetz) und au)to/j/autós (selbst) – ergeben in der Junktur „seine (eigenen) Gesetze gebrauchen“ ihren Sinn. Sie bedeuten also nicht im eigentlichen Sinne „Selbstbestimmung“ oder freie Verwaltung der inneren Angelegenheiten, sondern eher, das jeweils gültige eigene Recht – ob nach außen oder innen, ist dabei gleich – ungehindert anwenden zu dürfen, und das kann nur bedeuten: ungehindert von einer anderen politischen Gemeinde. Autonomie wird im 4. Jahrhundert neben Eirene (Friede) zu dem Kernbegriff der interpolitischen Beziehungen, sie muss in nahezu jedem Vertragsabschluss durch Sicherungsklauseln umfassend garantiert werden. Ähnlich wie der neuzeitliche Souveränitätsbegriff entwickelte sich die Vorstellung einer Notwendigkeit, Autonomie zu erhalten, erst, als man diese bedroht fand. Die Römer hatten diese Erfahrung nie gemacht, betrachteten allerdings selbst erst seit der Mitte des 1. Jahrhunderts v.Chr. die anderen politischen Gemeinden idealiter als Teil der römischen Welt. Für die alltägliche völkerrechtliche Praxis, für die die Feststellung der außenpolitischen Unabhängigkeit der jeweiligen Vertragspartner Voraussetzung ist, wurde die Erklärung des suae potestatis esse verlangt. Nach Livius heißt es im Deditionsformular (mit dem eine Kapitulation stipuliert wurde), dass vor einer Entgegennahme der Kapitulation durch die Römer zuerst die Bevollmächtigung der Gesandten, dann die außenpolitische Unabhängigkeit der Gemeinde festzustellen war (estne populus in sua potestate? „Ist das betreffende Volk
3.2 Autonomie, Souveränität, Völkerrechtssubjektivität
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selbstständig?“ Liv. 1,38,1–3), die allerdings durch die Dedition verloren ging. Diese unterschiedlichen Definitionen dessen, was wir heute als Souveränität bezeichnen, durch Römer und Griechen komplizierten nicht unbeträchtlich die außenpolitischen Beziehungen in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts v.Chr. Die Römer verstanden unter Autonomie etwas anderes als die Griechen, nämlich eine Art Privileg, wie es auch übergeordnete hellenistische Herrscher schon immer verliehen hatten, ohne dass irgendjemandem das reale Gefälle verborgen geblieben sein konnte. Dieses Verständnis deckte sich nicht mit den Erwartungen, die die Griechen historisch an den Begriff geknüpft hatten. Die außenpolitischen Entscheidungen waren eingebunden in den innenpolitischen Willensbildungsprozess der antiken Gemeinschaften. Ihre Bedeutung liegt nicht nur darin, dass sie das Verhältnis zu den äußeren Partnern bestimmten, über Krieg und Frieden entschieden oder das eigene Gemeinwesen vergrößern oder verkleinern konnten, sondern auch darin, dass sie als Medium zur Abschwächung oder Beseitigung innerer Krisen eingesetzt werden konnten und können. Konkret entlastete die erfolgreiche Außenpolitik das soziale System Roms in einem Maße, dass sich zunächst Agrar- und Versorgungskrisen nicht so gravierend auswirkten wie anderswo und sich darüber hinaus die Sozialordnung über einen Zeitraum von Jahrhunderten stabil erhielt. Gleichzeitig wurde gerade dieser außenpolitische Erfolg Motor einer Verfassungskrise der Römischen Republik, da die Expansion selbst und erst recht ihre Ergebnisse mit den traditionellen Institutionen nicht bewältigt werden konnten. Auch in der griechischen Poliswelt lässt sich diese Wechselwirkung zwischen Innen- und Außenpolitik beobachten. Der rapide Niedergang Spartas im 4. Jahrhundert v.Chr. z. B. ist nur unter Berücksichtigung des großen – und letztlich nicht bewältigbaren – Kriegserfolges gegen Athen erklärbar. Auf der anderen Seite ermöglichten die Einnahmen aus dem Delisch-Attischen Seebund erst die Ausgestaltung der Demokratie in Athen seit der Mitte des 5. Jahrhunderts, deren hohe Kosten zu großen Teilen durch die Beiträge der Bündner und außenpolitische Expeditionen finanziert werden konnten. Die Formen außenpolitischer Zusammenarbeit werden weiter unten behandelt werden, aber auf drei von heutigen Vorstellungen differierende Punkte sei jetzt schon verwiesen: Erstens wurde Zusammenarbeit nicht über das heute selbstverständliche Kontaktmedium Botschaft abgewickelt, sondern in der Regel über auf den konkreten Fall hin zusammengestellte Gesandtschaften. Hier ist freilich, was die griechische Antike angeht, eine Ausnahme zu konstatieren, denn die Übersichtlichkeit der griechischen Verhältnisse gestattete eine dem modernen Konsulat vergleichbare Einrichtung, die Proxenie (dazu unten). Zweitens war die institutionelle Zusammenarbeit auf anderen Gebieten als dem Krieg und der politischen Ordnung – etwa der Kultur, der Wirtschaft, dem Sport – nur sehr rudimentär ausgeprägt, am ehesten noch im Bereich der Rechtshilfe. Drittens
Bezug zur Innenpolitik
Griechische Spezifika
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Grundentscheidung des Staates
Poleis und äußere Beziehungen
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
unterscheidet sich die antike Außenpolitik auch darin von der heutigen, dass es „supranationale“ Strukturen – vergleichbar den Vereinten Nationen, der NATO, der EU – nur in Ansätzen gab. Im klassischen Griechenland gab es sie zeitweilig, und auch nicht nur auf den griechischen Raum beschränkt; denn zum einen existierten als eine Vorform übergeordneter Strukturen die Bünde, zum anderen gehörten den weiter unten besprochenen Koine-Eirene-Abschlüssen in gewisser Weise auch Perser und Makedonen an. Zudem ist auf das Prinzip der Schiedsgerichtsbarkeit zu verweisen. Dieses fand eine einigermaßen weite und akzeptierte Verbreitung, so dass Schiedsrichter recht häufig zu Hilfe gerufen und Streitschlichtungsverfahren – zumeist in Gebietsstreitigkeiten – gerne und erfolgreich eingesetzt wurden. Außenpolitik bedarf der Legitimation, sei es durch Zustimmung durch die Glieder der Gemeinschaft, sei es durch die Einhaltung formaler Kriterien in normierten Verfahren, sei es durch die Orientierung an Werten ( J. Bellers). Ihre Gewichtung und Stellung innerhalb der Politik eines Staates hängt davon ab, wie dieser seine Rolle in der internationalen bzw. interpolitischen Welt sieht. Oder, um es auf die zugrundeliegende politische Alternative zuzuspitzen: Will ein Staat mit den Nachbarn nichts zu tun haben und sich von außen ungestört auf die Innenpolitik konzentrieren oder will er sich umfassend in die Staatengemeinschaft einbringen, eine Machtstellung gewinnen, fühlt er sich als Teil einer Werte- oder Religionsgemeinschaft, will er den Frieden sichern helfen? Die staatstheoretischen Visionen und Konzepte Platons und Aristoteles’ behandeln den Idealstaat, die Verfassung, die Gesetze, auch die Gesellschaft, aber nur am Rande die Beziehungen zu den Nachbarn, und wenn, dann nur in ihrem Bezug auf die innere Ordnung. Ein idealer und stabiler Staat definiert sich nach dieser Lehre in erster Linie von der inneren Ordnung her, und eine sich selbst genügende, autarke Polis bedarf zu ihrem Überleben nicht einer aktiven Außenpolitik, sondern lediglich der Fähigkeit, sich wehren zu können. Im Gegenteil, äußere Einflüsse richten eher Schaden an, da sie desintegrierend wirken. Die Praxis sah natürlich anders aus, ohne dass man sie als „Außenpolitik“, abgesetzt von „Innenpolitik“, verstanden hätte. Die Poleis waren geradezu über ihre äußeren Beziehungen – und diese nicht nur institutionalisiert, sondern über vielfältige persönliche, kulturelle, kultische und wirtschaftliche Kontakte – definiert. Das konnte auch nicht anders sein, denn auf engstem Raum existierten mehrere hundert selbstständige Städte nebeneinander, mit den damit verbundenen typischen Konsequenzen: Es wurden zahllose Kriege um noch zahlloserer Konflikte willen geführt, unterbrochen, beendet, Verhandlungen geführt, Gesandtschaften abgeschickt und empfangen, Schiedsgerichte angerufen, Allianzen geschmiedet, gemeinsame Feste veranstaltet und dergleichen mehr. Es ist gerade diese Intensität und die dadurch für die gesellschaftliche Geschlossenheit ent-
3.2 Autonomie, Souveränität, Völkerrechtssubjektivität
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stehende Gefahr, welche die Autarkie als ein schier unerreichbares Ziel erscheinen ließ. Spartas Ruhm etwa strahlte im 5. Jahrhundert einerseits hell, weil es im Inneren stabil war und am wenigsten von den griechischen Städten Einflüssen von außen ausgesetzt schien. Andererseits bekam dieser Ruhm auch Risse, weil Isolationismus nicht zum gewöhnlichen Inventar einer Polis gehörte. Bei den alltäglichen Debatten zur Tagespolitik in den Gremien der Städte entstanden aufgrund vielfältiger und intensiver Beziehungen mit der Umwelt andere außenpolitische Konzepte. Der Hellenenbund z. B., der 480 den Sieg über die Perser errang und ihn als eine von „allen“ Griechen gemeinsam vollbrachte Leistung erscheinen ließ, stärkte das gesamtgriechische Bewusstsein und war im 4. Jahrhundert auf dem Weg, sich zu der außenpolitisch wirksamen Vorstellung einer Wertegemeinschaft zu entwickeln, von der Hellenen anders behandelt werden sollten als Barbaren; diese Vorstellung ist von Platon aufgegriffen und von Aristoteles und Isokrates weiterentwickelt worden. Andere Werte kamen seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts hinzu. Frieden und Autonomie z. B. konnten als durch Athens Politik im Ersten Delisch-Attischen Seebund und den Peloponnesischen Krieg bedrohte und darum schutzbedürftige Werte angesehen werden, folglich bestimmten sie den außenpolitischen Diskurs des 4. Jahrhunderts. Die Großreiche Alexanders und des römischen Prinzipats waren im Gegensatz zu den griechischen Poleis Universalmonarchien, dasjenige des spätantiken Rom ein christliches Imperium mit entsprechend wertegeleiteter Außenpolitik, welche nicht die Bewahrung von Autonomie der Reichsglieder, sondern ihre Auflösung durch die Integration in das Universalreich bezwecken sollte. Augustus überschrieb seinen Rechenschaftsbericht mit dem Hinweis, dass seine Taten den Erdkreis römischer Herrschaft unterworfen hätten (quibus orbem terrarum imperio populi Romani subiecit). Das Konzept einer so verstandenen Außenpolitik bestand darin, alle möglichen zwischenstaatlichen Beziehungen als Etappe auf dem Weg zur Integration in das Römische Reich zu interpretieren – auch wenn die Realität eine ganz andere sein mochte. Diese Einheit des orbis terrarum ist keine Erfindung des ersten Monarchen Roms, sondern wurde bereits in der Republik als Idee entwickelt – von einem Griechen, der hier endlich sein Ideal einer einheitlichen Außenpolitik zum Wohle der Menschen verwirklicht fand (Polybios). Diese Form von Universalismus war durchaus werteorientiert. Nicht bloße Machtpolitik sollte das Movens außenpolitischen Handelns sein, sondern Zivilisation und Frieden. Die Spätantike definierte diese Werte um, aber mit der Vorstellung der Weltherrschaft war es auch in der Theorie vorbei; so unterscheidet ein bekannter Rhetor des 4. Jahrhunderts n.Chr., Themistius, in einer Rede vor dem Kaiser Valens klar zwischen der Herrschaft über Römer und der Herrschaft über die Welt. Ein weiteres Ziel der antiken Außenpolitik war die Friedenssicherung, freilich in ganz unterschiedlichen Formen. Die Griechen schätzten den
Universalmonarchien
Friedenspolitik
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bellum iustum
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
Frieden als einen kriegsfreien Zustand schon in der homerischen Zeit, betrachteten aber den Krieg als eine Gelegenheit zur Bewährung. Das hängt weniger mit dem seit J. Burckhardt immer wieder beschworenen „agonalen Prinzip“ (s. Kap. II.3.3) zusammen, sondern in erster Linie mit der Anerkennung seiner Notwendigkeit und Unvermeidlichkeit. Eine solche Anerkennung verhinderte natürlich nicht, dass der Ehrgeiz junger Adliger auf kriegerische Bewährung geradezu brannte, wie wir es z. B. im 5. Jahrhundert bei dem athenischen Politiker Alkibiades deutlich sehen können. Als ein besonderer, schützenswerter Wert wurde der Frieden entdeckt, als der Schrecken des Krieges tiefe Spuren auch in der Außenpolitik hinterließ. Im Umfeld des Peloponnesischen Krieges wurden erstmalig wirkliche, auch so überschriebene „Friedensverträge“ geschlossen; Friede wurde rasch zu einem juristischen Titel und Ziel einer auf Autonomie gegründeten Zusammenarbeit aller griechischen Poleis (koinh\ ei)rh/nh/koinè eiréne). Damit war es wieder vorbei, als sich die makedonische Herrschaft, die sich zunächst noch über die Koine Eirene ihr Eintrittsbillet nach Griechenland verschafft hatte, in der Post-Alexander-Zeit dauerhaft im östlichen Mittelmeer einzurichten begann und der kriegerischen Auseinandersetzung innerhalb eines Territorialstaates ohnehin Grenzen gesetzt waren. Der Koine-Eirene-Gedanke des 4. Jahrhunderts mag auch auf die Gestaltung der gleichzeitigen griechischen Bundesstaaten eingewirkt haben, denn auch hier treffen wir die – ein wenig modifizierte – Autonomiewahrung gegenüber den Großmächten sowie das Ziel der Friedenssicherung an. Ähnlich auf das Ideal einer grundsätzlich friedvollen Welt ausgerichtet scheint darüber hinaus die bellum-iustum-Theorie der Römer gewesen zu sein, unabhängig von ihrer tatsächlichen Anwendung. Nach dieser Theorie hat jeder Krieg der Wahrung eines Friedens ohne Unrecht zu dienen (Cicero). Erst recht auf den Frieden als hohen Wert hin ausgerichtet ist die christliche Umdeutung des bellum-iustum-Gedankens durch Augustin. 3.3 Krieg und Frieden
Krieg als Urzustand?
Mit diesem Thema bewegen wir uns im Zentrum von Außenpolitik und Völkerrecht überhaupt. Heraklit schrieb zu Beginn des 5. Jahrhunderts v.Chr. dem Krieg die Vaterrolle für alle Dinge zu, und als Historiker der Antike (allerdings nicht nur der Antike) hat man den Eindruck einer Omnipräsenz des Krieges. Zu Beginn seines Dialoges über die Gesetze lässt Platon einen kretischen Bürger den Normalzustand in den Beziehungen der Menschen als einen Krieg aller gegen alle definieren, so dass sich jeder gut geordnete Staat im Wesentlichen auf den Krieg vorbereiten müsse. Auch die Neuzeit hat, an prominenter Stelle Thomas Hobbes, eine Theorie vom Krieg als Naturzustand entwickelt. Heute regen sich freilich Bedenken gegen diese Theorie, die allerdings noch nicht gänzlich aus den Darstellungen zur Antike verschwunden ist. Krieg und Frieden sind bereits selbst
3.3 Krieg und Frieden
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Formen der Beziehungen zwischen verschiedenen Gruppen – entweder feindlichen oder freundlichen –, die ein beziehungsloses Nebeneinander abgelöst haben. Heraklit und Platon meinten denn auch etwas ganz anderes, als sie vom „Krieg als dem Vater aller Dinge“ bzw. vom „Krieg aller gegen alle“ sprachen. Nach ihrer Vorstellung ist Krieg die umfassendste Umwälzung bestehender Verhältnisse durch Menschen, er kehrt alle Hierarchien um. Darauf vorbereitet zu sein, ist eine der wesentlichen Aufgaben politischer Gemeinschaften, und gerade Gemeinden wie Sparta und Kreta standen in dem Ruf, ausschließlich Kriegshandwerk zu betreiben. Die griechische Staatsphilosophie lehnte solches aus naheliegenden Gründen ab, denn der Krieg ist eben nur einer von vielen politischen Bereichen, aber nicht der „Ur-“ oder „Naturzustand“. Die Formen des Krieges änderten sich im Laufe der Zeit; die zunehmende institutionelle Ausgestaltung der Poleis monopolisierte schließlich allmählich auch den Krieg als staatliche Aufgabe. Die griechische Staatsphilosophie unterschied zwischen Polemos und Stasis (Krieg gegen äußere Feinde und Aufruhr im Innern der Stadt), die Römer zwischen bellum und bellum civile, also zwischen (öffentlichem) Krieg und Bürgerkrieg. Stellt man sich, wie auf einer idealtypischen tabula rasa, die erstmalige Aufnahme von Beziehungen zwischen zwei Gemeinschaften durch Kriegshandlungen vor, so könnten z. B. Auseinandersetzungen um knappe Ressourcen Auslöser gewesen sein. Dabei verschwammen die Grenzen zwischen privat und öffentlich gänzlich – wenn eine Gruppe von Menschen auf Viehraub ausging, schädigte sie den Besitzer des Viehs (Beispiel: Hom. Il. 11,671ff: Nestor erzählt von seinen Jugendabenteuern). Von Krieg ist hier allenfalls in einer sehr weiten, nicht mit der modernen Auffassung deckungsgleichen Auslegung zu reden (Raubkrieg, Beutekrieg; vgl. dazu Dion. Hal. 1,16). Thukydides nennt als Gründe für Raubzüge Gewinnstreben oder Versorgung der eigenen Gruppe (1,5,1), Aristoteles stellt sie auf die gleiche Stufe wie Landwirtschaft, Fischerei und andere Tätigkeiten, die dem Erwerb dienten (pol. 1256 b 23). Die homerischen Epen, die ausführlich von Raubkriegen handeln, verweisen freilich diese Erklärungen in das Reich rationalisierender Deutungen. Sie referieren zwei anthropologische Gewissheiten, nämlich ein zumindest abstraktes Unrechtsbewusstsein bei den Räubern und die Missachtung dieses Unrechts, wenn es niemanden gibt, der es bestrafen kann. Diese Grundkonstanten dürfen wir auch für das frühe Rom annehmen, selbst wenn wir dafür nur Andeutungen in den Quellen ausfindig machen können; in den bei Polybios überlieferten römisch-karthagischen Verträgen, die möglicherweise im 4. Jahrhundert die ältesten Verhältnisse in den äußeren Beziehungen widerspiegeln, ist noch etwas von der allgemeinen Rechtsunsicherheit zu spüren, mit der sich die Gemeinwesen auseinanderzusetzen hatten. Es sind auch diese Karthagerverträge und insbesondere wieder die homerischen Epen, die uns den Übergang des Raubkrieges zum öffent-
Formen des Krieges
Raubkriege
24 Öffentliche Kriege
ius in bello
Friede als Normal zustand
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
lichen Krieg vor Augen führen. Dieser entsteht, wenn die ganze Gemeinde für die Tat eines der Ihren haftet oder haftbar gemacht wird. Der Trojanische Krieg entsteht in der Deutung Homers wie viele frühe Kriege: Angehörigen der einen Gemeinde wird von Angehörigen einer anderen Gemeinde etwas geraubt oder sonst ein Schaden zugefügt. Daraufhin entsendet die geschädigte Gemeinde zuerst Gesandte mit dem Auftrag, Wiedergutmachung und gegebenenfalls Strafzahlungen zu erlangen. Wird dies verweigert, kommt es zum Krieg unter Einhaltung fester Formen wie einer regelrechten Kriegserklärung. So war es offensichtlich bereits im 8. Jahrhundert die Praxis. Kriege waren ein Mittel der Rechtsexekution, wenn andere Formen versagten: Der Trojanische Krieg, die Messenischen Kriege, der Lelantinische Krieg auf Euboia sind allesamt frühe Kriege, und zwar solche, die wenigstens der Überlieferung nach um die Wiedergutmachung von Unrecht geführt wurden und mit großen ökonomischen Vorteilen für die Sieger zu Ende gingen. Öffentliche Kriege hatten nach dieser Deutung einen personalen Hintergrund. Mit der „Verstaatlichung“ des Krieges gingen auch Beschränkungen der Kriegführung einher, welche wir nach dem modernen Völkerrecht als ius in bello bezeichnen. Erst wenn das Völkerrecht den Kriegsbeginn an die Einhaltung gewisser Regeln bindet, ist auch die Grundlage für Beschränkungen in der Kriegführung gelegt. Bereits in der archaischen Zeit sind diese belegt und in der griechischen Klassik zahlreich überliefert: So durfte, wer um Gnade bat, nicht getötet werden, oder es sollte den kriegführenden Parteien Gelegenheit gegeben werden, ihre Gefallenen zu bergen. Allein die „Politisierung“ des Krieges durch die Polisgesellschaften führte also zu Abmilderungen. Der Krieg wurde als allgegenwärtige Realität akzeptiert, die Städte bereiteten sich mehr oder weniger gewissenhaft auf kriegerische Eventualitäten vor, aber ebenso ist der Krieg auch in seiner zerstörerischen, Mann und Frau, Gut und Böse gleichermaßen betreffenden Dimension gesehen worden. Diese differenzierte Sicht zeichnete, wie gesehen, schon das Kriegsepos schlechthin aus, die Ilias. Der Krieg galt wohl als Mittel der Rechtsexekution, doch der Friede (griech. ei)rh/nh/eiréne, lat. pax) war der normale Zustand zwischen den Gemeinden, der in seiner Selbstverständlichkeit gar nicht als zu schützender Wert reflektiert wurde. Das änderte sich im Peloponnesischen Krieg am Ende des 5. Jahrhunderts. Auch zuvor wurde der Krieg keineswegs prinzipiell verherrlicht (z. B. in der Schildbeschreibung bei Homer, Il., 18, und explizit bei Sophokles: „Der Krieg rafft freiwillig nie einen Schlechten, sondern immer nur die Guten“, Phil. 436f.), aber man arrangierte sich mit ihm, akzeptierte seine Notwendigkeit und machte das Beste daraus; er war wie eine Naturkatastrophe, bei der man sich ja auch als Mann bewähren konnte. Der Schrecken großer Kriege (Thuk. 1, 23) konnte insofern bewusstseinsverändernd wirken, als sich nun in den politischen Gemeinden gesellschaftliche Gruppen aktiv für den Frieden einsetzten und den Krieg
3.3 Krieg und Frieden
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nicht mehr einfach naturgesetzlich hinnehmen wollten. In Rom bildeten z. B. die Bürgerkriege des 1. Jahrhunderts v.Chr. die Grundlage für die Erkenntnis des Wertes einer reichsweiten pax Augusta des Prinzipats, in Griechenland war es die Auseinandersetzung zwischen Athen und Sparta am Ende des 5. Jahrhunderts v.Chr., in die die ganze griechische Welt hineingezogen worden war, welche neben dem Autonomiegedanken auch die Friedensidee beflügelte. Und so ist Eirene als juristischer Terminus erstmalig zu Beginn des 4. Jahrhunderts bezeugt; erst zu diesem Zeitpunkt werden Kriege mit einem „Friedensvertrag“ beendet, vollzieht sich die formale Anerkennung des Kompromisses, der bis dahin den Krieg rechtlich nur unterbrochen hatte, als „Friede“. Alle Vorgänger (etwa der 30-jährige „Friede“ von 446/5 oder der Nikias-„Friede“) waren formal kriegsunterbrechende Verträge (Spondai), eine Vorstufe zu Freundschafts- und Bündnisverträgen, aber nicht Friedensverträge. Von einer wirklichen Friedenssehnsucht zeugen einige erhaltene politische Reden aus dem 4. Jahrhundert, die „über den Frieden“ – wenn auch weniger im allgemeinen als in ganz konkretem Sinne – handeln. Allerdings beschränkte sich die reine Friedensidee auf die griechische Welt. Die barbarische war die Gegenwelt der hellenischen, im 4. Jahrhundert mehr denn je. Auf diesem Humus konnte die Vorstellung gedeihen, die Einheit des Griechentums durch einen großen, gemeinschaftlich geführten Krieg gegen die Perser als die mächtigsten Barbaren zu erlangen. Die panhellenisch und antibarbarisch unterlegten Kriegsphantasien des Isokrates gegen die Perser, v. a. in den Schriften Panegyrikos und Philippos, mögen nicht repräsentativ gewesen sein, sie entwickelten sich aber nicht ohne eine gewisse Logik aus der innergriechischen Friedenssehnsucht einerseits und der zunehmenden Verachtung des Nichtgriechischen, Barbarischen andererseits. Der zwangsläufig hohe Grad an Kommunikation zwischen den Poleis erhöhte das Streitpotenzial und damit zwangsläufig auch das Kriegsrisiko. Die Städte reagierten auf diese Entwicklung mit pragmatischen Friedenssicherungsstrategien. Diese wurden über Vertragsabschlüsse, welche die interpolitische Zusammenarbeit intensivierten, und speziell über besondere Formen der Streitschlichtung realisiert. Dazu gehörte in archaischer Zeit die Institution des Einzelkampfes, mittels dessen bevollmächtigte Vertreter zweier im Krieg befindlicher Heere die Last der Entscheidung nach Abschluss eines formellen Vertrages in einem Zweikampf auf sich nahmen und damit das Blutvergießen begrenzten, ferner Schiedsgerichtsverfahren und Neutralitätssicherungsklauseln in Verträgen. Derartige Verfahren waren überhaupt in der Alten Welt verbreitet und auch in Rom bekannt, wie uns über die annalistische Tradition vermittelt wird (Liv. 1, zum Kampf zwischen Horatiern und Curiatiern); sie sind generell ein Kennzeichen archaischer Verhältnisse und deshalb ebenso in den Auseinandersetzungen germanischer Stämme zu finden.
Friedensvorstellungen der Antike
Friedensstrategien
26 pax Romana
Der „olympische Friede“
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
Ein eigenes Thema ist die pax Romana, die weder nach außen gerichtet war, noch mit einem griechischen Äquivalent verbunden werden kann. Sie bedeutete in der römischen Kaiserzeit den inneren Frieden, der nach den Bürgerkriegen der späten Republik reichsweit herbeigesehnt und als eine besondere Leistung dem augusteischen Prinzipat zugeschrieben worden war. Der Begriff bezeichnet also entgegen dem Anschein nicht außenpolitische Enthaltsamkeit, sondern definiert die Oberaufsicht des Kaisers über alle Reichsangehörigen und seine Garantie eines friedlichen Handels und Wandels diesseits der Reichsgrenzen. Die Hochschätzung der pax Romana im Prinzipat entspricht der griechischen koinh\ ei)rh/nh/koinè eiréne, weil beide Begriffe – jeder auf seine Weise – den Frieden als eigenen Wert, der besonders zu schützen ist, setzten und als Folge jahrzehntelanger Kriege der jeweiligen Nachkriegsordnung ihren Stempel aufdrückten. Nur um einer heute weitverbreiteten Fehldeutung willen sei noch auf einen anderen „Frieden“ hingewiesen. Denn gewiss nicht ideell, sondern pragmatisch zu beurteilen ist der olympische Friede, jener berühmte durch Weinspende (Spondai) beschworene Waffenstillstand (Ekecheiria), der bei wichtigen panhellenischen Festveranstaltungen und insbesondere den Olympischen Spielen ausgerufen zu werden pflegte. Auch diese waren nur für griechische Poleis zugänglich, nicht für barbarische Gemeinschaften. Solche Feste waren willkommene Gelegenheiten der Begegnung und der Kommunikation, an deren Zustandekommen alle interessiert waren. Die Ekecheiria verkündete eine eigene Beamtengruppe, die Spondophoroi. Sie überbrachten als mit Heroldstab und Kranz ausgewiesene Festboten die Einladungen in die Städte, führten für den Vertragsabschluss eine Schale für das Trankopfer mit sich und vereinbarten jeweils mit den eingeladenen Städten die Ekecheiria. Diese Vereinbarung war natürlich freiwillig. Wer sie nicht einging, durfte nicht an den Festen teilnehmen. Geschützt wurde mit ihr sowohl die ausrichtende Stadt – im Falle der Olympischen Spiele war das Elis – als auch die gefahrlose Anreise der Gäste. Diese Ekecheiria war also ganz konkret auf einen Anlass bezogen; hinter ihr stand keinesfalls ein unspezifischer „Friedensgedanke“ oder die Hochschätzung eines abstrakten, von dem konkreten Ereignis losgelösten Friedens, wie er von der Koine Eirene oder der pax Augusta/Romana repräsentiert wird. 3.4 Religion und Außenpolitik
Sakraler Bezug
Der weite Bereich der Religion und die Politik waren in der Antike eng miteinander verknüpft. Jedes politische Handeln war sowohl in der griechischen Polis als auch im römischen Staat von sakralen Ritualen und Opfern, von Erkundungen des göttlichen Willens und Gebeten vorbereitet und begleitet. Das Wesen der antiken Religion kam dem entgegen, denn sie war nicht auf das Individuum, sondern auf die Gemeinschaft hin ausge-
3.4 Religion und Außenpolitik
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richtet. So ist entsprechend auch aus der Außenpolitik die Religion nicht auszugrenzen, vielmehr hatte jede außenpolitische Handlung – das Absenden und Empfangen von Gesandtschaften, Kriege (Eröffnung, Unterbrechung, Beendigung), Vertragsschlüsse etc. – das ihr zukommende sakrale Begleitritual. Stets war es das Ziel, für die Handlungen die Unterstützung der Götter zu erlangen. Die Römer galten in der Antike als besonders religiös (religiosissimi) im oben beschriebenen Sinne, und dazu erfanden sie, um die Unterstützung möglichst vieler und auch fremder Gottheiten zu bekommen, sogar die evocatio, mit der sie die Schutzgötter des jeweiligen Gegners auf ihre Seite zu ziehen hofften; sie boten ihnen als eine Art Gegenleistung eine neue Heimstätte in Rom an (s. Kap. 2.2). In welchen Formen erscheint das Sakrale in der antiken Außenpolitik? Gerade in außenpolitischen Handlungen sind bekanntlich Zuverlässigkeit und Vertrauen entscheidende Kategorien, die zwischenstaatliche Zusammenarbeit erst ermöglichen. Wenn Verträge geschlossen werden, dann muss gewährleistet sein, dass sie auch eingehalten werden. Das wiederum heißt: auf die Bindung der Vertragspartner an das Vereinbarte vertrauen, und dies sollten nach antiker Vorstellung die Götter gewährleisten. Anders als im modernen machten daher im antiken Völkerrecht die sakralen Rituale Eidesleistung, Opfer, Weinspende, sogar Handschlag oder Gabentausch jeden Vertrag rechtskräftig. Oft wurden nach der Form dieser Rituale die Vertragsarten benannt, so Spondai nach der Weinspende, Homologie nach der beeideten Zustimmung zu einem Vertrag oder Deditio nach der beeideten Übergabe in die Gewalt eines anderen. Dadurch wurden die Götter zu Garanten der Vereinbarungen und auch zu potenziellen Rächern der Vertragsbrüchigen gemacht; sie bezeugten den Vertragsabschluss. Ausdrückliche, „völkerrechtlich“ festgelegte Sanktionen waren deshalb zunächst überflüssig – die Götter würden das geeignete Strafmaß schon festsetzen; viele frühe Verträge wurden auch mit Selbstverwünschungen der Partner abgesichert, wodurch sie sich im Falle des Vertragsbruchs mit den schlimmsten Strafen einverstanden erklärten. Bei Homer heißt es im Vertragstext zum Einzelkampf zwischen Menelaos und Paris: „Zeus, erhabenster Herr, und ihr andern unsterblichen Götter! Welche zuerst von uns Gegnern das heilige Bündnis verletzen, denen fließe das Hirn zu Boden, so wie der Wein hier, ihnen selbst und den Kindern, und Fremden gehören die Weiber!“ (Il. 3,298–301). In ähnlicher Weise formuliert das römische Fetialrecht: „Wenn ich zu Unrecht und gegen göttliches Gesetz besagte Menschen und besagte Dinge mir auszuliefern verlange, so lass mich niemals mehr meiner Heimat teilhaftig werden“ (Liv. 1,32). Den trotz so drastischer Verfluchungen zu verzeichnenden Vertragsbrüchen wirkten immer stärker präzisierende Eidesformeln in den Verträgen entgegen, die jegliche Eventualität von Vertragsverletzungen ausschließen und insbesondere die Spannung zwischen willkürlichen Auslegungen nach Wortlaut und Geist des Vertrages aufheben sollten. Gleichzeitig schwor man auf die
Rituale
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Öffentliche Meinung
Religion als Legitimation
Säkularisierungs tendenzen
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
jeweils einheimischen Götter, um auch wirklich eine Bindungswirkung für alle Partner zu gewährleisten. So wurde auf römischer Seite darauf verzichtet, die jüdischen Partner bei den Verträgen nach 161 v.Chr. auf die römischen Götter schwören zu lassen – jeder verpflichtete sich vor seinen Göttern. Das funktionierte freilich nur, solange der Glaube an die Allmacht der Götter mit der öffentlichen Meinung verbunden war. Denn jeder Appell an und jedes Vertrauen auf Zuverlässigkeit war nur dann sinnvoll, wenn die politischen Gemeinschaften sich als Teil einer übergeordneten „Weltöffentlichkeit“ begriffen, also als zoa politika der Völkergemeinschaft (so ausdrücklich bei Livius, 42,8,5f.). Delinquenten waren infolge der Verletzung der göttlichen Ordnung aus der „Völkerrechtsgemeinschaft“ auszuschließen – so musste die praktische Konsequenz des Vertragsbruches lauten. So war Religion auch immer Argument und Legitimation im außenpolitischen Diskurs und musste es sein, wenn es denn richtig ist, dass der religiöse Charakter des antiken Völkerrechts neben einer inneren (das Erreichen der göttlichen Unterstützung etwa im Krieg) auch eine äußere (nämlich die Rechtfertigung von Handlungen gegenüber einer „Weltöffentlichkeit“) Dimension besitzt. Das Megara-Psephisma z. B., mit dem die Athener kurz vor dem Peloponnesischen Krieg die Megarer von den Häfen in ihrem Herrschaftsbereich ausschlossen, wurde mit der Bearbeitung des heiligen Landes begründet. Die Spartaner verlangten am Beginn des besagten Krieges von Athen ultimativ die Sühne des Blutfrevels der Alkmeoniden. Und Alexander der Große begründete seinen Feldzug gegen die Perser mit deren Zerstörung griechischer Tempel 150 Jahre zuvor. Für diese drei Beispiele wird der aufgeklärte Beobachter den Begriff „Vorwand“ einbringen und ganz andere, rationale Hintergründe für die jeweiligen Entscheidungen ausmachen, damit jedoch nur einen Teil des Verfahrens begreifen. Solcherlei Legitimierung dient in der Tat nicht nur der eigenen, sondern auch und vor allem der äußeren Rechtfertigung, beweist aller Welt die Befolgung eines übergeordneten Wertesystems, indem man sagen kann: Wir handeln als „politische Lebewesen“ der Staatengemeinschaft, unsere äußere Politik richtet sich nicht nach dem eigenen Vorteil (der implizit natürlich erschlossen werden kann), sondern nach dem von den Göttern gelenkten übergeordneten Ganzen. Ob derartige Signale nach außen freilich immer akzeptiert wurden, steht auf einem anderen Blatt. Auch das Fetialrecht der Römer im Kriegsfall ist nicht (jedenfalls nicht primär) als eine sakrale Verbrämung frührömischer Kriegswütigkeit und Hinterlist zu deuten, sondern es lässt vielmehr die Römer teilhaben an den festen Kommunikationsregeln der Völker Italiens und bezeichnet in diesem Sinne ein bildhaftes „sich unter das göttliche Urteil beugen“, wie es vermutlich Latiner, Sabiner, Äquer und Volsker auch vollführten. Im Griechenland des 5. Jahrhunderts begann man freilich allmählich, an der göttlichen Strafwirkung zu zweifeln. Diese einsetzende Säkularisierung
3.5 Diplomatie, Gesandtschaften, Proxenie
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zeigt sich allgemein in der Erfindung der tatsächlichen und vertraglich fixierten Sanktion als Ersatz für die erwartete Strafe der Götter bei Vertragsverletzungen, und sie wird besonders deutlich im Melier-Dialog bei Thukydides (5,84–114), jenes in das Jahr 416 zu datierende Gespräch zwischen den athenischen Angreifern und den verzweifelt sich wehrenden melischen Behörden. Die „Gottheit“ spielt in der Argumentation der Melier die traditionelle Rolle, nämlich des Schutzes gottesfürchtiger Verteidiger vor ungerechten Angriffen, die Athener dagegen vertrauen auf das Recht des Stärkeren (Thuk. 5,104) und rufen paradoxerweise die Götter als Bürgen des Gegenteils, nämlich der Rechtlosigkeit an. Noch weiter waren etwa Caesars Finessen im Krieg gegen die Gallier (58–51 v.Chr.) von einer religiös fundierten Außenpolitik entfernt, auch wenn große Teile des Senates – aber keineswegs alle, wie Cato – damit einverstanden waren. Denn Caesar hatte sich offensichtlich einen klaren Bruch des Völkerrechts im Umgang mit den germanischen Stämmen der Usipeter und Tenkterer zuschulden kommen lassen, für den Cato in sakraler Terminologie („sich entsühnen“, „Bruch der Spondai“, „Fluch“: Plut. Caesar 22) die Auslieferung Caesars an die Barbaren verlangte. Diese Anklage mit ihrer religiösen Argumentation entsprach nicht mehr dem Zeitgeist, zumal der Erfolg Caesars jede weitere Diskussion erübrigte. Philosophisch fand die aufgeklärte, sich von religiösen Zwängen lösende Politik bei den Sophisten des 5. Jahrhunderts und den Epikureern in der hellenistisch-römischen Zeit herausragende Vertreter. 3.5 Diplomatie, Gesandtschaften, Proxenie Die Poleis kommunizierten auf den verschiedensten öffentlichen und privaten Ebenen intensiv miteinander und waren in der Herstellung solcher Kommunikation auch sehr erfindungsreich. Die außergewöhnliche Mobilität der Polisbürger ist immer wieder zu Recht in der Forschung betont worden, und sie wurde auch selten gehemmt (eine Ausnahme war etwa das erwähnte Megara-Psephisma), denn es gab die Xeinia, die Gastfreundschaft. Sie ermöglichte ein einigermaßen sicheres Reisen und Ankommen, zumindest für Angehörige der Oberschichten. Die Einrichtung der modernen „Botschaft“ als Ausdruck diplomatischer Beziehungen zwischen zwei Staaten gab es freilich in der Antike nicht. Es hatten sich andere Formen zur Aufrechterhaltung auch ständiger Kontakte zwischen Poleis, Völkerschaften und Königen entwickelt. Zu nennen ist hier an erster Stelle das Institut der Proxenie, ein Unikum und wohl auch nur möglich in der aus ähnlich strukturierten und „seelenverwandten“ Einheiten bestehenden griechischen Poliswelt. Mit dem Begriff wird die Vertretung fremder Städte durch eigene Bürger bezeichnet; Kimon z. B. war als Athener in seiner Heimatstadt Proxenos von Sparta, in Sparta durften die Könige die Proxenoi ernennen (Hdt. 6,57,2). Ihre Aufgabe bestand z. B. darin, darauf zu achten,
Mobilität und Kommunikation
Proxenie
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Gesandtschaften
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
dass die Interessen der von ihnen vertretenen Stadt und ihrer Bürger gegenüber der Heimatstadt gewahrt blieben; oftmals waren es Proxenoi, die in Konfliktfällen zwischen beiden Städten friedliche Einigungen zustande brachten. Entsprechend hören wir in den Quellen, dass das Institut oft auch Loyalitätsprobleme mit sich brachte. Noch bedeutender und verbreiteter in der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit war das weite Feld der Gesandtschaften (griechisch:presbei/ai/ presbeíai, lateinisch: legationes), die sich je nach Aufgabenfeldern und Bevollmächtigungen z. T. stark unterschieden. Gesandte waren durch das Völkerrecht gesichert, mussten sich aber regelrecht ausweisen. Das schützte sie bei An- und Rückreise sowie für die Dauer ihres Auftrages (auch außerhalb Griechenlands bzw. des römischen Einflussbereiches) nach Recht, Religion und Sitte, denn ihr Schutzherr war der höchste Gott. Sie durften in keiner Form angetastet werden, weder bedroht noch festgehalten und schon gar nicht verletzt oder getötet werden. Die Anerkennung dieses sakral verankerten Rechts bedeutete Teilhabe an der „zivilisierten“ Völkergemeinschaft, wie umgekehrt die Verletzung des Gesandtenrechts „barbarisch“ war („barbarisch“ hier in einem pejorativen Sinne, denn natürlich war das Gesandtenrecht auch bei „Barbaren“ heilig). Dadurch konnte immer ein Mindestmaß an formalisierten und stabilen Beziehungen aufrechterhalten werden. Man kann natürlich auch Brüche des Gesandtenrechts aufzählen, so etwa die Misshandlung persischer Gesandter durch Sparta und Athen vor Ausbruch der Perserkriege. Die Gesandten des Großkönigs hatten Wasser und Erde zum Zeichen der Unterwerfung gefordert, und die Poleis hatten die Gesandten getötet. Das war eine eklatante Verletzung des Völkerrechts und wurde auch von den Übeltätern als solche empfunden. Nach den Perserkriegen sühnten deshalb zumindest die Spartaner ihr Vergehen gegenüber den Persern. In Rom waren in der Frühzeit sicherlich die Fetialen die Hauptgesandten, welche im zwischenstaatlichen Verkehr eingesetzt wurden; sie waren jedenfalls an den meisten Rechtsakten mit fremden Gemeinden beteiligt. Später traten legati oder oratores an ihre Stelle und genossen den gleichen Schutz (s. Pomponius in Dig. 50,7,18, der eine Verletzung des Gesandtschaftsrechts ausdrücklich als contra ius gentium – „gegen das Völkerrecht“ bezeichnet). Der Grundsatz findet sich formuliert bei dem spätantik-frühmittelalterlichen Isidor von Sevilla (Etym. 5,6): legatorum non violandorum religio (religiöser Schutz vor einer Verletzung der Gesandten), eine Formulierung, die wieder in die sakrale Sphäre des antiken Völkerrechts weist. Gesandte anderer Gemeinden erhielten in Rom das hospitium publicum (öffentliches Gastrecht). Zentrale Faktoren des Gesandtschaftswesens waren: 1. der Schutz der Gesandten nach dem ius gentium; 2. die Bevollmächtigung der Gesandten, die einmal als bloße Boten, das andere Mal mit Verhandlungsvollmachten auftreten konnten (Beispiele: die Athener im Melier-Dialog, die Fetialen in der italischen Welt, die Ultimaten überbringenden römischen Gesandten
3.6 Vertragswesen
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des 2. Jahrhunderts); 3. der hohe gesellschaftliche Status der Gesandten; 4. die Aufnahme der Gesandten. Mit der griechischen Variante von Diplomatie macht uns Thukydides in Form eines Lehrstückes vertraut, wenn er in Buch 4 bis in alle Einzelheiten den Ablauf der Verhandlungen zum Abschluss eines Waffenstillstandes zwischen Athen und Sparta im Jahre 423 schildert. Bei den Römern geben uns Polybios und Livius mit ihren ausführlichen Berichten über den Beginn der Kriege des 2. Jahrhunderts v.Chr. einen guten Einblick in die Verfahrensformen diplomatischer Missionen. Es gab ferner die Institution des Geleitbriefes, wie wir ihn etwa genauer aus den jüdisch-römischen Verhandlungen im 2. Jahrhundert v.Chr. kennen: In diesem Fall stellte der römische Senat zur Absicherung eines potenziell gefahrvollen Rückweges von Rom nach Jerusalem den jüdischen Gesandten solche Briefe aus. In der Völkerwanderungszeit entsprachen diesen die tractoriae epistulae (wörtlich „Schreiben zum Zug“, also Begleitschreiben), mittels derer den Legaten verschiedener gentes Sicherheit und Verpflegung auf ihrer Reise gewährt wurden (Cassiod. var. 7,33). Zum diplomatischen Verkehr gehörte überhaupt der Briefwechsel zwischen den Parteien, der zumeist den Verhandlungen zugrunde gelegt wurde; daneben gab es aber auch Gesandte, die als offizielle Verhandlungsführer autorisiert waren. Damals wie heute kam es auf Nuancen an, diplomatische Umgangsformen und Rituale waren penibel einzuhalten: Könige etwa redeten sich – von gleich zu gleich – mit „Bruder“ an. Darüber hinaus und parallel liefen natürlich Kontakte – zwischen- und substaatliche – über private Kanäle, also zwischen adligen Familien oder Freunden untereinander. Für die griechische Poliswelt ist dieser Faktor in jüngster Zeit gründlich erforscht worden. Die völkerrechtlichen Termini für „Freundschaftsverträge“ bzw. Freundschaften fili/ai/philíai und amicitiae entstammen aus der ursprünglich persönlichen Sphäre und haben sich als zentrale politische Begriffe erhalten.
Weitere Formen der Diplomatie
3.6 Vertragswesen Der Staatsvertrag als eines der wesentlichen Instrumente des antiken Völkerrechts ist seit dem 3. Jahrtausend bezeugt, und es ist nach den neuesten Forschungen durchaus wahrscheinlich, dass das altorientalische Vertragswesen nicht ohne Einfluss auf das griechische geblieben ist. Eine Vertragssystematik im modernen Sinne kannte das antike Völkerrecht nicht, auch nicht das römische. Immerhin haben aber Livius und der Jurist Pomponius pragmatische Einteilungen vorgenommen: Livius etwa lässt die Vertreter einer königlichen Gesandtschaft des Seleukidenreiches folgende „Systematik“ aufstellen (34, 57, 7–9): esse autem tria genera foederum quibus inter se paciscerentur amicitias civitates regesque: unum, cum bello victis dicerentur leges ... alterum, cum pares bello aequo foedere in pacem atque amicitiam venirent ... tertium esse genus cum qui numquam hostes fuerint, ad
Staatsverträge
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Differenzierung
Griechische Vertragstypen
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
amicitiam sociali foedere inter se iungendum coeant („Es gebe drei Arten von Verträgen, die Gemeinden und Könige untereinander zum Zwecke der Freundschaft abschließen: eine, wenn den im Krieg Besiegten ein Diktat auferlegt wird, eine zweite, wenn nach einem Krieg von gleich zu gleich Friede und Freundschaft geschlossen wird, die dritte Gattung, wenn solche, die niemals Feinde gewesen sind, ein Freundschaftsbündnis untereinander schließen“). In dieser Definition geht es, wie unschwer zu erkennen ist, um Statusfragen der Vertragsschließenden, nicht eine inhaltliche Systematisierung; dieses wird auch durch den konkreten Quellenzusammenhang nahegelegt. Pomponius nennt in seiner Einteilung (Dig. 49,15,5,2) als Kategorien zwischenstaatlicher Zusammenarbeit amicitia, hospitium und foedus amicitiae causa factum (ein aufgrund der Freundschaft geschlossener Vertrag). Hier sind Verträge eine Kategorie von Zusammenarbeit neben Freundschaft und Gastfreundschaft. Wir müssen also darauf verzichten, nach dem Vorgang des modernen Völkerrechts und in dessen Kielwasser (etwa bei E. Täubler) eine hochdifferenzierte juristische Klassifizierung antiker Vertragsformen vorzunehmen. Im Folgenden sei kurz auf das Wesen der griechischen bzw. römischen Vertragsterminologie eingegangen: Das griechische Vertragswesen entnahm seine Begriffe für die einzelnen Vertragsarten ganz unterschiedlichen Aspekten des Abschlussverfahrens oder des Instruments. Die Verträge hießen Spondai oder Horkia und leiteten sich von der sakralen Zeremonie ab, die den Vertragsschluss begleiten musste; eine nach dem Inhalt spezifizierte Nomenklatur gab es nicht. Die Begriffe deuten auf ein hohes Alter, da sie personalen Charakters sind. Ähnliches gilt für Philia (Freundschaft), Xeinia (Gastfreundschaft), Ekecheiria (Einhalten des Handgemenges = Waffenstillstand) und Anokoche (Anhalten = Waffenruhe), die das Ziel der Vereinbarung jeweils ausdrücken und noch ganz in der nichtstaatlichen, personalisierten Sphäre verankert sind. Symmachie (Bündnis), Eirene (Frieden), Sympolitie, Isopolitie (besonders enge, das Bürgerrecht einschließende interpolitische Zusammenarbeit), wohl auch Symbola (Rechtshilfeverträge) sind späte, auf die Polisgemeinschaft bezogene Vertragsformen und leiten sich vom Vertragsziel ab. Syntheke und Homologie verweisen wiederum auf die Form der Vereinbarung, insofern als Syntheke (Zusammenfügung) sowohl den einzelnen Vertragspunkt wie auch den ganzen zwischen zwei Parteien zustandegekommenen Vertrag bezeichnen kann, während Homologie (Übereinstimmung) eine einseitige Anerkennung von Forderungen bzw. Vorschlägen bedeutet. Allgemein kann ein Begriff mehrere Vertragsinhalte (nach moderner Systematik) tragen. Man erkennt bei dieser Vertragseinteilung, dass sie weder nach einzelnen Kriterien vorgenommen wurde noch überhaupt systematisch war. Vielmehr laufen in ihr verschiedene Achsen zusammen, personalisierte und interpolitische, historische und gegenwärtige, formale und inhaltliche.
3.6 Vertragswesen
33
Anders und weiter gefasst ist die Vertragseinteilung bei den Römern. Die althistorische und juristische Forschung hat auf dem Gebiet des römischen Völkerrechts erhebliche Anstrengungen unternommen, um zu systematisieren. Mommsen z. B. hatte eine Zweiteilung zwischen transitorischen (i. e. zeitlich begrenzten) und ewigen Vertragsabschlüssen vorgenommen, Täub ler weit darüber hinaus gehend eine inhaltliche Fünfteilung aller Vertragstypen: deditio, clientela, amicitia, foedus und schließlich den von ihm so genannten „Präliminarvertrag“ (als Waffenstillstand verstanden). Allerdings ist daran massive Kritik geäußert worden. Die meisten Termini der römischen Vertragssprache bezeichnen den Inhalt der Vereinbarung. Anders verhält es sich mit dem als zentralen Begriff für „Staatsvertrag“ anzusehenden foedus , das inhaltlich sehr viel umfassen kann. Er hat etymologisch eine gemeinsame Wurzel mit fides und bezeichnet also die Form, nämlich die Eidesleistung; weil alles beeidet wurde, ist dementsprechend auch der Begriff foedus allumfassend (zu der angeblichen Unterscheidung von foedus aequum und f. iniquum s. Forschungsüberblick). Die Wirkung eines foedus kann ein Friedenszustand (pax) oder ein Bündnis (societas) sein. Der formale Abschlussvorgang war in früher Zeit Aufgabe des Priesterkollegiums der Fetialen; ihm konnte eine sponsio vorausgehen, eine „gegenseitige Verbürgung“ seitens der Repräsentanten des populus Romanus. Ältere personale Elemente fließen in das hospitium (Gastfreundschaft) ein, während amicitia (Freundschaft) anders als das griechische Pendant Philia keine eigene Vertragsgattung war (A. Heuss) oder dies jedenfalls nicht sein musste. Ein gastfreundliches Verhältnis konnte publice privatimque (sowohl öffentlich wie auch privat) abgeschlossen werden, woher die Übernahme früher Beziehungsformen in die Außenpolitik erwiesen ist. In späterer Zeit verlor das Institut der Gastfreundschaft an Bedeutung, wahrscheinlich abgelöst durch die amicitia populi Romani (Freundschaft des römischen Volkes) seit dem 2. Jahrhundert v.Chr. Diese konnte auch einfach an Fürsten oder Könige verliehen bzw. wieder entzogen werden. Immer wichtiger wurde des weiteren die deditio, seit die Suprematie der Römer immer offenkundiger wurde. Nach der communis opinio unserer Tage gehört die „Übergabe“ des eigenen Staates in die Verfügungsgewalt Roms (in fidem, in dicionem oder in potestatem) nicht zu den Verträgen, sondern zu den einseitigen Verfügungen Roms. Daran war die Erwartung, wenngleich wohl nicht die normative Verpflichtung geknüpft, dass Rom diese Verfügungsgewalt angemessen ausüben würde. Ab Caesar wird die deditio praktisch die einzige Vertragsform und zum Synonym für „Freundschaft machen“, denn Freundschaft konnte man sich in dieser Phase der römischen Suprematie nur als „Übergabe“ vorstellen. In der Regel waren mit ihr auch Geiselstellungen zur Absicherung verbunden. Der Friedensvertrag schließlich heißt pax, das sich von „vereinbaren“ (pacisci) ableitet und deshalb nicht nur den Friedenszustand, sondern auch den Vertrag an sich bezeichnen kann; der befristete Waffenstillstand wird als das bezeichnet, was er ist, denn er heißt indutiae
Römische Vertrags einteilung
foedus
amicitia
deditio
pax und indutiae
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3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
(eingeschobene Zeit) und ist auch – zumindest in der Kaiserzeit – deutlich vom „wirklichen“ Frieden geschieden; wenigstens formal kommt ihm deshalb keine kriegsbeendigende Wirkung zu. 3.7 Schiedsgerichte Schiedsgerichtliche Verfahren sollen in aller Regel eine gütliche Einigung in einem Streitfall zustandebringen; sie sind damit naturgemäß freiwillig. Es gab sie sowohl im Streit zwischen Bürgern als auch im Streit zwischen Staaten. Aber nur in der griechischen Welt mit ihrem dichten Nebeneinander selbstständiger Poleis, die infolge dieser Nachbarschaft auch ein ungeheures Streitpotenzial entwickelten, konnte sich das Schiedsgericht zu einem Grundzug der interpolitischen Kultur entwickeln, da Rom mit der Zeit die Verhältnisse in Italien allein bestimmte und schließlich ein Imperium entwickelte, das schiedsgerichtliche Verfahren nur noch im Innern einsetzte. Die überlieferten Fälle schiedsgerichtlicher Entscheidungen im interpolitischen Bereich waren in der Regel Gebietsstreitigkeiten, in den Verträgen des 5. Jahrhunderts wurden allerdings generelle Vereinbarungen über streitschlichtende Schiedsgerichte aufgenommen; so lautete eine Bestimmung der Spondai von 446/5 zwischen Athen und Sparta: „Streitpunkte sollen sie in einander gewährten Schiedsverfahren verhandeln“ (Thuk. 7,18,2). 3.8 Neutralität Das antike Völkerrecht kennt keinen Begriff, den man als Äquivalent für die moderne Neutralität verwenden könnte, sondern nur Umschreibungen: in der bipolaren, zwischen Athen und Sparta aufgeteilten Welt des 5. Jahrhunderts v.Chr. waren die „Blockfreien“ als „keiner Seite [der beiden Bündnissysteme] zugehörig“ oder „nicht [in die Bündnislisten] eingeschriebene Poleis“ gekennzeichnet; ihre Rechte wurden vertraglich zwischen den beiden Großmächten Athen und Sparta festgelegt. Sonst sprach man eher von Staaten, die während der von anderen geführten Kriege „Ruhe halten“. 3.9 Reichs- und polisübergreifende Konzeptionen: Koine Eirene und bellum iustum Die heutigen internationalen Beziehungen sind geprägt von regionalen und universellen Zusammenschlüssen wie EU, Völkerbund, UN oder globalen bzw. regionalen Spezialorganisationen (Weltbank, IWF etc.). Solche Formen internationaler Zusammenarbeit und Integration, denen allerdings auch zwei Weltkriege nachhelfen mussten, waren der Antike kaum geläufig. Andererseits standen seit dem 2. Jahrhundert v.Chr. unter dem Dach des einen, weltumspannenden Imperium Romanum ganz andere Möglichkei-
3.9 Reichs- und polisübergreifende Konzeptionen: Koine Eirene und bellum iustum 35
ten zur Verfügung, ein friedliches Zusammenleben verschiedener Völker und Regionen aktiv zu entwickeln. Die Beziehungen zwischen der Zentrale und den einzelnen Regionen waren, zumal in der Kaiserzeit, außerordentlich differenziert gestaltet. Die Gründe dafür sind vielschichtig und meist pragmatischen Ursprungs, und es ist auch nicht immer (übrigens auch für die zeitgenössischen Beobachter nicht) eine klare Grenze zwischen Innen und Außen zu ziehen. Insgesamt sicherte aber dieses Geflecht unterschiedlicher Bindungsgrade und -formen in Verbindung mit der patronalen Fürsorgepflicht des Kaisers den einzelnen Regionen für über 200 Jahre ein friedliches und wirtschaftlich relativ gesichertes Auskommen. Aber auch die griechische Poliswelt hatte durchaus übergeordnete Strukturen herausgebildet, welche die Autonomie der Polis begrenzten – nicht nur als Folge hegemonialer Machtpolitik, sondern auch zur Konfliktschlichtung und aufgrund entwickelter zwischenstaatlicher Zusammenarbeit. Dazu gehören: 1. die Einrichtung von Schiedsgerichten, 2. das Konzept der Neutralität, 3. die Koine-Eirene-Verträge und auch 4. die unten zu behandelnden Staatenbünde. Charakteristisch für die Antike ist ferner die Bindung des Krieges an die Einhaltung bestimmter Formalien und auch an materielle Voraussetzungen, welche sich in der Römischen Republik zur bellum-iustum-Theorie verfestigt hatten.
Integration im Impe rium Romanum
Kooperation in Griechenland
3.9.1 Koine Eirene Das – „kurze“ – griechische 4. Jahrhundert (386–323 v.Chr.) hat der Welt eine Vertragsform beschert, die es überhaupt nur in diesem Jahrhundert und auch nur in dieser Region gab: die Koine-Eirene-Verträge. Griechische Städte beschworen mindestens sechsmal einen „Allgemeinen Frieden“. Der erste stammt aus dem Jahre 386, der letzte ist die Verlängerung des Korinthischen Bundes von 338 nach dem Sieg Philipps II. über die griechischen Städte bei Chaironeia. Diese Verträge sind über drei Charakteristika miteinander verbunden: 1. sie sind multilateral; 2. sie begründen eine Eirene für die vertragsschließenden Parteien; 3. sie enthalten Autonomiegarantien für die griechischen Poleis. Teilweise waren an den Vertragsabschlüssen auch außergriechische Mächte beteiligt, wie etwa im Jahre 386 die Perser die Beendigung des Korinthischen Krieges bewirkten und 338 Philipp II. als Hegemon den Korinthischen Bund griechischer Poleis (mit Ausnahme Spartas) einrichtete. Die inhaltlichen und begrifflichen Neuerungen dieser Vertragsform sind grundlegend und gehen weit über die bis dahin gebräuchlichen Vertragsformen hinaus. Autonomie und Frieden wurden zum Hauptinhalt, gar zum Titel völkerrechtlicher Abmachungen, somit zu Indikatoren nachhaltiger Veränderungen im politischen Wertesystem. Insofern ist diese Vertragsform der Versuch, aus den Fehlentwicklungen der jüngeren Vergangenheit zu lernen – vergleichbar etwa der Gründung eines Völkerbundes nach dem 1. Weltkrieg, und in der Tat hatte ja auch der amerikanische Präsident Woodrow Wilson – womöglich bewusst – begriff-
Der „Allgemeine Friede“
Moderne Parallelen
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Fehlen einer Instanz
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
lich an die Koine Eirene angeschlossen: „There must be not a balance of power, but a community of power, not organized rivalries, but an organized Common Peace“, so ließ er am 22. Januar 1917 im amerikanischen Senat verlauten. Hier wie dort war man freilich nicht wirklich erfolgreich, und moderne Untersuchungen stellen der griechischen Politik des 4. Jahrhunderts „Überambitioniertheit“ als Zeugnis aus, so dass sie gleichsam zum Scheitern verurteilt gewesen sei. Freilich ist zu bedenken, dass jedes Recht einer wirksamen Kontrollinstanz bedarf, die auch befähigt ist, seine Einhaltung durchzusetzen. So liegt wohl der entscheidende Fehler der KoineEirene-Verträge in einer allgemeinen Unzulänglichkeit des Völkerrechts begründet, nämlich, dass es keine Instanz gab, die die Einhaltung der Normen hätte erzwingen können. Als eine solche Instanz in Gestalt des makedonischen Königs vorhanden war, mächtig genug, die Verträge durchzusetzen, da hatte sich die griechische Welt bereits zu einem Bestandteil des makedonischen Reiches verändert – und die völkerrechtliche Ordnung war generell außer Kraft gesetzt worden. Der griechische „Völkerbund“, die unter den Werten des Friedens und der Autonomie vereinigte Polis-Welt, hatte sich zu einem Reich unter makedonischer Führung entwickelt. 3.9.2 bellum iustum
Grotius und Augustin
Ciceros Maßgaben
Die Idee des „gerechten Krieges“ ist über das monumentale Werk De iure belli ac pacis des Hugo Grotius (1583–1645 n.Chr.) zur Grundlage des modernen Völkerrechts geworden; sie verbindet bei Grotius über christliche Werte die Völker der Welt zu einer auf Religion, Rationalität und Friedfertigkeit gründenden Gemeinschaft. Das bellum iustum geht in seiner christlichen Umdeutung auf den lateinischen Kirchenvater Augustin (354–430 n.Chr.) zurück, der wiederum auf Ciceros De re publica (geschrieben 52 v.Chr.) zurückgriff. Dort heißt es: „Jene Kriege sind ungerecht, die ohne Grund unternommen werden. Denn ohne den Grund, sich zu rächen oder die Feinde zurückzuschlagen, kann kein gerechter Krieg geführt werden. Kein Krieg gilt als gerecht außer dem angesagten, erklärten, außer nach Stellung der Forderung auf Rückgabe des Eigentums“ (3,35). Cicero schrieb in hochbewegter Zeit seine Version des idealen Staates, der sich in Angleichung an das Ideal der klassischen Republik am Recht in allen Bereichen orientieren sollte, und das bedeutet: auch in der Außenpolitik. Ziel aller in diesem Sinne gerechten Kriege sei, ut sine iniuria in pace vivatur („dass man ohne Unrecht in Frieden leben kann“: Cic. off. 1,35). Mit dem expliziten Bezug auf die Vorfahren (maiores) erklärt er den langen Vorgang der römischen Reichsbildung zu einem rechtskonformen Prozess – nicht mehr und nicht weniger. Diese Vorstellung impliziert für jeden gerechten Krieg folgende Elemente: 1. der Krieg muss formal korrekt (nach Fetialritus) erklärt werden; 2. einer Kriegserklärung muss die Rückforderung vorausgehen – also Verhandlung mit Androhung von Gewalt; 3. der Kriegsgrund muss „gerecht“ sein (nicht nur: „triftig“): Cicero meint offenbar – denn einen
4.1 Vorbemerkungen
37
Katalog von gerechten/triftigen Kriegsgründen stellt er nicht auf – die Abwehr von Unrecht, die Bestrafung für Rechtsverletzungen an Rom oder seinen Verbündeten, die Selbstverteidigung; 4. das Ziel der Kriegsführung muss der Friede „ohne Unrecht“ sein, also auch eine Beachtung des ius in bello. Die einzelnen Punkte sind so neu nicht, sie tauchen auch schon in staatsphilosophischen Überlegungen der Griechen zum Krieg auf bzw. wurden auch bei griechischen Kriegen praktiziert (etwa die formelle Kriegserklärung als Regelfall). Ciceros Theorie war jedoch kein bloßes, in der Auseinandersetzung mit griechischer Philosophie (insbesondere der Stoa) gewonnenes Konstrukt zur Rechtfertigung des Weltreiches, sondern nahm in veränderter Form auf, wie sich die römische Republik der maiores (Vorfahren) im 3. und zu Beginn des 2. Jahrhunderts Herrschaft überhaupt nur vorstellen konnte, nämlich als eine enge Verbindung zwischen socii (Bundesgenossen) und Rom. Dieses Modell unterschied sich von der Herrschaftspolitik hellenistischer Staaten, und es erklärt auch die breite Zustimmung zur römischen Außenpolitik in dieser Zeit. Bedrohte Poleis und Gemeinden konnten sich scheinbar risikolos mit der Bitte um Hilfe an Rom wenden, denn sie hatten ja nicht zu befürchten, dass die alten Herren nur ausgetauscht werden sollten. Diese Sicht der Dinge ist insbesondere im jüdischen 1. Makkabäerbuch – einer nicht in irgendeiner Form von römischer oder griechischer Seite beeinflussten Quelle – erkennbar; dort gibt es keinen ausdrücklichen Bezug auf ein wie auch immer geartetes bellum iustum, doch ein hohes Lob der Römer für ihre Art der Kriegführung zugunsten ihrer Freunde. Insofern ist die bellum iustum-Theorie und insbesondere die Einbeziehung der Verbündeten in Ciceros Auffassung vom gerechten Krieg keine nachträgliche Rechtfertigung einer beispiellosen Expansion gewesen, sondern doch, anders als sie heute meistens bewertet wird, eine empirisch gewonnene Theorie. Der gerechte Krieg war vielmehr die einzig mögliche Form, den römischen Einfluss ohne Gefahr für die eigene Ordnung zu sichern – mithin also spezifisch römisch. Gewiss kann damit aber nicht den Römern ein besonders verantwortungsvoller Umgang mit dem Krieg bescheinigt werden, wie auf der anderen Seite auch nicht die Gültigkeit der Theorie mit dem Verweis auf die faktische Aggressivität der römischen Expansion im 3. und 2. Jahrhundert bestritten werden sollte.
bellum iustum und Expansion
4. Bünde 4.1 Vorbemerkungen Bünde stellen das Mittelglied zwischen Außenpolitik und Reichsbildungen dar. Verbindungen engerer Art, die wir im Deutschen als „Bünde“ bezeichnen, kannte die griechisch-römische Antike zwischen Einzelpersonen, Familien, Herrschern und Gemeinden, die hebräische Bibel sogar den Bund
„Bund“
38
Ziele von Verbindungen
Bündnis und Polis
Hauptformen
4. Bünde
(tyrb;% Brith) zwischen Menschen und Gott. Auf einen alle Einzelbünde umfassenden Oberbegriff wurden diese Verbindungen freilich weder von den Griechen noch von den Römern gebracht; für den Ehebund, das Bündnis unter Adligen oder Königen, das Kriegsbündnis, den (Gast-) Freundschaftsbund, den Eidesbund, den Hegemonialbund, den Religionsbund etc. existierte jeweils eine eigene Bezeichnung. Verbindungen zwischen Gemeinden, politisch autonomen Einheiten oder Herrschern waren auf vier sich überschneidende Ziele ausgerichtet: 1. Verteidigung gegen drohende oder bereits existierende Gefahren; 2. Bildung von religiösen, rechtlichen, wirtschaftlichen oder politischen Interessengemeinschaften; 3. Begründung bzw. Ausbau hegemonialer Stellungen durch mächtige „Staaten“; 4. Friedens- und Autonomiesicherung. Unabhängig von ihren jeweiligen Zielen konnten Bündnisse zu einer der Hauptquellen für „Reichsbildungen“ werden (z. B. der so genannte Delisch-Attische Seebund zum athenischen „Reich“, das römische Bundesgenossensystem zum Römischen Reich). Die Intensität der Zusammenarbeit und die Erfolge antiker Bündnissysteme verschafften ihnen bis in die neueste Zeit hinein aus ganz unterschiedlichen Gründen Vorbildcharakter. Bündnisse unterschiedlicher Art erlebten aufgrund des „politischen“, also im ursprünglichen Wortsinne auf Poleis beruhenden Systems in der Antike tatsächlich eine Blütezeit. Das Nebeneinander unzähliger selbstständiger politischer Einheiten, der Poleis, erzwang geradezu die außenpolitische Zusammenarbeit mittels des „interpolitischen“ und schriftlich fixierten sowie stark formalisierten Bündnisses. Reichsbildungen größeren Ausmaßes wie durch Alexander den Großen oder das Imperium Romanum beeinträchtigten natürlich diese freie Form zwischenstaatlicher Zusammenarbeit, so dass die Hochzeit von Bündnisabschlüssen insbesondere in der griechischen Welt auf das 5. und 4. Jahrhundert, in der römischen Welt auf das 4. und 3. Jahrhundert zu begrenzen ist. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die römische Außenpolitik auch nach der erreichten Hegemonialstellung in der außeritalischen Welt auf Bündnisse setzte; doch wurden diese nun zu einem Mittel römischer Herrschaftspolitik umgedeutet. Die griechische Welt bezeichnete die Hauptform des zwischenstaatlichen Bündnisses als summaxi/a/symmachía, die römische als foedus (der formelle Vertrag) und societas (dessen Wirkung); daneben kannte man weitere Formen, etwa die Amphiktyonie, Epimachien, Sym- und Isopolitien. 4.2 Amphiktyonie
Sakrale Zusammenschlüsse
Die Amphiktyonie ist der technische Begriff für einen sakralen Zusammenschluss von Stämmen und Städten um ein Heiligtum. Ausdrücklich als Amphiktyonien sind lediglich drei Bünde bezeugt: für Kalaureia in der Argolis (Strab. 8,6,14), für Onchestos in Boiotien (Strab. 9,2,33) und – als die
4.2 Amphiktyonie
39
Amphiktyonie par excellence – die pylaiisch-delphische um das ApolloHeiligtum in Delphi, deren Ursprung jedoch nicht hier, sondern in Anthela bei den Thermopylen lag (worauf noch die Begrifflichkeit wie „Pylaia“ und „Pylagoren“ hinweist). Es gibt allerdings noch weitere ähnlich strukturierte Zusammenschlüsse, wie diejenigen von Delos, Samikon, Helike, Triphylien oder Panionion. Die wichtigste und wohl auch das alleinige Namensrecht beanspruchende Amphiktyonie war also die pylaiisch-delphische, deren Mittelpunkt in klassischer Zeit das Apollo-Heiligtum in Delphi, ursprünglich aber das Heiligtum der Demeter in dem Dorf Anthela bei den Thermopylen (Hdt. 7,200) war. Delphi trat erst später, wohl im 7. Jahrhundert oder nach dem Ersten Heiligen Krieg gegen die phokische Stadt Krisa zu Beginn des 6. Jahrhunderts, hinzu. Die zwölf Mitglieder dieser Amphiktyonie waren ausschließlich Stämme: Thessaler, Boioter, Dorier, Ioner, Perrhaiber, Magnesier, Doloper, Lokrer, Ainanen (Oitaier), Malier, Achaier, phthiotische Achaier, Phoker (nach Aischin. 2,116). Diese Stämme gaben sich als Gemeinschaft eine besondere Organisationsstruktur; eine Art Ehrenvorsitz hatten offenbar die Thessaler inne. Jedes Mitglied entsandte zwei Vertreter (i (eromnh/monev/hieromnémones, wörtl. „heilige Merker“, d. h. Beamte, die die heiligen Dinge wie Opfer zu verrichten verstehen) in den im Frühjahr und im Herbst tagenden Rat der Amphiktyonie, der für die den Tempel betreffenden Verwaltungsaufgaben sowie die Ausrichtung der pythischen Festspiele, nicht aber für das Orakel zuständig war. Es gab fernerhin noch die Pylagoroi und Agoratroi als Personal und Abgeordnete, deren Verhältnis zu den Hieromnemones nicht ganz klar bestimmbar ist. Der Eid der Amphiktyonen ist uns durch Aischines, eine Quelle des 4. Jahrhunderts, überliefert (Aischin. 2,115 und 3,109f.) und enthielt völkerrechtlich bedeutsame Verpflichtungen ihrer Mitglieder, insbesondere das Verbot, Mitgliedsstädte zu zerstören, zu belagern, auszuhungern oder von der Wasserversorgung abzuschneiden, und zwar, wie es ausdrücklich heißt, „weder im Krieg noch im Frieden“. Eidbrüchigen wurden harte Sanktionen angedroht. Wie diese vollzogen wurden, ist wie vieles in diesem Bereich noch ungeklärt; offenbar fanden jedoch viele kriegerische Auseinandersetzungen innerhalb der Amphiktyonie selbst statt. Die Amphiktyonie als Bündnisform birgt heute viele Geheimnisse, deren Entschlüsselung sich die Forschung widmet und weiter widmen muss. Vor allem ihre Entstehungsbedingungen liegen völlig im Dunkeln. Als Keimzellen amphiktyonischer Bünde sind kultische Zusammenschlüsse denkbar, entstanden aus dem Zerfall ethnischer Großverbände, aber insgesamt wissen wir noch zu wenig über die archaischen Grundlagen späterer Organisationen. Sicher ist aber, dass die politischen Möglichkeiten mittels der Amphiktyonie in der säkularisierten Welt des 5. und 4. Jahrhunderts eher gering waren, so dass die Staaten andere Wege der Zusammenarbeit bevorzugten.
Pylaiisch delphische Amphiktyonie
Eid
Offene Fragen
40
4. Bünde
4.3 Symmachie Militärbündnis
Kampfgemeinschaft
Reziprozität
Freundschaft
Die wichtigste Form zwischenstaatlicher Zusammenarbeit in der griechischen Welt war nicht die Amphiktyonie, sondern das militärische Bündnis, die Symmachie (summaxi/a/symmachía); dies gilt zumindest seit dem 6. Jahrhundert, also der Zeit der entwickelten Polis. Mit dieser hängt die Symmachie als Vertragsform untrennbar zusammen. Den besten Beweis für den Zusammenhang zwischen Polisbildung und Symmachie liefern die homerischen Epen: Obwohl ein großer Kampfbund, bestehend aus den „Königen“ (basilei=v/basileîs) der griechischen Welt, den Zug gegen Troja unternimmt, spricht Homer dennoch in diesem Zusammenhang nie von einer Symmachie, sondern nur von „beeideten Vereinbarungen“ (o3rkia/hórkia) (Hom. Il. 2,339). Der Begriff Symmachie präzisiert ein Bündnis als „Kampfgemeinschaft“, die einen „Hauptkriegführenden“ und seine „Mitkämpfer“ umfasst und an ein konkret benennbares Kriegsziel gebunden ist. Die (moderne) Unterscheidung zwischen offensiv oder defensiv ausgerichteten Bündnissen findet keine griechische Entsprechung. Da Thukydides (1,44) und andere gelegentlich auch von einer „Epimachie“ sprechen, ist in der neueren Forschung immer wieder die (angeblich eher offensive) Symmachie der (dezidiert defensiven) Epimachie gegenübergestellt worden. Doch ist nur summaxi/a/symmachía ein technischer Begriff, während e)pimaxi/a/epimachía gewiss eine thukydideische Wortschöpfung zur Beschreibung einer konkreten Situation, nämlich einer Symmachie zwischen Korkyra und Athen, war. Zu differenzieren ist im Falle der Symmachie zwischen der rechtlichen Form, der Legitimation, dem ritualisierten Abschlussverfahren, der politischen Bedeutung, der Einzelfallbetrachtung und der historischen Entwicklung. Grundsätzlich sind folgende konstitutive Elemente dieser Form der interpolitischen Zusammenarbeit festzuhalten: 1. Symmachieverträge sind grundsätzlich zweiseitige Abkommen zwischen dem Hauptkriegführenden und seinen Mitkämpfern. Ihrer Form nach waren Symmachieverträge nie „ungleiche Verträge“ (foedera iniqua im römischen Sinne), auch wenn sie das in der Praxis gewesen sein mochten. Es galt immer die Reziprozität. 2. Bis in das 4. Jahrhundert v.Chr. hinein war die Symmachie an die vorherige Feststellung freundschaftlicher Verhältnisse zwischen den Vertragspartnern gebunden, d. h. es musste diesen Kampfgemeinschaften die Aufnahme „völkerrechtlicher“ Beziehungen vorausgehen, was durch Freundschaftsvertrag oder Spondai (bei vorherigem Krieg) erfolgte. Erst im 4. Jahrhundert wurde die Symmachie eine auch rechtlich selbstständige Vertragsform.
4.3 Symmachie
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3. Rechtswirksam wurde der Vertrag durch Eidesleistungen beider Parteien, deren Adressaten gemeingriechische und die jeweils ortsüblichen Gottheiten waren. 4. Formal sind zwei Arten von Symmachieverträgen zu unterscheiden: a) zuerst (dies auch zeitlich) solche mit der „Freund-Feind-Klausel“, nach der die Vertragspartner „dieselben Freunde und Feinde haben“ sollen; diese Klausel beeidete der „Mitkämpfer“ dem Hauptkriegführenden gegenüber; b) im 5. Jahrhundert traten Verträge mit einer „Schutzklausel“ hinzu, in denen sich beide Vertragspartner gegenseitiger Hilfe versicherten, wenn ein Feind ihr Land angriff. Diese jüngere Form der Bindung aneinander war weniger fest. Als Athen in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v.Chr. seine Bündnisverträge auf der Basis der Freund-Feind-Klausel zur Knebelung der Verbündeten missbrauchte, erfreuten sich die Schutzklausel-Verträge einer besonderen Beliebtheit in der griechischen Poliswelt, ohne dass freilich die alte Freund-Feind-Klausel ganz aus der Mode kam. Doch trug vor allem der Autonomiegedanke, der nach dem Peloponnesischen Krieg die griechische Außenpolitik dominierte, sehr zur Verbreitung der Schutzklausel bei. Bei Homer sind noch keine Zeugnisse dieser Vertragsform zu finden, doch ist die Symmachie kurz danach im archaischen Griechenland des 7. und insbesondere des 6. Jahrhunderts als Mittel interpolitischer Zusammenarbeit „entdeckt“ bzw. erfunden worden. Sichere Nachrichten über die konkrete Beschaffenheit derartiger Symmachien gibt es seit der Mitte des 6. Jahrhunderts; das erste inschriftliche Zeugnis ist ein in Olympia gefundener Staatsvertrag zwischen den benachbarten Städten Elis und Heraia, dessen Datierung und damit auch sachliche Zuordnung zwar umstritten ist, der inhaltlich aber eine Kampfgemeinschaft auf 100 Jahre stipuliert. Wiewohl uns das 7. und 6. Jahrhundert auch außenpolitisch zahlreiche Rätsel aufgeben, so lässt sich immerhin vermuten, dass die in dieser Phase weitverbreiteten Tyrannenherrschaften eher auf persönliche Verbindungen gesetzt haben, um mit der Außenwelt zusammenzuarbeiten. Gastfreundschaften, Eheschließungen, Gabentausch und auch Hikesien (s. Kap. II.3.4) stellten bevorzugte Formen solcher Art von Außenpolitik dar und reflektierten die Stellung der Tyrannen innerhalb ihrer Poleis. Doch mit dem Ende dieser Phase, die den Prozess der Institutionalisierung der Poleis nur verzögern, aber nicht aufhalten konnte, wurde die Symmachie seit dem Ende des 6. Jahrhunderts zum Hauptformat außenpolitischer Zusammenarbeit. Die Perserkriege, die athenische Machtpolitik und der Peloponnesische Krieg führten zu einer Intensivierung außenpolitischer Kontakte, und die Symmachie als Vertragsform profitierte von dieser griechischen Variante von „Globalisierung“. Denn sie allein vermochte wirksam vor äußeren Feinden zu schützen. Andererseits barg sie – wie moderne Bündnisformen – Gefahren für die Unabhängigkeit der einzelnen Städte, wenn sie zur Bildung reichsähnlicher Strukturen wie in Athen und Theben bzw.
Eid
Arten der Symmachie
Frühe Symmachien
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Befristung
Herrschafts instrument
Formale Starre
4. Bünde
hegemonialer wie in Sparta führte. Die ausgeprägte Fixierung auf die Autarkie der griechischen Polis in allen wirtschaftlichen und politischen Belangen, ja geradezu die Negierung von Außenpolitik bei den großen Philosophen des 5. und 4. Jahrhunderts, Platon und Aristoteles, mag von den negativen Erfahrungen mit Symmachien beeinflusst worden sein. Es ist darüber hinaus hervorzuheben, dass Symmachieverträge immer befristet waren, entweder durch genaue Benennung des Zeitraums ihrer Gültigkeit oder (häufiger) durch die erfolgreiche bzw. vertragliche Beendigung des konkreten Krieges. Keineswegs ist also der Symmachie durch die Freund-Feind-Klausel a priori ein Abhängigkeitsverhältnis inhärent gewesen. Freilich bildeten sich Abhängigkeiten heraus, wenn eine Stadt militärisch übermächtig war oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit die enge Bindung an mächtigere Poleis erzwungen wurde. Ein wichtiges Mittel von Herrschaftspolitik wurde die Symmachie, weil sie in ihrer unbestimmten Form der Instrumentalisierung und einseitigen Aufrechterhaltung des Kriegszustandes und damit des Vertragsverhältnisses durch den Hauptkriegführenden Vorschub leistete. Beispiele dafür bieten insbesondere die von der Forschung so genannten „Hegemonialsymmachien“ Spartas (Peloponnesischer Bund: Krieg gegen die Heloten) und Athens (Delisch-Attischer Seebund: Krieg gegen die Perser). Die Athener gingen sogar noch darüber hinaus, wenn sie abgefallene Bündner mit dem Entzug der Autonomie bestraften und auf diese Weise das Bündnissystem allmählich in ein Reich (griechisch: a)rxh//arché ) umwandelten. Doch darf man von dieser Entwicklung nicht implizit auf die Ursprünge und Intentionen schließen. Ein wesentliches Charakteristikum der Symmachien – wie übrigens aller griechischen „Staatsverträge“ – gegenüber ihrem römischen Pendant societas ist ihre erstaunliche formale Starre. Es gibt, trotz aller Intensivierung interpolitischer Zusammenarbeit, im 5. und auch im 4. Jahrhundert nur die zwei oben erwähnten Kategorien von Symmachien, nämlich erstens mit der Freund-Feind-Klausel und zweitens mit der Schutzklausel. Um diese herum wurde das Vertragsformular im 5. und 4. Jahrhundert freilich massiv ausgestaltet und jeweils an die neuen Entwicklungen angepasst. Bemerkenswert ist die zunehmende Ausführlichkeit der eidlichen Bekräftigung, deren Ziel es war, Umgehungsmöglichkeiten der einzelnen Bestimmungen auszuschalten, während die sog. Abänderungsklausel (entspricht in etwa der neuzeitlichen clausula rebus sic stantibus), welche einvernehmliche Änderungen am Vertrag erlaubte, die bilateralen Beziehungen möglichst flexibel und anpassungsfähig erhalten sollte. Die im 4. Jahrhundert zentrale Autonomiesicherung wurde rasch zu einem Standardparagraphen zwischenstaatlicher Verträge. Insgesamt betrachtet war die Symmachie ein überaus erfolgreiches, jedenfalls viel benutztes Instrument zur interpolitischen Zusammenarbeit, das in einer sich wandelnden außenpolitischen Welt eine erstaunliche
4.4 Der Peloponnesische Bund
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Konstanz aufwies. Diese erklärt sich wohl am ehesten aus der besonderen Bedeutung der Öffentlichkeit in der griechischen Außenpolitik. Denn zum einen wurden deren Grundlagen über die Polisinstitutionen definiert, zum anderen wachten die autonomen Poleis – in der Summe von vielen hundert repräsentierten sie eine Art äußerer Öffentlichkeit – über die Kompatibilität zwischenstaatlicher Verträge mit den eigenen Vorstellungen und registrierten wie ein Seismograph die Versuche mächtiger Städte, sich über Traditionen und Normen hinwegzusetzen. Der territoriale Raum erweiterte sich, aber die Regeln des öffentlichen Diskurses im Innern der Polis wurden, so weit das möglich war, von der Polis auf die zwischenstaatliche Ebene übertragen. Dem trug ein strenger Formalismus Rechnung, der die Symmachie zu einer festen Institution werden ließ und wie ein kleinster gemeinsamer Nenner allgemeine Verständlichkeit und Verlässlichkeit im Fluss des Wandels signalisierte.
Polis und Symmachie
4.4 Der Peloponnesische Bund Das erste griechische Bündnis mit dem Zusatz „System“ entstand auf der Peloponnes unter der Führung Spartas. Die Unterwerfung und Helotisierung (d. h. die Versklavung) des westlichen Nachbarn Messenien in einem zermürbenden Zweiten Messenischen Krieg gegen Ende des 7. Jahrhunderts versuchte Sparta bündnispolitisch abzusichern, zum einen, um sich vor den Befreiungsversuchen der Heloten zu schützen, zum anderen, um eine Einmischung von außen zu verhindern. Damit steht die Außenpolitik Spartas zu Beginn des 6. Jahrhunderts ganz im Banne der Innenpolitik und der Helotenproblematik. Den Anfang bündnispolitischer Aktivitäten machte, vielleicht schon in den ersten Jahrzehnten des 6. Jahrhunderts, Elis, dessen Unterstützung für Sparta die Nordwestseite Messeniens sicherte. Sodann schloss das arkadische Tegea, mit dem sich Sparta lange und in zermürbenden Kriegen auseinanderzusetzen hatte, nach einer Niederlage um die Mitte des 6. Jahrhunderts ein Bündnis mit Sparta, welches historische Dimensionen erhalten sollte. Der sich daraus entwickelnde, heute so genannte Peloponnesische Bund hatte etwa 200 Jahre Bestand. Seine Auflösung hing mit dem thebanisch-spartanischen Konflikt zwischen 371 und 362 zusammen und erfolgte 365, als Korinth sich mit den Boiotern verbündete, ohne Sparta hinzuzuziehen. Dieser chronologische Rahmen ist in der Forschung weitgehend unumstritten, wobei mehrheitlich der Vertrag mit Tegea Mitte des 6. Jahrhunderts als Inauguration des Bündnissystems gesehen wird. Dem Bündnis gehörten in seiner Blütezeit die meisten Städte der Peloponnes an; nicht integriert waren nur die Argolis, dessen Vorort Argos geradezu traditionell die Konkurrenz und Gegnerschaft zu Sparta pflegte, und die im Norden der Halbinsel befindliche Region Achaia. Korinth und Sikyon wurden ebenso wie Megara und Phleious noch vor dem Krieg
Messenien
Peloponnesischer Bund
Ausdehnung
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Restriktive Außenpolitik
Struktur
Vertragsformular
4. Bünde
gegen die Perser zu Beginn des 5. Jahrhunderts Mitglieder. Unter dem spartanischen König Kleomenes I. (520–490) orientierte sich die spartanische Außenpolitik über die peloponnesischen Grenzen hinaus. Wie weit der spätere Rivale Athen vertragliche Beziehungen zu Sparta unterhielt und also Bündner wurde, ist umstritten, aber infolge der Hegemonialstellung Spartas und der bezeugten engen Beziehungen am Ende des 6. Jahrhunderts zwischen Sparta und Athen wird man von einer Zugehörigkeit Athens zum Bündnissystem Spartas ausgehen müssen; Sicherheit lässt sich freilich nicht gewinnen. Bis zum Peloponnesischen Krieg (431–404 v.Chr.) war Spartas Außenpolitik aufgrund der politischen Konzeption des Kleomenes („Kleomenes-Doktrin“) auf das mutterländische Griechenland beschränkt, nicht ohne diese Beschränkung gegen expansive, d. h. über Griechenland hinausweisende Bestrebungen im Innern und permanente Hilfsgesuche von außen verteidigen zu müssen. Erst mit dem Krieg gegen Athen, der die Spartaner zu einer Art Schutzmacht der griechischen Autonomie avancieren ließ, weitete sich zwangsläufig der Aktionsradius spartanischer Außenpolitik und damit auch der Bündnispolitik aus. Die Quellengrundlage für die Struktur des Peloponnesischen Bundes bilden zum einen die wenigen inschriftlich oder über literarische Quellen erhaltenen Verträge Spartas mit den verbündeten Städten und zum anderen die freilich an einer Hand abzuzählenden Berichte über die Bundesversammlungen. Moderne Begriffe wie „Staatenbund“ oder „Bundesstaat“ sind auf das Bündnis schwerlich anwendbar, da ihm jegliche auf die Gemeinschaft der Bündner rekurrierende Sinnstiftung fehlte; insbesondere mangelte es ihm an regelmäßigen und nach einem festen Ritual ablaufenden Versammlungen, die ein Zusammengehörigkeitsgefühl hätten hervorrufen oder dokumentieren können. Der einzige Nutznießer des ganzen Systems war vielmehr Sparta allein, das durch Einzelverträge eine Vielzahl von Verbündeten an sich zu binden und auf diese Weise seine eigentümliche wirtschaftliche und politische Ordnung abzusichern vermochte. Die Mitgliedsstaaten konnten, mussten aber nicht untereinander vertragliche Beziehungen unterhalten. Selbst die unregelmäßig und ausschließlich von Sparta einzuberufenden Bundesversammlungen waren weniger Ausdruck eines gewachsenen Bündniszusammenhaltes, sondern reflektierten vornehmlich die außenpolitische Horizonterweiterung der Hegemonialmacht. Insgesamt handelte es sich hierbei um Angelegenheiten, die alle Peloponnesier angehen mussten. Das standardisierte Formular der Einzelverträge orientierte sich strikt an der gemeingriechischen Symmachie. Es enthielt folgende Elemente: 1. die Freund-Feind-Klausel („dieselben für Freunde und Feinde halten wie die Lakedaimonier“), 2. die Übertragung der Hegemonie im Kriegsfalle an Sparta („zu folgen, wohin immer die Lakedaimonier führen“), 3. das Verbot einseitigen Friedensschlusses und gegen Ende des 5. Jahrhunderts auch 4. die Schutzklausel für das Territorium („wenn jemand gegen das Land der
4.4 Der Peloponnesische Bund
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XY militärisch zieht, sollen die Lakedaimonier mit all ihrer Kraft gemäß ihren Möglichkeiten helfen; wenn jemand militärisch gegen das Land der Lakedaimonier zieht, sollen die XY mit all ihrer Kraft gemäß ihren Möglichkeiten helfen“); spezifisch spartanisch war schließlich 5. das Aufnahmeverbot von Flüchtlingen. Dieses Formular ist durch einen inschriftlich erhaltenen Vertrag zwischen Sparta und den (gänzlich unbekannten) Aitolern Erxadieis gesichert, dessen Datierung aber umstritten ist; Formular und Begrifflichkeit verweisen auf etwa 400. Die Zielsetzung des Bündnisses orientierte sich an seiner Struktur, d. h. am Interesse Spartas. Insgesamt war der Zusammenhang der Bündnispartner überaus lose, und der Bundescharakter war aufgrund der ausschließlich der Hegemonialmacht zugute kommenden Ausrichtung auch nicht geeignet, jemals einen inneren Zusammenhalt zu stiften. Spartas Stellung glich der eines leistungsstarken, angesehenen und weithin geehrten Adligen, der persönliche Beziehungen zu anderen, weniger bedeutenden Adligen aufnimmt und diese von Zeit zu Zeit zu einem Symposion einlädt, bei dem man anstehende, alle interessierende Fragen bespricht und Handlungen abstimmt. Mehr steckte auch hinter dem Peloponnesischen Bund nicht. Allerdings beförderte die geopolitische Lage während des 5. Jahrhunderts mit den Bedrohungen der griechischen Poleis zunächst durch die Perser, dann durch die Athener das spartanische Bündnissystem gerade wegen seiner losen Zusammenfügung zu einer stärker gemeinschaftsbildenden Verbindung, mit der man solchen Bedrohungen ohne allzu große Einbußen an Autonomie begegnen konnte. Sparta konnte, anders als der Rivale Athen, den Ruf aufrechterhalten, das Selbstbestimmungsrecht der Bündner nicht anzutasten. Ebenso bewirkte die veränderte Weltlage nach dem Peloponnesischen Krieg, die Sparta nolens volens in eine stärker herrschaftliche Rolle hineindrängte, einen nahezu lautlosen Zusammenbruch des Bündnisses. Der Peloponnesische Bund war nur das Instrument spartanischer Außenpolitik; es fehlte ihm am Ende ein gemeinsames Band, ein außenpolitisch verbindendes Movens. Dieses strukturelle Defizit erwies sich langfristig und insbesondere in Krisenzeiten der Hegemonialmacht als eine zu dünne Grundlage für eine stabile Machtstellung. Eine spartanische „Reichsbildung“, wenn sie denn überhaupt zur Diskussion gestanden hat, war auf diesem Wege und mit diesem Instrument im Rücken nicht möglich. Die Struktur des Peloponnesischen Bundes wurde während der etwa 200 Jahre seines Bestehens nicht grundsätzlich verändert, sondern den jeweiligen Erfordernissen angepasst. Diese „Reformen“ waren technischer Natur und auf die Steigerung der militärischen Leistungsfähigkeit ausgerichtet, die infolge der spartanischen Bürger- und Wehrkrise zunehmend in Frage gestellt war. Die Verbündeten mussten stärker herangezogen werden, zumal zur Herrschaftssicherung nach dem Peloponnesischen Krieg. Einen „Bundeshaushalt“ gab es ebensowenig wie direkte Tribute der Mitgliedsstaaten. Deshalb entschied sich Sparta von Zeit zu Zeit für organisatorische Neu-
Zielsetzung
Reformen
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4. Bünde
erungen, welche bisweilen auch den Zorn der Verbündeten, die sich um ihre Autonomie sorgten, hervorriefen. Die Einsetzung von eigenen spartanischen Beamten (Harmosten) in Verbindung mit einem Zehnerrat in eroberten Städten seit 423 konnte man noch als Herrschaftssicherung im ehemals athenischen „Reich“ betrachten, auch wenn von der Kriegsparole „Autonomie für alle Griechen“ nach dem Krieg keine Rede mehr war. Vollends aber schadete der durch den Perserkönig vermittelte „Königsfriede“ 386 v.Chr. (auch bekannt unter dem Namen „Antalkidas-Friede“), durch den sich Sparta in der öffentlichen Wahrnehmung zum Büttel der Perser gemacht hatte, dem gesamten Bündnissystem. 383 beschloss man auf einer Bundesversammlung erstmalig, dass die Verbündeten ihre Heeresfolge auch mit Geldzahlungen abgleichen und die Spartaner Strafmaßnahmen gegen säumige Zahler durchführen konnten. Wenige Jahre später, 378 v.Chr., wurde das Bundesgebiet in 10 Heereskreise eingeteilt, ebenfalls mit dem Ziel, die Rüstungen effektiver durchführen zu können. All das war nicht geeignet, dem Bündnis einen von allen getragenen „Sinn“ zu geben, und trug eher zum schnellen Zusammenbruch bei. So ging der Peloponnesische Bund in der Tat bei einer etwas größeren Bewährungsprobe, dem Krieg und der Niederlage gegen Theben, in die Brüche. 4.5 Der Hellenenbund zur Abwehr der Perser von 481 v.Chr.
Persische Bedrohung
Art des Bundes
Äußere Bedrohungen können den Charakter zwischenstaatlicher Beziehungen und des Völkerrechts entscheidend verändern, indem sie die Reflexion über bislang als selbstverständlich erachtete Werte in Gang setzen, mit dem Ergebnis, dass diese schließlich verbindlich im Recht verankert werden. Markante Beispiele für diesen Zusammenhang sind die Koine-Eirene-Verträge im 4. Jahrhundert nach dem Peloponnesischen Krieg und ebenso der Hellenenbund bereits zu Beginn des 5. Jahrhunderts. Die persische Bedrohung war spätestens seit der Schlacht von Marathon, in der das athenische Hoplitenheer die persische Übermacht 490 besiegt hatte, eine reale und bestimmte den politischen Diskurs in Griechenland entscheidend mit. Die Griechen warteten regelrecht auf einen Angriff jenes vielfach und in allen Belangen überlegenen Feindes, und dieses Warten brachte eine Bewusstwerdung der eigenen Lage mit sich, deren Ergebnis zunächst (am Vorabend von Salamis) in einem neuen, alle perserfeindlichen Griechen umschließenden Symmachie-Vertrag von 481/80 und darüber hinaus auch während der nachfolgenden Epoche, also der Zeit zwischen 479 und 431 (der sog. Pentekontaetie), greifbar ist. Der Vertrag „der“ Griechen gegen die Perser hat in den Quellen keinen festen Titel. Es handelte sich um einen Zusammenschluss griechischer Städte zum Zwecke der Abwehr des erwarteten Angriffs der Perser, der 481 mit der Sammlung des Heeres in Sardes tatsächlich bevorstand. Die Quellenlage zu diesem Bündnis ist ausgesprochen dürftig und wird noch
4.5 Der Hellenenbund zur Abwehr der Perser von 481 v.Chr.
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dadurch belastet, dass nach dem griechischen Sieg jede Stadt, auch die unbeteiligte, gerne Mitglied gewesen wäre und wir berechtigte Zweifel haben, ob die berühmte, nach 479 in Delphi als Weihgeschenk aufgestellte Schlangensäule, die sich heute in Istanbul befindet, mit ihren 31 Namen von Bündnisteilnehmern historisch zuverlässig ist. Wahrscheinlich handelte es sich um ein zweiseitiges Bündnis zwischen Sparta und den Symmachoi, dessen Definition mittels der Freund-FeindKlausel auf ein festes Kriegsziel hin, nämlich die Abwehr der persischen Invasion nach Griechenland, ausgerichtet war. Sparta hatte jedenfalls den Oberbefehl über sämtliche Bundestruppen inne, es gab keine konkrete Befristung und auch keine Tribute, vielmehr hatten die Bündner Truppen und Material nach Leistungsfähigkeit zu stellen. Die erste Versammlung der Verbündeten beschloss bereits das Aussenden von Kundschaftern über den Stand der persischen Rüstungen sowie von Gesandtschaften nach Argos, Syrakus, Korkyra und Kreta mit dem Ziel, diese dem Bündnis anzuschließen. Schließlich wurde für die Dauer des Krieges eine Art Bundesrat auf dem Isthmos bei Korinth eingerichtet, dessen Mitglieder sich aus bevollmächtigten Repräsentanten der Bündner rekrutieren sollten (pro/bouloi/ próbouloi). Dieser Rat tagte nachweislich bis zum Sommer 480, dann verliert sich seine Spur. Wahrscheinlich ging die Kompetenz zur Beschlussfassung in der entscheidenden Phase des Krieges auf die Versammlung der bevollmächtigten Strategen über, die jederzeit vom Oberbefehlshaber einberufen werden konnte. Alles in allem handelte es sich bei der antipersischen Symmachie um einen neuen Bund griechischer Poleis, die an die Bundesorgane einige – modern gesprochen – „Souveränitätsrechte“ abgaben. Die Mitglieder ließen sich dabei von pragmatischen Erwägungen leiten, kam es doch in erster Linie darauf an, schnell zu reagieren. Eine exakte Aufzählung der Mitglieder des Hellenenbundes ist nicht mehr möglich. Der Schlangensäule nach zu urteilen, gehörten dem Bund ursprünglich peloponnesische Städte sowie Athen, mittelgriechische Gemeinden und auch einige Inseln und ägäische Städte an. Die Quellen sind bei den Angaben zur Lokalität des Vertragsschlusses widersprüchlich und nennen einmal Sparta (Pausanias), einmal den Isthmos bei Korinth (Diodor), manchmal auch gar keinen Ort (Herodot) – dies weist wohl deutlich auf Sparta als Versammlungsort. Die Dauer des Hellenenbundes (und damit eng verknüpft: seine Zielsetzung) ist insofern eine vieldiskutierte Frage, als mit dem Delisch-Attischen Seebund 478 ein erneutes antipersisches Bündnis unmittelbar nach den griechischen Siegen bei Salamis, Plataiai und Mykale eingerichtet wurde und eine Notiz des Thukydides (1,102) vielfach so gedeutet wurde, als habe der Hellenenbund noch 464 bestanden. Das war aber gewiss nicht so, da Sparta als der „Hauptkriegführende“ – auf den kam es an – sich längst zurückgezogen hatte. Das Bündnis muss also bereits 478 beendet gewesen sein. 479 hören wir noch von einem „Eid von Plataiai“ und schließlich von einem Vertrag von Plataiai, den die kämpfenden Parteien beschworen und
Vertrag
Dauer
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Konflikte
Bewertung
4. Bünde
der die Einrichtung von panhellenischen Spielen, jährliche Gefallenenehrung, die Garantie der Unverletzlichkeit Plataiais und noch weitergehende Verfügungen enthielt. Konflikte innerhalb des Bündnisses traten unmittelbar nach dem Sieg bei Plataiai auf. Sie waren erheblich, drehten sie sich doch um die zentrale Frage des Bündnisziels. War der Krieg – und damit auch das Bündnis – mit der Vertreibung der Perser aus dem Mutterland beendet? War auch die Befreiung der ionischen Griechen in Kleinasien durch den Bundeseid gedeckt? Hinter diesen beiden Hauptfragen standen jeweils massive Interessengruppen: Für die Beendigung des Krieges traten die Peloponnesier mit Sparta ein, für eine Weiterführung des Krieges die Inselgriechen und Athen. Diese Konflikte brachen 478 anlässlich einer Konferenz in Samos auf, in der es um den Anschluss der bisher von den Persern beherrschten ionischen und Inselgriechen an den Hellenenbund ging. Sparta war der Auffassung, dass man diese Griechen nach Griechenland holen und sie auf dem Territorium perserfreundlicher Staaten ansiedeln sollte (etwa in Thessalien), Athen machte sich dagegen zum Sachwalter ionischer Freiheitsinteressen. Insgesamt zeigten sich hier die unterschiedliche Interessenlage im Bündnis und auch die fehlenden Voraussetzungen für einen griechischen Einheitsgedanken. Zusammenfassend ist festzuhalten: Der Hellenenbund war kein panhellenischer Bund, sondern eine Symmachie, die mit ihrer Freund-FeindKlausel auf die spartanische Vormacht zugeschnitten war. Diese Symmachie war sehr erfolgreich, führte aber wegen interner Differenzen über die Weiterführung des Krieges nach Plataiai 479 nicht zu einer dauerhafteren Verbindung. Vielmehr waren es ausgerechnet diese Differenzen, die das Fundament für den Dualismus zwischen Athen und Sparta mit ihren jeweiligen Bundesgenossen legten. 4.6 Die athenischen Seebünde 478–404 v.Chr. und 377–336 v.Chr.
Gründung 478
Athen war die Vormacht zweier unterschiedlich ausgerichteter Bündnissysteme, deren eines die politischen Verhältnisse des 5. Jahrhunderts im griechischen Raum maßgeblich mitbestimmte, während das andere in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts versuchte, im Rahmen neuer interpolitischer Strukturen alten Einfluss in Griechenland wiederzugewinnen. Beide, vor allem aber der erste Bund, bezeugen ganz allgemein die Dehnbarkeit völkerrechtlicher Strukturen, sobald sie den machtpolitischen Interessen großer Staaten untergeordnet werden. Die Gründung des Delisch-Attischen Seebundes oder Ersten Attischen Seebundes schloss sich unmittelbar an den Perserkrieg an. Nach den Siegen über die Perser bei Plataiai und Mykale stand der Hellenenbund 478 vor der Entscheidung über seine Zukunft. Das war ein vom ursprünglichen Vertragstext bewusst offen gelassenes Problem. Die Konferenz von Samos
4.6 Die athenischen Seebünde 478 404 v.Chr. und 377 336 v.Chr.
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hatte gezeigt, dass sich der Hellenenbund in zwei Richtungen spaltete: die peloponnesische mit der Ausrichtung auf das Mutterland und die athenische mit der Hinwendung nach Asien. Diese bündnisinterne Streitsache war der Keim des athenisch-spartanischen Dualismus folgender Jahrzehnte und verhinderte wohl eine durchaus mögliche stärkere gesamtgriechische Verbindung. Nach anfänglichem spartanischem Behauptungswillen im Hellenenbund kam es aber 478 zu einem eigenen athenisch-ionischen Bündnis (Symmachie), dessen Gründung von Sparta abgesegnet war und eo ipso den Hellenenbund auflöste (Thuk. 1,96). Es hatte den offiziellen Titel „Die Athener und ihre Bundesgenossen“ und war, wie alle Symmachien, ein zweiseitiger Vertrag, geschlossen zwischen den Athenern auf der einen, den Verbündeten auf der anderen Seite. Diese Symmachie umfasste eine Vielzahl von Mitgliedern in und um die Ägäis herum; der Komödiendichter Aristophanes spricht in seinen „Wespen“ stark übertreibend von 1000 Städten. Die Mitgliederstruktur unterschied sich vollkommen von derjenigen des Hellenenbundes, welcher ja um den Peloponnesischen Bund herum konstruiert worden war. Der Vertragstext ist uns auch in diesem Falle nicht überliefert, doch besser rekonstruierbar als derjenige des Hellenenbundes. Dem griechischen Völkerrecht entsprechend gründete das Verhältnis formal auf der gegenseitigen Beeidung der beiderseitigen Pflichten (Plut. Aristides 25,1) und inhaltlich auf der Freund-Feind-Klausel, deren wie üblich ungenannter Adressat die Perser waren. Athen schwor diese Klausel den Ionern, wie ausdrücklich Aristoteles bezeugt (Ath. pol. 23), während die Ioner im Gegenzug die Hegemonie Athens eidlich festlegten. Alle anderen, z. T. schon in den Quellen genannten Ziele des Bündnisses – Rache und Vergeltung für die persischen Verwüstungen, Beute, athenisches Großmachtstreben – sind „untechnisch“, d. h. sie mögen in den Köpfen der Menschen eine Rolle gespielt haben, begründeten aber keinesfalls das (völker-)rechtliche Verhältnis der verbündeten Städte. Dieses war vielmehr darauf gegründet, dass der Krieg gegen die Perser noch nicht beendet war. Dahinter stand einerseits der begreifliche Wunsch der ägäischen und ionischen Griechen, Schutz vor den Persern zu erhalten, andererseits ein durch die bisherigen Erfolge beträchtlich angewachsenes Selbstbewusstsein der Athener. Zunächst gab sich das Bündnis eine relativ straffe, auf effektive Kriegführung bedachte Organisation, deren Kernelemente 1. eine feste Beitragsordnung und 2. die Gleichberechtigung der Bündnispartner waren. Das Bündnis erhielt mit dem Inselstaat Delos und dem dortigen Apollo-Heiligtum ein (geographisch und religiös zu verstehendes) Zentrum. Die militärische Macht lag bei der Flotte Athens, der die Verbündeten mit Schiffen, Soldaten (Chios, Lesbos, Samos) oder Geld zuarbeiten mussten. Dieser Tribut (Phoros) wurde auf 460 Talente fixiert, die von athenischen Beamten (Hellenotamiai) verwaltet wurden. Die Bundesversammlungen fanden gleichfalls auf Delos statt; alle Bündner hatten unabhängig von ihrer Größe
Schisma Sparta Athen
Vertragstext
Organisation des Seebunds
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Vorteile für die Vormacht
Reichsbildung
4. Bünde
je eine Stimme. In dieser dauerhaften Einrichtung spiegelt sich das Vorbild des Hellenenbundes mit seinen Bundesversammlungen auf dem Isthmos. Bereits in dieser Abbreviatur des Vertragswerkes liegen die machtpolitischen Perspektiven für die Hegemonialmacht offen zutage: Ein von allen Partnern gewünschtes Bündnis mit Freund-Feind-Klausel und Hegemonieübertragung, dazu mit einer nur einvernehmlich möglichen Kriegsbeendigung, festgelegten und von der Vormacht verwalteten Finanzmitteln für den Ausbau der maritimen Überlegenheit, einer qua Satzung Gleichbehandlung großer und kleiner Staaten – der Vormacht waren Mittel an die Hand gegeben, die geeignet waren, das traditionelle interpolitische Gefüge durcheinanderzuwirbeln, und so sollte es auch kommen. Der Weg von der „Symmachie zum Reich“ – wie es schon Thukydides formulierte – oder gar zur Tyrannis einer Stadt führte zunächst über Revolten innerhalb des Bündnisses. Bereits am Ende der 470er Jahre sahen immer weniger Verbündete ein, warum das Bündnis überhaupt noch existierte, da doch die wesentlichen Kriegsziele erreicht waren und die Perser mehr oder weniger stillhielten. Die ersten Abtrünnigen waren die Inseln Naxos und Thasos, welche durch Athen gewaltsam wieder in das Bündnis gezwungen wurden. Dann wurde – wohl 454 – die Bundeskasse von Delos nach Athen verlegt und unter einen neuen göttlichen Schutz, nämlich den der Stadtgöttin Athene, gestellt. Die Entscheidungsprozesse wurden fortan in die athenische Volksversammlung verlagert, was Bundesversammlungen überflüssig machte. Schließlich wurde ein athenisches Beamtensystem in einigen Bundesstädten installiert, der Gerichtsstand nach Athen verlagert und – ein untrügliches Symbol athenischer Vorherrschaft – die Bündner zur Teilnahme an den großen athenischen Festen der Dionysien und Panathenäen verpflichtet. Das Maß-, Münz- und Gewichtssystem wurde vereinheitlicht, die Tributeintreibung (dokumentiert durch das inschriftlich erhaltene „Kleinias-Dekret“ Anfang der 40er Jahre) neu organisiert und das Bundesgebiet in 5 Kreise eingeteilt; zudem wurden seit 425/4 auch massiv die Abgaben („Thudippos-Dekret“) erhöht. In all dem, das chronologisch immer noch umstritten ist, in der Sache aber klar vor Augen steht, manifestiert sich ein außenpolitischer Paradigmenwechsel nicht nur im Bündnis selbst, sondern in der gesamten griechischen Welt. Man muss sich die Situation vorstellen: Ein überaus intensives, krisenanfälliges, aber durchaus funktionierendes interpolitisches System wird im östlichen Teil Griechenlands innerhalb kürzester Zeit durch eine Reichsbildung abgelöst, in welcher die Zentralmacht über politische und wirtschaftliche Beziehungen zwischen Reichsangehörigen und Außenwelt entscheidet. Das berühmte MegaraPsephisma, wohl von 433 v.Chr., mag für diese Umwandlung stehen: Perikles ließ die athenische Volksversammlung einen Beschluss fassen, nach dem die außenpolitisch aktiven (peloponnesischen) Megarer „von den Häfen im Herrschaftsbereich der Athener und vom attischen Markt ausgeschlossen werden“ sollten (Thuk. 1,67). Das war für antike Verhält-
4.6 Die athenischen Seebünde 478 404 v.Chr. und 377 336 v.Chr.
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nisse sehr weitgehend, denn mit diesem Beschluss wurden traditionelle Beziehungen zwischen Megara, den Städten des Attischen Seebundes und sogar megarischen Tochterstädten am Pontos gekappt, ein bisher ungekannter Eingriff in die Aufrechterhaltung regionaler Ordnungen. Die Ägäis wurde regelrecht zum athenischen Binnenmeer erklärt. Nicht nur Megara war von dieser athenischen Politik betroffen; andere Handelsstädte wie Korinth, Aigina und Sikyon wurden in der Ausübung ihrer Außenpolitik gehindert, drängten deshalb die eigene Bundesvormacht Sparta zum Krieg gegen den dynamischen „Neuerer“. Dieser Krieg, den Thukydides als größten aller bisherigen Kriege bezeichnen kann, endete mit der Niederlage Athens und der Auflösung seines Seebundes – die Konsequenzen der athenischen Bundespolitik sollten allerdings in der interpolitischen Welt noch lange nachwirken. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass der Attische Seebund mit seiner am Hellenenbund orientierten Struktur und mit einer von der Vormacht energisch betriebenen Machtpolitik, die auch vor den eigenen Verbündeten nicht haltmachte, eine neue Dimension zwischenstaatlicher Beziehungen einleitete. Im Peloponnesischen Krieg standen sich gewissermaßen das alte und das neue System gegenüber. Die griechische Poliswelt setzte sich in diesem Krieg gegenüber der Reichsbildung Athens durch, freilich nur, um in der Folgezeit wieder stärkerem persischen Einfluss ausgesetzt zu sein und wenige Jahrzehnte später, nach vergeblicher Gegenwehr, einer von außen kommenden Großmacht zu unterliegen. Der Zweite Attische Seebund war ganz anders konzipiert. Er stellte unzweifelhaft den Versuch Athens dar, außenpolitisch wieder die Initiative zu ergreifen, und dies unter Berücksichtigung der neuen interpolitischen Leitgedanken in Griechenland. Über das dynamische athenische Konzept des 5. Jahrhunderts, sich Handlungsspielräume durch ein partielles Aufbrechen der mit der Polisstruktur notwendig einhergehenden Vereinzelung zu verschaffen, war in einer den gesamten griechisch beeinflussten Raum umfassenden kriegerischen Auseinandersetzung negativ entschieden worden, und beide Faktoren zusammen, Peloponnesischer Krieg und DelischAttischer Seebund, bewirkten einen radikalen Paradigmenwechsel in der griechischen Außenpolitik, den man unter die drei Leitbegriffe Frieden, Autonomie und – diese moderne Anspielung sei gestattet – „Globalisierung“ zusammenfassen kann. Allein der geographische Radius der Kriegshandlungen war so weit gespannt gewesen, dass moderne Kommentatoren des Peloponnesischen Krieges im Anschluss an Thukydides gar von einem „Weltkrieg“ sprechen. Die Grenze zwischen Europa und Asien konnte keine wirkliche Trennmauer mehr sein, da sie sich längst zu einer Binnengrenze des attischen Reiches fortentwickelt hatte. Der globale Krieg mit seinen Überfällen, Belagerungen, Kapitulationen, Friedens- und Waffenstillstandsverhandlungen, Bündnisabschlüssen etc. hatte zudem die zwischenstaatlichen Beziehungen geographisch, qualitativ und quantitativ in
Krieg der Systeme
Neue Leitgedanken
52 Friede und Autonomie
Schwäche Spartas
Zweiter athenischer Seebund
4. Bünde
eine ganz neue Dimension geführt. Der Friede wurde als eigener Wert entdeckt, seine Wahrung und Sicherung bildeten fortan das Ziel zwischenstaatlicher Politik. Ebenso war es mit der Autonomie, der Selbstbestimmung. Ihrer beraubt bzw. in Gefahr, sie zu verlieren, erkannte man erst ihren wirklichen Wert. All das bestimmte auch die neuen Bündnisformen. Sie wurden mit einer Vielzahl von Kautelen versehen, damit nicht neue Abhängigkeiten und damit verbunden Autonomieverluste aus ihnen entstehen konnten. Überall garantierten die Verträge Frieden und Autonomie, wo immer man diese ungesichert fand. Sichtbarster Ausdruck dieser Entwicklung sind die Allgemeinen Friedensverträge (s. Kap. 3.9.1) des 4. Jahrhunderts, der wohl ungewöhnlichste antike Versuch, aus erkannten politischen Fehlern Lehren zu ziehen. Über das traditionelle Medium des Bündnisvertrages zielte der Versuch Athens, in den ersten Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts seinen äußeren Einfluss zu erweitern, ohne die Fehler des 5. Jahrhunderts zu wiederholen. Der außenpolitische Zustand der griechischen Welt zu diesem Zeitpunkt ermöglichte diesen Versuch, denn Sparta war nach dem Sieg im Peloponnesischen Krieg mit seiner neuen Aufgabe als alleinige Hegemonialmacht der gesamten griechischen Welt hoffnungslos überfordert. Die Unzufriedenheit der Poleis wuchs erst recht, als Sparta seine Herrschaft nur noch mit persischer Hilfe zu erhalten imstande war. Friede ohne Autonomie war jetzt den meisten kein wirklicher Friede. Das war der Ausgangspunkt für Athens neues Bündnissystem, das gemeinhin als der Zweite Attische (oder genauer: athenische) Seebund bezeichnet wird. Die tatsächliche politische Bedeutung dieses Bündnisses war eher gering. Doch symbolisiert der neue Bund den Politikwechsel in den „Internationalen Beziehungen“, gerade im Vergleich mit dem Ersten Attischen Seebund. Die Vertragspartner einigten sich auf ein Bündnis, das die Lehren der Vergangenheit beherzigte und zur Norm im Umgang miteinander erhob. Wir besitzen ein inschriftliches Dokument, das diese Lehren ausdrücklich formuliert. Es handelt sich bei dieser 1852 in Athen gefundenen Inschrift nicht um den Vertrag selbst, auch nicht um die „Stiftungsurkunde“, wie man sie früher genannt hat, sondern um einen athenischen Volksbeschluss auf Antrag eines gewissen Aristoteles (nicht zu verwechseln mit dem Philosophen) vom Frühjahr 377, welcher zur Mitgliedschaft in einem von Athen geführten Bündnissystem aufruft. Darin wird deutlich ausgesprochen, was der Sinn des Bündnisses ist: „Folgendes hat das Volk beschlossen, damit die Spartaner die Griechen in Freiheit und Autonomie sowie im unbestrittenen und festen Besitz ihres gesamten Gebietes sein lassen und damit ferner für immer der von den Griechen und dem persischen Großkönig gemäß den Artikeln beschworene Allgemeine Friedensvertrag gültig sei und bleibe: wenn jemand [gemeint ist jede staatenähnliche Gemeinschaft] von den Griechen oder den Barbaren, auf dem Festland oder den Inseln, sofern sie nicht Untertanen des Großkönigs sind, Verbündete der Athener und deren Verbündeten werden
4.7 Die griechischen Bundesstaaten des 4. und 3. Jahrhunderts v.Chr.
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will, soll es ihm in Freiheit und Autonomie erlaubt sein“ [III.1: Bengtson, Staatsverträge II: 257]. Dieser Satz und alle folgenden lesen sich wie eine Sicherungsklausel, nämlich dass der neue Bund niemals zu einer Neuauflage des Ersten Seebundes umgewandelt werde. Die Polisstruktur aller Bündner soll unvermindert erhalten bleiben, einer Reichsbildung wird in aller Form eine Absage erteilt. Die Freund-Feind-Klausel ist durch die klare Nennung des Gegners ersetzt, die Sicherung des Territoriums (Schutzklausel) der Verbündeten ist die Norm, der im Übrigen durch die Allgemeinen Friedensverträge auch Sparta verpflichtet ist. Die völkerrechtliche Entwicklung führte also weg vom hegemonial als autonomiegefährdend missbrauchbaren Staatenbund des 5. Jahrhunderts hin zu einem gleichberechtigten Nebeneinander völkerrechtlich unabhängiger Staaten. Athens Werben um Mitglieder hatte deshalb großen Erfolg; mehr als 50 Staaten schlossen sich an, sie sind auf der eben genannten Inschrift verzeichnet oder auf anderem Wege rekonstruierbar. Dieser Zweite Attische Seebund hatte freilich nur kurzfristig Erfolg und erreichte, ohne wesentliches eigenes Zutun allerdings, sogar sein Bündnisziel, da Spartas Vorherrschaft durch Theben in den Jahren 371 (Schlacht von Leuktra) und 362 (Schlacht bei Mantineia) beendet werden konnte. Letzten Endes aber muss er doch als ein Fehlschlag gewertet werden. Vergangenheitsbewältigung und Festhalten an der traditionellen Symmachie in einem Vertrag, fiel er hinter die neuen Möglichkeiten zwischenstaatlicher Politik, wie sie in den Allgemeinen Friedensverträgen und den enger verknüpften Staatenbünden zum Ausdruck kamen, weit zurück.
Nebeneinander
Probleme
4.7 Die griechischen Bundesstaaten des 4. und 3. Jahrhunderts v.Chr. Den großen Symmachien des 5. Jahrhunderts war keine lange Lebensdauer beschieden gewesen. Sie hatten es einerseits nicht vermocht, die sich aus dem Partikularismus ergebenden Verhältnisse zu stabilisieren, andererseits stellten sie eine Bedrohung für die Autonomie der Poleis dar. Dem rückschauenden Betrachter scheint das 4. Jahrhundert geradezu nach neuen Ideen auf der zwischenstaatlichen Ebene, insbesondere nach einem Ersatz für die traditionellen Formen interpolitischer Beziehungen Ausschau gehalten zu haben. In der Tat war dieses Jahrhundert ausgesprochen innovativ und kreativ, und es reagierte sofort auf die Veränderungen in den zwischenstaatlichen Beziehungen. Die alten machtvollen Poleis Athen und Sparta, aber auch Korinth und Theben, verloren ihre beherrschende Stellung, weil allmählich andere Teile Griechenlands wie Thessalien, Achaia, die Phoker und natürlich Makedonien sich weiter entwickelten, sich zunehmend von den bis dahin überlegenen Poleis emanzipierten und an politischem Einfluss gewannen. Sicher ist aber, dass gerade die Poliswelt des 4. Jahrhunderts die Begriffe „Frieden“ und „Selbstbestimmung“ auf ihre Fahnen schrieb, dazu in der Außenpolitik vielfältiger und formenreicher als jene
Neue Ansätze
54
Kennzeichnung
Wichtigste Beispiele
Strukturen
4. Bünde
des 5. Jahrhunderts war, was auch mit dem Zuwachs an politisch Handelnden zu erklären ist. Die „Stammstaaten“ (Ethne) gewannen an Bedeutung und entwickelten aus sich heraus einen neuen Typus von „Staat“, der offenkundig weniger dem (im modernen Sinne) Territorialstaat als vielmehr dem repräsentativen Bundesstaat, in dem aus einer Vielzahl autonomer Gemeinden gleichsam „Abgeordnete“ in die Zentralinstitutionen delegiert wurden, vergleichbar ist. Der achaiische Geschichtsschreiber Polybios (2,38) schätzte am Achaiischen Bund vor allem, dass er auf zwei Pfeilern ruhe, der Gleichheit und der Freiheit. Dadurch sei es ihm gelungen, so Polybios, die Peloponnes zu einen. Man kann sich vorstellen, dass und wie derartige antike „Modelle“ neuzeitliche Staatstheoretiker (etwa Mon tesquieu, Esprit des lois IX, 1–3) und -praktiker angeregt haben. Die bedeutendsten waren der Achaiische sowie der Aitolische Bund. Sie seien im Folgenden trotz beträchtlicher Unterschiede zu ihrem modernen Pendant als Bundesstaaten bezeichnet, einerseits aus pragmatischen Gründen, andererseits, um sie in ihrer festeren Bindung von den bisher behandelten Bünden abzusetzen. Die Bundesstaaten sind im 5. Jahrhundert – bis auf wenige Ausnahmen wie die Boioter – noch nicht greifbar, bildeten sich im 4. Jahrhundert heraus und erreichten ihren Höhepunkt mit den beiden Vereinigungen der Achaier und Aitoler im 3. Jahrhundert. Eine bundesstaatliche Theorie haben die Griechen indes nicht entwickelt, selbst Aristoteles bleibt bei seinen Überlegungen hauptsächlich auf der Ebene der autarken Polis. Zur Kennzeichnung der Bünde verwenden die Quellen neben den einfachen Stammesnamen („die Aitoler“, „die Achaier“ etc.) die Begriffe ethnos (Volk, Stamm), koinon (das Gemeinsame) und sympoliteia (gemeinsames Bürgerrecht). Diese Begriffe stehen also je nach Betrachter für den Kern des Systems (Stamm), die Form (Bund) und das Besondere (gemeinsames Bürgerrecht). Alle drei zusammengenommen drücken das spezifisch Neue der Systeme aus: eine Vereinigung mehrerer Gemeinden eines Stammes schafft sich gemeinsame Bundesorgane. Die wichtigsten Bünde waren diejenigen der Boioter um die Polis Theben herum, der Arkananen in Westgriechenland, der Arkader in der zentralen Peloponnes, der Thessaler in Mittelgriechenland, der Phoker um Delphi, der Chalkidier in Nordgriechenland sowie der schon erwähnten Achaier südlich des korinthischen Golfes auf der Peloponnes und der Aitoler gegenüber auf dem griechischen Festland. Die Strukturen dieser Bünde glichen sich weitgehend. Voraussetzung für diese Form zwischenstaatlicher Zusammenarbeit war ein Bundesbürgerrecht, das sich zu dem weiter bestehenden „normalen“ Stadtbürgerrecht der Mitglieder gesellte. Die Bundesstaaten kannten Bürgerversammlungen in den jeweiligen Hauptstädten, beratende Organe (Rat), Beamte (z. B. Strategen, Hipparchen, Damiurgen bei den Achaiern bzw. Apokleten bei den Aitolern). Die Bundesaufgaben lagen in der gemeinsamen Kriegfüh-
4.7 Die griechischen Bundesstaaten des 4. und 3. Jahrhunderts v.Chr.
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rung, Außenpolitik, Finanzpolitik und in der Rechtsprechung, der Zusammenhalt sollte durch gemeinschaftliche Kulte und Festspiele gestärkt werden. Aufgrund der Quellenlage können wir die Aktivitäten der Bundesstaaten natürlich in besonderer Weise außenpolitisch verfolgen. Sie führten immer als Einheit Krieg, schlossen Verträge, erweiterten ihren Bund um neue Mitglieder, schmiedeten Koalitionen gegen fremde Mächte und sicherten ihren Mitgliedern mehr oder weniger erfolgreich in einem größeren Verband eine auch nach griechischer Auffassung autonome Polisexistenz. Wie das Verhältnis zwischen Bundesgewalt und Einzelgemeinde konkret ausgestaltet wurde und insbesondere welche außenpolitischen Kompetenzen die Poleis noch besaßen, ist nicht mehr klar zu erkennen. Die bedeutendsten Bünde, der Aitolische und der Achaiische, erlangten jedoch selbst in ihrer Blütezeit nie einen mit den so genannten Hegemonialsymmachien des 5. Jahrhunderts vergleichbaren Einfluss. Der Achaiische Bund auf der nördlichen Peloponnes hatte sein kultisches Zentrum in Aigion mit dem Heiligtum des Zeus Homarios. Seine außenpolitische Orientierung schwankte zwischen Athen und Sparta. Eine einheitliche Münzprägung des Bundes ist zwischen 360 und 320 nachweisbar, was als ein eindeutiger Beleg für ein bundesstaatliches Koinon gelten kann. In den Wirren der Alexander- und Diadochenzeit gibt es wenige Nachrichten, doch 281/0 fand eine Neugründung des Bundes statt, zuerst seitens der westlichen Städte. Seine Blütezeit erlebte der Bund, als Sikyon im Jahre 251 beitrat und Aratos der führende Politiker wurde. Die antimakedonische Ausrichtung des Bundes wurde zur Grundlage einer beachtlichen Expansion, die militärisch und diplomatisch begründet wurde – so wurden z. B. die klassischen Poleis Korinth im Jahre 243 und Argos im Jahre 229 eingegliedert. In den 20er Jahren des 3. Jahrhunderts wurde Sparta zum wichtigsten Gegner der Achaier. Doch inzwischen war mit Rom die kommende und letztlich alle anderen vereinnahmende Großmacht auf den Plan getreten. In ihrem Schatten zählte der Bund in den Jahren 191–146 mehr als 60 Mitglieder, war so etwas wie eine „Vormacht“ in Griechenland. Während der direkten Herrschaft Roms nach 146 lebte er als sakrales Koinon weiter. Eine vergleichbare historische Entwicklung machte auch der große Konkurrent der Achaier durch, der Aitolische Bund. Die Aitoler waren der bedeutendste Stamm Mittelgriechenlands, weniger urbanisiert, in ihrem Griechentum angezweifelt (Polybios) und als „Räuber“ beleumundet (Thukydides, Euripides). Politisch tauchen sie zum ersten Mal im Peloponnesischen Krieg (426) auf, doch als Bund treten sie erst seit 367 in Erscheinung. Ein Unterstamm der Aitoler, mit Namen Erxadieis, schloss wohl um 400 einen Vertrag mit Sparta, der der einzige inschriftlich erhaltene Vertrag zum Peloponnesischen Bund ist. 290 gewannen die Aitoler Delphi, das sie wenig später (279) vor den Galatern bewahrten. Die Expansion der Aitoler seit diesem vielbeachteten Erfolg brachte sie in Konflikte mit den Achaiern und
Achaiischer Bund
Aitolischer Bund
56
Fazit
4. Bünde
den Makedonen, deren König Philipp V. sie 218 unvermutet bekriegte. Berühmt geworden ist das Bündnis der Aitoler mit Rom im Jahre 212, das der erste Vertrag Roms mit einer griechischen Macht (und zudem fragmentarisch inschriftlich erhalten) ist. Allerdings verschlechterte sich das Verhältnis der beiden Vertragspartner in der Folgezeit, 167 wurden die Aitoler wieder auf ihr Stammesgebiet beschränkt. Auch ihr Koinon lebte noch über die römische Herrschaftsübernahme hinaus weiter. Somit ist durchaus etwas Neues mit der Herausbildung der Bundesstaaten im Griechenland des 4. und 3. Jahrhunderts entstanden. Diese konnten sich freilich nicht auf dem Boden des klassischen Griechenlands ausbreiten und umfassten auch nicht die großen Poleis Athen und Sparta, sondern etablierten sich vor allem in den im Wortsinne „passiven“, also leidgeprüften Regionen des 5. Jahrhunderts. Sie waren föderativen Charakters und bündelten dergestalt ihre Kräfte, dass sie temporär ihre Selbstbestimmung vor äußeren Bedrohungen und – zumindestens partiell – friedliche Verhältnisse im Innern zu wahren in der Lage waren. Dieses ist zumindest das Bild, das Polybios entwirft, und es trifft seiner Meinung nach auch nur auf den Achaiischen Bund zu (2,37–44). Freiheit, Gleichheit und Demokratie nach innen, Schutz vor den zeitgenössischen Großmächten Makedonien, den Aitolern und Sparta nach außen habe er gewährleistet. Polybios ist allerdings Vertreter der pragmatischen Geschichtsschreibung, nicht der Staatstheorie. Diese hat sich mit der Zusammenarbeit der Poleis zum Zwecke der Friedenssicherung, ja überhaupt mit der Außenpolitik bekanntlich nicht sehr intensiv auseinandergesetzt, Platon gar nicht, Aristoteles nur begrenzt. 4.8 Das römische Bundesgenossensystem
Spezifisches Modell
Die griechische Welt der Antike perfektionierte die Bünde, weil hier auf engstem Raum Hunderte von selbstständigen Poleis nebeneinander existierten und eine dauerhafte außenpolitische Zusammenarbeit sich über dieses Medium pragmatisch und effektiv organisieren ließ. In Italien lagen die Verhältnisse zunächst kaum anders, denn bis zur „Einigung Italiens“ [III.4.8: Mommsen, Römische Geschichte] waren die dortigen politischen Strukturen vom Partikularismus geprägt. Erst allmählich über mehr als zwei Jahrhunderte (vom Beginn der Republik 509 bis zum Sieg über Pyrrhos 272) bildete sich die Vorherrschaft Roms heraus, und das in zahllosen, langwierigen Kriegen. Das Italien von Rom auferlegte „System“ bestand aus unterschiedlichen Bausteinen auf der Basis einseitiger römischer Willensakte sowie völkerrechtlich differenzierter parataktischer Beziehungen zu den einzelnen ethnischen Gruppen und Städten. Dieses System – lange Zeit als „Italischer Bund“ bezeichnet – war weder ein auf vielen Einzelsymmachien gegründetes Bündnis (wie der Peloponnesische Bund), noch eine „Hegemonialsymmachie“ (wie der Erste Delisch-Attische Seebund),
4.8 Das römische Bundesgenossensystem
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noch ein Bundesstaat (wie die griechischen Stammesstaaten), noch ein einheitlicher Territorialstaat oder ein „Reich“ – es hatte vielmehr von allem etwas. Die Grundlage der römischen Einflussnahme bildeten auf Rom bezogene völkerrechtliche Verträge, deren Flexibilität und erfolgreiche Wirkmacht Italien in den folgenden Jahrhunderten (spätestens aber nach 89 v.Chr.) zu einem römischen Territorialstaat werden ließen. Die römische Selbstdefinition, wie sie in der offiziellen Reihung cives Romani, nomen Latinum und socii (Bürger, Latiner, Bundesgenossen) erkennbar ist, orientierte sich andererseits an den militärischen Pflichten, die jede dieser Gruppen zu übernehmen hatte. Die differenzierte Zuteilung von Pflichten an die Verbündeten zur Absicherung Roms war auch die Hauptaufgabe des „Systems“. Außenpolitisch lassen sich, soweit rekonstruierbar, in der frühen Republik drei Phasen unterscheiden: Die erste Phase korrespondiert mit dem patrizisch dominierten Staat bis 387; die Grenzen der römischen Außenpolitik blieben in der unmittelbaren Nachbarschaft. 387 folgte ein epochales Ereignis: Der Kelteneinfall und der erste sacco di Roma stellten das römische Gemeinwesen in Frage und führten vor allem dazu, dass Rom sich in den nächsten ca. 50 Jahren erneut in seiner unmittelbaren Umgebung behaupten musste. Die dritte Phase reicht dann von der Beilegung des latinischen Krieges 338 bis zum Sieg über den epirotischen König Pyrrhos 272. Hier beginnt eine ganz neue Dimension der römischen Außenpolitik, die manchem Rückschauenden als folgerichtiger Prozess und Zielpunkt der römisch-republikanischen Geschichte erschien. Der Beginn dieser letzten Phase fällt mit dem sich deutlich abzeichnenden Ausgleich zwischen Patriziern und Plebejern zusammen, und man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man einen Zusammenhang mit dem Ende der Ständekämpfe und der Herrschaft über Italien herstellt. Tatsache ist indes, dass Rom, nachdem einmal seine inneren Probleme gelöst waren, nicht nur binnen weniger Jahrzehnte ganz Italien unter seine Kontrolle brachte, sondern diese Herrschaft auch dauerhaft erhalten konnte. Den Grund für diese bemerkenswerte Konstanz, die auch in Gefahrenzeiten wie dem Hannibalkrieg weitgehend erhalten blieb, sucht man nicht zu Unrecht in dem vertraglichen Geflecht, das sich über Italien ausbreitete und mehr als 150 verschiedene ethnische Gemeinden und Städte umfasste. Die römische „Herrschaft“ über Italien – ein Begriff, den man im Sinne Max Webers als Chance, Gehorsam zu finden, von Anfang an verwenden darf – gründete auf einseitigen römischen Willensakten, wenn die Integration in den römischen Verband vorgesehen war, und auf völkerrechtlichen Verträgen, wenn die Selbstverwaltung erhalten werden sollte. In ihrer vollendeten Form, d. h. als eine Herrschaft im eigentlichen Sinne, tritt sie uns spätestens im 2. Jahrhundert v.Chr. vor Augen, etwa durch die lex Didia sumptuaria (Aufwandsgesetz des Didius) von 143, die ausdrücklich ein bereits existierendes, auf Rom zugeschnittenes Luxusgesetz auf alle Italiker ausweitet.
Phasen der Außen politik
Festigung der Herrschaft
58 Quellenproblematik
Rolle des Krieges
4. Bünde
Problematisch ist die Quellenlage. Wir besitzen nur wenige Verträge im Wortlaut, und auch die sind z. T. anachronistisch. Zudem operieren die erhaltenen spätrepublikanischen Quellentexte mit politischen Begriffen, denen sie völkerrechtliche Qualität verleihen, um ihre eigene Perspektive bereits auf die frührepublikanische Zeit zu projizieren. So steht es etwa mit den völkerrechtlichen Differenzierungskategorien: Rom habe, so Cicero (Balb. 35), einen Teil seiner Verträge (foedera) auf Gegenseitigkeit (aequa), einen anderen mit deutlichem Gefälle zwischen den Vertragsschließenden (iniqua) unter Verwendung einer Majestätsklausel geschlossen. Ferner ist auch zu bedenken, dass einige, aber bei weitem nicht alle Regelungen zwischen Rom und seinen Partnern nach Kriegen entstanden sind. So haben etwa die Samnitenkriege am Ende des 4. Jahrhunderts einige süditalische Städte Bündnisse mit Rom abschließen lassen, da ihnen die Stadt am Tiber als das kleinere Übel gegenüber dem „barbarischen“ Bergvolk erschien, und ähnlich mag die Entwicklung in Norditalien zum Zeitpunkt der Keltenkriege im 3. Jahrhundert verlaufen sein. Bei den aus Kriegen erwachsenen Verträgen spielte das Verhalten der einzelnen Städte eine besondere Rolle; so wurde insbesondere nach dem latinischen Krieg 340–338 differenziert pro meritis verfahren. Einige Städte wurden mit Gebietsabtretungen und Deportation des Rates bestraft (Velitrae, Capua), manche wurden römisch oder zu civitates sine suffragio (Bürgerstädte ohne Stimmrecht in Rom), andere erhielten das latinische Recht, wieder andere blieben autonom. Aus römischer Sicht spielt der Wille, den eigenen staatlichen Binnenraum nicht zu vergrößern und doch von den Vertragspartnern zu bekommen, was man wollte, nämlich das Stellen von Soldaten für die Kriege, die entscheidende Rolle für die Ausgestaltung der Bundesverhältnisse. Den betroffenen Vertragspartnern mochte das um die Wende des 4. zum 3. Jahrhundert durchaus gelegen kommen, denn noch war der Wunsch nicht sehr ausgeprägt, des römischen statt des eigenen Bürgerrechts teilhaftig zu werden. Es kommt also eine Kette von kontingenten und systematischen Faktoren zusammen, welche das römische Bundesgenossensystem ausmachten. Es war kein einmal konzipiertes und dann durchgeführtes System, schon gar nicht unter der oftmals unterstellten Prämisse divide et impera (teile und herrsche). Es war von Dauer, weil Rom damit erfolgreich arbeitete, Kriege gewann, das gemeinsame Prestige erhöhte und überhaupt diese Ordnung materiellen Gewinn einbrachte. Das System bewährte sich, als mit Hannibal ein äußerer Feind im Lande stand, dessen erklärtes Ziel gerade die Aufweichung des römischen Bundesgenossensystems war. So begriff man zuerst in der außeritalischen Welt, dass Rom und Italien am Ende des 3. und im 2. Jahrhundert schon eine Einheit bildeten. Aber nachahmungsfähig und vorbildhaft für zukünftige Systeme war es trotz dieser Erfolge nicht. Außeritalisch ist Rom in wieder anderen, auf die konkreten Situationen bezogenen Mustern verfahren.
5.1 Vorbemerkungen
59
5. Reichsbildung 5.1 Vorbemerkungen Der deutsche Begriff „Reich“ findet in den alten Sprachen keine Entsprechung. Vielmehr wurde das, was wir mit Reich übersetzen, im Griechischen und Lateinischen zunächst nicht mit einem fest umgrenzten Raum verknüpft, sondern mit Herrschaft. Der gebräuchlichste Terminus für die Herrschaft einer Polis über andere ist arche (a)rxh&), die Römer nannten ihr Reich imperium; ein König wiederum beherrscht sein Königreich, welches basilei/a/basileía bzw. regnum hieß. Der lateinische Begriff imperium machte eine eigene Entwicklungsphase durch. Er bedeutete zunächst nichts als die Befehlsgewalt eines römischen Magistrats (Konsul, Praetor, Diktator), konnte dann aber nach der beispiellosen Expansion auch die Herrschergewalt des gesamten Volkes beschreiben (Cicero spricht vom imperium populi Romani) und wurde wahrscheinlich von Pompeius (der ein infinitum imperium, eine auch territorial unbegrenzte Herrschergewalt erhielt), spätestens aber seit Caesar auch territorial verstanden. Im kaiserzeitlichen Rom konnte es sogar zur – für uns nicht realen – Vorstellung einer Identität von Imperium Romanum und orbis terrarum (Erdkreis) kommen. Vorgeformt war diese Identität bereits in dem Triumph des Pompeius über die gesamte bewohnte Welt (triplex triumphus, wörtlich dreifacher Triumph). In die Konstruktion einer Identität von Reich und Welt flossen Vorstellungen der damaligen Zeit von der bekannten, bewohnten und zivilisierten Welt ein, wie sie uns etwa Cicero im 6. Buch seines „Staates“ (De re publica) vermittelt hat. Die Idee der Weltherrschaft ist natürlich wesentlich älter als Rom und spielte in orientalischen und ägyptischen Königreichen eine zentrale Rolle. Sie ist wesentlich sakral legitimiert, d. h. sie wird mit göttlicher Herkunft oder Unterstützung begründet. Die moderne Bezeichnung für dieses Streben nach Ausdehnung und Welteroberung, nämlich das von Imperium abgeleitete Wort Imperialismus, kannte die Antike jedoch überhaupt nicht – nicht einmal in Ableitungen. Als brauchbare Arbeitsgrundlage verwende ich für die folgenden Ausführungen eine Definition von „Reich“, die sich auch in einem jüngst erschienenen Sammelwerk zum Imperialismus moderner Prägung findet: Ein Reich ist jede hierarchisierte Ordnung zwischen Regionen und Staaten (Cain/Harrison). Wesentliche Grundlage für diese Definition ist die Art der Kommunikation zwischen Führung und „Untertanen“, welche sich als eine herrschaftliche darstellt. Das bedeutet, dass auch das Bündnis Athens mit den Städten des Seebundes im Laufe des 5. Jahrhunderts immer stärker als Reich gefasst werden kann, denn spätestens seit den 450er Jahren wandeln sich die Beziehungen und die kommunikativen Formen zwischen den Verbündeten spürbar. Auch das römische Bundesgenossensystem könnte anhand der vorgeschlagenen Reichsdefinition durchaus zum Thema
Reich und Herrschaft
Ideologie
Reich
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Reichsbildung
5. Reichsbildung
Reichsbildung herangezogen werden; Rom bildet zunächst in Italien ein „Reich“, dessen weitere Entwicklung zur Herausbildung eines territorialen Staates führte. Als römische Reichsbildung kann ebenso aber die Einrichtung von Provinzen außerhalb Italiens verstanden werden (seit 227 v.Chr.), das die Mitte dieses Reiches bildete. Die folgende Darstellung behandelt die beiden umfangreichsten Reichsbildungen der Antike – das Alexanderreich und das Römische Reich – und ergänzt sie um deren Modifikationen durch den Hellenismus einerseits und durch den Prinzipat andererseits; zum athenischen „Reich“ ist bereits unter dem Thema „Bünde“ das Wesentliche gesagt worden. Reichsbildung und Reichserweiterung können sich gewaltsam über Kriege oder Eroberungen, ohne Gewalt über vertragliche Abmachungen oder bloße Androhung von militärischem Einsatz und durch formlos-realen Übergang oder Erbschaft wie im Byzantinischen Reich vollziehen. Die vorgriechisch-orientalischen Reichsbildungen standen in der Regel unter der Herrschaft von Königen, d. h. es handelte sich um die Zusammenfassung von Regionen, die in bestimmten Abhängigkeitsformen zu Königen und Dynastien standen. Diese Abhängigkeitsformen variieren nach Zeit, Raum und Staat. Tribute, militärische und/oder zivile Statthalter, indirekte Herrschaft über Lokaldynasten, sprachliche, rechtliche, politische Vereinheitlichungen, Ansiedlungen, militärische Anlagen u. a. m. repräsentieren bestimmte Abstufungen von Abhängigkeit, die angesichts einer gering ausgebildeten Bürokratie und begrenzter Durchsetzungsmöglichkeiten im Allgemeinen für den mit modernen Herrschaftsmöglichkeiten vertrauten Historiker – jedenfalls bis zum Römischen Imperium – als lose bezeichnet werden muss. In vielen Fällen kann nicht einmal die Zugehörigkeit einer Gemeinde oder einer Region zu einem der alten Reiche verifiziert werden. Man wird also in jedem Einzelfall die Reichszugehörigkeit zu überprüfen haben und dabei immer wieder die Frage stellen müssen: Wie lose darf die Verbindung zwischen Zentrale und Peripherie sein, damit man noch von einem ‚Reich’ sprechen kann? Oder: Wie zentral muss die Zentrale sein und wie stark hierarchisiert muss die angenommene Hierarchie sein? 5.2 Das Alexanderreich
„Reich“?
Das Reich Alexanders des Großen (Regierungszeit 336–323 v.Chr.) ist zusammen mit dem Imperium Romanum die größte und zugleich eindrucksvollste Reichsbildung der Antike gewesen. Formalistisch betrachtet war sie allerdings eher die Zerstörung eines existierenden Reiches, des persischen Achaimenidenreiches, oder auch die notwendige Voraussetzung verschiedener neuer Reichsbildungen, der hellenistischen, als selbst eine Reichsbildung: Das „Reich“ bestand ja kaum länger als ein Jahrzehnt, hatte keine auf Dauer angelegte Verwaltungsstruktur und keinen Fixpunkt außer den König Alexander selbst. Dennoch ist es berechtigt, von einem Alexander-
5.2 Das Alexanderreich
61
reich zu sprechen, denn Alexander gelang ja nicht nur die völlige militärische Vernichtung des Perserreiches, sondern die herrschaftlichen Maßnahmen nach den Siegen in den einzelnen Regionen wiesen auch inhaltlich unstreitig in eine neue Richtung und damit auf ein neues Reich bzw. neue Reiche. Denn selbst wenn Alexander in vielen eroberten Gebieten „alles beim Alten“ ließ: eine Rückkehr zur alten, persischen Ordnung stand nach dem Tod des makedonischen Königs ebensowenig zur Debatte wie eine vollständige Neuorientierung des Reiches abseits der Regelungen Alexanders. Das „neue Reich“ ging zudem auch geographisch über das alte Perserreich hinaus. Die Reichsbildung Alexanders ist im Wesentlichen auf zwei Fundamente gegründet: 1. den vorgängigen makedonischen Staat, den Philipp II. (359–336) zur Hegemonialmacht der griechischen Poliswelt in Europa geführt hatte, und 2. die persische Ordnung Asiens, wie Alexander sie auf seinem Eroberungszug vorfand. Das makedonische Königtum war wenig ausdifferenziert mit einem nur gering ausgebildeten Institutionalisierungsgrad, die Position des Königs war nicht juristisch definiert, sondern von Persönlichkeit und Leistung abhängig. Der makedonische König regierte bis in die Mitte des 4. Jahrhunderts hinein eine nach griechischer Vorstellung rückständige, d. h. wenig urbanisierte Region im Norden Thessaliens, pochte aber andererseits immer wieder auf seine Zugehörigkeit zur hellenischen Welt. Erst Philipp II. gelang es, auch in Griechenland Fuß zu fassen und 338 nach einem militärischen Erfolg über eine antimakedonische Koalition bei dem boiotischen Chaironeia den so genannten Korinthischen Bund zu gründen: Den nunmehr mittels eines „allgemeinen Friedensvertrages“ verbündeten griechischen Städten (mit Ausnahme Spartas) stellte sich der makedonische König als Hegemon an die Spitze. Die Festigkeit dieses Bündnisses wollte bereits Philipp durch einen im griechischen Raum allseits populären Krieg gegen die Perser erproben, doch wurde er 336 in einem bis heute undurchsichtigen Komplott innerhalb des Königshauses in Makedonien ermordet. Die Zusammenarbeit von Makedonen und Griechen im Rahmen des Korinthischen Bundes sollte konstitutiv für die Zukunft sowohl des Alexanderreiches wie der darauf folgenden hellenistischen Reiche werden: Die Herrschaft über das gesamte ehemals persische Reich ist grundsätzlich als eine griechisch-makedonische Doppelherrschaft anzusehen. Der persische Staat – der zweite Pfeiler alexandrischer Reichsbildung – war in Vielem das genaue Gegenstück des makedonischen. Persien war seit mehr als zwei Jahrhunderten die orientalische Weltmacht schlechthin, mit einem fest institutionalisierten und sakral begründeten Königtum, einer vergleichsweise ausdifferenzierten Reichsordnung und einem ausgeklügelten Steuer- und Tributsystem. Alexander hat deshalb von Anfang seiner Eroberung an auf diese Grundlagen zurückgegriffen, ja ohne das persische Know-how hätte er seine Expansion wohl kaum erfolgversprechend durch-
Voraussetzungen
Makedonien
Persien
62
Heereszug
Rache
Homer Bezug
Poleis
5. Reichsbildung
führen können. Es ist wohl auch unwahrscheinlich, dass Alexander gleich zu Beginn des Krieges den Plan einer vollständigen Unterwerfung des Perserreiches hatte; spätestens aber mit dem Sieg in der Schlacht bei Issos dürfte für den Makedonen auch die Weltherrschaft nicht mehr außerhalb des Denkbaren gestanden haben. Das Heer Alexanders, mit dem er 334 den Eroberungszug über den Hellespont nach Kleinasien begann, war mit kaum mehr als 50000 Soldaten recht klein. Eine Reihe von berühmt gewordenen Schlachten legte den Grundstein für das griechisch-makedonische Reich: 334 am Fluss Granikos im Norden Kleinasiens, 333 bei Issos in Kilikien und 331 bei Gaugamela im zentralen persischen Gebiet fanden die berühmten Schlachten statt, die jeweils erfolgreich gegen die persische Streitmacht bestanden wurden. Der gegnerische König Dareios III. fiel schließlich im Jahre 330 einem Mordanschlag im eigenen Umfeld zum Opfer. 330–325 folgten sodann die Eroberungen im nordöstlichen Iran bis nach Indien, von wo Alexander, bedrängt von eigenen meuternden Soldaten und Offizieren, 325 den Rückzug antrat und schließlich, gerade mit weiteren Planungen zur Eroberung Arabiens und möglicherweise des westlichen Mittelmeergebietes beschäftigt, 323 in Babylon starb. Sein Reich erstreckte sich nun von Griechenland bis nach Indien, vom Kaukasus bis nach Afrika. Es verdankte seine Entstehung drei Faktoren: 1. der griechisch-makedonischen Symbiose im Korinthischen Bund als Voraussetzung, 2. der militärischen Gewalt und 3. einer flexiblen Strukturierung der Herrschaft. Art, Umfang und Geschwindigkeit dieser Reichsbildung waren in der Alten Welt bis dahin einmalig. Man kann sie sicher als erfolgreich auffassen, denn obwohl das Reich über Alexanders Tod hinaus keinen Bestand hatte, gab es kein Zurück zum Status quo ante, und es zerfiel auch nicht in seine Einzelteile, sondern in Großreiche einzelner Fürsten, die allesamt aus dem Umfeld des makedonischen Königs stammten. Als für das Reich Alexanders wesentlich lassen sich folgende Elemente ausmachen: 1. Der „ideologische“ Hintergrund der Reichsbildung: Griechen und Makedonen führten einen intellektuell und emotional lange vorbereiteten und ersehnten Einigungs- und Rachekrieg gegen einen Gegner, den man für Entweihungen von Heiligtümern und Verwüstungen während des Einmarsches nach Griechenland bestrafen wollte. 2. Die öffentlichkeitswirksamen Inszenierungen, die Alexander unmittelbar nach dem Übergang über den Hellespont vornahm, betteten das Unternehmen in einen sinnstiftenden, mythisch-homerischen Zusammenhang und knüpften ein festes Band zwischen den Kriegsteilnehmern: Alexander konnte, wie Agamemnon einst in Troja, Asien der griechischen Welt zurückgewinnen – ein Dauerthema der Griechen seit mindestens 150 Jahren. 3. Alexander regelte sein Verhältnis zu den griechischen Poleis im Sinne eines modus vivendi: Diese erkannten den neuen Oberherrn an, im Gegen-
5.2 Das Alexanderreich
63
zug schuf und respektierte Alexander Freiheit und Autonomie der Poleis durch entsprechende Bekundungen. 4. Die Eroberung brachte auch für die nichtgriechischen Untertanen des Perserreiches gravierende, zunächst durchaus als vorteilhaft empfundene Veränderungen mit sich. Alexander gliederte seine Position nahtlos in die (auch religiösen) Lokaltraditionen ein und ordnete die Verhältnisse im Hinblick auf die möglichst breite Zustimmung der neuen Untertanen „sozialverträglich“. 5. Die neue Mitte: Der makedonische König war – abgesehen von seiner charismatischen Persönlichkeit – eher zugänglich, „volksfreundlicher“ als der alte Perserkönig, und brachte sich stärker in die regionalen Verhältnisse ein, er gab sich als eine Art Patron. Als seine Vertreter waren die makedonisch-griechischen Statthalter und Strategen präsent. Klagen der Untertanen konnten direkt an den König gerichtet werden, was auf lange Sicht freilich eine Bürokratisierung des königlichen Hofes erfordert hätte. Um seine zentrale Rolle im ganzen Reich ausfüllen zu können, übernahm Alexander auch Elemente der persischen Herrscherrepräsentation und unternahm Versuche, makedonische und persische Eliten zusammenzuführen („Massenhochzeit zu Susa“) sowie die makedonische Phalanx um persische Eliteabteilungen zu erweitern. Moderne Kommentatoren missverstanden diese aus herrschaftsstrategischer Sicht gewiss weitblickenden Maßnahmen als Ausdruck einer auf „Menschheitsverbrüderung“ ausgerichteten Zielsetzung Alexanders. 6. Alexander gründete reichsweit viele neue Städte. Nach Plutarch sollen es 70 gewesen sein (Moralia 328E); nachweisbar sind nach neuesten Forschungen bislang neun Neugründungen, in Ägypten, der Susiane, zumeist aber auf dem Gebiet der heutigen Staaten Afghanistan und Pakistan. Die Gründe für die Anlage neuer Städte waren wirtschaftlicher, militärischer, sozialer und politischer, weniger kultur-missionarischer Natur, Städte wurden eine Art „Herrschaftsmittel“ in den eroberten Regionen – zu Zeiten Alexanders wie auch der nachfolgenden Herrscher. 7. Die mit der Reichsbildung verbundenen Veränderungen in der damaligen Welt waren so gravierend, dass die Forschung seit dem 19. Jahrhundert ( J.G. Droysen) mit Alexander eine neue Epoche der Geschichte beginnen lässt, den Hellenismus. Der Begriff verweist auf die grenzüberschreitende griechisch-makedonische Verbindung von historisch ganz unterschiedlich geprägten Regionen in politischer, wirtschaftlicher und teilweise auch kultureller Hinsicht. Die Verwaltung des Riesenreiches war rudimentär, da die Zeit zu ihrem Aufbau fehlte. Alles war um die Person des Königs konzentriert, seine Leibwächter zuerst, dann die Freunde des Königs und auch die militärischen Abteilungen der Reiter und der Fußsoldaten, die sich um ihn gruppierten. Eine Finanzverwaltung musste erst aufgebaut werden, die Verwaltung der Regionen musste sich technisch in jedem Fall auf die vor-
Behutsame Veränderungen
Patronat
Städtegründungen
Hellenismus
Heterogenität
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5. Reichsbildung
gefundenen Strukturen stützen. In Europa, d. h. Griechenland und Makedonien, war Antipatros der Stratege, in Kleinasien blieb es bei der alten Einrichtung von Satrapien, welche freilich jetzt makedonisch besetzt wurden, in Babylon wurden sodann der persische Satrap bestätigt, darüber hinaus aber auch makedonische Strategen eingesetzt. In anderen Regionen wurden lokale Potentaten vergleichbar den späteren römischen Klientelfürsten installiert (Zypern, Karien, auch Poros von Indien oder der Hohepriester von Jerusalem). Das neue Reich Alexanders war also ein hochgradig heterogenes Konstrukt. 5.3 Die hellenistischen Reiche und das „Gleichgewicht der Mächte“
Reichsteilung
Gleichgewicht der Mächte?
Mit Alexanders Tod im Juni 323 wurde ein heftig umkämpfter Umwandlungsprozess in Gang gesetzt, der das eine Reich in eine zunächst noch überschaubare Anzahl von Teilreichen überführte („Diadochenkämpfe“). Von diesen Diadochen wurde die Mittelmeerwelt fortan dominiert: Die Ptolemaier herrschten in Ägypten und einigen Außenbesitzungen wie Kyrene, Palästina, Zypern, Teilen Kleinasiens und der Inselwelt der Ägäis; die Seleukiden regierten als Kerngebiet Syrien, daneben aber auch Mesopotamien und den Iran im Osten und neigten zur Einflussnahme in Kleinasien, während die Antigoniden den europäischen Teil des Alexanderreiches, also Makedonien, Thrakien und Griechenland beanspruchten. Daneben bildeten sich zunehmend kleinere Monarchien heraus, z. B. in Kleinasien (die Attaliden von Pergamon) oder im Schwarzmeergebiet. Die Neigung zur Unabhängigkeit von den Großkönigen scheint nicht nur in den Poleis weit verbreitet gewesen zu sein. Die griechische Poliswelt selbst richtete sich unter den neuen Gegebenheiten, so gut es eben ging, ein, und in den weniger städtischen Regionen Griechenlands versuchte man, sich über die oben geschilderten Bundesbildungen (insbesondere der Achaier und Aitoler) Handlungsfähigkeit zu erhalten. Die politische Geschichte der hellenistischen Reiche erstreckt sich über fast drei Jahrhunderte (von 306–30 v.Chr.) und kann in drei Phasen eingeteilt werden: 1. Formierung und Blütezeit (306–215), 2. Auseinandersetzungen mit Rom (215–168), 3. Auflösungsprozess im Schatten Roms (168–30). Außenpolitisch wurde der Epoche vielfach das Etikett „Gleichgewicht der Mächte“ angeheftet, welches erst durch die römische Expansion aus den Angeln gehoben wurde. Abgesehen von einer fehlenden begrifflichen Basis in der Zeit selbst, entspricht diese Theorie auch nicht den außenpolitischen Intentionen der Großmächte. Diese richteten sich vielmehr im Gegenteil darauf, den Gegner als Rivalen zu betrachten, entscheidend zu schwächen und sich dessen Reich möglichst selbst einzuverleiben. Das misslang zwar, doch ändert sich deshalb nichts an der „Aggressionsbereitschaft“ (H. Hei nen) der hellenistischen Staaten. Der Grund dafür mag in dem Formationsprozess der Reiche selbst gelegen haben. Diese waren ebenso wie das Reich
5.3 Die hellenistischen Reiche und das „Gleichgewicht der Mächte“
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Alexanders keine historisch gewachsenen Einheiten, sondern zufällige, teilweise spontane Schöpfungen bzw. die Frucht blutiger Rivalität. So schnell wie die Reiche entstanden waren, konnten sie wieder untergehen; waren sie heute noch klein und unbedeutend, konnten sie vielleicht morgen schon allmächtig sein, und der Bezugspunkt aller hellenistischen Könige war ohnehin der Weltherrscher Alexander. Ein völkerrechtlich begründetes Ordnungssystem, vergleichbar demjenigen in der griechischen Poliswelt, konnte sich unter diesen Voraussetzungen nicht herausbilden, schon gar nicht eines, das der allgemeinen Idee eines „Gleichgewichts der Mächte“ verpflichtet war. „Groß“ und gut waren die Könige, die die Kriege gewannen, der Bedrohungen Herr wurden, das Reich vergrößerten. Der größte von ihnen war Antiochos III. (223–187), der dem Seleukidenreich kurzfristig gegen Ende des 3. Jahrhunderts seine alte Ausdehnung wiedergab. Doch alle Bemühungen, die Reiche auf Kosten der Nachbarn zu stabilisieren, wurden durch die aufstrebende Großmacht Rom zunichte gemacht, die sich seit 215 kriegerisch und diplomatisch mit den hellenistischen Staaten auseinandersetzte, nach einer Reihe von Siegen über die Makedonen (in den Jahren 197 und 168) sowie die Seleukiden (im Jahr 189/8) die politische Suprematie erlangte und damit ihre Vorstellung von einer funktionierenden völkerrechtlichen Ordnung der Welt aufzwang. Die Zerstrittenheit und Ordnungslosigkeit der hellenistischen Staatenwelt wirkte als Katalysator dieser Entwicklung. „Das lange Nachspiel“ (H. J. Gehrke), die innere Zerrissenheit und außenpolitische Ohnmacht vieler hellenistischer Staaten, spielte sich im Schatten Roms ab, das 146 dem Reststaat Makedonien, 65–63 dem Seleukidenreich und zuletzt 30 dem Ptolemaierreich in Ägypten den Garaus machte und selbst die Herrschaft übernahm; dazu wurden andere hellenistische Reiche wie das pergamenische im Jahre 133/129 durch Erbschaft provinzialisiert. Unter Reichsbildung im Hellenismus ist zuallererst nicht die Entwicklung von der kleinen Einheit zur Großmacht, sondern der umgekehrte Fall, die Abspaltung kleinerer Einheiten von einem Riesenreich zu verstehen, ein Prozess, der sich tendenziell fortsetzte: Während der gesamten Epoche bis 30 v.Chr. entstanden auf dem Territorium des Alexanderreiches immer neue regionale Reiche, die ihre Unabhängigkeit im Windschatten der großen Reiche zu gewinnen und zu bewahren hofften. Im 2. Jahrhundert gewannen sie einen gleichsam natürlichen Verbündeten für ihre Interessen, nämlich die sich allmählich zur Weltmacht entwickelnde Römische Republik. Diese zielte auf die Schwächung der Großmächte und die Stärkung der Kleinstaaten im hellenistischen Raum. Da das hellenistische Staatensystem lange Zeit intakt blieb und gleichzeitig eine intensive Außenpolitik, sei es mit kriegerischen, sei es mit diplomatischen Mitteln, betrieb, konnte sich überhaupt die Auffassung von einem „Gleichgewicht der Mächte“ als Ziel hellenistischer Außenpolitik, ja als System entwickeln. Die Reflexion darüber fehlt bei den Zeitgenossen wie Polybios nicht vollständig, aber insge-
Roms Schatten
Regionale Reichsbildung
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Innere Struktur
Ipsos 301
Erfolgsdruck
Sakrale Legitimation
Verhältnis zu Poleis
5. Reichsbildung
samt wird man das Gleichgewicht der Mächte eher ex eventu als faktisches Resultat, nicht als das Ziel einer darauf ausgerichteten politischen Handlung ansehen müssen. Die hellenistischen Reiche hatten, was die ethnische Vielfalt, die politischen Strukturen und auch die hegemonialen Absichten angeht, viele Gemeinsamkeiten. Wenden wir uns zunächst der inneren Struktur der hellenistischen Reiche zu. Sie gründete sich auf 1. der makedonischen Herkunft der Herrscher, 2. dem Vorbild Alexanders, 3. der weitgehenden und sich auch nie wirklich verändernden Instabilität, 4. der jeweiligen ethnischkulturellen Färbung sowie 5. der institutionellen Durchdringung des beherrschten Gebietes. Im Jahre 306 hatten sich die Diadochen in ihren jeweiligen Herrschaftsbereichen zu Königen ernannt. In der Schlacht von Ipsos 301 fiel mit Antigonos Monophtalmos der letzte Vertreter des Reichseinheitsgedankens. Die Monarchie war also von Anfang an nach dem Vorbild Alexanders die hellenistische Herrschaftsform, gewann aber eine ganz eigentümliche Prägung, welche man früher (und gelegentlich auch heute noch) mit den Etiketten absolutistisch und – im Sinne Max Webers – charismatisch versehen hat. Es gab keinen etwa der Polis vergleichbaren ausgebildeten institutionellen Rahmen, sondern der König stützte sich auf seine „Freunde“ und „Verwandten“ als Ratgeber, auf das Heer als Machtbasis, dazu auf ihm verpflichtete Beamte für die notwendigsten Verwaltungsaufgaben. Der ungeheure Erfolgsdruck nach innen und außen charakterisiert das Königtum in besonderer Weise und hilft mit, die Instabilität zu erklären. Diese konnte auch nicht durch den sakralen Bezug der hellenistischen Monarchie bzw. der politischen Handlungen aufgefangen werden. Die Könige stellten sich in die unmittelbare Nähe zu Heroen wie Herakles oder Göttern wie Zeus, Apollon oder Dionysos, um den Untertanen dynastische, aber auch gleichsam tagespolitische Legitimität zu vermitteln, und auch, um Loyalität zu erzwingen. Antiochos IV. (175–164) z. B. arbeitete reichspolitisch umso stärker mit diesem Medium, als er sich seiner politischen Schwäche infolge zunehmenden römischen Drucks und einiger Fehlschläge bei eigenen Unternehmungen bewusst war und sich um den für seine Stellung als König notwendigen Erfolgsanspruch Sorgen machen musste. So versuchte er über die erzwungene kultische Verehrung des eigenen höchsten Gottes Zeus Olympios in Jerusalem, die Reichseinheit oder eher noch den Reichsgedanken geradezu zu erzwingen und so über die eigene Schwäche hinwegzutäuschen. Die Leidtragenden waren in diesem Falle die Juden. Das Ergebnis dieser Politik war der Aufstand der Makkabäer und schließlich mit der Entstehung des jüdischen Hasmonäerstaates eine weitere Schwächung des seleukidischen Staates. Charakteristisch für die hellenistischen Reiche ist auch ihr Verhältnis zu den bis dahin (und hier verwende ich wieder bewusst eine moderne Formel) „völkerrechtlich souveränen“ griechischen Poleis. Diese überstanden die Veränderungen formell unbeschadet, weil die Herrscher eine recht weitge-
5.4 Der römische „Imperialismus“: die Reichsbildung seit 264 v.Chr.
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hende, wenn auch nicht unbegrenzte innere und äußere Autonomie der Poleis anerkannten und durch förmliche Verleihungen symbolisch garantierten. Der Begriff Polis blieb auch in der hellenistischen Zeit eine Art Gütesiegel, das begehrt war (so z. B. auch in Jerusalem). Die hellenistischen Reiche waren wohl geprägt von globaler Weltoffenheit, Toleranz und regionaler Selbstverwaltung, auf der anderen Seite jedoch waren die Herrscher und ihre „Freunde“, d. h. die Führungsschicht, nicht im Orient oder in Ägypten zuhause und führten, gewiss schleichend und behutsam, aber doch merklich Strukturveränderungen ein, mit denen sie sich von Anfang an von der achaimenidischen Ordnung absetzten. Den Strukturen, die nach Alexander entstanden, fehlte etwas, denn die Reiche waren im Innern zu schwach organisiert für die großen außenpolitischen Ziele, die sie verfolgten, und nicht dauerhaft in der Lage, den zunächst an der Peripherie, später auch im Zentrum wirkenden zentrifugalen Kräften zu widerstehen. Ein Lehrstück für diese Sichtweise ist der 100-jährige Niedergang des Seleukidenreiches.
Schwäche der helle nistischen Reiche
5.4 Der römische „Imperialismus“: die Reichsbildung seit 264 v.Chr. Imperialismus ist eine Ableitung des antiken Begriffes Imperium. Dieses Wort bezeichnete im römischen Amtsrecht die militärische und zivile Befehlsgewalt der höheren Magistrate (Diktator, Konsul, Praetor). Daraus leitete sich allmählich die geographisch konnotierte Umschreibung des Begriffes mit „Reich“ ab, so dass schon in republikanischer Zeit der römische Herrschaftsbereich als Gebiet, wo die Amtsgewalt römischer Magistrate galt, mit Imperium Romanum bezeichnet wurde. Wahrscheinlich seit Pompeius, spätestens aber unter Augustus (Suet. Aug. 48) wurden darunter auch alle von Rom abhängigen Staaten (man spricht gern von Klientelstaaten) gefasst. Diese Entwicklung zu einem nach römischem Verständnis weltumspannenden (orbis terrarum) Imperium mit dem neuzeitlichen „Imperialismus“ unreflektiert zu verbinden, kann zu irreführenden Deutungen des Phänomens führen; epocheübergreifende Vergleiche können aber durchaus fruchtbar sein (s. Kap. II.5.1; z. B. H. Münkler). Man kann die Expansion und außeritalische Reichsbildung Roms von 264 v.Chr. bis zum Ende der Republik in drei große Blöcke gliedern: 1. Entwicklung zum Weltreich von 264 bis 146 v.Chr.; 2. Stagnation oder Primat der Innenpolitik von 146–79 v.Chr. und 3. Entwicklung einer Art Reichsidee unter Pompeius und Caesar von 79 bis 44 v.Chr. Die außenpolitische Entwicklung war in der Tat rasant, und es liegt nicht außerhalb jeder Vorstellung, mit Polybios von einem vorgefassten Plan der Römer zur Eroberung der Welt auszugehen. Um das Zentrum Italien wurden immer größere Kreise neuer und unterschiedlich verwalteter Territorien gelegt. Zuerst wurden in den 50 Jahren (272–222) nach dem Sieg über Pyrrhos die Inseln Sizilien, Sardinien, Korsika (1. Punischer Krieg 264–241), die gegen-
Begriff
Phasen der Reichsbildung
Expansion
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Innenpolitische Implikationen
imperia extraordinaria
5. Reichsbildung
überliegende Adria-Küste (Krieg gegen die illyrische Königin Teuta 229/8) und das nördliche Italien (Krieg gegen die Kelten 225–222) in z. T. existentiell bedrohlichen Kriegen inkorporiert bzw. „gesichert“. Im nächsten halben Jahrhundert (bis 168) legte sich über diesen ersten Kreis ein größerer zweiter Kreis römischer Herrschaft, nämlich von Spanien im Westen und Nordafrika im Süden (2.Punischer Krieg 218–202), bis Makedonien und Griechenland im Osten (der 2. und der 3. Makedonische Krieg gegen die makedonischen Könige Philipp V. in den Jahren 200–197 und Perseus 171–168 sowie der Krieg gegen den Seleukidenkönig Antiochos III. 192–188). Damit hatte sich Rom binnen 100 Jahren im gesamten Mittelmeerraum als die bestimmende Großmacht eingerichtet. Die Expansion war damit noch nicht zu Ende, auch wenn der dritte Kreis römischer Herrschaft nicht mehr ganz so dynamisch und folgerichtig aufgebaut werden konnte. Im nördlichen Italien und südlichen Frankreich unternahm Rom weitere Kriege gegen die Kelten, die 121 zur Einrichtung der Provinz Gallia Narbonensis führten; im Osten verlegte man sich auf Verträge und diplomatischen Druck, so dass das vollends geschwächte Seleukidenreich und die übrige hellenistische Staatenwelt zusehen mussten, wie Rom in Asien Fuß fasste (signifikant im Jahre 129 Provinz Asia, 101 Provinz Cilicia). Der Gipfelpunkt der römischen Ausdehnung war damit noch lange nicht erreicht – man erreichte ihn erst in der Regierungszeit des Kaisers Trajan (98–117 n.Chr.) –, doch Tempo, Dynamik und Konsequenz der klassischrepublikanischen Expansion waren einmalig und wurden von antiken und modernen Kommentatoren immer wieder bewundert. Die außenpolitische Dynamik musste allerdings auch im Inneren verarbeitet werden, wobei zunächst ganz pragmatisch die Form der Herrschaft über die neu gewonnenen Territorien mit der stadtstaatlichen Ordnung Roms verbunden werden musste. Dabei wurde offensichtlich, dass das neue Weltreich das Potenzial der stadtstaatlichen Ordnung überforderte. Beides, die Organisation der Herrschaft und die inneren Widersprüche, hatte wiederum Rückwirkungen auf die Außenpolitik, denn die bisherige Dynamik ließ sich nicht aufrechterhalten. Die Römer reagierten auf äußere Bedrohungen zunehmend langsamer und unentschlossener: so bei den eigenmächtigen Unternehmungen des afrikanischen Numider-Fürsten Jugurtha (118–105 v.Chr.), den Wanderzügen der germanischen Kimbern und Teutonen (113–101 v.Chr.), der Expansion des pontischen Königs Mithridates VI. (der mehr als ein halbes Jahrhundert regierte, von 120 bis 63 v.Chr.), um nur die wichtigsten zu nennen. Die Expansion ging trotzdem weiter, weil die Römer dann doch in kritischen Stadien all dieser Gefährdungen ihre Kräfte zu bündeln wussten, selbst wenn dies nur mit Sondervollmachten ungewöhnlichen Ausmaßes (imperia extraordinaria, wörtlich „außerordentliche Befehlsgewalten“) und also um den Preis von Verfassungsverletzungen möglich war. Von einer „Reichsidee“ kann vor 67 freilich keine Rede sein, wie sich insbesondere an den reichspolitischen
5.4 Der römische „Imperialismus“: die Reichsbildung seit 264 v.Chr.
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Regularien der sullanischen Diktatur überprüfen lässt: Rom, nicht das Reich war der Bezugspunkt allen republikanischen Denkens. Sulla schuf nach seinem Sieg im Bürgerkrieg gegen die Popularen ein durchdachtes System, um das Reich von Rom aus regieren zu können: Er regelte die militärische Seite, die Ämtervergabe, das Verhältnis von Stadt- und Reichsmagistratur, sogar die Kompetenzen der Statthalter, aber der Hintergrund dieser Neustrukturierung war es, Märsche auf Rom sowie die potenzielle militärische Bedrohung der Senatsherrschaft durch mächtige Statthalter zu verhindern. Die Erfordernisse der Grenzsicherung, einer stabilen Provinzialordnung oder der patronalen Fürsorge für die Untertanen spielten in Sullas Überlegungen keine Rolle. Das änderte sich erst, als der außen- und herrschaftspolitische Spielraum für Einzelpersönlichkeiten seit der Mitte der 60er Jahre – eine Konsequenz der oben beschriebenen sullanischen Regelungen – entscheidend erweitert wurde. Pompeius und vor allem Caesar ließen, freilich unter Umgehung republikanischer Ordnungsvorstellungen, die Dynamik in der Außenpolitik wieder aufleben, um ihre jeweilige Position im innerrömischen Machtkampf zu verbessern. Pompeius unterwarf im Zusammenhang mit dem Krieg gegen Mithridates den ehemals seleukidischen Herrschaftsbereich im Osten und fügte dem Reich zahlreiche Provinzen und abhängige Fürstentümer hinzu; Caesar eroberte in einem achtjährigen, blutigen Krieg Gallien. Innerhalb von wenig mehr als einem Jahrzehnt (63–52 v.Chr.) war das Reich um bedeutende Territorien nach Osten, Westen und Norden hin vergrößert worden. Der bald darauf einsetzende Bürgerkrieg zwischen beiden Generälen und dann – nach dem kurzen Intermezzo von Caesars Monarchie – zwischen ihren Nachfolgern (49–31 v.Chr.) verschob die Prioritäten von der Außen- auf die Innenpolitik. Die äußeren Kriege während der späten Republik und insbesondere der Gallische Krieg waren insofern verschieden von den klassisch-republikanischen Kriegen, als die Römer zwar auch hier das eigene Sicherheitsbedürfnis und das der Verbündeten als Legitimation vorschoben, doch systematischer und insbesondere personell kontinuierlicher, nämlich über viele Jahre hin, Krieg führten und auch erstmals (jedenfalls im Osten) klare Vorstellungen über den politischen Umgang mit den gewonnenen Territorien entwickelten. Das Reich hat in dieser Phase als eigenständige Größe enorm an Gewicht gewonnen, auch wenn es sicherlich noch nicht ganz als gleichberechtigte Größe neben den Stadtstaat Rom trat; seine Bewohner – insbesondere die des „zivilisierten“ östlichen Teiles – erhielten allmählich eine klarere Perspektive für ein Leben unter römischer Herrschaft, auf die sie womöglich seit der Freiheitsproklamation vom Isthmos im Jahre 197 gewartet hatten. Denn das war die Lehre aus der Geschichte: Ein Stadtstaat hat gleichsam natürliche Wachstumsgrenzen und erhebliche Probleme, Herrschaft über fremde, weit abgelegene und autonome Gemeinschaften auszuüben. Beispiele dafür gab es in der griechischen Geschichte: Athen (im 5. Jahrhun-
Sulla
Pompeius, Caesar und die Reichsidee
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Herrschafts organisation
Herrschaftliche Durchdringung
Provinzen
5. Reichsbildung
dert) und Sparta (nach dem Sieg im Peloponnesischen Krieg) hatten während ihrer jeweils nur kurzlebigen Weltmachtstellung erfahren müssen, dass der Versuch, stadtstaatlich ein Imperium aufzubauen, zum Scheitern verurteilt ist – das war jedenfalls die Lehre, die Polybios aus der Geschichte zog. Rom fand einen Weg – wenn auch erst nach langem, von Konflikten begleitetem Suchen. Dieser Prozess spiegelt sich auch in einer differenzierten und komplexen Herrschaftsorganisation wider, der wir uns jetzt zuwenden wollen. Vereinfacht gesagt wies die Organisation des Reiches vier (zumindest von 227 bis 89 v.Chr., danach drei Kreise, da ab 89 der erste und zweite Kreis identisch wurden) Kreise auf: 1. das römische Bürgergebiet, 2. das bundesgenössische Italien (das wiederum in sich, wie gesehen, außerordentlich komplex strukturiert war), 3. die Provinzen und 4. die so genannten Klientel- bzw. abhängigen Staaten. Diese Ordnung des Reiches ist keine a priori systematisch angelegte, sondern eine auf konkrete historische Konstellationen reagierende und so allmählich gewachsene; periphere Gebiete hatten eine andere Funktion als nahe gelegene, und diese Rangordnung schlug sich in dem Integrationsgrad nieder. Innerhalb jeder einzelnen der oben genannten vier Formen wies die Ordnung wiederum viele Modifikationen auf, die an den Besonderheiten jeder Region ausgerichtet waren und deren Zweck kein anderer als die Festigung der römischen Herrschaft ohne bürokratischen Aufwand und eigenes Engagement war. Gerade diese Ausdifferenzierung der Beziehungen ermöglichte – dahinter verbirgt sich durchaus ein Paradoxon – eine intensive herrschaftliche Durchdringung des ganzen Reiches, wie sie von keinem der Vorgängerreiche je erlangt worden ist. Rom bediente sich dazu rechtlicher Formen (z. B. Verträge; Unterstellung unter römische Magistrate), politischer Bindungen (z. B. die Bürgerrechtspolitik), sozialer Abhängigkeiten (Klientel-Patronats-Verhältnis), integrativer Rituale (Gesandtschaften, Euergesien/beneficia = Wohltaten, Unterstützungen aller Art), teilweise auch informeller Beziehungen (Freundschaften), die in ihrer Gesamtheit – wie schon bei der „Einigung Italiens“ – auf lange Sicht integrierend wirken konnten. Positiv im Sinne zunehmender Vereinheitlichung machte sich das freilich erst in der Kaiserzeit bemerkbar, da die republikanische Verwaltung der Reichsteile zu stark von den persönlichen Interessen der adligen Statthalter und ritterständischen Steuerpächter (publicani) und darum von Ausbeutung der Untertanen geprägt war. Erst die Installation einer Oberaufsicht, die als patronale Mitte auch eine wirkliche Kontrollfunktion ausfüllte und die zum ersten Mal durch die Reichspolitik des Pompeius, später durch die Kaiser durchgeführt wurde, bot das Rüstzeug, hier wirksam Abhilfe zu schaffen – auch wenn der persönliche Profit immer ein wichtiges Merkmal römischer Verwaltung blieb. Die erste Provinz wurde 227 eingerichtet (Sizilien sowie Sardinien und Korsika) – beträchtliche Zeit nach dem Erwerb der Gebiete im Jahr 241. Sie war die angemessene Herrschaftsform außerhalb Italiens. Man nannte den
5.4 Der römische „Imperialismus“: die Reichsbildung seit 264 v.Chr.
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Amtsbereich der römischen Magistratur – insbesondere der Konsuln und Praetoren – provincia. Als diese Beamten außerhalb Italiens Krieg führten und als siegreiche Feldherren ferne Territorien beaufsichtigen mussten, wurde „Provinz“ auch zu einem geographischen Begriff. Zuerst (nach 227) wurden Praetoren als Statthalter eingesetzt, später Promagistrate. Sie formulierten bei Amtsantritt ihre Rechtsprinzipien in einer lex provinciae und brachten auch einen, allerdings überschaubar großen, Beamtenapparat mit. Doch verbergen sich hinter dem Provinzialregiment unterschiedliche Herrschaftsformen (z. B. erkennbar am Status einzelner Städte, die frei, halbfrei oder völlig steuerpflichtig waren), je nachdem, in welchem Reichsteil wir uns befinden und wie sich eine Region bzw. Stadt den Römern gegenüber verhalten hatte. Mit dieser Differenzierung vervielfachte sich die Verwaltungseffektivität, welche die römischen Beamten gar nicht hätten garantieren können. Noch weniger als bei den Provinzen lässt sich mit dem Begriff „Klientelstaat“ eine auch nur annähernd einheitliche Vorstellung von seinem Inhalt verbinden. Wir wenden den Begriff heute vornehmlich auf von Rom mehr oder weniger abhängige Gemeinden, Fürstentümer und Königsherrschaften an und verstehen darunter „Satellitenstaaten“ modernen Zuschnitts. Der Begriff Klientelstaat ist aber eine neuere Wortschöpfung. Die Römer nannten das äußere Abhängigkeitsverhältnis selten so, sondern verwendeten eher die Begriffe „Freundschaft“ und „Bündnis“ (amicitia, societas), deren Intensität von Fall zu Fall variierte. Das lateinische Wort clientela entstammt den innerrömischen Sozialbeziehungen und umschreibt ein durchaus gegenseitiges Bindungsverhältnis zwischen einem Stärkeren und schwächeren Personen; das Band zwischen ihnen heißt fides (vielleicht mit „Treu und Glauben“ zu übersetzen), die zwar keine fixierte juristische Norm ist, aber mehr als bloß eine moralische Verpflichtung. Sie ist, anders als clientela, auch in den zwischenstaatlichen Beziehungen ein Kernbegriff, nämlich bei der deditio, der römischen Variante einer Kapitulation (s. Kap. 3.2). Die äußere Gemeinde begibt sich auf „Treu und Glauben“ in die Gewalt Roms und kann auf eine ehrenvolle Behandlung hoffen – wie weit die „Übergabe“ diese Hoffnungen erfüllte, ist in der Forschung umstritten. Die Römer schätzten solche Formen der Herrschaft wegen ihrer Flexibilität über die Maßen, auch weil sie selbst nicht verwalten mussten, sondern diese Aufgabe einem Fürsten oder König überlassen konnten, dem sie dann als Gegenleistung die innere Stellung garantierten und auch sonst – im Innern und nach außen – halfen. Frühestens mit Pompeius aber wurden auch Klientelstaaten als zum Reich gehörig aufgefasst, weil sie auf römischen „Befehl“, imperium, zu handeln hatten. Die römische Reichsbildung, wie sie sich nach der italischen Einigung abspielte, beruhte wesentlich auf zwei Grundlagen: 1. Rom war ein Stadtstaat, was reichspolitisch bedeutete: die Reichsverwaltung wurde durch ein institutionelles, vielköpfiges, nicht personales
Formen der Klientel
Stadtstaatliche Regularien
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Übernahme lokaler Traditionen und Strukturen
Motive
5. Reichsbildung
Zentrum bestimmt. Das hatte Vor- und Nachteile: Einer gewissen Unbeweglichkeit bei der politischen Entscheidungsfindung stand der tendenziell rechtsstaatliche Charakter gegenüber, mit der Nutzung völkerrechtlicher Formen kontrastierte das hochmütige, z. T. kenntnislose Auftreten der Statthalter. Durchsetzungsfähigkeit und Effektivität dieser Administration hing darüber hinaus weitgehend von der Mitwirkung der lokalen Eliten ab, weil das in die Provinz zu entsendende römische Personal aus verfassungspolitischen und wohl auch aus finanziellen Gründen zahlenmäßig nicht sehr groß sein durfte. 2. Wesentlich war ferner die römische Eigenart, vorgefundene Verhältnisse römisch zu „interpretieren“. Davon war insbesondere der Umgang mit dem ehemaligen Alexanderreich, also Griechenland, Makedonien, Kleinasien, Judäa, später Syrien, geprägt. Das hellenistische Begriffsinstrumentarium wurde mit vergleichbaren, aber naturgemäß nicht identischen römischen Werten „kompatibilisiert“, so wie man das griechische Pantheon mit dem römischen kompatibilisiert hatte. Das führte zu Missverständnissen, weil griechische Euergesie und römische beneficia, griechische Pistis und römische fides, griechische Eleutheria und römische libertas nicht identisch waren; die Berichterstattung des zeitgenössischen Polybios informiert anschaulich über die sich daraus ergebenden Missverständnisse; entscheidend und verbindlich wurde aber natürlich die römische Auslegung. Andererseits sicherte dieses Verfahren der Übernahme lokaler Traditionen den Römern von Anfang an Zustimmung, wie die jüdische laus Romanorum des 2. Jahrhunderts v.Chr. zeigt (1. Makkabäerbuch 8). Letztlich ging es den Römern wie allen herrschaftlichen Systemen um Macht, Sicherheit und wirtschaftlichen Gewinn, diese aber in einer besonderen Mischung. Der Faktor Sicherheit war ohnehin fest im römischen Denken verankert, so sehr, dass eine große Zahl moderner Gelehrter in ihm die gesamte Außenpolitik und den Aufstieg zur Weltmacht begründet sieht. Und finanzieller Gewinn aus dem Reich war gleichsam die Belohnung für die innerrömische Karriere, die sich die Statthalter und die Steuerpächter gerne und überhöht auszahlen ließen; er war im Inventar der politischen Spielregeln der Republik eine feste Größe. Dass er freilich eine unabdingbare strukturelle Voraussetzung für das Funktionieren der Verfassung darstellte, wie in der angelsächsischen Forschung immer wieder betont wird, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. 5.5 Das Imperium der Kaiserzeit Die römische Republik hatte das Weltreich, die Bürgerkriege und die stehenden Heere gleichsam als Erbmasse an das Kaiserreich weitergegeben, und die Kaiser hatten dem Rechnung zu tragen. Augustus als der erste römische Princeps und – wie der offizielle Name Imperator Caesar Augustus bereits titular ausdrückt – „Kaiser“ hat die Grenzen des Reiches weit
5.5 Das Imperium der Kaiserzeit
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vorgeschoben, obwohl er selbst gar kein Feldherr besonderer Qualität wie sein „Vater“ Caesar war. In der Tat gehörte fortan die „Weltherrschaft“ auch zur Prinzipatsideologie; Vergil lässt in seinem programmatischen Ursprungs-Epos Aeneis Jupiter der Stammgöttin der Römer Venus prophezeien, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauche: his (sc. Romanis) ego nec metas rerum nec tempora pono: imperium sine fine dedi („Diesen setze ich keine Grenzen, weder in Raum noch Zeit: ich habe ein Imperium ohne Grenze gegeben“; Verg. Aen. 1,278f.). In scheinbarem Widerspruch zur progagierten pax Augusta gehörte also die kriegerische Expansion zum inhaltlichen Kernbestand des Prinzipats. Auf diesem Weg änderte sich gegenüber der Republik und zumal der späten Republik wenig, nur dass die Außenpolitik wie alle anderen Politikfelder auch jetzt in den Händen eines Monarchen, nicht mehr in denjenigen der im Senat versammelten Nobilität lag. Dem Reich tat diese Veränderung ohne Zweifel gut, denn der Kaiser konnte mit den Territorien anders umgehen als die republikanischen Institutionen, und so betrachtet erhält der Begriff „Reichsbildung“ im Jahre 27 v.Chr., als der Bürgerkriegsgeneral Octavian seine usurpierten Gewalten niedergelegt und den Beinamen Augustus erhalten hatte, für das Imperium Romanum eine neue, weiter gefasste Dimension. Die Außenpolitik war im Prinzipat also ideologisch als Fortführung expansionistischer Bestrebungen zur Vollendung der Weltherrschaft determiniert. Das galt auch, wenn die Realität eine andere Sprache sprach. Die Kaiser bedienten sich selbst dort, wo sie lediglich sicherten, sich auf Kompromisse beschränkten und auf ausgreifende Eroberungen verzichteten, einer ideologisch auf den Besitz des orbis terrarum zugeschnittenen Phraseologie. Den Ausgleich mit dem Partherreich etwa, der im Ergebnis die seit 53 v.Chr. verlorenen Feldzeichen zurückbrachte, verkaufte Augustus in seinem Rechenschaftsbericht und auf anderen Monumenten als Unterwerfung des östlichen Gegenspielers unter die römische Herrschaft. So blieb es auch während der gesamten Kaiserzeit; es machte keinen Unterschied, ob der Kaiser Trajan etwa tatsächlich eroberte und seine Nachfolger lieber Wälle und Grenzanlagen bauten und sogar Erworbenes wieder preisgeben mussten: Daran, dass Rom und der orbis terrarum identisch waren, zweifelte niemand – zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Griechische Beobachter, deren Ansichten uns erhalten sind, mochten den Kaiser mahnen, auf Expansion zu verzichten und die Infrastruktur des Bestehenden noch zu verbessern, doch damit rührten sie an die Legitimation eines jeden Kaisers: Der Ausgleich mit dem Senatorenstand als einer der Pfeiler des Prinzipats und auch das Verhältnis des Imperators zum Heer machten, sei es als republikanisches Erbe, sei es als Symbol einer „affektiven Nahbeziehung“ zu den Soldaten, eine nach außen gerichtete militärische Aktivität unverzichtbar – und sei es auch nur ideologisch. Lange Zeit kam sogar die Weltlage den kaiserlichen Ansprüchen entgegen, denn das Reich hatte seit dem 2. Jahrhundert v.Chr. über 300 Jahre lang praktisch keine
Augustus und die Weltherrschaft
Außenpolitik im orbis terrarum
Legitimation
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Stabilität
Reform der Reichsverwaltung
5. Reichsbildung
ernstzunehmenden Gegner; zwar hatten sich im 2. Jahrhundert n.Chr. erste dunkle Wolken gezeigt, doch führten erst im 3. Jahrhundert n.Chr. die Völkerverschiebungen an der nördlichen und das als Rivale Roms auftretende Sassanidenreich an der östlichen Grenze zu einer dann allerdings nachhaltigen Änderung der bislang für Rom so günstigen Konstellation. Die Beherrschung dieses gewaltigen, aber keineswegs durch feste Grenzen territorial geschlossenen Imperium Romanum über die Dauer eines halben Jahrtausends ist eine Leistung sui generis der Kaiserzeit. Seine realen „Grenzen“ waren im Westen der Atlantik, im Süden die afrikanische Wüste, im Osten die Flüsse Euphrat und Tigris und im Norden Donau und Rhein; Versuche einzelner Kaiser, diese Grenzen in Frage zu stellen und auf den Eroberungsspuren Alexanders des Großen zu wandeln, blieben Episoden. Alexander freilich hatte überhaupt kein tragfähiges Reich gebildet, noch weniger ein einheitliches und stabiles, während die Römer ihr Reich so beherrschten, dass – zumindest über weite Strecken – überhaupt keine Alternative zu denken war, nicht einmal von den Untertanen: Rom schien das Ende der Geschichte zu sein, und daran wollten auch die Christen nicht rütteln, selbst wenn sie ein anderes Reich, das nicht von dieser Welt war, bevorzugten. Es bleibt die Frage, warum das so war. Die Kaiser machten nur Weniges, jedoch Entscheidendes anders als die republikanische Ordnung, denn sie erhöhten damit die Akzeptanz unter den Reichsbewohnern und legten die Grundlagen für das allmähliche Zusammenwachsen zu einer Reichseinheit. Der Prinzipat brachte zunächst nicht einmal eine programmatische Veränderung der Reichsordnung gegenüber der republikanischen Zeit mit sich. Die Statthalter wurden zwar von einem etwas vermehrten Personal in ihre Provinzen begleitet, aber nach wie vor konnte sich noch nicht die Vorstellung einer quasi-modernen bürokratischen Eingliederung und Nivellierung der verschiedenen Regionen entwickeln. Daraus aber abzuleiten, dass man im frühen Prinzipat nicht von einer wirklichen Verwaltung sprechen könne, wäre verfehlt. Entscheidend für die Charakterisierung der Herrschaft im Kaiserreich sind zwei Punkte: 1. Durch die Monarchie wurde das strukturelle Hindernis der Republik, überhaupt Verwaltungsbeamte in beliebiger Zahl in die Regionen zu entsenden, beseitigt, und 2. konnte sich der patronale Charakter der Verwaltung erst in der Kaiserzeit voll entfalten. An den Herrschaftszielen änderte sich nichts, sie waren nach wie vor auf die Wahrung von Ruhe und Ordnung, Befriedung und die Sicherung geregelter finanzieller Einnahmen ohne Aufbau einer flächendeckenden Verwaltung ausgerichtet. Doch die Mittel, diese Ziele zu erreichen, wurden verbessert: allmählicher quantitativer und qualitativer Ausbau des personalen Apparates in den Provinzen, die Einbindung und Kontrolle der Statthalter in einem vom Kaiser überwachten System, der Grundsatz der patronalen Fürsorge, materielle Unterstützung der Provin-
5.5 Das Imperium der Kaiserzeit
75
zialen, Verbesserung der Infrastruktur, Wahrung einer allgemeinen Steuergerechtigkeit über den Zensus, die allmähliche Durchmischung von lokalem und römischem Recht, Wahrung des Friedens nach innen und an den Grenzen (der Kern der pax Augusta) – all das zeugt von einer erheblich intensivierten Verwaltung und legte die Grundlagen für eine zunehmende Vereinheitlichung, denn betroffen waren im Grunde alle Provinzen, wenn auch in unterschiedlichem Umfang. Diese Grundsätze erforderten außerdem eine stärkere Heranziehung der einzelnen Regionen zur Mitarbeit, in Form von Truppenstellungen, Quartierbereitstellungen, Leistung von Sonderabgaben, Hinnahme von Einschnitten in die Lokalautonomie, ebenso von ständiger Präsenz römischer oder fremder Gruppen in den Städten, Beschäftigung mit dem römischen Recht. Im Westen waren die Eingriffe der Vormacht noch deutlicher zu spüren, da hier überhaupt erst die Voraussetzungen für funktionierende Verwaltungen geschaffen werden mussten. Dazu gehörten zuallererst die Gründung und der Ausbau von Städten, denn nur durch sie wurden die institutionellen Grundlagen für römische Herrschaftsausübung bereitgestellt und konnte auch das flache Land im Umkreis beherrscht werden. Im Osten dagegen gab es seit jeher Städte, sie mussten nicht erst flächendeckend wie in Gallien gegründet werden. Hier galt es vielmehr, die lokalen Eliten zu gewinnen, und zudem arbeitete die römische Administration auch mit Konkurrenzsituationen zwischen einzelnen Städten bzw. verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen innerhalb jeder Stadt. Des weiteren bediente sich Rom der Vermittlerdienste lokaler Dynasten; die Herodianer, Nachkommen des Königs Herodes, etwa bildeten im 1. Jahrhundert n.Chr. willkommene Helfer im Umgang mit der jüdischen Bevölkerung in Palästina und der Diaspora und erhielten zum Lohn dafür Sicherheit, Königstitel und andere Statusverbesserungen. Und schließlich behielt der Prinzipat auch das schon während der Republik praktizierte Klientelstaatensystem bei – zunächst jedenfalls, während der julisch-claudischen Dynastie (bis 68 n.Chr.). Doch vergrößerte sich auch hier die Abhängigkeit von Rom, mussten von Rom erzwungene Könige, Umsiedlungen und weitergehende Einmischungen hingenommen werden. Seit den Flaviern (69–96 n.Chr.) löste folgerichtig die amtliche Herrschaft immer mehr die indirekte Herrschaft ab. Grundsätzlich wogen die Vorteile dieser Veränderungen – Frieden, Rechtssicherheit und materieller Schutz – die Nachteile wie Eingriffe in tradierte Ordnungen und Autonomieverlust auf, doch konnten daraus auch Unwillen und Aufruhr erwachsen (etwa beim jüdischen Krieg unter Nero), vor allem, wenn einzelne Kaiser das „Akzeptanzsystem“ (Begriff von E. Flaig) nicht beherrschten oder die Statthalter ihrer festgelegten Aufgabe nicht gewachsen waren und eher konfliktverschärfend wirkten. Im Allgemeinen aber war die römische Herrschaft jahrhundertelang konstant, stabil und selbstverständlich. Sie war dies auch deshalb, weil Rom sich selbst anpassungsfähig zeigte und einem Prozess der eigenen Veränderung nicht verweigerte,
Der Westen des Reiches
Der Osten des Reiches
76
Bewertung
5. Reichsbildung
den manche moderne Gelehrte als „Hellenisierung“ bzw. als Symbiose des Römischen mit dem Griechentum bezeichnet haben. Aus der heutigen Perspektive betrachtet bildete Rom „das Reich der Reiche“, das selbst von seinen Widersachern im Innern nicht in Frage gestellt wurde. Das Imperium Romanum der Kaiserzeit stellt, zumindest im Bewusstsein der Zeitgenossen, eine „Weltregierung“ dar, die Zusammenfassung aller Völker und Gemeinden unter dem Dach einer regional differenzierten Verwaltung. Zu seinen Kennzeichen gehörte die Schöpfung einer Weltordnung, die ideologische Überhöhung (die keine gleichberechtigten Partner neben sich duldete) und die Tendenz zunehmender Vereinheitlichung. Die vorstehenden Ausführungen haben aber deutlich gemacht, dass diese Reichsbildung, so wie sie war, von einem Konglomerat kontingenter Faktoren und systematischer Planungen ermöglicht wurde, das in dieser Mischung schwerlich wieder auftreten wird. Als Vorbild für „das Reich an sich“ taugt Rom ebensowenig wie jedes andere; Geschichte wiederholt sich nicht.
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung 1. Forschungstendenzen/Forschungsgeschichte Die Bilanz einer nunmehr 200-jährigen Forschungsgeschichte zur antiken Außenpolitik im weitesten Sinne kann sich sehen lassen. Insbesondere die Grundlagenforschung ist mit der Sammlung von Daten und Quellen, der Publikation von Verträgen und der Kommentierung des Materials weit fortgeschritten, und es ist infolge der zeitlichen und territorialen Ausdehnung der Antike sowie der immer möglichen neuen Funde von Inschriften oder Papyri noch kein Ende abzusehen. In „Der Neue Pauly“, Bd. 16, wurde 2003 eine (erklärtermaßen jedoch nicht vollständige) Liste von keilschriftlichen, hethitischen und griechisch-römischen Staatsverträgen publiziert, die nicht nur in ihrem quantitativen Ausmaß beeindruckt, sondern auch in tabellarischer Form hilfreiche Informationen für die weitere Forschung bereitstellt. Die Staatsverträge selbst mit Text und Kommentar wurden erstmalig 1739 in zwei Bänden von dem Juristen J. Barbeyrac [Histoire des anciens traitez], dann 1898 von R. von Scala [erschienen nur Teil I bis 338 v.Chr.: Staatsverträge] und schließlich in den Jahren 1962–9 von H. Bengtson [Staatsverträge II] sowie H.H. Schmitt [Staatsverträge III] veröffentlicht. Letztere beiden Sammlungen sind bis heute nicht zu ersetzen, auch wenn sie ein Torso geblieben sind – die Staatsverträge des Alten Orients sowie der griechisch-römischen Welt nach 200 v.Chr. sind nicht mehr (bzw. noch nicht) bearbeitet worden, doch verstärkt erfreulicherweise die Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts zur Zeit ihre Anstrengungen zur Komplettierung der Sammlung. Angesichts des üppigen Materials – die antiken Darstellungen selbst sind grundsätzlich „außenpolitikgesättigt“ – liegt bereits eine Reihe von deutschen, englischen, italienischen, französischen und spanischen Gesamtdarstellungen vor, die verlockende Titel wie „Das antike Völkerrecht“, „Das internationale Recht“ oder „Die internationalen Beziehungen in griechischer oder römischer Zeit“ tragen. In der Wahl der Begrifflichkeit ist man bis heute ziemlich unbefangen: Der Terminus „Völkerrecht“ wird recht häufig reflektiert, oft aber auch wie selbstverständlich gebraucht, von „Staat“ ist nahezu immer die Rede, und selbst der wohl inzwischen weitgehend vermiedene Nations-Begriff fristet in solchen Verbindungen wie
Grundlagenforschung
Gesamtdarstellungen
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Desiderate
Subjekte von Außenpolitik
Staatsbegriff
1. Forschungstendenzen
„internationale Beziehungen“, „internationale Rechte“, „transnationale Nahverhältnisse“ etc. sein Weiterleben [s. zuletzt L. Santi Amantini (Hrsg.), Dalle parole]. Die Außenpolitik, für die die Antike selbst keine eigene Begrifflichkeit entwickelt hat, wird intensiv erforscht und in größere Zusammenhänge eingebettet [vgl. nur F. de Martino, Costituzione II, 13–72, unter der Überschrift „I rapporti internazionali“ zur römischen Außenpolitik im Rahmen einer „Verfassungsgeschichte“ Roms], aber selten als Phänomen sui generis betrachtet, doch scheint sich auf diesem Gebiet allmählich eine Änderung anzubahnen [etwa C. Wendt, Sine fine]. Es gibt umfangreiche Spezialforschungen zum Krieg, zum Frieden, zur Diplomatie, zum Schiedsgericht, zum Thema „Grenzen“; explizit mit „Außenpolitik“ als Phänomen eigener Art befassen sich wenige Arbeiten [doch s. A. N. Sher win White, Roman Foreign Policy; M. Lemosse, Régime]. Diesem Umstand, dem Mangel an grundlegenden Arbeiten zu den „internationalen Beziehungen“ in vergleichender Perspektive, ist etwa der Sammelband von E. Frézouls und A. Jacquemin von 1995 [Les relations internationales] zu verdanken. Dort heißt es: „Ce qui manque plutôt ... ce sont d’une part les études typologiques reposants sur la mise en série du plus grand nombre possible de données relatives à une institution, une procédure, un rite, un trait de mentalité. Et ce sont d’autre part, comme dans d’autres domaines, les études comparatives entre divers secteurs géographiques et ethniques ou entre diverses périodes de l’Antiquité” (3f.). Dieser Appell ist nicht ungehört verhallt, auch die Forschungen zur Außenpolitik haben sich neuen Fragestellungen geöffnet. Zunächst musste es darum gehen, die Subjekte antiker Außen- und Bündnispolitik zu ermitteln. Heute ist diese eine Sache von Staaten, aber auch damals? Um diese Frage beantworten zu können, müssen einige Präliminar-Fragen gestellt werden. Die wichtigste ist: Seit wann gibt es „Staaten“? Kann man überhaupt den neuzeitlichen Staatsbegriff auf vormoderne Verhältnisse übertragen? Ed. Meyer [Geschichte des Altertums I 1,11] bejahte vehement diese Frage, C. Schmitt [Staat] verneinte sie nicht minder rigoros – beide mit guten Gründen. Auch in der modernen Althistorie gibt es keine einheitliche Meinung. A. Demandt [Antike Staatsformen, 17–48] z. B. plädiert mit der Mehrheit der Forscher für die Übertragung des Staatsbegriffs, C. Meier [Athen, 703] ist skeptisch und warnt vor der möglichen Gefahr, mit dem Staatsbegriff auch „vieles aus der Moderne in die Antike zu übertragen“, was dort nicht hingehört. Die Diskussion verlangt angesichts weit auseinander gehender Auffassungen nach methodologischer Schärfe, wie jüngst zu Recht herausgestellt wurde [L. Giangiulio, Stato, 31–53]. Die Kernfrage ist, welchen Staatsbegriff man zugrunde legt. Der minimalistischen und kanonischen Staatsdefinition von G. Jellinek [Allgemeine Staatslehre] mit den drei Elementen Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt traten inzwischen differenzierende Ergänzungen juristischer [R. Herzog, Allgemeine Staatslehre] und sozialanthropologi-
1. Forschungstendenzen
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scher [J. Haas, Evolution] Natur an die Seite. Den reinen „Idealstaat“, vollkommen souverän, einheitlich, durchorganisiert und zentralisiert, finden wir in der Antike nicht – aber ebensowenig in der Neuzeit außerhalb des europäisch-nordamerikanischen Raumes [so auch U. Walter, Begriff des Staates]. Da die ausschließliche Verwendung der Quellenbegriffe kaum in der Lage ist, historische Strukturen im Wortsinne zu „vergegenwärtigen“, ist wohl auf den Staatsbegriff auch weiterhin nicht zu verzichten, zumal die drei Elemente Jellineks bereits bei Cicero, De re publica 1,39–41, in der Reihenfolge Volk (populus), Territorium (domicilium) und Staatsgewalt (consilium) im Grunde vorliegen. Er ist allerdings behutsam anzuwenden, denn nicht jede Gemeinschaft mit beliebiger Organisationsstruktur ist gleich ein „Staat“. Zu vermeiden ist generell „Polis-Staat“ als Äquivalent für Polis; beide Begriffe sind nicht kompatibel. Das Bedeutungsfeld von Polis umfasst viel mehr, als das Wort Staat ausdrückt, und andererseits ist Autonomie, modern gesprochen also die völkerrechtliche Souveränität, eine Notwendigkeit für den Staat, aber nicht für die Polis [anders etwa W. Schuller, Griechische Geschichte, 112]. Ersatztermini für den fehlenden umfassenden antiken Staatsbegriff sind etwa Polis, Ethnos, Basileia, Koinon im Griechischen, res publica, civitas und Imperium im Lateinischen. Insbesondere um die Polis als Kernbegriff in der Antike für Stadt einerseits, „Staat“ andererseits dreht sich das Interesse der modernen Forschung. Das große Werk von M.B. Sakellariou [PolisState] hat sich auf diesem Gebiet große Verdienste erworben und das verfügbare definitorische Material zur Polis zusammengestellt. Das „Copenhagen Polis Centre“ unter der Leitung von M.H. Hansen stellt folgende Kriterien auf: Größe von Territorium und Bevölkerung, Siedlungsplatz, ethnische Identität, Zentralisierungsgrad, Strukturen sozialer und politischer Institutionen und Selbstverwaltung. Dieser methodische Zugriff Sa kellarious und Hansens, so umfassend er auch angelegt sein mag, ist nicht unumstritten geblieben, weil allein die Suche nach strukturellen Gemeinsamkeiten nicht ausreichend ist. Eine Polis oder älter Ptolis (ursprünglich „Burg“) hat als Festung a priori einen nach außen gerichteten Zweck, der Blick ist auf bedrohliche Nachbarn und auf potenzielle Eindringlinge gerichtet. Entsprechend gehört der Umgang mit dem „Außen“ zu den wesentlichen Funktionen von Gemeinschaften, wenn es sich denn nicht um Inseln handelt. Daher findet man das Wesen der Polis nicht, wenn man sie ausschließlich als Typus nach „inneren“ Kriterien wie Territorium, Bevölkerung oder Rechtsordnung betrachtet. Vielmehr erweist sie sich als gemein griechisches Phänomen, d. h. sie ist nicht nur auf sich selbst, sondern auf andere vergleichbare Städte einerseits und auf das alle Verbindende, das Hellenische, andererseits bezogen; der regelmäßige und intensive Kontakt gehört also zu ihren wesentlichen Charakteristika [E. Baltrusch, Wege zur Polis]. Bei Homer ist sie rudimentär schon anzutreffen, die Große Griechische Kolonisation (etwa 750–550 v.Chr.) be-
Äquivalente
Polis
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res publica
Das „Äußere“
1. Forschungstendenzen
schleunigte den Vorgang ihrer Ausbildung. Vergleichbares entstand auch bei den Phöniziern, Latinern und Etruskern, und es fehlt nicht an Stimmen, die die griechische Polis von einem phönizischen Modell, das man auf dem Wege umfänglicher Handelskontakte kennenlernte, ableiten wollen [O. Murray, What is Greek, 238; dagegen etwa K. Raaflaub, Zwischen Ost und West]. Doch bei aller Unsicherheit in dieser Frage darf nicht übersehen werden, dass die Kontakte nach außen, die Möglichkeiten zur Kommunikation mit anderen den Fortschritt der Polisbildung wesentlich befördert haben. Immer noch wichtig für den Prozess der Herrschaftsentwicklung im griechischen Raum ist A. Heuss [Archaische Zeit]; neuere Synthesen zur Polisbildung finden sich etwa bei K. J. Hölkeskamp [Entstehung der Polis, 17ff.] und H. Beck [Zugänge]. Bei den Untersuchungen zur römischen res publica verhält es sich etwas anders, weil schon der Begriff selbst auf die inneren Verhältnisse verweist und ein auf Rom allein bezogenes Konstrukt darstellt. Die klassische Definition lieferte Cicero in seinem Werk „Über den Staat“ (rep. 1,39): Res publica, res populi; populus autem non omnis hominum coetus, quoquo modo congregatus, sed coetus multitudinis, iuris consensu et utilitatis communione sociatus (Es ist also die res publica die Sache des Volkes; ein Volk aber ist nicht jede irgendwie zusammengescharte Ansammlung von Menschen, sondern die Ansammlung einer Menge, die in der Anerkennung des Rechts und der Gemeinsamkeit des Nutzens vereinigt ist). Mit dieser Verbindung von Bevölkerung, Recht und Nutzen gelangt, wie schon erwähnt, res publica in die Nähe moderner Staatsdefinitionen. Republik ist also der Gegenentwurf zur Monarchie (regnum), die von Cicero entsprechend als „Privatsache“ gedeutet wurde. Imperium, der heute gebräuchliche Name für das Römische Reich der Kaiserzeit, bezeichnet ursprünglich die Befehlsgewalt der höchsten römischen Beamten (Praetoren, Konsuln und Diktatoren) und wurde im Laufe der Zeit auf das von Römern beherrschte Gebiet übertragen [dazu A. Heuss, Imperium u. Gedanken und Vermutungen; J. Bleicken, Verfassungs- und Sozialgeschichte II]. In der offiziellen Titulatur war freilich auch das kaiserliche Rom, als Konsequenz der augusteischen Kontinuitätsideologie, eine res publica, womit der Traditionsstrang zur Republik und gerade nicht zur früheren „königlichen“ Alleinherrschaft im Gedächtnis der kaiserzeitlichen Römer verankert war. Die ältere Forschung orientierte sich naturgemäß an der römischen oder griechisch-athenischen Sicht des „Äußeren“ und „Fremden“, übernahm dabei auch deren Perspektive und blieb sich darin treu. Nun zeichnet sich, wenngleich noch behutsam, die Tendenz ab, die Fragestellungen mit neuen Methoden in einen größeren Zusammenhang einzubetten und die Griechenland- bzw. Rom-zentristische Perspektive zu modifizieren. Noch nicht in dem Maße wie bei Untersuchungen etwa zu den politischen Systemen der Antike, den Poleis oder der römischen Republik, aber dennoch erkennbar werden auch außenpolitische Verfahrensweisen, Vertrags-
1. Forschungstendenzen
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abschlüsse und der Prozess der Reichsbildungen nach den Methoden der Kulturwissenschaft untersucht. Diskussionen über „Gegenwelten“ [T. Höl scher (Hrsg.), Gegenwelten], Identität und Alterität [S. Faller (Hrsg.), Antike Identitäten; W. Nippel, Construction; H. J. Gehrke, Vorgehen], Kulturkonflikte [K.S. Freyberger/A. Henning/H. v. Hesberg (Hrsg.), Kulturkonflikte], Rituale [K. J. Hölkeskamp, Fides-deditio], Globalisierung [R. Hingley, Globalizing] und Vergleichshorizonte [etwa M. Hardt/A. Negri, Empire; P. Bender, Weltmacht Amerika; H. Münk ler, Imperien] verlassen die traditionelle Ebene von gesetztem Recht und Verfassung und schließen auch „alte“ Themen wie den Umgang mit den Fremden oder die Hellenen-Barbaren-Problematik mit ein. Dazu kommt ein inhaltlicher Perspektivwechsel: Nicht mehr allein auf Rom oder Athen ruht der Blick, sondern zunehmend wird die Perspektive der Partner bzw. Gegner der traditionellen städtischen Galionsfiguren der Antike eingenommen, und dieses trotz des nicht von der Hand zu weisenden Vorbehalts, dass nahezu allein einseitiges Quellenmaterial zur Verfügung steht. Die Rolle Karthagos etwa in den Punischen Kriegen kann heute – bisweilen allerdings überzogen – weitaus unbefangener dargestellt werden, als es die karthagofeindliche griechisch-römische Quellenlage (Polybios, Livius) erwarten ließe. Ein besonders auffälliges, aber keineswegs isoliertes Beispiel für dieses Umdenken in der Forschung ist eine moderne Analyse des Krieges der Römischen Republik gegen den seleukidischen Herrscher Antiochos III. in den Jahren 192–188 v.Chr. von J.D. Grainger [Roman War], die den zunächst verblüffenden Titel „The Roman War of Antiochos the Great“ (statt wie in der üblichen Diktion „The Syrian War of the Romans“) trägt, ein Perspektivwechsel, der neue Erkenntnisse ermöglicht. Zudem wendet man sich verstärkt einer vergleichenden Methode zu, wie etwa in der zur Zeit geführten Diskussion um den Charakter der amerikanischen Außenpolitik deutlich wird [P. Bender, Weltmacht Amerika; A. Çoskun/M. Tröster, Amerika auf den Spuren Roms]. Diese Erweiterung der Perspektiven bringt auch ein deutlich erkennbares Abrücken von der früher unbefangenen Verwendung des neuzeitlichen, nationalstaatsgenerierten Begriffsinventars mit sich: Staat, Nation, Völkerrecht, internationale Beziehungen, Außenpolitik, schließlich auch Diplomatie, Kapitulation – Begriffe, die vielfach diskutiert wurden und werden. Zwar ist die etablierte Begrifflichkeit nicht in jedem Fall zu umgehen, immerhin aber ist heute das Bemühen stärker ausgeprägt, die modernen Begriffe vorsichtiger zu verwenden und das Besondere der antiken Verhältnisse zu eigenem Recht kommen zu lassen. Um nicht andererseits Quellenbegriffe einfach zu übernehmen und dadurch die Darstellung im Wortsinne unverständlich zu machen, wird, wie im Darstellungsteil bereits ausgeführt, gegebenenfalls eine eigene, das Besondere ausdrückende Begrifflichkeit entwickelt, wie jüngst von A. Winterling [Polisübergreifende Politik]: Die äußeren Beziehungen in der griechischen Welt, so sein Vor-
Perspektivwechsel
Vorsichtige Ver wendung moderner Begriffe
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Sakrale Dimension
Ritualforschung
1. Forschungstendenzen
schlag, sollten nicht als „zwischenstaatliche“ oder gar „internationale“ Beziehungen bezeichnet werden, sondern als „interpolitische Beziehungen“, welche die Kontakte zwischen den Poleis, nicht zwischen „Staaten“ im Blick haben. Dieser Vorschlag greift eine Wortschöpfung C. Meiers auf und wird auch in der vorliegenden Darstellung teilweise verwendet, ohne dass allerdings ganz auf den Begriff „zwischenstaatliche Beziehungen“ verzichtet werden kann. Oft muss es auch in Ermangelung besserer Alternativen beim alten Begriff bleiben, s. etwa den Buchtitel „Les relations internationales“ von E. Frézouls/A. Jacquemin. Selbst in dem methodisch innovativen Lehrbuch „Antike“ [E. Wirbelauer (Hrsg.), Antike, 225–236] heißt ein Abschnitt von P. Kehne „Internationale Beziehungen“; derselbe Autor spricht 2003 von „Internationalverträgen“ [DNP, s. v. „1000 ausgewählte Internationalverträge der griechisch-römischen Antike“, 338–437]. Diese Begrifflichkeit vergegenwärtigt jedoch nicht, sondern führt zu falschen Deutungen, so dass sie hier vermieden wird. Auf die Verwendung von Begriffen wie „Staat“ [s. die begründenden Bemerkungen von U. Walter, Begriff des Staates], „Außenpolitik“ [W. Eder, Außenpolitik] und „Völkerrecht“ [so E. Baltrusch, Symmachie und Spondai, für die griechische, K. H. Ziegler, Völkerrecht u. Ius gentium, und C. Baldus, Vertragsauslegung u. Vestigia pacis, für die römische Antike] braucht aber nicht verzichtet zu werden. Sehr fruchtbar, aber noch keineswegs umfassend ausgeführt, sind Forschungsansätze zur sakralen Dimension von Außenpolitik. Gerade außenpolitische Handlungen mussten, da es andere Oberinstanzen nicht gab, über religiöse Absicherungen abgestützt werden. Kein Vertrag kam ohne Eidesleistungen, Opfer und Weinspenden aus, kein Krieg konnte erklärt werden, ohne dass Götter als Zeugen angerufen wurden. Einen wichtigen Beitrag in dieser Richtung hat J. Rüpke [Domi militiae] abgeliefert. Dieses Forschungsgebiet hatte es zunächst wegen der Dominanz des Politischen nicht leicht. Man war sich durchaus der bindenden Wirkungen religiöser Elemente wie Eid, Opfer und sakraler Sanktionen bewusst, doch bildeten diese eher Konfirmationen der eigentlich zentralen juristischen Bindung [s. jetzt auch S. Knippschild, Drum bietet zum Bund]. Es müssten – unter Einnahme einer inneren Perspektive – noch stärker die Elemente der polytheistischen Religion, wie sie durch J. Scheid [Römische Religion] und M. Beard [Römische Religion] herausgearbeitet wurden, für die Analyse der Außenpolitik nutzbar gemacht werden, insbesondere im Hinblick auf 1. den kompetitiven Charakter der Götterwelt gerade bei Kriegen: Welche Götter können helfen und wie ist ihre Wirkmacht beschaffen?; 2. die korrekte Durchführung der kultischen Handlungen: war sie tatsächlich allein entscheidend?; 3. die symbolische Bedeutung der Zusammenführung verschiedener Gottheiten, sei es für Integration (evocatio), sei es für Zusammenarbeit. Auf diesem Feld besteht noch Forschungsbedarf. Fortschritte machen auch neue Entwicklungen in der modernen Forschung, wie die „Personalisierung“ der Außenpolitik, die Erforschung
1. Forschungstendenzen
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von Ritualen, vergleichende und auch fächerübergreifende Analysen. Standen früher Institutionen mit z. T. starren rechtlichen Vorgaben ohne wesentliche entwicklungsgeschichtliche Veränderungen (so lautet oft der allerdings nicht ganz berechtigte Vorwurf an Mommsens „Staatsrecht“) im Zentrum der Forschung, so werden demgegenüber heute Flexibilität, Personalität [G. Herman, Ritualised Friendship; S. Hodkinson, Property] und das Rituelle der Außenpolitik betont [R. Schlesier, Menschen und Götter]. Eine solche Herangehensweise, wenn sie sich auch bisweilen noch auf der methodologischen Suche befindet, kann der weiterhin unverzichtbaren juristisch und philologisch arbeitenden Forschung mit ihrer normativen und kompakten Methode zugute kommen. In diesem Sinne und verbunden mit einem Plädoyer für die Suche nach neuen Perspektiven und Methoden aus der Semiologie, der Kommunikationstheorie, der Anthropologie äußerte sich bereits vor nunmehr 15 Jahren M. Liverani [Prestige and Interest, 17–19], ähnlich auch R. Palmer [Rome and Carthage]. Dieser Ansatz eröffnete neue Blickwinkel. Jetzt konnte der forschende Blick auch auf den „Austausch von Gütern“ als wesentlichen Teil der zwischenstaatlichen Beziehungen zumindest im Vorderen Orient gelenkt werden, und es eröffnete sich die Möglichkeit, aus der Perspektive der materiellen Kultur die archäologischen Zeugnisse für die äußeren Beziehungen stärker heranzuziehen [C. Zaccagnini, Scambio dei beni; R. Hingley, Globalizing]. Die althistorische Erforschung außenpolitischer Formen und Rituale profitierte durchaus von derartigen perspektivischen Erweiterungen. Als Beispiel sei bereits an dieser Stelle auf eine Reihe von Untersuchungen zur fides hingewiesen, einem zentralen, juristisch schwer bzw. überhaupt nicht zu fassenden Begriff, mit dem auch die Beziehungen Roms zu seinen „Partnern“ beschrieben werden können [vgl. etwa zuletzt K. J. Hölkeskamp, Fidesdeditio]. Ähnliche Entwicklungen können auch für die Erforschung der Reichsbildung festgestellt werden. Lange Zeit dominierte hier der Blick auf die Zentrale (Rom, Alexander) bzw. in Arbeiten zum römischen Reich insbesondere die Imperialismus-Debatte. Diese ist auch heute nicht verebbt, doch wird sie ergänzt durch Fragestellungen wie die nach der Inklusion peripherer Gesellschaften in das römische System, wie sie das von H. Heinen geleitete Trierer Forschungsfeld zur amicitia populi Romani untersucht: dazu jetzt der von A. Çoskun/H. Heinen herausgegebene Sammelband [Roms auswärtige Freunde]. Auch methodisch hat die Verlagerung hin zu einer Untersuchung des Zentrum-Peripherie-Verhältnisses kulturwissenschaftliche Elemente in althistorische Debatten integriert [z. B. S. Alcock (Hrsg.), Empires, und P. Bilde et al. (Hrsg.), Centre and Periphery, aber etwa auch A. Gebhardt, Imperiale Politik, für die römische Kaiserzeit]. Für die Außenpolitik können auch zunehmend die umfassenden Forschungen zu den Polen „Identität“ und „Alterität“ nutzbar gemacht werden,
Zentrum und Peripherie
Identität und Alterität
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Grenzüber schreitende Bezüge
1. Forschungstendenzen
die ein an der Universität Freiburg angesiedelter Sonderforschungsbereich untersucht hat [dazu zusammenfassend H. J. Gehrke, Vorgehen]. Dieser Ansatz schließt sich an nach wie vor aktuelle Untersuchungen zu Themen wie „Ethnogenese“ [s. etwa: J. F. Hall, Etruscan Italy; B. Isaac, Invention of Racism; und, am Beispiel der Hellenen, jüngst A.A. Lund, Hellenentum] und das Fremde oder der Fremde in der Alten Welt an [W. Nippel, Barbaren u. Construction; R. Lonis (Hrsg.), L’Etranger]. Mit der aufeinander bezogenen Kategorie des „Selbst“ und des „Anderen“ ließe sich auch die Frage untersuchen, wie die Griechen ihre Außenpolitik gestaltet haben – haben sie mit ihresgleichen anders Politik gemacht als mit den Barbaren? Wie stellt sich die historische Entwicklung dar? Gab es außenpolitische „Feindbilder“ oder „Gegenbilder“ nur außerhalb der griechischen Welt? Das scheint angesichts des zeitweise (seit den 430er Jahren) ungehemmten Dualismus Athen-Sparta oder der Nachbarschaftsfeindschaft zwischen Theben und Athen eher zweifelhaft. Wie stark, wie ausschließlich war überhaupt die Antinomie Griechen–Barbaren? Für die Römer stellt sich das Problem anders, da sie niemals in übergeordneten Identitätsverbünden integriert waren, die aus autonomen Teilgliedern bestanden; sie haben vielmehr in allen äußeren Kontakten Dominanz angestrebt bzw. erzielt – wenigstens seit dem 2. Jahrhundert v.Chr. Von Anfang an gab es bei ihnen eine scharfe und sichtbare Grenzziehung zwischen dem römischen „Selbst“ (domi) und dem „Außen“ (militiae), das Pomerium [J. Rüpke, Domi militiae]. Diese klare Dichotomie hatte gravierende Auswirkungen auf die Außenpolitik, und dies nicht nur in der Konstruktion des Krieges, sondern auch in den Formen der Zusammenarbeit. Insgesamt ist hier ebenfalls noch erhebliche Forschungsarbeit zu leisten. Eine nicht gering zu veranschlagende Erweiterung unserer Kenntnisse über antike Außenbeziehungen haben (im Wortsinn) grenzüberschreitende und komparatistisch angelegte Arbeiten gebracht. Der Blick über die geographischen Grenzen, nach Mesopotamien, Phönizien, Anatolien, Parthien oder Ägypten konnte Parallelen, Verflechtungen, Abhängigkeiten und wechselseitige Beeinflussungen zwischen den antiken Poleis und Reichen sowie ihrer Umwelt herausarbeiten, welche dem isolierten Beharren auf den Besonderheiten griechischer bzw. römischer Urbanität und Außenpolitik verschlossen blieben; für Rom konkret konnte z. B. E. Gruen in verschiedenen Arbeiten die Orientierung an hellenistischen Formen außenpolitischer Zusammenarbeit nachweisen. Auch die griechische Poliswelt hat ihre Verbindungen zum Orient außenpolitisch nutzbar gemacht. Hervorzuheben sind auf diesem Gebiet die weiterführenden Forschungsaktivitäten der Universität Innsbruck, insbesondere R. Rollinger [Hethiter], P. W. Haider [Griechen im Vorderen Orient], C. Ulf [Homerische Gesellschaft] sind hier zu nennen; des weiteren auch K. Raaflaub [Zwischen Ost und West (Phönizier)], E. Winter/B. Dignas [Rom und das Perserreich] und J. Wiesehöfer [Das antike Persien (Perser, Parther)], F. Starke [Troia im
2. Griechische und römische Frühzeit
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Machtgefüge (Hethiter)], P. Högemann [Iliasdichter (Anatolien)] und andere. Wesentliche Anstöße zu einer intensiven Betrachtung lieferte wohl auch die jüngst wieder so heftig geführte Troja-Debatte, die mit dem Buch von C. Ulf [(Hrsg.), Streit um Troia] vielleicht einen vorläufigen Abschluss gefunden hat. Angeregt durch aktuelle Schwerpunktthemen in den Internationalen Beziehungen wie den Menschenrechten, Raumordnungskonzepten, dem Klimaschutz oder generell ökologischen Fragen hat sich auch der Forschungshorizont der Geschichtswissenschaft erweitert; das gilt durchaus auch für die Alte Geschichte. Zumeist geht es um die Grundlegungsfunktion der Antike für die Moderne, wie es der Titel eines Sammelbandes formuliert [K. M. Girardet/U. Nortmann (Hrsg.), Menschenrecht]. Mit ökologischen Aspekten in den griechischen Rechten hat sich S. Adam [Environnement] auseinandergesetzt und damit auch einen Anstoß für die Erforschung interpolitischer Vereinbarungen gegeben (z. B. in den Amphiktyonien). Für andere „real existierende“ Bereiche der Antike, für die diese aber keine eigene Begrifflichkeit entwickelt hat, gilt das schon länger, etwa für die Neutralität (dazu unten) oder die Friedenssicherung.
2. Griechische und römische Frühzeit Das oben Gesagte über die Begrifflichkeit gilt in besonderem Maße für das jetzt zu behandelnde Gebiet: Die Arbeit mit Termini wie „Staat“, „Außenpolitik“, „Völkerrecht“ oder gar „internationale Beziehungen“ birgt gerade für archaische Zeiten, deren Vorstaatlichkeit gänzlich außer Frage steht, große Gefahren. So verhält es sich mit der sogenannten homerischen Zeit und der frühen Römischen Republik [dazu die Akten eines 1988 gehaltenen Kongresses zum Thema „Staat und Staatlichkeit“ im frühen Rom: 1: W. Eder, Staat]. Angesichts der oben beschriebenen Tendenzen in der Forschung verliert diese Frage freilich an Bedeutung. Äußere Beziehungen werden zunehmend weniger institutionell als vielmehr getragen von Personen oder organisierten Gesellschaften in ihren jeweiligen „kulturellen“ Prägungen verstanden [s. dazu U. Lehmkuhl, Diplomatiegeschichte als internationale Kulturgeschichte. Theoretische Ansätze und empirische Forschung zwischen Historischer Kulturwissenschaft und Soziologischem Institutionalismus, in: GG 27 (2001), 394–423]. Unter dieser Vorgabe ist es dann auch möglich, vorklassisch-archaische Phasen der antiken Geschichte analytisch mit dem (politikwissenschaftlichen) Begriff der begrenzten Staatlichkeit zu untersuchen.
Weitere aktuelle Anstöße
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2. Griechische und römische Frühzeit
2.1 Homerische Zeit (ca. 800–600 v.Chr.)
Homer und „Staat“
Dass Homer den abstrakten „Staat“ mit eigener Außenpolitik nicht kannte, braucht nicht mehr eigens betont zu werden. Alle „staatliche“ Handlung geht bei ihm auf Personen zurück, auf den König, den Herrscher, den Anführer. Aber dieses Handeln ist doch immer auch an eine bestimmte Funktion gebunden, ein Organisationsgrad der homerischen Gesellschaften ist erkennbar, auch wenn er rudimentär entwickelt ist; dies gilt auch für ein auf die Gemeinschaft bezogenes „politisches“ Handeln [dazu P. Spahn, Individualisierung, 347–354]. Immerhin unterscheidet Homer zwischen „öffentlich“(dh/miov/démios) und „privat“ (idiov/ídios), )/ etwa in der Rede des Odysseus-Sohnes Telemach vor der Versammlung in Ithaka (Odyssee 2,40–46). Der im 14. Gesang der Odyssee (14,238f.) deutlich werdende Vorrang öffentlicher Kriege vor privaten Raubkriegen ist eine wichtige Stufe auf dem Weg zum „Kriegsmonopol des Staates“. Und Homer kennt die Polis ebenso wie Hesiod. Das Lager der Griechen vor Troja ist einer Polis nachgebildet, und der Schild des Achill (Hom. Il. 18,463–608) ist von Hephaistos mit zwei Städten – die eine im Krieg, die andere im Frieden – bemalt. Diese Poleis zeigen sich als lebendige Organismen, die nicht nur nach innen, sondern auch nach außen strahlen. Dike, die Göttin des Rechts, hat zu walten gegenüber den Einheimischen im Innern, gegenüber den Fremden nach außen, so lässt sich der mit Homer vielleicht zeitgleiche Hesiod vernehmen (Werke und Tage 213–285). Diese Perspektive kommt ohne die apodiktische Zuordnung und Kategorisierung menschlicher Handlungen – hier staatlich, dort vorstaatlich – aus, die die ältere Forschung vornehmen wollte. M. Finley hat vor 50 Jahren der „Welt des Odysseus“ ein vollständiges Fehlen von Staatlichkeit attestiert und deshalb auch auf das 9. Jahrhundert als Abfassungsdatum der Epen geschlossen [World of Odysseus, 66f.]. Dieser Auffassung – sie war übrigens auch vor Finley schon vertreten worden – sind sehr viele, aber nicht alle gefolgt; besonders vehement hat ihr F. Gschnitzer [Homerische Staats- und Gesellschaftsordnung] widersprochen, ebenso K. Raaflaub in zahlreichen, differenzierten Arbeiten zur homerischen Zeit. Für die äußeren Beziehungen hat P. Karavites [Promise-Giving, 8] etwa den gegenseitigen Eidschwur als Zeichen von Staatlichkeit betrachtet. Letzten Endes führte jedoch das Beharren auf dem (für die homerische Zeit) notwendig schiefen Staatsbegriff in die Sackgasse, und K. J. Hölkeskamp [Ptolis and agore, 308] konstatierte zu Recht: „The problem is the exclusively ‚institutional’ approach“. Als weiterführend erwies sich daher das Konzept, Polisbildung nicht unter strikter institutionell-staatlicher Perspektive zu untersuchen, sondern in einen größeren Zusammenhang zu stellen, z. B. mit Hilfe einer „Zentrumsdefinition“, s. dazu B. Wagner Hasel [Stoff der Gaben, 71], oder in Verbindung mit anderen parallelen Entwicklungen
2.1 Homerische Zeit (ca. 800 600 v.Chr.)
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im Mittelmeerraum (Phönizier, Etrusker). Damit ist auch der Forschung zur homerischen Außenpolitik gedient. „Zwischenstaatliche“ Vereinbarungen der homerischen Zeit, also z. B. diplomatische Missionen oder Verträge zwischen den Trojanern und den Griechen, wie sie Homer in der Ilias überliefert, können angesichts der Quellengattung natürlich nicht in seriöse Sammlungen von Staatsverträgen aufgenommen werden (entsprechend verzichten die Anlagen der Staatsverträge bei H. Bengtson und P. Kehne auf sie); sie wurden in jedem Fall erfunden, nicht „wirklich“ abgeschlossen. Inzwischen liegen aber durch P. Karavites [Promise-Giving] und R. Rollinger [1: Hethiter] Zusammenstellungen und Analysen aller homerischen Vereinbarungen vor; beide Forscher kommen auf die beachtliche Zahl von 23. Gerade wegen ihrer Konstruktion ist diese homerische Vorstellungswelt für den Historiker wertvoll, da sie die zeitgenössischen Normen, Rituale und Inhalte in den äußeren Beziehungen speichert. Die aktuelle Diskussion um den Charakter des „homerischen Völkerrechts“ hat zwei Ansatzpunkte: 1. Die Einordnung der homerischen Verträge in ihre Umwelt. Die Methode ist vergleichend, da die erhaltenen Texte seit der Mitte des 2. Jahrtausends v.Chr., also die keilschriftlichen, hethitischen und ägyptischen ebenso wie die phönizischen, israelitischen und mesopotamischen Texte vergleichende Untersuchungen ermöglichen und damit eine gute Grundlage für weiterführende Forschungen bieten. Die althistorische Forschung wendet sich entweder selbst dieser Aufgabe zu [in den Arbeiten von 1: P. Högemann, Iliasdichter; 1: R. Rollinger, Hethiter; 1: S. Knippschild, Drum bietet zum Bund; 1: K. Raaflaub, Zwischen Ost und West], oder aber sie intensiviert die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Fachwissenschaften bzw. stützt sich auf diese [1: E. Frézouls/A. Jacquemin (Hrsg.), Relations Internationales; 1: F. Starke, Troia im Machtgefüge]. Die Debatte darüber wird im Augenblick sehr intensiv geführt und hat frühere Erkenntnisse bestätigen können [so sprach bereits G. Nenci in S. Cataldi et al. (Hrsg.), Studi sui rapporti, 63, von hethitischen Einflüssen] und zu weiteren fruchtbaren Resultaten geführt. Nicht mehr umstritten ist jedenfalls, dass es Einflüsse des orientalischen Raumes auf die griechischarchaische Vertragsgestaltung gegeben hat – auch wenn K. J. Hölkeskamp [Von den dunklen Jahrhunderten, 324] nicht ganz zu Unrecht resümiert, „dass solche kulturellen Beziehungen mehr postuliert als wirklich erwiesen werden“. Gestritten wird insbesondere um Zeit und Ort solcher Einflüsse. P. Karavites [Promise-Giving] analysierte orientalische Verträge der späten Bronzezeit als Vergleichsbasis, P. Högemann [1: Iliasdichter] und F. Starke [1: Troia im Kontext u. Troia im Machtgefüge] sprechen sich sehr dezidiert für anatolische Einflüsse aus, R. Rollinger [1: Hethiter] betont dagegen ebenso dezidiert Einflüsse der Levante auf das homerische Griechenland, und S. Knippschild [1: Drum bietet zum Bund] hält zu Recht bei ihrem
„Homerisches Völkerrecht“? Vergleich mit nicht griechischen Quellen
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Historische Anthropologie
Krieg als Naturzustand?
2. Griechische und römische Frühzeit
Thema, den rechtssymbolischen Akten in den zwischenstaatlichen Beziehungen, nicht nur Abhängigkeiten, sondern auch anthropologische Grundkonstanten für wahrscheinlich. 2. Mit den Methoden der historischen Anthropologie sollen Zustandekommen und Inhalte, Formen und Rituale der homerischen Außenpolitik neu gedeutet werden [z. B. B. Wagner Hasel, Stoff der Gaben]; die homerischen Epen müssen nach diesem Ansatz gleichsam „neu“ gelesen werden. Es gab auch bereits frühe Versuche, die homerischen Epen völkerrechtlich zu lesen: So fahndete schon T. Sorgenfrey [De vestigiis] nach den Spuren des homerischen ius gentium, H. Weil [L’Iliade] durchsuchte die Ilias wenig später nach dem „droit des gens dans la vieille Grèce“, und viele andere Forscher schlossen sich an. Diese Arbeiten äußerten sich entweder kritisch in Bezug auf ein homerisches „Völkerrecht“, oder aber sie stellten in der Hauptsache das Material zusammen, indem sie sich insbesondere an dem Kriegsepos der Ilias mit den dazugehörigen vertraglichen Unterbrechungen des Krieges, Gesandtschaften und Vereinbarungen orientierten. Diese speziell auf die Unterbrechung des Krieges bezogenen Verträge – unter anderem auch der homerischen Zeit – hat etwa der spanische Althistoriker F. J. Fernández Nieto [Los acuerdos] in zwei sehr nützlichen Bänden gesammelt und kommentiert. Die Ilias ist in der Tat ein vom Krieg durchdrungenes Epos, eine Tatsache, die auch dazu beigetragen hat, die Theorie vom Krieg als Naturzustand in der homerischen Zeit zu untermauern. Nach M. Finley (in mehreren Arbeiten seit den 1950er Jahren) war die Umwelt jeder homerischen Gemeinschaft geprägt von permanenter Feindschaft und Unsicherheit, „but there was nothing in their social system that created the possibility for two communities, as such, to enter an alliance. Only personal devices were available, through the channels of household and kin“ [World of Odysseus, 98f.]. Diese Theorie hat Finley nicht erfunden, doch kaum jemand hat sie so dezidiert vertreten wie dieser bedeutende anglo-amerikanische Althistoriker. Sie stützte sich auf ganz disparate Indizien: so auf die scheinbar ubiquitäre Verbreitung von Kriegen in der Alten Welt, auf die offenkundige Verherrlichung kriegerischer Bewährung, Heraklits Spruch vom „Krieg als dem Vater aller Dinge“, die „Rechtlosigkeit“ der Fremden, die berühmte Diskussion über den Krieg zwischen dem Athener, Kreter und Spartaner in der Einleitung zu Platons Nomoi, die erst in der Zeit um 400 v.Chr. erkennbare Hochschätzung des Friedens als eines eigenen Wertes und sicher auch auf die (seit J. Burckhardt) immer wieder rezipierte Lehre von der alle Lebensbereiche durchdringenden „agonalen Veranlagung“ der Griechen. Die moderne Forschung hat sich keineswegs von dieser Auffassung verabschiedet; M. Scott schrieb 1982: „There is either active warfare or philotes“ [Philos, philotes and xenia], und P. Karavites [Promise-Giving] sieht es ähnlich; oftmals wird die Theorie auch stillschwei-
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gend vorausgesetzt. Es mag hier genügen, auf Thukydides und seine „alte Geschichte“ Griechenlands (die so genannte Archäologie) im 1. Buch seines Peloponnesischen Krieges hinzuweisen; dort charakterisiert er die Verhältnisse der Frühzeit als „verkehrslos“ (a)meici/a/ameixía: 1,3,4; 1,2,2; 5,1), und auch Platon lässt den athenischen Diskutanten gründlich die Auffassung des Kreters widerlegen, dass im Grunde immer ein Krieg aller gegen alle herrsche. Die Debatte über den Krieg als Naturzustand sollte daher endgültig ad acta gelegt werden. Die homerische Zeit, in der die Polis mit ihren Institutionen noch nicht im Rampenlicht steht, bietet zudem einen fruchtbaren Boden für die bereits erwähnten neueren Forschungstendenzen innerhalb der Alten Geschichte. Der Mangel an institutioneller Organisation erfordert es, den Blick auf andere, mit der Staatlichkeit rivalisierende bzw. diese ergänzende Formen von Außenpolitik zu richten. Zusätzlich wird dieser Blick aber auch durch die zur Verfügung stehenden Quellen nahegelegt, denn die Ilias und die Odyssee handeln in erster Linie von persönlichen Beziehungen, meist der „Adligen“ (basilei=v/basileîs). Die Diskussionen wurden insbesondere von dem 1987 erschienenen Buch von G. Herman [1: Ritualised Friendship] über „ritualised friendship“, einen aus der Ethnologie stammenden Begriff, entscheidend vorangetrieben. In diesem Buch wird nämlich parallel zu der traditionellen, „zwischenstaatlichen“ oder interpolitischen Ebene der Beziehungen eine zweite, von personalen Elementen dominierte Form von Außenpolitik entwickelt, welche Angehörige der Oberschichten verschiedener Gemeinschaften miteinander pflegten. Diese Studie wirkte bahnbrechend, so dass die persönlichen Kontakte über „Grenzen“ hinweg in den letzten Jahren unter dem Gesichtspunkt der Reziprozität und des Gabentausches – und dies nicht nur für die homerische Zeit – diskutiert wurden [L.G. Mitchell, Greeks bearing Gifts; B. Wagner Hasel, Stoff der Gaben; 1: S. Hodkinson, Property; H. van Wees/N. Fisher (Hrsg.), Archaic Greece; D. Konstan, Friendship]. Ein wesentliches Medium von Außenpolitik in der archaischen Zeit – das ist seit dem 19. Jahrhundert und den Arbeiten von R. v. Ihering und T. Mommsen allgemein anerkannt – ist die Gastfreundschaft. Sie erweist sich schon dem Begriffe nach als persönlichen Ursprungs, und so erscheint sie auch in der homerischen Zeit. Sie stellt dort einen noch höheren Wert als in der klassischen Gesellschaft dar, denn sie kann die Beziehungen zwischen Gemeinschaften überlagern. Die homerischen Helden der Ilias Diomedes und Glaukos können, obwohl sie auf verschiedenen Seiten stehen, ihre alte Gastfreundschaft mitten im Kampfesgetümmel der Trojaner und Griechen wieder aufleben lassen, während dagegen später die Poleis absoluten Vorrang vor den persönlichen Beziehungen beanspruchten [dazu B. Wagner Hasel, Stoff der Gaben, 98ff.; 1: P. Kehne, Internationale Beziehungen, 225f.]. Auch die klassische Zeit weiß von dem Konfliktpotenzial zwischen öffentlichen und privaten Beziehungen zu berichten, insbesondere bei
Personale Elemente
Gastfreundschaft
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Diplomatie
2. Griechische und römische Frühzeit
Kriegen; locus classicus ist Xen. Hell. 4,1,34: „Diese Männer [gemeint sind Gastfreunde] kämpfen, wenn sich ihre Poleis verfeinden, mit ihren jeweiligen Vaterländern sogar gegen ihre früheren Gastfreunde, ja manchmal töten sie einander, wenn es sich so fügt“ [dazu E. Baltrusch, Polis und Gastfreundschaft]. Andererseits ist auch zu betonen, dass die persönlichen Bindungsformen der homerischen Zeit auf die konkrete Ausformung völkerrechtlicher Verträge der archaischen und klassischen Zeit wirkten. Die griechischen Städte schlossen „Gastfreundschaft“ (ceini/a/ xeinía) und „Freundschaft“ (fili/a/philía) als Voraussetzungen dafür, dass man überhaupt Symmachien abschließen konnte [1: E. Baltrusch, Symmachie und Spondai; zur fili/a/philía jetzt P. Spahn, Freundschaft und Gesellschaft]. Auch der diplomatische Verkehr erscheint bereits in homerischer Zeit stark formalisiert. Herolde und Gesandte stellten die Verbindungen zwischen den Basileis dar. Insignien und die ihnen garantierte Unverletzlichkeit kennzeichnen bereits die Diplomatie in den Epen Homers; daran ändert sich auch in der klassischen Zeit nichts. Die Formalia der Einrichtung von Gesandtschaften – also Titel, Alter und gesellschaftliche Herkunft der Gesandten, Insignien, die benutzte Sprache und der jeweilige Argumentationsgang – sind jetzt von L. Piccirilli [L’invenzione] und von M.G. Angeli Bertinelli/L. Piccirilli [Linguaggio] ausführlich behandelt worden. Homers Darstellung der Kommunikation zwischen Königen oder Heeren über das Medium der Gesandten ist vielfach diskutiert worden [bes. L. M. Wéry, Arbeitsweise, und D.J. Mosley, Envoys]. Dass das Gesandtschaftsrecht zum ältesten Inventar des Völkerrechts gehört, ist communis opinio in der Forschung und ergibt sich auch aus der homerischen Darstellung. 2.2 Römische Frühzeit (8.–4. Jahrhundert v.Chr.)
Roms Begriff vom „Außen“
Rom hatte von Anfang an einen klaren Begriff von sich selbst und dementsprechend auch von seinem „Außen“, und diese beiden Bereiche wurden durch eine ebenso klare Grenze bezeichnet, das Pomerium. Alles was diesseitig dieser sakralen Grenze lag, war domi (zu Hause) und geschützt, alles, was jenseitig lag, war militiae (im Felde) und bedrohlich. Das Pomerium (etymologisch vielleicht von post murum – „hinter der Mauer“ – abzuleiten) war nach dem kollektiven römischen Gedächtnis von Romulus, dem Gründer und ersten König Roms, mit dem Pflug um den Palatin herum gezogen worden [F. Kolb, Rom, 56–58], und diese Grenze war heilig. Ihre Bedeutung in mentalitätsgeschichtlicher Hinsicht, für die Kriegführung und den Umgang mit den Nachbarn und Fremden haben die seit den frühen 90er Jahren des 20. Jahrhunderts intensivierten Forschungen zur Identitäts-Alteritäts-Problematik und zur Religion herausgestellt [vgl. etwa 1: J. Rüpke, Domi militiae; 1: H. J. Gehrke, Vorgehen].
2.2 Römische Frühzeit (8. 4. Jahrhundert v.Chr.)
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Unsere Kenntnisse der römischen Frühzeit, also der Königszeit und der frühen Republik bis in das 4. Jahrhundert hinein, sind zu gering, als dass sich Aussagen über eine, wie auch immer geartete, Außenpolitik oder gar „internationale“ Einbindung tätigen ließen, aber Rom dürfte stärker auf sich gestellt gewesen sein als die Poleis des archaischen Griechenland. Andererseits kann man aus Instituten der späteren Zeit auch für Rom vergleichbare Einrichtungen wie die Gastfreundschaft ableiten, doch lassen sich die griechischen Formen des Gabentausches und der Reziprozität für Rom nicht sicher nachweisen. Berührungspunkte zwischen dem frühen Rom und dem homerischen Griechenland – beide lassen sich als „archaische“ Phasen interpretieren – mag es gegeben haben, doch scheint das Rom der frühen Republik stärker institutionalisiert als das Mykene Agamemnons bei Homer gewesen zu sein. In der Tat ist eine der gewiss problematischsten Grundannahmen in der modernen Erforschung der frühen römischen Republik die Vergleichbarkeit mit der synchronen griechischen PolisWelt, insbesondere also mit den Verhältnissen in Sparta und Athen, welche jedoch bereits Cicero in seinen Konstruktionen über die frühe römische Geschichte komparatistisch heranzog (in de re publica). Auch die Annalistik beförderte eine unmittelbare Beziehung zwischen dem frühen Rom und griechischen Poleis, wenn sie im Zusammenhang mit der Entstehung der 12-Tafel-Gesetzgebung nicht nur den möglichen griechischen Einfluss auf die Form der Kodifikation oder auf Teilbestimmungen, sondern sogar die Absendung einer römischen Gesandtschaft nach Athen konstruierte (Livius). Dieser Versuchung konnten auch moderne Untersuchungen nicht widerstehen, doch sind inzwischen deutlich vernehmbare methodische Zweifel geäußert worden [z. B. E. van der Vliet, Early Rome, 233ff.]. Das System, in das die Römer im Umgang mit ihren Nachbarn eingebunden waren, könnte sich an bestimmten Bindungsformen orientiert haben, die P. Catalano [Linee del sistema] mit dem Begriff „sovvranazionale“ überschreiben wollte, um zu einer Überwindung des in der Tat weder für die frühe noch für die späte Zeit passenden Begriffs „diritto internazionale“ zu gelangen. Es gelang dem italienischen Juristen freilich nicht, eine neue Begrifflichkeit einzuführen, da auch seinem Konstrukt kein gesteigerter analytischer Wert zukommt und er genau genommen ebenso modernistisch ist wie der alte. Zum diffizilen Problem „Staatlichkeit“ und „Staatsbildung“ im frühen Rom bietet der erwähnte Sammelband von W. Eder [1: Staat] weiterführende Beiträge. Zur Begrifflichkeit im römischen Völkerrecht ist nach wie vor grundlegend K. H. Ziegler [1: Völkerrecht]. Jetzt kann zusätzlich die juristische Dissertation von C. Baldus [1: Vertragsauslegung] herangezogen werden. Die Diplomatie und das Gesandtschaftswesen im frühen Italien von 753–265 v.Chr. ist zudem durch eine Sammlung diplomatischer Reisen nach Rom und von Rom einer besseren Erforschung zugänglich gemacht worden [F. Canali de Rossi, Relazione diplomatiche]. Der Autor vertritt ohne rechte Begründung die Glaubwür-
Parallelen zu Griechenland?
Begriffsproblematik
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Staatlichkeit und Kompetenzen
Krieg
„Natürliche Feindschaft“?
Fetialrecht
2. Griechische und römische Frühzeit
digkeit der selbst für die Königszeit referierten Begebenheiten, aber als Sammlung ist das Buch sehr nützlich. Die Forschungsarbeiten zu „Roms Verhältnis zum Ausland“ – diese Formulierung stammt aus dem bahnbrechenden Werk über „die völkerrechtlichen Grundlagen der römischen Außenpolitik“ von A. Heuss [Völkerrechtliche Grundlagen, III und 1] – während der frühen Republik sind unter drei Gesichtspunkten zu betrachten. 1. Zunächst stand die Frage im Mittelpunkt, welchen Grad von Staatlichkeit man der frühen Römischen Republik und ihren Partnern zubilligen kann und wie auch außerinstitutionelle Formen der Außenpolitik bestimmend waren bzw. Analogien zur homerischen Zeit möglich sind. Diese Frage diskutiert J. Martin [Aspekte antiker Staatlichkeit, 220ff.], der bezüglich der römischen Fremdenintegration einen fundamentalen Unterschied zur Polis Athen hervorhebt, da Rom seine Bürger über einen Rechtsstatus einband, Athen über einen politischen Status. Der Jurist D. Nörr [Aspekte des römischen Völkerrechts, 59] dagegen verweist auf ein Kernproblem römischer Außenpolitik überhaupt, das es in noch höherem Maße in der frühen als in der klassischen Römischen Republik gegeben haben muss: Wer war für Außenpolitik zuständig? Dieses Problem der Kompetenzabgrenzung und -überschneidung zwischen Magistratur, Senat und Volk, das in der berühmten Verfassungsanalyse des Polybios (6,11–18) positiv als gegenseitige Abhängigkeit gewendet wird, muss, schließt man zurück von den außenpolitischen Willensbildungsprozessen während der klassischen Republik, erst recht in der frühen Republik viele Fragen aufgeworfen haben. 2. Der wichtigste außenpolitische Bereich aber war (auch) für das frühe Rom der Krieg und seine Formalisierung. Dieser Komplex ist in der Forschung von den verschiedensten Perspektiven aus betrachtet worden. K. H. Ziegler [1: Völkerrecht, 101] hat hervorgehoben, dass „es die große und bleibende Leistung der Römer [ist], zuerst den Krieg als Rechtsvorgang begriffen zu haben“. Für das frühe Rom hat sich bereits T. Mommsen in seinem „Staatsrecht“ [1: Römisches Staatsrecht III 1, 590ff.] dezidiert für den Krieg als normalen Zustand ausgesprochen, was wenig später E. Täub ler [Imperium] noch betonter, allerdings nicht immer klar und präzise begründet herausgestellt hat. A. Heuss [Völkerrechtliche Grundlagen] hat schließlich das Thema mit Blick auf die durch die Fetialpriester vorzunehmende Kriegserklärung einer erneuten, systematischen Behandlung unterzogen, und er konnte sich mit seiner Auffassung auf ganzer Linie und für eine lange Zeit durchsetzen. Heuss stellte eine „natürliche Feindschaft“ gänzlich in Abrede. Rom habe vielmehr im Gegenteil jeden Krieg im Vorhinein rechtmäßig erklären müssen, und dies auch gegenüber vertraglich nicht mit ihm verbundenen Kontrahenten. Die Form für diese allgemeine Pflicht einer Kriegserklärung sei im Fetialrecht fest verankert gewesen. Mommsens und Täublers Theorie war damit vom Tisch, bis vor
2.2 Römische Frühzeit (8. 4. Jahrhundert v.Chr.)
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wenigen Jahren zuerst C. Saulnier [Rôle des prêtres] und auch T. Wiede mann [The Fetiales], dann aber vor allem und nachdrücklich die Dissertation von A. Zack [Römisches Völkerrecht] zu erweisen versuchten, dass das Priesterkollegium der Fetialen ausschließlich bei Vertragsbrüchen aktiv wurde, mithin die Kriegserklärung nur bei regulären Vertragspartnern der Römer notwendig wurde. Die letzte Konsequenz, also die vollständige Rückkehr zu Mommsen und Täubler, nämlich zur „natürlichen Feindschaft“, zieht Zack freilich nicht. Wesentlich neue Impulse sind von dem Weiterführen dieser Debatte jetzt nicht mehr zu erwarten; alle Argumente sind vorgetragen. Weiterführend war dagegen der von J. Rüpke [1: Domi militiae] unternommene Perspektivwechsel von der juristischen auf die sakrale Seite des Krieges und der Kriegseröffnung; die Fruchtbarkeit dieses Ansatzes liegt allein schon durch die maßgebliche Rolle der fetiales auf der Hand. Ein zweites Problem des frührömischen Krieges betrifft das Recht zur Führung eines Krieges bzw. das „Kriegsmonopol des römischen Staates“ [so die Formulierung bei D. Timpe, Kriegsmonopol, 368–87]. Ein solches kann für die frühe Republik noch nicht vorausgesetzt werden, wofür auch Beispiele aus der Annalistik herangezogen werden können. Regelrecht eingebrannt in die kollektive republikanische Erinnerung etwa war der Auszug der Fabier (Livius 2,48–50) gegen Veji. Dieser Privatkrieg (familiare bellum) führte zur Niederlage an der Cremera im Jahre 477 v.Chr. Die Historizität der Überlieferung steht im Zentrum der Forschungen. J. C. Richard [Histoire] hält sie für gegeben, K. W. Welwei [Gefolgschaftsverband] versetzt sie ins „Reich der Legende“; zur Interpretation einer als Beleg bedeutsamen Inschrift aus Satricum siehe mustergültig H.S. Versnel [Neue Inschrift]. Für die Forschung geht es in diesem Zusammenhang um zwei Fragen: 1. Wie haben wir uns das Verhältnis zwischen „öffentlichen“ und „privaten“ Kriegen vorzustellen – ist eine Scheidung überhaupt sinnvoll und angemessen? 2. Wie muss man sich die äußeren Beziehungen zwischen Gemeinden vorstellen, wenn solche Privatkriege möglich sind? D. Timpe [Kriegsmonopol] verweist auf die prozesshafte Ausbildung innenpolitischer Institutionen und außenpolitischer Beziehungen zwischen Rom und seinen Nachbarn, an deren Ende nur noch staatliche Kriege erlaubt waren. Zeitlich denkt er an die Wende vom 5. zum 4. Jahrhundert. Man wird sich aber mit Timpe davor hüten müssen, von einer einfachen Dichotomie zwischen (gerechten) Staatskriegen und privaten Raubkriegen auszugehen. Vielmehr liegen beide (wie ja auch die Fabierlegende zeigt) recht nah beieinander. In dem Maße freilich, wie sich Rom in irgendeiner Form oder sogar vertraglich mit seinen Nachbarn verband, war der Spielraum für Privatkriege eingeschränkt und schließlich ganz aufgehoben; erst die Krisenzeit der Republik führte im 1. Jahrhundert v.Chr. wieder zur Aufweichung des staatlichen Kriegsmonopols durch die Bürgerkriegsgeneräle. Auf dem Meer als einem ohnehin staats- und herrschaftsfreien Raum [dazu: W.
Kriegsmonopol
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Religion und Fetialkollegium
2. Griechische und römische Frühzeit
Vitzthum, Seerechtsfrühgeschichte] scheint der Privatkrieg in Form der Piraterie ein Weiterleben gefristet zu haben – bis Pompeius und die römischen Kaiser die staatlichen Interessen auch auf diesem Terrain durchsetzen konnten. Unklar ist des weiteren noch immer die Deutung des ver sacrum (wörtlich: „heiliger Frühling“), also der militärischen Unternehmungen der Jungmannschaften. Dessen Beschränkung auf Italien postuliert – trotz generalisierender Bemerkungen von Dionysios von Halikarnass (1,16) und Strabo (5,4,12 p. 250) – W. Eisenhut [RE s. v. „ver sacrum“ Sp. 911–923]. Im Zusammenhang mit dem Krieg und seiner rechtmäßigen Eröffnung spielt ferner die Diskussion um die Bedeutung der Religion und insbesondere des Fetialrechts eine zentrale Rolle [dazu die bereits erwähnte umfassende, weiterführende Studie von 1: J. Rüpke, Domi militiae; grundlegende Überlegungen zu den Fetialen auch bei T. Wiedemann, The fetiales]. Da unsere Quellen (insbesondere Livius, Dionysios von Halikarnass, Cicero) ein sehr hohes und in die Königszeit hineinreichendes Alter des Fetialrechts vermuten, hat z. B. C. Auliard [Les fétiaux] zur Harmonisierung der Quellen eine mehrstufige Entwicklung in der Königszeit angenommen, die sich auch mit der jeweiligen kriegerischen oder friedlich ausgerichteten Politik der einzelnen Könige verbinden ließe [ähnlich auch R. Penella, War, Peace, der in hohem Maße spekulativ das ius fetiale als Ausgleich zwischen der Politik des Romulus und Numas sieht]. Entsprechend meinte J. Plescia [Ius pacis], dass sich die Fetialen allgemeine Vertragskompetenzen angeeignet und diese dann sakralisiert hätten. Neben die Diskussion über das Alter der Institution treten verfassungsrechtliche Fragen – inwieweit etwa waren die Fetialen an Senatsbeschlüsse bzw. Volksgesetze gebunden? –, ferner das völkerrechtliche Aufgabenfeld (Vertragsabschluss, Kriegserklärung, Diplomatie) und zuletzt wieder ihre völkerrechtliche Kompetenz. Nach T. Mommsen [1: Römisches Staatsrecht III 1], der die Notwendigkeit einer förmlichen Kriegserklärung nur gegenüber vertraglich gebundenen Städten betont hatte, war es A. Heuss [Völkerrechtliche Grundlagen], der gerade dies in Abrede stellte und durch seine Konstruktion einer vertragslosen amicitia auch das Fetialrecht generalisierte. Demgegenüber schränkte die angelsächsische Forschung und hier insbesondere W.V. Harris [War and Imperialism] die Bedeutung des Fetialrechts stark ein, indem er dieses Institut ohnehin nur für „psychological“ hielt, nämlich zur Beruhigung eines schlechten Gewissens. Für W. Dahlheim [Struktur, 173] verbürgte das Fetialrecht „keine objektive Rechtmäßigkeit im moralischen Sinne, die Bindung an das ius fetiale ist vielmehr eine superstitiöse und juristische, die jedes moralische Moment unbeachtet lässt“. Wie oben dargelegt, hat zuletzt A. Zack [Römisches Völkerrecht] wieder zur Sicht Mommsens zurückgefunden. Er meint, dass das Kollegium durch die Ständekämpfe zentrale Rechte eingebüßt habe; ähnlich sieht es auch C. Baldus [1: Vestigia pacis, 298–348]. Beweisen lässt sich das freilich ebensowenig wie die Auffassung von T. Wiedemann [The fetiales], der das
2.2 Römische Frühzeit (8. 4. Jahrhundert v.Chr.)
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ius fetiale für eine möglicherweise ahistorische augusteische Konstruktion hält (besonders 484: „If the ‚Fetial Rite’ was largely or even entirely an invention of 32 B.C., then the role of the fetiales of the imperial republic in legitimating Roman aggression has been misrepresented“). Im Zentrum der Forschung zur römischen Frühzeit stehen neben Staatlichkeit und Krieg des weiteren außenpolitische Einzelthemen, derer zwei besonders heftig diskutierte an dieser Stelle etwas eingehender behandelt werden sollen. Zunächst zum foedus Cassianum: Die in Teil I vertretene Datierung ist eine Minderheitenmeinung, da inzwischen die Mehrheit der Forscher von der Historizität der annalistischen Überlieferung, insbesondere dem bei Dionysios von Halikarnass (6,95) wiedergegebenen Vertragswortlaut ausgeht [s. zuletzt L. Aigner Foresti, Etrusker, 153f.]. In Teil I wurde das Datum 358 nach Livius 7,12,7, der freilich in diesem Jahr von einer Erneuerung des Vertrages von 493 ausging, vertreten; in dieselbe Richtung äußerte sich bereits J. Bleicken [Römische Republik, 120] der auch die weiteren Datierungsvorschläge und -möglichkeiten auflistet. Für die annalistische Datierung treten dagegen H. Bellen [Grundzüge, 18] und T.J. Cornell [Beginnings, 293–8 und 299–301] ein, der zudem das Formular vollkommen mit der üblichen Vertragssprache des 5. Jahrhunderts konform ansieht; gerade dies lässt sich aber nicht wirklich behaupten. Für derartige Vertragsformulare scheint 493, trotz der gegenteiligen Auffassung von A. Bernardi [Nomen Latinum], ein zu früher Zeitpunkt zu sein, und auch inhaltlich ist die annalistische Datierung ganz unwahrscheinlich [A. Alföldi, Das frühe Rom, 133ff.]. Wahrscheinlich bewirkte eine Gefahrensituation den Vertragsabschluss. Wie zur Zeit der Perserkriege im Jahre 480 v.Chr. dem griechischen Bündnis gegen den Perserkönig Xerxes die friedliche Beilegung z. B. des Konfliktes zwischen Athen und Aigina vorausgehen musste, regelt auch das foedus Cassianum alle Fälle, in denen es bisher vermutlich zu Konflikten zwischen Rom und den Latinern gekommen war. In der Tat spricht Livius 7,12 auch von einem römisch-latinischen Bündnis aus Anlass eines drohenden Galliereinfalls im Jahre 358, und damit dürfte man ein zuverlässiges Datum für den Vertragsabschluss an der Hand haben. Auf jeden Fall muss das Bündnis mit den Latinern zwischen dem ersten und dem zweiten Karthagervertrag, also nach 387 (Galliereinfall), und vor 340 (Latinerkrieg), angesiedelt werden: s. dazu K. E. Petzold [Römisch-karthagische Verträge]. Die Verträge Roms mit Karthago sind das nächste Problemfeld in der Frühzeit Roms. Die Forschungen dazu konzentrierten sich insbesondere auf Datierungs-, Rechts- und Interpretationsfragen. Könnte man den durch die Quellen (Polybios, Livius, Dionysios von Halikarnass) verbreiteten frühen Termin für den ersten römisch-karthagischen Vertrag (509/8 v.Chr.) bestätigen, erhielte man einerseits Auskunft über den allgemeinen Charakter der zwischenstaatlichen Beziehungen in einer sehr frühen Phase der Repub-
foedus Cassianum
Verträge mit Karthago
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2. Griechische und römische Frühzeit
lik, andererseits über den Prozess der römischen Reichsbildung in seiner Frühphase. Zu den Verträgen im Einzelnen: Die Hauptquelle ist Polybios 3,22–26. Die Verträge sind wie gewohnt versammelt bei H. Bengtson und H.H. Schmitt in den „Staatsverträgen“ [1: Staatsverträge II: 121; 326; III: 438; 466]. Zuletzt hat sich in einer Monographie B. Scardigli [(Hrsg.), Trattati, 152f.] mit ihnen und auch den späteren, nach Beendigung der Kriege abgeschlossenen Verträgen ausführlich und systematisch befasst. Nach ihrer Auffassung gehen die „Vorkriegsverträge“ auf karthagische Initiativen zurück und ist auch der sog. Philinos-Vertrag, den Polybios für nicht historisch hielt, denkbar. Die an dieser Stelle besonders interessierenden ersten beiden Vereinbarungen sind politische Verträge, die Freundschaft zwischen den beiden Mächten herstellen und dazu die geographischen Einflusssphären und in diesem Rahmen auch Handelsregeln festlegen [1: R. Palmer, Rome and Carthage]. K. Bringmann [Datierung, 111–120] konnte schlüssig nachweisen, dass die Datierungen bei Polybios nicht zwingend sind und dass die überlieferten inhaltlichen Bestimmungen eine römische Hegemonialstellung an der italischen Küste südlich des Tiber und auch den zunehmend staatlichen Schutz vor Piraterie und Räuberei voraussetzen [so schon W. Ameling, Karthago, 130ff. und 141ff.]. Der zweite Vertrag ist für Rom ungünstiger und darum an eine Krise seiner Hegemonialstellung gebunden, s. dazu die sorgfältige Analyse von K. E. Petzold [Römisch-karthagische Verträge]. Diese war im Latinerkrieg von 340 bis 338 gegeben. Das Ergebnis der bisherigen Forschung ist, dass die beiden ersten Verträge noch die Unsicherheit in gleichsam rechtsfreien Räumen widerspiegeln. Mächtige Staaten, wie sie sich mit Karthago und zunehmend auch Rom ausbildeten, arbeiteten immer intensiver in zweiseitigen Verträgen daran, diese Unsicherheit zu Lande und zu Wasser zum Gegenstand staatlicher Durchdringung zu machen. Die außenpolitischen Beziehungen näherten sich so einer neuen Qualität. Rom hatte in seiner Frühzeit noch kein Imperium erobert, aber sich in einem lang andauernden Prozess jenes völkerrechtliche Inventar zurecht gelegt, das wir aus der klassischen Republik kennen und mit dem die späteren Erfolge errungen werden konnten. Es schloss Verträge mit anderen Städten, die in „koordinierten, bilateralen Defensivbündnissen“ mit Rom verbunden waren. Erst später, vor allem seit dem 2. Punischen Krieg, wandelte sich dieses ursprüngliche partnerschaftliche Verhältnis um in ein Herrschaftsverhältnis; wie man sich diese Entwicklung vorzustellen hat, hat vor kurzem T. Hantos [Entstehung von Herrschaft, 313] nachgewiesen; anders jetzt aber M. Jehne [Römer, Latiner] und R. Pfeilschifter [Allies].
3.1 Forschungstendenzen und Begrifichkeit
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3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht 3.1 Forschungstendenzen und Begrifflichkeit Außenpolitik und Völkerrecht regeln und beeinflussen ganz allgemein das Zusammenleben der eigenen Gemeinschaft mit fremden, anderen Gemeinden, auch mit Gemeinden fremder, anderer Menschen, wobei der Grad der Fremdheit bzw. der Andersartigkeit variiert. Die praktische Anwendung dieser Erkenntnis, so selbstverständlich sie erscheinen mag, hat die Perspektiven der althistorischen Forschung erweitert. Wurden Außenpolitik und Völkerrecht früher vor allem unter den Kategorien von Macht und Herrschaft, System und Form betrachtet, und zwar ausschließlich aus der Sicht der „zivilisierten“ bzw. mächtigen Staaten wie Sparta, Athen, Makedonien oder Rom, so wandelt sich die Blickrichtung seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Dieser Wandel betrifft die Perspektiven, Fragestellungen und die Methoden. So bedient sich die Forschung zunehmend kulturwissenschaftlicher und anthropologischer Vorgehensweisen, etwa über die Betonung von Ritualen und nichtstaatlichen Elementen in der Politik; z. B. über die Übernahme des Konzepts der „Gouvernementalität“ nach Fou cault [Geschichte der Gouvernementalität], wonach der moderne Staat selbst in höchster Komplexität politische und „pastorale“ Machttechniken in sich berge. Sie arbeitet viel stärker als früher vergleichend – und das nicht nur im althistorischen Zeithorizont, sondern auch aus dem Reservoir moderner Staatenpolitik schöpfend – und interdisziplinär, d. h. über die altertumswissenschaftliche bzw. geschichtswissenschaftliche Zusammenarbeit hinaus z. B. mit der Ethnologie oder dem politikwissenschaftlichen Zweig der „Internationalen Beziehungen“. Diese Neuorientierung der gesamten Geschichtswissenschaft hat sich auch der außenpolitischen Perspektive der Antike bemächtigt. Bevor ich daher auf die Leitbegriffe des Kapitels eingehe, seien einige Bemerkungen zur Forschungstendenz vorangestellt. Sie verdichtet sich z. B. in dem Gegensatzpaar „Identität und Alterität“, welches naturgemäß in besonderer Weise die außenpolitische Sphäre berührt, wie H. J. Gehrke [1: Vorgehen] herausgestellt hat. Hier stellt sich die Frage, ob das Konzept einer Gegenüberstellung von „Wir“ und „die anderen“ auch konkret in den Umgang mit anderen Staaten einfloss. Nun hat allerdings bereits G. Walser [Hellas und Iran] festgestellt, dass diese Klassifizierung gerade nicht das Völkerrecht und die Außenpolitik beeinflusste – die Poleis verbündeten sich und machten Geschäfte mit Barbaren nicht anders als mit ihresgleichen. W. Nippel [1: Barbaren u. 1: Construction] hat die griechische Ausbildung eines Zusammengehörigkeitsgefühls von derjenigen anderer Gemeinschaften wie Großreichen in China oder Ägypten einerseits und schwächeren ethnischen Gruppen andererseits unterschieden. Die Griechen seien weder bedroht gewesen, noch wollten sie eigene Großmacht-
Perspektivwechsel
Identität und Alterität
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Griechenland und Rom als Zentrum?
Außenpolitik und Völkerrecht als adä quate Begrifflichkeit?
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
träume verwirklichen. Dies in Verbindung mit den vielfältigen Kontakten habe eine differenzierte Wahrnehmung der Außenwelt bewirkt. Erst außenpolitische Veränderungen hätten dann auch zu einer verstärkten ethnozentrischen Perspektive geführt. Und noch eines sei hinzugefügt, das es zu bedenken gilt. Wir sind gewohnt – das gilt besonders, aber nicht nur für Althistoriker –, unser Eigenverständnis auch auf die antiken Verhältnisse anzuwenden, d. h. Griechenland und Rom zum Zentrum, die „anderen“ zur Peripherie unseres Blickes zu machen. Es kann für die Bewertung außenpolitischer Verhältnisse durchaus entscheidend sein, von welcher Seite aus man sie betrachtet. Die auch in der Geschichtswissenschaft Raum greifende Globalisierung hat hier einen Umdenkungsprozess in Gang gesetzt, der – zumindest für die Außenpolitik – überaus fruchtbar sein kann, wie A. Kuhrt gezeigt hat: aus der mesopotamisch-persischen Perspektive ist Griechenland vom 8. bis zum 3. Jahrhundert v.Chr. die längste Zeit über marginal, „they remain a disparate, remote people living on the edge of the world“ [Greeks and Greece, 27]. Erst spät wandelt sich die Peripherie zum Zentrum. Vergleichbares kann über Rom gesagt werden, das aus der Perspektive des nun zentralen Hellenismus fernab und am Rand liegt, eine sich durch alle griechischen Quellen vom 5. bis zum 3. Jahrhundert ziehende Perspektive. Der forschende Blick wendet sich erst allmählich. Über die in diesem Kapitel in den Mittelpunkt gestellten Begriffe an sich, Außenpolitik und Völkerrecht, und die Frage ihrer Anwendbarkeit auf antike Verhältnisse wird insbesondere in den Einleitungen diesbezüglicher Werke nachgedacht. Einige zusammenfassende Bemerkungen zu Außenpolitik finden sich bei W. Eder [1: Außenpolitik]. Grundsätzlich ist zunächst zu diskutieren, ob es jemals eine strenge Differenzierung zwischen äußeren und inneren Beziehungen gab; wahrscheinlich ist die Trennbarkeit für die Antike sogar eher als für das Mittelalter zu konstatieren [H. Steiger, Völkerrecht, u. B. Moraw, Bündnissysteme]. Der Verzicht der Griechen auf ein Äquivalent zum Begriff Außenpolitik liegt wohl darin begründet, dass das Äußere dem Inneren untergeordnet war bzw. sein sollte; noch der Rhetor Themistius sagt 370 n.Chr. im Anschluss an Platon (Gesetze 626), dass nur, „wer mit sich selbst Frieden halten kann, auch in der Lage ist, mit den äußeren Feinden Frieden zu halten“ (Themistius 10, 131b = 156 Dind.), womit der Primat der Innenpolitik klar formuliert ist. Die enge Verflechtung äußerer und innerer Faktoren in der griechischen Außenpolitik macht insbesondere das Buch von P. Funke [Homónoia] am Beispiel Athens zwischen dem Peloponnesischen Krieg und dem Königsfrieden (404–386 v.Chr.) deutlich [s. nun auch allgemein A. Giovannini, Relations]. Heute gibt es wohl nur noch Puristen, die die Verwendbarkeit des Begriffes Völkerrecht in Frage stellen [s. zur Problematik für die griechischen Verhältnisse 1: E. Baltrusch, Symmachie und Spondai, 201]. Positiv zur Verwendung von „Völkerrecht“ für die römische Zeit äußert sich mit Blick
3.1 Forschungstendenzen und Begrifichkeit
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auf die moderne Diskussion der Jurist C. Baldus [1: Vertragsauslegung I, 191–210]. Die Existenz eines spezifisch römischen Völkerrechts – in der Tat eine paradoxe und daher missverständliche Junktur – bestreitet dagegen heute noch A. Giovannini [Rez. Watson, 45–48]. Cicero, bei dem der Begriff ius gentium zuerst auftaucht (off. 3,69), hat eine erstaunlich nahe an unsere Vorstellung von Völkerrecht heranreichende Definition vorgelegt: In einer im Jahre 56 v.Chr. gehaltenen Rede als Verteidiger des wegen usurpierten römischen Bürgerrechts angeklagten Spaniers Balbus hat er den Urheber dieser Verleihung, Cn. Pompeius Magnus, als ausgewiesenen Kenner in foederibus, pactionibus, condicionibus populorum, regum, exterarum nationum, in universo denique belli iure atque pacis („in Sachen der Bündnisabschlüsse, Verträge, Rechtslagen bei den Völkern, Königen, auswärtigen Stämmen, überhaupt im gesamten Kriegs- und Friedensrecht“) bezeichnet (Balb. 6,15). Die Ankläger jenes Balbus hatten nämlich den Vorgang der in Frage stehenden Bürgerrechtsverleihung als einen Akt contra foedus, gegen das Vertragsrecht, mithin gegen das Völkerrecht hingestellt; dieser Deutung hatte sich Pompeius entgegengestellt. Wenngleich also ius gentium ein weiteres Wortfeld ist als unser „Völkerrecht“, so konnte es zumindest genau auch diese Interpretation enthalten. Bei Isidor von Sevilla (Etymologien 1,6) sind in der Tat die drei Kernbereiche von Völkerrecht greifbar: das Kriegs-, Vertrags- und Gesandtenrecht, wie überhaupt ausschließlich solche Rechtsbereiche aufgezählt werden, welche zwischen Gemeinden eine Rolle spielen; der ursprüngliche weite Inhalt des antiken ius gentium als „weltweit“ gültige Rechtsregeln ist bereits verkürzt. Natürlich hat sich die Forschung, insbesondere die juristische, ausführlich zum Thema geäußert, und so ist die Literatur zum ius gentium nahezu unüberschaubar; hervorzuheben sind M. Kaser [Ius gentium, bes. 23–39], M. Branca [Sulla definizione] und K. H. Ziegler [1: Völkerrecht u. 1: Ius gentium, 665–675]. Ganz anders verhält es sich mit dem Begriff internationale Beziehungen. Dass dieser nicht für antike Verhältnisse taugt, ist bereits oben festgestellt worden und communis opinio. Für vormoderne Verhältnisse insgesamt wird gelegentlich, insbesondere aus mediaevistischer Perspektive, auch der Begriff „intergentiles Recht“vorgeschlagen [H. Steiger, Völkerrecht, 99], für speziell die antike, jedenfalls klassisch-griechische Zeit der passendere „interpolitisches Recht“ [1: A. Winterling, Polisübergreifende Politik]. Interpolitische Beziehungen können als ein Wesenselement der Polis angesehen werden und gehörten zu ihren wesentlichen Voraussetzungen [1: E. Baltrusch, Wege zur Polis]. Die Theorie der „Internationalen Beziehungen“ nimmt von Thukydides ihren Ausgang [T. L. Knutsen, History of International Relations, 30–33]. Insbesondere die lange Zeit dominierende Schule des Realismus hat den zweiten griechischen Historiker für sich vereinnahmt, richtungsweisend waren hier K.N. Waltz [Man, the State, 159] und noch mehr H.J. Morgenthau [Politics, 38]. Neuerdings wird sie
Cicero
„Internationale/inter politische Beziehun gen“?
Thukydides und der Realismus
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Anarchische Strukturen?
Epochen
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
allerdings, und zwar ebenfalls von Seiten der Politikwissenschaft – die althistorischen Forschungen nehmen selten darauf Bezug, wie übrigens auch umgekehrt –, stärker in Zweifel gezogen: zunächst einmal wegen ihrer ahistorischen Grundlage [das mangelnde Gespür für den Wandel beklagt etwa R. W. Cox, Social Forces, 243], zudem wurde Thukydides anachronistisch zum Kritiker des Realismus und geradezu zum Urvater des „linguistic turn“ stilisiert, so R.N. Lebow [Thukydides the Constructivist] und A.M. Eckstein [Thukydides, the Outbreak], welche sich durch eine neue Übersetzung (!) von 1,23,5f. (h( a)lhqesta/th pro/fasiv/he alethestáte próphasis, „der wahrste Grund“) gegen die realistische Interpretation wenden. Beide Theorien, die realistisch-politologische wie die kritisch-literaturwissenschaftliche, gehen allerdings von als gegeben präsentierten Voraussetzungen aus und diskutieren Einzelstellen bei Thukydides ohne Rücksicht auf den literarischen Zusammenhang dieser Stellen, auch nicht auf die Absicht des Historikers oder die immer noch uneinige Thukydidesforschung, die völkerrechtlichen Verhältnisse der Zeit und den philosophischen Diskurs, in den sie eingebettet sind [die angeblich realistische thukydideische Interpretation der zwischenstaatlichen Beziehungen verwirft jetzt P. Low, Interstate Relations]. Ähnliche politikwissenschaftliche Theorien sind auch für die Außenpolitik in der Zeit des römischen „Imperialismus“ geltend gemacht worden, also insbesondere für das 2. Jahrhundert v.Chr. Hier wird neuerdings – wieder von A.M. Eckstein [Mediterranean Anarchy] – die These vertreten, dass die Römer ein „Imperium on invitation“ aufgebaut hätten. Voraussetzung dieser – im Übrigen vor allem amerikanisch und stark von der gegenwärtigen Weltlage unter Führung der USA geprägten – These ist die Annahme anarchischer Strukturen ohne „internationales“ Recht. Jeder Staat habe nur eigene machtpolitische Ziele verfolgt. Einziges Korrektiv sei die (als politisches Prinzip verstandene) „Balance of Power“ der hellenistischen Mächte im 3. und zu Beginn des 2. Jahrhunderts v.Chr. gewesen. Insbesondere das Ausscheiden des Ptolemaierreiches aus dem Konzert der Großmächte habe in dieser „Balance of Power“ ein Vakuum hinterlassen, in das Rom geradezu widerwillig hineingedrängt worden sei. Diese in manchen Punkten durchaus plausible Theorie übersieht freilich zum einen, dass auch die „Balance of Power“ wahrscheinlich nur ein modernes Konstrukt ist [so H.-U. Wiemer, Krieg, Handel], zum anderen, dass die römische expansive Außenpolitik nicht erst im 2. Jahrhundert v.Chr. beginnt; vielmehr hatte Rom bereits in der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts v.Chr. in den (im anarchischen Sinne durchaus „imperialistisch“ auf ein Ziel hin ausgerichteten) Kriegen gegen Karthago die Kontrolle über den westlichen Mittelmeerraum erlangt. Die Epochen der Völkerrechtsgeschichte, gerade in Verbindung mit einer Klärung der Anwendbarkeit des Begriffs Völkerrecht auf vormoderne Verhältnisse, hat in vielen und wichtigen Aufsätzen und Büchern der Jurist
3.2 Autonomie, Souveränität, Völkerrechtssubjektivität
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W. Preiser [Epochen] behandelt. Seine Ergebnisse haben nach wie vor Bestand und sind weitgehend positiv rezipiert worden. Moderne Völkerrechtsgeschichten wurden von D.J. Bederman [International Law], W.G. Grewe [Epochs] sowie K.-H. Ziegler [Völkerrechtsgeschichte] verfasst. Preisers Definition von Völkerrecht, auf die auch im darstellenden Teil modifiziert zurückgegriffen wurde, hat sich ebenfalls mittlerweile durchgesetzt [vgl. H. Steiger, Völkerrecht]. 3.2 Autonomie, Souveränität, Völkerrechtssubjektivität In weitere Aporien wird man gestoßen, wenn es um die Nomenklatur der für Außenpolitik und Völkerrecht unverzichtbaren Unabhängigkeit der politischen Einheiten geht. In der Darstellung wurde bereits darauf verwiesen, dass die Griechen diese mit dem Begriff Autonomie, die Römer mit der Umschreibung suae potestatis esse charakterisierten. Wie kann man also den Status der politischen Einheiten im zwischenstaatlichen Verkehr der antiken Welt definieren? Können hier moderne Begriffe weiterhelfen? Die gegenwärtige Forschung ist zu Recht sehr skeptisch. Gänzlich zu verzichten ist für die antiken und auch früh- und hochmittelalterlichen Verhältnisse auf den Begriff „Souveränität“ wegen der frühneuzeitlichen und daher nationalstaatlichen Lasten, die er mit sich führt [J.K. Davies, Non-usability, 51–65]. Dennoch taucht er immer wieder auf, während der weniger abgegriffene Begriff juristischen Ursprungs „Völkerrechtssubjektivität“ nur gelegentlich verwendet, allerdings selten erläutert wird. Für die Spätantike setzt R. Schulz [Entwicklung, 19] diese mit der „Fähigkeit, unabhängiges Vertragssubjekt zu sein“, gleich. Voraussetzung seien „ein bestimmtes Maß politischer Handlungsfähigkeit (Autonomie) und eine konstante politische Führung (Autokephalie)“. Des weiteren müsse der jeweilige populus „seine Herrschaft über ein geographisches Gebiet durchsetzen (Gebietsgeltung beanspruchen) und die in den völkerrechtlichen Vereinbarungen getroffenen Regelungen zu Bestandteilen seines eigenen Stammes- und Staatsrechts machen können“. Diese Definition von „Völkerrechts-“ bzw. „Vertragssubjekt“ ist verdienstvoll, aber auch stark von modernen Vorstellungen kontaminiert, so dass man Mühe hat, das spezifische spätantike Konzept – das unzweifelhaft vorhanden war – zu erkennen. Die Forschungen zur antiken Begrifflichkeit sind aus naheliegenden Gründen erheblich intensiver als zu den Anwendungsmöglichkeiten neuzeitlicher Termini auf die antiken Verhältnisse. So sind die Begriffe Autonomie für die griechische Polis-Welt und suae potestatis esse nach römischer Diktion zwar zeitgenössischen Ursprungs, aber in ihrem Inhalt durchaus umstritten. Insbesondere zur Autonomie ist die Literatur schier unübersehbar. Bisher gibt es noch keine allseits akzeptierte Deutung dieses Phänomens, was angesichts der mangelnden begrifflichen Prägnanz und der offensichtlich bewusst diffus gehaltenen Struktur von Autonomie kaum
Souveränität und Völkerrechts subjektivität
Autonomie und sua potestas
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Rom und die griechi sche Autonomie
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
verwunderlich ist. Gewidmet haben sich der Frage E. J. Bickerman [Autonomia], P. Karavites [Eleutheria], K. Raaflaub [Entdeckung der Freiheit] und in einer Monographie M. Ostwald [Autonomia]. Der Begriff ist inhaltlich nur schwer zu füllen, und ebenso ist sein Verhältnis zur „Freiheit“ (Eleutheria) nicht eindeutig bestimmbar. In der Darstellung fasse ich Autonomie als nach außen gerichtet auf [so schon 1: E. Baltrusch, Symmachie und Spondai, 163–165 und passim], doch das ist nicht unumstritten. Die entgegengesetzte Auffassung vertrat zuletzt P. Gauthier [Bulletin épigraphique in: REG 116 (2003), 592]: Eleutheria und Autonomia seien „deux termes exprimant deux éléments fondamentaux de la souveraineté, le second dans le domaine constitutionnel, le premier dans le droit international“. Gauthier kann sich hier auf E. Lanzilotta [Elementi] und dessen Forschungen zu dem Vertrag zwischen Athen und Klazomenai von 387 berufen. Bezeichnend für den Gang der Entwicklung bei der Erforschung der Autonomie sind die Ausführungen von P. Low [Interstate Relations], die das Institut fast vollständig ins Unbestimmbare auflösen. Auch mit Beginn der römischen Herrschaft in der hellenistischen Welt behielt die Autonomie ihren politischen Stellenwert, ja die Römer bedienten sich ihrer sogar als Herrschaftsmittel; insbesondere E. Gruen [Hellenistic World (aber auch in späteren Arbeiten)] hat die hellenistischen Einflüsse auf die formale Ausgestaltung der römischen Außenpolitik herausgearbeitet. Besonders plakativ wurde die Bezugnahme auf die griechischen Autonomievorstellungen durch die Römer bei den isthmischen Spielen des Jahres 196 zur Schau gestellt, als der römische Feldherr T. Quinctius Flamininus nach seinem Sieg über den makedonischen König Philipp V. die griechischen Städte in die Freiheit entließ [s. R. Pfeilschifter, Titus Q. Flamininus]. Die Forschung hat ihr Hauptaugenmerk auf diese Beziehungen zwischen Rom und den autonomen Städten der griechischen Welt gelegt: Dieses Verhältnis, das durch dokumentarische und literarische Quellen gut belegt, aber schwer zu interpretieren ist, haben etwa E. Guer ber [Thème de la liberté], G.A. Lehmann [Polis-Autonomie] sowie für die Kaiserzeit C. Böhme [Princeps und Polis] und W. Eck [Lokale Autonomie] untersucht, und insbesondere ist auf die Arbeiten R. Bernhardts [Imperium u. Polis und römische Herrschaft] zu verweisen. Es fragt sich, welche Vorstellung die Römer von Autonomie hatten – einen vergleichbaren lateinischen Begriff gibt es nicht – und wie diese Vorstellung sich von der griechischen „vor Ort“ absetzte, um zu verstehen, warum das römische System letztlich nicht funktionierte. Es wäre eine lohnende Aufgabe, diese Diskrepanz zwischen griechischem Autonomieverständnis und ihrer römischen Auslegung zu Beginn des 2. Jahrhunderts v.Chr. zu untersuchen. Es scheint jedenfalls so, dass Roms herrschaftliche Konzeption spätestens nach 146 v.Chr. eine Kehrtwendung vollzogen hat – doch ist diese These in der Forschung alles andere als eine communis opinio.
3.3 Krieg und Frieden
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3.3 Krieg und Frieden Der Krieg als Grundphänomen außenpolitischer Beziehungen ist zu allen Zeiten Gegenstand der wissenschaftlichen Debatte gewesen, und er ist es auch jetzt wieder. Insbesondere in der neueren französischen Forschung werden nun wieder die Stimmen lauter, die im Krieg das Politische schlechthin sehen wollen [dazu etwa J. P. Vernant (Hrsg.), Problèmes, 13]. A. Bernand [Guerre et violence, 214] spricht, wenn es um die Rolle des Krieges im klassischen Griechenland geht, von „guerre endémique“. In eine andere – und wohl auch treffendere – Richtung geht C. Meier [Rolle des Krieges, 561f.], wonach der Krieg „eine Unterbrechung dessen, was die Regel war, nämlich des Friedens“ sei. Insbesondere kriegsgeschichtlich ist das Buch von M. Debidon [Les Grecs] orientiert, während die Folgen römischer Kriege für die inneren Verhältnisse in der klassischen und späten Republik jetzt bei T. Hantos [2.2: Entstehung von Herrschaft] und insbesondere N. Rosenstein [Rome at War] ausführlich behandelt werden. Zum Krieg in seinem Bezug zur jeweiligen Gesellschaft liegt jetzt eine (wohl noch zu erweiternde) Studie von M. Sommer [Krieg im Altertum] vor, die sich auf die Beispiele Assur, Athen und Rom stützt. Danach gelte die Clausewitz’sche Definition vom Krieg als politischem Handeln nur für Athen. Für die hellenistische Welt hat zuletzt A. Chaniotis [War in the Hellenistic World] den Krieg nach allen Seiten hin untersucht. Dabei stehen zum einen die Allgegenwärtigkeit von Krieg, die kriegerische Ideologie des Königtums und die mit dem Krieg verbundenen Rituale im Vordergrund, zum anderen wird aber auch ein Kapitel („The discourse of war“) der Kriegslegitimierung gewidmet: Kriege mussten auch im Hellenismus „gerecht“ sein, um göttliche Unterstützung zu erhalten – ein für die im Schatten Roms stehende hellenistische Welt nicht selbstverständliches Ergebnis. Neben den Konzepten zur Kriegsverhinderung und zur friedlichen Streitschlichtung gab es bereits in der Antike Versuche, das ius in bello, also die Kriegführung selbst, zu beschränken. Solche Versuche werden seit dem 7. Jahrhundert v.Chr. registriert, wobei allerdings der Krieg zwischen den euböischen Städten Chalkis und Eretria um die lelantinische Ebene (daher der Name Lelantinischer Krieg), der wegen seines Verbots von „Fernwaffen“ oft als erster Nachweis genannt wird, in diesem Zusammenhang nur bedingt heranzuziehen ist. Dieser Krieg wurde oft in gerade dieser juristischen Bedeutung behandelt, etwa in den großen völkerrechtlichen Abhandlungen wie C. Philippson [International Law II, 166ff.], G. Ténékidès [Notion juridique, 84ff.], P. Bierzanek [Origines, 83ff.], ferner auch in althistorischen Arbeiten von F. Kiechle [Humanität, 528ff.], J. de Romilly [Guerre et paix, 207ff. und besonders 213ff.], Y. Garlan [La guerre, 57ff.] oder S. Clavadetscher Thürlemann [Polemos dikaios, 110ff.]; doch ging es bei dem Verbot von „Fernwaffen“ eher um die konkrete Regelung eines Zweikampfes zur möglichst unblutigen Beendigung des Konflikts. Zum
Krieg und Politik
Beschränkung der Kriegführung
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Das „agonale Prinzip“
Bedeutung des Krieges für Rom
War Rom besonders aggressiv?
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
lelantinischen Krieg ist jetzt grundlegend das Buch von V. Parker [Untersuchungen zum Lelantinischen Krieg]. Der neue Sammelband von M. Sordi [Guerra e diritto] versucht in verschiedenen Aufsätzen, das grundsätzliche Verhältnis von Krieg und Recht in der griechisch-römischen Welt näher zu bestimmen. Immer wieder wird im Zusammenhang mit der griechischen Außenpolitik und dem Krieg das vorgeblich universal wirkende „agonale Prinzip“ ins Spiel gebracht, so etwa von E. Stein Hölkeskamp [Adelskultur, 120] und auch H. J. Gehrke [ Jenseits, 51]. Nach M. Sommer [Krieg im Altertum, 308] leistete dieses Prinzip „Konflikten im Innern wie nach außen nachhaltig Vorschub“. Dazu ist Folgendes zu sagen: Das Phänomen des „agonalen Prinzips“ an sich ist eine neuzeitliche Entdeckung, eine vergleichbare griechische Begrifflichkeit gibt es nicht; in einem allgemeinen (und damit auch nicht auf die griechische Welt beschränkten) Sinne ist Krieg immer Agon, Wettstreit, und jedes Machtstreben zielt darauf ab, „immer der Erste, der Beste zu sein“ (a)ei\ a)risteu/ein/aeì aristeúein), wie es schon bei Homer formuliert wird. Dass aber der Wettstreit als bloßer Selbstzweck jemals die griechische Außenpolitik bestimmt haben soll, ist nur dogmatisch zu behaupten, nicht aber historisch zu erweisen; jeder griechische Krieg hatte einen materiellen oder einen anderen konkreten Hintergrund – Land, Vieh, Raub, Wiedergutmachung, Macht, Rache oder Strafe. Das agonale Prinzip ist jedenfalls m. E. ein untaugliches Mittel, um den griechischen Krieg zu beschreiben, und sollte daher nicht länger herangezogen werden, um griechische Außenpolitik zu beschreiben [s. 3.1: A. Giovannini, Relations, 146ff.]. Die Forschungen zum Phänomen Krieg in der römischen Geschichte konzentrieren sich im Wesentlichen auf vier Felder: 1. das bellum iustum, 2. die Imperialismus-Diskussion, 3. die gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen der temporär und geographisch ausgedehnten Kriege und 4. die militärgeschichtliche – Strategie und Taktik, Ausrüstung, Heeresgliederung etc. – Dimension. Vieles wird in der Forschung kontrovers diskutiert, doch in der Anerkennung der überragenden Bedeutung des Krieges in innerer und äußerer Hinsicht besteht Einigkeit. Anders verhielt es sich erst in der Kaiserzeit, da hier mit der pax Augusta ein durchaus konkurrierendes Konzept entwickelt wurde. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der republikanische Krieg an sich viel, der kaiserzeitliche dagegen wenig Aufmerksamkeit gefunden hat, wie auch explizit H. Sidebottom [Roman Imperialism] herausgestellt hat. Zum kaiserzeitlichen Krieg ist insbesondere der Forschungsüberblick bei W. Dahlheim [Römische Kaiserzeit, 226–233] heranzuziehen. Viele der Diskussionen sind in anderen Kapiteln geführt (Völkerrecht, bellum iustum, römischer Imperialismus), so dass ich mich an dieser Stelle auf einen zentralen Punkt in der neuesten Forschung beschränken kann: Waren die Römer aggressiver als ihre Nachbarn oder nur erfolgreicher? In seinem neuen Buch hat A.M. Eckstein [3.1: Medi-
3.3 Krieg und Frieden
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terranean Anarchy] die römisch-republikanische Kriegspolitik in den globalen Rahmen der hellenistischen Welt eingeordnet und in der Einstellung zum Krieg zwischen Rom und der hellenistischen Staatenwelt lediglich graduelle, nicht aber grundlegende Unterschiede geltend gemacht. Diese These wurde bereits früher von P. Lévêque [La Guerre] und J. Ma [Fighting Poleis] vertreten. Es sind in dieser Hinsicht Versuche unternommen worden, die Kriegshäufigkeit in der Staatenwelt des 3. und 2. Jahrhunderts statistisch zu erfassen [etwa A. Chaniotis, War in the Hellenistic World], wobei für Rom die Magistratstabellen von T.R.S. Broughton [Magistrates] herangezogen werden können. Daraus ist in der Tat eine besondere Aggressivität abzuleiten, doch ist die Fehlerhaftigkeit derartiger Statistiken aufgrund der unausgeglichenen und fragmentierten Quellenlage viel zu hoch – wir wissen über Rom und seine Kriege einfach mehr als über die der hellenistischen Staaten. J.E. Lendon [War and Society] hat aber zu Recht gleichfalls statistisch argumentierend soziologische Argumente ins Spiel gebracht, denn die hellenistische Welt rekrutierte ihre Armeen weitaus stärker etwa aus Söldnern, die Römer aus ihren eigenen Bürgern. Dadurch ergeben sich zwangsläufig unterschiedliche Kriegsauffassungen. Doch inwieweit sich diese Tatsache methodisch auf den Grad von Aggressivität beziehen lässt und also der in Rom weniger ausgeprägte Unterschied zwischen Bürgern und Soldaten auf eine höhere Aggressivität schließen lässt, ist alles andere als geklärt – denkbar wäre auch die genau entgegengesetzte Interpretation. Hier gibt es weiteren Klärungsbedarf. Ähnlich umfangreich wie die Studien zum Krieg sind solche zum Frieden, dabei mehr zur griechischen Eirene als zur römischen Pax. Bei beiden Begriffen stellt sich aber von Anfang an das Problem, was damit bezeichnet wird – eine Setzung per Vertrag oder allgemein ein Zustand. Linguistisch liegen die Verhältnisse klarer als rechtshistorisch: Eirene ist ein Zustand, der erst zu Beginn des 4. Jahrhunderts Vertragstitel wird [1: E. Baltrusch, Symmachie und Spondai: 92f.], Pax ist (von pacisci) eher ein Vertrag [P. Kehne, DNP s. v. pax, 454], für den Rechtshistoriker wiederum ein „geordneter Zustand, ein Regelungsmechanismus“ [1: Baldus, Vestigia pacis, 347, u. K. H. Ziegler, Friedensverträge, 46]; in der Regel wird nicht differenziert [G. Woolf, Roman Peace (Friedenszustand und Friedensschluss)]. Vor diesem Hintergrund wird, bisweilen ohne begriffliche Klarheit, der Frieden in den einzelnen Phasen der Antike untersucht. Die Einschätzung zur ei)rh/nh /eiréne ist insbesondere durch eine philologische Untersuchung von B. Keil geprägt gewesen, für den „der Friede ... eine vertragsgemäße Unterbrechung des (naturgemäßen) Kriegszustandes, nicht umgekehrt der Krieg eine Unterbrechung des Friedenszustandes“ war, und also „der Friede ... eben nur als Negierung des Krieges betrachtet“ wurde [Keil, Eirene, 7–9]. Die Untersuchungen von L. Santi Amantini [Sulla terminologia u. Semantica] sowie von M. Sordi [(Hrsg.), La pace, 4 u. ö.] wandten sich, gestützt unter anderem auf die inschriftliche Überlieferung, gegen
Frieden: Zustand oder Vertrag?
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Der olympische Friede
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
diese These – erfolgreich, denn Keils Deutung wird heute kaum mehr vertreten. Nicht nach außen, sondern nach innen gerichtet sind die Begriffe pax Romana bzw. pax Augusta [P. Kehne, DNP, s. v. pax, 454f.]. Die im darstellenden Teil vertretene Auffassung kann sich auf J. Bleicken [1: Verfassungs- und Sozialgeschichte I, 90f.] und W. Dahlheim [Wiege Europas, 33f.] stützen. Der „römische Friede“ ist besonders seit Augustus zum Argument für den Prinzipat geworden [M. Mause, Augustus] und war auch in das Konzept von Romanisierung integriert [R. Brilliant, Pax Romana]. Der olympische Friede ist kein Friede im eigentlichen Sinne, sondern eine vertraglich abgesicherte Waffenruhe für die Dauer des Festes [dazu 1: E. Baltrusch, Symmachie und Spondai, 117–122, u. 1: ders., Wege zur Polis; U. Sinn, Das antike Olympia, 104]. Er ist allerdings ein konkreter Hinweis darauf, wie elementar die interpolitische Kommunikation in allen Phasen der griechischen Geschichte war. 3.4 Religion und Außenpolitik
Bedeutung der Religion
Die Bedeutung sakraler Institutionen und Formen für das außenpolitische Procedere sowie die Bindung an das jeweils Vereinbarte steht außerhalb jeden Zweifels. Denn anders als im modernen können im antiken Völkerrecht auch Priesterschaften an den völkerrechtlich wirksamen Handlungen beteiligt sein (etwa die fetiales in Rom), und es sind vor allem die sakralen Rituale wie Eid, Opfer und Weinspende, die jeden Vertragsschluss rechtskräftig machen, mit anderen Worten: Die Vertragseinhaltung wird durch ihre religiöse Grundlage bekräftigt. In diesem Sinne hat etwa M. Sordi [3.3: Guerra e diritto, 11] auch das römische bellum iustum ausdrücklich mit dem zweiten Adjektiv pium (fromm) verbunden – zumindest bis 205 v.Chr.; danach erst sei das bellum iustum ac pium zum reinen bellum iustum mutiert. Der leitende Gedanke ist alt – er kommt bereits bei Hesiod in dem großen Exkurs über das „Recht“ (Dike) in den „Werken und Tagen“ zum Vorschein – und besagt, dass die Götter alles Menschliche überwachen, deshalb die zwischenstaatlichen Vereinbarungen schützen und demzufolge ihre Einhaltung erzwingen können – zunächst also auch ohne konkrete „menschliche“ Sanktionen, weil die Gesellschaften aller beteiligten Gemeinschaften in dieser Frage einhellig handelten. Die Bindung der Verträge samt ihrer Einhaltung an die Religion erhielt also ihre eigentliche Bedeutung in ihrer Verbindung mit der öffentlichen Meinung [2.2: D. Nörr, Aspekte des römischen Völkerrechts, 125]. Es ist durchaus auch – das gilt mehr noch für die griechische Geschichte vor allem seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v.Chr. als für die römische – eine langsam voranschreitende Verweltlichung der außenpolitischen Formen festzustellen, doch ist diese wissenschaftlich noch nicht untersucht worden. C. Baldus [1: Vestigia pacis, 306f.] unterscheidet in der Frage der Begründung für die Existenz eines antiken Völkerrechts zwei Richtungen in der Forschung, nämlich
3.4 Religion und Außenpolitik
107
„eine primär religionsgeschichtlich geprägte (vor allem Pierangelo Catalano und Alan Watson) und eine stärker aus den epocheübergreifenden Funktionen des Völkerrechts, also auch politisch argumentierend (in Deutschland vor allem Wolfgang Preiser und Karl-Heinz Ziegler)“. Diese Unterscheidung ist viel zu scharf, zumal Baldus zu der letzteren Auffassung als der tragfähigen hinführen möchte: „In diesem Lichte kann die Vorstellung kaum überzeugen, die römische Vertragspraxis gerade in Überlebensfragen von Krieg und Frieden habe sich auf Dauer vorrangig an überkommenen sakralen Formen orientiert“ [308]. Gleichfalls geht auch die gelegentlich bei Baldus auftauchende Vorstellung einer „manipulativen“ Nutzung der Religion in der klassischen und späten Republik am Kern vorbei [324]. Zu Recht haben daher schon vorher etwa J. Rüpke [1: Domi militiae] und A. Watson [International Law] die engen Verbindungen zwischen Religion und Völkerrecht bzw. Außenpolitik betont. Watson vertritt zudem die These, dass die Götter nicht als Zeugen der Vereinbarungen, sondern als Richter angerufen wurden. Insgesamt bleibt auf diesem Feld noch viel zu tun. In der Tat entzieht sich das Gebiet des Zusammenhangs von Religion und Außenpolitik auch aufgrund des Verlusts der Religiosität in unserer Zeit einer größeren Aufmerksamkeit in der Forschung. Daher wird zwar die bindende Wirkung religiöser Elemente wie Eid, Opfer und sakrale Sanktionen betont, doch werden diese oftmals nur als Konfirmationen der „eigentlich“ zentralen juristischen Bindungen gesehen. Es müssten aber weit stärker die Elemente der polytheistischen Religion, wie sie etwa durch J. Scheid [1: Römische Religion] und M. Beard [1: Römische Religion] herausgearbeitet wurden, für die Analyse der Außenpolitik nutzbar gemacht werden. Als wichtige Punkte könnten folgende Ziele neuerer Forschungen summarisch formuliert werden: 1. Der kompetitive Charakter von Religionen und Göttern ist für Sieg und Niederlage in Kriegen zentral: Welche Götter können wirklich helfen? Wie ist ihre Wirkmacht beschaffen? Diese Frage kann z. B. auch mit Analogien zum frühen Mittelalter diskutiert werden. Denn auch für die römische Welt ist jeder Erfolg ein Beleg für die Überlegenheit der eigenen Götter – siehe etwa Cic. Flacc. 66–69 über die sich aus Niederlagen zwangsläufig erweisende Schwäche der jüdischen Religion –, so wie der Christianisierungsprozess im frühen Mittelalter befördert wurde, wenn der Nachweis größerer Wirkmacht Christi gelang. 2. Wie ist das Verhältnis zwischen Form und Inhalt, zwischen dem korrekten Vorgang der religiösen Akte und der sachlichen Legitimation zu bewerten? Hält man sich nicht an die korrekte Form, kann man Niederlagen oder Benachteiligungen erklären – wie J. Scheid [1: Römische Religion, 480] und andere betonen, dass die römische eine Religion des rechten Handelns gewesen sei.
Rolle der Religion
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Hikesie
fides
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
3. Die Zusammenführung verschiedener Götter ermöglicht zwischenstaatliche bzw. interpolitische Zusammenarbeit. Über antike Formen wie die evocatio oder die verbindenden Schwurzeremonien bei Vertragsabschlüssen könnten die Kommunikationsstrukturen antiker politischer Einheiten in besonderer Weise erforscht werden [s. etwa A. Blomart, Evocatio]. Diese Punkte mögen ausreichen, um den noch zu vertiefenden Zusammenhang zwischen Außenpolitik und Religion zu verdeutlichen. Jüngst hat allerdings eine auf die Archaik bezogene Studie von B. Linke [Religion und Herrschaft] stärker die „Autonomie des Öffentlichen“ betont und dementsprechend wieder für eine deutlichere Trennung von gesellschaftlicher und religiöser Entwicklung plädiert. Die grundlegende religiöse Dimension von Außenpolitik in der Antike kann an zahlreichen Instituten verfolgt werden, in erster Linie an der Hikesie (i9kesi&a/hikesía), also einem ritualisierten Hilfeersuchen im archaischen und klassischen Griechenland, das zunächst von Individuen, dann auch von ganzen Poleis angewandt wurde. Dieses Verfahren hatte auch einen eigenen Schutzgott, Zeus Hikesios, der Menschen, Gruppen und Städte gleichermaßen schützen musste [S. Gödde, DNP s. v. Hikesie, 554f., u. Drama]. Die Verpflichtung zur Hilfeleistung zumal für Großmächte mit Anspruch auf die Prostasie in Griechenland war evident, ist aber von der Forschung noch nicht in der gebührenden Weise herausgearbeitet worden, obwohl in jüngster Zeit vermehrt auf die außenpolitische Dimension von Hikesie und Asylie aufmerksam gemacht wurde: M. Dre her [(Hrsg.), Das antike Asyl, mit dem wichtigen Beitrag von K.J. Rigsby über die Verleihung von Asylie im Rahmen von außenpolitischen Strategien] und K. J. Rigsby [Asylia]. Spartas Ruf etwa war stark beeinträchtigt, da es solchen Hilfeersuchen nur dann nachkam, wenn sie für die eigene Interessenlage nützlich waren. Die griechische Tragödiendichtung hat sich in personalisierender Form dieses Verfahrens mehrfach angenommen, am deutlichsten in den „Schutzflehenden“ (Hiketiden) des Aischylos aus dem Jahre 463 v.Chr; der bereits erwähnte Sammelband von M. Dreher [(Hrsg.), Das antike Asyl] und hier insbesondere der Beitrag des Herausgebers selbst zur Hikesie warnen allerdings davor, die Tragödien als reine Abbildung der Wirklichkeit zu nehmen. Auch hier steht die Forschung erst am Anfang. Eine zentrale Funktion im Rahmen antiker Außenpolitik hat ferner der Begriff fides. Fides gehört aufs engste zum außenpolitischen Bereich, wobei sich das Wort freilich einer eindeutigen, zumal juristischen Festlegung entzieht. Für Cicero stellt sie geradezu das fundamentum iustitiae dar (off. 1,23). Fides kann vom Wortfeld her magische, moralische und soziale Komponenten ebenso wie außenpolitische enthalten; dazu ist auch intensiv geforscht worden, einschlägige Arbeiten stammen z. B. von R. Heinze [Fides], E. Gruen [Greek pistis] und P. Boyancé [Religion Romaine]; ferner ist auch J. Heurgon [Guerre romaine] heranzuziehen. Im Laufe der Zeit ist der Be-
3.4 Religion und Außenpolitik
109
griff auch Veränderungen unterworfen gewesen, nämlich von seiner frührepublikanischen sakralen Natur hin zu einer Art säkularisierter moralischer Maxime bei Cicero. Der Fides-Kult und hier insbesondere die Betonung der ja gerade im Zusammenhang mit vertraglichen Vereinbarungen relevanten rechten Hand bei der Darstellung der Göttin ist bei G. Freyburger [Fides] behandelt. Fides war ein Kernbegriff der römischen Form der Kapitulation, der deditio. Welche Konsequenzen hatte für die sich freiwillig in die römische Gewalt begebende Gemeinde das in fidem populi Romani se dedere? In der Forschung wurde und wird der normative Charakter des Begriffs intensiv diskutiert: in der älteren Forschung sind insbesondere E. Täubler [2.2: Imperium], S. Calderone [Pistis – Fides] und V. Bellini [Deditio] hervorzuheben. Jüngst stellte sich D. Nörr [2.2: Aspekte des römischen Völkerrechts] gegen W. Dahlheim [2.2: Struktur; ferner 2.2: A. Heuss,Völkerrechtliche Grundlagen; 1: K. H. Ziegler,Völkerrecht; G. Freyburger, Fides; und differenziert E. Gruen, Greek pistis], indem er die Auffassung vertrat, dass fides nicht bloß eine moralische, sondern auch eine juristische Verpflichtung in sich barg. Dabei dreht sich alles um die Frage, welche Verpflichtungen fides dem Stärkeren, also Rom, eigentlich auferlegt, wenn eine Kapitulation (deditio) akzeptiert wurde, die begrifflich als ein in fidem Romanorum se dedere oder permittere zu fassen ist. Die Forschung ist hier gespalten: „Der sich Unterwerfende kann der Macht seines zukünftigen Herrn prinzipiell keine Schranken auferlegen; seine Unterwerfung kann nicht anderes sein als ein impliziter Appell, die konkrete, praktische Ausübung der Macht zu mäßigen“, urteilte K. H. Hölkeskamp [1: Fides – deditio, 234] im Anschluss an W. Dahlheim [2.2: Struktur, 46f.] und gegen den Juristen D. Nörr [Fides]. Die griechische Version der fides heißt pi/stiv/pístis, und sie bedeutet in ihrem bei Homer greifbaren Ursprung ebenso die Zuverlässigkeit der Partner: man „beeidete in Treu und Glauben Verträge“ (pi/stin te kai\ o(r / kia poiei=sqai/pístin te kaì hórkia poieîsthai). Allerdings erlangte die griechische Schwester der fides in der Polis-Welt weder im Innern noch im Äußeren eine der römischen Welt vergleichbare Bedeutung; daraus erwuchsen einige, bei Polybios nachzulesende außenpolitische Missverständnisse, als die Römer in die griechische Welt einzugreifen begannen. Eine Verbindung der fides mit dem griechischen Begriff pi/stiv/pístis, der als Vorbild interpretiert wird, stellen insbesondere E. Gruen [Greek pistis, 62f.] und auch G. Freyburger [Fides] her, wobei aber eher J. L. Fer rary [Philhellénisme, 72ff.] zuzustimmen ist, der den römischen Begriff für viel komplexer hält. Auf der anderen Seite verneinen etwa W. Flurl [Deditio in fidem] und S. Calderone [Pistis–Fides] eine Abhängigkeit der fides von pi/stiv/pístis. Vielleicht ist die Frage nach der juristischen Verbindlichkeit von fides, wie sie etwa im Zusammenhang mit einer deditio diskutiert wird, gar nicht zu
deditio in fidem
Normativer Charakter?
110
Selbstbindung Roms
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
stellen, da der beschädigte Ruf eines fides-Verletzers mindestens ebenso schwere (oder irrelevante, wenn die Macht unangreifbar war) Konsequenzen nach sich zog wie eine formale Rechtsverletzung. Soviel zu leisten war die sakrale Dimension des Begriffs in jedem Fall imstande. Der konkrete Fall des 173 v.Chr. vom Senat beklagten Konsuls M. Popilius Laenas, der eine bereits dedierte Stadt der Ligurer offenkundig gegen die fides misshandelt hatte, zeigt diesen Zusammenhang ausdrücklich; Livius hat deshalb auch auf die Konsequenzen einer solchen Verletzung der Sakralsphäre aufmerksam gemacht (42,8,5f.): deditos in fidem populi Romani omni ultimae crudelitatis exemplo laceratos ac deletos esse, tot milia capitum innoxiorum, fidem implorantia populi Romani, ne quis umquam se postea dedere auderet („die sich auf Treu und Glauben dem Römischen Volkes übergeben hätten, seien in beispielloser Grausamkeit misshandelt und zerstört worden, so viele Tausende unschuldiger Menschen, die die fides des Römischen Volkes angefleht hätten, damit sich keiner jemals in Zukunft noch zu dedieren wage“). Ob also justiziabel oder nicht, ein willkürlicher Bruch der fides, auf die sich Dedierende unbedingt verlassen können mussten, durch die überlegene Macht war völkerrechtlich nicht hinnehmbar – stets vorausgesetzt, es gab eine strafende Instanz. Natürlich war Rom nach Lage der Dinge zunehmend die alleinige Instanz; fides war dennoch der Interessengarant auf beiden Seiten und stellte demnach eine Art Selbstbindung der Römer dar. Der starre Blick auf das positive Recht verstellt ein wenig diese im Sakralen wurzelnde Grundlage des römischen Völkerrechts [s. dazu 1: K. J. Hölkeskamp, Fides deditio, 245; D. Nörr, Aspekte des römischen Völkerrechts, 130ff.; und 2.2: W. Dahlheim, Struktur, 40f.]. 3.5 Diplomatie, Gesandtschaften, Proxenie
„Diplomatische“ Formen
„Diplomaten“ nach unserem heutigen Verständnis gab es, wie im historischen Überblick ausgeführt, in der antiken Welt nicht, ebenso wenig ständige Vertretungen oder Botschaften. All diese Einrichtungen sind originär mit der Entstehung des modernen Staates in der Frühen Neuzeit verbunden. Verhandlungen zwischen antiken Gemeinwesen liefen zunächst über Adelskontakte, dann über einzelne Gesandte, größere Gesandtschaften, schließlich in der griechischen Welt auch über offizielle Vertreter vor Ort (Proxenoi) ab. Die moderne Forschung hat sich immer wieder den in den Berichten erkennbaren „diplomatischen“ Umgangsformen zugewandt, etwa L.R. Cresci/F. Gazzano/D.P. Orsi [Retorica], M.G. Angeli Ber tinelli/L. Piccirilli [2.1: Linguaggio] und vor allem jetzt L. Piccirilli [2.1: L’invenzione]. Für die ältere Forschung sei auf die immer noch grundlegenden Arbeiten von F.E. Adcock/D.J. Mosley [Diplomacy] sowie D.J. Mosley [2.1: Envoys] und E. Olshausen [(Hrsg.), Antike Diplomatie] verwiesen; ferner ist im Zusammenhang mit der römischen Kaiserzeit auch C. Habicht [Gesandtschaftsverkehr] wichtig. Das im Überblick
3.5 Diplomatie, Gesandtschaften, Proxenie
111
kurz vorgestellte, spezifisch griechische Institut der Proxenie behandeln M.B. Wallace [Early Greek Proxenoi] und C. Habicht [Gesandtschaftsverkehr]. Die große und umfassende Arbeit von C. Marek [Proxenie] bleibt zu den Proxenoi aber nach wie vor unverzichtbar. Die Gesandten und ihre Funktion zur römischen Zeit hat darüber hinaus in einer kleinen, gewiss auch erweiterungsfähigen Arbeit M. Jäger [Unverletzlichkeit] untersucht, der systematisch und verdienstvoll die überlieferten Gesandtschaften während der republikanischen Zeit Roms auflistet, dabei allerdings keinen interpretatorischen Tiefgang bietet. Zu dem gesamten Verfahren etwa der Bevollmächtigung der Gesandten, ihrer Absendung oder dem Ablauf der Verhandlungen in juristischer Hinsicht ist immer noch die Arbeit von A. Heuss aus dem Jahre 1934 [Abschluss] grundlegend. Für die Kaiserzeit bietet jetzt G. Ziethen [Gesandte] eine sehr detaillierte und reich belegte Darstellung zu Sozialstruktur, Einbettung, Funktion und Protokoll von Gesandtschaften sowie ihrem Verhältnis zum Kaiser [für die Republik siehe auch B. Schleussner, Legaten]. Zu den außenpolitischen Kontakten und ihrer Aufrechterhaltung über Freundschaften persönlicher Art sind – sowohl für die griechische als auch für die römische Welt – in den letzten zwei Jahrzehnten eine ganze Reihe von Forschungsarbeiten erschienen. Sie wurden insbesondere von G. Her man [1: Ritualised Friendship] inspiriert. Zu nennen sind etwa die Arbeiten von S. Hodkinson, vor allem das Buch über „Property and Wealth“ aus dem Jahre 2000 [1: Property] für die spartanische Außenpolitik, L.G. Mitchell [2.1: Greeks bearing Gifts] und B. Wagner Hasel [2.1: Stoff der Gaben] für die griechische Welt, G. Nichols [Hospitium] für den römischen Bereich. Das Ergebnis der neueren Forschungen ist in erster Linie, dass Außenpolitik nicht nur die Beziehungen zwischen Staaten, sondern vielmehr die zwei Ebenen – die persönliche und die institutionalisierte – umfasste. Es besteht allerdings die Gefahr eines allzu großen Pendelausschlags in die neue Richtung; man sollte den persönlichen Charakter zwischenstaatlicher Beziehungen nicht zu hoch veranschlagen, da bei der zunehmenden Demokratisierung der Polis-Welt der institutionalisierten Öffentlichkeit immer größere Bedeutung zukam. Gesandte traten in Kontakt mit ordentlichen Körperschaften, so dass sich in der Regel zumindest keine Geheimdiplomatie entwickeln konnte (s. nur den Beginn des MelierDialoges bei Thuk. 5,85). Die Begriffe für „Freundschaft“ lauten fili/a/philía und amicitia. Sie entstammen einer personalen Ebene und sind von hier auf die zwischenstaatlichen Beziehungen übertragen worden. Die wissenschaftliche Diskussion drehte sich dabei um die Frage, wann und wie „Freundschaft“ zwischen politischen Gemeinden hergestellt wurde. In der homerischen Welt ist Freundschaft zwischen den „Königen“ (basilei=v/basileîs) privat und öffentlich wirkmächtig, überschreitet vielfach die Sphären der Einzelpersonen. So wurden persönliche Beziehungen innerhalb des gesamtgriechi-
Gesandte
Personale Ebene
philía und amicitia
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amicitia als völkerrechtliches Instrument
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
schen Adels zu einem Strukturmerkmal der archaischen Polis, denn über sie konnten die Poleis unablässig miteinander kommunizieren und gleichsam Außenpolitik betreiben. In der klassischen griechischen Polis-Welt wurde diese zunehmend formalisiert. Freundschaft konnte von Anfang an die Folge von Kriegsbeendigungsverträgen zwischen ehemaligen Kombattanten (explizit in Hom. Il. 3,68–75) darstellen und musste später auch eine Bedingung für den Abschluss von Symmachieverträgen sein, was sich begrifflich in den abgeschlossenen Verträgen niederschlug: fili/a kai\ summaxi/a/philía kaì symmachía. Im außenpolitischen Bereich war sie in der griechischen Poliswelt an Verträge gebunden [1: E. Baltrusch, Symmachie und Spondai, 3ff.; 2.1: P. Spahn, Freundschaft und Gesellschaft]. Intensiver wurde über die römische amicitia gestritten. Die heute vorherrschende Auffassung ist von A. Heuss [2.2: Völkerrechtliche Grundlagen] mustergültig begründet worden. Sie besagt im Kern, dass jede Form von Kontakten Roms mit anderen Gemeinden Freundschaft konstituieren konnte, also ganz formlos und ohne den Zwang vertraglicher Vereinbarungen. Heuss hatte mit dieser Deutung ältere Auffassungen abgelöst, die T. Mommsen [Gastrecht] und insbesondere E. Täubler [2.2: Imperium] vertreten und welche die Notwendigkeit von Vertragsabschlüssen als Voraussetzung für ein Freundschaftsverhältnis mit Rom postuliert hatten. Die weitgehende Zustimmung zu der These von Heuss liegt auch in den ergänzenden und weiterführenden Forschungen von W. Dahlheim [2.2: Struktur] begründet. Der Vertragsabschluss ist nach dieser jetzt vorherrschenden Theorie lediglich eine „Aktualisierungsform der amicitia“ [so 2.2: Heuss, Völkerrechtliche Grundlagen, 57]. Der vertraglosen amicitia als charakteristischem Element der römischen Außenpolitik haben insbesondere E. Badian [Foreign clientela], D. Kienast [Entstehung], E. Gruen [1: Hellenistic World] und A. Avram [Vertrag, der sie sehr weitgehend als „nichtrechtliches Verhältnis“ bezeichnet] zugestimmt. Differenzierend konstatiert dagegen W. Dahlheim [2.2: Struktur] – bereits vorher M. Hol leaux [Rome, la Grèce: „amitié de droit/amitié de fait“], dann übernommen von K. H. Ziegler [1: Völkerrecht], F. de Martino [1: Costituzione II] – sowohl eine vertraglose amicitia wie auch Freundschaftsverträge. Durch die Dissertation von A. Zack [2.2: Römisches Völkerrecht] ist jetzt diese Diskussion wieder aufgelebt; Zacks Überlegungen, auf die an anderer Stelle schon hingewiesen wurde, laufen letzten Endes wieder auf die Mommsenschen Thesen zurück. Über die Funktion der amicitia als eines außenpolitischen Instruments im Interesse Roms gibt es kaum Dissens: nach W. Dahlheim [2.2: Struktur, 264] war die amicitia „im 2. Jahrhundert sachlich identisch mit societas“ und gestattete praktisch jeden Eingriff und jede Forderung; für K. H. Ziegler [1: Völkerrecht] ersetzte sie im Grunde den Abschluss formaler foedera. Dagegen spricht sich allerdings A. Zack [2.2: Römisches Völkerrecht] aus, der keine Belege für die formlose amicitia als außenpolitisches Mittel des 2. Jahrhunderts sieht. Der Begriff selbst
3.5 Diplomatie, Gesandtschaften, Proxenie
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entzieht sich in der Tat einer Festlegung, da er außerordentlich weitläufig verwendet wurde und innenpolitische und individuelle Inhalte ebenso transportierte wie außenpolitische [dazu 2.1: D. Konstan, Friendship, u. K. Verboven, Economy]. Die diesbezügliche Forschungsliteratur ist dementsprechend nahezu unerschöpflich. Außenpolitisch-völkerrechtlich behandeln ihn natürlich die einschlägigen Arbeiten, wozu jetzt auch L. Mro zewicz [Amicitia Romana] zu zählen ist, der die kaiserzeitliche Entwicklung des Begriffs herausarbeitet: Danach wird amicitia unter Claudius (41–54 n.Chr.) in ausschließlich römischer Interpretation verstanden, die sich zum adäquaten Herrschaftsmittel zur Eingliederung politischer Einheiten in das Imperium Romanum entwickelt habe. Wichtig in diesem Zusammenhang ist der bereits erwähnte Sonderforschungsbereich an der Universität Trier unter dem Titel „Fremdheit und Armut, Wandel von Inklusions- und Exklusionsformen von der Antike bis zur Gegenwart“ (SFB 600), bei dem ein von H. Heinen geleitetes Teilprojekt unter dem Titel „Roms auswärtige Freunde in der späten Republik und im frühen Prinzipat“ angesiedelt ist. Ein aus diesem Projekt hervorgegangener Sammelband von A. Çoskun und H. Heinen [1: Roms auswärtige Freunde] untersucht die verschiedenen Formen von amicitia in den auswärtigen Beziehungen. Freundschaft mit dem römischen Volk wird darin zu Recht begriffen als „ein zentrales Medium der Inklusion der Mittelmeerwelt in die Gesellschaft und den Staat der Römer“. Dieser Sammelband macht sich ebenfalls zur Aufgabe – und darin liegt gewiss eine zukunftsweisende Perspektive –, die „zwischenstaatliche“ Freundschaft weniger institutionell und „von oben“ zu betrachten. Wer stärker die nichtrömisch-„andere“ Perspektive einnimmt, wird sich wohl auch stärker von E. Badians „foreign clientela“-Theorie als Modell für die römische Außenpolitik lösen. Jedenfalls hat jüngst P.J. Burton [Clientela or Amicitia] in dezidiertem Gegensatz zu E. Badian [Foreign clientela] die römischen „international relations“ eher als „international amicitia“ denn als „foreign clientela“ gedeutet. Auch wenn dieses neue Modell sich ausdrücklich zu anthropologischen Methoden und der Theorie der „Internationalen Beziehungen“ bekennt, bedarf es wohl der begrifflichen Präzisierung; so scheint es mir noch weiterer Forschungen zu bedürfen, um das Klientel-Modell endgültig ad acta legen zu können; nicht endgültig überzeugend zu diesem Komplex C. Eilers [Roman Patrons]. Im weiteren Verlauf der Kaiserzeit bis in die Spätantike entwickelte sich die amicitia zu einer Vertragsfolge [dazu 3.2: R. Schulz, Entwicklung], die aber auch etwa durch persönliche Beziehungen germanischer reges zum Kaiser oder Heermeister, durch militärische Treueverpflichtung, durch symbolische Gesten wie Geschenke oder Einladungen generiert wurde. Die Erosion der traditionellen amicitia-Verhältnisse ging im Verlauf der römischen Kaiserzeit einher mit jener der Reichszentrale.
114
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
3.6 Vertragswesen Da die einzelnen Vertragsformen in der Forschung vielfach diskutiert wurden und werden, soll darauf an dieser Stelle in der gebotenen Kürze eingegangen werden. 3.6.1 Griechische Vertragstypen
Symmachie
Spondai
Philia
Die griechischen Vertragstypen sind umfassend – und keineswegs völlig überholt – bereits von P. Graetzel [De pactionum] bearbeitet worden. Im Einzelnen sind folgende Diskussionen geführt worden: Symmachie: Diese war die bedeutendste Form interpolitischer Zusammenarbeit und wird noch ausführlich unter dem Abschnitt „Bünde“ behandelt werden, so dass hier nicht weiter darauf eingegangen werden muss. Die römischen Entsprechungen zu dieser Vertragsgattung sind in der Regel durch societas oder foedus bezeichnet worden. Die griechische Symmachie besaß allerdings eine viel festere Form als die römischen Varianten, insbesondere während der Republik. Spondai: Nach P. Graetzel [De pactionum] war diese Vertragsgruppe – benannt nach dem symbolischen Wein-„Spenden“ – sehr weit und umfassend angelegt, so dass alle Formen zwischenstaatlicher Zusammenarbeit durch sie in eine formale Form gebracht werden konnten. Dagegen haben die neueren Forschungen insbesondere von F.J. Fernandez Nieto [2.1: Los acuerdos] und E. Baltrusch [1: Symmachie und Spondai] einen engeren Anwendungsbereich von Spondai ergeben. Danach werden mit diesen Verträgen in der Regel Waffenruhen (meist zweckgebunden, etwa zur Bergung von Toten oder zu Verhandlungszwecken) bzw. Waffenstillstände (die sich bisweilen zu einer Dauer von 50 Jahren ausdehnen und damit fast in die Nähe von ewigen Friedensverträgen gelangen konnten) abgeschlossen. Anders als die Symmachie sind die Spondai allerdings eher wenig in das Blickfeld der modernen Forschung geraten; in „Der Neue Pauly“ gibt es trotz ihrer weiten Anwendung keinen entsprechenden Eintrag – dies hängt wohl mit der besonderen griechischen Begrifflichkeit und ihrer schwierigen Übertragbarkeit auf moderne Verhältnisse zusammen; doch steht das Desinteresse an ihnen in einem diametralen Gegensatz zu ihrer historischen Bedeutung. Römische Entsprechungen sind jene Begriffe, mit denen Waffenstillstand (indutiae), Friede (pax) u. ä. bezeichnet werden. Philia: In wesentlichen Aspekten wurde sie als „Freundschaftsvertrag“ bereits oben behandelt. Der Begriff ist mehrdeutig und auch schillernder als das römische Pendant amicitia; er kann zwischenstaatlich-vertraglich verstanden werden, benennt aber ebenso die (nicht notwendig formalisierten) Beziehungen zwischen Adligen, ja sogar Familienangehörigen (dies ist der Wortgebrauch etwa in den klassischen griechischen Tragödien). Die Forschungen zur Philia sind umfänglich und kommen je nach Untersuchungsinteresse auch zu unterschiedlichen Ergebnissen [s. 2.1: B. Wagner Hasel,
3.6 Vertragswesen
115
Stoff der Gaben; 2.1: L.G. Mitchell, Greeks bearing gifts; 1: G. Herman, Ritualised Friendship; s. jetzt 2.1: P. Spahn, Freundschaft und Gesellschaft]. Ekecheiria/Anokoche: Diese Begriffe (wörtlich „aus der Hand“ bzw. „Anhalten“) bezeichnen den Waffenstillstand des modernen Völkerrechts, auch die Waffenruhe. Der Titel verweist auf die Vertragsfolge, die befristete Abwesenheit von Gewalt. Das berühmteste Beispiel dafür ist der bereits behandelte „olympische Frieden“, der meist als Ekecheiria erscheint. Zu Spondai gibt es keine Konkurrenz, vielmehr können diese auch eine Ekecheiria herstellen; sie sind also gleichsam Ekecheiria in einem anderen Aggregatzustand. Auch hier gibt es in der Forschung inzwischen weniger Diskussionsbedarf, s. F.J. Fernandez Nieto [2.1: Los acuerdos] und E. Baltrusch [1: Symmachie und Spondai, bes. 119–122]. Römische Entsprechungen sind indutiae und sponsiones. Eirene: Als Friedensvertrag im juristischen Sinne erscheint Eirene erst spät, nämlich erst zu Beginn des 4. Jahrhunderts. Diskutiert wurde in der Forschung intensiv die Frage, ob mit dem Begriff der „Friedenszustand“ oder der Vertrag bezeichnet wird – vielleicht ist diese Frage aber gar nicht so zentral, doch wird sie insbesondere von juristischer Seite gestellt. Diese und weitere Diskussionen sind oben bereits behandelt worden, und ebenso wird auf Eirene weiter unten im Zusammenhang mit den „Koine-EireneVerträgen“ eingegangen. Syntheke: Für das umfangreiche Begriffsfeld von Syntheke (wörtlich „Zusammensetzung“, dann „Übereinkunft“) ist noch immer die Dissertation von P. Kussmaul [Synthekai] heranzuziehen. Es ist zu betonen, dass sich der Begriff einer stringenten inhaltlichen bzw. formalen Festlegung entzieht, weil sowohl der einzelne Vertragspunkt wie der ganze Vertrag unabhängig von seiner Form so bezeichnet werden kann. Auch hier wird wieder der für das griechische Völkerrecht charakteristische unsystematische Umgang mit der eigenen Begrifflichkeit deutlich. Symbola: Damit sind Rechtshilfeverträge bezeichnet, die umfassend insbesondere von P. Gauthier [Symbola], der zudem alle bekannten Quellen dazu ediert, kommentiert und übersetzt hat, sowie von S. Ca taldi und G. Nenci [Strumenti] behandelt wurden. P. Gauthier [Symbola, 368] interpretierte diese Rechtshilfeverträge als ein Medium, um schnell zumeist wirtschaftlich bedingte Streitigkeiten zwischen Privatpersonen zweier Poleis lösen zu können. Sie waren bisweilen auch Gegenstand schiedsrichterlicher Regelungen; zu den in diesem Zusammenhang auftretenden interpretatorischen Schwierigkeiten s. A. Magnetto [Gli arbitrati, 230–243]. Diese Vertragsgattung stellte den einzelnen Polisbürger und seinen polisübergreifenden Status in den Mittelpunkt ihres Inhalts, sie ist also an die Polis selbst gebunden, wie P. Gauthier [Symbola] herausgestellt hat. Daher gibt es keine römische Entsprechung. Sym-/Isopolitie: Die zentralen Aspekte dieser besonderen Formen griechischer Zusammenarbeit, die sich aus der Vielzahl, aber auch der An-
Ekecheiria
Eirene
Syntheke
Symbola
Sym /Isopolitie
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Homologia
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
fälligkeit der interpolitischen Beziehungen ergab, werden noch im Zusammenhang mit den griechischen Bundesstaaten behandelt [s. dazu W. Ga wantka, Isopolitie; ferner A. Giovannini, Natur und Anfänge]. Gegen anderslautende Forschungsbeiträge – u. a. etwa gegen A. Giovannini – hat zuletzt H.H. Schmitt [Überlegungen] die fehlende Systematik der griechischen Begrifflichkeit auch bei der Sympolitie hervorgehoben. Danach kann der Begriff selbst auf drei zwischenstaatliche Sphären angewandt werden: 1. die Bundesstaaten, 2. die Einbeziehung einer oder mehrerer kleinerer Staaten in einen großen, 3. die Verbindung zweier, nicht ganz gleicher Partner (z. B. IG IX2 1,3, Nr. 748 zwischen Myania und Hypnia). Diese Vertragsform ist in jedem Fall spezifisch auf die Poliswelt zugeschnitten und findet daher in der römischen Republik keine Entsprechung. Homologia: Dieser Begriff bezeichnet einen Vertrag, der entsprechend der Bedeutung von o(mologei=n/homologeîn auf einseitiger Anerkennung von Forderungen bzw. Vorschlägen beruht. So findet er keineswegs ausschließlich im zwischenstaatlichen Bereich oder im Vertragsrecht, sondern überall dort Anwendung, wo „zugestimmt“ wird, z. B. bei einem Geständnis oder in Quittungen: s. P. Kussmaul [Synthekai]. Homologie ist an sich ein überaus weit gespannter Begriff, der, wie die moderne Forschung deutlich gemacht hat, keine eigene „internationale Vertragsgattung“ darstellt. Rechtskräftig konnte eine Homologie durch Spondai (Weinspenden) oder Horkia (Eidesleistungen) werden, alle drei Begriffe können für denselben Vertrag stehen [etwa Thuk. 4,65,2; Xen. hell. 5,4,11; dazu 1: E. Baltrusch, Symmachie und Spondai, 203f., und 2.2: D. Nörr, Aspekte des römischen Völkerrechts, 140ff.]. Oft wird mit Homologie eine Kapitulation bezeichnet, weil der Unterlegene einer Übergabe oder anderen Forderungen der Siegermacht „zustimmt“. Insofern findet sie ihre römische Entsprechung in der deditio. Doch auch zwischenstaatliche Abkommen trugen diesen Titel, wenn sie etwa auf Vermittlung Dritter zustandekamen, etwa über ein schiedsrichterliches Verfahren wie im Falle der ca. 240 v.Chr. von den Aitolern erwirkten Vereinbarung zwischen Messene und Phigalia [A. Magnetto, Gli arbitrati, 234]. 3.6.2 Römische Vertragstypen Die römischen Vertragstypen unterscheiden sich in einiger Hinsicht von den griechischen, da Rom keine Polis in einer Umwelt der „Gleichen“ war, auch wenn etwa die königszeitlich-frührepublikanischen Beziehungen zu den latinischen Städten vergleichbare Institutionen hervorgerufen haben. Doch entwickelte sich Rom in der klassischen Republik zur alleinigen Vormacht – dies nicht nur in Italien, sondern in der gesamten Mittelmeerwelt –, und daran orientierten sich auch die völkerrechtlichen Formen. In diesem Zusammenhang geht es auch um die Frage, ob sich die Römer einer strengen Vertragssystematik bedient haben [stark ablehnend 1: C. Baldus, Vertragsauslegung; positiv, aber formelhaft 2.2: J. Plescia, Ius Pacis]). Zu
3.6 Vertragswesen
117
Pax s. Kap. 3.3, zu amicitia Kap. 3.5. Die wesentlichen Vertragsformen im Einzelnen waren: Hospitium: Für T. Mommsen [3.5: Gastrecht] war das hospitium die Grundlage aller zwischenstaatlichen Vereinbarungen, deren Entstehen sich für ihn aus der angenommenen „Rechtlosigkeit der Fremden“ erklärte. So war auch die amicitia ein an das hospitium angelehntes Vertragsverhältnis. Einigkeit besteht in der Forschung darin, dass das hospitium eine alte Einrichtung gewesen sei, die man sich als durch die höchsten Götter in Griechenland und Rom geschützt vorstellte: s. G. Schiemann [DNP s. v. „Fremdenrecht“, 663–665] und B. Wagner Hasel [DNP s. v. „Gastfreundschaft“, 794–798]. In Rom war zu unterscheiden zwischen dem hospitium publicum und dem hospitium privatum, eine Unterscheidung, die in der Forschung nicht einheitlich gedeutet wird: Während F. de Martino [1: Costituzione II, 20f.] ein hospitium publicum nur zwischen Staaten für möglich hält, ist dieses für K. H. Ziegler [1: Völkerrecht, 86] auch zwischen einem Staat und einer Privatperson vorstellbar. Während und nach der Expansion Roms verwischen die Grenzen zwischen „Gastfreundschaft“ und Patronatsverhältnis; so scheint das Institut des hospitium im zwischenstaatlichen Bereich durch amicitia bzw. durch das Fremdenrecht in Rom zurückgedrängt worden zu sein [so 1: K. H. Ziegler, Völkerrecht, 86]. Foedus: Dies ist wohl unumstritten der Kernbegriff des römischen Vertragsrechts und bezeichnet auch den Vertragsschluss zwischen Rom und seinen (wenigstens formal) gleichberechtigten Partnern schlechthin [s. etwa 1: C. Baldus, Vertragsauslegung I, 220ff.]. Ein foedus muss beeidet werden, wofür in der frühen Republik das Priesterkollegium der fetiales zuständig war. Manche Forscher nehmen eine Bedeutungsminderung der Vertragsform im Laufe der Republik an, sei es zugunsten der deditio [1: M. Lemosse, Régime, 25ff.], sei es durch eine nur noch befristete militärische Zusammenarbeit [L.E. Matthaei, Classification, 200f.]; andere wiederum sehen das foedus auch in der Kaiserzeit als Hauptvertragsform [1: K. H. Ziegler, Völkerrecht, 113]. Für T. Mommsen [1: Römisches Staatsrecht III 1] allerdings griff man auf das foedus, „während der ganzen republikanischen Zeit“ zurück, „... unter dem Prinzipat ... nur ausnahmsweise“. Nach K. H. Zieg ler [1: Völkerrecht] ist ein weitgehender Verzicht auf förmliche foedera mit der Ausweitung der amicitia-Verhältnisse zu konstatieren, und nach H. Galsterer [DNP s. v. „Foedus“, 580–581] wurde das „foedus mehr und mehr durch einseitige Freiheitserklärungen Roms ersetzt“. Es wurden auch Überlegungen angestellt, wie die Spätantike dieses Institut weiterentwickelte, etwa bei R. Schulz [2.2: Entwicklung, der ein kurzes Aufleben des solennen foedus im 4./5. Jh. konstatiert] und K. H. Ziegler [1: Völkerrecht]. Da die augusteische Restaurationspolitik auch das ius fetiale reaktivierte, verwundert es nicht, dass „augusteisch“ agierende Kaiser wie Claudius auf deren Zeremonie beim Abschluss von foedera zurückgriffen (Suet. Claud. 25,5); in der lex de imperio Vespasiani ist allerdings das kaiserliche
hospitium
foedus
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societas
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
Vertragsabschlussrecht umfassend geregelt (foedusve cum quibus volet facere liceat – „es soll erlaubt sein, ein foedus abzuschließen, mit wem er wolle“), was auch mündliche Vereinbarungen einschloss. Das Verhältnis von foedus zur societas ist nach K.-H. Ziegler [1: Völkerrecht] durch den für foedus, nicht aber für societas zwingend notwendigen Vertragscharakter bestimmt: demnach wäre amicitia eine „formlose societas“. Ähnlich sieht A. Avram [3.5: Vertrag, 91–93] in einem foedus den förmlichen römischen Staatsvertrag und in societas den Inhalt. Avram spricht sich jedoch gegen eine „formlose societas“ aus. Eine kontrovers diskutierte Frage ist außerdem, ob die fetiales nicht nur beeiden mussten, sondern auch inhaltliche Kompetenzen hatten. Mehrheitlich wird letzteres abgelehnt, doch T. Wiedemann [2.2: Fetiales] ist eine Ausnahme. Diskutiert wurde ferner von T. Mommsen [1: Römisches Staatsrecht III 1], E. Täubler [2.2: Imperium], F. de Mar tino [1: Costituzione II], P. Frezza [Forme federative] und K. H. Ziegler [1: Völkerrecht], wie der konkrete Vertragsschluss aufgebaut war und wann die römischen Institutionen involviert waren, und hier insbesondere: ab wann die Volksversammlung involviert war, so wie der Senat in der Frühzeit und auch in der späten Republik. Ähnlich kontrovers wird über die Dauer der foedera diskutiert: So waren sie z. B. nach H. Galsterer [DNP s. v. „Foedus“, 580–581] grundsätzlich auf ewig angelegt, während K. H. Ziegler [1: Völkerrecht], F. de Martino [1: Costituzione II] und B. Paradisi [Dai foedera iniqua] dies ablehnen. E. Täubler [2.2: Imperium] differenziert zwischen ewigen und befristeten Verträgen. In diesem Zusammenhang wird auch die Terminierung von foedera mit monarchisch regierten Staaten diskutiert. Nach T. Mommsen [1: Römisches Staatsrecht III 1] gehört dazu die ausdrückliche Erneuerung durch die Nachfolger, während A. Heuss [2.2: Völkerrechtliche Grundlagen] die automatische Kontinuität betont; K. H. Ziegler [1: Völkerrecht] ist in dieser Frage unentschieden. Nach A. Avram [3.5: Vertrag] ist foedus ursprünglich nur „beschworene societas“, dann bis in die Kaiserzeit jeglicher Vertrag. Er stellt daher foedus als (livianischen) Begriff für die mittlere Republik in Frage; neue foedera (societates) habe es nur bis ins 1. Jahrhundert v.Chr. gegeben, danach seien sie nur noch bestätigt worden. Von den einzelnen foedera ist wohl das foedus Cassianum das umstrittenste, dessen Datierungsansätze zwischen 493 und 338 schwanken (s. Kap. 1.2). Terminologisch werden bisweilen foedera aequa und iniqua geschieden, wozu insbesondere T. Hantos [Bundesgenossensystem] alles Nötige gesagt hat. Beide Bezeichnungen sind nicht technisch, sondern spiegeln lediglich das während der klassischen Republik sich entwickelnde Ungleichgewicht zwischen Vertragswortlaut und realem Verhältnis der Vertragspartner wider. Societas: Diese ist das klassische römische Bündnis. Sie hat das Forschungsinteresse insbesondere wegen ihrer weiten Verbreitung, wegen ihrer Funktion als Herrschaftsinstrument sowie infolge der Beziehung zu der
3.6 Vertragswesen
119
Dreiheit foederati/socii/liberi geweckt. Nach T. Mommsen [1: Römisches Staatsrecht III 1] konnten die Römer mit diesen drei Termini ihre Bundesgenossen genauer definieren, nämlich nach ihren jeweiligen Bezügen: 1. Vertragsgrundlage (foederati), 2. militärische Hilfeleistung (socii), 3. Autonomie (liberi). Differenzierter haben H. Galsterer [Urbanisation] und früher schon H. Horn [Foederati] das Verhältnis bestimmt. Durchgesetzt hat sich im Deutschen der Terminus „Bundesgenossen“ für socii, schließlich sogar für das „System“ in Italien seit T. Hantos [Bundesgenossensystem], zum Begriffswandel s. M. Wegner [Socius und societas]. Der Inhalt von societas wird insbesondere durch die Pflicht zur militärischen Hilfeleistung bestimmt, wie W. Dahlheim [2.2: Struktur] herausgestellt hat. Gegenstand der Forschungen war darüber hinaus der sich wandelnde Status der Bündner Roms von der kompletten Autonomie zur de facto „Reichsangehörigkeit“. Das Forschungsinteresse konzentriert sich auf das 3. und 2. Jahrhundert v.Chr., einer Zeit mit offensichtlicher „Scharnierfunktion“ der societates, die sich aus der rasanten außenpolitischen Entwicklung ergibt. Denn natürlich ist vor allem der historische Faktor zu berücksichtigen, also die Frage, welchen Wandlungen der Begriff der socii vor, während und nach der Expansion im Mittelmeerraum unterworfen ist. De iure waren die socii autonom [3.5: E. Badian, Foreign clientelae], faktisch freilich war das Verhältnis ungleichgewichtig [2.2: W. Dahlheim, Struktur]; hilfreich ist die Analyse von T. Hantos [Bundesgenossensystem], die grundsätzlich foedera aequa annimmt und dem Verhältnis nach zwischen koordinierten bzw. subordinierten Bündnissen unterscheidet, eine Unterscheidung, die den Nachteil hat, dass sie mit keiner zeitgenössischen völkerrechtlichen Begrifflichkeit belegt ist. D. Baronowski [Sub umbra] greift deshalb die Begrifflichkeit iniqua/aequa erneut auf und wandelt wieder auf Mommsens Bahnen; sein Schluss ist, dass alle Vertragstypen Herrschaftsformen widerspiegeln und es kein starres System gegeben habe. T. Hantos [2.2: Entstehung von Herrschaft] hat jüngst noch einmal gegen Mommsen die von Anfang an geltende Gleichgewichtigkeit der Partner (also Roms und seiner socii) de iure betont. Die allmähliche Entwicklung, etwa in der Heeresführung, mit dem Zweiten Punischen Krieg als ihrem Höhepunkt habe dann den Wandel von der Partnerschaft zur Suprematie bedingt [anders aber jetzt 2.2: M. Jehne, Römer, Latiner, u. 2.2: R. Pfeilschifter, Allies]. Im Gegensatz zur griechischen (s. unter Symmachie) ist die – lange vernachlässigte – römische Freund-Feind-Klausel nach den Forschungen von L. de Libero [Ut eosdem] als eine echte Herrschaftsformel anzusehen. Für die römische Vertragspolitik hat – durch das Buch von E. Badian [3.5: Foreign Clientelae] über die „Foreign Clientelae“ veranlasst – der Begriff der Klientel den Forschungsdiskurs bis heute maßgeblich bestimmt; er ist offenbar kein regulärer zeitgenössischer Terminus für außenpolitische Verhältnisse, doch umschreiben antike Autoren das Verhältnis der verbündeten Könige zu Rom gelegentlich mit dem Wort „Klientel“ (s. Sueton,
Freund Feind Klausel
Klientel
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reges socii et amici
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
Augustus 80: more clientum; Proculus, Digesten, 49, 15, 7: clientes nostros). Bereits in älteren Untersuchungen tauchte er auf und war umstritten: E. Täubler [2.2: Imperium] etwa hatte die Idee eines „Klientelvertrages“ wegen der Einseitigkeit der Verpflichtungen entwickelt (Beispiel: Aitolervertrag von 189 v.Chr.), was aber dezidiert und von vielen Seiten zurückgewiesen wurde (etwa von K. H. Ziegler, J. Bleicken, T. Hantos), teilweise aber auch, wenigstens inhaltlich, einbezogen [3.5: E. Badian, Foreign Clientelae: „legalized clientela“; s. auch 2.2: W. Dahlheim, Struktur], oder sogar gänzlich übernommen wurde [1: M. Lemosse, Régime]. Bereits Mommsen [1: Römisches Staatsrecht III 1] hatte den (gewisslich auch antiken Begriff: s. Proculus) für „sehr treffend“ gehalten. E. Badian hat dann auf diesem Begriff der Klientel, der ja der römischen Sozialstruktur entnommen wurde, sein Konzept römischer Herrschaft entworfen. Es basiert auf dem Charakter der Klientel als Sammelbegriff für untergeordnete Verhältnisse, unabhängig von ihrem Zustandekommen: „clientela is not [in origin or in development] a simple relationship, but at all historical times a name for a bundle of relationships united by the element of a permanent [or at least long-term] fides“ [10]. Von J. Bleicken [Rez. Badian] wurde diesem Konzept freilich und sicher nicht ganz zu Unrecht die historische Dimension abgesprochen. Noch weiter geht E. Gruen [1: Hellenistic World], der zur Bezeichnung außenpolitischer Verhältnisse Roms überhaupt nicht von römischen, sondern hellenistischen Strukturen ausgeht und das „clientela model“ für „a modern creation, unsuited to the facts“ hält. E. Baltrusch [Die Juden, 77–79] versucht beide Modelle zu verbinden, da die deutlich erkennbare Übernahme hellenistischen Vokabulars (E. Gruen) mit einer interpretatio Romana einherging und in ein römisches Patronatsmodell eingefügt wurde [E. Badian, dagegen jetzt 3.5: C. Eilers, Roman Patrons]. Es sollte vor allem nicht außer Acht gelassen werden, dass „Klientel“ in der Außenpolitik als analytische Kategorie durchaus die zwischenstaatlichen Beziehungen Roms verdeutlichen kann, auch wenn sie kein juristischer Terminus ist. Die Forschungen über die reges socii et amici sind unendlich, da die Begrifflichkeit in den literarischen Quellen zwischen rex, socius, amicus und ihren Kombinationen schwankt und zusätzlich modern noch mit dem Begriff clientela gearbeitet wird; auf diese Begriffsbeliebigkeit hat D. Braund [Friendly King] hingewiesen: vgl. dazu etwa die Arbeiten von P.C. Sands [Client Princes], M. Cimma [Reges socii, die socius als verliehenen Titel mit de iure Souveränität ansieht], M. Stein Kramer [Klientelkönigreiche, mit einer Kategorie amicitia – societas: Waffenhilfe beinhaltende amicitia für den Osten, was der Dahlheim’schen These von der „sachlichen Identität zwischen amicitia und societas“ im 2. Jahrhundert v.Chr. entspricht]. Insgesamt verschwimmt die begriffliche Scheidung zwischen amicitia und societas, auch in der modernen Forschung: So kommt es nach A.W. Lintott [Imperium] nicht auf vertragliche Regelungen an („looser usage, whereby
3.6 Vertragswesen
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all amici were also socii ... whether they had a treaty or not“); ähnlich auch H. W. Ritter [Rom und Numidien], der im Zusammenhang des Verhältnisses von Rom und Numidien amicitia und societas auch ohne Vertrag gerade bei Königen konstatiert. Zentral scheint mir nach wie vor W. Dahlheims [2.2: Struktur] Theorie zu sein: Die Wehrgenossenschaft verringerte zunächst allmählich und faktisch die Autonomie der Bündner, nicht juristisch. Das führte schließlich im 2. Jahrhundert v.Chr. in Italien außenpolitisch zu einem Befehl-Gehorsam-Verhältnis [2.2: T. Hantos, Entstehung von Herrschaft]. Dahlheim hebt ferner zu Recht hervor, dass es zwischen der italischen und außeritalischen Bündnispolitik große Unterschiede gab und geben musste, da die Interessenlage Roms jeweils eine ganz andere war. E. Gruen [1: Hellenistic World] ergänzt diese Differenz mit dem für ihn zentralen Aspekt einer Einbeziehung hellenistischer Strukturen in der römischen Außenpolitik gegenüber den östlichen Mittelmeerstaaten. Im Prinzipat macht der Status der reges amici et socii einige Veränderungen durch, wie sich am Beispiel der Herodianer als Vermittler zwischen Rom und Judäa zeigen lässt: dazu J. Wilker [Für Rom und Jerusalem]. Auf eine modernistische Begrifflichkeit für römische Herrschaftspolitik wie Protektorat – so in Anlehnung an das neuere Völkerrecht bei E. Täubler [2.2: Imperium] und A.N. Sherwin White [1: Roman Foreign Policy] sollte man ganz verzichten. Indutiae: Dieser Terminus bezeichnet einen befristeten Waffenstillstand, der im Feld abgeschlossen wurde; in der Kaiserzeit wurde der Unterschied zur pax (Frieden) ausdrücklich hervorgehoben: Indutiae sunt, cum in breve et in praesens tempus convenit, ne invicem se lacessant – „Indutiae ist die Bezeichnung, wenn man sich auf eine kurzfristige, jetzt beginnende Zeit (der Waffenruhe) verständigt, damit sie sich nicht gegenseitig reizen“ (Paulus Digesten 49,15,19,1). Die Fristen sind umstritten; Quellen berichten von indutiae von 100 Jahren Laufzeit (z. B. mit Veji unter Romulus). E. Täubler [2.2: Imperium], nach dem das römische Staatsrecht ohnehin keinen Frieden kenne, sondern nur ewige oder vorübergehende Vertragsverhältnisse, geht infolge der Feldherrnkompetenz beim Abschluss von einer ursprünglichen Frist des restlichen Amtsjahres aus, alle weiteren seien vom Senat abgeschlossen worden. Es waren offenbar auch kürzere indutiae von wenigen Tagen möglich, die der Regelung dringender Angelegenheiten dienten; zu erwähnen sind hier in Parallele zu den griechischen Spondai die Bestattung der in der Schlacht gefallenen Toten, die Durchführung von Verhandlungen, die Sicherung der Versorgung. Zur zweifelhaften Historizität der langfristigen indutiae äußert sich F. de Martino [1: Costituzione II], der von lediglich kurzfristigen Waffenstillständen ausgeht und die dauerhaften für annalistische Fälschungen hält [anders P. Frezza, Corso, 327]. K. H. Ziegler [1: Völkerrecht] dagegen hält sie für die Frühzeit für denkbar, indem er mit einem Bedeutungswandel des Begriffs hin zum bloßen kurzfristigen Suspensiveffekt rechnet. Ähnlich unterschied bereits T. Mommsen
indutiae
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sponsio
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
[1: Römisches Staatsrecht III 1] feldherrliche, auf maximal ein Jahr befristete indutiae von senatorischen („insofern ... das ältere Völkerrecht den auf eine Reihe von Jahren geschlossenen Waffenstillstand dem Frieden gleichsetzt“). Diskutiert wird auch die Frage, ob indutiae unter die foedera zu fassen seien. Als Befürworter können E. Täubler [2.2: Imperium] und J. Plescia [2.2: Ius Pacis] gelten, dagegen sprechen sich unter anderem F. de Martino [1: Costituzione II], K. H. Ziegler [1: Völkerrecht] und P. Catalano [1: Linee del sistema] aus. Sponsio: Hierbei handelt es sich um einen zivilrechtlichen Begriff, der soviel bedeutet wie „Bürgschaft“, „Versprechen“. K. H. Ziegler [1: Völkerrecht, 93] definiert sponsio als eine „neben dem foedus und im Gegensatz zu diesem angeführte völkerrechtliche Vereinbarung eines Repräsentanten des römischen Volkes“, die zum erstenmal 321 v.Chr. im Krieg Roms gegen die Samniten als Rechtstitel im zwischenstaatlichen Bereich erscheint [s. 1: H. H. Schmitt, Staatsverträge III, Nr. 416]. Umstritten ist die bindende Kraft der durch die Feldherren abgeschlossenen sponsiones bzw. deren Vertragsschließungskompetenz. Nach einigen modernen Autoren wie P. Frezza [Forme federative] und F. de Martino [1: Costituzione II] mussten die Fetialen hinzugezogen werden, nach anderen wie T. Mommsen [1: Römisches Staatsrecht III 1, 251f.] ist die sponsio ein vom Magistrat abgeschlossener, die Gemeinde grundsätzlich bindender Vertrag; ein foedus mit Fetialeid sei nicht notwendig gewesen. Wenn der Vertrag ohne Vorwissen oder Genehmigung geschlossen wurde, konnte sich die Gemeinde lossagen. Das zentrale Problem war allerdings der geleistete Eid des Feldherrn, der religiöse Konsequenzen nach sich ziehen konnte. Also kassierte die Gemeinde den Vertrag und versagte dem Feldherrneid die Unterstützung, so dass dieser persönlich verantwortlich war und dann ausgeliefert werden konnte: so verfuhr man etwa nach dem caudinischen „Schandvertrag“ von 321 v.Chr. oder später nach dem Vertrag von Numantia (sog. „MancinusVertrag“) von 137 v.Chr. Nach E. Täubler [2.2: Imperium] habe die sponsio den sponsor (wie im ius civile), also den Feldherrn, gebunden und sei erst durch die Ratifizierung der Gemeinde bindend geworden. Die persönliche Verantwortung des Feldherrn sei durch dessen Eid entstanden, dagegen habe ein iussus populi die Fetialbeeidigung verlangt. Nach V. Bellini [Foedus et sponsio] entsteht für Livius ein foedus nur mit iussus populi und Fetialbeeidung; die sponsio als ein Vorvertrag (foedus ictum iri, wörtlich „dass ein Vertrag geschlossen werde“, Liv. 9,10) erscheine bei Cicero, während Sallust nicht zwischen foedus und sponsio differenziere. Daraus ergebe sich als Kurzformel, dass eine sponsio einschließlich der Zustimmung der Volksversammlung ein foedus sei. Sponsiones sind demnach an die persönliche fides gebunden und übernahmen – in ihrer Rolle als vertragliche Vorstufe (gemäß T. Mommsen), der nur die Fetialzeremonie zum eigentlichen foedus fehlte – mehr und mehr eine foedus-Funktion. Sponsio ist danach ebenfalls ein bindendes Hauptinstrument auswärtiger Beziehun-
3.6 Vertragswesen
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gen, starre Differenzierungen zwischen foedus und sponsio sind folglich wohl unnötig. Nicht nur der Sponsor ist verpflichtet (da ja für ihn eine persönliche Unmöglichkeit der Erfüllung gegeben ist), sondern die Gemeinde selbst – man darf das Hauptaugenmerk nicht auf die Eidesproblematik legen. Für M. H. Crawford [Foedus et sponsio] sind sponsiones und foedera nicht exklusiv gewesen; doch habe eine Umdeutung der sponsio als juristische Konstruktion im 2. Jahrhundert v.Chr. stattgefunden, mit dem Ziel, sich von Verträgen lossagen zu können. Die pax Caudina von 321 v.Chr. sei als Präzedenzfall gedeutet worden, um 137/6 v.Chr. den numantinischen Vertrag ablehnen zu können [1: K.-H. Ziegler, Völkerrecht, bezeichnet das Vorgehen als „Advokatenkniff“]. A. Zack [2.2: Römisches Völkerrecht] wiederum sieht in Anschluss an Mommsen die noxae deditio (wörtlich: die Auslieferung des corpus delicti, also des Feldherrn) als Ausdruck des römischen Bedürfnisses, sich selbst von seinen Verpflichtungen lossagen zu können, der Feldherrneid habe also über die persönliche Bindung hinaus eine völkerrechtliche Wirkung für Rom entwickelt. Deditio: Zur deditio ist für die heute gültige Anschauung insbesondere W. Dahlheim [2.2: Struktur] heranzuziehen; etwas modifiziert auch D. Timpe [Rechtsformen, 280ff.] und zuletzt wieder C. Baldus [1: Vertragsauslegung, 232ff.]. Die Ursprungsfrage ist – ähnlich, doch in anderer Perspektive als bei der amicitia – die nach der vertraglichen bzw. nichtvertraglichen Grundlage. Zunächst hatten T. Mommsen [1: Römisches Staatsrecht III 1], E. Täubler [2.2: Imperium], V. Bellini [3.4: Deditio in fidem] und S. Cal derone [3.4: Pistis – Fides] die deditio als vertragliche Regelung aufgefasst, was aber dezidiert begründet zunächst von A. Heuss [2.2: Völkerrechtliche Grundlagen], dann von W. Dahlheim [2.2: Struktur], K. H. Ziegler [1: Völkerrecht], D. Nörr [3.4: Fides] u. a. abgelehnt wurde. Nach dieser mittlerweile vorherrschenden Auffassung war deditio vielmehr ein „völkerrechtliches Verfügungsgeschäft ohne Vertragscharakter“ [1: K. H. Ziegler, Völkerrecht, 96]. Weitere Diskussionen drehten sich um Spezifizierungen: Die für S. Calderone [3.4: Pistis –Fides] speziell Rom bindende Form der deditio in fidem wurde von der Mehrheit der Forscher generalisierend für jede deditio angenommen [etwa 3.4: G. Freyburger, Fides; und 3.4: J. L. Ferrary, Philhellénisme]. Gerade eine solche die Römer bindende Übereinkunft lehnen ab: K. H. Ziegler [1: Völkerrecht], A. Heuss [2.2: Völkerrechtliche Grundlagen], E. Gruen [1: Hellenistic World]. Weitere Möglichkeiten einer bedingten deditio werden von den Befürwortern des Vertragscharakters diskutiert [s. etwa 3.4: V. Bellini, Deditio in fidem], J. L. Fer rary [3.4: Philhellénisme] erwähnt außerdem „redditions conditionnelles“ in Griechenland, die vom üblichen deditio-Schema abgewichen seien. Nicht formal, aber sachlich ist die friedlich vollzogene deditio von einer Kapitulation nach Kriegshandlungen zu unterscheiden. Im ersteren Fall wird ein Hilfegesuch einer anderen Gemeinde angenommen, deren rechtliche Konsequenz die Aufgabe der eigenen Autonomie ist. Natürlich werden diese
deditio
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postliminium
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
dediticii anders behandelt und bald in ihre Eigenständigkeit wiedereingesetzt. Zur Verfahrenskonstruktion hat sich W. Dahlheim [2.2: Struktur] mit leichten Abweichungen von A. Heuss [2.2: Völkerrechtliche Grundlagen] geäußert. Ferner wird die Frage der Stabilität des Instituts diskutiert, insbesondere wie die Entwicklung von der Republik zur Spätantike fortschreitet. Für V. Bellini [3.4: Deditio in fidem] vollzieht sich der Wandel zum Kontrakt schon in der späten Republik, wobei er sich von der normativen fides-Vorstellung leiten lässt; K.-H. Ziegler [1: Völkerrecht] dagegen lehnt diese Interpretation ab. Zur Spätantike hin wandelt sich nicht die Form, wohl aber die Bedeutung der deditio; dies stellt R. Schulz heraus: „Wichtigstes Unterscheidungskriterium der spätantiken Kapitulation gegenüber der republikanischen Dedition ist die Eidesleistung auf bestimmte Vorabsprachen zwischen den Parteien“ [2.2: Entwicklung, 135]. Schulz lehnt aber die Theorie B. Paradisis [Dai foedera iniqua, bes. 494ff.] ab, dass die deditio sich zum foedus entwickelt habe. Neuerdings wird wieder stärker der Versuch unternommen, die deditio zum zentralen Instrument römischer Außenpolitik zu machen: A. Çoskun/H. Heinen [1: Roms auswärtige Freunde]. Postliminium: Dieses offenkundig sehr alte Rechtsinstitut ist bereits in römischer Zeit Gegenstand vielfältiger Interpretationen gewesen. Definiert wird es bei Cicero (top. 8,36), dann in den Institutiones Justinians (1,12) als „Rückkehr hinter die Schwelle“. In beiden Fällen wird es mit limen = Schwelle und post = hinter verbunden, was interessanterweise in der Kaiserzeit als „Schwelle, Grenze, Ende des Imperiums“ verstanden wurde – entgegen der Idee vom orbis terrarum als imperium sine fine. Der Kern des ius postliminii ist das Verlassen des römischen Territoriums – von Sachen oder Personen, freiwillig oder gezwungen, im Krieg oder im Frieden: Was passiert mit den persönlichen, sächlichen und staatsbürgerlichen „Rechten“ bei einer Rückkehr? Eine sehr gute Zusammenstellung der verschiedenen Probleme findet sich in dem RE-Artikel von H. Kreller [RE s. v. „Postliminium“, 863–873], ferner haben sich dazu auch P. Frezza [Relazioni], A. Watson [Law of Persons, 237–255], A. Maffi [Ricerche sul ,postliminium‘], M. F. Cursi [Struttura] und G. Schiemann [DNP s. v. „Postliminium“, 220] geäußert. 3.7 Schiedsgericht
Bedeutung der Schiedsgerichte
Seit den Haager Konventionen 1899 und 1907 und auch in der Satzung der Vereinten Nationen ist die internationale Schiedsgerichtsbarkeit als Streitbeilegungsinstitut zwischen Staaten auf der Basis der Freiwilligkeit fest verankert. Ob sich dieses direkt von antiken Vorbildern ableitet, ist mehr als fraglich, doch steht fest, dass der Schiedsgerichtsbarkeit für die interpolitischen Beziehungen eine überragende Bedeutung zukam. Sie hat ihren
3.8 Neutralität
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Ursprung im griechischen Raum im innenpolitischen schiedsrichterlichen Verfahren. Diese gab es in Rom auch [dazu C.G. Paulus, DNP s. v. „Schiedsgerichtsbarkeit“, 158–159], doch konnte sich hier das zwischenstaatliche Verfahren nur rudimentär entwickeln; die Römer setzten es sehr begrenzt ein: Rom trat zwar als Schiedsrichter insbesondere in Konflikten griechischer Städte auf, war selbst aber natürlich nicht Anrufer eines solchen Verfahrens [dazu besonders 3.6: A. Magnetto, Gli arbitrati, 77, und K. Harter-Uibopuu, Zwischenstaatliches Schiedsverfahren, 163–195]; diese beiden Arbeiten analysieren auch die Funktion des Schiedsgerichts im Rahmen griechischer Bundesstaaten. Die Grundlagen zur Erforschung dieses Instituts legten auf der Basis von Vorgängerarbeiten im 19. Jahrhundert schließlich A. Raeder [L’arbitrage] und M.N. Tod [International arbitration]. Klassisch ist die von A. Raeder vorgenommene Differenzierung der Schiedsgerichte in kompromissarische und obligatorische, also die am Anfang entweder erzwungene oder freiwillige Verständigung der Partizipienten auf ein solches Verfahren und den – natürlich unbedingt neutralen – Schiedsrichter. Die Aufgabe der Schiedsrichter war jeweils an die Streitparteien und Streitinhalte angepasst [darüber wie über andere Aspekte des Verfahrensablaufs 3.6: A. Magnetto, Gli arbitrati, bes. XIII-XXVII]. Umfängliche Sammlungen der überlieferten Fälle schiedsgerichtlicher Entscheidungen im interpolitischen Bereich liegen vor [A. Raeder, L’arbitrage; M.N. Tod, International arbitration; L. Piccirilli, Gli arbitrati, mit 61 Fällen von ca. 740–338 v.Chr.; S.L. Ager, Interstate Arbitrations, von 337–91/90 v.Chr.; 3.6: A. Magnetto, Gli arbitrati, im Anschluss an L. Piccirilli 78 Fälle von 337–196 v.Chr.]. Diese Sammlungen sind immer auch umfassend kommentiert, doch liegen ihnen keineswegs einheitliche Auswahlkriterien zugrunde, nach denen die Überlieferung sortiert werden könnte; dies gilt sowohl für die Auswahl der Quellen (inschriftliche oder auch literarische) als auch der Materie (werden neben schiedsrichterlichen Verfahren im engeren Sinne auch Vermittlungen und Schlichtungen aufgenommen?). Daher hat zuletzt K. Harter Uibopuu [Zwischenstaatliches Schiedsverfahren, 4] großen Wert auf eine strikte Scheidung zwischen Vermittlung und Schiedsgericht gelegt, die sich aus der in einem konstituierenden Akt von den Streitparteien übertragenen Kompetenz des Schiedsrichters ergebe. 3.8 Neutralität Eine nicht ganz so zentrale Bedeutung für die antike Außenpolitik wie die Schiedsgerichtsbarkeit hatte das Institut der Neutralität, wenngleich seine Existenz vielfach bezeugt ist. So hat etwa R. Bauslaugh [Concept of Neutrality] hervorgehoben, dass Neutralität nicht erst im Zusammenhang mit der Entwicklung des modernen Völkerrechts gleichsam „erfunden“ wurde, sondern dass sie vielmehr im griechischen zwischenstaatlichen Be-
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Ultimatum
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
reich seit frühester Zeit verankert war. Bauslaugh sieht sich sogar zu Vergleichen einzelner Bestimmungen der Haager Konventionen 1899 und 1907 mit griechischen Formen veranlasst. In der modernen Literatur ist häufig in einer Überschätzung der Ähnlichkeiten allzusehr die Vergleichbarkeit zwischen antiker und moderner Neutralität vertreten worden, so besonders bei S. Séfériadès [Conception, 641–662], der keine Epoche zu kennen vermeint, die mehr „frappierende“ Ähnlichkeiten mit der des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gehabt habe als das Griechenland des 5. Jahrhunderts v.Chr. Hier ließ sich der Forscher erkennbar von „la grande guerre“ und den zehn Punkten des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson inspirieren. Es gibt jedoch keinen festen Begriff, der dem modernen Neutralitätsbegriff vergleichbar wäre. Dies erklärt sich wiederum mit der generellen Unspezifiziertheit der griechischen Sprache in diplomatischen Dingen. Für die griechische Neutralität ist jetzt das umfassende Werk des spanischen Althistorikers V. Alonso Troncoso [Neutralidad] heranzuziehen, der auch in einer jüngst erschienenen Arbeit [Die neutralen Staaten] die Rolle Olympias für die Neutralität während der Perserkriegszeit 480/79 v.Chr. herausgearbeitet hat. Alonso Troncoso legt wohltuend großen Wert auf die Unterscheidung zwischen der griechischen und der modernen Konzeption von Neutralität, was sich auch in der Begrifflichkeit niederschlage. Für die Römer gibt es das Institut der Neutralität überhaupt nicht. Eine weitere Einrichtung auch des antiken Völkerrechts war das Ultimatum, zu dem verschiedene Forschungsarbeiten vorliegen. Zuletzt hat wieder V. Alonso Troncoso [Ultimatum] im Sinne seiner generellen Skepsis vor einer voreiligen Übertragung moderner Ultimatum-Konzepte auf die griechische Antike gewarnt; beispielhaft untersucht er Sparta, Athen und andere Poleis. Auch für Rom spielte das Ultimatum eine herausragende Rolle zur Durchsetzung außenpolitischer Ziele. 3.9 Reichs- und polisübergreifende Konzeptionen: Koine Eirene und bellum iustum Dass die Antike durchaus übergreifende Konzepte zur Pazifizierung des zwischenstaatlichen Verkehrs entwickelt hat, ist in der Forschung mit besonderem Interesse bedacht worden. Vergleiche mit modernen Errungenschaften wie dem „Völkerbund“ und den „Vereinten Nationen“ verbieten sich allerdings, da jeweils Genese, Struktur und Hintergrund der Institutionen zu sehr differieren, doch verdienen von den antiken Konzepten insbesondere die (griechische) Koine Eirene (koinh\ ei)rh/nh /koinè eiréne bedeutet „allgemeiner Friede“) und das (römische) bellum iustum auch aus moderner Perspektive eine besondere Beachtung, zumal gerade die Theorie vom „gerechten Krieg“ in aktuellen Zusammenhängen wieder intensiv diskutiert wird.
3.9 Reichs- und polisübergreifende Konzeptionen: Koine Eirene u. bellum iustum 127
3.9.1 Koine Eirene Die Forschungen zur Koine Eirene, jener ausschließlich für das 4. Jahrhundert v.Chr. in der griechischen Welt bezeugten Vertragsgattung, sind zu einem sehr großen Teil Studien zu den einzelnen Verträgen, zu einem etwas geringeren Teil auch zum Konzept. Zu Letzteren gehören A. Momigliano [Koine Eirene], F. Hampl [Staatsverträge], T.T.B. Ryder [Koine Eirene], M. Jehne [Koine Eirene] und V. Alonso Troncoso [La koiné eirené]. Zwei unterschiedliche Richtungen lassen sich ausmachen, von denen die eine auf dem (modern anmutenden) Konzept einer umfassenden Völkerzusammenarbeit beruht, die andere auf der Erfolglosigkeit dieses Konzepts. Im deutschen Sprachraum hat sich wesentlich M. Jehnes Position von der Instabilität der Verhältnisse des 4. Jahrhunderts v.Chr., welche eine logische Folge der Überambitioniertheit des Koine-Eirene-Programms gewesen sei, durchgesetzt. Das 4. Jahrhundert, so Jehne, sei stärker als das 5. Jahrhundert von Zersplitterung, Instabilität und Kriegen geprägt gewesen. Dafür macht er die Koine-Eirene-Verträge verantwortlich, deren Grundübel darin bestanden habe, „dass sie einen Prozess verstärkte(n), den ich als Dynamisierung der zwischenstaatlichen Ordnung bezeichnen möchte“ [Koine Eirene, 269]. Er bescheinigt dem Konzept gar eine „unheilvolle Rolle“, die in der Diskrepanz zwischen einer für alle geforderten Autonomie und der außenpolitischen Realität bestanden habe. Dadurch sei Einmischung in die inneren Angelegenheiten provoziert und also auch das „Schwungrad der Aggression“ angetrieben worden [Koine Eirene, 282f.]. Die in der Überblicksdarstellung gegebene Deutung der Verträge setzt sich von dieser Interpretation ab [s. auch E. Baltrusch, Verträge]; das Fehlen einer Erzwingungsinstanz ist das Hauptproblem bei allen völkerrechtlichen Instituten. Zukünftige Forschungen müssen daher noch stärker als bisher auf die historischen Voraussetzungen für das Konzept der Koine Eirene und mentalitätsgeschichtliche Veränderungen in der griechischen Welt Gewicht legen. 3.9.2 bellum iustum Nach lange vorherrschender Auffassung steht hinter diesem Begriff des „gerechten Krieges“ eine regelrechte Lehre, die zum ersten Mal von Cicero umfassend ausgearbeitet wurde, bei Varro und Augustus explizit und bei Caesar implizit erkennbar ist. Immer wieder wird auch der Zusammenhang zwischen bellum iustum und Fetialrecht herausgestellt, zuletzt wieder über die in den Quellen recht häufige Junktur bellum iustum ac pium durch M. Sordi [3.3: Guerra e diritto]. Die Diskussionen über den Ursprung und das Alter des Fetialrechts sind noch ohne wirkliches Ergebnis; es spricht einiges für die These von C. Saulnier [3.2: Rôle des prêtres, 174f.], wonach die Zuordnung zu verschiedenen altrömischen Königen ein Rekonstruktionsversuch der spätrepublikanisch-augusteischen Zeit ist, die bekanntlich die-
4. Jahrhundert v.Chr.
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Ciceros Konzept
3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
ses Institut wieder zu neuem Leben erwecken wollte. Die Kontroversen um das bellum iustum drehen sich 1. um die Herkunft der ciceronischen Ideen, 2. um das Konzept in formaler und inhaltlicher Hinsicht, 3. um den Charakter dieser Ideen als „Theorie“ und 4. um den realen Einfluss einer derartigen Theorie auf die Entscheidungen der römischen Außenpolitik. Es dürfte inzwischen communis opinio der Forschung sein, dass Ciceros Überlegungen, die er in seinen philosophischen Schriften „Über den Staat“ (de re publica, 51 v.Chr. publiziert) und „Über die Pflichten“ (de officiis, 43 v.Chr. publiziert) zum „gerechten Krieg“ anstellt, sich wesentlich aus stoischem Gedankengut speisen [s. etwa 1: K. H. Ziegler,Völkerrecht]. Doch muss als ebenso sicher gelten, dass Cicero auch die – gerade nicht auf direkte Herrschaft zielende – Ausrichtung der römischen Außenpolitik des 3. und 2. Jahrhunderts v.Chr. einbezogen hat. Die Auffassung von L. Loreto [Bellum iustum], dass Cicero nie beabsichtigt habe, eine systematische Definition vom bellum iustum vorzulegen, und daher von der Nachwelt überinterpretiert sei, ist in hohem Maße spekulativ. Da der Autor die Äußerungen aus dem Zusammenhang herauslöst, kann er seine Behauptungen auch nicht wirklich begründen [sehr kritisch dazu und mit eigenen Überlegungen K. M. Girardet in Gnomon 77 (2005): 427–434, in einer Besprechung des Buches; ebenso in: Gerechter Krieg]. In der angelsächsischen Forschung wird neuerdings sehr intensiv mit dem Begriff bellum iustum gearbeitet, was auch mit der dort neu entfachten Imperialismus- und Empire-Debatte zusammenhängt. So wird nicht mehr darüber diskutiert, ob die römische Außenpolitik aggressiv gewesen sei, sondern nur noch über die Frage, wie sie in ihrem Aggressionsgrad einzuschätzen sei. Nach der Theorie von A.M. Eckstein [3.1: Mediterranean Anarchy] war die römische Außenpolitik zwar außerordentlich aggressiv, aber im Vergleich nicht aggressiver als die der hellenistischen Konkurrenten, nur erfolgreicher. Gegen Eckstein argumentiert J. E. Lendon [3.3: War and Society] aufgrund verschiedener Indizien – etwa dem römischen Milizsystem im Vergleich zum hellenistischen Söldnerwesen, aber auch auf der Basis von Statistiken der Kriege pro Jahr –, dass Roms Außenpolitik erheblich aggressiver gewesen sei als die aller anderen Mächte der Zeit. Die bellum iustum-Theorie Ciceros sei gar keine solche gewesen und habe auch keinerlei beschränkende Wirkung auf die Kriegführung der Römer gehabt. Damit wird explizit solchen Forschern widersprochen, die diese Theorie als handlungsleitend begreifen und unter diesem Gesichtspunkt die Kriege untersuchen: So hatte z. B. S. Albert [Bellum iustum] an die bekannten römischen Kriege die Messlatte des bellum iustum gelegt und war zu einem differenzierten Ergebnis gekommen: Es habe nur wenige bella iusta gegeben, in den meisten Fällen sei man pragmatisch verfahren und habe sich an die Gegebenheiten angepasst. Besonders für ein Befolgen der dem bellum iustum inhärenten Kriterien hat sich dagegen M. Kostial [Kriegerisches Rom] ausgesprochen, gewiss überspitzt, doch die Häme,
3.9 Reichs- und polisübergreifende Konzeptionen: Koine Eirene u. bellum iustum 129
die der Forscherin von angelsächsischer Seite entgegengebracht wurde, ist nicht gerechtfertigt. Für W.V. Harris [2.2: War and Imperialism], dem Antipoden des angeblich Mommsen’schen „defensiven Imperialismus“ der Römer, sind die Römer immer exzessiv imperialistisch gewesen; demzufolge sei ihre Theorie des bellum iustum ganz verwässert und habe keinerlei Bedeutung im Zuge der Expansion gehabt. Vielfach diskutiert wurde die Frage, ob lediglich die akkurate Durchführung des Fetialritus bzw. seine zeitbedingten Aktualisierungen, d. h. also die formale Kriegserklärung, für ein bellum iustum vonnöten waren, oder ob darüber hinaus auch eine iusta causa belli, also ein materiell-rechtlicher, „gerechter“ Kriegsgrund zugehörig sei [eingehend dazu 2.2: W. Dahlheim, Struktur]; K. H. Ziegler [1: Völkerrecht] und J. Rüpke [1: Domi militiae] sehen als solche Rechtsgründe für Kriege einen Vertrags- bzw. Rechtsbruch des Gegners oder die Selbstverteidigung an [s. dazu allerdings F. Hampl, Stoische Staatsethik]. L. Loreto [Bellum iustum] lehnt demgegenüber jede Berücksichtigung von iustae causae ab. E. Baltrusch [3.6: Die Juden, 69] sieht das Konzept als Chiffre einer anders verstandenen und auch anders wahrgenommenen Außenpolitik Roms im Vergleich mit dem hellenistischen Osten, wie sie sich etwa aus der laus Romanorum im jüdischen Ersten Makkabäerbuch (1,8,1–16) oder aus einigen Passagen des Polybios [z. B. 13,3: dazu 3.3: M. Sordi, Guerra e diritto, 7–11] erkennen lasse. Es verbinde die Interessen der Untertanen mit denen Roms und ermögliche so, Außenpolitik schlechthin als Herrschaftspolitik zu verstehen. H. Botermann [Gallia pacata (und auch in älteren Beiträgen zum Thema)] hat mit ihrer grundlegenden Kritik der Debatte neue Impulse verliehen, da sie die gesamte bellum iustum-Idee als „Konstrukt der Forschung“ verwirft. Sie hat seit langem vielen modernen Interpreten markante Fehldeutungen zum bellum iustum und in ihrem jüngsten Beitrag insbesondere zur immer wieder als konstitutiv herangezogenen iusta causa belli vorgehalten. Ihrer Auffassung nach ist iusta in diesem Zusammenhang nicht als Äquivalent zu „gerecht“ im Sinne einer materiell-rechtlichen Geltung oder auch nur eines „ethischen Prinzips“ [so 1: J. Rüpke, Domi militiae, 8], sondern zu „triftig“, „richtig“ zu verstehen. Konkret wendet Botermann ihre Ergebnisse auf Caesars Gallienfeldzug zwischen 58 und 52 v.Chr. an und plädiert dafür, den Bericht des Prokonsuls über seine Handlungen mit einem anderen Blick, nämlich dem der Zeitgenossen, zu lesen. Caesar habe sich nicht an Rechtsgründen, sondern an dem Konzept der maiores im Umgang mit fremden Völkerschaften orientiert, und dieses habe Außenpolitik und eben auch Kriege allein auf die römischen Bedürfnisse hin zugeschnitten; so sei Caesars Bericht auch positiv aufgenommen und durch gewaltige supplicationes zu Hause bestätigt worden. Dieser Interpretation steht jene gegenüber, die wie E.S. Ramage [Bellum iustum] gerade die Bedeutung des Konzepts in der caesarischen Propaganda herausstellt.
iusta causa belli
Konstrukt der Forschung?
130
4. Bünde
M. Mantovani [Bellum iustum] versucht die Kontinuität des Begriffs bis in die Kaiserzeit (und ins Christentum) aufzuzeigen und macht dies v. a. am Urteil der Quellen über geführte Kriege fest. Die aktuellste umfängliche Befassung mit dem bellum iustum liegt bei A. Zack [2.2: Römisches Völkerrecht] vor, doch zeichnet sich bis heute keine tragfähige einheitliche Auffassung ab. Es liegen differenzierte Analysen insbesondere zu den über das Fetialrecht rekonstruierbaren formalen Bestandteilen des bellum iustum vor, etwa von A.H. McDonald/F.W. Walbank [Origins], K. H. Ziegler [1: Völkerrecht], J. Rich [Declaring War, u. J. Rich/G. Shipley (Hrsg.), War and Society], C. Saulnier [2.2: Rôle des prêtres], T. Wiedemann [2.2: Fetiales], R. Penella [2.2: War, Peace] und C. Auliard [2.2: Les fétiaux]. Einen Bogen in die Moderne schlägt jetzt K. M. Girardet [Gerechter Krieg].
4. Bünde 4.1 Vorbemerkungen Bündnisse repräsentieren eine intensivierte Form von Außenpolitik. Auf die Unterschiede in der modernen und antiken Begrifflichkeit wurde bereits im darstellenden Teil eingegangen; inwiefern aktuelle Tendenzen, den Föderalismusbegriff als tragfähig für die gesamte Antike einzuführen [P. Siewert/ L. Aigner Foresti (Hrsg.), Föderalismus], die Diskussion inhaltlich bereichern können, bleibt abzuwarten. Die Forschungen über antike Bünde befassen sich mit besonderen Bündnissystemen, Einzelbündnissen oder Begriffen. Nach diesen Kriterien gliedert sich auch der nachfolgende Text. 4.2 Amphiktyonie
Ursprung der Amphiktyonie
Forschungen im eigentlichen Sinne zur Amphiktyonie begannen mit der 1877 erschienenen Arbeit von H. Bürgel [Pylaeisch-delphische Amphiktyonie] über die pyläisch-delphische Amphiktyonie, die erst seit wenigen Jahren durch F. Lefèvre [L’amphictionie] und dann durch P. Sánchez [L’amphictionie] als vollständig ersetzt angesehen werden kann. Ins Licht der Geschichte taucht diese eigentümliche Bündnisform im 6. Jahrhundert v.Chr., doch der Ursprung des Begriffes Amphiktyonie war in der Antike und ist auch heute noch umstritten; ein Teil der Forschung [etwa G. Busolt/ H. Swoboda, Griechische Staatskunde II, 1280; L.H. Jeffrey, Archaic Greece, 72f. und G. Roux, L’amphictionie, 3] führt ihn auf das leicht abgewandelte a)mfikti/onev/amphiktíones (die „Umwohnenden“) zurück. Danach hätte also die Amphiktyonie einen entschieden lokalen Charakter. Demgegenüber hat F. Wüst [Amphiktyonie, 134] die These vertreten, „dass die Amphiktyonen ursprünglich eine Art Stammverband waren“,
4.3 Symmachie
131
dessen Name „irgendwie mit dem Amphiktyonennamen zusammenhing“. K. Tausend [Amphiktyonie, 8–63] sieht die Entstehung von Amphiktyonien ähnlich: „Ein von einem Stamm geschlossen bewohntes Gebiet besaß ein zentrales Stammesheiligtum, ... und es bildete auch noch eine politische Einheit, den Stammstaat. Mit dem Zerfall desselben löste sich die politische Einheit auf und auf dem Stammesgebiet entstanden politisch selbstständige Gebilde, entweder Kleinstämme oder Poleis, die neben der kulturellen und sprachlichen Verwandtschaft als einzigen Zusammenhalt die nach wie vor gegebene gemeinsame Kultausübung im ehemaligen Stammesheiligtum besaßen und damit zu einem rein kultischen Bund, einer Amphiktyonie wurden“ [61]. Nur ausnahmsweise sei ein solcher Bund auch militärisch aktiv geworden, wie etwa im 1. Heiligen Krieg zu Beginn des 6. Jahrhunderts. Vieles an dieser Hypothese muss mit Fragezeichen versehen werden und bleibt spekulativ, oder, um mit Strabo 9,3,7 zu sprechen: „die alten Verhältnisse sind unbekannt“; dieser Auffassung hat sich in seiner großen Arbeit zur Amphiktyonie auch F. Lefèvre [L’amphictionie, 14–20] angeschlossen. Die Forschung befasst sich besonders eingehend mit der delphischen Amphiktyonie, was natürlich auch dem Überlieferungsstand geschuldet ist. Zunächst ging es um die Rolle Delphis. V. Parker [Bemerkungen] hat den Zeitpunkt, an dem Delphi zum Bündnis kam, auf das 7. Jahrhundert oder aber nach dem 1. Heiligen Krieg gegen die phokische Stadt Krisa zu Beginn des 6. Jahrhunderts datiert. Die Mitglieder des Bündnisses sind in einer Quelle des 4. Jahrhunderts v.Chr. aufgelistet (Aischines 2,116). Ausführliche Untersuchungen dazu liegen z. B. vor bei G. Busolt/H. Swoboda [Griechische Staatskunde II, 1292–1310], K. Tausend [Amphiktyonie, 34–47] und bei F. Lefèvre [L’amphictionie, 21–139]. B. Wagner Hasel [2.1: Stoff der Gaben, 286] hat zu bedenken gegeben, dass der Eid der Amphiktyonen „keine Schutzklausel des delphischen Heiligtums, sondern der Ebene von Krisa“ enthält. Damit werde die Amphiktyonie von Delphi zur „interregionalen“ Macht, die über die Nutzung von Weideland zu wachen hatte. Der krisäische, d. h. der erste Heilige Krieg wäre demnach ein Krieg zwischen lokalen und überregionalen Nutzern des Landes gewesen [Stoff der Gaben, 261–305]. In historisch besser bekannter Zeit freilich scheint die Bedeutung der Amphiktyonie eher peripher gewesen zu sein, wenn nicht in kultischem, so zumindest in zwischenstaatlichem Kontext [F. Lefèvre, L’amphictionie, 271].
Die delphische Amphiktyonie
4.3 Symmachie Die meisten Arbeiten zu diesem Gebiet befassen sich vornehmlich mit den politischen, seltener mit den rechtlichen und formalen Aspekten der Vertragsform. Wenn etwa W. Schwahn in seinem RE-Artikel [RE s. v. summaxi/a/symmachía, 1105] den griechischen Heereszug nach Troja als „das
Rechtsform der Symmachie
132
Begriffliche Unschärfe
4. Bünde
Urbild einer großen s.(ymmachia)“ bezeichnet, ist das begrifflich und sachlich unzutreffend. Denn Homer spricht gar nicht von einer Symmachie, sondern von „beeideten Vereinbarungen“ (Ilias 2,339). Auch K. Tausend [4.2: Amphiktyonie, 188ff.] beginnt seine „Strukturanalyse der archaischen Symmachie“ mit dem Bündnis gegen Troja, das er wie Schwahn „als nahezu idealtypisch für die Form des Kampfbündnisses“ hält [250]. Es ist aber nach heutigen Erkenntnissen die Symmachie in der griechischen Welt eine von der Polis als Institution nicht zu trennende Form der äußeren Zusammenarbeit. Der Begriff bezeichnet technisch jedes militärische Bündnis zwischen Poleis einerseits, zwischen Poleis und nichtgriechischen Königen oder Gemeinden andererseits, ungeachtet seines (nach modernen Kriterien) offensiven oder defensiven Charakters. Dass die Epimachie eine thukydideische Wortschöpfung und keinesfalls ein vertragstechnischer Begriff wie Symmachie ist, hat 1885 bereits P. Graetzel [3.6: De pactionum] herausgearbeitet. Doch konnte sich diese m. E. zutreffende Deutung bis jetzt nicht durchsetzen; die gegenteilige Auffassung ist weit verbreitet, wie zuletzt bei V. Alonso Troncoso [Pacto defensivo], P. J. Rhodes [DNP s. v. „Symmachie“, 1131f.] und jetzt A. Giovannini [3.1: Relations] ersichtlich ist. Rhodes repräsentiert mit seinem Artikel in „Der Neue Pauly“ die vorherrschende Meinung zur Symmachie, wonach dieses Bündnis „von zwei oder mehreren Staaten“ gebildet ist, zeitlich begrenzt oder auf die Ewigkeit, offensiv oder defensiv, gleichberechtigt oder hegemonial ausgerichtet sein kann. Ursprünglich nur ein Kampfbund, sei der Peloponnesische Bund das „erste Beispiel einer Vereinigung von Bündnern zu Zwecken der Außenpolitik“ gewesen. Folgerichtig müssen nach dieser Auffassung letztlich Koine Eirene und Amphiktyonie als ähnlich geartet angesehen werden, und so verwundert es nicht, dass „Der Neue Pauly“ auch ein eigenes Stichwort „Staatenbünde“ führt. Die Frage ist, wie man den Begriff Symmachie auf die griechischen „politischen“ (im Sinne von: Polis-) Verhältnisse anwenden will. Man ist geneigt, den Griechen im Unterschied zu den Römern einen recht unsystematischen, ja blauäugigen Umgang mit Rechtsfragen nachzusagen, und diese Auffassung hat sicher zu dem, wie mir scheint, recht beliebigen Umgang der modernen Forschung mit dem Begriff Symmachie beigetragen. Schließlich hat die in neuester Zeit insbesondere in der angelsächsischen Forschung feststellbare Konzentration auf personale Elemente in der Außenpolitik (s. Kap. 3.5) den Blick auf die Rechtsform Symmachie zusätzlich verdunkelt. Inwieweit die moderne „Ritualforschung“ zu eben jener Verdunkelung beitragen wird, bleibt abzuwarten. Rechtshistorische Studien bleiben hingegen gerade im Bereich der formalisierten Bündnisse unverzichtbar. Im Allgemeinen kann man mit den jetzt von K. Tausend vorgelegten Analysen von Bündnissen gut arbeiten, die allerdings manchmal unter ihrer fehlenden begrifflichen Präzision leiden. Sehr pragmatisch hat Tausend [4.2: Amphiktyonie, 64–256] die archaische Symmachie untersucht. Nach
4.3 Symmachie
133
seiner Auffassung gab es „reine Kampfbündnisse“ [die seinerzeit von H. Schaefer, Staatsform, 64–70, als „agonale“, für die Archaik konstitutive Bündnisse bezeichnet worden waren], aber auch „politische Bündnisse“ sowohl im Mutterland als auch im ionischen Kleinasien, wie auch L.I. Highby [Erythrae Decree, 59–65] und L.H. Jeffrey [Local Scripts, 45] angenommen hatten. Die Schwierigkeiten dieser Interpretation liegen in der begrifflichen Indifferenz. Zum einen waren nicht alle hier einbezogenen Bündnisse Symmachien, andererseits ist die Unterscheidung zwischen offensiven und defensiven, agonalen und politisch dauerhaften Bündnissen innerhalb der Symmachien zweifellos nicht den antiken Verhältnissen angemessen. Das Gros der Forschungen zur Symmachie selbst konzentrierte sich in der Regel auf Einzelbeispiele wie den Peloponnesischen oder den DelischAttischen Seebund; in dieser Beziehung hat sich etwa K. W. Welwei [Das Klassische Athen, 78f., u. Sparta] große Verdienste um die Freilegung der Bündnisstrukturen von Delisch-Attischem Seebund bzw. Peloponnesischem Bund erworben, wenngleich er mit sehr weitgehenden Vorstellungen von den Inhalten der „Freund-Feind-Klausel“ arbeitet; in eine ähnliche Richtung gehen auch die Analysen bei K. Meister [Interpretation I]. Allerdings verführt die Entwicklung gerade der athenischen Außenpolitik dazu, der Symmachie anachronistisch Elemente zuzusprechen, die sie erst durch ihre Umwandlung in eine Arche (a)rxh///arché, also eine Art „Reich“) erhielt. Meine Auffassung ist eine andere [1: E. Baltrusch, Symmachie und Spondai, 6]: Der Kern der zunächst obligatorischen Freund-Feind-Klausel in jedem Vertrag besteht in seinem Bezug auf einen ganz konkreten Kriegsfall, sie ist also mitnichten eine ubiquitär verwendbare Klausel gegen jeden Feind [s. auch V. Alonso Troncoso, L’institution]. Sichere Zeugnisse über die konkrete Beschaffenheit von Symmachien gibt es erst seit der Mitte des 6. Jahrhunderts. Ein besonderes Forscherinteresse hat in diesem Zusammenhang das in einer Inschrift aus Olympia überlieferte Bündnis zwischen den Poleis Elis und Heraia gefunden. In mancherlei Hinsicht weicht dieses Dokument von den klassischen Symmachieformularen ab. Es handelt sich dabei um einen formal auf der Basis der Gleichberechtigung abgeschlossenen, auf 100 Jahre befristeten Beistandspakt zwischen dem westpeloponnesischen Elis und dem westarkadischen Heraia mit Sanktionsklausel [1: H. Bengtson, Staatsverträge II, Nr. 110]. Die Datierung dieser zweifelsfreien Symmachie – der Begriff erscheint in der zweiten Zeile des Vertragstextes – ist allerdings umstritten; während H. Bengtson hierin ein Bündnis gegen das mit Elis um die Kontrolle Olympias rivalisierende Pisa um 570 herum sieht, vermutete L.H. Jeffrey [Local Scripts, 218–220, und 4.2: Archaic Greece, 170] wegen der Schriftform eher eine Zeit um 500, als Heraia im Krieg gegen Kleitor in Nordarkadien stand und Hilfe brauchte. K. Tausend 4.2: Amphiktyonie, 178f.] wiederum entscheidet sich nicht für ein konkretes Datum, hält aber eine innerpelopon-
Athen und Sparta als Paradigmata
Früheste Zeugnisse
134
Verhältnis der Verbündeten
4. Bünde
nesische Vereinbarung zur Stärkung gegenüber der Hegemonialmacht Sparta für denkbar. Es scheint jedenfalls, dass die Symmachie im frühen 6. Jahrhundert noch auf der Suche nach der festen Form des 5. und 4. Jahrhunderts war. Als weitere Bündnisse unter der Überschrift „Die Symmachie der Archaik“ zählt Tausend in geographischer (Ionien, Mutterland, das westgriechische Gebiet) bzw. quantitativer („die großen Bündnisse“) Gliederung bis zum Peloponnesischen Bund mögliche, aber unsichere Beispiele auf. Ein zentrales Forschungsfeld zur Symmachie stellt das Verhältnis der Verbündeten untereinander dar. Bereits vor einem halben Jahrhundert hat sich eine wichtige Arbeit von F. Gschnitzer [Abhängige Orte] über „Abhängige Orte im Griechischen Altertum“ auch mit definitorischen Problemen befasst. Aus dieser Arbeit wird ersichtlich, wie vielfältig die formale Ausgestaltung von Abhängigkeiten im archaischen und auch im klassischen Griechenland war. Ausgehend von den großen Bündnissystemen, insbesondere denjenigen Spartas und Athens, fällt immer wieder – zumeist ganz unreflektiert – der Begriff „Hegemonialsymmachien“. Darunter werden solche Bündnisse gefasst, bei denen die militärische und politische Führung (griech. h(gemoni/a/hegemonía) realiter in einer Hand gebündelt war – beim Peloponnesischen Bund hieß die Vormacht Sparta, beim Delisch-Attischen Seebund Athen. Wenn man allerdings die so genannten „Hegemonialsymmachien“ gleichsam zum Prägestempel des 5. Jahrhunderts erhebt, so verbiegt man sowohl dieses Jahrhundert in außenpolitischer Hinsicht als auch die vertragliche Form der Symmachie. Denn erstens lässt sich zum Begriff Hegemonialsymmachie keine noch so entfernte griechische Entsprechung finden; erkannte man auf Missbrauch, sprach man eher von „Herrschaft“ oder „Reich“ (a)rxh///arché), was eine Abkehr von der Symmachie impliziert; zweitens hängt der Begriff der Hegemonie nicht an machtpolitischen Erwägungen oder Zielen, sondern er ist fest verankert im interpolitischen Rechtsdenken: Der „Hauptkriegführende“ erhält gewohnheitsrechtlich die Führung (begrifflich mit „Hegemonie“ ausgedrückt) im Kriege, es sei denn, er tritt sie freiwillig ab. Dies ist jedenfalls die Deutung von V. Alonso Troncoso [L’institution, 345]: „L’hégémonie est une institution du droit international. Par conséquent, il ne s’agit pas d’une simple réalité de fait soumise à l’arbitraire, à la loi du plus fort. L’hégémonie ne fut pas seulement pour les Grecs une Machtfrage, ce fut également une Rechtsfrage“. Somit enthalten die Verträge selten ausdrückliche diesbezügliche Regelungen, da die Hegemonie je nach Struktur der Symmachie vergeben ist. Um die Frage der Hegemonie dreht sich eine recht disparate Forschungsdiskussion; wichtig zur Hegemonie „führender Staaten“ allgemein ist immer noch das große, epochenübergreifende Buch von H. Triepel [Hegemonie]. Dass die vertragliche Symmachie auch zu Machtbildungen benutzt werden konnte, steht außer Frage.
4.4 Der Peloponnesische Bund
135
4.4 Der Peloponnesische Bund Bei Sparta, auch heute noch ein unverwüstliches Forschungsfeld deutscher, angelsächsischer, italienischer, französischer, spanischer und osteuropäischer Historiker, gerät auch die Außenpolitik zunehmend in das Blickfeld moderner Forschungen, wie zuletzt die Monographien von K. W. Welwei [4.3: Sparta] und R. Kimmerle [Völkerrechtliche Beziehungen] beweisen. Das Interesse an Sparta erklärt sich in erster Linie aus seiner Bedeutung für die Polis-Geschichte als neben Athen wichtigster griechischer Stadt; es beruht aber auch auf der problematischen und daher intensiv diskutierten Quellenlage, unter deren nahezu unauflösbaren Verwicklungen die Erforschung des Bündnissystems ebenso zu leiden hat wie viele andere spartanische Themen. Der Beginn des Bündnisses auf der Peloponnes unter spartanischer Führung wird, neuerdings nicht ganz unumstritten, auf den Abschluss eines Vertrags Spartas mit der arkadischen Stadt Tegea in der Mitte des 6. Jahrhunderts gelegt [kritisch jetzt 4.3: K. W. Welwei, Sparta]. Diese Datierung kann als weitgehend akzeptiert angesehen werden. K. Tausend [4.2: Amphiktyonie, 167–180] hat demgegenüber zu Recht auf die Verbindung Spartas mit Elis schon um 570 hingewiesen, während G.L. Cawkwell [Sparta and her Allies] erst ab dem so genannten Ersten Peloponnesischen Krieg, also ab der Mitte des 5. Jahrhunderts, von einer festen Bundesstruktur ausgehen und deshalb auch den Vertrag Spartas mit Tegea in das 5. Jahrhundert rücken möchte. Zuletzt hat A. Luther [Könige und Ephoren] mit guten Gründen für eine fast vollständige Ausbildung der spartanischen Verfassung um ca. 550 plädiert; wenn dem so ist – und es besteht kein ernsthafter Grund für Zweifel an der historischen Überlieferung –, dann dürfte es kein Zufall sein, dass auf die endgültige Herausbildung der spartanischen Ordnung unmittelbar folgend – oder nur wenig später – das peloponnesische Bündnissystem Spartas ins Leben trat. Ein solcher Zusammenhang wäre noch deutlicher herzustellen, wenn die im „Enzyklopädischen Überblick“ gegebene Interpretation des Peloponnesischen Bundes richtig ist, nämlich dass dieser gegen die Heloten, d. h. die von den Spartiaten unterjochten Lakonier und Messenier, gerichtet war. Intensiv wird neuerdings auch die Entwicklung der ersten Einzelbündnisse zu einem Bündnissystem diskutiert, und zwar in Bezug sowohl auf die allgemeine außenpolitische Ausrichtung als auch auf die strukturelle und formale Seite. R. Schulz [Athen und Sparta, 67f.] meint, dass eine ursprünglich defensive Grundtendenz zu „offensiven Zielen“ umgestaltet wurde. Ähnlich hat bereits L. Thommen [Lakedaimonion Politeia, 55–74] gegen die traditionelle Lehre von G.E.M. De Ste. Croix [Origins] und bereits vor diesem von J.A.O. Larsen [Constitution] geltend gemacht, dass der Bund erst allmählich im 5. Jahrhundert feste Strukturen erhielt. R. Kimmerle [Völkerrechtliche Beziehungen] hält den Perserkrieg für die
Ursprung des Bündnisses
Entwicklung zum Bündnissystem
136
Mitglieder
Struktur
4. Bünde
entscheidende Zäsur. Diese Theorie haben J.E. Lendon [Thukydides, 155–177] und P. J. Rhodes [DNP s. v. „Peloponnesischer Bund“, 500–501] noch dahingehend erweitert, dass sie generell keinen hohen Grad an Organisation des Bundes annehmen. Allerdings besteht in der Forschung Einigkeit über die epochale Zäsur des Sieges über Athen im Peloponnesischen Krieg. Dass die neugewonnene Stellung in Griechenland verantwortlich gewesen sei für eine Intensivierung der spartanischen Außenpolitik über die Grenzen des Mutterlandes hinaus und auch für eine Verschärfung der Bündnispolitik, ist bereits den zeitgenössischen Quellen – insbesondere Xenophon – zu entnehmen und findet entsprechend in der Forschung breite Zustimmung [zum Charakter der spartanischen Außenpolitik seit dem Ende des 6. Jahrhunderts s. jetzt 2.1: E. Baltrusch, Polis und Gastfreundschaft]. Weitgehend Konsens besteht in der Forschung auch über die Mitgliederstruktur des Peloponnesischen Bundes. Grundlegend zu dessen historischer Entwicklung ist immer noch K. Wickert [Der peloponnesische Bund]. Lediglich in einem allerdings zentralen Punkt gibt es unterschiedliche Auffassungen: In welchem Umfang hat das Athen der postpeisistratidischen Ära vertragliche Beziehungen zu Sparta unterhalten und wurde also Bündner? Die allgemeine Tendenz geht seit U. von Wilamowitz und Ed. Meyer eher zur Nichtmitgliedschaft Athens, doch stehen dem andere Auffassungen bedeutender Gelehrter wie K. J. Beloch [Griechische Geschichte I 1, 394, Anm. 3] und V. Ehrenberg [RE s. v. „Sparta“, 1384] gegenüber. Zuletzt ist wieder E. Baltrusch [1: Symmachie und Spondai u. Mythos, 19] für die Mitgliedschaft eingetreten. Die Struktur oder, wie man früher zu formulieren pflegte: die Verfassung des Bundes ist in der modernen Forschung Gegenstand intensiver Diskussionen, die sich in drei Richtungen bewegen, nämlich 1. in eine homogenisierende Richtung. Diese geht von einem regelrechten Bündnissystem aus, das maßgeblichen Einfluss auf die Außenpolitik Spartas genommen habe – so zuerst J.A.O. Larsen [Sparta and the Ionian Revolt], dem dann auch F. Hampl [3.9.1: Staatsverträge, 66–85 und 117ff.] folgte; 2. in eine funktionalistische Richtung. Diese geht eher von einem zweiseitigen, relativ losen, allein auf die Bedürfnisse Spartas zugeschnittenen Bündnissystem aus, das freilich den Verbündeten ein gehöriges Maß an Autonomie zubilligte. Die Urheberschaft für diese Deutung muss man wohl auf U. Kahrstedt [Griechisches Staatsrecht, 81f.] zurückführen. Sie ist auch die heute weitgehend vorherrschende, so etwa bei J.E. Lendon [Thukydides, 159–177] und K. W. Welwei [Die griechische Polis, 130–137, u. 4.3: Sparta, 102–106]. Noch etwas weiter geht P. Cartledge [Origins, 223–230], der eine in die Verträge integrierte Autonomieklausel vermutet; 3. schließlich in eine prozessuale Richtung eines sich allmählich erst entwickelnden Organisationsgrades des Bündnissystems, welches sich an
4.5 Der Hellenenbund zur Abwehr der Perser von 481 v.Chr.
137
erweiterten Handlungsspielräumen und zunehmenden Führungsaufgaben im Laufe des 5. Jahrhunderts v.Chr. zu orientieren hatte. Diese Theorie wurde von G.L. Cawkwell [Sparta and her Allies] und L. Thommen [Lakedaimonion politeia, 55–74, u. Sparta, 51–58] vertreten und findet immer mehr Anhänger. Vieles hängt für die Deutung des Peloponnesischen Bündnissystems von der Datierung des einzigen inschriftlich erhaltenen peloponnesischen Bündnisvertrags ab, den W. Peek 1974 vor Ort auf der spartanischen Akropolis in einem allerdings sehr fragmentarischen Zustand gefunden hat. Er wurde geschlossen zwischen Sparta und den nach wie vor nicht identifizierten Erxadieis-Aitolern. Die Datierungen in der modernen Forschung schwanken zwischen 500 und 384 v.Chr. Epigraphische, historische und juristische Argumente wurden jeweils für die unterschiedlichen Ansätze herangezogen, s. dazu E. Baltrusch [1: Symmachie und Spondai, 21–25] mit Text, Übersetzung und Kommentar – und einem späten Datierungsansatz. In der Frage der Zielsetzung des spartanischen Bündnissystems gehen die Forschungsmeinungen z. T. recht weit auseinander, und allein diese Tatsache an sich zeigt, wie lose das Bündnis gefügt war. Ein Teil der Forschung geht davon aus, dass Sparta nach den Messenischen Kriegen „landgesättigt“ war und nun daran ging, außenpolitisch andere, zunächst nachbarliche Gemeinden in seine Abhängigkeit zu bringen: so argumentiert etwa M. Dreher [Athen und Sparta, 48]. Demgegenüber ist G.L. Cawkwell [Sparta and her Allies, 368, 372] der Ansicht, dass es Sparta zunächst darum gegangen sei, Epimachien abzuschließen (die es freilich als eigene Vertragskategorie nicht gab, s. Kap. 4.3). Eine weitere Forschungsrichtung sieht die Gründung des Peloponnesischen Bundes in engem Zusammenhang mit Spartas innerer Politik, nämlich zur Absicherung gegen Helotenaufstände: diese Position wurde von E. Baltrusch [1: Symmachie und Spondai u. Mythos] und auch von R. Schulz [Athen und Sparta, 68] vertreten. Hier spielt allerdings wieder die Unsicherheit über die innere Struktur der lakedaimonischen Gesellschaft herein, insbesondere die Diskussion über die Helotenfrage: Gab es eine konkrete Helotenfurcht oder nicht? In Teil I wurde diese Frage bejaht, doch gibt es auch starke Vorbehalte gegen diese Position.
Ziel des Bündnissystems
4.5 Der Hellenenbund zur Abwehr der Perser von 481 v.Chr. Der Hellenenbund gegen die persische Bedrohung Griechenlands unter dem Großkönig Xerxes repräsentiert gewissermaßen die Einigung Griechenlands im Angesicht einer drohenden Gefahr – so jedenfalls eine einmal weit verbreitete Vorstellung. Diese fügte sich ein in die traditionelle Dichotomie eines (angeblichen?) Kampfes zwischen Ost und West, Morgenland und Abendland, Asien und Europa, in dem 480 bei Salamis ein für allemal die Überlegenheit Europas über das orientalische, despotische, verweich-
Ost gegen West?
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Mitglieder
4. Bünde
lichte Asien erwiesen worden sei. In den Perserkriegen sah man also die Auseinandersetzung schlechthin, deren Ausgang die weitere europäische Geschichte entscheidend bestimmt habe. Dezidierte Stellungnahmen in diesem Sinne zur epochalen Bedeutung der Perserkriege finden sich in auch heute noch maßgeblichen Handbüchern wie der „Griechischen Geschichte“ von H. Bengtson [Griechische Geschichte]. Allerdings steht diese Auffassung inzwischen zur Disposition. Sie ist bereits in wesentlichen Teilen modifiziert worden; A. Demandt [1: Antike Staatsformen] und J. Wiesehöfer [1: Das antike Persien] sehen etwa die Auswirkungen einer möglichen persischen Herrschaft über Griechenland erheblich nüchterner. Die neuere Forschung hat sich denn auch mehr oder weniger mit den traditionellen Aspekten des Vertrags zum Hellenenbund, der ja die antipersischen Griechenstädte und -gemeinden verband, beschäftigt, ohne allerdings – dies ist gewiss auch der fragmentarischen, weitgehend von Herodot allein abhängigen Überlieferung geschuldet – allzu sehr an ihm interessiert zu sein. In den Forschungen zu Athen fand er selten, zu Sparta gelegentlich Beachtung, zuletzt von K. W. Welwei [4.3: Sparta: 133f. und 161–164]. Das Interesse der Sparta-Forschung an dem Vertrag erklärt sich aus der spartanischen Dominanz in diesem Bündnis. Sein Verhältnis zu den großen Bündnissystemen, also zum Peloponnesischen Bund und zum Delisch-Attischen Seebund, zu bestimmen, stellt eines der größten Forschungsprobleme dar, da es inhaltliche und Mitglieder-Überschneidungen der drei Bündnisse gibt. Die Mitgliederstruktur des Hellenenbundes ist insbesondere Gegenstand moderner Forschungen gewesen, wobei zunächst die Quellen kritisch geordnet werden mussten. K. W. Welwei [4.3: Das Klassische Athen, 55f.] vermutet z. B., dass einige Städte auch wegen spartanischen Drucks nicht auf der Bündnerliste auftauchen. Die Schlangensäule – jenes Verzeichnis der angeblichen Mitglieder des Hellenenbundes [heute in Istanbul, s. 1: Bengtson, Staatsverträge II, Nr. 130] – ist als Quelle dafür in hohem Maße unzuverlässig, da sie post eventum erstellt wurde [3.1: G. Walser, Hellas und Iran, 47]. So bleibt uns kaum etwas anderes übrig, als dass wir uns auf Herodots Darstellung der Ereignisse in Buch 7 verlassen. Eine eingehende Interpretation aller einschlägigen Quellen hat K. Meister [4.3: Interpretation I, 119–127] vorgenommen. Was die Mitgliederstruktur angeht, so lassen sich in der Forschung zwei Richtungen ausmachen: Die eine plädiert für den Peloponnesischen Bund als Grundbestand des Hellenenbundes [neben der älteren Forschung wie 4.4: K. J. Beloch, Griechische Geschichte I 1 u. V. Ehrenberg, RE s. v. „Sparta“, jetzt wieder 1: E. Balt rusch, Symmachie und Spondai; übrigens nennt auch Herodot das Bündnis gelegentlich „die Spartaner und ihre Bundesgenossen“: 7,157,1; 8,142,4], die andere votiert explizit dagegen [so etwa 4.4: K. Wickert, Der peloponnesische Bund, 36ff.; 4.4: M. Dreher, Athen und Sparta, 76; 4.4: L. Thommen, Lakedaimonion politeia, 102; D. Kienast, Hellenenbund].
4.5 Der Hellenenbund zur Abwehr der Perser von 481 v.Chr.
139
Dreh- und Angelpunkt der Diskussionen scheint die Frage der Zugehörigkeit Athens zum Peloponnesischen Bund zu sein, die in Teil I positiv beantwortet wurde. Eine Rekonstruktion des Vertrags mit seinen wesentlichen Inhalten haben jetzt E. Baltrusch [1: Symmachie und Spondai, 30–51] und D. Kie nast [Hellenenbund] mit unterschiedlicher Akzentuierung unternommen. Über das Formular lässt sich vordergründig wenig Konkretes sagen, da sich insbesondere Herodot nicht sonderlich dafür interessierte; deshalb sind notwendigerweise auch die Forschungsbeiträge zumeist unspezifisch, sehr allgemein gehalten und bisweilen spekulativ. Vieles am Hellenenbund ist dunkel: Wir können nicht einmal mit Gewissheit sagen, ob die Eidesleistung auf der Freund-Feind-Klausel basierte, ja schon der Titel des Bündnisses schwankt in den Quellen zwischen „Eidgenossenschaft“ (sunwmo/tai/synomótai), Symmachie, Waffenbrüderschaft (o(maixmi/a/homaichmía), von „Zusammenkunft“ (su/nodov/sýnodos) oder einfach „die Hellenen“ bzw. die „besser denkenden Hellenen“ (so mehrfach bei Hdt., 7,138,1; 7,145,1; 7,172,1). Für D. Kienast [Hellenenbund, 49] geht aus der eigenen Bundesbezeichnung „die Hellenen“ der panhellenische Charakter hervor; er schließt dieses aus den Symmachien des 4. und 3. Jahrhunderts, die sich auf den Hellenenbund von 481 beriefen. Die Freund-Feind-Klausel ist allerdings sehr wahrscheinlich. Die moderne Forschung hat darüber hinaus auf der Basis auch eines antiken Autors (Theopomp) einen in drei Rezensionen überlieferten „Eid von Plataiai“ zwar mehrheitlich für apokryph erklärt, doch hat P. Siewert [Eid von Plataiai] einen gut begründeten Versuch einer Verteidigung der Historizität unternommen [von D. Kienast, Hellenenbund, 51, Anm. 51, zu Unrecht als „gescheitert“ bezeichnet]. Die Erforschung der inhaltlichen Elemente des Hellenenbundes mit quellenexegetischen Methoden allein ist an ihre Grenze gestoßen; sie kann nur Fortschritte erbringen, wenn das Bündnis und seine Beeidung in einen größeren völkerrechtlichen und religiösen Zusammenhang gestellt werden; ob der Versuch, neue kulturwissenschaftliche Methoden auf die zwischenstaatlichen Beziehungen im klassischen Griechenland anzuwenden, erfolgversprechend ist, muss sich noch erweisen. Es ist sicher, dass Sparta nach der Schlacht von Plataiai das Kriegsziel als erreicht ansah, nämlich die Vertreibung der Perser aus dem Mutterland. Den Widerpart bildeten zuvörderst die ionischen Griechen Asiens, deren Befreiung noch ausstand, dann auch – als deren Sachwalter – die Seemacht Athen [dazu H.D. Meyer, Vorgeschichte, 405–46; B.D. Meritt/H.T. Wade Gery/M.F. McGregor, Athenian Tribute Lists III, 187]. Insgesamt umstritten ist in der Forschung die Gültigkeitsdauer des Bündnisses, das allerdings die Mehrheit der Wissenschaftler durchaus als über das Ende der Perserkriege hinaus bestehend ansieht [s. etwa D. Kienast, Hellenenbund, 64: „Trotz der Gründung des attischen Seebundes bestand das Bündnis der
Vertrag
Titel
Gültigkeitsdauer
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Fazit
4. Bünde
Athener mit den Spartanern weiter bis zum Jahr 462“]. Nach dem üblichen symmachialen Prozedere und der expliziten Neugründung eines antipersischen Bündnissystems mit dem Delisch-Attischen Seebund im Jahre 478 ist das jedoch nicht sehr wahrscheinlich. Insgesamt kann die Forschung der letzten Jahrzehnte also auf durchaus beachtliche Erkenntnisgewinne zurückblicken. Wir wissen jetzt erheblich mehr über die zugrundeliegenden Verträge, ihre Gestalt und ihre Umsetzung in die politische und militärische Praxis. Viele Fragen bleiben indes: Wir sehen zwar die weittragenden Konsequenzen der Perserkriege für die folgende Zeit sowohl in den einzelnen Poleis als auch den athenisch-spartanischen Dualismus betreffend. Doch fehlen Untersuchungen darüber, in welcher Form der Einfluss des Hellenenbundes nicht nur ein panhellenisches Bewusstsein [das wurde von D. Kienast, Hellenenbund, betont], sondern überhaupt eine Intensivierung der zwischenstaatlichen Beziehungen im griechischen Raum mit sich gebracht haben könnte. Das 19. Jahrhundert, verfangen im programmatischen Nationalstaatsgedanken, konnte den Griechen der Postperserkriegszeit den Vorwurf machen, eine Chance zur Einheit verpasst zu haben. Daran anschließend, aber unter veränderten Perspektiven, wäre die Wirkung des Hellenenbundes auf die zwischenstaatliche Entwicklung bis zum Peloponnesischen Krieg mit der sich allmählich herausbildenden Dialektik von Autonomie und Panhellenismus (z. B. in den Komödien des Aristophanes, besonders dem „Frieden“, 1. Szene) zu untersuchen. Anders: Warum gab es im Jahre 478 noch keinen politischen Impetus für eine Koine Eirene mit den Schwerpunkten Polis-Autonomie und Friedensgedanke wie nach 404? Oder: Warum nutzten die griechischen Poleis nicht die Gelegenheit einer verstärkten übergreifenden Zusammenarbeit, ohne dass gleich von „Einigung“ zu sprechen wäre? Oder liegt in dem Ausbleiben einer solchen, Autonomie, Einheit und Frieden betonenden Entwicklung nicht ein glänzender Beweis für die Richtigkeit des thukydideischen Diktums, der Peloponnesische Krieg sei der größte aller Kriege gewesen, nicht der Perserkrieg, welcher doch das Bewusstsein der folgenden Generationen maßgeblich geprägt hat? Über völkerrechtliche Paradigmenwechsel im 5. Jahrhundert jedenfalls wäre noch zu forschen, wobei man als Ausgangspunkt auf die Untersuchungen zur Freiheit von K. Raaflaub [3.2: Entdeckung der Freiheit] zurückgreifen kann. Dreh- und Angelpunkt müsste jedoch die Autonomie sein. Dieser Begriff ist in seiner inhaltlichen Unbestimmtheit bereits erfasst, nicht aber in seiner sich herausbildenden dominierenden Stellung im politischen Diskurs [für die spätere Zeit P.J. Rhodes, Sparta, Thebes, mit der Auffassung einer auch in Griechenland sehr differenzierten Sicht der Autonomie]. So ließen sich an die Autonomie-Idee weitere mentalitätsgeschichtliche und interpolitische Studien für das 5. Jahrhundert anschließen.
4.6 Die athenischen Seebünde 478 404 v.Chr und 377 336 v.Chr.
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4.6 Die athenischen Seebünde 478–404 v.Chr und 377–336 v.Chr. Seine immense politische Bedeutung, seine inhaltliche Innovation und seine dauerhafte völkerrechtliche Wirkung haben dem athenischen Bündnissystem zu Recht große – vielleicht überhaupt die größte – Aufmerksamkeit der modernen Forschung über außenpolitische Formen der griechischen Welt zuteil werden lassen. Dabei kamen die Entstehung und die Entwicklung ebenso zur Sprache wie die juristische Ausbildung des Bundes. Um dies zu untersuchen, steht eine beachtliche Quellengrundlage zur Verfügung. Denn nicht nur behandeln Thukydides und andere literarische Quellen dieses Bündnis, sondern es sind Inschriften aus Athen und dem Bundesgebiet erhalten geblieben, die uns über Mitgliederstruktur, Tributhöhe, die Behandlung der Verbündeten durch die Vormacht oder die Verfahrensweisen bei der Eintreibung der finanziellen Leistungen Auskunft geben [diese Texte zum Seebund sind mit Kommentaren und einer umfassenden historischen Analyse von 4.5: B.D. Meritt/H.T. Wade Gery/M.F. McGregor, Athenian Tribute Lists, in 4 Bänden herausgegeben worden; kritisch W. Gawantka, Seebundschatzung, 43–80]. Einigkeit über das Bündnissystem ist dabei freilich nicht in allen Punkten erzielt worden. Das Verhältnis zwischen Hellenenbund und Delisch-Attischem Seebund darf allerdings inzwischen als geklärt angesehen werden. Die These von H.D. Meyer [4.5: Vorgeschichte, 429ff.] und insbesondere von A. Giovan nini/G. Gottlieb [Thukydides, 45: „Der delisch-attische Seebund ist der Hellenenbund selbst“], es habe lediglich ein Hegemoniewechsel stattgefunden, konnte sich nicht durchsetzen. Allerdings wurde und wird der Unterschied zwischen beiden Bündnissen oft immer noch verwischt: so sprachen bereits G. Busolt/H. Swoboda [4.2: Griechische Staatskunde II, 1337f.] von einem „Sonderbund“ und dem Fortbestehen der Eidgenossenschaft, und K. Meister [4.3: Interpretation I, 138] ist ihnen darin gefolgt. B.D. Meritt/H.T. Wade Gery/M.F. McGregor [4.5: Athenian Tribute Lists III, 192 u. 231] sprechen von einer Übertragung des „naval arm of the Hellenic league into the Confederacy of Delos“, während A. Powell [Athens and Sparta, 1f.] meint, das „command of the naval war against Persia was formally given to Athens”; D. Kagan [Outbreak, 41] definierte schließlich das Verhältnis von Hellenenbund zum Seebund wie das von UNO zur NATO. Eher freilich sollte man den Seebund als ein in allen Teilen unabhängiges Bündnis verstehen, das natürlich, das steht außer Frage, ohne den Hellenenbund und den Sieg über das persische Reich nicht denkbar gewesen wäre. Konsens besteht ferner darin, dass der Seebund die Grundlage für ein „athenisches Reich“ bildete, was auch durch wichtige Buchtitel zum Ausdruck gebracht wurde: u. a. A. Ferrabino [L’impero], R. Meiggs [Athenian Empire], M.F. McGregor [Athenians], P.J. Rhodes [Athenian Empire], H. B. Mattingly [Athenian Empire]. Grundlegend für die Strukturen
Quellen
Hellenenbund und Delisch attischer Seebund
Athenisches „Reich“
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Ökonomische Perspektive
Völkerrecht
4. Bünde
dieser Herrschaft ist nach wie vor die Untersuchung von W. Schuller [Herrschaft], weil sie nicht nur gründlich die direkten und indirekten Herrschaftsmittel der Athener analysiert, sondern in begrifflicher Differenzierung den Charakter dieser Herrschaft herausarbeitet. Die von V. Ehren berg [Staat, 137–139] gefundene Vokabel von der „Hegemonial-Symmachie“ ist von Schuller [Herrschaft] zu Recht als unzureichend erkannt worden (dazu und zum Begriff der Hegemonie s. Kap. 4.3). Auf der vergleichsweise reichen inschriftlichen Grundlage konnte nicht nur die ganze Spannbreite athenischer Herrschaftsformen herausgearbeitet werden, sondern es boten sich weitere Perspektiven zur Untersuchung interpolitischer Beziehungen. Die Amtsebene in den verbündeten Poleis, wie sie in den Inschriften angesprochen wird, wurde von H. Leppin [Archontes] einer erneuten Überprüfung unterzogen. Die wirtschaftliche und soziale Dimension der athenischen Bundespolitik ist insbesondere von W. Schmitz [Wirtschaftliche Prosperität] bearbeitet worden. Eine gleichfalls wirtschaftliche Erklärung für die Tribute und darüber hinaus das MegaraPsephisma, das den Peloponnesischen Krieg (mit) auslöste, bieten zwei anregende Untersuchungen von C. Pébarthe [Thasos u. Fiscalité]. Die in den Komödien des Aristophanes verarbeiteten wirtschaftlichen Angaben zum Seebund hat jetzt J. Spielvogel [Wirtschaft, vor allem 105–117] untersucht. Das große Forscherinteresse liegt insbesondere in der – zumindest für die griechische Welt – Neuartigkeit von regelmäßigen, schriftlich fixierten und darum kontrollierbaren Tributen innerhalb einer Symmachie begründet. Ausführlich zum Delisch-Attischen Seebund äußern sich, ohne allerdings neue Erkenntnisse zutage fördern zu wollen, R. Schulz [4.4: Athen und Sparta], C. Schubert [Athen und Sparta] und A. Powell [Athens and Sparta]. Die (völker-)rechtliche Diskussion über den Seebund steht erst am Anfang – sei es, weil die Quellen schwierig zu handhaben sind, sei es, weil die auf Thukydides fußende historische Entwicklung der Bundesbeziehungen große Probleme der Rekonstruktion aufwirft [sehr skeptisch, was Thukydides angeht, ist besonders E. Badian, From Plataea], sei es, weil man den Griechen juristische Stringenz kaum zutraut, sei es vielleicht auch aus Furcht vor Modernismen, die sich beim Begriff „Völkerrecht“ unwillkürlich einschleichen. Einen Versuch völkerrechtlicher Einordnung hat E. Balt rusch [1: Symmachie und Spondai, 52–64] unternommen. Hierher gehört auch die Frage, ob der Seebund ein „Staatenbund“ [so 4.2: G. Busolt/H. Swoboda, Griechische Staatskunde II, 1337f.], ein auf zweiseitigen Einzelverträgen beruhendes und mit dem Peloponnesischen Bund vergleichbares Bündnissystem [so W. Schuller, Herrschaft, 5; 1: C. Meier, Athen; und 4.4: R. Schulz, Athen und Sparta] oder ein Bündnis zwischen Athen auf der einen, den Symmachoi auf der anderen Seite [so 4.3: K. W. Welwei, Das Klassische Athen, 77ff., und 4.4: M. Dreher, Athen und Sparta, 87] gewesen ist. In Nachschlagewerken wie „Der Neue Pauly“ [dort von P.J.
4.6 Die athenischen Seebünde 478 404 v.Chr und 377 336 v.Chr.
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Rhodes s. v. „Attisch-Delischer Seebund“, 251f.] bleibt diese Frage bisweilen offen. Der Vertragsinhalt ist, auch wenn er nicht wörtlich erhalten geblieben ist, einfach zu bestimmen, das tatsächliche Bündnisziel dagegen schon schwerer. Gemäß der bekannten Struktur von Symmachieverträgen enthielt der Vertrag wohl kaum mehr als die sehr allgemein gehaltene Festlegung, „dass die Athener dieselben Freunde und Feinde wie die Ioner haben“ (FreundFeind-Klausel nach Aristoteles, Staat der Athener 23). Darunter wurde in der Forschung sehr viel verstanden, doch darf man auf keinen Fall den konkreten Bezug zu den Persern außer Acht lassen. Für K. Raaflaub [Beute] bildeten „Beute, Vergeltung, Freiheit“ (so ein programmatischer Aufsatztitel) das Bündnisziel, doch kennen wir zu wenig vom athenischen Kriegsdiskurs des Jahres 478. Die Ioner wollten die Befreiung und Sicherheit vor persischen Übergriffen, die Athener Vergeltung für erlittenen Schaden und darüber hinaus eine Verstärkung ihrer Machtstellung, und alle zusammen hofften womöglich, sich an persischem Reichtum schadlos halten zu können. Ein „gerechter Krieg“(po/lemov di/kaiov/pólemos díkaios) – ein solches Prinzip gab es, auch ohne theoretische Ausformulierung, durchaus in der griechischen Welt – war nach Auffassung der hellenischen Öffentlichkeit wegen des persischen Überfalls ohnehin gegeben. Ob dann die Vergeltung nur „Vorwand“ [so 4.3: K. Meister, Interpretation I, 139] oder wirkliches Ziel [so K. Raaflaub, Beute] war, ist eine Scheindebatte. Insofern ist die Kriegszieldiskussion mentalitätsgeschichtlich von großer, rechtsgeschichtlich von geringer Relevanz – dazu sind besonders die Aufsätze von K. E. Petzold [Gründung] instruktiv. Insgesamt berücksichtigen die modernen Diskussionen über die Frage, ob das Bündnis nun stärker offensiv oder defensiv ausgerichtet war, zu wenig die griechische Vertragskultur; die Klauseln ermöglichten jedenfalls beide Optionen. In der angelsächsischen Forschung ist darüber hinaus – insbesondere seit einer grundlegenden Arbeit von G.E.M. De Ste. Croix [Character] – die Tendenz festzustellen, die athenische Herrschaft über die nicht mehr ganz autonomen Verbündeten von Begriffen wie „Tyrannis“, „Unterdrückung“ oder „Ausbeutung“ zu entlasten. Zu offensichtlich auf eine Entlastung der athenischen Vereinheitlichung des Bundesgebiets, welche den Verbündeten wirtschaftliche und politische Sicherheit gebracht habe, zielt die Arbeit von C. Ehrhardt [Sea Power]. Der Bezug auf die Perser als konkreter Hintergrund des gesamten Bündnisses sollte jedenfalls trotz der scheinbar so weit gefassten Freund-Feind-Klausel nicht bezweifelt werden; solange der Krieg notwendig war, musste auch das Bündnis Bestand haben. Angesichts dieser Struktur und Zielsetzung des Bündnisses brachte der Wegfall der Perserbedrohung Athen in den auf 477 folgenden Jahrzehnten denn auch in arge Legitimationsnöte. Allein die Aufrechterhaltung der Fiktion, dass die Perser noch nicht besiegt seien, sollte deshalb die Ungeschichtlichkeit des Kallias-Friedens von 449, also des von späteren Quellen,
Bündnisziel
Offensive oder Defensive?
Legitimation
144
2. Attischer Seebund
4. Bünde
aber gerade nicht von Thukydides behaupteten vertraglichen Ausgleichs zwischen Athen und den Persern zur Gewissheit machen. Die groß angelegte Verteidigung des Kallias-Friedens durch E. Badian [From Plataea, 1ff.] ist daher hinfällig; sie läuft nicht nur wegen einer durch nichts begründeten Erneuerungstheorie, sondern auch wegen ihrer unhaltbaren und unbewiesenen Thukydides-Kritik ins Leere. Nach wie vor ist daher in dieser Frage der Argumentation von K. Meister [Ungeschichtlichkeit, und 4.3: Interpretation I, 152–164] zu folgen. Aus der unterschiedlichen Auslegung der persischen Bedrohung durch die Verbündeten und Athen ergaben sich folgerichtig die bereits früh einsetzenden Revolten, deren erste diejenige von Naxos etwa 470 v.Chr. war. Thukydides kommentierte Athens Reaktion auf den Austritt aus dem Bündnis mit „Versklavung wider das Herkommen“ (para\ to\ kaqesthko\v e)doulw/qh/parà tò kathestekòs edoulóthe: 1,98). Die Mehrzahl der Forscher hat diese Wendung materiell gedeutet, also darunter Entwaffnung, Schleifung der Mauern, Erhöhung der Tribute gefasst; doch eine ansprechendere Erklärung bietet die Arbeit von W. Schuller [Herrschaft], der darunter die Leistung von Treueiden verstand, was ja in der Tat Vorbild für den Umgang Athens mit unwilligen Bündnern wurde. Die politische Entwicklung wie die Verlegung der Bundeskasse von Delos nach Athen, die Finanzverwaltung, die zunehmende athenische Durchdringung des Bundesgebiets durch Dekrete rechtlicher, politischer und finanzieller Natur sind vielfach behandelt worden; eine zusammenfassende Darstellung bietet jetzt R. Schulz [4.4: Athen und Sparta]. Für den Zweiten Attischen Seebund ab 378/77 grundlegend in wichtigen Aspekten ist jetzt M. Dreher [Hegemon], ebenso zu dessen Mitgliedern [Poleis, insbesondere 189–192]. Die Erforschung dieses Bündnisses begann im Grunde erst mit G. Busolts Monographie von 1873/75 [Der zweite athenische Bund]. Grundlegend für jede wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Zweiten Attischen Seebund ist nach wie vor L. Accame [Lega]. Die Ansichten der Wissenschaftler tendieren von Busolt bis Cawkwell (in mehreren Arbeiten) dahin, auch für das zweite Bündnissystem eine Entwicklung von der Symmachie zur Arche anzunehmen, der sich die Verbündeten in dem großen „Bundesgenossenkrieg“ von 357–355 v.Chr. zu entziehen versucht hätten. Eine Änderung dieser Auffassung zu bewirken war das Ziel einer Untersuchung von J. Cargill [Second Athenian League], welche den programmatischen Untertitel „Empire or free alliance?“ trug. Auf festeren Füßen steht allerdings die Habilitationsschrift von M. Dreher [Hegemon], die differenzierter und auf der Grundlage einer intensiven Neubetrachtung wichtiger, zumeist inschriftlicher Quellen in einigen Fragen neue Erkenntnisse gebracht hat und auch um eine historische Gesamtwürdigung des Bundes bemüht ist. In der Frage, ob eine Entwicklung von der Symmachie zur Arche vorliegt, nimmt Dreher eine vermittelnde Position ein. Nach seiner Auffassung habe es trotz der Ausbildung konkreter Herrschaftsmittel keine Gefährdung der Institution
4.7 Die griechischen Bundesstaaten des 4. und 3. Jahrhunderts v.Chr.
145
Polis durch Athen gegeben. Für eine historische Einordnung des Zweiten Attischen Seebundes wäre die umfassende Erforschung der athenischen Außenpolitik auf ihre Ziele hin und im Zusammenspiel mit der inneren Entwicklung im 4. Jahrhundert notwendig, was nach der großen Arbeit von P. Cloché [Politique étrangère] heute ein Desiderat darstellt. Ein erster systematisierender Versuch liegt jetzt von P. Harding [Athenian Foreign Policy] vor. 4.7 Die griechischen Bundesstaaten des 4. und 3. Jahrhunderts v.Chr. Lange Zeit galt in der modernen Literatur das 4. Jahrhundert als dunkel, instabil und mit Kriegen übersät. Von einem Jahrhundert des Niedergangs in politischer und kultureller Hinsicht war die Rede, von der Schwächung der Poliswelt, die demzufolge eine leichte Beute für den Makedonenkönig Philipp II. geworden sei – wie H. Bengtson [4.5: Griechische Geschichte, 253] sahen es viele Forscher. Dagegen argumentieren heute immer mehr Gelehrte: J.K. Davies [Fourth Century] oder W. Eder [(Hrsg.), Athenische Demokratie] seien pars pro toto genannt. Überhaupt neigt man heute zur Vorsicht bei der Etikettierung historischer Epochen mit dem Attribut „Niedergang“; man spricht jetzt eher von „Transformationsprozessen“. Das gilt auch für die Außenpolitik. Heute, in einer Zeit, da Vielfalt und Offenheit gegenüber einer „law and order“-Mentalität stärker gewichtet werden als vor 100 Jahren, neigt man auch in der Forschung eher dazu, das Innovationspotenzial des Jahrhunderts zu betonen, wie es etwa K. Piepenbrink [Politische Ordnungskonzeptionen] in Bezug auf die außenpolitische Grundhaltung der attischen Rhetoren tut. In den Bereich der Innovationsfähigkeit des 4. Jahrhunderts könnte man durchaus auch die modern so genannten Bundesstaaten einfügen. Diese waren außenpolitisch ein Charakteristikum des 4. Jahrhunderts und hatten in der Neuzeit als politisches Konstrukt eine stärkere Vorbildwirkung als andere Bündniskonzepte; damit hat sich besonders G.A. Lehmann [Bundesstaatliche Ordnung u. Rezeption] beschäftigt. Auch in der modernen Geschichtswissenschaft wurden bisweilen die griechischen Bundesstaaten als Höhepunkte griechischer Erfindungskunst und Errungenschaften der Politik gepriesen; als Beispiel für diese wertende Haltung sei auf V. Ehren berg [4.6: Staat, 37f.] verwiesen. Mit der Begrifflichkeit im Zusammenhang mit diesen Bundesstaaten haben sich etwa T. Corsten [Vom Stamm] und J. Rzepka [Ethnos] auseinandergesetzt, während H. Beck [Polis und Koinon, 257–259] eine Übersicht über die Bünde – die vor allem in begrifflicher Hinsicht noch zu schärfen wäre – in tabellarischer Form bietet. Auf die fehlende Systematik (insbesondere beim Begriff der Sympolitie) weist zu Recht H.H. Schmitt [3.6: Überlegungen] hin. Dass die autonome Polisexistenz in den Bundesstaaten gesichert war, ist die Auffassung des „Copenhagen Polis Centre“ [T.
Das 4. Jahrhundert
Begriff der „Bundesstaaten“
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Schiedsgericht
Verhältnis Polis Bund
4. Bünde
Heine Nielsen (Hrsg.), Yet more studies, insbesondere in den Beiträgen von M.H. Hansen]. Die außenpolitischen Kompetenzen insbesondere des Aitolischen und Achaiischen Bundes sind aufgelistet bei P. Klose [Völkerrechtliche Ordnung, 93–112]. Hervorzuheben ist ferner, dass das griechische schiedsgerichtliche Verfahren häufig zur Lösung von Streitigkeiten innerhalb der Bundesstaaten angewandt wurde, ohne dass es freilich möglich ist, präzise Kriterien für Einsetzung und juristische Grundlagen solcher Verfahren herauszuarbeiten [3.6: A. Magnetto, Gli arbitrati, XXIII und Nr. 15 und 63 zum Boiotischen Bund, XXIII und S. 339–348 zum Schiedsverfahren des Aitolischen Bundes zwischen Melitea und Perea im Jahre 213/2 v.Chr.]. Für den Achaiischen Bund liegt jetzt die Dissertation von K. Harter Uibopuu [3.7: Zwischenstaatliches Schiedsverfahren] vor, die insgesamt 13 Fälle zwischen 280 und 146 v.Chr., bei denen Schiedsverfahren epigraphisch nachgewiesen werden können, minutiös untersucht hat. Das Ergebnis ist nicht überraschend: Die Bundesstaaten waren interessiert an der inneren Ruhe und übernahmen deshalb häufig die Institution schiedsrichterlicher Verfahren. Die Forschungsliteratur zu dieser Einrichtung allgemein und zu einzelnen Bundesstaaten ist umfänglich und zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. Prägnante Kurzdarstellungen speziell zu den Achaiern und den Aitolern liefern die Beiträge in „Der Neue Pauly“ von Y. Lafond und D. Strauch, ferner A. Demandt [1: Antike Staatsformen, 235–261]. Begriffsbildend wurde die Arbeit von E. Szanto [Griechisches Bürgerrecht], der als Charakteristikum der Bünde die Verbindung von Einzelbürgerrecht und Gesamtbürgerrecht ansah und daraus die Bezeichnung „bundesstaatliche Sympolitie“ schöpfte. Genau an dieser Frage rieben sich die späteren Forschungsarbeiten: Wie verhielt sich Polis zu Koinon, also Stadt zur Gemeinschaft oder modern gesprochen: Einzelstaat zum Bund? Je nach Beantwortung dieser Frage wurden die „spätgriechischen Bundesrepubliken“ (Demandt) als innovative zwischenstaatliche Formgebung gerühmt oder aber als spontane Bewegung und gescheitertes Unternehmen abgetan. Für die erste Deutung, nämlich als ein bewusst auf Krisensymptome der damaligen Zeit reagierendes System, das mit modernen Bundesstaaten vergleichbar sei, steht die Auffassung von J.A.O. Larsen [insbesondere Federation, aber auch Representative Government und Greek Federal States]. Dabei musste Larsen das Fehlen einer Bundesstaatstheorie in der griechischen Philosophie erklären, denn dieser Umstand ist umso verwunderlicher, als Larsen zufolge Bundesstaaten zur Lösung außenpolitischer Krisen geschaffen worden seien. Wesentlich pessimistischer sah E. Barker [Greek Political Thought] die Wirkungen der Bundesstaaten, und schließlich hat sogar in einer nach wie vor – gerade in begrifflicher Hinsicht – grundlegenden Arbeit A. Giovannini [3.6: Natur und Anfänge] die Existenz dieser staatsrechtlichen Konstruktion als einer Besonderheit ganz in
4.7 Die griechischen Bundesstaaten des 4. und 3. Jahrhunderts v.Chr.
147
Frage gestellt. Durchgesetzt hat sich freilich diese Sicht noch nicht, obwohl das Buch und insbesondere die Beweisführung selbst die Forschung erheblich weitergebracht hat. Zuerst widersprach den Thesen Giovanninis F.W. Walbank [Were there], später G. Daverio Rocchi [Città-stato]. Beide betonen dezidiert den föderalen und innovativen Charakter der Staatenbünde. Gegen Giovannini argumentiert auch T. Corsten [Vom Stamm], der die Bundesstaaten von der Symmachie auf der einen Seite und dem Einheitsstaat auf der anderen Seite absetzt. Ferner erhielt die Forschung einen geradezu apologetischen Einschlag. Jüngst sind zwei Monographien zu den Aitolern erschienen, deren Ziel kein anderes war, als diesen Bund von seinem durch den Achaier Polybios vermittelten Negativ-Image zu befreien. J.D. Grainger [League] bietet jetzt eine umfassende Geschichte des Aitolischen Bundes in hauptsächlich chronologischer, doch manchmal auch systematischer (Verfassung, Wirtschaft, Armee) Aufarbeitung. Den Aitolern wird der Erhalt des Friedens („island of peace“) und die Konstruktion einer stabilen und anpassungsfähigen Verfassung zugute gehalten, verbunden mit dem Lob für eine geschickt arbeitende Diplomatie. Bezeichnend für Graingers Begeisterung ist es, den Aitolern als Grund für ihr Scheitern vorzuwerfen, dass sie ihre Ambitionen nur auf die unmittelbare Nachbarschaft gerichtet und Gewaltandrohung verschmäht hätten [League, 552]. Auch die Arbeit von J.B. Scholten sieht den Bundesstaat der Aitoler als „an important advance both for thirdcentury resistance to Macedonian domination of the mainland and for the later, modern development of federal democracy based upon proportional representation” [Politics of Plunder, XI]. Die sorgfältige historische Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass der Aitolische Bund schon vor dem Ausgreifen der Römer im Niedergang begriffen war – wiewohl auch diese Charakteristik der Überprüfung bedarf. Die letzte große Arbeit zu den Staatenbünden insgesamt, zeitlich allerdings auf das 4. Jahrhundert beschränkt, wurde von H. Beck [Polis und Koinon] vorgelegt. Sie zeichnet sich durch eine Verbindung der verschiedenen Forschungspositionen aus und kommt zu einem – gleichsam aristotelischen – „mittleren“ Ergebnis. Die bundesstaatliche Organisation wird als vereinbar mit der Autonomie der Polis gesehen, jedoch mit einer vehementen stammstaatlichen Orientierung, wie sie sich insbesondere in den Festspielen und Kulten niederschlug. Der (gering ausgeprägte) Grad der Urbanisierung innerhalb der Bünde habe ihre Bewertung bzw. ihre Nichtbeachtung durch die griechische Philosophie bestimmt. In Anlehnung an neuere deutsche Untersuchungen zur inneren [H. J. Gehrke, Stasis] und äußeren [3.9.1: M. Jehne, Koine Eirene] Krisenhaftigkeit des 4. Jahrhunderts widerspricht Beck freilich denjenigen Forschern, die die Bünde als friedens- und stabilitätsfördernd ansehen und ihnen damit Vorbildfunktionen für heute verleihen wollen. Im Gegenteil sei geradezu eine Verschärfung jener v. a. von M. Jehne [3.9.1: Koine Eirene] betonten „Dynamisie-
Aitolischer Bund
Vermittelnde Postitionen
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Intention und Wirkung
Staatsphilosophie
4. Bünde
rung der zwischenstaatlichen Beziehungen“ nach dem Peloponnesischen Krieg durch die Bundesstaaten (Koina) zu erkennen. Man tut in der Tat gut daran, bei den Bundesstaaten zwischen Intention und Wirkung zu unterscheiden. Zukünftige Forschungen sollten darüber hinaus zweierlei berücksichtigen: 1. Eine (angebliche oder tatsächliche) Kriegsbetontheit und allgemeine Instabilität („Dynamisierung“) des 4. Jahrhunderts zur Prämisse für die Bewertung der zu dieser Zeit virulenten völkerrechtlichen Formen zu erheben, ist kontraproduktiv und belastet eher eine Erforschung dieser Phänomene. 2. Zwischenstaatliche Vereinbarungen oder Bundesabschlüsse, vertragliche Regelungen oder völkerrechtliche Normen sind von vornherein gefährdet – das ist heute nicht anders als in der Antike und zu jeder Zeit –, sofern es keine Erzwingungsinstanz gibt. Eine solche fehlte gerade im 4. (bis in die Zeit Philipps II. von Makedonien) und auch im 3. Jahrhundert, solange jedenfalls Makedonien zu schwach war, im 2. Jahrhundert war sie mit Rom dagegen vorhanden. Das Fehlen einer übergeordneten Instanz fördert insbesondere in Zeiten der Bedrohung staatliche Zusammenschlüsse, doch sollte diese Einsicht auch bei der Bewertung einer „Erfolglosigkeit“ oder eines „Scheiterns“ der Bünde mitbedacht werden. Dass das weitgehende Desinteresse der griechischen Staatsphilosophie des 4. Jahrhunderts [insbesondere Platons und Aristoteles’, doch siehe zu letzterem jetzt G.A. Lehmann, Theorie, bes. 34–45] an den griechischen Bundesstaaten und überhaupt an bündnispolitischen Konzepten nicht von ungefähr kam, sondern als ein Ergebnis eingehender politischer Strukturanalysen der Staatstheoretiker gesehen werden kann, hat jüngst A. Winter ling betont. Das 4. Jahrhundert habe mit seinen, so Winterling, „destabilisierenden Auswirkungen interpolitischer Beziehungen“ die Theoretiker vielmehr zum „Plädoyer für die Minimierung der Außenbeziehungen der Poleis seiner [Aristoteles’] Zeit“ gebracht [1: Polisübergreifende Politik, 328]. Diese Einsicht deckt sich teilweise mit den Ergebnissen strukturanalytischer Forschungen, nach denen innere Krisen (Staseis) wesentlich von außen in die Poleis hineingetragen wurden (Gehrke, Heuss). Angesichts dieses Deutungsansatzes wäre es also verfehlt, den griechischen Staatstheoretikern das Fehlen einer Theorie der Außenpolitik vorwerfen zu wollen, da sie gerade in dem hohen Intensitätsgrad der Außenpolitik des 5. und 4. Jahrhunderts die Hauptursache für die Destabilisierung der inneren Verhältnisse einer Polis ausmachten. Insofern ist auch die moderne Hochschätzung der Bundesstaaten zu relativieren, denn diese waren, wie gesehen, gerade nicht auf die klassischen, sondern auf die sich erst zu Poleis entwickelnden Gemeinschaften konzentriert. Ferner ist mit P.A. Tuci [Democrazia] darauf zu verweisen, dass für Polybios der Begriff „Demokratie“ durch den Föderalismus, insbesondere den Achaiischen Bund, eine ganz andere, vom klassischen Erbe Athens abgelöste Dimension erhielt, die sich auf die Gleichberechtigung aller Mitgliedsstädte gründete.
4.8 Das römische Bundesgenossensystem
149
4.8 Das römische Bundesgenossensystem Für die römische Welt war eine Vielzahl von unterschiedlichen Bündnissen bei weitem nicht so charakteristisch wie für die griechische. Das liegt an der spezifischen außenpolitischen Entwicklung in Italien, das zunehmend unter römische Herrschaft geriet. Die Bündnisse, die Rom abschloss, hatten – in der Rückschau – gleichsam ein historisches Ziel, während die vielfältigen griechischen Differenzierungen sich aus der Suche nach geeigneten Formen zwischenstaatlicher Zusammenarbeit erklären lassen. So bleibt als wesentlicher Beitrag Roms zum Thema „Bünde“ lediglich das jetzt so bezeichnete Bundesgenossensystem; spätere Bündnisformen waren herrschaftlich ausgerichtet und gehören deshalb zur Kategorie „Reichsbildung“. Insgesamt ist wieder die Tendenz erkennbar, die Entwicklung in Italien ex eventu zu beurteilen: s. jetzt die Analyse von C. Williamson [Laws, bes. 131–238], die das „Zusammenwachsen“ Italiens mittels integrativer Elemente wie Militärdienst, Bürgerrecht und Entwicklung der Zentralstadt Rom zu ergründen versucht. Die inneritalische Entwicklung seit dem 4. Jahrhundert ist denn auch mehr unter den Rubriken „Einigung Italiens“ und „Romanisierung“ denn unter Herausbildung eines „Bündnissystems“ verstanden worden; entsprechend hat J. M. David [Roman Conquest, 35] diese italischen Verhältnisse bereits am Ende des 3. Jahrhunderts als „Territorialstaat“ und weniger als ein stadtstaatliches Hegemonialsystem verstanden. Man kann dennoch sagen, dass die Diskussion um das römische Bundesgenossensystem durch die Dissertation von T. Hantos [3.6: Bundesgenossensystem] – vorläufig jedenfalls – zum Abschluss gekommen ist. Dort findet sich auch die Klassifizierung der Herrschaftsformen, wie sie im Darstellungsteil übernommen wurde. Die Anzahl von insgesamt etwa 150 Vertragsabschlüssen haben K. J. Beloch [Der italische Bund, 176f.] und A. Afzelius [Römische Eroberung, 62] geschätzt. Das Kernproblem für die Erforschung der römischen Bündnisverträge bestand darin, dass wir nicht mehr rekonstruieren können, wie die einzelnen Elemente dieses „Systems“ entstanden, sich weiterentwickelten und dann zu einer als „Herrschaft“ bezeichneten Einheit geworden sind. Bereits in den 1970er Jahren stand aber die Idee eines apriorischen Herrschaftssystems zur Disposition, wohingegen die Prozesshaftigkeit seiner allmählichen Herausbildung betont wurde [etwa H. Galsterer, DNP s. v. „Bundesgenossensystem“]. Einen neuen und anregenden Blick auf die „Einigung Italiens“ wirft jetzt H. Mouritsen [Italian Unification]. Wesentlich für die Erforschung sind die Deutungen überlieferter Begriffe wie der formula togatorum, welche die Wehrfähigen verzeichnete. T. Hantos [3.6: Bundesgenossensystem, 165f.] hat herausgearbeitet, dass dieses Verzeichnis wegen einer Notiz bei Polybios 2,23,9 zum Jahre 225 (Keltenkrieg Roms) noch nicht erstellt worden sein kann; s. dazu auch R. Howarth [Rome, the Italians, 282–300] und A. Petrucci [Colonie]. Die seit Momm
Herrschaftsformen
Begriffe und Deutungen
150
foedera aequa/iniqua?
Zielgerichtete Entwicklung?
4. Bünde
sen oftmals unterstellte Scheidung zwischen foedera aequa bzw. iniqua (gleiche bzw. ungleiche Vertragsabschlüsse) ist gewiss untechnisch, und so sind auch T. Hantos [3.6: Bundesgenossensystem, 158ff.] und K. H. Ziegler [1: Völkerrecht, 92f.] der Auffassung, dass diese Begrifflichkeit allein politischer, nicht völkerrechtlicher Natur sei [anders dagegen 3.6: D.W. Baro nowski, Sub umbra, der wieder zur Mommsen’schen Einteilung zurückgekehrt ist]. Man sollte zur Verdeutlichung der vertraglichen Beziehungen die moderne Unterscheidung zwischen „koordinierten“ und „subordinierten“ Verträgen heranziehen [s. 1: A.N. Sherwin White, Roman Foreign Policy, der von einer klaren Zweiteilung ausgeht: „the general custom was the foedus of the lower type“]. Die zeitgenössische Terminologie bietet der Forschung ohnehin größte Schwierigkeiten, weil wir keinen dieser Verträge im Original vor uns haben [3.5: A. Avram, Vertrag]. So sind etwa die Begriffe societas und foedus nicht klar zu trennen, jedenfalls nicht für die Zeit vor dem 2. Jahrhundert v.Chr. [3.6: M. Wegner, Socius und societas]. Jüngst hat T. Hantos ihre Position noch einmal präzisiert und gegen Mommsen betont, dass ursprünglich und de iure das Verhältnis zwischen Rom und den socii ein partnerschaftliches war und erst später umstilisiert wurde: „Mit dem beginnenden 2. Jahrhundert v.Chr. wandelte sich das ursprünglich partnerschaftliche Verhältnis Roms zu seinen Bundesgenossen in Italien zu einem Herrschaftsverhältnis“ [2.2: Entstehung, 330]. Diese Auffassung hat allerdings Widerspruch hervorgerufen [2.2: M. Jehne, Römer, Latiner: 245, Anm. 8; 2.2: R. Pfeilschifter, Allies], und die Diskussion ist noch nicht beendet. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Theorie von L. Homo [L’Italie primitive], wonach die römische Organisation in Italien dualistisch angelegt war, nämlich zwischen Annexion und Föderation. Mommsen hatte dagegen sowohl in der „Römischen Geschichte“ [Römische Geschichte I, 418ff.] als auch im „Staatsrecht“ [1: Römisches Staatsrecht III 1, 645ff.] von Beginn an ein „Untertänigkeitsverhältnis“ gesehen, womit die römischen Vertragspartner zu reichsangehörigen Staaten wurden. Für ihn freilich war der gesamte Vorgang Ausdruck einer zielgerichteten historischen Entwicklung und unter dem Begriff „(nationale) Einigung Italiens“ zu fassen [dazu jetzt E. Baltrusch, Mommsen und der Imperialismus]. Und so kann man auch heute noch sagen, dass die Deutungen des römischen Bundesgenossensystems je nach Perspektive der einzelnen Wissenschaftler ausfallen. Statt jedoch geographische [P. Fraccaro, Opuscula, 106, 108ff., sowie ihm folgend 3.5: E. Badian, Foreign clientelae, und C. Nicolet, Rome et la conquête] oder ethnische [T. Frank, Roman Imperialism; J. Göhler, Römische Politik; H.H. Scullard, History] Kriterien als entscheidende Parameter für die indirekte Herrschaftsform seit 338 heranzuziehen, ist eher mit T. Hantos [3.6: Bundesgenossensystem, 170] entwicklungsgeschichtlich zu argumentieren und von sukzessiven Schritten – zunächst Integration in den römischen Verband, dann seit den Samniten-
5.1 Vorbemerkungen
151
kriegen als Bündnissystem auf der Basis völkerrechtlicher Verträge – auszugehen. Über die Form der Verträge selbst ist freilich angesichts der disparaten und juristisch keineswegs präzisen Quellenlage wenig Sicheres zu ermitteln [eine andere Deutung findet sich bei H. Mouritsen, Italian Unification]. Die Freund-Feind-Klausel, die man (in Analogie zu den griechischen Symmachie-Verträgen) als ein Element der Verträge vermuten kann, wurde zuletzt von L. de Libero [3.6: Ut eosdem] untersucht.
5. Reichsbildung 5.1 Vorbemerkungen Die Antike verstand unter „Reich“ im Wort-, nicht in einem umgrenzten räumlichen Sinne ein Herrschaftsgebiet (regnum und basilei/a/basileía, imperium und a)rxh///arché), d. h. denjenigen Raum, in dem ein König oder eine Stadt „befehlen“ (hergeleitet von den Verben imperare und a@rxein/árchein) konnte. Diese Umschreibung erlaubte sehr weite Auslegungen, so dass schließlich in spätrepublikanischer, spätestens in augusteischer Zeit die Vorstellung entwickelt wurde, man „herrsche“ über den orbis terrarum. Auch über Entstehung, Besitz und Erhalt von Reichen machte sich die Antike Gedanken; eine kretische Inschrift des 2. Jahrhunderts v.Chr. (Syll. 685) z. B. enthält antike Rechtfertigungen von Reichen: 1. Erbe, 2. Kauf, 3. Eroberung, 4. Übereignung von Mächtigen [s. dazu R. A. Billows, Kings and Colonists, 25]. Auf der anderen Seite stand die in seinen monographischen Werken über die Krise der Republik verbreitete Auffassung des römischen Geschichtsschreibers Sallust, dass nur ambitio (Ehrgeiz) und avaritia (Habgier) große Reiche generieren könnten. Auch in der modernen Geschichtswissenschaft wurde – epochenübergreifend – intensiv über den Reichsbegriff geforscht, und dementsprechend gab und gibt es viele Definitionsversuche. Den Anfang machte das „Weltreich“, eine Kategorie, der später andere Spezifikationen von „Reich“ zur Seite traten. Für J. Pirenne [(Hrsg.), Grands empires, 7] z. B. sind – in Anlehnung an Jellineks oben bereits angesprochene Staatsdefinition – drei Faktoren notwendig, wenn man von einem Reich sprechen wolle: „pour qu’il y ait empire, il faut un vaste état, soumis à une même autorité et qui a connu une certaine durée“ („um ein Reich zu sein, braucht es ein großes (Staats-)Gebiet, das stets der gleichen Führung unterstand und eine gewisse Dauer erlebt hat“). Folgten wir dieser Reichsdefinition, wären im Altertum das sumerische, das athenische oder das Alexanderreich keine Reiche gewesen, weil sie jeweils nicht alle Voraussetzungen dafür erfüllen. J. Gilissen [Notion d’empire, 793] setzt etwas andere Schwerpunkte: „L’empire en tant que grande puissance est un état souverain, s’étendant durant un certain temps sur un vaste territoire, habité par de multiples groupes
Definition des „Reiches“
152
Vergleichs perspektiven
5. Reichsbildung
socio-politiques placés sous l’autorité d’un même gouvernant ayant une politique tendant à l’hégémonie“ („Das Reich als große Machteinheit ist ein souveräner Staat, der sich für eine gewisse Zeit über ein weites Territorium erstreckt und von verschiedenen sozio-politischen Gruppen bewohnt wird, die der Autorität eines gleichen Regierenden mit der Tendenz zur Hegemonialpolitik unterstellt sind“). Dieser allgemeinen Definition von „empire“ lässt Gilissen weiter unten [862ff.] noch die Differenzierung in „große Reiche“ folgen. Erweitert und in neue Dimensionen geführt wurde die Diskussion durch die „Weltsystem“-Analyse des amerikanischen Anthropologen und Wirtschaftswissenschaftlers I. Wallerstein, der von 1974 bis 1989 drei Abhandlungen unter dem Titel „The Modern World-System“ publizierte [Modern World-System]. Dessen Konstrukt wandten T.C. Champion [(Hrsg.), Centre and Periphery] und G. Woolf [World-Systems] auf die Antike an. Ein „world system“ ist nach dieser Forschungsrichtung „a unit with a single division of labour and multiple cultural systems“. Davon gebe es zwei Arten: a) politisch vereinigte Weltsysteme, also Weltreiche im eigentlichen Sinne, b) ein nur ökonomisch strukturiertes Weltsystem. G. Shipley [Distance] unternahm es, die hellenistische Welt nach den vorstehenden Kriterien zu überprüfen, ohne allerdings die Übertragbarkeit des theoretischen Modells anzunehmen. In eine andere Richtung geht die Reichs-Definition von P.J. Cain/M. Harrison [Imperialism I, 1]: „The word ‚empire‘ went through similiar transmodifications. Traditionally it meant a ‚hierarchical‘ order of states guaranteeing peace, as in the case of ‚imperial‘ Rome“. Im historischen Überblicksteil wurde eine dieser Definition von „Reich“ recht nahekommende zugrunde gelegt, da sie in ihrer Breite geeignet ist, die verschiedenen territorialen Herrschaftstypen der Antike in sich aufzunehmen. J. Webster [Roman Imperialism, 1–17] unterscheidet zwischen dem modernen Imperialismus und dem römischen Kolonialismus; der post-koloniale Diskurs mit einer umfassenden Betrachtung von Herrschaft und dem Verhältnis von Zentrum und Peripherie ermögliche neue analytische Instrumente zur Bestimmung des Charakters des Römischen Reiches. Nochmals anders nähert sich ein Sammelband von 1997 [A. Demandt (Hrsg.), Ende der Weltreiche] dem Reich, nämlich von seinem Ende her. Das Werk untersucht Groß-, Welt- oder Universalreiche von „den Persern bis zur Sowjetunion“, wie der Untertitel verkündet. „Das Ende der Weltreiche“ ist im Übrigen doppelsinnig: Jedes einzelne Weltreich ist untergegangen und hat sein Ende gefunden, doch jetzt, so A. Demandt [Ende der Weltreiche, 223] habe „die Selbstauflösung der Sowjetunion am 31. Dezember 1991 ... das imperiale Zeitalter“ abgeschlossen. Folgerichtig wird das amerikanische „Reich“ ausgeklammert, was nicht unwidersprochen blieb. Eine Bestimmung des Begriffs „Imperium“ anhand einer vergleichenden, universalhistorisch angelegten Untersuchung verschiedener Weltreiche von
5.2 Das Alexanderreich
153
der Alten Welt bis heute hat neuerdings der Berliner Politikwissenschaftler H. Münkler [1: Imperien] vorgelegt. Seine Vergleichsgrundlage bieten das chinesische, römische, britische, zaristische, osmanische und amerikanische Imperium. Münkler definiert Imperien als „Garanten und Schöpfer einer Ordnung“ [8], die generell jede Form von Gleichberechtigung ablehnen und sich vom permanenten „Zwang zur politischen und militärischen Intervention“ leiten lassen [30]. Im Grunde orientieren sich die Thesen an dem imperialen Handeln der USA, die Münkler in einem unaufhebbaren Widerspruch zu einer grundsätzlich demokratischen Mission sieht. Die offenbar als eng eingestufte Beziehung der USA zum republikanischen Rom [s. 1: P. Bender, Weltmacht Amerika] bestimmt durchaus den gegenwärtigen „Reichsdiskurs“. So behaupten M. Hardt/A. Negri [1: Empire] in einem viel diskutierten Buch über „Empire“, dass die USA das römisch-republikanische System wiedererfunden hätten (s. dazu jetzt die „radical responses“ bei G. Balakrishnan [(Hrsg.), Debating Empire; ferner P.A. Passavant/J. Dean (Hrsg.), Empire’s New Clothes, und 1: R. Hingley, Globalizing]. Es bleibt allerdings die Frage, wie weit das amerikanische „Imperium“ tatsächlich mit Territorialreichen wie dem Römischen verglichen werden kann und nicht doch eher eine Hegemonialmacht ist. Die „Grenzen“ im Wortsinne sind fließend: Was gehörte z. B. zum Imperium Romanum und was stand – etwa als „Klientelstaat“– außerhalb? Wo liegen die Grenzen von Imperien? Auf diese Frage ist weiter unten einzugehen, doch befassen sich mit dem Thema „Grenzen“ nur wenige Untersuchungen zu Reichen, s. etwa D. Braund [3.6: Friendly King, 182: „friendly kingdoms were the frontiers of the Roman empire“] und P. López Barja [(Hrsg.), Fronteras, für die griechische Antike]. Mit dem antiken Verständnis und der Ordnung von Raum befasst sich nun der Berliner Forschungsverbund „Topoi“ an der Freien Universität sowie der Humboldt-Universität. 5.2 Das Alexanderreich Die Forschungen zu Alexander dem Großen und seiner Herrschaftspolitik sind inzwischen nahezu unüberschaubar. Die Quellenlage und die sich um die Person rankenden Legenden haben den Zugang zu einem „historischen Alexander“ erschwert, ja fast unmöglich gemacht. Jede neue Biographie ist sich dieser Probleme bewusst – und doch, so leitet einer der letzten bedeutenden Biographen programmatisch sein Buch ein: „There is really no need for any special justification, let alone apology, for a new history of Alexander“ [P. Cartledge, Alexander, 9]. Von den Schwierigkeiten mit dem historischen Alexander ist auch die Erforschung der Reichsbildung nicht verschont geblieben, die durch Schlagworte wie „Verschmelzungspolitik“, „Weltverbrüderung“ und „Pothos“ einerseits, durch Erzählungen wie diejenige von der Reise Alexanders zur Oase Siwa in Ägypten und durch
Schlagworte und Episoden
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Urteil über Alexander
Einflüsse auf Alexanders Politik
5. Reichsbildung
Überlegungen zu den Zielen und „letzten Plänen“ Alexanders andererseits eher verdunkelt wurde und erst unter Auswertung der nichtliterarischen Überlieferung Konturen bekommt. Auf diesem Gebiet, in interdisziplinärer Vernetzung mit Archäologie, Iranistik und Orientalistik, sind freilich in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte erzielt worden. Das Ergebnis des alexandrischen Feldzuges bestand in jedem Fall in der Zerstörung eines Reiches, doch sollte man mit C. Préaux [L’empire d’Alexandre] durchaus auch von einem neuen „Reich Alexanders“ sprechen, selbst wenn dieses nur von kurzer Dauer war und in seinen Organisationsstrukturen sehr umstritten ist. Das Urteil über Alexander den Großen und seine Eroberungspolitik in der Forschung hat seit J.G. Droysen im Jahre 1833 [Alexander] extreme Wandlungen erfahren. So stehen sich grenzenlose Verehrung des Königs, wie sie sich bei Droysen selbst oder dem Engländer W.W. Tarn [Alexander] findet, und Kritik bzw. kritische Distanz (vermehrt v. a. nach dem Zweiten Weltkrieg) wie zuletzt bei A. B. Bosworth [Alexander and the East] gegenüber. Für einen konzisen Überblick über die Entwicklung der modernen Forschung kann jetzt auf H. U. Wiemer [Alexander, 201–211] zurückgegriffen werden. Große Anstrengungen hat die Forschung unternommen, um herauszuarbeiten, woher Alexander die Ideen für seine „Reichsbildung“, für die Organisation der Herrschaft und den Umgang mit den Untertanen nahm. Im Wesentlichen konzentrieren sich die Arbeiten auf drei unterschiedlich gewichtete Einflüsse: 1. Die makedonische Grundlage von Alexanders Herrschaftspolitik ist bereits vielfältig und unter Hinzuziehung aller denkbaren Quellen bearbeitet worden, wobei sich besonders N.G.L. Hammond/G.T. Griffith/F.W. Walbank [History of Macedonia] in umfassenden Forschungen hervorgetan haben; zusammenfassend hat sich zum gegenwärtigen Erkenntnisstand über die Form der makedonischen Königsherrschaft H. J. Gehrke [Geschichte des Hellenismus, 142f.] geäußert, zum Verhältnis Alexanders zu den Makedonen s. jetzt P. Cartledge [Alexander, 91–106]. 2. Den immer wieder behaupteten griechischen Einfluss auf Alexanders Politik für überschätzt hält M. Faragma [Alexander, 107ff.]. Die griechischen Quellen lassen allerdings wenig Zweifel an der engen Bindung Alexanders an die griechische Mythologie und Vorstellungswelt. 3. Über den persischen Einfluss auf die inneren Reformen Philipps II., den etwa D. Kienast [Philipp] herausgearbeitet hat, wird noch gestritten. Für Alexander lässt er sich wohl kaum leugnen, zumal im Zusammenhang mit der Reichspolitik nach der Schlacht von Gaugamela 331. Sehr skeptisch ist neuerdings M. Brosius, die die Herrschaftspolitik Alexanders in Asien als einen „conflict between being king of an empire and a mere conqueror“ [Alexander, 172] bezeichnet. Überall sei Alexander gescheitert, weil er keine Einsicht in die Zusammenhänge gehabt habe. E.A. Fredricksmeyer
5.2 Das Alexanderreich
155
[Alexander] hat in einem längeren Aufsatz gerade das Neue, über das Achaimenidenreich Hinausgehende des alexandrischen Konzepts betont und in diesem Sinne den Persepolis-Brand als Symbol für das Ende des Perserreiches gedeutet. Dagegen hat S. Müller [Maßnahmen] die Herrschaftssicherung Alexanders gegenüber der makedonischen Opposition untersucht, die Kontinuität hervorgehoben und dabei die These aufgestellt, dass gerade diese Herrschaftssicherung zum Zusammenbruch geführt habe. In Verbindung mit der unbestreitbaren Übernahme achaimenidischer Traditionen sei diese Politik nicht erfolgreich gewesen [trotz K. Nowotka, Freedom]. Die Rechtfertigungen für den Kriegszug wurden von J. Seibert [Streit um die Kriegsschuld], wichtige militärische Fragen von J.R. Ashley [Macedonian Empire] erörtert. Zum makedonischen „Imperialismus“ gibt es allerdings – anders als zum römischen oder persischen – wenige Arbeiten; eine Ausnahme ist R.A. Billows, der Imperialismus als „the whole network of attitudes and practices which are involved in the creation, maintenance, and running of an empire“ [4.1: Kings and Colonists, XIII] definiert. Zu Recht betont Billows andererseits die Differenzen zwischen dem makedonischen und dem Römischen Reich, insbesondere in der Frage der herrschaftlichen Durchdringung und Integration der verschiedenen Regionen. Der Feldzug Alexanders gegen das persische Reich war eine Gemeinschaftsunternehmung von Makedonen und Griechen, die organisatorisch durch den so genannten Korinthischen Bund verfestigt war. Die Ausrichtung dieses Bündnisses ist noch immer umstritten; die Mehrheit der Forscher sieht in ihm eine bloße Koine Eirene, wie zuletzt mit ausführlicher Begründung M. Jehne [3.9.1: Koine Eirene] und M. Faragma [Alexander]. Dagegen sind Bedenken erhoben worden, die insbesondere die Schwierigkeit zum Ausdruck bringen, einen Friedensvertrag, wie ihn eine Koine Eirene darstellt, mit der Führung eines unverblümten Angriffskrieges in einen Kausalzusammenhang zu bringen [3.9.1: E. Baltrusch, Verträge, 38–40]. Man sollte also eher mit Arrian von einer (begleitenden) Symmachie ausgehen, die von vielen griechischen Städten und dem Makedonenkönig (zuerst Philipp II., dann Alexander) gegen die Perser zum Zwecke der Befreiung der ionischen Griechen abgeschlossen worden war. Der Gegner, das persische Reich und seine Struktur, sind insbesondere von J. Wiesehö fer [etwa 1: Das antike Persien] sowie M. Brosius [Persians] übersichtlich und behutsam untersucht worden. Unübersehbar ist des weiteren die Menge der Forschungen zur Reichsverwaltung selbst, und hier sind seit der umfassenden Zusammenschau der älteren Forschung von J. Seibert [Alexander, 179–217] erhebliche Fortschritte erzielt worden. Wesentlich scheint das Verhältnis der „Neuordnung“ zum Vorgängerreich zu sein, also dem achaimenidischen. Zur Genese des Alexanderreiches hat jetzt C. Mileta [King, 159–161, u. König]
Kriegszug gegen Persien
Korinthischer Bund
Reichsverwaltung
156
Ziele und Methoden
5. Reichsbildung
interessante Beobachtungen über Kleinasien beigesteuert. Danach ist gerade die Distanzierung von achaimenidischen Herrschaftsformen ein Charakteristikum Alexanders: Das traditionelle Königsland (xw/ra basilikh// chóra basiliké) der Perser wurde – zumindest in Kleinasien – in einen Bereich Polis und einen zweiten Bereich Chora aufgeteilt. Damit erhalten die griechischen Poleis eine Privilegierung; gestützt sind diese Beobachtungen auf eine tiefgehende Analyse prienischer Inschriften. Es ist das Verdienst insbesondere von P. Briant [Alexandre le Grand] und anderen Forschungsarbeiten, den ja komplett griechischen Quellenbestand im Hinblick auf Alexanders Beziehung zum Achaimenidenreich neu gelesen zu haben. Allmählich zeichnet sich auch eine differenzierende Loslösung von jener immer noch vorherrschenden Forschungsmeinung ab, die das Beibehalten der vorgefundenen lokalen Strukturen durch Alexander betont hatte, da der Wille und auch die Zeit für umfassende Reformen und den Aufbau einer neuen, makedonischen Verwaltung gefehlt hätten. Die Folgen des Herrscherwechsels in Kleinasien, dem Gebiet des späteren Attalidenreiches, hat eine umfassende Untersuchung von C. Mileta [König] behandelt und dabei auch auf die im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Kriegsziel stehenden Probleme der Neuordnung hingewiesen. Für die jüdische Gemeinde um Jerusalem hat dies bereits E. Baltrusch [3.6: Die Juden] hervorgehoben. Zu dem Verfahren der Herrschaftsgewinnung selbst in Kleinasien hat sich ebenfalls P. Briant [Alexandre à Sardes] geäußert. Für Ägypten stellt W. Huss [Ägypten, 75] fest: „Aufs Ganze gesehen ist die Neuordnung des Alexandros eine Mischung alter enchorischer Elemente mit neuen makedonischen Bestandteilen. Ob Alexandros auch Elemente der persischen Verwaltung benützt hat, ist unsicher“ (dies gegenüber anderslautenden Auffassungen). Den Einfluss der „Peripherie“ Asien und Mesopotamien auf Alexanders graeco-zentristisches Weltbild fasst sehr gut A. Invernizzi [Seleucia, 232–234] zusammen. Ebenfalls gibt es eine Fülle von Forschungsarbeiten zu den Zielen, Rechtfertigungen und Methoden Alexanders während der Eroberungsphase. Bereits J.G. Droysen [Alexander] hat in Alexander den Ursprung des Brüderlichkeitsgedankens der Menschheit gesehen, wie er dann von der wenig später begründeten philosophischen Lehre der Stoa und dem Christentum ideell weitergeführt worden sei; in diese Linie hat auch W.W. Tarn [Alexander II, 437–441] Alexanders Politik eingeordnet, während H. Berve [Griechische Geschichte, 167, Anm. 1] im Stil seiner Zeit von Verbrüderung nur der „Herrenvölker“ Makedoniens und der Perser sprechen wollte. Für A.B. Bosworth [Alexander, 1–30] wiederum ist Alexander ganz entgegengesetzt ein Egoist, ein Kämpfer ausschließlich für persönlichen Ruhm, Gewinn und Rache, trotzdem ein „Held“, losgelöst aus der Geschichte, „the type of military invincibility and the culture hero with a mission to propagate Hellenic values world wide“. Der Religionspolitik
5.2 Das Alexanderreich
157
Alexanders und hier wieder seiner eigenen Vergottung ist eine Abteilung in dem nützlichen „Reader“ von I. Worthington [(Hrsg.), Alexander the Great, 236–272] gewidmet; gut begründet ist die Auffassung von G.L. Cawkwell [Deification], dass Alexander selbst keine Vergöttlichung angestrebt habe, aber die Griechen ihn als Gott sahen. Eine Einordnung von Alexanders Göttlichkeit in die griechische Welt hat auch ein Kapitel aus der neuen Biographie von P. Cartledge [Alexander, 237–50] zum Inhalt. Zur persönlichen Religiosität Alexanders hat jetzt J.M. Blázquez [Alejandro] eine wichtige Untersuchung vorgelegt, während sein Verhältnis zum virulenten Panhellenismus der Zeit von M. Flower [Alexander, 96–135] in den Bereichen „Rache für erlittenes Unrecht“, Befreiung von den Barbaren, Autonomie der griechischen Poleis und Expansion angesiedelt wird. Der Persepolis-Brand sei ein in diesem Sinne panhellenistisches Signal gewesen. Denselben Brand bewertet M. Hatzopoulos [Alexandre en Perse] als Wendepunkt in der Zielsetzung Alexanders, nämlich hin zur Eroberung des persischen Reiches. Verschiedene Aspekte der Reichsbildung Alexanders, nämlich die Zielsetzung und das Verhältnis zu den Griechen in Asien, beleuchten differenziert die Beiträge bei I. Worthington [(Hrsg.), Alexander the Great]. Neuerdings mehren sich die politischen Vergleiche zwischen Philipp II. und Alexander [J. Engels, Philipp II.]. Schief allerdings muss der Versuch von Worthington [Alexander, Philip] geraten, Alexander gegen Philipp, der der eigentlich „Große“ gewesen sei, auszuspielen. Diese Kurzdarstellung wie auch zuletzt die gewinnbringende Zusammenschau über die bisherigen Untersuchungen zu Alexander bei H. U. Wiemer [Alexander] zeigen in aller Deutlichkeit, wie abhängig vom persönlichen Standpunkt des einzelnen Forschers die Deutung Alexanders als positiver oder negativer Eroberer, als Kulturbringer oder Zerstörer, als bewusst hellenisierender oder iranisierender, als humanistischer oder rassistischer Monarch ist. Die Arbeiten zum Reich Alexanders haben sich im letzten Jahrzehnt zu neuen Schwerpunkten verdichtet: 1. regionale Identitäten innerhalb des Reichsgebiets, z. B. Babylon, Judäa, Ägypten, griechische Poleis; 2. Rezeptionsgeschichte (insbesondere in Rom, aber auch im Islam und im Mittelalter); 3. die Spannung zwischen Fiktion und Wahrheit sowie die Deutung der phantastischen Texte; 4. die Übertragung moderner Globalisierungskonzepte und -wirkungen auf Alexanders multiethnisches Reich; 5. religionsgeschichtliche Fragen. Auch die Komparatistik wurde zum besseren Verständnis der alexandrischen Reichsbildung herangezogen. So sind gelegentlich Vergleiche mit frühneuzeitlichen Reichen gewagt worden; nach A.B. Bosworth [A tale] ergeben sich z. B. viele Ähnlichkeiten zwischen Alexander und dem spanischen Entdecker und Eroberer Hernán Cortés in Zentralamerika. Diesen Ähnlichkeiten stehen allerdings wiederum gravierende Unterschiede zwischen beiden Systemen gegenüber, etwa im Umgang mit den neuen Untertanen. Zurückgetreten sind demgegenüber Dis-
Neue Schwerpunkte
Rückläufige Diskurse
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5. Reichsbildung
kussionen, die stark auf die Verwendung neuzeitlicher Begriffe angewiesen sind, also: Diskurse über den „Reichscharakter“, Verfassungsfragen und insbesondere die seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts geführte Debatte über das Verhältnis zwischen König und griechischer Polis als ein völkerrechtliches bzw. staatsrechtliches Konstrukt. Dieser wissenschaftlich außerordentliche fruchtbare Disput wurde durch die Habilitationsschrift von A. Heuss [Stadt und Herrscher] ausgelöst, der dezidiert völkerrechtliche Elemente im Reich ausgemacht hatte; er entdeckte diese im Verhältnis des hellenistischen Königs zu den auf ihrer Autonomie beharrenden griechischen Poleis. Widerspruch gegen diese Theorie übte vehement E. J. Bickerman [Cité grecque], der wiederum zuletzt Unterstützung von W. Orth [Königlicher Machtanspruch] fand. Die Debatte zusammengefasst hat jüngst F. Quass [Probleme], aber als abgeschlossen und entschieden kann sie m. E. noch nicht gelten. Sie zeigt allenthalben, wie differenziert „Reichsbildung“ in der Antike zu verstehen ist. 5.3 Die hellenistischen Reiche und das „Gleichgewicht der Mächte“ Ein neues „Staatsmodell“
Hellenistische Monarchie
Die hellenistische Reichsbildung hat, wie es P. Cartledge [4.2: Alexander, 133] ausdrückte, den letzten Nagel „into the coffin of Greek political freedom and independence“ gehämmert und monarchische Territorialstaaten geschaffen. Die griechische Welt arrangierte sich mit dieser Entwicklung – mehr aber auch nicht. Zu Recht betont D. Musti [Storia greca, 748]: „Tutto sembra mostrare che i Greci non arrivassero mai ad elaborare una teoria politica dello stato ellenistico, inteso come fusione di elementi etnici diversi e distribuzione di responsabilità politiche fra queste stesse componenti“. Dieses philosophische Desinteresse liegt sicher auch daran, dass die hellenistischen „Staaten“ eher „Reiche“ waren, unter deren Dach die griechischen Poleis in der Realität zumindest Teile ihrer politischen Autonomie bewahren konnten; der „Staatsbegriff“ taugt am wenigsten für die hellenistische Zeit. Zum Konzept des „Territorialstaats“ in der Antike in Theorie und Praxis gegenüber dem klassischen Polis-Modell ist jüngst ein Sammelband erschienen [C. Bearzot/F. Landucci Gattinoni/G. Zecchini, Gli stati], dessen Beiträge schwerpunktmäßig auch die hellenistische Welt behandeln. Im Zentrum der Forschungen zu den hellenistischen Reichen standen und stehen Entstehung, Struktur und Charakter der hellenistischen Monarchie, letzten Endes also die Umstände der Reichsbildung. In einer quellenbezogenen und narrativ gehaltenen Darstellung polemisiert A.B. Bos worth [Legacy] gegen die Auffassung, dass nach Alexanders Tod eine „anticlimax, a depressing anticlimax“ einsetzte; vielmehr habe etwas völlig Neues begonnen. Denn Alexanders Reich sei kein einheitlich organisiertes Ganzes gewesen. Zu Recht betont Bosworth die für die hellenistische Monarchie formative Phase zwischen 323 und 311. Das Verhältnis zum
5.3 Die hellenistischen Reiche und das „Gleichgewicht der Mächte“
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makedonischen Erbe, auch zu Philipp II., wird unterschiedlich bewertet. A. Heuss [Monarchie] hatte noch drei Einflüsse auf die hellenistische Monarchie in toto ausgemacht, nämlich wie auch beim Alexanderreich 1. das persische Erbe, 2. die makedonische Hinterlassenschaft und 3. griechische Einflüsse, wobei er allerdings den makedonischen Anteil zurückgestuft hatte. Demgegenüber betonen neuerdings R.A. Billows [5.1: Kings and Colonists, 220] und N.G.L. Hammond [Continuity] stärker die makedonischen gegenüber den achaimenidischen Elementen bei der hellenistischen Reichsbildung: „The king and his ‚Macedones‘ formed a self-standing Macedonian state whether they were in Macedonia itself or in part of Asia. The monarchy in each Macedonian state was not ‚personal‘ or ‚absolute‘ but constitutional and national“ [N.G.L. Hammond, Continuity, 158]. Damit wendet sich Hammond dezidiert gegen die zahlreich vertretene Forschungsrichtung, die 1. eine Besonderheit der Antigoniden als makedonisch im eigentlichen Sinne postuliert [etwa P. Green, Alexander to Actium; D. Musti, Storia greca; S. Sherwin White/A. Kuhrt (Hrsg.), Hellenism] und 2. die Nichtexportierbarkeit dieser Monarchie hervorhebt, wie es etwa W.S. Ferguson [Leading ideas, 9] getan hatte. Auch C. Mileta [5.2: King, 158] hebt zu Recht die alle hellenistischen Reiche verbindende Rolle des Königs hervor: „the king was the strongest and most important factor within the framework of the hellenistic state“ [vgl. allgemein auch A. B. Lloyd, Ptolemaic Period]. Dementsprechend betont die moderne Forschung als kennzeichnendes Strukturprinzip der hellenistischen Monarchie die Sieghaftigkeit des Königs [darüber hat H. J. Gehrke in mehreren Arbeiten, zusammenfassend 5.2: Hellenismus, alles Nötige gesagt], was dann auch zu der Zuspitzung führen kann, dass die hellenistischen Könige nichts anderes gewesen seien als Räuber und Plünderer [M.M. Austin, Hellenistic Kings]. Eine modifizierende Sicht bieten jetzt A.B. Bosworth [Legacy, 246–278] und auch R.A. Billows [5.1: Kings and Colonists, 56–70]. Von grundsätzlicher Bedeutung ist ferner das Zentrum-Peripherie-Verhältnis, oder anders und traditionell formuliert: der Umgang der Könige mit ihren z. T. weit entfernt wohnenden und daher schwer kontrollierbaren Untertanen. Zu diesem Thema gibt es eine Reihe von Einzeluntersuchungen etwa zur griechischen Polis, zu den Juden oder zu Babylon innerhalb der hellenistischen Umwelt. Das zentrale Diskussionsfeld ist der Grad an Integration. Dabei stehen sich zwei Positionen gegenüber: Eine, die dem Hellenismus die Attribute weltoffen, tolerant und nicht in die lokalen Verhältnisse eingreifend verleiht [hier insbesondere der Sammelband von B. Funck (Hrsg.), Hellenismus, u. A. Fowler, Ethnicity, der etwa die Seleukiden als „cultural pluralists“ und „highly innovative“ kennzeichnet], die andere, die spürbare Veränderungen gegenüber dem Vorgängerreich der Achaimeniden herausarbeitet [5.2: C. Mileta, König]. Zu den Beziehungen zwischen Peripherie und Zentrum gehören auch die Forschungen
Sieghaftigkeit
König und Untertanen
160
Verwaltungs strukturen
Sakrale Dimension
5. Reichsbildung
zu Akkulturationsprozessen in der hellenistischen Staatenwelt. Hier hat die Forschung wesentliche Fortschritte erzielen können, nämlich immer dann, wenn eine günstige Quellenlage für geographisch möglichst überschaubare Räume derartige Analysen zulässt. H. Scholten [Akkulturationsprozesse] hat etwa für die Euphrat-Region die langfristigen kulturellen Wandlungen in Dura Europos, das 312 v.Chr. von den Seleukiden als Militärkolonie gegründet wurde, anhand der erhaltenen Schriftdokumente, Inschriften, Graffiti und archäologischen Zeugnisse herausgearbeitet – allerdings hauptsächlich für die parthische Zeit. Diese Seite von „Reichsbildungen“, wechselseitige Beeinflussungen in sprachlicher, religiöser, kultureller oder materieller Hinsicht, zu erforschen bietet noch sehr fruchtbare Perspektiven. Jedes der hellenistischen Reiche hat hinsichtlich seiner Verwaltungsstrukturen intensive Untersuchungen erfahren, so allgemein in dem Sammelband zum Thema Peripherie und Zentrum in der hellenistischen Welt von P. Bilde et al. [1: (Hrsg.), Centre and Periphery], darin speziell für die Seleukiden A. Invernizzi [5.2: Seleucia], ferner für die Ptolemaier W. Clarysse [Ptolemies]. Letzterer untersucht etwa das Verhältnis der Könige zu den Indigenen und fragt: „Is this a colonial power, the king a faraway symbol on the temple walls? Or was there regular contact between king and (some of) his subjects?“ [30]. Es gab unzweifelhaft diese regelmäßigen Kontakte zwischen dem König und seinen Untertanen, denn Clarysse hat 40–50 Reisen des Königs in das Umland von Alexandria – der Hauptstadt des Ptolemaierreiches seit 313 – ausgemacht, die militärischen, administrativen und zeremoniellen Zielen dienten. Zur ptolemaiischen Verwaltung hat jetzt auch J.G. Manning [Land and Power] eine wichtige Studie vorgelegt. Das überaus materialreiche, dazu auch demotische Quellen berücksichtigende Buch bringt zum Ausdruck, wie sich die griechische Verwaltung allmählich über die indigenen Verhältnisse legte und diese pragmatisch durch die Einführung neuer griechischer Institutionen und Abläufe auch veränderte. Tendenziell blickt die Forschung zum Hellenismus wie allgemein in der Alten Welt auf „Grenzüberschreitungen“ [so der Titel eines Tagungsbandes von 2002 von M. Schuol/U. Hartmann/A. Luther (Hrsg.), Grenzüberschreitungen], welche stärker als bisher der alten Vorstellung von unüberwindlichen Grenzen zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen bzw. den hellenistischen Reichen überhaupt entgegengestellt werden sollen. Ein signifikantes Beispiel für diesen wissenschaftlichen Diskurs ist die Kontroverse im Zusammenhang mit militärischen Besatzungen zwischen A. Chaniotis [Foreign Soldiers] und J. Ma [Oversexed] von 2002: Der eine zielt vor allem auf die interaktionären sozialen Beziehungen über Grenzen hinweg als Konsequenz der Stationierung von Soldaten, der andere betont eher die damit verbundenen Herrschafts- und Verwaltungsfragen. Die hellenistische ist wie die alexandrische Reichsbildung nicht ohne ihre sakralen Bezüge zu verstehen, deren Funktion als Herrschaftsmittel in
5.3 Die hellenistischen Reiche und das „Gleichgewicht der Mächte“
161
regional unterschiedlicher Ausprägung deutlich wird. Dieses Thema ist außerordentlich komplex und auch vielfältig für die einzelnen hellenistischen Königreiche untersucht worden. Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Integration des ptolemaiischen Herrschers in das traditionelle ägyptische Pharaonensystem, die für die Herrschaftsorganisation unabdingbare Zusammenarbeit mit den ägyptischen Priestern und der Rückgriff auf die griechisch-makedonischen Traditionen: dazu insbesondere H. Heinen [Vorstufen], G. Hölbl [Geschichte des Ptolemaierreiches] und W. Huss [5.2: Ägypten]. In der Verbindung zu Göttern und Heroen, durch die Vergöttlichung der jeweiligen Dynastie und durch die eigene gottgleiche Handlungsfähigkeit („Neos Dionysos“) vermochten es die Könige, sich die ihrer Stellung an sich nicht inhärente Dauer und Stabilität zu verschaffen. Als Beispiel sei auf die „göttlichen Ehren“ und die Einrichtung eines Kultes auf Delos für Ptolemaios I. durch den Nesiotenbund im Jahre 287/6 hingewiesen (Syll. I3 390): s. dazu P. Bruneau [Recherches, 531f.]. Die vielfältigen Untersuchungen zu den Herrscherkulten und ihrer Bedeutung für die hellenistische Reichsbildung [s. nur die Übersicht bei 5.2: H.-J. Gehrke, Hellenismus, 172f.] haben – unabhängig von ihrer Präsenz in allen Monographien und Handbüchern zum Hellenismus – allerdings noch immer nicht ihren Weg in die Untertitel einführender Darstellungen oder auch von Aufsatzsammlungen gefunden [s. etwa L. Mooren (Hrsg.), Politics]; zumeist wird der sakrale Bezug unter „Verwaltung“ behandelt. Wie stark gerade in Krisenzeiten der sakrale Bezug von Herrschaft herausgestellt wurde und in der Gewährung lokaler Autonomien die sakrale Karte gespielt wurde, ist jetzt in einer Habilitationsschrift über die späten Seleukiden von K. Ehling [Untersuchungen] mittels einer umfassenden Analyse des numismatischen Materials deutlich herausgearbeitet worden. Für den Althistoriker von besonderer Relevanz ist das Verhältnis der hellenistischen Monarch(i)en zur griechischen Polis. A. Heuss [5.2: Stadt und Herrscher] hat sich für ein quasi-völkerrechtliches Verhältnis ausgesprochen, insbesondere E. J. Bickerman [5.2: Cité grecque] und W. Orth [5.2: Königlicher Machtanspruch] dagegen. Ein weiteres Feld in diesem wissenschaftlichen Disput ist von C. Mileta [5.2: King, u. 5.2: König] erschlossen worden: Alexander und die hellenistischen Einflüsse veränderten danach die Lage in Kleinasien grundlegend und bereiteten den Boden für die Einrichtung der römischen Provinz Asia. K. Buraselis hat in einem neuen Ansatz versucht, diese Beziehungen zwischen Poleis und König im Ptolemaierreich mit ihrer Einordnung in das Verhältnis von Peripherie und Zentrum zu erklären, und zwar sei für das Ptolemaierreich die Ägäis die „innere Peripherie“, die griechischen halbautonomen Poleis die äußere [Ambivalent Roles, 253] gewesen. Andere neue Forschungstendenzen richten sich gegen eine wertende, ausschließlich negative Sicht des Autonomieentzuges in den äußeren Be-
Monarchen und Poleis
Polis und Autonomie
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Gleichgewicht der Mächte?
5. Reichsbildung
ziehungen der Poleis durch die hellenistischen Könige; vielmehr habe die hellenistische Polis bis in die römische Zeit hinein unvermindert weiterexistiert, ein ausgesprochenes Selbstbewusstsein an den Tag gelegt und sei gleichsam modellhaft für andere Städte geworden [P. Cartledge, Hellenistic Constructs, bes. 8–10]. Nach dieser Auffassung seien auch die griechischen Staatenbünde „sufficient to disprove the notion that Greek political ingenuity was exhausted in the Hellenistic period“. Insbesondere der Achaiische und der Aitolische Bund seien „practical alternatives to the single polis as power unit“ gewesen [10]. Andererseits hätten die Städte an Handlungsspielraum verloren: „For most individual Hellenistic poleis, the Greek game of international politics consisted essentially in diplomacy“ [11]. M. Bertoli [Sviluppi] hat die Entwicklung des Autonomiekonzepts im 4. (seit dem Aristoteles-Dekret) und 3. Jahrhundert untersucht und dabei einerseits die fortwährende Nutzung des Konzepts, anderseits wesentliche, aber meist pragmatisch begründete Veränderungen herausgearbeitet. Ein wesentliches Element des hellenistischen Polissystems war schließlich der Euergetismus, der in den letzten zwei Jahrzehnten umfassend quellenmäßig erfasst und analysiert worden ist [etwa P. van Minnen, Euergetism; K. Bringmann (Hrsg.), Schenkungen; und 5.1: R.A. Billows, Kings and Colonists]. Allerdings lebt auch die traditionelle Forschungsthese „Doomed to extinction: the polis as evolutionary dead end“ weiter fort, wie die Arbeiten von W.G. Runciman [Doomed] und V.D. Hansen [War] zeigen: Die Städte seien machtlos, militärisch passiv, generell dekadent gewesen. Ein differenzierteres Bild als Antwort darauf hat jetzt J. Ma [3.3: Fighting Poleis] gezeichnet, der systematisch die militärischen Aktivitäten von Poleis in hellenistischer und römischer Zeit herausarbeitet. Eine bedeutende Rolle spielen dabei die Autonomie- und Freiheitserklärungen hellenistischer Könige für griechische Städte, die insbesondere A. Heuss [5.2: Stadt und Herrscher u. Freiheitserklärung] untersucht hat [zusammenfassend auch 1: A. Demandt, Antike Staatsformen, 306–310]. Die Anschauung des außenpolitischen Verhältnisses der hellenistischen Staaten untereinander war lange Zeit von der nahezu unumstrittenen Vorstellung geprägt, dass die gesamte hellenistische Epoche, mindestens aber das 3. Jahrhundert, von einem Gleichgewicht der Mächte als Prinzip geprägt gewesen sei. Die Grundlage für diese Sicht hatte zunächst der große russische Gelehrte M. Rostovtzeff [Hellenistische Welt, 142] gelegt. Sie wurde dann von Rechtshistorikern wie P. Klose [4.7: Völkerrechtliche Ordnung] ausgestaltet. Die Genese dieser Theorie war nicht unwesentlich von den Machtverhältnissen der Frühen Neuzeit beeinflusst; sie kann sich aber auf keine begriffliche Entsprechung aus der Zeit des Hellenismus selbst stützen, und auch dem Historiker des 2. Jahrhunderts v.Chr., Polybios, kann sie beim besten Willen nicht abgerungen werden. Im Gegenteil: Jedes einzelne Reich versuchte, wenn möglich, dieses angebliche Gleichgewicht zu verändern und in die Fußstapfen Alexanders zu treten. Zu Recht erfolgte
5.3 Die hellenistischen Reiche und das „Gleichgewicht der Mächte“
163
daher die Kritik an dieser These von H. U. Wiemer [3.1: Krieg, Handel, 33–36; 353–356]. Zur Instabilität des Hellenismus siehe insbesondere C. Préaux [Monde hellénistique I, 183–220; 259–357]. Konstituanten des außenpolitischen Systems waren vielmehr Dauergegensätze, wie etwa zwischen den griechischen Bundesstaaten und dem makedonischen Königreich, und für die Ptolemaier war insbesondere der Gegensatz zum Seleukidenreich grundlegend [s. 5.2: W. Huss, Ägypten, 363: „... einer der Grundsätze der ptolemaiischen Außenpolitik darin bestand, die jeweils stärkste Macht Kleinasiens zu unterstützen, die zur seleukidischen Zentralregierung in einem Gegensatz stand ...“]. Es gelang aber keiner der Mächte, vor der römischen Herrschaft ein dauerhaftes Übergewicht zu gewinnen, so dass zeitweilige Gleichgewichtsphasen durchaus erkennbar sind. Die bedeutende Rolle des Krieges in der hellenistischen Zeit hat jetzt umfassend A. Chaniotis [3.3: War] untersucht. Zum Niedergang der hellenistischen Reiche – spätestens 30 v.Chr. war dieser endgültig vollzogen – gibt es in der Forschung weitreichende Überlegungen. In den neuesten Arbeiten wird der Begriff „Niedergang“ selbst – und dies nicht nur für die hellenistische Welt, sondern z. B. auch für die „Soldatenkaiserzeit“ oder die Spätantike – zunehmend in Frage gestellt und durch neutralere Begriffe wie „Transformation“ u. ä. ersetzt. Richtig wird in diesem Zusammenhang betont, dass nicht alle gesellschaftlichen, regionalen und kulturellen Entwicklungen von Krisensymptomen in gleicher Weise erfasst werden. Allerdings ist ein politischer Niedergang der hellenistischen Reiche aus der Perspektive der Zentrale nicht zu bestreiten, zuerst bei den Seleukiden, deren östliche Besitzungen sich ziemlich schnell verselbstständigten bzw. abspalteten [J.D. Lerner, Impact]. Einen anderen Aspekt der Krise bzw. Transformation des Seleukidenreiches, nämlich die Titulatur, untersucht F. Muccioli [Crisi]. Danach habe eine titulare Übernahme von den Lagiden im 2. Jahrhundert stattgefunden, da die Könige schwach und die „Kanzler“ stark gewesen seien. Freilich sind die Ergebnisse solcher Niedergangsuntersuchungen wesentlich abhängig von den jeweiligen Perspektiven. Roms Aufstieg zur Weltmacht dürfte allerdings als zentraler außenpolitischer Faktor eines Niedergangsprozesses des politischen Hellenismus, also nicht nur der Seleukiden, sondern auch der Ptolemaier und anderer Reiche, unstrittig sein. In diesem Sinne wird die Geschichte der späten Seleukiden von 164 [Tod Antiochos’ IV., s. dazu jetzt P.F. Mittag, Antiochos] bis zur Einrichtung der Provinz Syria (63 v.Chr.) jetzt unter Auswertung aller zur Verfügung stehenden Quellen, insbesondere der Numismatik, in der bereits erwähnten Habilitationsschrift von K. Ehling [Untersuchungen] erhellt.
Niedergang
164
5. Reichsbildung
5.4 Der römische „Imperialismus“: die Reichsbildung seit 264 v.Chr.
Expansion
Charakter der römi schen Reichsbildung
„Defensiver Imperialismus“?
Rom hat das größte und dauerhafteste Reich der Antike „gebildet“ und verdient von daher unsere besondere Aufmerksamkeit. Denn in diesem Falle ging die Reichsbildung mit einer stetig zunehmenden territorialen Ausdehnung einher (was ja, wie im Falle der hellenistischen Reichsbildung gesehen, nicht unbedingt zusammengehört), ja mehr noch: die expansive Außenpolitik Roms als die Voraussetzung für die Reichsbildung wirkte massiv zurück auf die Gestalt der inneren Ordnung. Die moderne Forschung ist deshalb nicht davor zurückgeschreckt, die römische Reichsbildung als Imperialismus zu charakterisieren, der zur Verdeutlichung mit Attributen wie „defensiv“, „aggressiv“ u. ä. versehen wurde. Das ist methodisch außerordentlich problematisch, denn obwohl natürlich Imperialismus vom lateinischen Imperium abgeleitet ist, kennt die lateinische Sprache kein Pendant zu dem neuzeitlichen Begriff [A.W. Lintott, What was]. Die Interpretation der Vorgänge um die Reichsbildung der Römischen Republik als bewusst und aggressiv imperialistisch, „defensiv imperialistisch“ oder gar nicht imperialistisch ist freilich müßig und zudem mit einem allzu schillernden Begriff aufgeladen. In dieser Frage hat – aus einem „metrocentric approach“ heraus [so C.B. Champion (Hrsg.), Roman Imperialism] – einmal mehr T. Mommsen die Maßstäbe der folgenden Diskussionen gesetzt, obwohl er nicht den Begriff Imperialismus verwendete. Mommsen war der Auffassung, dass Rom außenpolitisch lediglich die als nationale Einigung begriffene Herrschaft über Italien absichern wollte, aber die Umstände geradezu die Expansion erzwangen. Die angelsächsische Forschung [zuerst wohl 4.8: T. Frank, Roman Imperialism; dann 4.8: H. H. Scullard, History; v. a. aber 2.2: W. V. Harris, War and Imperialism] hat diesem Mommsen’schen Konzept das paradoxe Etikett „defensive imperialism“ angeheftet. Wissenschaftlich begründet hat Mommsens Theorie insbesondere M. Holleaux [3.5: Rome, la Grèce] und dann in Deutschland auch A. Heuss in mehreren Arbeiten. Diese Theorie hat sehr viele und gewichtige Anhänger, aber auch Widersacher (zuerst in Italien) gefunden. Letztere führten – aber doch stets aus der römischen Perspektive – wirtschaftliche, standespolitische, bündnispolitische Parameter an, um den aggressiv imperialistischen Charakter der römischen Außenpolitik freizulegen. In einer interessanten Studie von 1976 hat L. Perelli [Punti di vista] den Versuch unternommen, die Stellungnahmen zum römischen Imperialismus in das jeweilige persönliche Profil und Umfeld des betreffenden Forschers zu verlagern; danach hätten zunächst die englischen Autoren Mommsen unterstützt, weil sie die Politik ihres eigenen, des britischen Reiches ebenso deuten wollten, die Franzosen dagegen hätten ihn kritisiert (mit Ausnahme des freilich englisch sozialisierten M. Holleaux) und die Italiener hätten im Zeitalter des Faschismus je nach politischer Farbe unterschiedlich geurteilt. Diese in ihrem Ansatz anregende Deutung weist freilich
5.4 Der römische „Imperialismus“: die Reichsbildung seit 264 v.Chr.
165
für eine Generalisierung zu viele Ausnahmen auf. Neben der persönlichen Haltung zum Phänomen Imperialismus in der Neuzeit ist man vielerorts in der Bewertung der römischen Expansion geneigt, die Zielsetzung vom Ergebnis her zu erschließen. Die Kritik an Mommsen ist freilich heute Gemeingut geworden, und so hat auch P. de Souza [They are enemies] den „defensiven Imperialismus“ einmal mehr als Rechtfertigung von Aggression entlarvt; er bediente sich dabei eines Vergleichs mit dem britischen und dem französischen Imperialismus. Eine neue Bestandsaufnahme, diesmal mit politologischem Einschlag und (bezogen auf die Deutung der „internationalen Beziehungen“) „realistischer“ Einordnung des römischen Imperialismus ist das Sammelwerk von C.B. Champion [Roman Imperialism], das auch die wichtigen angelsächsischen Beiträge von Harris, Gruen, MacMullen und Isaac enthält. Demgegenüber erscheint der Ansatz von M. Kostial [3.9.2: Kriegerisches Rom] eher naiv, römischen Imperialismus grundsätzlich zu negieren und dies allein mit dem Hinweis auf das ius fetiale zu begründen, was denn auch ziemlich scharf von W.V. Harris [Rez. Kostial] angegangen wurde. A. und P. Eich haben allerdings kürzlich die Untauglichkeit des Begriffs erneut betont [Eich/Eich, War and State-Building, 32: „The so-called Roman ‚imperialism‘ was a rather typical state-building process in a coercion-intensive region.“] Ein kurzer Überblick über den Charakter der römischen Außenpolitik liegt jetzt vor mit B. Dreyer [Innenpolitik, 105–120]. Roms Ausgreifen über die Grenzen Italiens hinaus – also seine „weltimperialistische Periode“, wie A. Heuss [Die Römer, 1527] es nennt – begann mit dem Ersten Punischen Krieg im Jahre 264. Diesem Ereignis und insbesondere der Kriegsschuldfrage galt deshalb immer das besondere Interesse der Forschung. Alle denkbaren Möglichkeiten wurden diskutiert, um diesen Sachverhalt zu erklären: Ging es den Römern um die Vollendung und dauerhafte Absicherung der „Einigung“ Italiens [so T. Momm sen, Römische Geschichte I 1, 6]? Handelte es sich um einen Präventivkrieg [so W. Hoffmann, Hilfegesuch] oder um bloße Risikobereitschaft [so K. W. Welwei, Hieron II., 586]? Fühlten sich die Römer zum Schutz von Verbündeten (nämlich den Mamertinern) im Rahmen ihrer eigenen Bindung an die fides verpflichtet [so A. Heuss, Der Erste Punische Krieg]? Sind beide Seiten in den Krieg eher „hineingeschlittert“ [so mit direktem Bezug auf 1914 D. Hoyos, Unplanned Wars]? Zuletzt hat H. J. Gehrke [Die Römer im Ersten Punischen Krieg] den Blick auf die inneren Verhältnisse Roms gelenkt. Ausgehend von der aktuellen modernen Debatte über demokratische Strukturen im republikanischen Rom führt er die besondere Identifikation der Bürger mit den politischen Angelegenheiten der Stadt ins Feld. Sie sei – neben anderen, teilweise bereits genannten Gründen, wie dem Schutz der Bundesgenossen, der Prädisposition der Römer als Kriegervolk [D. Hoyos, Unplanned Wars; 1: J. Rüpke, Domi militiae; 3.9.2: M. Kostial Kriegerisches Rom] oder der besonderen Struktur der römischen Religion
1. Punischer Krieg Gründe und Motive
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Folgen der Expansion
Provinzialverwaltung
5. Reichsbildung
[1: J. Rüpke, Domi militiae, 247; ferner in: Religion] – maßgeblich für die Kriegsentscheidung sowie die erstaunlich hartnäckige, sich auch durch Rückschläge nicht entmutigen lassende Kriegführung verantwortlich gewesen. Eine ganz andere Deutung des Ersten Punischen Krieges hat B. Bleckmann [Römische Nobilität] vorgelegt. Sie gründet auf einer Neubewertung der vorliegenden Quellen – Cassius Dio/Zonaras erhält dabei gegenüber Polybios ein höheres Gewicht – und wartet mit einem Ergebnis auf, das man eher für die Außenpolitik des 1. Jahrhunderts erwartet hätte. Außenpolitik war danach ein Wettbewerbsfeld von Angehörigen eines strukturell aggressiven Adels [so jetzt auch 2.2: T. J. Cornell, Beginnings, für die Samnitenkriege]. Auch die Zeitgenossen machten sich ihre Gedanken über die Gründe für den römischen Reichsbildungsprozess, den sie hautnah miterlebten. Erhalten geblieben ist die Interpretation eines griechischen Augenzeugen, nämlich Polybios. Als generelle Erklärung für den Erfolg und die Stabilität Roms (natürlich immer im Vergleich zu den Griechen) sieht der ursprüngliche Widersacher Roms vom Achaiischen Bund weder Habgier noch Größenwahn, sondern das logische Wirken des Schicksals und eine Höherwertigkeit des römischen Staates, keine natürliche (auf fu/siv/phýsis beruhende), sondern eine verfassungsmäßige [s. A.M. Eckstein, Moral Vision]. Die Römer selbst scheinen v. a. ihre moralische Überlegenheit (virtus, constantia, disciplina, fides) hervorgehoben zu haben [A. Heuss, Die Römer, 1533]. Die Folgen der Expansion für Rom und die Welt haben gleichfalls nach Erklärungen verlangt. Die mit dem Ersten Punischen Krieg begonnene Reichsbildung der Römischen Republik hat massiv zurückgewirkt auf die innere Ordnung und ab der Mitte des 2. Jahrhunderts zu einer mehr als 100-jährigen Krise geführt. Dass für diese Entwicklung die Expansion mitverantwortlich war, ist seit den Überlegungen Montesquieus [in den „Considérations sur les causes de la grandeur des Romains et de leur décadence“ von 1734], im Grunde aber schon seit der Antike (Sallust, Cicero, Appian) communis opinio. Im Kern geht es dabei um den Widerspruch zwischen unverändert beibehaltener stadtstaatlicher Ordnung und der Realität eines riesigen Weltreiches mit eigenen Ansprüchen und Aufgabenfeldern. Dazu sind die wichtigen Ausführungen bei K. Christ [Krise und Untergang] und V. Fadinger [Staat als Beute, mit Forschungsdiskussion] heranzuziehen. Zur republikanischen Provinzialverwaltung gibt es eine Fülle von Arbeiten, welche sich auch nach mittlerweile über einem halben Jahrhundert in dem monumentalen Werk von D. Magie [Roman Rule] über die römische Herrschaft in Kleinasien bis in das 3. Jahrhundert n.Chr. verdichten. Diese Arbeiten schreiben, in der Intention gleichsam lückenlos, die Verwaltungsgeschichte jeder einzelnen Provinz. Weniger liegen wirkliche, die Einzelstudien verbindende Gesamtuntersuchungen zur Reichsbildung vor, sieht
5.4 Der römische „Imperialismus“: die Reichsbildung seit 264 v.Chr.
167
man von den Beiträgen in Handbüchern ab. Diesem Mangel hat, aus der Perspektive Roms, jetzt R. Schulz [Herrschaft u. (zusammengefasst) Zwischen Kooperation] abgeholfen. Die Betonung liegt dabei auf den Regierungspraktiken und repräsentativen Aufgaben des Statthalters. Eine noch darüber hinausgehende und die Kaiserzeit berücksichtigende Untersuchung hatte bereits A.W. Lintott [3.6: Imperium] vorgelegt. Der Gewinn dieser Forschungen zur Reichsordnung liegt in der richtigen Beobachtung, dass römische Verwaltung in der Republik mit einem vergleichsweise (gewiss bezogen auf den modernen Staat, aber wie fällt der – wichtigere – Vergleich mit früheren und zeitgenössischen Herrschaftssystemen aus?) geringen bürokratischen Apparat auskommen musste und deshalb den persönlichen Kontakten zwischen Statthaltern und Provinzialen sowie den verschiedenen Kommunikationsebenen eine erhebliche Bedeutung zukam. Insbesondere R. Schulz [Zwischen Kooperation, 493] hebt als besondere Leistung des römischen Systems hervor, dass es „die lokalen Eliten ganz unterschiedlicher Gebiete und Provenienz ... im Laufe von rund 150 Jahren durch die Überlassung lokaler Herrschaftsaufgaben und die Beteiligung an einem gemeinsamen aristokratischen Lebensstil an sich gebunden“ habe. Dies habe eine größere Rolle für die Konstanz der Herrschaft gespielt als Androhung und Ausübung von militärischer Gewalt und Präsenz vor Ort mit einem großen Beamtenapparat. Für die Republik trifft diese Darstellung weitgehend zu, auch wenn sie wohl die Praxis römischer Verwaltung in einem allzu rosigen Licht zeigt. Weiterführend waren die in den letzten Jahrzehnten insbesondere auf angelsächsischer Seite geführten Diskussionen über den Charakter römischer Herrschaftspolitik. E. Badian hat 1958 in seinem wichtigen Buch über die auswärtigen Klientelbeziehungen [3.5: Foreign clientelae] herausgearbeitet, dass die Römer das ihnen zu Hause so vertraute Klientelverhältnis auch auf die äußeren und herrschaftlichen Beziehungen übertragen und so ein zwar nicht institutionalisiertes, wohl aber personales Abhängigkeitsverhältnis zu den eroberten Regionen hergestellt hätten. Einige Zeit später hat E. Gruen [1: Hellenistic World] die gegenteilige Auffassung vertreten, nämlich dass das römische Klientelwesen überhaupt keine Rolle in den äußeren Beziehungen gespielt habe, vielmehr habe sich die römische Politik im Osten viel stärker als bislang angenommen hellenistischen Strukturen angepasst. Ein Schüler von Gruen, R.M. Kallet Marx, hat [Hegemony] diese Debatte um eine eigene Theorie, nämlich von der allmählichen Entwicklung römischer Herrschaft bis hin zur Neuordnung des Ostens durch Pompeius, erweitert. Die Auffassungen, mit denen sich auch die deutsche Althistorie auseinandergesetzt hat [s. nur 3.6: J. Blei cken, Rezension Badian], divergieren freilich nicht so scharf voneinander, wie es manchmal in der Diskussion den Anschein hat. Vielmehr liegt ihnen allen die Erkenntnis des wesentlichen Merkmals römischer Politik der republikanischen Zeit zugrunde: die Übernahme, Beibehaltung und
Art der Herrschaftspolitik
Klientel als politi sches Instrument?
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Epochen der Reichsbildung
Pompeius als Schlüsselfigur
5. Reichsbildung
schließlich Umdeutung bestehender Einrichtungen. Die im Grunde seit dem inschriftlich erhaltenen Aitolervertrag von 212 [s. dazu bes. 2.2: W. Dahlheim, Struktur] immer wieder auftretenden römisch-griechischen Missverständnisse, über die uns Polybios und Livius berichten, können so erklärt werden, dass die Römer hellenistische Ordnungsvorstellungen (Gruen) in römische Begriffe zu übersetzen versuchten (Badian). Jüngst wurde von P.J. Burton [3.5: Clientela] dezidiert gegen Badian unter Berufung auf Gruen der Verzicht auf den Begriff clientela nahegelegt und sein Ersatz durch amicitia als passendere Umschreibung der auswärtigen Beziehungen Roms vorgeschlagen. Doch scheint mir die römische Politik besser charakterisiert zu sein, wenn wir den aus dem Inneren herausgelösten Begriff „Klientel“ in neuer inhaltlicher Färbung weiter verwenden [gegen 3.5: C. Eilers, Roman Patrons], statt auf einen bereits als Terminus technicus festgelegten Begriff auszuweichen, der als außenpolitisches Mittel zwar Bedeutung hat, die zugrundeliegenden Strukturen aber nicht analytisch kennzeichnet. Insgesamt lassen sich die von der Forschung herausgearbeiteten Erkenntnisse zur römischen Reichsbildung von etwa 200 bis 63 v.Chr. so in aller Kürze zusammenfassen: 1. In der Zeit von 200–146 (an dieser Epocheneinteilung ist festzuhalten, pace Kallet Marx, der das Jahr 146 für keine tiefgreifende Zäsur hält): Versuch einer Herrschaft ohne wesentliche herrschaftliche Präsenz, angesiedelt zwischen völkerrechtlichen Verträgen, beneficia, Klientel- und Freundschaftsverhältnissen. Rom engagierte sich in direkter Form wenig und hoffte darauf, dass zufriedene Reichsangehörige keiner direkten militärischen und politischen Kontrolle bedürften. 2. Nach 146 änderte sich angesichts zunehmender Probleme diese Form der Herrschaft; man richtete jetzt immer konsequenter Provinzen ein, ging auch rauher mit den Untertanen um und litt im Innern an ordnungspolitischen und sozialen Krisen. Das Reich „stagnierte“ fast, was sich insbesondere an der Restaurationspolitik Sullas, die gänzlich auf die stadtrömische Regierung zugeschnitten war, deutlich zeigte. 3. Erst mit den organisatorischen Maßnahmen des Pompeius (65–63) stellte sich das Reichsproblem für die Römer neu. Zum ersten Mal konnte mit vollem Recht behauptet werden, dass ein Römer über die gesamte bewohnte Welt triumphiert hatte (Cassius Dio 37,21,2). Der Triumphzug des Pompeius brachte mit seiner Monumentalität, den bildlichen Darstellungen und den Verzeichnissen besiegter Länder und Völker, deren Namen man noch nicht einmal gehört hatte, genau dies zum Ausdruck. Die Einbeziehung der abhängigen Fürstentümer in das zunehmend als „Erdkreis“ (orbis terrarum) verstandene Reich bereitete sich vor. Der Neuordnung des Ostens durch Pompeius nach dem Krieg gegen Mithridates kommt also eine Schlüsselstellung in der römischen Reichsbildung zu, die an anderer Stelle ausführlich begründet worden ist [E.
5.4 Der römische „Imperialismus“: die Reichsbildung seit 264 v.Chr.
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Baltrusch, Auf dem Weg]. Die Forschungen zur Person und Politik des Pompeius wurden lange Zeit durch den Stempel der Niederlage gegen Caesar geprägt, sein Bild war – im Positiven oder (in der Neuzeit häufiger) im Negativen – ein Gegenbild Caesars. Immer wieder wurde der Maßstab Caesar, welcher ja durch Mommsens Verklärung in übermenschliche Dimensionen entrückt war, angelegt, was eine eigenständige Auseinandersetzung mit dem Werk des Pompeius eher erschwerte. Ein erster, noch immer im Banne Caesars stehender Versuch, Pompeius gerecht zu werden, war der von Ed. Meyer [Caesars Monarchie]. Eine erfolgreiche Neubewertung muss über die Politik selbst erfolgen, sie darf sich nicht von dem durch das eher negative Urteil zeitgenössischer Quellen (Cicero, Caesar, Sallust) entstellten Bild des Pompeius leiten lassen. Die Neuordnung des Ostens verweist auf den augusteischen Prinzipat. Ihre Bewertung durch die neuere Forschung kann an dieser Stelle nur summarisch zusammengefasst werden und speist sich aus den weiterführenden Arbeiten von M. Gelzer [Pompeius], R. Seager [Pompey], A.N. Sherwin White [Lucullus, Pompey] und K. Christ [Pompeius]. Danach lassen sich fünf Pfeiler für die pompeianische Neuordnung des Ostens ausmachen: 1. die systematische Zweiteilung des Herrschaftsraums in Provinzen und Klientelstaaten, 2. die bewusste Urbanisierung als Teil der römischen Herrschaftspolitik, 3. die Installation einer „neuen Mitte“ in der Person des Machthabers, des höchsten Patrons – in diesem Falle Pompeius selbst, in der Zukunft der Kaiser; 4. die Intensivierung der Kommunikation zwischen Herrscher und Beherrschten, welche die eher langsamen und de facto nur in eine Richtung verlaufenden Kontakte zunehmend ablösten; 5. die Betonung der urkundlich nachweisbaren und zurückzuverfolgenden Rechtslage als Grundlage für alle personellen und territorialen Entscheidungen. Diese Aspekte sind insbesondere aus dem gut dokumentierten Umgang des Pompeius mit dem jüdischen Gemeinwesen um Jerusalem abzuleiten, das 63 v.Chr. in den Ausläufern des Mithridates-Krieges erobert wurde. Das Neue an dieser dauerhaft gültigen Ordnung bestand nicht in einer Erfindung neuer Herrschaftsformen und -praktiken, sondern in deren von Pompeius bewusst durchgeführter Systematisierung. Demgegenüber ist die Bürgerkriegszeit in ihrer Bedeutung für die „Reichspolitik“ noch nicht untersucht worden. Die bisherigen Forschungen konzentrierten sich eher auf das Zwischenspiel des Zweiten Triumvirats als Brücke innerrömischer Entwicklungen zwischen der Monarchie Caesars und dem Prinzipat des Augustus. Es wäre durchaus lohnend, den Stellenwert von „Reichspolitik“ und „Außenpolitik“ seit dem Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius (49 v.Chr.) und dem sich anschließenden Transformationsprozess von der Republik zum Prinzipat zu untersuchen. Wie veränderte sich „Außenpolitik“ in der Übergangszeit, als es weniger um die Alternative Republik oder Monarchie als vielmehr um die Person des Monarchen ging und sich die Grenzen zwischen innerer und äußerer
Neuordnung des Ostens
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Rom und das Meer
5. Reichsbildung
Klientel der Generäle zunehmend verwischten? Damit befasst sich die Dissertation von C. Wendt [1: Sine fine]. Auf einen besonderen Aspekt der römischen Weltreichsbildung sei zum Abschluss noch hingewiesen, da er in neueren Forschungen thematisiert wurde. Diese republikanische Weltreichsbildung integrierte nicht nur große Landmassen, sondern führte auch zur Eroberung des gesamten Mittelmeers sowie zur Erschließung weitgehend unbekannter Meere. Diesem Phänomen hat sich jüngst R. Schulz [z. B. R. Schulz (Hrsg.), Aufbruch] in mehreren Aufsätzen, einer Monographie und einem Sammelband zugewandt, mit der Perspektive, vergleichend die maritimen Expansionen in verschiedenen Epochen miteinander in Beziehung zu setzen und sie auf konkrete Fragestellungen hin zu untersuchen. 5.5 Das Imperium der Kaiserzeit
Quellenlage
Rolle des Reiches
Im Brennpunkt des Forscherinteresses, was das Thema Reichsbildung angeht, stand und steht die Republik, während, wie schon erwähnt, die Bürgerkriegszeit als Bindeglied zwischen Republik und Prinzipat in dieser Frage noch wenig untersucht wurde. Die Forschungen zum Reich und seiner Struktur, zur Verwaltung, zur Außenpolitik und zum Umgang mit den Fremden und Untertanen in der Kaiserzeit sind dagegen unübersehbar und können hier nicht einmal in ihren allergröbsten Zügen referiert werden. Es sollen an dieser Stelle jedoch wenigstens die zentralen Fragen vorgestellt und auf Desiderate hingewiesen werden. Dass die Forschung gerade zur Kaiserzeit ständig im Wandel begriffen ist, liegt nicht nur an immer neuen, jeweils zeitbezogenen Fragestellungen, unter denen die vorhandenen Quellen bearbeitet werden, sondern auch an einer sich kontinuierlich vergrößernden Quellenlage. Diese ist gerade für die Kaiserzeit außerordentlich ergiebig. Natürlich gilt das nicht für die literarischen Quellen – hier sind auch kaum noch spektakuläre Neufunde zu erwarten –, aber die Kaiserzeit war die Zeit der Inschriften. Diese bilden neben der durch ständige Grabungen erweiterten materiellen Hinterlassenschaft, den Münzen und (für das östliche Imperium zumindest) auch den Papyri ein schier unerschöpfliches Reservoir für die Erforschung des Reiches, seiner Idee, seiner Funktionsweise, seiner Verwaltung, seiner Außenpolitik, seiner Sicherungssysteme, seiner Untertanen. Unbestritten ist, dass das „Reich“ an sich im Prinzipat eine gewichtigere Rolle spielte als in der Republik, in der alles Trachten der politischen Elite, der Nobilität und ihrer Institution Senat, auf die res publica Roms, auf den in ihr allein möglichen Wettbewerb und das Funktionieren der städtischen Ordnung hin ausgerichtet war. Gebildet nach blutigen Bürgerkriegen und im Ursprung eine Militärmonarchie, brachte der Prinzipat die erforderliche Modernisierung in Form einer Konstruktion als res publica restituta, als „wiederhergestellte Republik“ und gerade nicht in einer völligen Umwand-
5.5 Das Imperium der Kaiserzeit
171
lung, als Monarchie oder Diktatur, mit sich; es sollten möglichst viele Bausteine der neuen Ordnung auf eine lange Tradition zurückblicken können. Eine expansive Außenpolitik gehörte gewiss zu den herausragenden Aktivposten der Republik, an welchem sich gerade die Nobilität den größten Anteil zuwies; sie zu ändern, bestand weder Anlass noch Notwendigkeit, da man seit 67 v.Chr., in Zeiten der schwersten Krise, so erfolgreich wie nie zuvor war und die Bürgerkriegsgeneräle Pompeius, Caesar, Antonius, Sextus Pompeius und Octavian-Augustus gewaltige Heere aufgestellt hatten, welche nun nach dem Sieg des letzten Generals neuer Aufgaben harrten. 27 v.Chr., in der formellen Geburtsstunde des Prinzipats, standen somit die zwei wichtigsten Voraussetzungen für außenpolitische Expansion zur Verfügung: der gesellschaftliche Konsens und die Mittel, ihn umzusetzen. Der hier kurz skizzierte Rahmen ist in der Forschung unumstritten, doch die Voraussetzungen dafür sind Gegenstand intensiver Forschungen; für das Heer kann an dieser Stelle auf den knappen, doch instruktiven Forschungsbericht bei W. Dahlheim [3.3: Römische Kaiserzeit, 226–233] verwiesen werden. Die andere Voraussetzung, der gesellschaftliche Konsens, drückte sich für jedermann sichtbar in der Weltherrschaftsideologie der Kaiserzeit aus (Vergil Aen. 1, 278f.). Erst allmählich hat sich die Forschung auf das Vorhandensein einer solchen Ideologie verständigt und sich von den Urteilen Mon tesquieus [5.4: Considérations, Kapitel XIII] und E. Gibbons [Decline and Fall I, Kap. 1] gelöst. Der Widerspruch dieser Interpretation zu den Aussagen des augusteischen Rechenschaftsberichts (res gestae) und den zeitgenössischen Dichtern ist evident. Er erklärt sich aus der Spannung zwischen Ideologie und praktischer Politik. Diese Spannung bestimmt bis heute die Deutung kaiserzeitlicher Außenpolitik zwischen den Polen Friedens- und Grenzsicherungspolitik einerseits und schrankenloser Expansion andererseits. Stellvertretend für die erste Variante sei die Position von H.D. Meyer [Außenpolitik] angeführt, nämlich dass Augustus „mit Entschiedenheit die Außenpolitik auf eine grundsätzliche Defensive umgestellt habe“. Jüngst machte H. Sidebottom [3.3: Roman Imperialism] die veränderten inneren Strukturen für das Abflauen von „Imperialismus“ im Kaiserreich verantwortlich; ausgehend von der (freilich nicht bewiesenen) Vorannahme, dass die republikanische Expansion die strukturell bedingte Gewinnsucht des Adels befriedigen sollte, konstatiert Sidebottom, dass die kaiserzeitliche Elite und der Kaiser selbst andere Wege zu wirtschaftlichen Gewinnen beschritten und Kriege strukturell nicht mehr notwendig waren. Der Gegenposition ist unter den Neueren insbesondere M.T. Schmitt [Römische Außenpolitik, 200] verpflichtet: „Die Macht der Tradition ... zwang Augustus und dessen Nachfolger dazu, ihren persönlichen Machtanspruch mit dem imperialen Anspruch auf die Weltherrschaft zu legitimieren“. Beide Positionen sind freilich nur scheinbar konträr, denn es ist zwischen der ideologischen Forderung nach Herrschaft über den orbis
Weltherrschafts ideologie
Pragmatismus und imperiale Strategie
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Regionale Detailforschung
5. Reichsbildung
terrarum und den zumal materiellen Sachzwängen einer pragmatisch orientierten Außenpolitik zu unterscheiden: so W. Dahlheim [3.3: Römische Kaiserzeit, 79–85] und J. Bleicken [Augustus, 755, mit Verweis auf weitere Forschungsliteratur]; einen glänzenden Überblick bietet D. Kienast [Augustus]. Dass die Untertanen eine andere Perspektive hatten und z. B. die Griechen, wie sie in ihren zeitgenössischen Schriften kundtaten, von der Expansion eher abrieten, ist von M.T. Schmitt herausgearbeitet worden. Bereits zwanzig Jahre zuvor hat E.N. Luttwak [Grand Strategy] die römische Reichspolitik aus militärhistorischer Sicht analysiert und hier insbesondere das Augenmerk auf die Handlungsräume der sog. „Klientelstaaten“ gerichtet („buffer states“). In einer Studie zur imperialen Strategie in der Zeit des Prinzipats (31 v.Chr. bis 235 n.Chr.) hat jetzt auch S.P. Mattern [Rome and the Enemy] die beiden oben herausgestellten konstitutiven Elemente und auch die republikanische Kontinuität der kaiserlichen Außenpolitik betont. Grundsätzlich kann man sagen, dass dies in der heutigen Forschung die überwiegende Tendenz ist, während in der älteren Forschung doch eine Zäsur bei Augustus in Richtung auf eine eher friedensbetonte, bewahrende Außenpolitik festgestellt wird. Aktuell kann man die neuere Tendenz in den Veröffentlichungen des Trierer Sonderforschungsbereichs zu „Roms auswärtigen Freunden“ in Republik und frühem Prinzipat feststellen [etwa 1: A. Çoskun/H. Heinen, Roms auswärtige Freunde]. Ein interessanter neuer Blick auf innerrömische Deutungen der kaiserzeitlichen Expansion ist zuletzt D. Spencer [Roman Alexander] gelungen. Die Autorin verbindet – ausgehend von Wilckens [Alexander] Alexander-Deutung als einer „leeren Flasche“, in die man jeden Wein hineingießen könne – AlexanderBilder der römischen Zeit mit einer Deutung der zeitgenössischen Politik. Vor diesem Hintergrund gibt es auch eine veritable Liste von Forschungsarbeiten über den damaligen orbis terrarum. Den größten Bestandteil der Forschungen zum Reich der Kaiserzeit macht natürlich die regionenbezogene Einzelforschung aus; hier sind ungezählte Detailergebnisse erzielt worden, die an dieser Stelle nicht annähernd aufgearbeitet werden können. Als wichtige Einzelstudien wären z. B. zu nennen für den Donauraum V. Lica [Coming of Rome], für die „Nordgrenze“ P. Kehne [Formen römischer Außenpolitik], für Germanien D. Timpe in vielen und wichtigen Forschungsarbeiten [etwa Der römische Verzicht u. Romano-Germanica], J. Deininger [Flumen Albis], für Afrika A. Gutsfeld [Römische Herrschaft], für die Parther und den Orient M. Heil [Orientalische Außenpolitik] und F. Millar [Roman Near East u. Rome, the Greek World]. In diesen Studien werden die wesentlichen Hintergründe und militärischen Abläufe kaiserlicher Außenpolitik untersucht und immer stärkeres Gewicht auf die pragmatisch-konkreten Motive gelegt. In diesem Sinne untersucht etwa auch die noch nicht publizierte Habilitationsschrift von A. Luther [Nordmesopotamien] die orientalische
5.5 Das Imperium der Kaiserzeit
173
Außenpolitik in Bezug auf die teilweise provinzialisierten Klientelfürstentümer Hatra und Osrhoene bis zum 3. Jahrhundert n.Chr. Einen besonderen und anregenden Blick auf die Provence als eine römische Provinz, auf den dort ganz eigentümlichen Zusammenhang von Expansion, Romanisierung und Akkulturation in Republik und Kaiserzeit hat jetzt H. Botermann [Wie aus Galliern] geworfen – ein Blick, der vor allem lehrt, dass manche Regionen vom römischen „Imperialismus“ durchaus profitieren konnten und also grobe Verallgemeinerungen über dessen Charakter sich als kontraproduktiv erweisen. Zur Einrichtung des Klientelstaats auch in der frühen Kaiserzeit ist immer noch D. Braund [3.6: Friendly King] heranzuziehen. Eine Reichsbildung im Wortsinne hat es in der Kaiserzeit natürlich nicht gegeben, denn die Kaiser übernahmen ja das bereits existierende republikanische Reich und dessen Verwaltungsformen. Wohl aber wurde dieses Reich in wesentlichen Teilen umgeformt – oder besser in wenigen, dafür aber zentralen Teilen – und damit dauerhaft regierbar gemacht. Diesem Thema hat sich die moderne Forschung seit jeher intensiv zugewandt, nämlich zu erklären, warum das römische Imperium nach dem Übergang zum Prinzipat so stabil war und auch unter den Untertanen weitgehende Akzeptanz genoss. Gewiss war, wie schon in der Republik, so auch im Prinzipat die römische Flexibilität im Umgang mit den Untertanen ein wesentliches, jetzt aber von zentraler Stelle aus kontrolliertes Mittel, um unterschiedliche Herrschaftsgebiete in das Reich zu integrieren: M. Kon rad [Römisches Militär] kann anhand von drei Provinzen – Judaea, Arabia und Syria – zeigen, dass dabei dem Militär nicht nur bei der Sicherung der Gebiete, sondern auch deren Strukturierung und Organisation eine zentrale Funktion zukam; ähnlich A. Gebhardt [1: Imperiale Politik], während O. Stoll [Zwischen Integration] insbesondere die integrative Funktion des Militärs betont. Natürlich gehört in besonderem Umfange das gute Verhältnis zwischen Kaiser und Provinzialen zu den Voraussetzungen einer dauerhaften Stabilität, ein Forschungsgebiet, dem sich in neuerer Zeit etwa N. Schäfer [Einbeziehung] und C. Ando [Imperial Ideology] zugewandt haben. Für die Stellung Judäas und der jüdischen Diaspora im Imperium Romanum hat jetzt J. Wilker [3.6: Für Rom und Jerusalem] die zentrale Rolle der Herodianer – Nachfahren des großen Herodes wie Agrippa I. und II. und Berenike – als Vermittler bis zum Jüdischen Krieg herausgearbeitet. In dieser Fürstenfamilie fallen die außen- und innenpolitischen Dimensionen von römischer Herrschaftspolitik zusammen, und es zeigt sich, wie flexibel Rom an die „Reichsbildung“ heranging. Zu den Veränderungen, die die augusteische Neuordnung für die Juden in Kleinasien brachte, s. jetzt M. Schuol [Augustus]. Weitere Forschungen hängen mit der Durchdringung des Herrschaftsgebiets zusammen. „Romanisierung“ als ein im Spannungsfeld zu anderen Begriffen wie Imperialismus oder Globalisierung angesiedelter moderner Begriff ist ein wichtiger Untersuchungsgegenstand [s. präzisierend zum
Reform des Reiches
Durchdringung des Territoriums
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5. Reichsbildung
Begriff 5.1: J. Webster, Roman Imperialism, 6]. Des weiteren bemüht sich etwa D. J. Mattingly [(Hrsg.), Dialogues] darum, den Begriff selbst zu „dekonstruieren“ und verschiedene Perspektiven wie diejenige von Peripherie und Zentrum, Geographie oder Akkulturation in den Blick zu nehmen. Ein zentraler Quellentext in diesem Zusammenhang ist Tacitus, Agricola 21, der recht genau definiert, wie „verstreut lebende (i. e. nicht organisierte) und unzivilisierte Menschen“ (dispersi ac rudes homines) zu „Friedensliebe und Zivilisation“ (quieti et otio per voluptates), i. e. zur Akzeptanz römischer Herrschaft, geführt werden müssen. Dazu braucht es Städte, die wiederum mit römischen Bauten und Plätzen wie templa fora domos bestückt sein müssen: grundsätzlich zur Stadt als Verwaltungseinheit im Prinzipat etwa R. Bernhardt [3.2: Imperium und Eleutheria] und C. Böhme [3.2: Princeps und Polis]. Die Urbanisierung als Mittel der Herrschaft hatten also bereits die Zeitgenossen klar erkannt, sie steht auch im Focus des Forscherinteresses: s. schon M. Weber [Wirtschaft]. Der Status der Städte, über deren Verfassungen wir uns durch erhaltene Inschriften (etwa ILS 6087–9) ein Bild machen können, wurde entscheidend, und er bemaß sich in ihrer Beziehung zu Rom: Am nächsten standen die coloniae und municipia, weiter entfernt waren die übrigen civitates. Zur Rolle der Städte und ihrer Verwaltung für die römische Herrschaft s. F. Vittinghoff [(Hrsg.), Stadt und Herrschaft, bes. 11–249]. Ferner fällt nach Tacitus unter Romanisierung ein ganzes System von Belohnung und Bestrafung, Erziehung der Jugend unter römischer Verantwortung in den artes liberales, Einführung römischer Lebensart (habitus) wie Kleidung, Architektur, Badeanstalten und Speisesitten – Tacitus wusste auch genau, dass „bei Unbedarften humanitas (gepflegte, zivilisierte Lebensweise) heißt, was in Wirklichkeit servitus (blanke Sklaverei) ist“. Zur Stadt im Römischen Reich und ihrer herrschaftlichen Funktion hat jetzt auch W. Dahlheim [3.3: Wiege Europas] eine zusammenfassende und erhellende Studie vorgelegt. Das schon im Hellenismus erkennbare Spannungsverhältnis zwischen der tendenziellen Autonomie der Polis und dem übergeordneten „Staat“, hier: dem Imperium, hat die wichtige Studie von D. Nörr [Imperium und Polis] zum Thema. Den Stand der Forschung erläutert konzis W. Dahlheim [3.3: Römische Kaiserzeit, 245–247]. Ost und West entwickelten sich im Reich ganz unterschiedlich; das Ausmaß der Romanisierung des westlichen Reiches untersuchen R. Lau rence/J. Berry [(Hrsg.), Cultural Identity], zum Verhältnis zwischen Zentrale und Einzelgemeinde siehe auch W. Eck [3.2: (Hrsg.), Lokale Autonomie]. Auf diesem Feld ist insbesondere die archäologische Forschung in den einzelnen Regionen des Imperiums fruchtbar. Die Administration ist von der modernen, insbesondere auch der deutschen althistorischen Forschung nach dem Vorbild des grundlegenden Werks von F. Millar [Emperor] behandelt worden, und im Oktober 2004 wurde zu „Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis: Konzeptionen, Prinzipien und Strategien von Herr-
5.5 Das Imperium der Kaiserzeit
175
schaftsorganisation und Administration im römischen Kaiserreich“ eine international besetzte Tagung des Historischen Seminars der Universität Zürich abgehalten; diese formulierte als Ergebnis, dass die Verwaltung wesentlich von „Ad-hoc-Management“ geprägt war, ferner die kaiserliche Verwaltung nur begrenzt Regelungen durchsetzen konnte und strukturelle Schwächen eine „administrative Durchdringung des Reiches nur in rudimentärer Form ermöglichten“ [A. Kolb (Hrsg.), Herrschaftsstrukturen; zur Diskussion auch H. U. Wiemer (Hrsg.), Staatlichkeit]. Auch W. Eck hat in zahlreichen, inschriftengestützten Arbeiten die Administration detailliert und in einer Fülle von Teilaspekten behandelt, die 1995/97 in zwei Sammelbänden [Verwaltung] erneut publiziert worden sind. Ecks Forschungen ergeben, dass Rom „sein Herrschaftsgebiet niemals in vergleichbarer Intensität organisatorisch und administrativ durchdrungen“ habe wie moderne Staaten oder auch „manche Staaten der Antike, beispielsweise Ägypten“ [Verwaltung I, 1f.]. Diese Voraussetzung kann, was die moderne Staatenwelt angeht, gewiss allgemeine Zustimmung für sich beanspruchen, ist aber dennoch irreführend. Dies gilt zum einen für den Hinweis auf „antike Staaten“, denn vergleichen kann man Rom nur mit anderen multiethnisch strukturierten Reichen. Natürlich war – um ein Extrem zu nennen – die Polis Sparta administrativ intensiver erfasst als das römische Weltreich. Zum anderen kann aber auch die Neuzeit bestenfalls heuristisch zum Bezugspunkt des Vergleiches gemacht werden, denn aussagekräftig bezüglich staatlicher Durchdringung kann nur der Vergleich mit dem Gleichzeitigen und Vorzeitigen sein. Gewiss richtig ist dagegen seine auch später vorgetragene Auffassung, dass es erst allmählich und in der hohen Kaiserzeit zu einer Spezialisierung in der Verwaltung gekommen sei [W. Eck, Spezialisierung]. Eck kann an die vieldiskutierten Forschungen von F. Millar [Emperor u. Roman Near East] anschließen. Überhaupt hat Letzterer in zahlreichen bedeutenden Forschungsarbeiten [zusammengefasst in: Rome, the Greek World] Struktur und Verwaltung des östlichen Imperium Romanum grundlegend behandelt. Insgesamt gibt es eine Reihe weiterführender Arbeiten zur Administration des Reiches auch von J. Bleicken [1: Verfassungs- und Sozialgeschichte], A.W. Lintott [3.6: Imperium], J.E. Lendon [1: Empire of Honour] und F. Ausbüttel [Verwaltung]. Eine geistund materialreiche Untersuchung, die über die einfache Konstatierung, dass es keine „Bürokratie“ im modernen Sinne gab, hinausgeht, liegt jetzt vor von P. Eich [Metamorphose]. Die Herrschaftsorganisation war räumlich und strukturell außerordentlich differenziert. Personale und institutionelle, zentrale und lokale Strukturen ergänzten sich [zu diesem Geflecht s. 3.6: A.W. Lintott, Imperium; P. Garnsey/R. P. Saller, Kaiserreich; u. F. Ausbüttel, Verwaltung]. Die Forschung hat auf diesem Gebiet große Fortschritte erzielt, wenn sie sich konkreten Räumen und Fragen der Herrschaftsorganisation zugewandt hat, wie der Rechtsprechung, dem Verhältnis der Herrscher und Beherrschten
Herrschafts organisation
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Rom als Paradigma
5. Reichsbildung
oder den Finanzen. Das römische Herrschaftsinteresse an Ruhe und Ordnung sowie finanziellen Gewinnen hat am eindeutigsten F. Vittinghoff [Civitas Romana] zum Ausdruck gebracht, demzufolge alles andere in der lokalen Zuständigkeit verbleiben konnte. Darüber hinaus spielten Bürgerrechtsverleihungen, Patronagen und die Vergabe von Ehrungen eine zentrale Rolle für eine effektive Herrschaftsorganisation [s. etwa A.N. Sher win White, Roman Citizenship; P.A. Brunt, Roman Imperial Themes (Bürgerrecht); L. Harmand, Patronat; R.P. Saller , Personal Patronage (Patronage); J.E. Lendon, Empire of Honour (Ehrungen)]. Die Forschungsrichtungen zu Expansion und Reichsbildung variieren nach Zeit, Ort und Person. Sie interpretieren und deuten und sind somit stark von den jeweiligen Zeitumständen, in denen die Forscher leben, abhängig. Der aktuelle Stand der „internationalen Beziehungen“ spiegelt sich zumeist im Urteil über das Paradigma Rom. Vor wenigen Jahrzehnten wurde das Herrschaftsgefüge der Sowjetunion über seine „Provinzen“ und über seine „Satellitenstaaten“ mit Rom verglichen, heute im Zeitalter der Globalisierung und des Unilateralismus sind Vergleiche der außenpolitischen Systeme Roms mit denen der USA en vogue. Hierzu sind zuletzt weiterführende Arbeiten erschienen, so von P. Bender [1: Weltmacht Amerika], A. Çoskun/M. Tröster [1: Amerika auf den Spuren Roms] und (in einem größeren Zusammenhang) H. Münkler [1: Imperien]. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stellten demgegenüber insbesondere britische Historiker eine Verbindung zwischen dem britischen und dem römischen Weltreich heraus, und P.A. Brunt hat dies in den 60er Jahren noch einmal aufleben lassen. Brunt entdeckt – hier in der angelsächsischen Forschungstradition stehend – die thukydideische Deutung für den athenischen Imperialismus auch für den römischen und britischen: „fear, profit, honour“ [Roman Imperial Themes, 111]. Mit der notwendigen Vorsicht betrieben, können solche Vergleiche durchaus neue Perspektiven eröffnen, und überhaupt ist die Komparatistik als methodischer Zugriff auf diesem Gebiet verstärkt angewandt worden. Einige Sammelbände über „(Große) Reiche“ sind bereits erschienen – hier sei nur auf „Les grands empires“ [5.1: J. Pirenne/J. Gilissen (Hrsg.), Les grands empires], A. Demandt [5.1: (Hrsg.), Ende der Weltreiche] und S.E. Alcock et al. [1: (Hrsg.), Empires] verwiesen, die viele Reiche aus allen Epochen vorstellen –, doch stehen die einzelnen Arbeiten noch immer recht unvermittelt nebeneinander. Hier können zukünftige Forschungen ansetzen.
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2. Griechische und römische Frühzeit
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2.2 Römische Frühzeit (8. 4. Jahrhundert)
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3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
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3. Außenpolitik, interpolitische Beziehungen und Völkerrecht
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3.8 Neutralität
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4.3 Symmachie
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4. Bünde
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4.7 Die griechischen Bundesstaaten des 4. und 3. Jahrhunderts v.Chr.
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5.3 Die hellenistischen Reiche und das „Gleichgewicht der Mächte“
201
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5.3 Die hellenistischen Reiche und das „Gleichgewicht der Mächte“ Austin, M.M., Hellenistic Kings, War, and the Economy, in: CQ 36 (1986), 450–466 Bearzot, C./Landucci Gattinoni, F./Zecchini, G. (Hrsg.), Gli stati territoriali nel mondo antico, Mailand 2003. Bertoli, M., Sviluppi del concetto di ,autonomia‘ tra IV e III secolo a. C., in: C. Bearzot/F. Landucci Gattinoni/G. Zecchini (Hrsg.), Gli stati territoriali, 87–110. Bosworth, A.B., The Legacy of Alexander. Politics, Warfare, and Propaganda under the Successors, Oxford 2002. Bringmann, K. (Hrsg.), Schenkungen hellenistischer Herrscher an griechische Städte und Heiligtümer, Berlin 2000.
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Abkürzungen Die Abkürzungen der antiken Quellen folgen den Regeln des Lexikons „Der Kleine Pauly“. ANRW
Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt
CAH CPh CQ
Cambridge Ancient History Classical Philology Classical Quarterly
DNP
Der Neue Pauly
GG GRBS GWU
Geschichte und Gesellschaft Greek, Roman and Byzantine Studies Geschichte in Wissenschaft und Unterricht
HZ
Historische Zeitschrift
ILS
Inscriptiones Latinae Selectae
JRS
Journal of Roman Studies
MGZ
Militärgeschichtliche Zeitschrift
RD RE REG RhM RIDA Riv.Fil.
Revue historique de droit français et étranger Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft Revue des études grecques Rheinisches Museum Revue internationale des droits de l’Antiquité Rivista di Filologia e di Istruzione Classica
SCI SDHI
Scripta classica Israelica Studia et Documenta Historiae et iuris
ZPE ZRG
Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung
Register Register der neuzeitlichen Autoren Accame, S. 144 Adam, S. 85 Adcock, F.E. 110 Afzelius, A. 149 Ager, S. 125 Aigner Foresti, L. 95, 130 Albert, S. 128 Alcock, S.E. 83, 176 Alföldi, A. 95 Alonso Troncoso, V. 126f., 132ff. Ameling, W. 96 Ando, C. 173 Angeli Bertinelli, M.G. 90, 110 Ashley, J.R. 155 Auliard, C. 94, 130 Ausbüttel, F. 175 Austin, M.M. 159 Avram, A. 112, 118, 150 Badian, E. 112f., 119f., 142, 144, 150, 167f. Balakrishnan, G. 153 Baldus, C. 82, 91, 94, 99, 105ff., 116f., 123 Baltrusch, E. 79, 82, 90, 98f., 102, 105f., 112, 114ff., 120, 127, 129, 133, 136 139, 142, 150, 155f., 168f. Barbeyrac, J. 77 Barker, E. 146 Baronowski, D.W. 119, 150 Bauslaugh, R.A. 125f. Beard, M. 82, 107 Bearzot, C. 158 Beck, H. 80, 145, 147 Bederman, D.J. 101 Bellen, H. 95 Bellers, J. 20 Bellini, V. 109, 122ff. Beloch, K.J. 136, 138, 149 Bender, P. 81, 153, 176 Bengtson, H. 53, 77, 87, 96, 133, 138, 145 Bernand, A. 103 Bernardi, A. 95 Bernhardt, R. 102, 174 Berry, J. 174 Bertoli, M. 162
Berve, H. 156 Bickerman, E.J. 102, 158, 161 Bierzanek, P. 103 Bilde, P. 83, 160 Billows, R.A. 151, 155, 159, 162 Blázquez, J.M. 157 Bleckmann, B. 166 Bleicken, J. 80, 95, 106, 120, 167, 172, 175 Blomart, A. 108 Bodin, J. 17 Böhme, C. 102, 174 Bosworth, A.B. 154, 156 159 Botermann, H. 129, 173 Boyancé, P. 108 Branca, M. 99 Braund, D. 120, 153, 173 Briant, P. 156 Brilliant, R. 106 Bringmann, K. 96, 162 Brosius, M. 154f. Broughton, T.R.S. 105 Bruneau, P. 161 Brunt, P.A. 176 Bürgel, H. 130 Buraselis, K. 161 Burckhardt, J. 22, 88 Burton, P.J. 113, 168 Busolt, G. 130f., 141f., 144 Cain, P.J. 59, 152 Calderone, S. 109, 123 Canali de Rossi, F. 91 Cargill, J. 144 Cartledge, P. 136, 153f., 157f., 162 Catalano, P. 91, (107), 122 Cataldi, S. 87, 115 Cawkwell, G.L. 135, 137, 144, 157 Champion, C.B. 164f. Champion, T.C. 152 Chaniotis, A. 103, 105, 160, 163 Christ, K. 166, 169 Cimma, M. 120 Clarysse, W. 160
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Register der neuzeitlichen Autoren
Clavadetscher Thürlemann, S. 103 Cloché, P. 145 Cornell, T.J. 95, 166 Corsten, T. 145, 147 Çoskun, A. 81, 83, 113, 124, 172, 176 Cox, R.W. 100 Crawford, M.H. 123 Cresci, L.R. 110 Cursi, M.F. 124 Dahlheim, W. 94, 104, 106, 109f., 112, 119ff., 123f., 129, 168, 171f., 174 Daverio Rocchi, G. 147 David, J. M. 149 Davies, J.K. 101, 145 Dean, J. 153 Debidon, M. 103 Deininger, J. 172 Demandt, A. 78, 138, 146, 152, 162, 176 Dignas, B. 84 Dreher, M. 108, 137f., 142, 144 Dreyer, B. 165 Droysen, J.G. 63, 154, 156 Eck, W. 102, 174f. Eckstein, A.M. 100, 104, 128, 166 Eder, W. 82, 85, 91, 98, 145 Ehling, K. 161, 163 Ehrenberg, V. 136, 138, 142, 145 Ehrhardt, C. 143 Eich, A. 165 Eich, P. 165, 175 Eilers, C. 113, 120, 168 Eisenhut, W. 94 Engels, J. 157 Fadinger, V. 166 Faller, S. 81 Faragma, M. 154f. Ferguson, W.S. 159 Fernández Nieto, F.J. 88, 114f. Ferrabino, A. 141 Ferrary, J. L. 109, 123 Finley, M. 86, 88 Fisher, N. 89 Flurl, W. 109 Flower, M. 157 Foucault, M. 97 Fowler, A. 159 Fraccaro, P. 150 Frank, T. 150, 164 Fredricksmeyer, E. 154f. Freyberger, K.S. 81 Freyburger, G. 109, 123 Frézouls, E. 78, 82, 87 Frezza, P. 118, 121f., 124
Funck, B. 159 Funke, P. 98 Gadamer, H. G. 1 Galsterer, H. 117ff., 149 Garlan, Y. 103 Garnsey, P. 175 Gauthier, P. 102, 115 Gawantka, W. 116, 141 Gazzano, F. 110 Gebhardt, A. 83, 173 Gehrke, H. J. 65, 81, 84, 90, 97, 104, 147f., 154, 159, 161, 165 Gelzer, M. 169 Giangiulio, L. 78 Gibbon, E. 171 Gilissen, J. 151f., 176 Giovannini, A. 98f., 104, 116, 132, 141, 146f. Girardet, K.M. 85, 128, 130 Gödde, S. 108 Göhler, J. 150 Gottlieb, G. 141 Graetzel, P. 114, 132 Grainger, J.D. 81, 147 Green, P. 159 Grewe, W.G. 101 Griffith, G.T. 154 Grotius, H. 36 Gruen, E. 84, 102, 108f., 112, 120f., 123, 165, 167f. Gschnitzer, F. 86, 134 Guerber, E. 102 Gutsfeld, A. 172 Haas, J. 79 Habicht, C. 110f. Haider, P.W. 84 Hall, J.F. 84 Hammond, N.G.L. 154, 159 Hampl, F. 127, 129, 136 Hansen, M.H. 79, 146 Hansen, V.D. 162 Hantos, T. 96, 103, 118 121, 149f. Harding, P. 145 Hardt, M. 81, 153 Harmand, L. 176 Harris, W.V. 94, 129, 164f. Harrison, M. 59, 152 Harter Uibopuu, K. 125, 146 Hartmann, U. 160 Hatzopoulos, M. 157 Heil, M. 172 Heinen, H. 64, 83, 113, 124, 161, 172 Heinze, R. 108 Henning, A. 81
Register der neuzeitlichen Autoren Herman, G. 83, 89, 111, 115 Herzog, R. 78 Hesberg, H. von 81 Heurgon, J. 108 Heuß, A. 33, 80, 92, 94, 109, 111f., 118, 123f., 148, 158f., 161f., 164ff. Highby, L.I. 133 Hingley, R. 81, 83, 153 Hobbes, T. 7, 22 Hodkinson, S. 83, 89, 111 Högemann, P. 85, 87 Hölbl, G. 161 Hölkeskamp, K. J. 80f., 83, 86f., 109f. Hölscher, T. 81 Hoffmann, W. 165 Holleaux, M. 112, 164 Homo, L. 150 Horn, H. 119 Howarth, R. 149 Hoyos, D. 165 Huß, W. 156, 161, 163 Ihering, R. von 89 Invernizzi, A. 156, 160 Isaac, B. 84, 165 Jacquemin, A. 78, 87 Jäger, M. 111 Jeffrey, L.H. 130, 133 Jehne, M. 96, 119, 127, 147, 150, 155 Jellinek, G. 78f., 151 Kagan, D. 141 Kahrstedt, U. 136 Kallet Marx, R.M. 167f. Karavites, P. 86ff., 102 Kaser, M. 99 Kehne, P. 82, 87, 89, 105f., 172 Keil, B. 105f. Kiechle, F. 103 Kienast, D. 112, 138ff., 154, 172 Kimmerle, R. 135 Klose, P. 146, 162 Knippschild, S. 82, 87 Knutsen, T.L. 99 Kolb, A. 175 Kolb, F. 90 Konrad, M. 173 Konstan, D. 89, 113 Kostial, M. 128, 165 Kreller, H. 124 Kuhrt, A. 98, 159 Kussmaul, P. 115f. Lafond, Y. 146 Landucci Gattinoni, F. 158
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Lanzilotta, E. 102 Larsen, J.A.O. 135f., 146 Laurence, R. 174 Lebow, R.N. 100 Lefèvre, F. 130f. Lehmann, G.A. 102, 145, 148 Lehmkuhl, U. 85 Lemosse, M. 78, 117, 120 Lendon, J.E. 105, 128, 136, 175f. Leppin, H. 142 Lerner, J.D. 163 Lévêque, P. 105 Libero, L. de 119, 151 Lica, V. 172 Lintott, A.W. 120, 164, 167, 175 Liverani, M. 83 Lloyd, A.B. 159 Lonis, R. 84 López Barja, P. 153 Loreto, L. 128f. Low, P. 100, 102 Lund, A.A. 84 Luther, A. 135, 160, 172 Luttwak, E.N. 172 Ma, J. 105, 160, 162 MacMullen, R. 165 Maffi, A. 124 Magie, D. 166 Magnetto, A. 115f., 125, 146 Manning, J.G. 160 Mantovani, M. 130 Marek, C. 111 Martin, J. 92 Martino, F. de 78, 112, 117f., 121f. Mattern, S.P. 172 Matthaei, L.E. 117 Mattingly, D.J. 174 Mattingly, H.B. 141 Mause, M. 106 McDonald, A.H. 130 McGregor, M.F. 139, 141 Meier, C. 2, 16, 78, 82, 103, 142 Meiggs, R. 141 Meister, K. 133, 138, 141, 143f. Meritt, B.D. 139, 141 Meyer, Ed. 78, 136, 169 Meyer, H.D. 139, 141, 171 Mileta, C. 156, 159, 161 Millar, F. 172, 174f. Minnen, P. van 162 Mitchell, L.G. 89, 111, 115 Mittag, P.F. 163 Momigliano, A. 127 Mommsen, T. 33, 56, 83, 89, 92ff., 112, 117 123, 129, 149f., 164f., 169
212
Register der neuzeitlichen Autoren
Montesquieu 166, 171 Mooren, L. 161 Moraw, B. 98 Morgenthau, H.J. 99 Mosley, D.J. 90, 110 Mouritsen, H. 149, 151 Mrozewicz, L. 113 Muccioli, F. 163 Müller, S. 155 Münkler, H. 67, 81, 153, 176 Murray, O. 80 Musti, D. 158f. Negri, A. 81, 153 Nenci, G. 87, 115 Nichols, G. 111 Nippel, W. 81, 84, 97 Nörr, D. 92, 106, 109f., 116, 123, 174 Nortmann, U. 85 Nowotka, K. 155 Olshausen, E. 110 Orsi, D.P. 110 Orth, W. 158, 161 Ostwald, M. 102 Palmer, R. 83, 96 Paradisi, B. 118, 124 Parker, V. 104, 131 Passavant, P.A. 153 Paulus, C.G. 125 Pébarthe, C. 142 Penella, R. 94, 130 Perelli, L. 164 Petrucci, A. 149 Petzold, K. E. 95f., 143 Pfeilschifter, R. 96, 102, 119, 150 Philippson, C. 103 Piccirilli, L. 90, 110, 125 Piepenbrink, K. 145 Pirenne, J. 151, 176 Plescia, J. 94, 116, 122 Powell, A. 141f. Préaux, C. 154, 163 Preiser, W. 16f., 101, (107) Quaß, F. 158 Raaflaub, K. 80, 84, 86f., 102, 140, 143 Raeder, A. 125 Ramage, E.S. 129 Rhodes, P.J. 132, 136, 140 143 Rich, J. 130 Richard, J. C. 93 Rigsby, K.J. 108
Ritter, H. W. 121 Rollinger, R. 84, 87 Romilly, J. de 103 Rosenstein, N. 103 Rostovtzeff, M. 162 Roux, G. 130 Rüpke, J. 82, 84, 90, 93f., 107, 129, 165f. Runciman, W.G. 162 Ryder, T.T.B. 127 Rzepka, J. 145 Sakellariou, M.B. 79 Saller, R.P. 175f. Sánchez, P. 130 Sands, P.C. 120 Santi Amantini, L. 78, 105 Saulnier, C. 93, 127, 130 Scala, R. von 77 Scardigli, B. 96 Schäfer, N. 173 Schaefer, H. 133 Scheid, J. 82, 107 Schiemann, G. 117, 124 Schlesier, R. 83 Schleußner, B. 111 Schmitt, C. 78 Schmitt, H.H. 77, 96, 116, 122, 145 Schmitt, M.T. 171f. Schmitz, W. 142 Scholten, H. 160 Scholten, J.B. 147 Schubert, C. 142 Schuller, W. 79, 142, 144 Schulz, R. 101, 113, 117, 124, 135, 137, 142, 144, 167, 170 Schuol, M. 160, 173 Schwahn, W. 131f. Scott, M. 88 Scullard, H.H. 150, 164 Seager, R. 169 Séfériadès, S. 126 Seibert, J. 155 Sherwin White, A.N. 78, 121, 150, 169, 176 Sherwin White, S. 159 Shipley, G. 130, 152 Sidebottom, H. 104, 171 Siewert, P. 130, 139 Sinn, U. 106 Sommer, M. 103f. Sordi, M. 105f., 127, 129 Sorgenfrey, T. 88 Souza, P. de 165 Spahn, P. 86, 90, 112, 115 Spencer, D. 172 Spielvogel, J. 142
Register der neuzeitlichen Autoren Starke, F. 84f., 87 Ste Croix, G.E.M. de 135, 143 Steiger, H. 98f., 101 Stein Hölkeskamp, E. 104 Stein Kramer, M. 120 Stoll, O. 173 Strauch, D. 146 Swoboda, H. 130f., 141f. Szanto, E. 146 Täubler, E. 32f., 92f., 109, 112, 118, 120 123 Tarn, W.W. 154, 156 Tausend, K. 131 135 Ténékidès, G. 103 Thommen, L. 135, 137f. Timpe, D. 93, 123, 172 Tod, M.N. 125 Triepel, H. 134 Tröster, M. 81, 176 Tuci, P.A. 148 Ulf, C. 84, 85 Verboven, K. 113 Vernant, J. P. 103 Versnel, H.S. 93 Vittinghoff, F. 174, 176 Vitzthum, W. 93f. Vliet, E. van der 91 Wade Gery, H.T. 139, 141 Wagner Hasel, B. 86, 88f., 111, 114f., 117, 131 Walbank, F.W. 130, 147, 154
213
Wallace, M.B. 111 Wallerstein, I. 152 Walser, G. 97, 138 Walter, U. 79, 82 Waltz, K.N. 99 Watson, A. 107, 124 Weber, M. 57, 66, 174 Webster, J. 152, 174 Wees, H. van 89 Wegner, M. 119, 150 Weil, H. 88 Welwei, K. W. 93, 133, 135f., 138, 142, 165 Wendt, C. 78, 170 Wéry, L. M. 90 Wickert, K. 136, 138 Wiedemann, T. 93f., 118, 130 Wiemer, H. U. 100, 154, 157, 163, 175 Wiesehöfer, J. 84, 138, 155 Wilcken, U. 172 Wilker, J. 121, 173 Williamson, C. 149 Winter, E. 84 Winterling, A. 2, 16, 81, 99, 148 Wirbelauer, E. 82 Woolf, G. 105, 152 Worthington, I. 157 Wüst, F. 130 Zaccagnini, C. 83 Zack, A. 93f., 112, 123, 130 Zecchini, G. 158 Ziegler, K. H. 82, 91f., 99, 101, 105, (107), 109, 112, 117f., 120 124, 128ff., 150 Ziethen, G. 111
Register der antiken Personen und Orte Nicht aufgenommen: Athen, Rom und Sparta Achaimeniden 60, 155f., 159 Afrika 172 Agamemnon 6, 8, 62, 91 Agrippa I. 173 Agrippa II. 173 Ägypten 64, 67, 84, 97, 153, 156f., 161, 175 Äquer 11, 28 Aigina 51, 95 Aischines 39, 131 Aischylos 108 Alexander der Große 2, 4, 17, 21, 28, 38, 55, 60 67, 74, 151, 153ff., 158ff., 172 Alexandria 160 Alkibiades 22 Anatolien 5, 84f., 87 Antigoniden 64, 159 Antigonos Monophtalmos 64 Antiochos III. 65, 68, 81 Antiochos IV. 66, 163 Antipatros 64 Antonius 171 Arabia 173 Aratos 55 Argos 43, 47, 55 Aristophanes 49 Aristoteles 3, 20f., 23, 41, 49, 54, 56 Asia 68, 161 Attaliden 64, 156 Augustin 22, 36 Augustus 13, 67, 72f., 127, 169, 171f. Aulis 6 Babylon 62, 64, 157, 159 Berenike 173 Boioter 39, 43, 54 Caesar 29, 33, 59, 67, 69, 73, 129, 169, 171 Capua 58 Chaironeia 35, 61 Chalkidier/Chalkis 54, 103 Cicero 3, 11, 22, 36f., 58f., 80, 91, 99, 107ff., 124, 127f., 169 Dareios III. 62 Delos 39, 49f., 141, 144, 161 Delphi 47, 55, 130f. Dionysios v. Halikarnassos 9, 94f. Dura Europos 160
Elis 26, 41, 43, 133, 135 Erxadieis Aitoler 45, 55, 137 Etrusker 11f., 80, 87 Fabier 12, 93 T. Quinctius Flamininus
102
Gallia Narbonensis 68 Gallien/Gallier 12, 29, 69, 75, 129 Gaugamela 62, 154 Germanien/Germanen 8, 25, 29, 68, 113, 172 Granikos 62 Hannibal 57f. Hasmonäer 66 Hatra 173 Helena 6, 8 Hellespont 62 Heraia 41, 133 Heraklit 22f., 88 Herodes 75, 173 Herodianer 75, 121, 173 Hesiod 86, 106 Hethiter 84f., 87 Homer 5, 7, 10, 23f., 27, 40f., 62, 79, 86 91, 131 Indien 62, 64 Ionien/Ioner 48f., 133f., 143, 155 Ipsos 66 Isidor v. Sevilla 30, 99 Isokrates 21, 25 Issos 62 Jerusalem 31, 64, 66f., 156, 169 Judäa ( Judaea) 72, 121, 157, 169, 173 Juden 66, 156, 159, 169, 173 Jugurtha 68 Justinian 124 Kalaureia 38 Karthago 10, 12ff., 23, 81, 95f., 100, 165f. Kaukasus 62 Klazomenai 102 Kleitor 133 Korinth 43, 47, 51, 53, 55 Kreta 22f., 47, 151 Krisa 39, 131
Register der antiken Personen und Orte Laenas, M. Popilius 110 Lakedaimonier/Lakonier 44f., 135, 137 Latiner 10ff., 14, 28, 57f., 80, 95f., 116, 119 Leuktra 53 Livius 9, 12f., 18, 28, 31, 81, 94f., 110, 168 Makedonien 16, 20, 22, 36, 53, 55f., 61 66, 68, 72, 97, 102, 145, 148, 154ff., 158f., 163 Makkabäer 66, 129 Mamertiner 165 Mantineia 53 Marathon 46 Melitea 146 Melos 29 Messenien/Messenier 43, 135 Menelaos 6, 8, 27 Mesopotamien 64, 84, 156, 172 Mithridates VI. 68f., 168f. Mykale 47f. Mykene 6, 91 Naxos
50, 144
Octavian Odysseus Olympia Onchestos Osrhoene
73, 171 6f., 86 41, 133 38 173
Paris 6, 8f., 27 Parther 73, 84, 160, 172 Perea 146 Pergamon 64f. Perikles 50 Persepolis 155, 157 Perser 16, 18, 20f., 25, 28, 30, 35, 42, 45f., 48 52, 60f., 135, 137 141, 143f., 152, 154 158 Perseus 16, 68 Philipp II. 35, 61, 145, 148, 154f., 157, 159 Philipp V. 56, 68, 102 Phönizier 5, 80, 84, 87 Phoker 53f. Pisa 133 Plataiai 47f., 139 Platon 3, 18, 20 23, 41, 56, 88f., 98, 148
215
Polybios 13, 21, 23, 54ff., 65, 67, 70, 72, 81, 92, 95f., 162, 166, 168 Pompeius 59, 67, 69ff., 94, 99, 167ff., 171 Pontos 51 Priamos 6 Ptolemaier 4, 64, 100, 160f., 163 Ptolemaios I. 161 Pydna 16 Pylaia 39 Pyrrhos 13, 56f., 67 Plutarch 63 Romulus
90, 94, 121
Sabiner 28 Salamis 46f., 137 Samos 48f. Sassaniden 74 Seleukiden 31, 64 69, 159ff., 163 Senonen 12 Sextus Pompeius 171 Sikyon 43, 51, 55 Sizilien 13, 67, 70 Sophisten 29 Sophokles 24 Sulla 69, 168 Susa 63 Syria/Syrien 64, 72, 163, 173 Tegea 43, 135 Teuta 68 Thasos 50, 142 Theben 41, 43, 46, 53f. Themistius 21 Thessalien 39, 48, 53f., 61 Thukydides 23, 29, 31, 40, 47, 50f., 55, 89, 100 Trajan 68, 73 Troja 6ff., 62, 85ff., 89, 131 Varro 127 Veji 12, 93, 121 Vergil 73 Volsker 11, 28 Xenophon 136 Xerxes 95, 137
Sachregister 12 Tafeln 10, 91 1. Heiliger Krieg 39, 131 2. Attischer Seebund 144f. 2. Triumvirat 169 Abänderungsklausel 11, 42 Achaiischer Bund 3, 54ff., 146ff., 162, 166 agonales Prinzip 22, 88, 104, 133 Aitolervertrag 56, 168 Aitolischer Bund 3, 54ff., 146f., 162 Akkulturationsprozesse 4, 160, 173f. Akzeptanzsystem 75 amicitia 31ff., 71, 83, 94, 111f., 114, 117, 120f., 168 Amphiktyonie 38ff., 130ff. Anax 6 Annalistik 5, 10f., 25, 91 Anokoche 32, 115 Anthropologie 83, 88, 97 Apokleten 54, Arche 2, 41f., 133f., 141, 143f., 151 Attischer Seebund 1, 3f., 19, 21, 38, 42, 47 53, 56, 59, 133f., 138 144 Außenpolitik Aggressivität 64, 69, 128 Begriff 3, 14, 85 Kompetenzen 3, 7 Autonomie 4, 14 19, 21f., 35, 38, 41f., 44f., 51ff., 58, 63, 75, 79, 101f., 119, 121, 123, 127, 136, 140, 147, 157f., 161f., 174 Autonomieklausel 136 Barbaren 21, 25f., 29f., 52, 58, 81, 84, 97, 157 basileia 151 Beamtenapparat 50, 167 Begriffsproblematik 1f., 130 bellum iustum 3, 11, 22, 34 37, 104, 106, 126ff., 130, 143 beneficia 70, 72 Boiotischer Bund 146 Bundesgenossen 14, 38, 48, 57ff., 119, 149ff., 165 Bundesgenossenkrieg 144 Bundesgenossensystem 3, 14, 38, 56ff., 149ff. Bundesstaaten 3, 22, 44, 53 57, 116, 125, 145ff., 163 Bundesversammlung 44, 49 Bürgerkriegszeit 25f, 69, 72, 170 Bürgerrecht 54, 58, 70, 92, 146, 149, 176
Caudinischer Vertrag 122 cives Romani 57 civitates 79, 174 civitates sine suffragio 58 clientela 33, 71, 113, 119f., 167f. coloniae 174 Damiurgen 54 deditio 18f., 27, 33, 71, 109f., 116f., 123f. deditio in fidem 109f., 123 Delisch Attischer Seebund s. Attischer Seebund Diadochen 55, 64, 66 Diaspora 75 Dionysien 50 Diplomatie 8, 14, 29, 78, 87, 90f., 94, 110, 147 domi 10, 84, 90 Doppelherrschaft 61 Dualismus 48f., 140 Eid 5 9, 13, 27, 33, 39, 41f., 47, 86, 106f., 116, 122, 131f., 139, 141, 144 Eirene 18, 25, 32, 35, 105, 115 Ekecheiria 26, 32, 115 Eleutheria 18, 72, 102 Epimachie 38, 40, 132, 137 ethnos 54, 79 Euergesie 70, 72, 162 evocatio 12, 27, 82, 108 Expansion 17, 19, 37, 59, 61, 64, 67f., 73, 117, 119, 157, 164ff., 170 173, 176 Fetialrecht 10, 13, 27f., 30, 33, 36, 92 95, 106, 117f., 127, 130, 165 fides 33, 71, 83, 108ff., 122, 124, 165f. Flüchtlinge 45 foedus 3, 32f., 38, 58, 117ff., 122ff., 150 foedera aequa/iniqua 33, 58, 118f., 150 foedus Cassianum 11, 14, 95, 118 formula togatorum 149 Freiheit 18, 54, 56, 63, 102, 140 Freiheitsproklamation 69, 102, 162 Freund Feind Klausel 41f., 44, 47 50, 53, 119, 133, 139, 143, 151 Friedenspolitik 4, 21f., 25, 38, 51f., 61, 140, 147, 171 Fürsorge 35, 69, 74 Gabentausch 9, 27, 41, 89 Gastfreundschaft 8f., 33, 41, 89ff., 117 Gesandte 8, 15, 18ff., 23, 27, 30f., 70, 88, 90f., 110
Sachregister Gleichgewicht der Mächte 64ff., 162f. Globalisierung 51, 98, 157, 173, 176 Götter 11, 13, 27ff., 41, 82, 161 Harmosten 46 Hegemon 35, 61 Hegemonie 14, 38, 42, 44f., 48, 50, 52f., 55, 134, 141f., 149, 152f. Heiligtümer 4, 38f., 62, 131 Hellenenbund 21, 46 51 Hellenismus 2, 17, 19, 60, 63, 65, 98, 152, 158ff., 164, 167f., 174 Hellenotamiai 49 Heloten 42f., 135, 137 Heroenbezug 66, 161 Herolde 8, 90 Herrscherkult 161 Hikesie 41, 108 Hipparchen 54 Homer u. nichtgriechische Quellen 87 u. Staat 86 u. Völkerrecht 5 9, 87 Homologie 27, 32, 116 Horkia 8, 32, 40, 116 hospitium 30, 32f., 117 Identität Alteritäts Forschung 80f., 83f., 90, 97 imperia extraordinaria 68 Imperialismus 4, 59, 67, 83, 104, 128f., 152, 155, 164ff., 171, 173, 176 imperium 59, 67, 71, 80, 151ff., 164, 174 Imperium Romanum 1, 12, 34, 38, 59, 67, 74, 76, 152f., 164ff., 173, 175 indutiae 33f., 114f., 121f. Institutionalisierung 7, 9, 13, 41 Integration 21, 35, 57, 70, 82, 155, 159 Internationale Beziehungen 1f., 16, 52, 78, 85, 99, 165, 176 interpretatio Romana 120 Isopolitie 32, 38, 115 Italischer Bund 56 ius gentium 30, 88 u. Völkerrecht 11, 15, 99 ius in bello 23, 37, 103 Jüdischer Krieg
75, 173
Kaiserzeit 72ff., 76, 170ff. Kallias Frieden 143f. Kapitulation 14, 18, 71, 116 Kelteneinfall 12, 14, 57 Keltenkrieg 58, 68, 149 Kleinias Dekret 50 Kleomenes Doktrin 44
217
Klientel als Mittel der Außenpolitik 70, 113, 119f., 167 Klientelfürsten 64, 120f., 173 Klientelstaaten 67, 69ff., 75, 153, 169, 172f. Koine Eirene 20, 22, 26, 34ff., 46, 52f., 115, 126f., 132, 140, 155 Koinon 54ff., 79, 145f., 148 Königsfriede 46, 98 Kolonialismus 152 Konsul 59, 71, 80 Korinthischer Bund 35, 61, 155 Korinthischer Krieg 35 Krieg als Mittel der Rechtsexekution 7, 23 als Naturzustandv7, 22f., 88f., 92, 105 Bürgerkriegv23, 25f., 69, 72f., 169ff. Kriegführungv23, 37, 54f., 103, 166 Kriegseröffnungv7, 13, 23, 92, 94 Kriegsgrund/causa belli 6, 11, 36f., 129 Kriegsmonopol 10, 12f., 23f., 93 Kriegsziel 37, 40, 47f., 50, 143 Omnipräsenz 22, 24, 163 Raubkrieg 5, 7, 13, 23, 86, 93 Schrecken des Krieges 22, 24 Verherrlichung 24, 88 Kulte 15, 39, 55 Latinerkrieg 57, 95f. laus Romanorum 37, 72, 129 Legitimation 20, 28, 40, 66, 69, 73, 143f. Lelantinischer Krieg 8, 23, 103f. lex provinciae 71 libertas 72 Magistratur 71, 92 Majestätsklausel 58 Makedonische Kriege 68 Mancinus Vertrag 122 Massenhochzeit zu Susa 63 Meer als herrschaftsfreier Raum 13, 93 u. dessen Eroberung 170 Megara Psephisma 28f., 50, 142 Melier Dialog 29f., 111 Messenische Kriege 23, 43, 137 militiae 10, 84, 90 municipiae 174 Nahverhältnis 6, 73, 78 „Neos Dionysos“ 161 Nesiotenbund 161 Neuordnung des Ostens 69f., 167ff. Neutralität 34f., 85, 125f.
218
Sachregister
Nicht Beziehung 7 nomen Latinum 57 Öffentlichkeit/öffentliche Meinung 6f., 10, 13, 23f., 28, 33, 43, 62, 73, 86, 89, 106, 108, 111, 143 Olympischer Friede 8, 26, 106, 115 Opfer 8, 27, 106f. orbis terrarum 21, 67, 73, 124, 151, 168, 171ff. Panathenäen 50 Patron/Patronat 63, 69, 74, 117, 169, 176 pax 33, 105, 114, 121 pax Romana/Augusta 25f., 73, 75, 104, 106 Peloponnesischer Bund 3f., 43 46, 55, 132 140, 142 Peloponnesischer Krieg 15, 18, 21f., 24, 28, 41, 44ff., 51f., 55, 98, 135f., 140, 142, 148 Peregrine 11 Periodisierung 16 Perserkriege 30, 41, 48, 95, 126, 135, 138ff. Personalisierung 9, 82, 169f. Philia 8, 31ff., 111, 114 Philinos Vertrag 96 Phoros 49 Piraterie 4, 13, 94, 96 Pistis 7, 109 Pomerium 10, 84, 90 Postliminium 124 Praetor 59, 71, 80 Prinzipat 4, 21, 25f., 72ff., 106, 169 173 pro meritis 58 Provinzen 60, 69ff., 74f., 166 169, 173, 176 Proxenie 29f., 110f. publicani 70 Punische Kriege 67f., 81, 96, 119, 165f. Recht Rechtsbewusstsein 5, 23 Rechtlosigkeit 7, 29, 88, 117 Rechtsunsicherheit 7, 13, 23 regnum 59, 80 Reich Begriff der Reichsbildung 4, 60, 62, 65, 83, 149, 151ff., 164 Emanzipation der Reichsteile 65 Grenzen des Reichs 26, 61 Reichsdefinition 57, 59, 67, 151ff. Reichseinheit 66, 74 Reichsidee 67f., 170 Zentrale Peripherie Verhältnis 35, 60, 67, 70ff., 83, 152, 156, 159ff., 170
Religion 11, 26ff., 90, 106, 108, 156f., 166 rerum repetitio 13 res gestae 73, 171 res publica 2, 79f., 170 res publica restituta 170 Ritualforschung 82f., 132 Romanisierung 149, 173ff. sacco di Roma 57 sakrale Sphäre 8, 26f., 30, 82, 160f. Säkularisierung 28f., 39 Samnitenkriege 58, 150 Sanktionen 27f., 39, 46, 133 Satrapen 64 Schiedsgericht 15, 20, 25, 34f., 78, 124f., 146 Schlangensäule 47, 138 Schutzklausel 41f., 44, 53, 131 Sieghaftigkeit des Königs 159 societas 3, 33, 38, 42, 71, 118, 120f., 150 socii 14, 37, 57, 120, 150 Souveränität 17ff., 101 Spondai 8, 25ff., 34, 40, 114ff., 121 Spondophoroi 26 sponsio 33, 115, 122f. Staat Staatenbünde 3, 35, 44, 53, 132, 142, 147, 162 Staatlichkeit 2, 78ff., 85f., 89, 91f., 151 Staatstheorie/ philosophie 15, 17f., 20, 29, 37, 41, 54, 56, 78f., 158 Stammstaaten 54, 57, 131, 147 Territorialstaaten 22, 54, 57, 63, 65, 151ff., 158ff. Staatsverträge (Sammlungen) 77 81, 85, 91 Städte Städtegründungen 63, 75 Rolle im Reich 4, 63, 69, 75, 102, 174 Ständekämpfev10, 57, 94 Statthalter 60, 63, 69 72, 75, 167 Steuerpächterv70, 72 Strategen 47, 54, 63f. suae potestatis esse 17ff., 101 supranationale Strukturen 20 Symbola 32, 115 Symmachie 3, 9, 32, 38, 40 44, 46ff., 50, 53, 56, 90, 114, 131ff., 151, 155 Sympolitie 32, 38, 54, 115f., 145f. Syntheke 32, 115 Thudippos Dekret 50 Totenbergung 8, 114
219
Sachregister Tribute 19, 45, 47, 49f., 60f., 141f., 144 Triumph des Pompeius 59, 168 Trojanischer Krieg 6f., 24 Tyrannis 9, 41, 50, 143 Universalmonarchie 21, 152 Vertragsformular 42, 44f., 95 Verwaltung 60, 63, 71, 74f., 155, 160, 166f., 170, 173ff. Völkerrechtssubjekte 15, 17, 101
Waffenstillstand 8, 26, 31ff., 54, 114f., 121f. Weinspende 8, 26f., 106, 114, 116 Weltherrschaft 15, 21, 59, 76, 171 Weltsystem 152 Wiedergutmachung 6f., 13, 24, 104 Xeinia 8, 29, 32 Zweikampf
8, 25, 103
Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike
Band 1 Winfried Schmitz Haus und Familie im antiken Griechenland 2007. X, 191 S. Br. ISBN 978-3-486-58376-2 Ln. ISBN 978-3-486-59529-2
Band 7 Ernst Baltrusch Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike 2008. X, 219 S. Br. ISBN 978-3-486-58401-1 Ln. ISBN 978-3-486-58530-8
Band 2 Winfried Schmitz Haus und Familie im antiken Rom
Band 8 Gregor Weber Antike Monarchie
Band 3 Aloys Winterling Die griechische Gesellschaft
Band 9 Christian Mann Antikes Militär
Band 4 N.N. Die römische Gesellschaft
Band 10 Sitta von Reden Antike Wirtschaft
Band 5 Hartmut Leppin Politische Organisation im klassischen Griechenland
Band 11 Tanja Scheer Antike Geschlechterverhältnisse
Band 6 Monika Bernett Politische Organisation im republikanischen Rom
Band 12 Bernhard Linke Antike Religion Band 13 Tassilo Schmitt Das frühe Christentum