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German Pages 200 [206] Year 1982
Miklós Szabolcsi
Attila József
Literatur und Gesellschaft Herausgegeben von der Akademie der Wissenschaften der DDR Zentralinstitut für Literaturgeschichte
Miklós Szabolcsi
Attila József Leben und Werk
Akademie-Verlag • Berlin 1981
Aus dem Ungarischen übersetzt von Paul Kärpäti Fachwissenschaftliche Bearbeitung: Georg Lück
Erschienen im Akademie-Verlag, DDR -1080 Berlin, Leipziger Straße 3—4 Lektor: Alfred Gessler © Akademie-Verlag Berlin 1980 Lizenznummer: 202 • 100/183/80 Gesamtherstellung: IV/2/14 VEB Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz«, 4450 Gräfenhainichen • 5594 Bestellnummer: 753 774 5 (2150/73) • LSV 8021 Printed in GDR DDR 6,50 M
Inhalt
Stephan Hermlin über Attila József
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Elternhaus, Kindheit und Gymnasialzeit — erste literarische Versuche
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Attila Józsefs Verhältnis zum literarischen Erbe Einfluß der ungarischen Klassiker Kritisch-produktiver Umgang mit den Zeitgenossen Endre Ady und Gyula Juhász Verarbeitung von Anregungen zu eigenständigen Synthesen: „Hunger" und „Der Ermüdete" Erschließung der ungarischen Volksliedtradition: „Arme Leute"-Gedichte und „Reinen Herzens"
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Wander- und Lehrjahre: Begegnung mit der Avantgarde
. .
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Wieder in Budapest: Biographische Zwischenbilanz Liebeslieder und Rebellion in der Manier Villons: „Korallenkette" Hinwendung zum Dorf: „Tiszazug" und „ D o r f "
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20 28 36
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Das Verhältnis von Tradition und Neuerertum, Parteiarbeit und revolutionärer Lyrik In den Reihen der Kommunistischen Partei Der Gedichtband „ S o hau den Stamm um" Auf neuen Wegen: Marxistische Arbeiterdichtung . . . . Die großen philosophischen Gedichte: „Elegie", „Am Rand der Stadt*f und „ O d e " Höhepunkt der Józsefschen Gedankenlyrik: „Besinnung"
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Diskussionen und theoretische Reflexionen Zur Poetik Attila Józsefs Diskussionen mit der K P U
123 123 127
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Ästhetisch-kritische Auseinandersetzung mit Problemen der Kunst und Literatur
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Antifaschistische Dichtung im Zeichen der Volksfront . . . 135 Letztes Lebensjahr: „Ars poetica" — eine Summierung von Sinn und Wert der Jözsefschen Lyrik 147 Das Werk Attila Jözsefs in der ungarischen und in der Weltliteratur
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Anmerkungen
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Bibliographie
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Personenregister
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Stephan Hermlin über Attila József
Zum erstenmal las ich Attila Jözsefs Namen unter einem Gedicht, das ich, ich weiß nicht mehr, in welchem Jahr des Krieges, in einer der zahlreichen illegalen literarischen Zeitschriften der französischen Widerstandsbewegung gefunden hatte. Ich entsinne mich, daß die Übersetzung eindrucksvoll war, ungewöhnlich eindrucksvoll in einer Sprache, die sich fremder Poesie gegenüber leicht spröde gibt. Aber das Gedicht selbst traf mich, wie es einem gelegentlich ergeht mit einem Gedicht: Es läßt einen erbeben, es ist etwas, wovon man geträumt hat, wovon man träumen wird, man hat es sofort eingereiht in die geheime Anthologie, die jeder Liebhaber der Dichtung für sich selbst anlegt. Und man fragt sich: Wer ist der Unbekannte? . . . Die Antwort fand ich erst später, nach dem Kriege, als ich nach Budapest kam und schon durch eine Attila-JözsefStraße fuhr, ehe ich die Zeit zu einer Wiederholung meiner Frage gefunden hatte. Aus den Abgründen eines Volkes ist diese Dichtung aufgestanden, und vom Volk stammt nicht nur ihre Stofflichkeit, ihre Farbe, ihr Abendhimmel, der Rauch ihrer Dörfer, sondern auch ihr Übermut und ihre Verzweiflung, ihre Sinnlichkeit und Keuschheit, ihre Naivität, ihre Weisheit. Und dann: Dieser Sohn einer Waschfrau hatte unleugbar eine Vorliebe für die vertrackte Vielfalt der Formen der Poesie, die ja erst dem, was da gesagt wird, seinen Gebrauchswert geben. Attila Jözsef hat sich umgetan und die klassischen griechischen Metren so gut wie die französisch-italienischen Formen des späten Mittelalters und natürlich auch freie Rhythmen beherrscht. Ich erfuhr, er habe eine Menge Theoretisches über Metrik geschrieben — aber diese Dinge sind außerhalb Ungarns noch unbekannt. Eingeschmolzen in Jözsefs Dichtung sind die entscheidenden poetischen Bewegungen der Moderne: Man findet natürlich den Einfluß Adys, den er ganz früh gelesen hatte, aber auch Baudelaire 7
und Poe, die französischen Surrealisten so gut wie Majakowski und ebenso Becher, Weinert, Brecht. Wie unbequem ist der Fall dieses Plebejers, unbequem vor allem für jene, welche die Existenz großer proletarischer Dichtung leugnen möchten, unbequem aber auch für solche, die das Kriterium für die Bedeutung proletarischer Dichtung nur unter dem Aspekt des Agitatorischen sehen. Wir erwähnten Einflüsse; viel wichtiger ist, was Attila Jözsef in die Weltlyrik brachte, einen Ton, der zwar schon früher aufgeklungen ist, den Anruf der Zukunft (der sich auch als Anruf an Vergangenes geben kann), einer Zukunft, die Güte und Schönheit verheißt, jenen T o n , den man bei Hölderlin wie bei Keats, bei Eichendorff wie bei Apollinaire hatte vernehmen können, hier aber merkwürdig verwandelt in einer Zeit, in der die Menschheit bewußt Geschichte macht. Immer hatte Attila Jözsef ein besonderes Interesse für Philosophie gehabt. Seine Dichtung ist eigentümlich von Philosophie geprägt. Gewiß handelt es sich hier nicht um in Verse gebrachten Marxismus, aber ich kenne keine andere Dichtung, in der so kühn und subtil subjektive Bewegung und marxistischer Gedanke ineinandergefügt sind. Jözsefs Jahrhundert brauchte nicht mehr zu entdecken, daß es in der Gesellschaft wie in der Natur dialektisch zugeht; es lebte bereits mit dieser Entdeckung. Die Landschaften Jözsefs, seine Tages- und Jahreszeiten, sein Regen und seine Dürre sind die poetischen Äußerungen eines solchen Mitlebens. „Süße Heimat", steht in einem seiner Gedichte, „nimm mich an dein Herz. Laß mich dein treuer Sohn sein." Was ist das für eine Heimat, was ist das für eine Welt, die ihre Kinder nicht treue Söhne sein läßt? lautet die furchtbare, die verändernde Frage. Attila Jözsef steht in der langen Reihe ermordeter Dichter, die als Opfer der zeitgenössischen Gesellschaft bezeugen, daß die Dichtung sich nicht mit dieser Gegenwart abfinden kann, daß sie immer und überall ein Stück vorweggenommener Zukunft ist, daß ihre Heimatlosigkeit erst in der Begründung der großen Menschenheimat ihr Ende findet.
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Elternhaus, Kindheit und Gymnasialzeit erste literarische Versuche
Attila Jözsef wurde am 11. April 1905 in Budapest, in der Vorstadt Ferencväros (Franzstadt) geboren. In diesem Satz ist jede Angabe beziehungsreich und von Bedeutung. Jözsef gehörte zu jener Generation, über deren Kindheit der Schatten des ersten Weltkriegs lag, deren Jugendzeit in die zwanziger Jahre mit ihren Desillusionen, schweren Prüfungen und dennoch so vielen Hoffnungen fiel und die im kaum beginnenden Mannesalter das Schlimmste, die Machtergreifung des Faschismus, erleben mußte. Den Weg dieser Generation bestimmten hochgesteckte Ziele und jähes Erlahmen der Kräfte, rascher Aufbruch und frühes Scheitern, Hoffnungen und Ernüchterung. Der Geburtsort Budapest — ein wichtiges Moment auch dies in der Geschichte der ungarischen Dichtung, denn Jözsefs Altersgenossen kamen überwiegend noch aus der ländlichen Provinz. Die Hauptstadt, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Großstadt geworden, begann zu jener Zeit endgültig und entschieden auch das geistige Zentrum des Landes zu werden. Hinter der immer noch amorphen, traditionslosen Bourgeoisie standen bereits die Hunderttausende der wachsenden ungarischen Arbeiterklasse. Budapest als modernes Großstadt-Thema hatte sich bereits zu Beginn des Jahrhunderts in der Literatur durchgesetzt, aber die Gestaltung Budapests als Geburtsstadt — mit der gesamten emotionalen Bedeutung dieses Begriffs — war in der Dichtung noch keineswegs etwas Gewohntes. Nun ist aber Attila Jözsef nicht einfach in Budapest, sondern in einem der Außenbezirke, in Ferencväros, geboren. Dieser nach dem österreichischen Kaiser 1 * benannte Stadtteil hatte in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts noch Fuhrleute und Gärtner beherbergt, doch schon vor der Jahrhundertwende war dort ein dicht bevölkertes * Ziffern, die auf Sachanmerkungen hinweisen, werden durch einen Stern gekennzeichnet.
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Arbeiterviertel, in dessen winkligen Gassen ebenerdige Häuser und weite Marktplätze des alten Dorfes und die Brandmauern, Mietskasernen und Schornsteine des neuen Fabrikviertels aneinanderstießen. Es war der Bezirk der Schlaf- und Massenquartiere, der Stehkneipen und der Wassersuppen aus den Volksküchen, der Mühlen und der Seifenfabriken, des Budapester Schlachthofs und des Donauhafens. Aus dieser Vorstadtlandschaft war bis dahin noch kein Dichter, kein Schriftsteller von Rang hervorgegangen. Mit Attila Jözsef gelangte das ungarische Fabrikviertel in die ungarische Dichtung. Nicht nur Ort und Zeit der Geburt, auch die Herkunft ist kennzeichnend, ja nachgerade symbolisch. „Die Welt bin ich mit alten, neuen Zügen. / Was da auch immer aufeinanderstieß . . ." 2 , schrieb er am Ende seines Lebens, und dies war in der Realität begründet. Der Vater, „der Seifensieder Äron Jözsef" 3 , war aus dem Süden des damaligen Ungarn — aus dem Komitat Temes 4 * — in die Hauptstadt gekommen, der Großvater war noch Gutsknecht gewesen. Der Vater hatte bereits ein Handwerk erlernt, war ein angesehener Arbeiter, mit einem Drang zu Abenteuern und Romantik. E r hielt sich bereits längere Zeit in Budapest auf und hatte Arbeit gefunden, als er ein kleines Dienstmädchen, Borcsa Pöcze, die „Mama", kennenund liebenlernte. Wiederum aus einer völlig anderen Landschaft und Umwelt war die zierliche junge Frau in die Stadt gekommen: aus einem charakteristischen Teil der Großen Ungarischen Tiefebene, dem Landstrich zwischen Donau und Theiß, einer endlosen Ebene, damals noch durchsetzt von Weihern, Sümpfen und Moorland, besiedelt von hart arbeitenden, knochig-zähen Bauern, Kumanen 5 * in der Großgemeinde Szabadszalläs, einem Menschenschlag besonderer Prägung durch Ursprung und Lebensweise. Die Ehe verlief anfangs harmonisch; doch der Junge war kaum drei Jahre alt, da verließ der Vater die Mutter. Warum — wir wissen es bis heute nicht. Die Familie glaubte, der Vater sei nach Amerika ausgewandert, und so bekundet es der Dichter selber in mehreren Gedichten. Erst Ende 1957 wurde bekannt, der Vater sei nach Südungarn zurückgekehrt, habe in verschiedenen Städten Rumäniens gelebt, sei seinem Beruf nachgegangen, ohne etwas von seiner Familie zu wissen, nach der er sich sehnte, zu der er jedoch keine Verbindung hatte. Und die Mutter blieb allein mit drei Kindern, zwei Mädchen und dem kleinen Jungen; ihr Leben war ein Ringen mit der Not, mit Bedrängnissen, ein Wandern von Untermiete zu
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Untermiete, aus einem Massenquartier ins andere. Auch das Los der Findelkinder lernte der Junge kennen. „Mich aber vermittelte die Landesliga für Kinderschutz an Pflegeeltern nach Öcsöd. Da lebte ich bis zu meinem siebenten Lebensjahr und arbeitete bereits; wie bei den Kindern der Dorfarmen üblich, hütete ich Schweine. Als ich sieben Jahre alt war, holte mich meine Mutter — Borbäla Pöcze — zurück nach Budapest und ließ mich in die zweite Klasse der Elementarschule einschreiben." Es begann für ihn das — überall in Europa gleiche — Leben des herumstreunenden, frühreif-kessen Proletarierkindes der Vorstadt. „Als ich neun Jahre alt war, brach der Weltkrieg aus, und uns ging es immer schlechter. Ich hatte mein Teil am Schlange stehen vor den Läden; es kam vor, daß ich mich abends um neun Uhr in die Schlange vorm Lebensmittelladen einreihte und mir früh um halb acht, als ich dran gewesen war, vor der Nase erklärt wurde, das Schmalz sei alle. Ich half meiner Mutter, so gut ich konnte. Verkaufte Trinkwasser im Kino Viläg, stahl Holz und Kohlen auf dem Bahnhof Ferencväros, damit wir was zum Heizen hatten, fertigte bunte Papierwindmühlen und verkaufte sie an bessergestellte Kinder, schleppte Körbe und Pakete in den Markthallen und so weiter." G Fügen wir dem nur noch hinzu: Die Mutter wurde krank, ihr Zustand verschlimmerte sich zusehends, immer länger dauerten die Aufenthalte im Krankenhaus, und die Kinder trieben sich unterdessen, sich selbst überlassen und hungernd, auf der Straße herum. Bald schon stand die Diagnose fest: Gebärmutterkrebs. Die Mutter ist zu früh gestorben, denn kurz leben die Wäscherinnen. Es zittern ihnen leicht die Beine, und Kopfweh kriegen sie vom Bügeln. 7 Was brachte Attila Jözsef aus dieser Kindheit mit, wie haben ihn die ersten vierzehn Jahre seines Lebens geformt? „Folgst du der Wirklichkeit schweren Spuren / bis hin zu dir, wo du geboren — / Schau nieder hier!" 8 heißt es im Gedicht viele Jahre später, und die doppelte Bedeutung, die doppelte Lehre der Kindheit klingt hier an: Schweren Spuren gilt es zu folgen und qualvoll schmerzliche Erinnerungen wachzurufen. Von der Kindheit reden — das ist für ihn in der Tat jedesmal ein Abstieg zur Hölle, zugleich aber kommen mit diesen bleiernen Erinnerungen vielerlei Erkennt-
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nisse zutage: Sein Charakter, seine Begabung, seine politische Zugehörigkeit sind von' dorther bestimmt. „Von hier bist du, / daß dieses düstre Verlangen / dich ständig festhält, / wie all die Elenden zu sein" 9 , so bekennt der Dichter, der sich stets den Menschen der Vorstadt zugehörig fühlte, sich seiner Kindheit nicht schämte, sie nicht verdrängte, sondern erkundete und zu verstehen suchte; sie •war für ihn die Erlebnisgrundlage des bewußten Bekenntnisses zu einer Gemeinschaft. Nicht von oben herab neigt sich Attila Jözsef den Armen und Hinfälligen zu; er ist aus ihrer Mitte herausgewachsen, erkennt in ihrem Los das Beispiel und das Gesetz und in seinem eigenen Schicksal eine Verpflichtung zum gemeinsamen Kampf und zum Leben. Erinnerungen und Entschlüsse brachte er aus der Vorstadt mit. Erinnerungen: Bilder der Armut und der Zusammengehörigkeit, „des Kohleintopfs kalter Geruch" 1 0 und das Geschepper auf dem Güterbahnhof, „die krummen, stummen Fernen ihrer grauen Mietskasernen" 11 und die Enge in den Notunterkünften. E r vergaß nicht die Menschen der Vorstadt — „den alten Schuster Csoszogi" 1 2 — und beschwört ihre Gestalten liebevoll, fast zärtlich. Mit den Erinnerungen drangen Melodien von Arbeiterliedern herauf und klingen in mehreren seiner Gedichte an. „Schwere Spuren" 1 3 , das war eine lange Kette von Demütigungen und Unterwerfungen, und besonders war es das Ausgeliefertsein, die ständige Umklammerung durch materielle Not. Von der Welt der Erwachsenen war das Kind nicht nur durch sein Kindsein getrennt, nicht dies in erster Linie bedrückte ihn — wie in so manchem Kindheitsroman der bürgerlichen Literatur zu lesen —, sondern durch die bittere Not, kein Brot zu haben, war er ein anderer geworden; sie trennte ihn wie eine Mauer von den Wohlhabenderen. Die häufig wechselnden Einschnitte im Leben der Familie wurden immer durch Geldprobleme hervorgerufen, nicht selten ging es dabei um das bloße Dasein, und früh, als Kind schon, erfuhr er die gnadenlos zupackende Kraft von Kälte, Hunger und N o t ; er lernte, daß es zweierlei Welten, die der Reichen und die der Armen, gibt. Immerzu mußte er all seine Kraft, Energie und Geschicklichkeit zusammennehmen, nur um zu überleben, und diese gewaltige Anspannung im Kindesalter mag seine spätere Ermüdung mit erklären. Die Demütigungen und Verletzungen wirkten jedoch — schon in der Kindheit und später — auch aktivierend. Sie nötigten ihn, sich über dieses Los zu erheben und Lehren zu ziehen — sich darüber zu erheben im Sinne einer Veränderung und Überwindung der Ordnung, 12
die ein solches Los aufzwingt, und zum anderen im Sinne der Bewahrung der eigenen Sauberkeit, der seelischen Intaktheit und der Ehre, nicht zum Paktierer oder Dieb, zum Drückeberger oder Zyniker zu werden. Durch diese zerrüttete und bedrückende Proletarierkindheit im Ungarn des Jahrhundertbeginns wurde er sich schließlich der Kraft der Klasse bewußt, die „nach Priestern, Soldaten und Bürgern" 1 4 das Werk der Menschheit weiterführt und die bei allem Elend und aller Erniedrigung fähig ist, eine neue Lebensform, eine neue Art menschlicher Beziehungen zu schaffen, die sich durch Zusammengehörigkeit und Solidarität auszeichnet. Von daher gelangt der Dichter zum Erlebnis einer neuen, schwer erkämpften Harmonie von Individuum und Gemeinschaft. Um eine modische Formel zu gebrauchen: Es ist eine durch und durch zeitgemäße, moderne Kindheit gewesen, in der Welt der Maschinen und der Massenbewegungen, in der Welt des aus vielerlei Elementen zu einer einheitlichen Kraft werdenden ungarischen Industrieproletariats. Alle Wunden, die Attila Jözsef als Kind erlitt, und alle Konflikte, die er durchlebte, waren auch die seiner Klasse. Es sind jene Konflikte, durch deren Lösung die neue Gesellschaft — und in ihr der neue Mensch und Künstler — geboren wird. Persönlichkeit und Dichtung von Attila Jözsef sind tief in der Welt seiner Kindheit verwurzelt; um aus dieser Erlebnis weit eine große Dichtung und eine bewußte Überzeugung formen zu können, mußte er noch einen langen und komplizierten Weg zurücklegen. Der lesehungrige Vorstadtjunge hat die Periode der Groschenheftlektüre rasch hinter sich gebracht, ebenso die phantastischen Landschaften der damals wie heute populären Romane Jökais 1 5 *, er lernte die Bücher kennen, die zum Lesestoff des gebildeten ungarischen Arbeiters gehörten: vor allem die Romane von Zola, dann von Gorki und anderen sozialistischen Autoren. Sehr früh schon versuchte er sich im Verse machen; von diesen Erstlingen ist nur der folgende in einem Brief an seine Schwester erhalten geblieben: Wie sehr möchte ich reich sein, Einmal Gänsebraten essen, In schönen Sachen kommen und gehen Und für fünf Forint Lutscher kaufen. Während ich die Bonbons lutschte, Zeigte ich meine neuen Sachen herum, 13
Prahlte allen, wo ich nur kann, Wie gut es doch dem Attila geht. 16 Es ist ein bei aller Schlichtheit melodiöses, rührendes und tiefen Einblick vermittelndes Bekenntnis des vermutlich neunjährigen Kindes. Aber auch auf andere Weise beginnt er sich von seiner Umwelt abzuheben. Seine ältere Schwester Jolän 17 * hatte sehr früh geheiratet und wurde in zweiter Ehe 1918 die Frau eines wohlhabenden Budapester Rechtsanwalts — eine Verbindung, die gesellschaftlich merkwürdig anmuten mußte; möglicherweise wollte der politisch radikal gesinnte Mann das hübsche und aufgeweckte Proletariermädchen in der Rolle eines Pygmalion zu sich heranziehen. Allerdings ergab sich daraus eine Reihe sonderbarer grotesker, den Dichter erniedrigender Situationen. Die Herkunft der jungen Frau mußte vor der reichen Familie verheimlicht werden. Dieses Verhältnis war von Beginn an durchsetzt von Lüge, Unbeholfenheit, Verstellung und Heuchelei. Die Räterepublik 18 * von 1919 hat in dem damals Halbwüchsigen bleibende Eindrücke hinterlassen. Die Kundgebungen und Straßenbälle hat er bereits miterlebt. Die Broschüre Lenins Staat und Revolution, die ihm ein unbekannter kommunistischer Redner in die Hand gedrückt hatte, bewahrte er bis zu seinem Tod auf. Unvergeßlich waren diese fiebrigen, von Kampf erfüllten Monate — sie wurden Beispiel und Lehre für ein ganzes Leben. Doch danach verfinsterte sich der politische Horizont und für Attila Jözsef auch der persönliche. Der weiße Terror 19 * setzte ein, die Hungersnot erreichte ihren Höhepunkt, die Mutter lag die ganze Zeit im Krankenhaus, und Ende Dezember 1919, gerade als der Junge bei Verwandten auf dem Land war, um Lebensmittel zu beschaffen, starb sie dreiundvierzigjährig in einem Barackenhospital. Kriegsende war's, mit Sorg und bittern Nöten. Ich fuhr hinaus aufs Land, denn in der Hauptstadt standen leer die Läden, mein Budapest war wüst, wie ausgebrannt. Auf dem Waggondach bäuchlings in der Mitten könnt ich mit Brot und Hirse heimgelangen, für dich hatt ich sogar ein Huhn erstritten. Doch du warst schon gegangen. Den Würmern hin hast du dich mir genommen und deine süße Brust. 20 14
Da war nun die kleine Familie Nach der
'Beerdigung:
Nicht mal Trostworte sprachen wir, drei Waisen saßen da verloren, wie man sich setzt, wenn aus die Schicht, mit stumpfem Blick und tauben Ohren, jeder für sich, und keiner spricht . . . 21 „Das Waisenamt bestimmte meinen Schwager, den inzwischen verstorbenen Dr. Ödön Makai, zu meinem Vormund. Ein Frühjahr und einen Sommer lang diente ich auf den Schleppdampfern Vihar, Török und Tatar der Atlantica Seeschiffahrts-A. G. Zu dieser Zeit legte ich extern die Prüfung für die vierte Klasse der Bürgerschule ab. Danach schickten mich mein Vormund und Dr. Sändor Gießwein zu den Salesianern 22 * nach Nyergesujfalu; ich sollte Seminarist werden. Dort blieb ich nur zwei Wochen, denn schließlich bin ich griechisch-orthodox und kein Katholik. Von da kam ich nach Makö in das Demke-Internat, wo ich alsbald eine Freistelle bekam." 23 Makö ist eine kleine ländliche Stadt nahe der Südgrenze Ungarns, unweit des Ortes, in dem Attila Jözsefs Vater geboren wurde. Drei Jahre verbrachte hier der junge Mann, und in diese drei Jahre (1920 bis 1923) fällt der Beginn seiner Dichterlaufbahn. Nicht das Maköer Gymnasium mit seiner Atmosphäre der Starrheit wurde ihm ein Zuhause, wenngleich er sich mit beispiellosem Wissensdurst auf den Lehrstoff stürzte — Sprachen und Literatur, Mathematik und Geschichte fesselten ihn gleichermaßen —, sondern der kleine Kreis von Intellektuellen bürgerlich-radikaler Gesinnung und Freimaurern, dem ein paar Rechtsanwälte, Ärzte und Journalisten angehörten und die sich des jungen Mannes annahmen. Wie auf einer Insel lebten hier in den ersten, gefahrvollsten Jahren des Horthy-Regimes 24 * diese gebildeten Intellektuellen, und nur in diesem Kreis konnte der junge Mann, der in einer ungewöhnlichen Lage und auf sich gestellt war, Verständnis finden. Dies war wichtig für ihn, den Internatsschüler mit einem amtlichen Vormund (daß es der eigene Schwager war, durfte in Makö allerdings niemand wissen — und viele wissen es heute noch nicht), der die abgelegten Anzüge seines Schwagers trug, den die Erinnerungen einer schweren Kindheit belasteten, der mit seinem früh gereiften Verstand und seiner starken Empfänglichkeit für Literatur gezwungen war, sich unter nichtsahnenden Gymnasiasten zu bewegen, zu lernen und zu leben. Die wenigen Freunde 15
sprachen ihm Mut zu und halfen ihm. Noch als Unterprimaner gab er seinen ersten Gedichtband mit dem bezeichnenden Titel 'Bettler der Schönheit25 heraus. Erst aus der Kenntnis dieses Lebensabschnittes ist zu begreifen, welch einen Erlebnis- und Erinnerungsstoff Attila Jözsef zu verarbeiten hatte, ehe eine große Dichtung entstehen konnte.
Attila Jözsefs Verhältnis zum literarischen Erbe Es ist eine schwierige Aufgabe, jene fundamentalen Eindrücke und primären Impulse zu bestimmen, die für das Lebenswerk eines Dichters entscheidend sind. Im Gedächtnis eines jeden Menschen, in unser aller Bewußtsein, lagern tief gespeicherte Erinnerungen, Elemente der Kindheit und der Erziehung; sie bilden jenes Fundament, auf das sich die später bewußteren Erlebnisse gründen. Inwieweit und an welche Tradition angeknüpft wurde, hing nicht zuletzt auch davon ab, wie und wodurch bereits im frühen Kindesalter der Geschmack geformt und die Richtung der Entwicklung festgelegt wurde. Zu den primären Eindrücken in der Bildung von Attila Jözsef dürften insbesondere die des ungarischen Volksliedes und der Volksüberlieferung zählen. Die Lieder der Mutter, eines Dienstmädchens aus einem Bauerndorf, die Märchen für die Kinder, all die gehörten und gelernten Lieder vermittelten Erlebnisse, die ihm schon von frühester Jugend an den Rhythmus des Volksliedes, die Formen und Schätze der Volksdichtung nahegebracht und tief eingeprägt haben. Da waren aber auch noch andere Grunderfahrungen: die Stimme der Arbeiterbewegung, ihre Kampflieder und Märsche. Der charakteristische jambische Rhythmus des ungarischen Arbeiterlieds gehört ebenfalls zum primären Erlebnisfonds; und natürlich — das sei hinzugefügt — lernte er als Vorstadtjunge, der Kinosäle ausfegte und Eintrittskarten verkaufte, auch die Schlager und Chansons kennen, die gleichsam als Folklore der Stadtbewohner anzusehen sind. Sehr zeitig entwickelt war offenbar sein außergewöhnliches Rhythmusgefühl, seine Fähigkeit, die komplizierte Wirklichkeit in regelmäßige Formen zu zwingen; einige frühe Versuche, die erhalten geblieben sind, zeugen in ihrer ansonsten kindlich-pubertären Art von diesem Sinn für Rhythmus und der formenden Kraft. All das gehört freilich zur Vorgeschichte der Dichterlaufbahn, und erst danach, auf der 16
sprachen ihm Mut zu und halfen ihm. Noch als Unterprimaner gab er seinen ersten Gedichtband mit dem bezeichnenden Titel 'Bettler der Schönheit25 heraus. Erst aus der Kenntnis dieses Lebensabschnittes ist zu begreifen, welch einen Erlebnis- und Erinnerungsstoff Attila Jözsef zu verarbeiten hatte, ehe eine große Dichtung entstehen konnte.
Attila Jözsefs Verhältnis zum literarischen Erbe Es ist eine schwierige Aufgabe, jene fundamentalen Eindrücke und primären Impulse zu bestimmen, die für das Lebenswerk eines Dichters entscheidend sind. Im Gedächtnis eines jeden Menschen, in unser aller Bewußtsein, lagern tief gespeicherte Erinnerungen, Elemente der Kindheit und der Erziehung; sie bilden jenes Fundament, auf das sich die später bewußteren Erlebnisse gründen. Inwieweit und an welche Tradition angeknüpft wurde, hing nicht zuletzt auch davon ab, wie und wodurch bereits im frühen Kindesalter der Geschmack geformt und die Richtung der Entwicklung festgelegt wurde. Zu den primären Eindrücken in der Bildung von Attila Jözsef dürften insbesondere die des ungarischen Volksliedes und der Volksüberlieferung zählen. Die Lieder der Mutter, eines Dienstmädchens aus einem Bauerndorf, die Märchen für die Kinder, all die gehörten und gelernten Lieder vermittelten Erlebnisse, die ihm schon von frühester Jugend an den Rhythmus des Volksliedes, die Formen und Schätze der Volksdichtung nahegebracht und tief eingeprägt haben. Da waren aber auch noch andere Grunderfahrungen: die Stimme der Arbeiterbewegung, ihre Kampflieder und Märsche. Der charakteristische jambische Rhythmus des ungarischen Arbeiterlieds gehört ebenfalls zum primären Erlebnisfonds; und natürlich — das sei hinzugefügt — lernte er als Vorstadtjunge, der Kinosäle ausfegte und Eintrittskarten verkaufte, auch die Schlager und Chansons kennen, die gleichsam als Folklore der Stadtbewohner anzusehen sind. Sehr zeitig entwickelt war offenbar sein außergewöhnliches Rhythmusgefühl, seine Fähigkeit, die komplizierte Wirklichkeit in regelmäßige Formen zu zwingen; einige frühe Versuche, die erhalten geblieben sind, zeugen in ihrer ansonsten kindlich-pubertären Art von diesem Sinn für Rhythmus und der formenden Kraft. All das gehört freilich zur Vorgeschichte der Dichterlaufbahn, und erst danach, auf der 16
Basis der frühen Erlebnisse, kann man von einem bewußten und aktiven Anknüpfen an die Tradition sprechen. Beim jungen Attila Jözsef vollzog sich dieser Anschluß an die Tradition in den Jahren auf dem Gymnasium in Makö, also in der Zeit zwischen 1920 und 1923, in den ersten etwa 150 erhalten gebliebenen Gedichten, die teils im ersten Gedichtband, in Bettler der Schönheit, Aufnahme fanden und die dann im zweiten Band, in Nicht ich biris, der schreit26*, den Hauptteil ausmachen.
Einfluß der ungarischen Klassiker Wo und wie lernte Attila Jözsef das Erbe kennen? Zunächst in den Schullesebüchern. Hier muß allerdings sogleich eine überraschende Feststellung folgen: Was damals in den Lesebüchern geboten wurde, hatte auf seine Dichtung wenig Einfluß. Tatsächlich waren die ungarischen Schullesebücher Anfang der zwanziger Jahre, als sich die Konterrevolution etablierte, mit nichtssagenden, naiven Reimereien und moralisierenden Histörchen in der Manier der damals vorherrschenden platten völkisch-nationalen Literatur 27 * gefüllt. Von den Klassikern der ungarischen Literatur, auch der Lyrik, war in diesen Lesebüchern kaum etwas zu finden. Und trotzdem ist in der Dichtung des jungen Attila Jözsef zu erkennen, daß er sehr wohl und bewußt an die klassische ungarische Lyrik des 19. Jahrhunderts, und zwar an fast alle ihre wesentlichen Strömungen anknüpfte. Dem Einfluß der Dichtung von Sandor Petöfi 28 * z. B. konnte und wollte auch er sich nicht entziehen. Petöfis Natürlichkeit und Einfachheit wie auch seine Formen wirkten auf Jözsef mit der gleichen lebendigen Kraft wie Petöfis unversöhnlicher revolutionärer Demokratismus und leidenschaftlicher Wille zur Freiheit. Das Beispiel und die Stimme des 1849 im ungarischen Freiheitskampf gefallenen Dichters sind in den Gedichten des siebzehnjährigen Attila Jözsef — unausgesprochen — gegenwärtig. 1923 beging das offizielle Ungarn die 100. Wiederkehr des Geburtstages von Sandor Petöfi, und während „das taube Amt" 2 9 — so bezeichnet von Mihäly Babits, dem bedeutenden Repräsentanten der progressiven bürgerlichen Literatur und Zeitgenossen Jözsefs — im Parlament den plebejisch-revolutionären Kern dieser Dichtung weg- und verleugnete und einen idyllisierten, als harmlos zurechtgetünchten Petöfi feierte, ging es den fortschrittlichen Vertretern der ungarischen Literatur, unter 2
A. Jözsef
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ihnen dem jungen Attila Jözsef, um das wahre Bild des Dichteis, um jenen revolutionären Petöfi, von dem Jözsef in den klassischen, alkäischen Strophen eines seiner frühesten Gedichte, in Petöfis Feuer 30, spricht. Aber auch der Einfluß aus anderen Lebenswerken ungarischer Dichter des 19. Jahrhunderts ist bei Attila Jözsef nachweisbar: s o die Sprachgewalt und die formenzähmende Kraft der Dichterpersönlichkeit von Daniel Berzsenyi 3 1 *, der zu Beginn des vorigen Jahrhunderts gleichsam neue Dimensionen der Sprache erschloß, oder die heitere, lieblich-melodiöse und doch in die Tiefe dringende Dichtung des Debrecener Scholaren und Poeten Mihaly Csokonai Vitez, der bedeutendsten und vielseitigsten Dichterpersönlichkeit aus der Zeit der Aufklärung, dessen spätbarocke Z ü g e — wie Charme, Eleganz, Grazie, Melodik und Sinn für die unscheinbaren Dinge — auch später wesentliche Merkmale der Poesie Attila Jözsefs blieben. E b e n s o wäre auf die Wirkung der Bilder von Mihaly V ö r ö s m a r t y 3 2 * , dem großen Dichter der ungarischen Romantik, zu verweisen oder erst recht darauf, wie stark die Lyrik des Zeitgenossen und Freundes v o n Petöfi, J ä n o s A r a n y s 3 3 * , der bis ins letzte Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts lebte, auf den angehenden Dichter des Proletariats gewirkt hat. Dieser nahm all die Gedanken und Emotionen, Stimmungen und Formen der großen Dichtervorfahren auf und wurde insbesondere durch den Petöfischen revolutionären Elan, seinen Idealen der Freiheit und der Liebe, durch Csokonais Anmut und Musikalität, durch die romantischen Bilder von Berzsenyi und durch Vörösmarty und Aranys vollendete Formkunst beeinflußt. D o c h Attila Jözsef stand nicht nur in der Traditionsfolge des 19. Jahrhunderts, sondern er knüpfte auch an die ihm unmittelbar vorausgegangene Dichtung an. Seine Lyrik folgt somit der klassischen ungarischen Dichtung, aber auch ihren großen Erneuerern zu Beginn dieses Jahrhunderts. A m Anfang des 20. Jahrhunderts vollzog sich in der ungarischen Literatur, insbesondere in der Lyrik, wie auch in den politischen Verhältnissen des Landes eine gewaltige revolutionäre Wandlung. Der Bruch mit der herrschenden Ordnung des alten Ungarn, mit der oberflächlichen Scheinruhe, mit der vorgetäuschten Solidität und aufgeputzten Selbstgefälligkeit war in der Literatur mit dem Auftreten einer neuen Richtung verbunden. D e r „literarische A u f r u h r " 3 4 , wie Endre A d y 3 5 * den V o r g a n g nannte, stand in enger Beziehung zu der am Jahrhundertbeginn sich verschärfenden sozialen und nationalen Krise, zur Bewegung des
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Agrar- und Industrieproletariats, zu den Zielsetzungen der radikalen Intellektuellen und schließlich zum Sozialismus. Die neue Richtung, die sich im Umkreis der Zeitschrift Nyugat36* (Westen) organisierte, stellte sowohl eine neue, demokratische Literaturbewegung dar, politisch mit einem radikalen bürgerlich-demokratischen 37 *, bei einzelnen mit sozialistisch-revolutionärem Programm, als auch die Kreation neuer Formen, neuer Farben und neuer Töne in der Dichtung. Diese Bewegung brachte Ungarn in der Dichtung auf den europäischen Entwicklungsstand der Zeit und zugleich zum Erkennen der herangereiften sozialen und nationalen Aufgaben. Deshalb wird diese Periode in der ungarischen Literaturwissenschaft als Beginn einer spezifischen osteuropäischen Moderne bezeichnet. Die neue Lyrik mit ihren ungewohnten Tönen und Formen stand im Gegensatz und in Gegnerschaft zur konservativen völkisch-nationalen Literatur, zum erstarrten Epigonismus, aber auch zur geistreich ironisierenden, mitunter geschickt und klug gemachten und an den Mann gebrachten städtisch-kleinbürgerlichen Literatur, die in attraktiv schillernden Formen das Lebensgefühl des Kleinbürgers jener Zeit wiedergab und deren bekanntester Vertreter Ferenc Molnär 38 * war. Die neue Richtung bewirkte aber auch eine Absage an die damaligen Anfänge einer sozialistischen, genauer sozialdemokratischen Lyrik, die sich im Repetieren sentimentaler Schablonen sozialdemokratischer Elendsdichtung erschöpfte und die in ihren Formen übertrieben vereinfacht, ja simpel und in vieler Hinsicht Epigone der konservativen Schule war. Im Zusammenhang mit dieser Wendung in der Literatur kam es dann in der sozialdemokratischen Partei zu heftigen Auseinandersetzungen und Polemiken. Im wesentlichen wurden auch die historischen Bestrebungen der ungarischen Arbeiterklasse durch die neue Richtung der Literatur zum Ausdruck gebracht. Gewiß, die neue Richtung war nicht einheitlich, und die tatsächlich vorhandenen Unterschiede sind dem heutigen Betrachter bereits offenkundig. Die Aufmerksamkeit sei hier auf die herausragende Gestalt dieses Neuansatzes in der ungarischen Literatur, auf Endre Ady gerichtet, der die Petöfische Entwicklungslinie fortsetzte und Attila Jözsef unmittelbar vorausging. Ady sprach mit der größten Kraft die neuen Worte des neuen Lebens aus und lieh damit der Sehnsucht der ungarischen Intellektuellen nach einem erfüllten, totalen Leben seine Stimme. Auf neue Weise kämpfte er gegen die Macht des Geldes, und seine Dichtung ist in ihrer Gesamtheit aktive 2*
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Solidarität mit den ungarischen Proletariern und deren führenden Männern und Frauen, mit den „Weißen der Zukunft" 39 — wie es in einem seiner Gedichte heißt.
Kritisch-produktiver Umgang mit den Zeitgenossen Endre Ady und Gyula Jubasz Adys bürgerlich-plebejische 40 * revolutionäre Dichtung ist nicht allein durch ihre unmittelbar politische Wirkung, sondern auch durch die in ihr mitschwingenden Emotionen für viele Generationen ein starker Impuls zur Revolutionsbereitschaft gewesen. In seiner spezifisch bildschöpferischen Technik sind Elemente aus der ungarischen Vorzeit, aus der Bibelübersetzung, aus der Sprache seiner Zeit und aus der westeuropäischen Dichtung zu kraftvollen symbolhaften Metaphern, zu „neuen Zeichen auf der uralten Heerstraße" 4 1 verschmolzen, um seine Revolutionserwartung auszudrücken. Für Adys Schaffen insgesamt ist zudem auch jene Überhöhung des lyrischen Subjekts charakteristisch, die der europäischen bürgerlichen Lyrik um die Jahrhundertwende eigen war; Adys gesteigertes lyrisches Ich wurde jedoch alsbald selbst ein Symbol für das Ungarn der Zukunft. Wir betrachten Adys Dichtung in ihrer Gesamtheit als erste Verwirklichung der ungarischen — und in weiterer Sicht der osteuropäischen — Moderne, die nicht durch irgendwelche Atomisiertheit des bürgerlichen Individuums, sondern durch die tätige und auch bei der Wegsuche gültige Verbundenheit der intellektuellen Persönlichkeit mit den Massen gekennzeichnet ist. Es war eine Moderne, die in die europäische Literatur die Spezifik der osteuropäischen „Randgebiete" einbrachte. Für den jungen Attila Jözsef ist gerade die Lyrik von Endre Ady das erste große, überwältigende und bis ans Lebensende anhaltende künstlerische Erlebnis gewesen, das auf ihn befreiend wirkte und ihm Auftrieb gab. In Jözsefs Gedichten aus der Zeit von Ende 1922 — und fügen wir gleich hinzu: bis Herbst 1923 — stößt man immer wieder auf deutlich hervortretende Einflüsse und Nachempfindungen der Adyschen Lyrik. Nicht selten zeigt sich diese Anlehnung schon in Äußerlichkeiten, so etwa in der für die ungarische Orthographie ungewöhnlichen Großschreibung von Substantiven wie „Leben, Kummer, Sonne, Sehnsucht" oder in der bei Ady beliebten Verwendung von Parenthesen im Strophenbau. Adysche Strophenformen, Gliederung 20
der Satzstruktur durch Doppelpunkte, Einfügung von Dialogen mit Anführungsstrichen ins Gedicht — alles Eigenheiten, die bei dem jungen Jözsef wiederkehren. Anregungen für die eine oder andere Formlösung — so z. B. für das Sonett — könnte er durch die Lektüre Gyula Juhasz', aber auch durch Adys Drei Baudelaire-Sonette42 erhalten haben; ähnlich verhält es sich mit den gereimten Zweizeilern, die, von der Romantik und der französischen Dichtung des Jahrhundertendes herkommend, ebenfalls bei Ady und Juhasz vorzufinden waren. Außer übereinstimmenden Wendungen und Wortbildungen gibt es bei Jözsef einige fast gänzliche Adaptionen bzw. getreuliche Nachbildungen von Ady-Gedichten. Jözsefs Gedicht B W 4 3 z. B. ist gleichsam eine burschikose Entgegnung auf Adys Gehet Gott Baal44, wobei Jözsef in der Lexik, in den Bildern und Wendungen getreu dem Adyschen Vorbild folgt. Wie eigenes Erleben und Adyscher Impuls ineinandergreifen, ja wie das Erlebnis selbst erst dank Ady bewußt wurde, dafür ist u. a. das Gedicht Der Student in Not''5 ein Beispiel. Die Situation darin ist echt; Jözsefs starke Sehnsucht im Frühjahr 1922, aus dem Alltag auszubrechen, spricht aus dem Gedicht, jedoch mit Adys Worten, mit Adys Bildideen und nach dessen Muster Der eingemauerte Student46. Doch beschränkt sich Adys Einfluß nicht auf textliche Übereinstimmungen, Formadaptationen und die Entlehnung von Äußerlichkeiten. Der junge Jözsef eignete sich Adys Stil nicht einfach als ein treuer und strebsamer Schüler an, und Ady war für ihn nicht etwa ein Lehrmeister unter vielen. Vielmehr setzte er in erster Linie Adys Weg fort, freilich auf eine altersbedingt vorerst unausgereifte Weise, aus anderen Erlebnissen heraus und in einer anderen Umwelt, denn in Adys Dichtung hatte er jene Motive gefunden, die zunächst am besten geeignet waren, seine eigene Situation auszudrücken. Zwei ungefähr gleichaltrige Mädchcn aus der Kleinstadt Makö — die Ideale der Halbwüchsigenliebe von Attila Jözsef, Märta Gebe 47 * und Caca Espersit48* — verwandelten sich nach Adys Modellen in große, geheimnisvolle, sinnliche Frauen. So verflochten sich in den Liebesgedichten eigene unmittelbare Erlebnisse mit literarischen. Doch gingen von Ady auch Impulse aus, die nicht der Realität, sondern lediglich den Sehnsüchten des jungen Mannes entsprachen. Der sechzehn- bis achtzehnjährige Maköer Gymnasiast, Vollwaise und angehende Dichter vergötterte sich, steigerte sein Ich und per21
sonifizierte seine „Seele", sein „Herz" in gleicher Weise, wie es Ady getan hatte, durch den in der ungarischen Literatur eine unerhörte Weitung des lyrischen Ichs sanktioniert worden war. Gottesvorstellung und Christusbild dienten dem jungen Dichter dazu, der Welt seine Unzufriedenheit, der Zeit sein Nein, seinen Protest kundzutun und in der Bildgestalt des Christus gegen Gott zu rebellieren. Auch hier war Adys Erbe eine Hilfe, damit er ausdrücken konnte, was ihn zutiefst beunruhigte, wie Ady ihm auch aussprechen half, was er über seine Umwelt, seine Zeit oder die Nation, der er angehörte, empfand. Von Ady wußte er, daß er auf dem „ungarischen Brachland" 49 lebte. Schon im allerersten Gedicht über den Dichter-Vorfahr steht der aufschlußreiche Satz: „O Ady, Schnee fällt aufs ungarische Brachland . . ." 50 Und wie bei Ady die Gottesvorstellung häufig mit Motiven des Ungartums verflochten ist, so auch bei Attila Jözsef: Ob man den Gedankengängen in den Gedichten Gott geht um51 und Im gottlosen trüben 'Polarland52 folgt, ob man dem Ursprung der Vorstellung „Mensch in Gram, Ungar in Gram" 53 nachgeht, unweigerlich stößt man auf den Inspirator Ady. Adys „winterliches Ungarn" 54 , „Land in Explosion" 55 , „geschlagenes Volk" 56 und seine selbstzüchtigende Leidenschaft lebten in dem jungen Jözsef weiter. Nicht ohne Echo blieb bei dem jungen Dichter Adys sehnliches Verlangen nach dem Leben und nach Lust (und — blasser zwar, aber davon untrennbar — das Todesverlangen); auch er sehnte sich fort aus der Kleinstadt, hinaus ins große „Leben", und dies auszudrücken, half ihm wiederum Ady, wie er ihm auch half, die Exaktheit des Ausdrucks für seinen eigenen Rebellenzorn zu finden. Attila Jözsef hat den ganzen Ady gelesen: vom Gedicht des Proletarierjungen'*1, mit dem er selbst hätte gemeint sein können, bis zu Im Lenz blutiger Panoramen'58 und zur Neuen Frühlingsheerschau59, deren mitreißende Wucht und deren Haß auf die Herren er in sich aufgenommen hatte. Er mag — mit gutem Grund — das Gefühl gehabt haben, daß auch er einer aus dem „jungen Heer des Fiebers" sei und Ady auch ihn, den „jungen Ungar", wissen ließ: Zu leben unter Paschas und Idioten, welch Volk trüg einen spitzem Dornenkranz? Was nützt's, daß Gott des Ungarn Herz aus Stahl schuf, um heiige Funken Menschtums draus zu schlagen: Zerfressen ist's vom Rost des Vaterlands. 22
Doch Feuer wehe, Feuer, junge Brüder, das Feuer, laßt das Feuer nicht erfrieren, Leben und Glauben sei euch jungen Brüdern als Botschaft eines Toten mitgegeben. Die Asche sendet euch schmelzende Feuer, die leuchten sollen, daß ihr nie verzagt: März ist's, und ohne Grenzen ist das Leben. 60 Attila Jözsef empfing und begriff die Botschaft; Adys revolutionäres Fieber ist in seinen Gedichten unverkennbar, in den kühn herausfordernden Zeilen des Kraftlieds61 und in Proletarier!62, und schon im Herbst 1922, unmittelbar in Adys Nachfolge, entstand das Gedicht Marsch der Jungen63, dessen Rhythmus, Diktion und Elan in vielem auf Ady zurückgeht. Das Gedicht erklingt in dem für Ady höchst kennzeichnenden, erregt flackernden und prophetischen Rhythmus, „mit eisernem Glauben" und „guten Muts" kündend von der Kraft und dem Sieg der Söhne des Lebens. Es lebt vom Pulsschlag der Adyschen Neue[n] Frühlingsheerschau64, ist erfüllt vom Pathos, von der Wucht der Verse Nach den Menschlein des Augenblicks und den Stempel des Meisters tragen die bitteren, von trotziger Abscheu und Rebellion geprägten Gedichte wie etwa der Düstere Abschiedß6, in dem ein Echo auf Adys Wer sah mich?67 anklingt. Adys „süßer Rhythmus" 68 , so bezeichnet von Jözsef in einem Gedicht über diesen69*, pulst auch noch in den nach 1923 entstandenen Gedichten Jözsefs: in den balladesk-volksliedhaften Reminiszenzen an Adys Kurutzen-Gedichte70*, in der prophetischen Diktion von Hierher kommt Liebe aufs neue71. Erinnerungen an Adys Czinszka-Gedichte72* sind zudem in den stilisierten Arme-LeuteGedichten — auch in den Liedern und Liebesgedichten — aus der Zeit um 1928 spürbar. In einem der bekanntesten Gedichte von Attila Jözsef, in Holzfäller, ist bewußt ein Ady-Motiv eingebaut: Hau auf das Schicksal ohne Plärren, dann kreischt das Heideland der Herren —73 In jenen Jahren stellten sich auch andere in Adys Nachfolge, und es gab vielerlei Möglichkeiten, sein Erbe zu nutzen. Ady war für Attila Jözsef von befreiender, bewußtseinsfördernder und aufrührerischer Wirkung. Unter seinem Einfluß wandte sich Jözsef 23
zeitweilig von der objektiven Realität ab und dem gesteigerten lyrischen Ich zu, erschlossen sich ihm Haltungen und Formen. Das wichtigste jedoch: Anstelle einer sachlich beschreibenden Lyrik vermittelte er ihm das Modell einer leidenschaftlichen, aufwühlenden, sich selbst analysierenden und stilisierenden Dichtung, und auch diese Art von Lyrik-Erlebnis war für Jözsef eine Voraussetzung, sich seiner eigenen komplizierten, schwierigen Situation bewußt zu werden und sich an seinen Vorgängern messen zu können. Schöpferisch eignete er sich Adys Symbolsprache an; er ging über sie hinaus, steigerte sein lyrisches Ich, bis er es zum kollektiven Ich weitete, um dann nach einem langen Weg ein harmonisches Verhältnis von Gesellschaft und Dichter, Gemeinschaft und Persönlichkeit zu finden. Leben und Werk Adys sind ihm Zeugnis für die Wichtigkeit des Dichters, dafür, daß in schweren Zeiten die Behauptung und Bewährung der Persönlichkeit zugleich Verteidigung der Menschlichkeit sei. In diesem Sinne stellte Jözsef den Wert seiner Persönlichkeit dem Faschismus entgegen. Die Analyse und planvolle, plastischanschauliche Vergegenwärtigung der Dichterpsyche — etwas, was seinen tiefsten persönlichen Neigungen entgegenkam — konnten bei Ady studiert werden und blieben zeitlebens ein Wesenszug des Jözsefschen Schaffens. Und das allerwichtigste: In den Jahren 1922/23 gaben ihm Adys Ungartum und revolutionäre Leidenschaft Hilfen für seine persönlichen Entscheidungen und zugleich eine Antwort auf die Lage des Landes, auf die Probleme der Gesellschaft und der Epoche. Hinter den beobachteten Erscheinungen das Wesentliche erkennen, in der scheinbaren Statik des Landlebens (man denke an die Reglosigkeit eines Dorfes in der Sommerhitze oder an die winterlichen Straßen der Kleinstadt Makö) in den Jahren der Konterrevolution all die Verbitterung und im Verborgenen glühende revolutionäre Kraft erspüren, die Verlassenheit und das historische Schicksal des ungarischen Volkes begreifen — das war es, was ihn Ady lehrte. Von ihm übernahm Attila Jözsef den Protest, die Bitterkeit und den Trotz sowie den revolutionären Elan, die Kühnheit und die Leidenschaft im Kampf gegen die Schmarotzer und die Anmaßungen der Herrschenden. Als das Adysche Erbe vereint mit den eigenen Erfahrungen und denen der Arbeiterbewegung für seine Lyrik bestimmend wurden, setzte er das Werk Adys in würdiger Weise fort. Ein anderer Wirkungskomplex, der als poetische Schule Attila Jözsefs bezeichnet werden könnte, ging von den Dichtern im Um24
kreis der Zeitschrift Njugat aus. Ihre Lyrik könnte ganz allgemein als eine spezifisch ungarische Variante der mit den Mitteln des Impressionismus und Symbolismus arbeitenden europäischen Lyrik um die Jahrhundertwende charakterisiert werden, wobei Techniken der Beschreibung und Formeigenheiten des Sonetts oder des französischen gereimten Zweizeilers der Spezifik des Ungarischen (auch der Gegenstände, wie Landschaft usw.) angepaßt werden. (Es ist interessant zu beobachten, wie tief dann diese Art der impressionistischen Beschreibung in der ungarischen Lyrik Wurzeln faßte; noch mehr allerdings in der Malerei, wo der national nuancierte Postimpressionismus mit seinen ausgeprägten ungarischen Landschaften bis in unsere Gegenwart einer der stärksten Zweige ist.) Von diesen ungarischen Lyrikern symbolistischer und impressionistischer Provenienz hatte die unmittelbarste Wirkung auf Attila Jözsef jener „einsame, verwaiste, gramvolle" 74 Gyula Juhäsz 75 *, der unweit von Makö, im benachbarten Szeged 76 *, lebte. Gyula Juhäsz war für Attila Jözsef nicht nur der Förderer und väterliche Freund, sondern nach Ady das zweite Vorbild, dessen Einfluß in Jözsefs Dichtung vom Frühjahr 1922 bis zum Sommer 1923 — und in einzelnen Gedichten auch später noch — unverkennbar ist. 1922 lernte Jözsef den Dichter des Bandes Vergißmeinnicht77 kennen, der auch nach der niedergeschlagenen Revolution den Arbeitern und den Ideen des Fortschritts die Treue bewahrte, der seine Gedichte in der Szegeder sozialdemokratischen Tageszeitung Munka78* (Arbeit) publizierte und in dessen Gedicht Das Mär^-Fieber vom Frühjahr 1921 unmißverständliche Erinnerungen beschworen wurden: „Über den Blumen des Grabhügels und blutiger Scholle / entrollt der Frühling seine Banner schon . . . Und tief erbeben / die Seelen im Fieber des März!" 79 Zu der Zeit kündigte sich in Juhäsz' Gedichten und Artikeln bereits die leidenschaftliche Aussage der Treue zum arbeitenden Volk an, was sein Weihnachten 1923 entstandenes Gedicht Neues Geständnis80 zu einer der bedeutendsten lyrischen Manifestationen jener Jahre machte. Aber 1921 war Gyula Juhäsz noch voller Probleme und Widersprüche; wie die meisten seiner ungarischen Zeitgenossen konnte er mit den Problemen des Friedens von Trianon 81 * und der Verkleinerung des Staatsgebiets nicht fertig werden, und eine Art Nostalgie nach dem heidnischen Ungartum lebte auch in ihm. Bestimmend für die Haltung Gyula Juhäsz' in jenen Jahren war jedoch das Gefühl der Sympathie und der Solidarität mit den arbeitenden Menschen, den Arbeitern von Szeged und den Bauern der Umgebung, 25
deren Leben er mit den Mitteln seiner Dichtung darstellte. Andererseits kämpfte er mit dem Gefühl der Einsamkeit und der Trauer und mit seiner Krankheit; die Welt des Geistes und die Wirklichkeit des Lebens bedeuteten für ihn noch immer eine unlösbare Konfliktsituation. Für ihn gab es noch — wie zu Beginn des Jahrhunderts — eine Welt des Schönen als ersehnte Provinz mit eigenen, von der Wirklichkeit unabhängigen Gesetzen: eine Zufluchtsstätte vor den Problemen der Zeit und des persönlichen Lebens. Und wenn Attila Jözsef die Gedichte seines Freundes und Meisters las, teilten sich ihm sicherlich Ringen und Widersprüchlichkeit zwischen Juhäsz' „flehendem Herz nach Anna" 8 2 * und seiner leidenschaftlichen Verbundenheit mit dem Schicksal des Vaterlandes mit. „Deine Stimme sei des Herbststurms finstres / Rauschen, in dem dumpf die Klage hallt, / aber der Glockenklang weithin tönt, / und der Turm weiß leuchtet in der Nacht . . ." 8 3 Diese Verse sandte Attila Jözsef im Sommer 1922 aus dem Dorf Kiszornbor 84 * an Juhasz und bewies sein tiefes Verständnis des Wesentlichen in dessen Dichtung, als er das Bild des ungarischen Dorfes im Tiefland in trüber herbstlicher Nacht beschwor, aus der das Weiß des Turms schimmert — ein Bild, wie es Jänos Tornyai 83 * in den Jahren vor 1920 gemalt haben könnte, oder wie Gyula Juhäsz' Malerfreunde, Jözsef Koszka 86 und Lajos Kärolyi 87 *, in den großen Agrarstädten der Tiefebene sie zu malen begannen. Jözsef hatte die Atmosphäre der Dichtung von Juhäsz in sich aufgenommen und vieles an gedanklichem Inhalt und an Form, an Haltung, Sicht der Landschaft und sprachlichem Ausdruck übernommen, und so dürfte er den Szegeder Poeten am zutreffendsten gekennzeichnet haben: „Deine Seele ist ein sonderbares Wunder: / warmer Regenbogen in der Herbstnacht. / Gleiches hat nie noch ein Mensch gesehen: / trauerschweres Mildgewordensein" i*8. Juhäsz' verhaltene Trauer, seine in der Bedrängnis bewahrte revolutionäre Grundhaltung, sein Schmerz um das Schicksal der Nation, der Gram und die Einsamkeit im Provinzdasein fanden bei dem jungen Attila Jözsef ebenso ein Echo wie Juhäsz' Kult des Schönen und der Künstlerhaltung, nicht zuletzt deshalb, weil die Lebensbedingungen beider in vielem ähnlich waren. Auch in der Inspiration durch die Landschaft kamen sie sich nahe; da waren Makö und Szeged, die Flüsse Maros und Theiß, die düstere Stimmung des Flachlands und die bedrückende Atmosphäre im ganzen konterrevolutionären Ungarn, persönliche Armut und das Abgedrängtsein an die Peripherie. Ideelle und Formparallelen weisen vor allem die 26
Landschaftssonette Vor der Erntezeit*®, Bei der Ernte90, Die brave Kub91 auf, und auch in den ersten Genre-Bildern aus dem Arbeiterleben des Jahres 1922 ist die Juhäszsche Inspiration unverkennbar. Unleugbar verlocken Bau, Melodieführung und Äußerlichkeiten der Juhäszschen Gedichte zur Nachbildung, ebenso wie die von Ady, weil sie den Leser packen und für sich einnehmen. „. . .. Gyula Juhäsz erscheint zumeist nachlässig, aber der Kenner weiß, wie wertvoll das Hausleinen ist, das er trägt" 92 , schrieb 1930 Attila Jözsef über ihn, und folgte er auch nicht dessen scheinbarer Nachlässigkeit — weil sein Rhythmus-Empfinden und sein MetrumAnspruch kategorischer waren, als daß ihm eine allzu versteckte Vers-Melodik hätte zusagen können — so wußte er das „wertvolle Hausleinen", den inneren Bogen der poetischen Diktion, die etwa in den Sonetten von Juhäsz bei aller Schlaffheit der Form kraftvoll war, die Homogenität und Geschlossenheit doch zu schätzen und davon schöpferisch Gebrauch zu machen. Die Beziehung Juhäsz-Jözsef war allerdings nicht so eindeutig harmonisch wie die zu Ady. Förderung und Anleitung durch Juhäsz beschränkten sich auf eine bestimmte Zeitspanne, und schon seit 1924 trennten sich ihre Wege. 1923 feierte er sein Vorbild in Szeged noch mit dem Gedicht Alte Weise über Gyula Juhäsz,;93, in welchem er den Ton der bitteren Empörer-Gedichte von Juhäsz aus der Zeit von Ende 1919 und Anfang 1920 aufgriff. „Sie sind zu schwach zum Bösen, weil zu schwach zum Guten.. ."9''t hatte Juhäsz ausgerufen, und Attila Jözsef summierte die Lage so: „Ungarn — ein Dorf von Burschen, die's wüst treiben . . ." 95 Während den jungen Dichter die Unzufriedenheit mit seiner Lage, Rebellion gegen die Umwelt, Bereitschaft zu Bewährungsproben weitertrieben und neue poetische Möglichkeiten anzogen, blieb der an seinen poetischästhetischen Idealen vor der Jahrhundertwende festhaltende, um eine Generation ältere Juhäsz in zunehmender Einsamkeit und Ermüdung zurück. Attila Jözsef verließ Mako, riß sich aus der Lethargie der Provinz, und sehr bald schwand aus seinen Gedichten der Trauer- und Herbst-Kult der ersten Jahre; Juhäsz' Dichtung dagegen sank immer mehr ins Grau, sank in Trauer: „Des unbekannten Leidens/Besiegter Soldat ruht hier . . ," 96 Ab 1924/25 verliefen die Bahnen der beiden Dichter voneinander getrennt; später, Mitte der dreißiger Jahre, glaubt man allerdings wieder einen Zusammmenklang einiger ihrer Gedichte zu hören, so etwa die Melancholie des Juhasz-Gedichts Gesang*1 in Jözsefs 27
Herbst98 (1935). Nicht von der Hand zu weisen ist der Gedanke, daß Juhäsz' Dorf nacht99 Attila Jözsef zu einem seiner schönsten Gedichte, Dorfm, inspirierte. 1922/23, als Gyula Juhäsz und Attila Jözsef einander noch nahestanden, fand Attila Jözsef durch die Bekanntschaft mit Juhäsz Zugang zu einer Reihe von Errungenschaften der westeuropäischen Lyrik (Technik, Komposition usw.) und unmittelbaren Anschluß an die Welt und die Dichtung des Jahrhundertbeginns. Neben Adys fiebrig flackernder revolutionärer Leidenschaft waren Juhäsz' stille Treue zur Sache der Unterdrückten und sein unablässiges Ringen mit den eigenen Schwächen für Attila Jözsef eine wichtige Erfahrung. Dennoch blieb die Spezifik der Adyschen Lyrik für ihn bestimmend, denn um sich weiterzuentwickeln, mußte er über den Juhäszschen Einfluß hinauswachsen — fort von dessen Nuanciertheit, Realismus und Objektivismus, hin zu einer vergleichsweise aufgewühlten, unausgeglichenen, stilisierten, auf andere Art ich-zentrischen Lyrik. Außer Gyula Juhäsz hatten auch andere namhafte Dichter des Njargtf/-Kreises — Dezsö Kosztolänyi und Mihäly Babits m * , aber auch weniger namhafte, wie Simon Kemeny 102 * — auf den jungen Jözsef Eindruck gemacht. Nicht zu vergessen sind einige Erlebnisse, die ihm aus der Weltliteratur vermittelt wurden: so etwa ein Band der Gedichte Baudelaires, der 1921 in einer von den Lyrikern der Njugat nachgedichteten ungarischen Fassung erschienen war, oder ebenfalls in jenen Jahren herausgegebene Whitman-Nachdichtungen. Betont sei schließlich, daß alle diese Einflüsse und Inspirationen Jözsefs Entwicklung insofern bereicherten, als sie seine eigenen schöpferischen Kräfte zur Umsetzung der spezifischen persönlichen Erlebnisse in die Sprache und Formen der Dichtung förderten. Im folgenden soll das an zwei Beispielen näher gezeigt werden.
Verarbeitung von Anregungen %u eigenständigen Synthesen: „ Hunger" und „Der Ermüdete" Im Sommer 1922 schrieb der siebzehnjährige junge Mann, damals Flurhüter auf einem Maisfeld in Kiszombor, ein Sonett mit dem Titel Der Hunger i°3, und dies in einem solchen Grad von Vollkommenheit, daß der gereifte Dichter es später fast ohne Änderungen in die Sammlung seiner ausgewählten Gedichte übernehmen konnte. Dieses Sonett mag ein Musterbeispiel dafür sein, wie Attila Jözsef Anregungen verarbeitete und in eine eigenständige Synthese integrierte. 28
iibseg A gep megällt. Elfäradt por kering fölötte, mint az öszi köd meg pära, s räszäll az emberek hajlott nyakara, kik esznek most. Atizzadt szennyes ing hül a vallukra. Fal, fal egyre mind. Kenyer s uborka az ebedjük mära s mind ügy eszik, ne vesszen csöpp se kärba s hogy jöt harap s hozzaharap megint. Mär nem törödnek semmit az idövel. A harapäsok majdnem összeesnek, de jöl megrägnak minden falatot. Egeszseges, meg jö paraszttüdövel szivjäk, rägjäk a port, szenaszagot s csak esznek, esznek, esznek, nem beszelnek, esznek.
Der Hunger Die Dreschmaschine steht. Der Staub treibt weg wie Nebel, die im Herbst sich lang verspäten, senkt auf die krummen Rücken, die verdrehten Hälse sich. Und sie essen. Starr von Dreck wird kalt das Hemd am Leib. Der Schweiß klebt's fest. Her mit dem Brot, den Gurken! Mittagsstunde. Kein Brocken geh verlorn, keine Sekunde! Nach jedem Biß befiehlt der Hunger: Eßt! Was sonst geschieht, das haben sie vergessen. Und Biß trifft Biß. Es kann kein Biß mehr warten. Doch kaun sie gut an jedem Stück, dem harten. Und essend füllen sie, wie blind und taub, die Bauernlungen sich mit schwarzem Staub. Sie essen, essen. Reden nicht. Sie essen. 29
Vollendetheit und Bedeutung dieses Gedichts aus dem Jahr 1922 fanden schon früh Beachtung. Es wurde wiederholt analysiert, und man hob jedesmal als wichtigste Besonderheit hervor, daß hinter der scheinbar unbeteiligten, sachlich-kühlen Beschreibung ein höchst aufrührerischer Inhalt steckt, daß allein schon die geschilderten Tatsachen entlarvend wirken. In der Tat ist das Gedicht eine Art Momentaufnahme, es wirkt wie ein Genre-Bild in der Manier von Gyula Juhäsz. Schon hier zeigt sich die Besonderheit des Dichters, Erleben und Zustände punktuell zu gestalten. Die beiden Hauptmotive des Gedichts — „Stillstand der Zeit" und „Hunger" — werden später häufig wiederkehren. Hier zunächst der „Hunger" : Der junge Mann, der bis dahin schon viel gehungert hatte, wird gefesselt durch die Art, wie die Arbeiter an der Dreschmaschine essen, und diesen Eßvorgang stellt er in den Vordergrund des Gedichts — das Schlingen, den gierigen Verzehr der geringen Nahrung und das sorgsame Kauen jedes Bissens. Daher die stete Wiederholung des Wortes „essen", gewöhnlich begleitet von akzentuierenden, ähnlich klingenden Worten („. . .mind ugy eszik, ne vesszen. . „nem beszelnek, esznek"), die die Monotonie des Essens und der ganzen Szene vergegenwärtigen („Und Biß trifft Biß. Es kann kein Biß mehr warten"). 104 Die meisterliche Handhabung der Kunstmittel verrät allein schon der Bau des Gedichts. Farbig und kompliziert beginnt die erste Strophe, in der der einzige lyrische Vergleich des Gedichts zu finden ist („Wie Nebel, die im Herbst sich lang verspäten") 105 , um den Weg des forttreibenden Staubs nachzuzeichnen; aber sobald der Staub sich gesetzt, „gesenkt" hat und das Hemd am Leib kalt geworden ist, wird auch die Diktion einfacher, nüchterner, sachlicher, endet sie in der letzten Zeile stockend und abgehackt. Über zehn Jahre später wird dieses Verfahren auf höherer Stufe in solchen Gedichten wiederkehren wie Mein Vaterlandri06, wo dem lyrischen Impetus des einleitenden Teils sachliche Exaktheit folgt. Eine spezifische Spannung zwischen Form und Inhalt verstärkt zusätzlich die Wirkung: der Gegensatz zwischen der sorgfältig gearbeiteten — an die Parnassiensdichtung erinnernde — Sonettform und dem ernüchternden Inhalt. Beispiele für diese Methode mag es bei Babits und Kosztolänyi gegeben haben, wesentlich ist, daß sie Jözsef und seiner spezifischen Aussage entsprach. Daß er von diesem Gegensatz bewußt Gebrauch machte, zeigen weitere Gedichte vom Herbst jenes Jahres, Die brave Kuh, Der Betrunkene auf dem G/eis107, und belegen — vervollkommnet und mit überraschenden Effekten — Gedichte der späteren reifen 30
Jahre. Fügen wir noch hin2u: Außer den erwähnten dekorativen Wörtern und Vergleichen (in den ersten zwei Zeilen) sind in dem Gedicht keine weiteren sogenannten poetischen Wörter zu finden. Der Sonettbau ist völlig regelmäßig (mit den Silbenzahlen 10, 11, 11, 10 - 10, 11, 11, 10 - 11, 11, 10 - 11, 10, 11), und ebensowenig auffällig ist die Reimfolge; der sanfte jambische Rhythmus trägt den Text ganz ungezwungen, auf natürliche Weise. Die scheinbare (weil höchst präzis gearbeitete) Einfachheit der Form stützt so das (ebenfalls scheinbare, weil bedeutsame Perspektiven öffnende) Prosaische des Inhalts. Von Jözsefs Umgang mit dem poetischen Instrumentarium, seiner Fähigkeit zur eigenständigen Synthese zeugt auch das Gedicht, das ein Jahr später, im Herbst 1923, entstand. Es sei noch einmal daran erinnert: Er war achtzehneinhalb und schickte sich an, die Kleinstadt Makö zu verlassen; den „guten Maköern" widmete er zum Abschied das Gedicht, in dem bis dahin Erreichtes bilanziert und der neue Weg der Entwicklung angedeutet ist. Im September 1923 verließ Attila Jözsef Makö und reiste nach Budapest. Damit war die Zeit der Kindheit und des Heranwachsens zu Ende, die Jugendzeit begann, und auch sie sollte schwer und mühselig werden. Abschied und Ausblick, Abschluß und Neubeginn markiert das Gedicht Der Ermüdete: Auf den Feldern gehen ernste Bauern, die sich schweigend auf den Heimweg machen. Fluß und ich, wir liegen beieinander, zarter Gräser Schlaf an meinem Herzen. Auch der Fluß wälzt eine große Ruhe. Last und Sorge sind zu Tau zergangen. Bin kein Mann, kein Kind, kein Ungar und kein Bruder, nur ein Müder, den der Schlaf gefangen. Friedlichkeit verteilt der sanfte Abend. Ich bin seines warmen Brotes Scheibe. Auch der Himmel ruht nun. Auf der sanften Maros und auf meiner Stirne ruhn die Sterne.108 Das Gedicht war damals bereits in einer Endgültigkeit abgefaßt, daß der Autor es elf Jahre später so gut wie ohne Änderung in den 31
Auswahlband Qärentan^109 aufnehmen konnte, nachdem es auch in der Zwischenzeit wiederholt erschienen war. Da es am Wendepunkt zu einem neuen Entwicklungsabschnitt entstand und eine neue Weltsicht und neues Weltverständnis ankündigte, ist es mit Rccht mehrfach analysiert worden. Es bedarf einer eingehenderen Beschäftigung mit diesem Gedicht, um hinter dem Traditionellen der äußeren Form eines impressionistischen Landschaftsgedichts und in deren Hülle eingeschlossen das Neue der „inneren Form", die darin eingebundene Jözsefsche Individualität der Stimmung, der Sprache und des Empfindens bewußt zu machen. Gehen wir also von der äußeren Form aus: Das grafische Bild zeigt eine Gliederung in drei Vierzeiler-Strophen; beschrieben ist eine Landschaft in der Manier französischer Vorbilder, vor allem vermutlich Verlaines und seiner Zeitgenossen, die damals in Ungarn sehr verbreitet und bei den Dichtern der Njugat geradezu bevorzugt war; doch deshalb darf der Hinweis auf die noch unmittelbare Beziehung zu Gyula Juhäsz nicht fehlen. Die Gedichtform ist eigentlich eine geweitete, lockere, bequemere Variante des Sonetts; dem entspricht auch die innere Struktur, gleichsam die Handlungsführung: Zustandsbeschreibung in der Art eines Standfotos in der Exposition des Gedichts; gelassene innere Bewegung, langsame Aktionen, Ortsveränderung in Zeit und Raum; „Pointe" als Ausruf, Entdeckung des Neuen, oder melancholischer Ausklang zum Abschluß. Dem angedeuteten Strukturmodell folgen auch viele Gedichte von Gyula Juhäsz, und zwar so konsequent, daß es bei ihm zur Schablone wird und eine der Ursachen für eine gewisse Monotonie seiner Gedichte ist. Die von Attila Jözsef gewählte Gedichtform war also bekannt und stand ihm fertig zu Gebote. Wie aber handhabte er sie? Einerseits demonstrierte er bewußt ihre Beherrschung, andererseits lockerte er sie von innen heraus auf und löste sich von ihr. Er weitete die ursprünglich streng regelmäßige Form unter Beibehaltung des äußeren Rahmens zum freien Vers hin. Bei Juhäsz waren die Zeilen noch paarweise oder umschließend gereimt, in Der Ermüdete ist auch die Bindung durch den Reim auf jede zweite Zeile reduziert. Innerhalb der Strophen dehnen sich gleichsam die Verse von Zeile zu Zeile: 1 0 - 9 - 1 1 - 1 2 und 11 - 11 - 12 - 10 betragen die Silbenzahlen, nur in der dritten weisen sie Gleichmäßigkeit auf: 10 — 10 — 32
11 — 11. Regelmäßig folgen einer ersten jambischen Zeile unterschiedlich rhythmisierte Verse, in denen sich Gedanke, Rede und Atempausen mit rhythmischer Ungebundenheit Raum schaffen, bis dann in der ersten Zeile der jeweils nächsten Strophe abermals regelmäßige Jamben den traditionellen Rahmen wiederherstellen. Metrisch stellt das Gedicht folglich einen Übergang von der parnassistischen Versgestaltung zum freien Vers dar. In dem Gedicht Der Ermüdete sind ihrem Ursprung nach unterschiedliche thematisch-stilistische Elemente zu einer Einheit verschmolzen. Während der Beginn, wie erwähnt, auf Juhasz' TieflandGedichte verweist, erinnert der Schluß — aber auch schon der Verlauf — des Gedichts eher an Verlaines Ubeure du berger Der ungarische Jözsef-Forscher Ervin Gyertyän stellte auch noch andere Verbindungen zur außerungarischen Literatur, z. B. zu Wanderers Nacbtlied von Goethe her. Sieht man vom unmittelbar Textlichen und vom Rhythmus ab, so ist eine Verwandtschaft in der Stimmung nicht zu leugnen. Gyertyäns Verweis auf Schillers Ode an die Freude vermag ich allerdings kaum zu folgen. Aber woher auch Elemente des Gedichts stammen mögen — sie sind aufgegangen in einer neuen, organischen Einheit, die bei aller Gelöstheit sowohl begrifflich als auch in der Ordnung der lautlichen Komponenten eine strenge Struktur aufweist. Betrachten wir nur einmal, wie durchdacht die Folge der Vorstellungen und Begriffe ist: 1. Strophe: Menschen — Fluß — Ich — Gräser ^
I
2. Strophe: Fluß — Ich — Menschen — Ich (allg.)
3. Strophe: Brot -
Ich -
Fluß -
Ich Sterne
Die Geschlossenheit und Logik der Abbilder wird durch die innere Logik der Mikroelemente gefestigt; hingewiesen sei hier nur auf den Wechsel der tiefen (velaren) und hohen (palatalen) Vokale, auf den Zeilenausklang und auf die Reime. Was alles wirkt nun am Zustandekommen dieser geschlossenen Einheit des Gedichts mit? Es sind die Natur, deren große und kleine Elemente, die „anderen Menschen" und schließlich der ermüdete 3 A. Jozsef
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einzelne: das Ich des Autors. Die inhaltliche und stimmungsmäßige Einheit dieser Elemente realisiert sich dadurch, daß die „zarten Gräser", die Sterne, die ernsten Bauern eins werden mit dem Ermüdeten und andererseits das Ich des Autors aufgeht in den Dingen der Welt. „Ich bin seines warmen Brotes Scheibe" m , lautet die Feststellung im Gedicht, mit einem deutlichen Absinken des Mclodiebogens zum Ruhepunkt. Diese Art, in den Dingen der Welt aufzugehen, war weder in der ungarischen noch in der Welditeratur völlig neu, dafür gab es schon Beispiele, in der ungarischen Lyrik z. B. Der Schi/fsee112 von Jänos Vajda 113 *, in der Weltliteratur die Lyrik der Romantiker und seit Francis Jammes ebenfalls viele andere. Dem Ermüdeten sind indes einige Züge eigen, die ihm eine unvergeßliche Individualität verleihen und Charakteristisches aus dem Schaffen des reifen Attila Jözsef vorwegnehmen. Eine dieser Besonderheiten liegt im tiefen Verständnis und in der liebevollen Hinneigung zum Geringen in der Welt. Hier im Gedicht zeigt es sich im Beschwören der „zarten Gräser", in späteren — etwa in den hauchzarten Bildern des Gedichts Ameise114 und in Details der großen Landschaftsgedichte — wird es sich voll entfalten. Die „zarten Gräser" exemplifizieren zugleich Attila Jözsefs Fähigkeit, innerhalb einer so engen syntaktischen Beziehung, wie es das Attribut und sein Bezugswort sind, Spannung zu erzeugen. Das Attribut „zart" anthropomorphisiert durch die Suggestion einer menschlichen Eigenschaft das Bild, wie auch die „stille, große Ruhe" den Menschen assoziiert. Ähnlich geartet ist das bildschöpferische Verfahren, bei dem abstrakte Prozesse, psychische oder soziologische Erscheinungen durch stark verdichtete Bilder aus der Natur transparent werden: „. . . Last und Sorge sind zu Tau zergangen" 115. Dieser Bildtechnik werden wir auch in den Dichtungen des reifen Jözsef, in der Ode11G und in Besinnung11"', auf höherer Stufe wiederum begegnen. Die abgerundete Stimmung des Gedichts kommt durch die Abgestimmtheit der Bildnuancen zustande, wobei die Bilder einem ganz bestimmten Vorstellungsbereich entnommen sind, aus dem sie bei aller Kühnheit nicht ausbrechen. Attribute wie „schweigend", „still", „ruhig", „ermüdet" differieren in den Nuancen, liegen aber auf einer Ebene; Weite und Intimität werden durch die Anthropomorphisierung der Bilder bewirkt. Schließlich kommt noch als bemerkenswerte Färbung eine latente Ironie hinzu. Versteckt ironisiert ist das Hineinversetzen in die Natur: „Fluß und ich, wir liegen beieinander" — 34
hier ist eigentlich eine Parenthese herauszuhören, eine Distanzierung, ja sogar eine gewisse Verschmitztheit. Eine weitere Komponente des Gedichts ist in der autobiographisch begründeten, durchweg negierten Aussagefolge „kein Mann, kein Kind, kein Ungar, kein Bruder" zu erkennen. Jede einzelne Negation macht auf einen realen, für den jungen Verfasser des Gedichts schmerzlichen Umstand aufmerksam: Der Halbwüchsige mit seiner Sehnsucht nach einer Frau wurde ausgelacht. Er war noch jung, bereits ohne Vater und Mutter und stand als sozialer Aufrührer abseits der „nationalen" Wallungen, er hatte zwar Geschwister, doch unterschied er sich von anderen Gleichaltrigen. Geht man dieser Spur nach, stößt man im Bildinhalt auf Anzeichen jenes Arme-LeuteMotivs, das auf Erlebnisse einer schweren Kindheit zurückgeht, und hier wird in der beschwörendenBildfolge dieses frühen Gedichts der fehlende, vermißte Vater spürbar: „Friedlichkeit verteilt der sanfte Abend./Ich bin seines warmen Brotes Scheibe . . ." 1 1 8 Dazu die Interpretation eines Zeitgenossen von Jözsef, des Kritikers Ferenc Fejtö 119 *: „Sie beide: die Einsamkeit, mit ihren versteckten, nur mittelbar hervorbrechenden und übertragenen Sehnsüchten — und der Friede, die Milde der abendlichen Stille finden einen wunderbaren Ausdruck in der letzten Strophe, wo ,der Abend den Frieden verteilt' — wie? . . . Im Gedicht steht es nicht, aber in uns klingt bereits unweigerlich die Assoziation an: wie der Vater zum Abendessen der Familie das Brot. — Und damit jedermann verstehe, wird die versteckte Anspielung von der gedichtformenden Intuition mit einem Sprung zum darauffolgenden Vergleich verstärkt: ,Ich bin seines (d. h. des Friedens) warmen Brotes Scheibe'." 120 — Der Arme-LeuteAspekt kommt in den beiden zitierten Zeilen tatsächlich zweifach zur Geltung: im Motiv des Brotverteilens und im Fehlen des Vaters. Friedenssehnsucht und Ruhefinden-Wollen — ein Hauptmotiv des Gedichts — ist in Attila Jözsefs Gesamtwerk gegenwärtig neben der ständigen Bereitschaft zum Kampf und der menschlich-politischen Bewährung in den Kämpfen. Zugespitzt ist dieser Widerspruch in dem Gedicht Der Kummer (1930): „Scheute wie ein Hirsch im Wald, / sanften Kummer in den Augen . . . Hirsch, das war ich einstens, / Wolf werde ich leider sein." 121 Attila Jözsefs Sehnsucht nach Frieden, nach Geborgenheit, nach Ruhe und Entspanntheit, die nie Erfüllung finden konnte, ist ein wesentlicher Kontrapunkt seiner ganzen Dichtung, wie neben dem Kämpfertum die Freude am Spiel, neben Härte und rauher Strenge die Anmut, der Charme, die Grazie. 3*
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Wir sind beim Kern des Gedichts Der Ermüdete angelangt, bei der Frage nach der inhaltlichen Dominante in der komplexen Einheit des Gedichts. Ist es die Harmonie oder das Unbefriedigtsein, sind es Glücksgefühl und Erfüllung oder Melancholie und Unvermögen zur Gelöstheit? Sicherlich dominieren im Gedicht die tiefe Ermüdung und das Verlangen nach Ruhe und nach Aufgehen in den Dingen der Welt; das suggerieren — vom Titel angefangen über den verlangsamten Rhythmus und die gelöste Verskunst bis zu den Schlüsselworten — alle angewandten poetischen Mittel. Die Ermüdung ist begründet, sowohl im persönlichen Leid des Waisendaseins als auch in der Perspektivelosigkeit der jungen Generation im Ungarn der zwanziger Jahre. Die tiefe und begründete Ermüdung wird im Gedicht nun aber beinahe zu einem Glücksgefühl, ausgelöst durch die Natur — den Fluß, den Abend, die Sterne —, und zum Ruhefinden verhelfen auch die Gefährten, die anderen Menschen: „ . . . e i n i g e ernste Bauern" 122. Zwei Empfindungs- und Stimmungsebenen beherrschen also das Gedicht: einerseits Ermüdung, Melancholie und Kummer, aufgelöst in der Umwelt — andererseits Zärtlichkeit und liebevolle Hinwendung zu den geringen Dingen und Wesen, wodurch der Schmerz gemildert und eine versöhnliche, durch die mitfühlende Teilnahme und Güte der Dinge und Wesen der Welt herbeigeführte Lösung suggeriert wird. Zum Abschluß, gleichsam als Bilanz noch einmal ins Bewußtsein gehoben, ist im Gedicht die Welt der „ernsten Bauern", die Landschaft an der Maros, und angekündigt wird die abstraktere poetische Welt der folgenden Jahre: das Ringen mit den Kräften der Natur und des Schicksals und der Gedanke der Befreiung durch Güte. Und schließlich kann das Gedicht als ein Innehalten, ein Kräftesammeln vor neuen Aufgaben und Kämpfen gewertet werden, bei dem der „Ermüdete" allein ist mit sich und der Welt, um dann aufzubrechen auf neuen Wegen.
Erschließung der ungarischen Volksliedtradition: „Arme-Leute-"Gedichte und „Keinen Herfens" Die Nutzung des ungarischen Volkslieds, das in der ungarischen Literatur traditionelle Zurückgreifen auf die Volksdichtung stellte für den jungen Jözsef eine Form dar, an Traditionen anzuknüpfen und zugleich neue zu stiften. Dieser Schritt zurück zum geschicht36
lieh Überlieferten erweist sich als eine Bewegung nach vorn, aber zunächst wird es nötig sein, kurz Umschau zu halten. Am Beginn des Jahrhunderts war die Hinwendung zu der als rein, ursprünglich, primitiv und kraftvoll empfundenen Volkskunst eine auch in den westeuropäischen Literaturen allgemeine Tendenz. Diese Bestrebung hatte bekanntlich neben einer progressiven eine reaktionäre Variante. In den osteuropäischen Ländern vollzog sich die Besinnung auf das Volkstümliche in zwei Phasen: zunächst im 19. Jahrhundert, als die Idee der nationalen Erneuerung und Wiedergeburt mit den nationalen Überlieferungen zu einer Volksverbundenheit in der Literatur verschmolz; und dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts — mancherorts noch früher —, nachdem diese Volkstümlichkeit beinahe nur in Äußerlichkeiten erstarrt und politisch konservativ geworden war. Die erneute, zahlreiche Elemente demokratischen Denkens einschließende Besinnung auf die Volkstümlichkeit dürfte sich zuerst in der Musik von Mussorgski manifestiert haben und brach dann sturmflutaitig in die osteuropäischen Literaturen und Künste ein. In diesem neuerlichen Zurückgreifen auf die Ausdrucksmittel des Volkes, hauptsächlich der bäuerlichen Volksmassen, kam angesichts der als undurchschaubar empfundenen kapitalistischen Gesellschaft ein Verlangen nach Schlichtheit, Größe, Reinheit und Edelmut zum Ausdruck. Erwies sich diese Bestrebung insgesamt als progressiv, der demokratischen Erneuerung zugewandt, so war ihr doch auch eine konservative, antikapitalistische Tendenz von rechts immanent. In Ungarn ist die Hinwendung zur volkstümlichen Tradition zu Beginn unseres Jahrhunderts mit den Namen zweier großer Komponisten, Béla Bartók 123 * und Zoltän K o d ä l y v e r b u n d e n . Sie wandten sich nach Aneignung des europäischen und ungarischen Musikerbes dem bis dahin verschütteten, jahrhundertealte Schätze bergenden Volkslied zu und brachten dadurch bei den Intellektuellen in Ungarn den Wert dieses Teils des nationalen kulturellen Erbes allmählich ins Bewußtsein. Bartólas und Kodälys Bestrebungen korrespondierten mit der Bewegung, die in der Literatur von der Zeitschrift Njugat ausging und in Endre Adys Dichtung gipfelte. Eine wichtige Vermittlerrolle kam dabei übrigens dem im deutschen Sprachgebiet recht gut bekannten Schriftsteller Béla Baläzs 125 * zu. Anfang der zwanziger Jahre, als die Lyrik des Njugat-Kteises von vielen bereits als zu kompliziert und überholt und die immer neuen Impulse der avantgardistischen Richtungen als ermüdend empfunden 37
wurden, setzte erneut eine Gegenströmung mit dem Bedürfnis nach Einfachheit, Volkstümlichkeit und Gemeinverständlichkeit ein. In der Lyrik war es Jözsef Erdelyi 12e *, der politisch eine Art von Protesthaltung der armen Bauernschaft artikulierte und mit einem schon 1920 erschienenen Band die neue Welle der volkstümlichen Dichtung einleitete. Es zeigte sich, daß das Volkslied mit seiner tiefgründigen Einfachheit, seinem Schatz an Bildern, an vielschichtiger Bedeutung wieder Neues zu bieten hatte. Attila Jözsef hatte bereits mit seinen Erinnerungen aus der Kindheit einen eigenen echten Bezug zur volkstümlichen Kunst. Erzählungen der Mutter, Volksliedkenntnisse und auch Kenntnis vom Wirken Bartöks und Kodalys hatten ihn auf diese Begegnung vorbereitet, und so kam es, daß in den Jahren der schöpferisch-ruhelosen Suche und Reife von 1923 bis 1925 eine der Quellen seiner Dichtung das Volkslied wurde. Dieser Entwicklungsabschnitt wies zwei Phasen auf. In der ersten überwog die unmittelbare Nachempfindung und Nachgestaltung des Volkslieds bzw. der Anregungen von Erdelyi. Es entstanden die sogenannten Arme-Leute-Gedichte, in denen Jözsef mit Mitteln des Volkslieds und der Volksballade für die Unterdrückten und Ausgebeuteten sprach und — allein durch die Formen der Volksdichtung — suggerierte, daß sie menschlichmoralisch ihren Unterdrückern überlegen seien. Diese Gedichte lassen schon Elemente einer revolutionären Haltung erkennen und zeugen — wie bereits im Zusammenhang mit dem Gedicht Der Hrmüdetenl erwähnt — von einer originellen Umgestaltung der vorgefundenen und angeeigneten Formen durch den jungen Dichter. Die volksliedhafte Struktur der Arme-Leute-Gedichte ist dabei vielschichtiger, als es auf den ersten Blick scheint: Mit den einfachen sprachlichen Mitteln des Volkslieds werden komplizierteste Haltungen und Denkweisen zum Ausdruck gebracht. Die schöpferische Nutzung des Volkslieds durch Attila Jözsef gewinnt des weiteren eine neue Qualität: Das Volkstümliche geht eine spezifische Synthese mit anderen Elementen seiner Dichtung ein, oder genauer: Das Volkstümliche wirkt hier als nuancierender und belebender Faktor. Schon die Zeitgenossen vermerkten dies als ein Charakteristikum der Dichtung des jungen Jözsef; die ständige kontrapunktische Gegenwärtigkeit des Volkslieds und volkstümlicher Töne deuten überdies auf eine Gemeinsamkeit mit dem Schaffen zeitgenössischer Lyriker wie Garcia Lorca, Jessenin oder Majakowski hin. Diese erneuernde und belebende Wirkung des Volkslieds soll 38
beispielhaft an einem Gedicht Jözsefs belegt werden, das zu den bekanntesten Texten in der ungarischen Literatur gehört. Beim Lesen sollte man bedenken: Der Verfasser war zwanzig Jahre, Student, Vollwaise, alleinstehend; was er beklagte, war die Erfahrung gleichsam einer ganzen Generation. Die herrschenden Konservativen gebärdeten sich wütend über Inhalt und Ton, die Linkskräfte im Wiener Exil und in Budapest horchten auf.
Tis^ta s^iwel Nincsen apäm, se anyäm, se istenem, se hazäm, se bölcsöm, se szemfedöm, se csökom, se szeretöm. Harmadnapja nem eszek, se sokat, se keveset. Hüsz esztendöm hatalom, hüsz esztendöm eladom. Hogyha nem kell senkinek, hat az ördög veszi meg. Tiszta szivvel betörök. ha kell, embert is ölök. Elfognak es felkötnek, äldott földdel elfödnek s halalt hozö fü terem gyönyörüszep szivemen.
Keinen Herfens Mutter tot, der Vater fort, weder Gott noch Heimatort, weder Wiege, weder Grab, kein Bett, keinen Schatz ich hab. Seit drei Tagen hungre ich, hungern, das ist widerlich. Zwanzig Jahre sind mein Heil, zwanzig Jahre biet ich feil. 39
W e n n ich keinen K ä u f e r find, schlag ich alles in den Wind. Breche reinen Herzens ein, m o r d e auch, wenns g r a d muß sein. F ä n g t man mich, w e r d ich gehenkt, gutes Erdreich mich e m p f ä n g t , unheilvoller K r ä u t e r w u s t wächst auf meiner wackern Brust. 1 2 8 Dieses Gedicht — ebenso wie Der 'Ermüdete v o n A n b e g i n n bis in die Details „ v o l l e n d e t " — erschien a m 25. März 1925 in der Zeitung S^eged und rief einen Sturm der E n t r ü s t u n g hervor. E s wurde dann fast ohne Ä n d e r u n g e n in den B a n d Hab weder Vater noch Mutter129, in Mihäly Babits' Neue Anthologie130 u n d 1934 in den Auswahlband Bärentan%131 übernommen. Gehen wir v o n der F o r m aus. Allein schon in den siebensilbigen Verszeilen mit ungarischem Akzentrhythmus steckt ein Element der S p a n n u n g , denn F o r m e n mit gerader Silbenzahl sind im Prinzip ausgeglichener u n d zwangloser als solche mit ungerader Silbenzahl. Hier tragen die bzw. 3 / 4 gegliederten Verszeilen infolge der Zäsur stets eine gewisse S p a n n u n g in sich; das Schrittmaß ist ungleich. U n d das ist hier auch dann als Besonderheit zu vermerken, wenn Siebenzeiler mit der T a k t f ü l l u n g 4 / 3 bzw. 3 / 4 im ungarischen gesungenen V o l k s lied häufig v o r k o m m e n . E s ist nicht auszuschließen, daß bei d e m Jözsefschen Gedicht ein solches Volkslied Pate stand, wenngleich die Deutlichkeit der F u g e n und die Strenge in der H a n d h a b u n g des Versmaßes eher eine K o n z i p i e r u n g aus der Rede heraus vermuten lassen. D a s Gedicht besteht aus zwei Teilen, aus zwei „ A k t e n " , worauf bereits der Kritiker und langjährige Freund J ö z s e f s , A n d o r N e m e t h , hinwies. In den ersten drei Strophen wird eine Zustandsbeschretbung gegeben, ein Status präsens, ohne B e w e g u n g in der Z e i t ; erst in der vierten Strophe setzt ein zeitlicher V o r g a n g ein, in der Art einer kleinen Ballade, wie man sie in der siebenbürgischen Volksballade Rata Kädarj:i2* vorfindet. In den 16 kurzen Zeilen sind unterschiedlichste Elemente in einer unauflöslichen, einmaligen Einheit verschmolzen: Elemente aus der frühen ungarischen Dichtung, aus Balladen und Liedern der ungarischen Folklore ebenso wie aus dem europäischen Liedschaffen b z w . v o n E n d r e A d y und Villon und aus der ungarischen Lyrik des 40
20. Jahrhunderts (Jözsef Erdelyi, Jenö J. Tersänszky133*) nachweisbar in der Lexik, in der Versform und im Emotionalen. Die erste Strophe ist eine Art Bestandsaufnahme des sich selbst überlassenen Menschen, eine — wie Imre Bori134* zu Recht feststellt — „Skizze der Gefühlswelt des allein gebliebenen Menschen"135. Auch in den beiden ersten Zeilen der zweiten Strophe dominiert die Verneinung, die sich in der insgesamt bis dahin fünfmaligen Verwendung des negierenden Konjunktionspaares „weder — noch" und der Verneinung des Verbs „essen"136 äußert, wobei die verneinten „acht Substantive solche Begriffe bezeichnen, die für jedes als total angesehene Menschenleben notwendig, ja unentbehrlich sind " 137 . Hinzu kommt, daß die Besitzerzeichen (-m=mein) im Original zu den Verneinungswörtern in scharfem Gegensatz stehen. Aber was verneint der Dichter? Er verneint nicht, er beklagt vielmehr das Fehlen des Aufgezählten und gibt damit zugleich eine exakte Zustandsbeschreibung. Individuelle Klagen sind aufgezählt, nachdrücklich und ungeschminkt in erster Person, aber vielfach belegt durch das bittere Los einer schwergeprüften Generation. Dies nahmen die Zeitgenossen, Freund wie Feind, sehr wohl wahr. Bereits zu dieser Zeit beklagte Jözsef in vielen Gedichten, so früh verwaist zu sein; auch war ihm kein Gott geblieben, denn zu dem ihm dargebotenen bekannte er sich in keiner Weise. Doch sehr bald entwarf er sich einen Gott — halb Vater, halb armer Mann —, an den er noch hätte glauben können, bis ihm wegen des Gedichts Rebellierender Christus13a* der Prozeß gemacht und zugleich auch der Glaube an das Vaterland genommen wurde. Dies um so mehr, als Jözsef mit dem Begriff des Vaterlandes in der damals einzig zugelassenen hohltönenden Phraseologie ohnehin nichts anzufangen wußte. Und die letzte Klage in der Aufzählung, weder einen Kuß noch eine Liebste zu haben, trifft die Situation des Szegeder Studenten wohl recht genau. Auch diese Klage ist nicht individuell begrenzt, sondern zugleich die Stimme der Freunde in Makö, die der „armen Leute", der Arbeiter und Bauern und fast aller jungen Menschen. Jözsef bleibt als einzige Lösung und zeitweilige Konklusion, als einziges Hab und Gut seine Jugend. Wie seine unbekannten Freunde, die französischen Surrealisten, konfrontiert mit den übermächtigen Erwachsenen, nur ihre Jugend in die Waagschale werfen konnten, so weiß auch Jözsef nichts anderes sein eigen zu nennen, anzubieten und zu veräußern. Diese Wendung im Gedicht weist schon in die 41
Villonschc Richtung; umgangssprachlich wäre diese Haltung als verwegen, vorstädtisch, keck zu bezeichnen, aber es ist die einzige Bewegungsmöglichkeit, die ihm offensteht. Ist diese Haltung zynisch? Nur scheinbar, vielmehr folgt sie aus dem konsequenten Zu-Ende-Denken einer Situation; sie ist vom Trotz, von einem „Trotzalledem" diktiert. Zugleich verbirgt sich hinter der exakten Gliederung der Verszeilen unüberhörbar auch schon Verzweiflung. Der Übergang von der Zustandsbeschreibung ins Epische wird wieder mit einer keck-kühnen wegwerfenden Geste hergestellt: „. . . schlag ich alles in den Wind". Dann folgen als Konklusion die beiden vieldiskutierten Zeilen, zunächst die auch in sich widersprüchlich aufgebaute Zeile „Breche reinen Herzens ein", dann, durch „wenn" bedingt, die Möglichkeit: „. . .morde auch, wenns grad muß sein" i 3 9 . Zweifellos liegt hier der Kulminationspunkt, der emotionale Akzent, signalisiert und hervorgehoben durch das bis dahin einzige Attribut im Gedicht: „rein", das in der Fügung „reinen Herzens" nicht zufällig als Titel erscheint. In der dritten Strophe des Originals dominieren deutlich die hohen Vokale. In den beiden ersten Zeilen signalisieren die tiefen Töne die Besitzlosigkeit, indem die Melodieführung über die als hart und abgehackt empfundenen kurzen Silbenvokale e und i verläuft. In der ersten Zeile löst sich die Melodie noch so zögernd von den tiefen Tönen, wie die gedankliche Aussage sich allmählich formt, während diese sich in der zweiten schnell steigert. Zwei Lautreihen markieren hier sinnlich wahrnehmbar jeweils Fragen des Dichters. In der dritten Zeile unterstreichen die metallisch klingenden i-Laute die Entschiedenheit der Frage; die ö-Laute im Versausgang unterstützen die abgerundete Aussage, allerdings liegt in der durch kurze Wörter bewirkten Abgehacktheit der vierten Zeile auch Hast, möglicherweise ein aufkommendes Zögern. Der unterschiedliche Verlauf der Vokalfolge (aufsteigend in den ersten beiden, abfallend in den beiden anderen Zeilen) verdeutlicht die Gegensätze, die durch die Strophe in eine ausgewogene Einheit gebunden sind. Nachdem der Gedanke zögernd bis zur Verzweiflung, bis zu der Bereitschaft, „reinen Herzens" zu töten, aufgestiegen ist, verharrt er, weil kein Weg mehr weiterführt. Die dritte Strophe des Gedichts ist in ihrer Aussage sehr komplex: notgedrungenes keckes Abwinken, Glaube an die moralische Reinheit der aus der Gesellschaft Ausgeschlossenen und anarchistisch gefärbte Rebellion sind darin enthalten, wobei die Anarchie domi42
niert. Obwohl Attila Jözsef den individuellen Terror, die „reprise individuelle" der Anarchisten, nicht gekannt hatte, findet dieser hier bereits einen Widerhall — und dies ist durchaus verständlich, rufen doch bestimmte verzweifelte, aussichtslose menschlich-gesellschaftliche Situationen gleiche Reaktionen hervor. Blasser zwar, aber darin enthalten ist auch dieses „wenns grad muß sein . . ." die Notwendigkeit des revolutionären Kampfes, ja möglicherweise sogar der von Andor Nemeth stammende Hinweis auf den Aggressionstrieb in der Tiefe der menschlichen Psyche: „. . . und will wie jeder töten, töten bloß" 1 4 1 . Entscheidend ist jedoch das anarchistischkecke Aufbegehren, das gerade in diesem Gedicht sichtbar wird. Die vierte Strophe setzt sich von den vorhergehenden durch ihren balladenhaften Charakter ab. Die erste Zeile erinnert noch an die Räuberballaden und an Villon, von „gehenkt" geht noch eine Klammer zu „schlag ich alles in den Wind" 1 / l 2 , aber dann wechselt der Ton, wird weicher und lyrischer; drei Attribute: gut, unheilvoll, wacker zeigen die emotionale Wandlung an. Die Melodie hebt auch hier ausdrucksvoll den Verlauf des Gedankens hervor. Ein Sich-Abfinden und Gewißheit signalisieren die hellen Laute in der ersten Zeile; der aus der Tiefe kommende Seufzer beschwört die Lautfolge in den Zeilen zwei und drei; in Cello-Tönen erklingen die hellen Vokale des Originals (zwei ö, ein u, drei e bzw. e und ein i) und zeugen von der dichterischen Ausdruckskraft. Nicht weniger aufschlußreich ist die Musikalität der Konsonanten in dieser Strophe: In drei Zeilen, ja in sechs aufeinanderfolgenden Wörtern dominiert der Konsonant 1 und stimmt als Ausdruck der Bewegtheit des Dichters die Sprache weich; die f-Lautc in denselben Zeilen unterstreichen diese Wirkung noch. Und liegt nicht ein Hauch von Sanftheit in der Alliteration der h-Laute am Anfang der dritten Zeile? Unterstützt wird diese Interpretation der lautlichen Elemente übrigens auch durch die Reime. Das lyrische Subjekt, das nur scheinbar und lediglich für Außenstehende ein Räuber und Mörder ist, repräsentiert das Gute und Wahre. Auf seiner Brust, der „wackren", „wächst unheilvoller Kräuterwust" 1/43 , den Schurken zur Mahnung und als Lehre für den Kampf. Diese moderne Volksballade der vierten Strophe beschließt das Werk, rundet es ab und krönt es: als Vollzug historischer Gerechtigkeit, als persönliches Ruhefinden und Memento zugleich. In der schöpferischen Nutzung folkloristischer Formen ist dieses Gedicht mit seiner Synthese von vielfältigem Erbe und Neuem eine außerordentlich hohe Leistung.
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Keinen Herfens könnte als ein negatives Gedicht bezeichnet werden, insoweit es bestehende Werte verneint, genauer: sie erst vermißt und dann verneint. Und dennoch ist es kein negatives Gedicht, denn bejaht werden das Ziel, das sinnvolle Leben, der Kampf — verneint wird die veraltete Moral und der oberflächliche Patriotismus. Andor Nemeth erschien es als „moralisch indifferent" 144 ; in Wirklichkeit ist es durchdrungen von der Moral der Guten und Reinen. Der Literaturhistoriker Istvdn Kiräly bemerkt zu dem Gedicht: „Auch in seiner Sittlichkeit geriet, wer mit hohen Ansprüchen lebte und nicht klein beigab, außerhalb der gegebenen Gesellschaft: die Sittlichkeit war vogelfrei geworden." 145 Fügen wir hinzu: Zweifellos handelte es sich um eine andersgeartete Moral als die dazumal konventionelle; eine neue Moral war im Entstehen, und eines ihrer Elemente war gerade die Unbefangenheit, ja die Zur-Kenntnisnahme und Zügelung der aggressiven Triebe. Das Gedicht war ein Entwurf zur neuen, von der Religion autonomen Moral — ein Entwurf zu einer auch politisch neuen Moral. Andor Nemeth schreibt, sich an Jözsef erinnernd, u. a.: „In Gedichten wurde dies selten so ausgedrückt, und zwar so kraftvoll, so unmißverständlich. An seinem Sinn gibt es nichts zu deuteln, noch zu beschönigen oder gar zu entschuldigen. Es besteht aus koordinierten einfachen Aussagesätzen, in denen überwiegend Taten und Handlungen gegen die öffentliche und private Sicherheit angedroht werden. Diese sind sogar bei Berücksichtigung der vom Autor vorgebrachten entlastenden Umstände vom Gesetz schwer zu ahnden, vielleicht um so mehr, wenn der Zynismus in Betracht gezogen wird, mit dem sich der Verfasser des Gedichts auf seine Jugend beruft. Hält man sich an den .Tatbestand', so ist Antal Horger1/,lj* beizupflichten: Wer prahlerisch-herausfordernd behauptet, er breche reinen Herzens ein und töte, wenn es sein muß, ist in der Tat für die Erziehung der Jugend nicht geeignet. Was könnte zur moralischen Verteidigung des jungen Dichters vorgebracht werden? Sehr wenig. Es wäre scheinheilig zu behaupten, seine Aussprüche seien ,nicht wortwörtlich zu verstehen', denn der junge Dichter wollte diese sehr wohl so verstanden wissen. Der Volksliedrhythmus des Gedichts, die Gliederung der Zeilen, die wie ein Hammerschlag wirkende Kraft der regelmäßigen Zäsuren dienen sämtlich dem Zweck, im Leser oder Hörer des Gedichts den Willen des Autors fest zu verankern. Seine Einfachheit ist überwältigend und bewirkt, daß dieses Gedicht beinahe beim ersten Lesen im Gedächtnis haftenbleibt. — 44
Daß Attila Jözsef zu jener Zeit — vielleicht auch später — reinen Herzens hätte einen Menschen töten können, ist unzweifelhaft. Ich bin dessen ebenso gewiß, wie ich beschwören würde, daß er außerstande gewesen wäre, einzubrechen oder jemanden auch nur um einen Fillér zu schädigen. Er jedenfalls hat ermessen, wozu er imstande wäre, was die meisten jedoch versäumen. — Er tat es — das Gedicht tat es. — Und damit sind wir im Zentrum der Lebensauffassung von Attila Jözsef angelangt, seinem moralischen Indifferentismus. Davon wird noch häufig die Rede sein, denn in vielen seiner Gedichte kehrt dieses Motiv ,Über Gut und Böse denke ich nicht nach' 147 wieder, obwohl ihn diese beiden moralischen Kategorien ständig beschäftigen. Wie bereits erwähnt, beklagt er in einer Strophe, ein düstrer Sünder zu sein, der eins nur nicht begreift: warum er nicht schuldig ist, wenn er es ist. In der Reihenfolge dieser Feststellung verurteilt er sich zunächst, spricht sich aber dann frei. So klingt auch dieses Gedicht aus — mit einem grasüberwucherten Grabhügel, der sich über seinem Herzen erhebt, als hätte er in Szärszö 148 * sein eigenes Grab geschaut." 149 Das Gedicht Keinen Herfens eröffnet neue Wege in der ungarischen Dichtung. In Jözsefs Lyrik markiert es einen Gipfel der Rebellion in der Haltung des Anarchisten und Desperados, eine verbitterte Abrechnung mit bis dahin gültigen Werten, eine Tabula rasa und einen Aufbruch zur Suche nach neuen Werten. Nicht anders verhält es sich hinsichtlich der Form: Die Möglichkeiten des Volkslieds, des Liedes und der Volksballade werden bis aufs äußerste genutzt. Was er sich hier angeeignet hatte, setzte und entwickelte er in vielem fort. In erster Linie war es die Haltung: „In den Gedichten von Attila Jözsef gehört der zwanzigjährige Halbwüchsige, der seine zwanzig Jahre dem Teufel verkauft und, wenn es sein muß, auch Menschen tötet, als lyrischer Held untrennbar zum Erlebnis und zur Charakterisierung .dieser Welt, unwirtlich, voller Hüter' 150 . Das Lebensgefühl des jungen Burschen, der voller Ironie über die Welt und sein eigenes Los spricht und sich außerhalb der Gesellschaft recht und schlecht durchschlägt, tritt nicht nur in dieser Schaffensperiode des Dichters zutage, sondern ist ein Grundton der Jözsefschen Lyrik insgesamt. Die ironisierende, zuweilen geradezu zynische Verspottung der Welt des Kapitalismus ist einer der Faktoren, die den poetischen Stil seiner großen antifaschistisch-humanistischen Gedichte in den dreißiger Jahren bestimmten" 151 , schrieb Jözsef Rêvai 152 *. 45
Das Erscheinen des Gedichts Keinen Herfens hatte sofort Folgen für den Dichter, und zwar nachteilige. Jözsef selbst bemerkt dazu: „Es machte mich sehr stolz, daß mein Professor, Lajos Dezsi 153 *, mich zu selbständiger Forschung für geeignet erklärte. Doch jede Lust dazu nahm mir, daß Professor Antal Horger, bei dem ich das Examen in ungarischer Sprachwissenschaft abzulegen gehabt hätte, mich zu sich rufen ließ und vorzwei Zeugen — ich weiß noch heute ihre Namen, sie sind bereits Mittelschullehrer — erklärte, aus mir werde, solange es ihn gibt, nie ein Mittelschullehrer, ,weil wir einem Menschen', so er, ,der solche Gedichte schreibt' — und dabei hielt er mir ein Exemplar des Blattes ,Szeged' vor die Nase — ,die Erziehung der künftigen Generation nicht anvertrauen können'. Man spricht oft von der Ironie des Schicksals; hier ist sie tatsächlich im Spiel, denn mein Gedicht ,Reinen Herzens' ist sehr bekannt geworden, sieben Artikel wurden darüber geschrieben. Lajos H a t v a n y e r klärte es wiederholt zum Dokument der ganzen Nachkriegsgeneration ,für spätere Zeitalter' 155 , und Ignotus 156 * .hätschelte, streichelte, brabbelte und murmelte in seiner Seele' dieses .wunderschöne' 157 Gedicht; so schrieb er darüber im Njugat und machte dieses Gedicht in seiner Ars poetica zum Musterstück der neuen Dichtung." 158 Bleibt noch hinzuzufügen: Auch andere linksstehende fortschrittliche Kritiker — so der später namhafte kommunistische Kritiker Gabor Gaäl 159 *, der als Emigrant der Räterepublik zu dieser Zeit in Cluj 160 * lebte — waren auf das Gedicht aufmerksam geworden. Es ist offensichtlich, daß bei dem jungen Jözsef die Hinwendung zur Volksdichtung von einer übermütig-verwegenen Trotzhaltung der Welt gegenüber begleitet ist — von einer Geste, die an die Haltung junger Burschen auf dem Dorf erinnert. Diese Volksverbundenheit, von der die Lyrik des jungen Attila Jözsef geformt wurde, die er unverwechselbar integrierte, blieb ein ständiges nuancierendes Element seiner Dichtung, ohne jemals in eine Bauernromantik abzugleiten. Volksverbundenheit war bei ihm stets gleichbedeutend mit Unumwundenheit, Reinheit und Authentizität und zuweilen, in Abwehr gegen die Formzersetzung durch die Avantgarde, ein Mittel zur Bewahrung von Formen; durchweg aber begünstigte sie die poetische Abbildung der Wirklichkeit und war somit ein konstitutives Element des Realismus seiner Lyrik. Weltanschaulich war Jözsefs Volksverbundenheit zunächst plebejischen Inhalts, später jedoch, in seiner sozialistischen Lyrik, hatte sie eine wichtige Funktion gerade durch die Bindung an die Wirklichkeit des Alltags. 46
Józsefs Verhältnis zum Erbe wurde bislang nur anhand der nationalen Traditionen aufgezeigt, und doch hatte der junge Dichter auch zur Weltliteratur Zugang gefunden. Er kannte und nutzte zunächst vor allem das, was in ungarischer Übertragung in alten und neuen Anthologien und Einzelausgaben vorlag: Schiller, Heine, Victor Hugo, aber auch die Dichter des Fin de siècle bzw. den Band Baudelaires Les Fleurs du mal161, der eben zu der Zeit in neuer ungarischer Fassung erschienen war. Vor allem aber waren es zwei Dichter, in deren Werken das Zeitalter der Technik, ein neues Bild von den Städten und hymnisch die Kraft der Arbeiter gestaltet waren: Walt Whitman und Emile Verhaeren. Ihre Werke wirkten auf József nicht nur unmittelbar, sondern gleichsam umgedeutet und gefiltert durch die ungarische aktivistische Dichtung.
Wander- und Lehrjahre : Begegnung mit der Avantgarde In der Zeit zwischen 1923 und 1927, als sich Józsefs dichterisches Profil herausformte, kam es zur Begegnung des Dichters mit der Avantgarde. Wo und unter welchen Umständen sie sich vollzog, soll in einigen Sätzen angedeutet werden. Seit September 1923 lebte József für ein Jahr in Budapest. Hier kam er mit oppositionellen Intellektuellen-Kreisen in Verbindung, die sich rasch um wechselnde Zeitschriften gruppierten und in literarischen Cafés zusammenkamen. Diese Kreise suchten die revolutionären Veränderungen der Räterepublik auf neuen, eigenen Wegen weiterzuführen; manche hatten utopisch-illusionistische, andere naive Vorstellungen. In Budapest war József zunächst beschäftigungslos, bereitete sich dann extern aufs Abitur im Dezember 1923 vor (wo der bereits gerichtlich belangte Verfasser des Rebellierenden Christus von einem angesehenen, vom Radikalismus zum Konservatismus hinübergewechselten Literaturhistoriker im Fach Ungarische Literatur eine schlechte Note bekam) und war vorübergehend Angestellter in einer Bank, Bücheragent, Mitarbeiter kurzlebiger Zeitschriften sowie in Zirkeln junger Literaten daheim. Im September 1924 wurde Attila József an der Universität Szeged in der Fachkombination Ungarisch/Französisch immatrikuliert; dem 47
Józsefs Verhältnis zum Erbe wurde bislang nur anhand der nationalen Traditionen aufgezeigt, und doch hatte der junge Dichter auch zur Weltliteratur Zugang gefunden. Er kannte und nutzte zunächst vor allem das, was in ungarischer Übertragung in alten und neuen Anthologien und Einzelausgaben vorlag: Schiller, Heine, Victor Hugo, aber auch die Dichter des Fin de siècle bzw. den Band Baudelaires Les Fleurs du mal161, der eben zu der Zeit in neuer ungarischer Fassung erschienen war. Vor allem aber waren es zwei Dichter, in deren Werken das Zeitalter der Technik, ein neues Bild von den Städten und hymnisch die Kraft der Arbeiter gestaltet waren: Walt Whitman und Emile Verhaeren. Ihre Werke wirkten auf József nicht nur unmittelbar, sondern gleichsam umgedeutet und gefiltert durch die ungarische aktivistische Dichtung.
Wander- und Lehrjahre : Begegnung mit der Avantgarde In der Zeit zwischen 1923 und 1927, als sich Józsefs dichterisches Profil herausformte, kam es zur Begegnung des Dichters mit der Avantgarde. Wo und unter welchen Umständen sie sich vollzog, soll in einigen Sätzen angedeutet werden. Seit September 1923 lebte József für ein Jahr in Budapest. Hier kam er mit oppositionellen Intellektuellen-Kreisen in Verbindung, die sich rasch um wechselnde Zeitschriften gruppierten und in literarischen Cafés zusammenkamen. Diese Kreise suchten die revolutionären Veränderungen der Räterepublik auf neuen, eigenen Wegen weiterzuführen; manche hatten utopisch-illusionistische, andere naive Vorstellungen. In Budapest war József zunächst beschäftigungslos, bereitete sich dann extern aufs Abitur im Dezember 1923 vor (wo der bereits gerichtlich belangte Verfasser des Rebellierenden Christus von einem angesehenen, vom Radikalismus zum Konservatismus hinübergewechselten Literaturhistoriker im Fach Ungarische Literatur eine schlechte Note bekam) und war vorübergehend Angestellter in einer Bank, Bücheragent, Mitarbeiter kurzlebiger Zeitschriften sowie in Zirkeln junger Literaten daheim. Im September 1924 wurde Attila József an der Universität Szeged in der Fachkombination Ungarisch/Französisch immatrikuliert; dem 47
einen Jahr in Szeged folgten je ein Jahr an den Universitäten Wien (1925/26) und Paris (1926/27). Der junge Mann lernte die gesellschaftlichen Verhältnisse und Daseinsbedingungen, die revolutionären Bewegungen und Entwicklungen im Ungarn und Europa der zwanziger Jahre anschaulich kennen, und wie seine Zeit, war auch er von Unruhe erfüllt und im Feuer der Ideen und Richtungen zur Veränderung getrieben. Das Philologiestudium in Szeged betrieb er unstet, auf der Universität fühlte er sich fremd. Als schmächtiger Bursche mit Künstlermähne und Schaftstiefeln trat er in die Sozialdemokratische Partei ein und hielt Vorträge vor Bauern und Handwerkern, erlebte er den ersten ernsthaften und nachhaltigen Zusammenprall mit den Herrschenden. Der Aufenthalt im Ausland, zuerst in Wien, bedeutete Not. Das Gnadenbrot verdiente er sich als Zeitungsverkäufer vor dem Rathaus-Keller, durch Reinemachen im Wiener Collegium Hungaricum 162 *. Zeitweise hielt er sich im Lainzer Schloß, in der Wohnung des damals im Exil lebenden berühmten Literaturförderers Lajos Hatvany, auf und fand zugleich Zugang zu literarischen Kreisen und Zeitschriften der ungarischen Emigranten. Jözsef wurde mit neuen Strömungen und Programmen vertraut und nahm erste Kontakte zur Kommunistischen Partei und zur Gruppe kommunistischer Schriftsteller auf. Zu dieser Zeit äußerte Georg Lukäcs 163 * über ihn: „Der erste proletarische Lyriker mit weltliterarischen — nicht kosmopolitischen! — Qualitäten." 164 Und im Jahr darauf ist Jözsef in Paris, umreißt er sein Studentenleben in einem Brief mit den Worten „Milch, Käse, Brot und Verse" 165 . Er studierte französische Sprache und Literatur an der Sorbonne, beschäftigte sich insbesondere mit Villon und Apollinaire und übersetzte deren Werke. Hinzu kamen unzählige Erlebnisse und Erfahrungen: die Straßen von Paris, avantgardistische Theaterstücke, Organisationen ungarischer Kommunisten in Paris. In einer der weniger bekannten Zeitschriften der Surrealisten, im Hsprit Nouveau, erschien ein Gedicht von ihm. Die Prominenz der Avantgardisten lernte er, ebenso wie viele andere ungarische Dichter, zwar nicht persönlich kennen, aber ihn umgab die Atmosphäre, die Stimmung jenes Paris, ein in Aufruhr und Umbruch begriffenes literarisches Leben. Hier beschäftigte er sich gründlich mit Lenins Schriften und lernte die zeitgenössische marxistische Literatur kennen. Seine Briefe an die Schwester sind regelrechte politische Referate über den Gegensatz zwischen Imperialismus und Bolschewismus, über das Erstarken des Bolschewismus. Schließlich, nach einem an der süd48
französischen Küste im Malerdorf Cagnes verbrachten Sommer, traf er 1927 braungebrannt, glücklich und voller Übermut in Budapest ein: Dein Bruder, Schwesterchen Lidi, der Sproß aus Batu-Khans Geschlecht, ein Seidenbett besaß er nie und fraß sich durch so recht und schlecht, für seine tolle Reimerei kocht ihm der Tod 'nen Haufen Brei — Holla, Prolet! Hei, Bourgeois! Ich, Attila, bin wieder da! 1 6 6 In diesen Jahren begegnete Attila Jözsef jener vielschichtigen Strömung, die wir als ungarische Avantgarde bezeichnen wollen. Die Avantgarde, deren Bestimmung und Einschätzung in der marxistischen wie in der bürgerlichen Literaturwissenschaft umstritten sind, war soziologisch betrachtet zweifellos eine Form intellektuellen Aufbegehrens zu Beginn dieses Jahrhunderts. Es war der Versuch, die Kluft zwischen Künstler und Publikum zu überwinden: Einige bezogen dies ausschließlich auf die Neugestaltung der Kunst, andere wollten auch die Gesellschaft mit einbezogen wissen. Ohne diese ideologisch divergierenden Strömungen hier einschätzen zu wollen, muß doch festgehalten werden, daß mit dem Positions- auch ein Funktionswandel der avantgardistischen Strömungen und Ausdrucksformen einherging und diese in Ungarn — wie in Mitteleuropa allgemein — eine andere Bedeutung hatten als in Frankreich. Dieser Funktionswandel vollzog sich je nach Strömung unterschiedlich und bedingte deren Veränderung: So wurde die eine verhältnismäßig stark am nationalen Erbe orientiert, gleichsam „folklorisiert", wieder eine andere wurde zunehmend revolutionär und machte sich die Ziele der revolutionären Arbeiterbewegung zueigen. Auch die Geschichte der Avantgarde in Ungarn hebt sich durch ihre Spezifik von der Entwicklung der europäischen Avantgarde ab. In Ungarn traten der Futurismus und Expressionismus — bis zu einem gewissen Grade auch der Kubismus — gleichzeitig in Erscheinung, und zwar seit 1910 im Schaffen zunächst eines einzigen bedeutenden Schriftstellers und Dichters: Lajos Kassäks 1C7 *. Aufgewachsen in der Arbeiterbewegung, schuf er mit seinen Zeitschriften A Tett (Die Aktion) und MA. (Heute) 168 * das erste ungarische Forum der expressioni4
A. Jözsef
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stischen Avantgarde. Die erste, aufsteigende Periode der ungarischen Avantgarde fiel in die Jahre des ersten Weltkrieges sowie der bürgerlichen Revolution von 1918 und der proletarischen von 1919. In dieser Zeit entwickelten Lajos Kassäk und sein Kreis einen spezifisch ungarischen Aktivismus, dessen Formelemente in vielem auf den deutschen Expressionismus (weniger auf den Futurismus) und schließlich auf Ady zurückgingen. An der Entstehung des Aktivismus war die Antikriegsbewegung in starkem Maße ideologisch beteiligt, und zwar mit ihrer pazifistischen wie revolutionären Strömung. Die ungarische Avantgarde übersprang also gleichsam die erste Entwicklungsphase des deutschen Expressionismus und erzielte in ihrer ersten Periode, in der des Aktivismus, bedeutende Ergebnisse: vor allem in der Lyrik und der Malerei, weniger auf dem Gebiet der Prosa und des Dramas. In breit dahinströmenden freien Versen und schwungvollen Hymnen wurden der neue Mensch, der Arbeiter und die proletarische Revolution gefeiert, wurde der Mensch der Zukunft beschworen. Ohne Zweifel wurden viele neue künstlerische Potenzen freigesetzt, kam es zu aufregenden Lösungen und zu Leistungen, die in der späteren Entwicklung gefiltert und in dem einen oder anderen Fall zu Bausteinen der ungarischen Literatur wurden. Von bleibendem Wert sind sicherlich die Gedichte, in denen die Kraft, der Elan, die Zuversicht und das neue Antlitz der ungarischen Arbeiterklasse gestaltet sind, durch die die Arbeiterjugend auch in den finsteren Jahren der Konterrevolution erzogen und geformt wurde. Die Vertreter des aktivistischen Expressionismus führten — wie andere avantgardistische Gruppierungen auch — interne Kämpfe und Auseinandersetzungen, die oftmals durch die kraftvolle, mitunter allzu strenge Persönlichkeit des tonangebenden Lajos Kassäk mit hervorgerufen worden waren. So löste sich bereits 1917 mit der Gründung der Zeitschrift Internationale eine kleine Gruppe heraus, die ihr Wirken unmittelbar mit der Aktivität der Kommunistischen Partei Ungarns verband. Der Aktivismus verkörperte jedoch insgesamt bis 1919 die aufsteigende, künstlerisch und politisch produktive Etappe in der Geschichte der ungarischen Avantgarde, selbst wenn es in den schweren Monaten der Räterepublik zu gewissen Konflikten und Auseinandersetzungen kam, u. a. über den Stellenwert der künstlerischen Revolution, über die relative Autonomie der Kunst. Nach dem Sturz der Räterepublik, ab Herbst 1919, spaltete sich auch die ungarische Avantgarde, denn der größte Teil 50
der Dichter und Künstler war in die Emigration gezwungen worden. Bei den einen äußerte sich die Verzweiflung über das Scheitern der Revolution in dadaistischen Aufschreien und irrationalen Spiegelungen der sinnlos gewordenen Welt; andere schlössen sich der kommunistischen Bewegung an, zunächst noch unter Beibehaltung aktivistischer Formen, an deren Stelle allmählich eine agitativere und frischere proletarische Lyrik trat. Auch in Ungarn selbst wurden die avantgardistischen Bestrebungen des ungarischen Aktivismus weitergeführt, und zwar in zwei Richtungen. Unter den schwierigen Bedingungen der Konterrevolution gab es Versuche, einen gedämpften Aktivismus mit allegorischer Ausdrucksweise zu verwirklichen. Auch hier dominierte der expressionistische, freie, gebrochene Vers als Ausdruck für die Zerrissenheit, das Aufbegehren, die ausweglose Rebellion und Wegsuche der jungen Menschen in dieser angespannten Zeit, nicht selten ein Gelächter der Verzweiflung, verzerrt bis zur Groteske. Einer der namhaften Vertreter dieser Avantgarde in Ungarn war der junge Lörinc Szabö 169 *; Anhänger des „gemäßigten", modifizierten Aktivismus waren aber auch viele andere junge Autoren, die etwa gleichzeitig mit Attila Jözsef debütierten. Als Bewegung existierte in Ungarn weder eine dadaistische noch eine surrealistische Schule, wenngleich ihre Wirkung später spürbar wurde. Anfang der zwanziger Jahre gab es nur mehr diese zweite Welle der Avantgarde, die allerdings auf die Entwicklung der ungarischen Literatur keinen entscheidenden Einfluß hatte, sondern diese lediglich begleitete und — wie etwa im Falle Jözsefs — gewisse Nuancierungcn bedingte. Ein Teil der Klischees und der Lexik des ungarischen Aktivismus hatte auch ins Arsenal der Rechten Eingang gefunden. Bereits Anfang der zwanziger Jahre gab es eine rechtsgerichtete ungarische Avantgarde, die den radikalen Elan mit nationalistischen Phrasen durchsetzte. Die Stilelemente wurden dabei gleichsam aus dem ursprünglichen Kontext herausgelöst und in einen neuen eingegliedert. In einer späteren Etappe, von Ende 1922 bis 1925, bekannten sich Kassäk und sein Kreis in Wien zum Konstruktivismus. Sie standen dabei dem russischen und dem niederländischen Konstruktivismus besonders nahe und erarbeiteten ein Programm für den neuen Menschen und die neue Kunst unter den neuen Bedingungen. Es ist eine spezifische Variante des Programms der russischen Konstruktivisten, angepaßt der Phase der revolutionären Ebbe; die Haltungen darin entsprechen der Politik des Rückzugs. Letztlich handelte es 4*
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sich ebenfalls um eine Variante des gemäßigten Aktivismus; die Welt wurde gleichsam sachlicher, zurückhaltender, gedämpfter und mit mehr Requisiten aus der Sphäre der Technik dargestellt. Wie alle jungen Künstler, die gegen das Bestehende aufbegehrten und ihren Platz suchten, stieß auch Jözsef notwendigerweise auf die Werke der Avantgarde: in Büchern, Zeitschriften und Gesprächen mit Freunden. Er kannte ihre Ursprünge, denn — wie erwähnt — Whitman und Verhaeren gehörten zu den Grunderlebnissen der jungen Intellektuellen jener Zeit, und sicherlich kann man dazu auch Majakowski, den jungen Johannes R. Becher, den sowohl deutsch als auch französisch schreibenden Ivan Göll und andere zählen. Kurt Pinthus' Menschbeitsdämmerung, Ivan Gölls Anthologie Fünf Erdteile oder Guilbeaux und O. Kanehl waren bei den jungen Leuten in Szeged wie in Budapest bekannt und beliebt. Attila Jözsefs poetische Herkunft und menschliche Konstitution waren allerdings dem äktivistischen Expressionismus beinahe entgegengesetzt. Statt frei dahinströmender Verse dominierte bei ihm stets eine starke Formgebung, anstelle leidenschaftlicher Selbstäußerung war für ihn gerade die Disziplin bezeichnend, aber in seinen Lehrjahren ist auch er durch diese Schule gegangen. In seiner Lyrik gibt es eine Reihe von Gedichten, die unter dem Einfluß des Kassäkschen aktivistischen Expressionismus entstanden, so etwa das Kraftlied170 von 1922, in dem der junge Proletarier sein Selbstbewußtsein in der Formensprache von Whitman und Kassäk stolz in frei hinströmenden Versen kundtat. In einem Zyklus seiner frühen Gedichte, den Lebreni71, aber auch in vielen anderen zeigt sich der für den Expressionismus charakteristische „Gütekult", dem der Gedanke zugrunde liegt, daß die Menschen von Natur aus gut sind und daß ihnen dies nur bewußtgemacht zu werden brauchte. Die Lehren zeugen bei aller Naivität vom Optimismus des jungen Dichters. Der Güte-Kult war bei ihm nicht wie im Expressionismus ausschließlich irgendein abstraktes Ideal, sondern dieser traf sich mit der Neigung Jözsefs zur Güte, zur Sanftheit, zum Frieden und dazu, den Menschen zu vertrauen. Der Güte-Gedanke des Expressionismus bot also gleichsam eine Möglichkeit, diesen Glauben an den Menschen zu artikulieren. Die Aussichtslosigkeit und Bitternis seines Lebens und seiner Generation brachte Jözsef in Ausrufen der Verzweiflung, in emotionsgeladenen, explosiven Aufzählungen und Bildfolgen zum Ausdruck. Von daher gewann der zum Übertreiben tendierende hyperbolische Stil des Aktivismus und der Avantgarde für ihn an An52
2iehungskraft, zumal dies durch seine Neigung zur Ironie und grotesker Sehweise verstärkt wurde. Doch am bedeutsamsten waren das neue Bewußtsein, das sich unter dem Einfluß der Avantgarde herausgeformt hatte, sowie die Tatsache, daß das überhöhte lyrische Ich — eine Errungenschaft der vorausgegangenen Periode — unhaltbar geworden war und daß es galt, eine Lösung für das Verhältnis zwischen Dichter und Massen zu suchen. Ein Beispiel dafür ist das Titelgedicht von Jözsefs zweitem Gedichtband aus dem Jahre 1924 Nicht ich bin's, der schreit, in dem das Dröhnen der Erde das Vorgefühl kommender Veränderungen ankündigt und die Sonderposition des einzelnen in Frage stellt: „Nicht ich bin's, der schreit, die Erde dröhnt." 172 Jözsef verrannte sich nun nicht etwa ins andere Extrem, er subordinierte und unterdrückte nicht völlig das Ich, sondern suchte die Rolle der Dichterpersönlichkeit und überhaupt des einzelnen im Zeitalter der Massenbewegungen realer zu bestimmen. Zu dieser Zeit wirkten auf ihn die aktivistischen Gedichte befreiend. Die Bilder, Motive und Probleme der Technik und der Großstadt wurden nun von Jözsef stärker genutzt. Zweifellos halfen ihm der Schwung und der Optimismus des Aktivismus, jener betont herausgestellten Künstlerhaltung zu entgehen, die von den Lyrikern des Njugat propagiert und vorgelebt worden war. Da der ungarische Aktivismus — besonders im konterrevolutionären Ungarn — der sozialistischen Arbeiterbewegung nahestand, ergab sich für den jungen Dichter a u c h von dieser Seite eine Orientierungshilfe hin zum sozialistisch-marxistischen Gedankengut und zu einer neuen, mit der Bewegung der Massen verbundenen Haltung. Der „freie", locker rhythmisierte Versbau des Expressionismus und des sogenannten Konstruktivismus boten ihm zudem neue Ausdrucksmittel ; mit der ihm eigenen großen Sensibilität für die Form gab er allerdings auch den losesten Versstrukturen eine feste innere rhythmische Bindung. Von der Bildtechnik der Avantgarde lernte er, daß das Material für Metaphern aus den verschiedensten und überraschendsten Details der Wirklichkeit genommen werden und die bestimmende Logik der Bildfolgen relativ locker und assoziativ sein kann. Für eine gewisse Versuchsperiode waren bei Jözsef tatsächlich außergewöhnliche Bildassoziationen, eine Ausschnitt-Technik und Auflockerung in der Logik der Bilder bezeichnend; später blieb davon nur eine in den Details kühne Bildtechnik, die der Dichter in den Dienst eines gedanklich streng durchdrungenen Inhaltes stellte. 53
Schließlich schrieb der junge Jözsef einige Gedichte, die an Kassaks konstruktivistische Periode erinnern und teils leise, gedämpfte, melancholische Empfindungen, teils eine Welt von Maschinen und kalten Formen aus der Wirklichkeit spiegeln. Mit allen diesen Strömungen und Richtungen setzte sich der zwanzigjährige Lyriker auseinander und fand Wege, sie zu überwinden. Ende der zwanziger Jahre hatte er die Errungenschaften dieser Richtungen offenkundig in eine höhere, zeitgemäße realistische Synthese eingebaut und war damit — was ungarische Lyrik betraf — in vieler Hinsicht bahnbrechend. Die Versuche und Begegnungen in den jungen Jahren wirkten sich auch auf sein späteres Schaffen aus. Er nahm zwar in die von ihm selbst besorgten Auswahlbände nur wenige Gedichte aus dieser Zeit auf, jedoch bewirkte die Begegnung mit der Avantgarde für eine Zeitlang offensichtlich eine Auflockerung der Formen, die er dann, um vieles bereichert, in eine um so strengere Ordnung faßte; andererseits wurden ihm auch Sackgassen, für seine dichterische Entwicklung ungangbare Wege, bewußt. In keiner Phase seiner Entwicklung gab es jedoch eine ausschließliche Dominanz der Avantgarde; sie beeinflußte vielmehr immer nur zusammen mit anderen Strömungen seine Dichtung. Dennoch steht außer Zweifel, daß die Avantgarde eine der Komponenten jener großen, reifen realistischen Synthese gewesen war, die für seine Lyrik charakteristisch ist. Man könnte auch sagen: Sehr früh bereits war seine realistische Dichtung durch das sich wechselseitig bedingende Korrektiv von Avantgarde und Volksverbundenheit, von Neuerung und Tradition gekennzeichnet.
Wieder in Budapest: Biographische Zwischenbilanz Eines der Gedichte aus dem Jahre 1926 könnte als Bilanz der bis dahin zurückgelegten Lebens- und Dichterlaufbahn angesehen werden. Es erhielt einige Jahre später, nach einer gewissen Umarbeitung, den Titel Endlich-. Ich putzte Kessel, habe Gras geschnitten. Auf faules Stroh hab ich mich hingestreckt. Idioten feixten und Gerichte straften — mein Licht hat auch ihr Keller nicht verdeckt. 54
Schließlich schrieb der junge Jözsef einige Gedichte, die an Kassaks konstruktivistische Periode erinnern und teils leise, gedämpfte, melancholische Empfindungen, teils eine Welt von Maschinen und kalten Formen aus der Wirklichkeit spiegeln. Mit allen diesen Strömungen und Richtungen setzte sich der zwanzigjährige Lyriker auseinander und fand Wege, sie zu überwinden. Ende der zwanziger Jahre hatte er die Errungenschaften dieser Richtungen offenkundig in eine höhere, zeitgemäße realistische Synthese eingebaut und war damit — was ungarische Lyrik betraf — in vieler Hinsicht bahnbrechend. Die Versuche und Begegnungen in den jungen Jahren wirkten sich auch auf sein späteres Schaffen aus. Er nahm zwar in die von ihm selbst besorgten Auswahlbände nur wenige Gedichte aus dieser Zeit auf, jedoch bewirkte die Begegnung mit der Avantgarde für eine Zeitlang offensichtlich eine Auflockerung der Formen, die er dann, um vieles bereichert, in eine um so strengere Ordnung faßte; andererseits wurden ihm auch Sackgassen, für seine dichterische Entwicklung ungangbare Wege, bewußt. In keiner Phase seiner Entwicklung gab es jedoch eine ausschließliche Dominanz der Avantgarde; sie beeinflußte vielmehr immer nur zusammen mit anderen Strömungen seine Dichtung. Dennoch steht außer Zweifel, daß die Avantgarde eine der Komponenten jener großen, reifen realistischen Synthese gewesen war, die für seine Lyrik charakteristisch ist. Man könnte auch sagen: Sehr früh bereits war seine realistische Dichtung durch das sich wechselseitig bedingende Korrektiv von Avantgarde und Volksverbundenheit, von Neuerung und Tradition gekennzeichnet.
Wieder in Budapest: Biographische Zwischenbilanz Eines der Gedichte aus dem Jahre 1926 könnte als Bilanz der bis dahin zurückgelegten Lebens- und Dichterlaufbahn angesehen werden. Es erhielt einige Jahre später, nach einer gewissen Umarbeitung, den Titel Endlich-. Ich putzte Kessel, habe Gras geschnitten. Auf faules Stroh hab ich mich hingestreckt. Idioten feixten und Gerichte straften — mein Licht hat auch ihr Keller nicht verdeckt. 54
Ich küßte Mädchen, die beim Backen sangen — den Kuchen rührten sie für andre an. Ich kriegte Hemden und verschenkte Bücher an Ackerbauer, Schmied und Zimmermann. Mein reiches Mädchen hab ich lassen müssen, denn ihre Klasse hat sie mir entrissen. Nicht alle Tage hab ich was gegessen. Dann habe ich gemerkt, daß auch die Welt, nachdem der Hunger mir den Leib zerfressen, ein kranker Magen ist, der nichts behält. Verstand und Liebe sind genauso krank und trist — Ich weiß, daß Krieg ein Bluterbrechen ist. Weil mir das saure Zeug im Munde quillt, tret ich mein Herz — damit es endlich brüllt! Was soll denn auch mein ruheloser Geist mit Liedern, die für Geld Vergessen geben? Für meine Rache boten sie mir Gold — Und Pfaffen flennten: Weihe Gott dein Leben! Ich weiß doch, wer mit leeren Taschen kommt, bringt immerhin noch Axt und Picke mit. Mein Herz ist blank! Und weil ich einer bin, der siegen kann, bin ich mit allem quitt. Ich habe Lust, für alles einzustehn, denn auf Gerechtigkeit kommt es noch immer an — was soll mir da Erinnerungskram? D a schmeiß ich lieber meinen Bleistift hin und sorg dafür, daß man die Sense schleift, weil schon die Zeit auf unsrem Erdenfeld unmerklich, aber furchterregend reift! 1 7 3 Dieses Gedicht ist gleichsam eine Summierung dessen, was Attila Jözsef 1926 als politisch engagierter, bewußt denkender Dichter und Mensch von den Dingen des Lebens wußte. Die kühne Art, wie er die Elemente seiner Biographie — die Bestandsaufnahme eines Lebens in Armut — als Aufzählung poetisch ins Bild gesetzt hatte, war für ihn kennzeichnend. Die biographischen Elemente sind nicht für sich selbst sprechende Klagen, sondern Mahnungen: zur Übernahme einer Aufgabe, zum Kampf und zur revolutionären Veränderung. Die Mosaiksteine des Gedichts, die wie kleine Spiegel komplizierte Prozesse exakt fassen, sind in einer strengen Struktur, im Schwung 55
und in der Spannung des Rhythmus fest eingebunden. Neben den Bildern aus dem eigenen schweren Leben zeigt das Gedicht auch eine Haltung des Selbstbewußtseins und einer integren Menschlichkeit. Damit war bereits eine hohe Stufe der poetischen Meisterschaft erreicht; der junge Dichter hatte klar erkannt, wie es um die „Zeit" bestellt war: „. . . die Zeit auf unsrem Erdenfeld / unmerklich, aber furchterregend reift!" In späteren Gedichten wurde es die „Zeit der Bankiers und Generale" 174, die „Jetzt-Zeit" — da wie dort eine historische Zeit, deren Lauf zu beschleunigen Jözsef selber bemüht war. Diese Haltung kam der eines bewußten Revolutionärs nahe, zumindest war es die Ankündigung einer entschieden revolutionären Haltung des einundzwanzigjährigen Dichters. Die stets aufs neue errungene Bewußtheit, der Blick für die Vielzahl der Beziehungen zwischen den Dingen sowie die Fähigkeit, Erfahrenes und künftige Ziele zu einer Einheit zu verschmelzen und die Welt in ihrer Einheit zu sehen, zeichneten in zunehmendem Maße nicht nur seine Dichtung aus. Jözsef schrieb dazu in einem Brief an seinen Freund, den Übersetzer Endre Gäspär: „1. Die Romantik, die in Wien noch ein wesentlicher Bestandteil der Struktur meiner Empfindungen und daraus folgend meines Denkens war, hat sich aus mir verflüchtigt. Was da noch verblieben wäre, zerstob ich willentlich, das heißt: es gibt nichts, was ich ohne Motivation, allein weil es mir gefällt, niederschriebe. Von der Kategorie ,mir gefällt's, also . . .' subtrahierte ich als primär (folglich allein) zu Verwendendes die Subkategorie ,mir gefällt's und ist adäquat, also . . .' (Dies ist eine kleinere Kategorie, und so hat das Gesetz der Stoff-Kategorie auch für sie Gültigkeit, so daß dadurch letztlich das ,mir gefällt's, also . . ebenfalls zur Geltung kommt. Denn dieses bezieht sich nicht auf die Art und Weise der Verwendung der Gedichtelemente, sondern auf die Wahl der Art und Weise. In einer geometrischen Reihe, in der die beiden Kategorien die Faktoren sind, ließe sich dies unendlich fortsetzen.) . . . 5. Gedichte schreibe ich jetzt schon mit solchem Ernst, als kommandierte ich eine Salve bei der Urteilsvollstreckung oder lenkte ein Auto in der Menge der Demonstranten. Nehme ich die Feder in die Hand, weiß ich, daß ich vor einer exakt zu lösenden mathematischen Gleichung stehe und daß ich das übernommene bzw. von meinem Organismus und der Teufel weiß welchen Kräften diktierte Studium aufs exakteste zu lösen habe." 1 7 5 Mit dem Ende seiner Jugendzeit 1927 hatten sich bei Jözsef charakteristische Haltungen, bestimmte Formen und Töne seiner Dichtung 56
herausgebildet. Zwei scheinbar gegensätzliche Besonderheiten der Jözsefschen Dichtkunst sollen hier hervorgehoben werden: zum einen die außergewöhnliche Beachtung der kleinen Dinge und Erscheinungen des Lebens, der Charme, die Grazie, ja die beinah Mozartsche Leuchtkraft und Zartheit, mit der dieses Geringe in den Gedichten erscheint, z. B. im Gedicht von der winzigen Ameise 176 , in dem durch eine einzige schlichte Geste die Vereinigung mit der Natur vollzogen wird, die kleinsten Regungen Bedeutsamkeit erlangen und andererseits in der gleichsam reglosen Zeit Veränderungen vor sich gehen: Regen naht, Zukünftiges wird gegenwärtig . . . Zum anderen ist es Jözsefs jugendlich kecke Rebellierfreude, die mitunter in politische Kampfbereitschaft umschlägt: „Gut war er, heiter. Als verdrießlich auch bekannt /wenn man verlachte, was er seine Wahrheit nannt."177 Aus der Spannung, dem Widerstreit und der Vereinigung beider, der Hinneigung zur Sanftheit und der Entschlossenheit zum Kampf, entstanden Jözsefs schönste Gedichte. Beinahe jedes Gedicht Jözsefs weist eine ihm eigene Liedhaftigkeit auf. Dabei ist an das Lied in der Lyrik des 19. Jahrhunderts, an Heine und Petöfi, gedacht. Hier zeigt sich Jözsefs Bestreben, die disparaten Erscheinungen in der Welt seiner Zeit und seine eigenen inneren Gegensätzlichkeiten in einer möglichst unbeschwerten, aber straffen Form zu fassen. Daher fiel seine Wahl so häufig auf die nur scheinbar leichte, in Wirklichkeit schwierige Liedform, die bei ihm in vielerlei Varianten den Augenblick festhält. Das andere Merkmal — die Rebellion, die Oppositionshaltung des jungen Dichters gegen die Umwelt — stellte sich poetisch bereits zu der Zeit im verfremdenden, ironisierenden und distanzierenden Abbild von der Wirklichkeit dar. Die Neigung zur grotesken Sicht und Gestaltung, zur Selbstironie und zur Verspottung der Umwelt mit all ihrer Mittelmäßigkeit ist bereits bei dem jungen Dichter kräftig ausgeprägt und eine Form, in der sich seine Kritik an der Gesellschaft zeigte. In einigen seiner großen Gedichte sind alle diese Eigenheiten in geschlossenen Kompositionen vereint, eine dieser Kompositionen von Spiel und Scherz, Schwäche und Kämpfertum, Ironie und Selbstironie ist der Gesang junger Frauen: Flaumig, schelmisch, zum Beglücken unser Kinn und flink die Beine, schön der grade weiße Rücken und die Augen rund und reine und die Grübchen und der Mund. 57
Wenn wir süße Mandeln brühen, tanzt das Feuer, das wir schüren, wenn wir kochen, backen, rühren, daß uns hell die Wangen glühen, wird der Kuchen glänzend schön. Wenn am Abend unsre Männer von dem Tagewerk gekommen, werden sie mit heißen Küssen und mit Kosen aufgenommen, warten wir mit Waschgefäßen und mit gutem Abendessen, — schäkernd machen mit Gesprächen wir des Tages Plag vergessen, halten sie in unsern Armen, bis sie ganz an uns gesundet, und betrachten unsren warmen, kleinen Bauch, wie er sich rundet, sind wir in der Früh erwacht. 178 Im Grunde ist es ein Gedicht für Sprechchor oder Ausdruckstanz, bravourös in der Form: Madrigalverse, gegliedert in ungarische Volksliedtakte, mit Binnenreimen ebenfalls in der Art der Volksdichtung (in Heinz Kahlaus Nachdichtung: viertaktige Trochäen mit Zäsur und Endreim). Es kann auch als Situationslied mit expressionistischem Einschlag gelesen werden, in dem zärtliche Zuneigung zu den Menschen und zugleich Sehnen nach der verlorenen Mutter sowie Verlangen nach einer Geliebten, nach einer Frau zum Ausdruck kommen. Beachtenswert ist schließlich die Ansiedlung des Gedichts im Milieu der Armen in der Großstadt, das so authentisch dargestellt ist, weil es Jözsef von der Kindheit her vertraut war. Exakte realistische Beschreibung in den unterschiedlich gegliederten Zeilen ist gepaart mit der sprunghaften Reihung komischer Bilder und Gedanken sowie mit Erotik und dem nostalgischen Sehnen nach der Mutter.
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Uebeslieder und Rebellion in der Manier Villons: Korallenkette" Budapest bot in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre, als Attila Jözsef aus Paris heimgekehrt war, ein eigentümliches Bild. Das konterrevolutionäre System hatte sich „konsolidiert", und unter der Regierung des Ministerpräsidenten Istvän Bethlen179* war eine Scheinblüte eingetreten, hatte sich ein Schein-Liberalismus breitgemacht. Die neuetablierte „neobarocke"180* Gesellschaft gab sich selbstsicher, als wäre an ihr nichts zu ändern; die Hierarchie war starr, die Grenzen zwischen den Klassen und Schichten schienen unverrückbar. Es waren die letzten Jahre des „Friedens", aber unter der Oberfläche brodelte es, die Spannungen nahmen zu. Die materiellen Verhältnisse und die gesellschaftliche Stellung des heimgekehrten Dichters waren nach wie vor unsicher. Er ließ sich erneut immatrikulieren, diesmal an der Budapester Universität. Angewiesen auf die Unterstützung durch den Schwager, den gutsituierten Rechtsanwalt, bezog Jözsef nach mehreren stürmischen Auseinandersetzungen mit diesem ein kleines möbliertes Zimmer als Untermieter. Von nun an lebte er im Kreis junger angehender Schriftsteller, hier bildeten sich Freundschaften heraus. Was der junge Mann suchte, waren geistige Anregung und Wege zu politischen Veränderungen. In diesen Jahren traf ihn eine der größten Enttäuschungen seines Lebens, von der er im Gedicht bekennt: „Mein reiches Mädchen hab ich lassen müssen / denn ihre Klasse hat sie mir entrissen." 181 Verliebt in die schöne, frühreife Bürgerstochter Märta Vägö hatte Jözsef das für ihn seltene Erlebnis erhofft, voll verstanden zu werden, in Harmonie zueinander zu finden und ganz ineinander aufzugehen. Doch das Idyll war von kurzer Dauer, denn die Eltern wollten ihre Tochter nicht mit einem so wenig materiell abgesicherten Mann verheiratet sehen. Märta wurde nach London geschickt, angeblich zum Studium, in Wirklichkeit, um sie vom Geliebten fernzuhalten. Die Liebe zu Marta Vägö bewirkte in Jözsefs Dichtung eine weitere Klärung und Reife. In dem 1929 erschienenen Gedichtband Mutter tot, der Vater fort182* ist der poetische Ertrag dieser unheilschwangeren und von sozialem Aufbegehren geprägten Jahre zusammengefaßt. Es ist eine Periode, die durch feenhafte Leichtigkeit und eine bewußte Verspieltheit, durch ironisch-selbstironische Grotesken und Grimassen sowie durch unterschwellige innere Spannung 59
und ausbruchbereiten Zorn bestimmt ist. Das Erlebnis der Liebe ist festgehalten in Gedichten wie das ätherisch zarte und zugleich kosmische Perspektiven andeutende, musikalische Ich segne dich mit Frohsinn183 bzw. das phantastisch-groteske und dennoch vertraut volksnahe Korallenkette18/1, ferner das Gedicht Die schwerste meiner Sorgen185, in dem die für Jözsef kennzeichnende Anthropomorphisierung der Natur dominiert, und schließlich die beiden bezaubernden Lied-Gedichte: Wiegelied186 und Leg deine Hand187. Das Idyll war indessen ein sehr vergängliches, beinahe unwirkliches, oft schon ironisch gesehenes. Und hart daneben: ein beherrschter Surrealismus, in Regeln gefaßter Wahnsinn, zur Groteske verzerrte und erstarrte Wirklichkeit in den Medaillons188, in deren zunehmend strengen, regelmäßigen Formen Bilder des Verfalls festgehalten sind. In diesen Liebesgedichten zeichnet sich ein weiter Bogen von Liebeserfüllung und Enttäuschung ab. Sie werden stets begleitet von Gedichten über das düstere, schmerzliche, verlassene Dasein des ungarischen Volkes, und zwar in dem gleichen Ton, bestehend aus volkssprachlichen, grotesken und surrealistischen Elementen: Lang ist unser Herrgott, kurz ist die Speckseite, kränkeln tut der arme Mann schon wie die reichen Leute.189 In einem anderen liedhaften Gedicht wird folgendes Bild von der Welt wie in einem Brennspiegel gezeigt: In China gab's Revolution. Die Opiumpreise stimmen schon. Geh schlafen, Mensch, schmeiß dich aufs Stroh, in China gab's Revolution. Vorm Warenhaus, da kannst du stehn und aus der Ferne Geld ansehn. Geh schlafen, Mensch, schmeiß dich aufs Stroh, vorm Warenhaus, da kannst du stehn.190 Die Attitüde ist scheinbar keck und unbekümmert, in Wirklichkeit jedoch voller gebändigter Leidenschaft und gespannter Erwartung: „Bin heiter und bin schweigsam" 191, heißt es bei ihm mehrere Male, 60
und er fügt hinzu : „Nicht über gut und böse denk ich nach / ich leide nur, geh meiner Arbeit nach." 192 Diese nach außen an den Tag gelegte Gelassenheit war indessen angesichts der nahenden Krise auf die Dauer unhaltbar. Seit dieser Zeit stand Jözsef unter dem Einfluß eines Dichters, den Deutsche und Franzosen, Tschechen und Ungarn für sich entdeckten: François Villon. (Seine Wiederentdeckung in ganz Europa ging bekanntlich von der Zuhälter-Ballade Brechts, von der Dreigroschenoper, aus.) Attila Jözsef hatte Villons Lyrik schon als Student in Paris kennengelernt und einige Balladen bereits seit 1927 sehr gut nachgedichtet. Villonsche Einflüsse zeigen sich vor allem in Jözsefs poetischer Haltung; offenbar erkannte er in Villon auf Grund von Ähnlichkeiten in der Lebenssituation eine Art Vorfahren : den auf sich gestellten, nach Familienwärme und Liebe verlangenden jungen Mann, den wissenshungrigen, mittellosen Studenten, der nach Reinheit fleht und sich nach der Mutter sehnt. Wie bei vielen seiner Generation hatte sich auch in ihm bereits eine verwegene Trotzhaltung herausgebildet: „Ich, Attila, bin wieder da!" 193 „Geliebter des Blitzes" 194 . Für dieses bald heiter-widerspenstige, bald anarchisch-verzweifelte Reagieren auf Not und Aussichtslosigkeit, auf die gnadenlose Härte der Zeit und der Verhältnisse wurde in Villons Dichtung eine mögliche Lebenshaltung entdeckt. Diese Entdeckung war bei Attila Jözsef auch motiviert: Er sah in Villon ein Musterbeispiel für individuelles Aufbegehren, gepaart mit Gelassenheit und Ironie. Villon gab ihm also Anstöße für seine Rebellenhaltung und Persönlichkeitsentwicklung, darüber hinaus aber auch dafür, sich in bestimmten poetischen Formen mitzuteilen. Dies zu einem Zeitpunkt, als für Jözsef der Protest gegen eine verfallende Welt fast nur mehr in amorphen Formen, losen Assoziationen, oder aber ausschließlich mit den aus ungarischen Armen-Burschen-Liedern entliehenen und von innen her aufgelockerten Mitteln poetisch faßbar schien. Das Villonsche Modell ermöglichte Rebellion und Disziplin zugleich, Kampf gegen die Gesellschaft und Einordnung in eine Tradition. Es ist kein Zufall, daß die straffen Villonschen Formen, die Ballade und die Achtzeiler des Testaments, bei Jözsef in mehreren Varianten immer wieder zu beobachten sind; unmittelbar adaptiert in Gedichten des Typs Ballade vom Profit195, modifiziert in bekenntnishaften Gedichten vom Typ Trost196 und mit Elementen der Villonschen Haltung in Besinnung197. Denn es sind nicht nur die direkte 61
Anlehnung an die Villonsche Balladenform bzw. an die Refrains und Reimfolgen, sondern auch kleine, nicht so augenfällige Kunstgriffe und spezifische Eigenheiten der Verskunst, die zu organischen Bestandteilen der Jözsefschen Lyrik wurden. Die Technik der kleinen Bilder und der Kontrapunktsetzung, die spezifische Spannung in der Einheit von Bekenntnis und objektiver Beschreibung oder die Reimtechnik in der Dichtung des reifen Attila Jözsef — vieles geht davon auf Villon zurück. Doch nicht bloß Technisches, auch der Beichtcharakter, die Offenlegung des Persönlichen, gleichsam exemplarisch für Wesenszüge der Klasse, der Nation, ja des Universellen — ganz zu schweigen von motivischen und gedanklichen Anlehnungen (Totentanz usw.) —, all das ist bei Jözsef vom Villonschen Erbe her mitbestimmt. Die Auseinandersetzung des Dichters aus dem Mittelalter mit sich selbst, seine Suche nach einem Platz in der Welt und die Konfrontierung mit den Problemen seiner Zeit setzte der ungarische Dichter, die Dinge der Welt marxistisch betrachtend, mit anderen Mitteln und unter anderen Bedingungen fort. Um eine Typologie der bereits erwähnten, aus den Jahren 1927/28 stammenden Liebeslieder anzudeuten, seien hier zwei exemplarische Gedichte vorgestellt. Das eine, Wiegelied198 genannt, ist in einer anderen Sprache — und dann gar in Prosa — kaum wiederzugeben, zumal sich der Inhalt insgesamt nur über die sprachlich-musikalischen Elemente mitteilt. Es ist ein Dialog, in dem die Partner unbestimmt sind, ja sogar Naturkräfte sein könnten: Im sanften Wiegen des Wassers liegt sowohl die Stimmung der Liebesvereinigung als auch schon die des Abschieds und Vergehens. Aus der Zeit der Liebe zu Mdrta Vägö stammt auch das andere Gedicht, das in der ungarischen Fachliteratur bereits zu vielen Diskussionen Anlaß gab: Klärisok Klärisok a nyakadon, bekafejek a tavon. Bäranygane bäranyganej a havon. Rözsa a holdudvaron, aranyöv derekadon. 62
Kenderkötel, kenderkötel nyakamon. Szoknyäs läbad mozgäsa harangnyelvek ingäsa, folyövizben ket jegenye hajläsa. Szoknyäs läbad mozgäsa harangnyelvek kongäsa, folyövizben nema lombok hulläsa.
Korallenkette Um den Hals trägst du Korallen, Froschköpfe auf einem See. Lämmermist auf Lämmermist auf frischem Schnee. Rosen blühn im Hof des Mondes, deine Taille goldumreift. Strick um meinen Strick um meinen Hals gestreift. Regung der berockten Beine: schöner Glockenklöppel Tanz, zweier Pappeln Wiegen in des Wassers Glanz. Deiner Beine Schwung im Rocke wie der Glockenklöppelton, wie im Flusse stummen Laubes Fallen schon. 199 Die Neigung zum Gegensätzlichen und Grotesken, das Aufzeigen der Kehrseite der Dinge, die Gegenüberstellung von Schein und Sein, Disharmonien zwischen Einzelelementen der Wirklichkeit, das Abheben verschiedener Schichten vom Kern der Dinge — das sind bei Jözsef nicht nur stilistische oder poetische Techniken und auch 63
nicht von literarischen Einflüssen herleitbare Schaffensmethoden, Zwiespältigkeit, Ambivalenz, groteske und widersprüchliche Situationen waren zu jener Zeit vielmehr reale Konstituanten im Leben Jözsefs. Die Liebe zu Märta war bei allem Glücksgefühl voller mannigfacher Spannungen, Gegensätze und ungelöster Situationen. Ihr Briefwechsel, Märtas rückhaltlos niedergeschriebene Erinnerungen 200 * und nicht zuletzt Attila Jözsefs Gedichte zeugen davon, daß ihr Verhältnis niemals völlig frei von Spannungen gewesen ist. Es waren dies nicht nur Spannungen der Liebe und des Verlangens, sondern auch gesellschaftliche, bedingt durch die Unterschiede in der Herkunft, Erziehung und Umwelt ebenso wie im Verhalten, in der Lebensweise, in den Idealen und Gewohnheiten, in den Vorstellungen über Politik und Kultur. Zwischen ihnen spannte sich also ein ganzes Geflecht komplizierter Widersprüche: auf der einen Seite der trotzig-selbstbewußte, aber eckige, von der plebejischen Herkunft geformte und als Waise aufgewachsene, der emotionsgeladene Dichter, auf der anderen Seite das gutwillige, in seinen Empfindungen aufrichtige, aber letztlich doch wohlbehütete, von Eltern und Verwandten verwöhnte Mädchen. In dem Gedicht Die Perle201 kann das ironisch-schmerzliche Gegensatzpaar „göröngy-gyöngy" (Erdklumpen-Perle) als Hinweis auf diese Situation gedeutet werden. Ausdruck dieses spannungsreichen, schmerzlich disharmonischen und selbst im Glück unausgeglichenen Zustands ist auch das Gedicht Korallenkette. Der Grundsituation entsprechend baut das Gedicht auf Widersprüche unterschiedlicher — gesellschaftlicher, materieller, sexueller, haltungsmäßiger — Art auf. Bei aller Geschlossenheit setzt sich der erste Teil vom zweiten deutlich erkennbar ab: Die ersten beiden Strophen beschreiben einen Zustand, in dem Gegensätzlichkeiten fixiert sind; die beiden folgenden Strophen sind als Vorgang in einem Zeitablauf angelegt und spiegeln das Vergehen. Die Einheitlichkeit des Gedichts besteht darin, daß tragische Obertöne des Vergehens ahnungsweise auch schon in der ersten Hälfte anklingen und daß in der zweiten Hälfte die antithetische Technik beibehalten wird. Die Grundsituation erscheint im Bild der einander gegenüberstehenden Liebenden, wobei der Mann die Geliebte betrachtet und in assoziativen Bildern „beschreibt". In den ersten beiden Strophen ist jeweils ein sinnlich-anschauliches Gegensatzpaar aufgestellt. Der Anblick der Schmuckkette am Halse des Mädchens löst eine Assoziationsreihe aus. Das ungarische Wort für Korallenschmuck 64
(kläris) ist bereits Träger einer spezifischen Stimmung, weil es über den sachlichen Bedeutungsinhalt hinaus stilisierte Volkstümlichkeit und Archaisches suggeriert. Vorstellungen, die sich mit dem Wort „kläris" verbinden (Jahrmarkt, Puppen, Bauernmädchen in Volkstracht), tendieren zum Phantastischen, Verspielt-Grotesken, zunächst ohne die Ankündigung einer Wendung des Spiels ins Tragische. Der Schmuck am Halse des Mädchens (ob nun aus Korallen, Glasperlen oder Holz) — jedenfalls grünlich, wie es die letzte Strophe bestätigt — dürfte durch die Form der Perlen die Assoziation des parodistischen Gegenstücks hervorgerufen haben: „Froschköpfe auf einem See", wobei „See" offenbar für die glatte Mädchenhaut steht. Die konstitutiven Elemente der Gegensatzpaare in den beiden ersten Strophen gleichen sich; es handelt sich jeweils um kleine, spröde, in der Färbung abstechende und der Form nach unregelmäßige Objekte in einem weiten, nicht scharf umgrenzten, relativ weichen und hellen Medium. Verdeckt ist in dieser Assoziation, in der Durchbrochenheit der jungfräulich hellen Fläche, bereits eine kraftvolle Erotik gegenwärtig. Die beiden ersten Bilder rufen nun das dritte hervor: „Lämmermist auf frischem Schnee", in dem die Vorstellung zugespitzt, stark verallgemeinert und eigentlich auch parodiert ist. Die innere Gegensätzlichkeit des Bildes ist wiederum offenkundig: das bräunlichschwarze, unbestimmt Umrissene in der Weite des weißen Feldes oder anders, das gemeinhin Unschöne und Abstoßende als Kontrast zum Schönen, zum reinen, jungfräulichen Weiß. Unverkennbar wirkt auch hier Erotik mit, und zwar zugleich mit einer Probe aufs Exempel des Villonschen Häßlich-Schönen. Denn der „Lämmermist auf frischem Schnee" ist gewiß auch eine provokante Grimasse, erscheint er doch als Kontrast des auf natürliche Weise und plebejisch Schönen zur Welt der geordneten bürgerlichen Schönheit. (Die Entdeckung des neuen Schönen erreicht später in der ILlegie mit der Zeile „in einem Eisentopf wächst gelbes Gras" 202 einen Endpunkt.) In der zweiten Strophe setzt sich die Assoziationskette fort, erneut mit einem Kontrastbild von Klein und Groß, Umrissenem und Endlosem: „Rosen blühn im Hof des Mondes", was — wenn wir dabei bleiben, daß die Geliebte beschrieben wird — mit dem kontrastierenden Anblick von weiblichem Busen und Brustwarze (die im Ungarischen übrigens Brustknospe heißt) als eines der erotischen Zentren im Gedicht interpretiert werden kann. Hier wird auch schon das Vorgehen bei der „Abbildung" der Geliebten erkennbar: 5 A. JözseF
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Vom Hals gleitet der Blick auf die Brüste, dann auf die Taille und schließlich auf die „berockten Beine". Die sechste Zeile, „deine Taille goldumreift", korrespondiert mit den ebenfalls farblich dekorativen Korallen. Sie enthält selbst keinen Kontrast, bekommt aber die Antithese aus dem nächsten Bild, einem Selbstbildnis des Dichters, der sich nicht mit einem Goldgürtel, sondern einem „Strick" um den Hals sieht. Der Strick weckt Vorstellungen von Armut und Verlassenheit, beschwört aber mit der Reminiszenz an die „ballades des pendus" auch direkt die Schlinge des Galgenstricks, ein Requisit aus dem Leben des Volks und der Vogelfreien und zugleich aus dem Milieu der Ausgestoßenen in der Großstadt. Die Assoziationsbreite ist in der Tat beträchtlich, die Vieldeutigkeit war jedoch von Jözsef beabsichtigt. Mit der dritten Strophe tritt offensichtlich an die Stelle der gegensätzlichen Schönheiten und Welten der schmerzliche Gegensatz zwischen erotischem Verlangen und der vergehenden Zeit. Der Schauplatz ist immer noch herbstlich imaginär und die Aufmerksamkeit völlig auf die Beziehung Mann — Frau gerichtet, aber ein neues Element kommt hinzu: das Flußwasser. Wasser, insbesondere Flußwasser, ist in Jözsefs Dichtung bedeutungs- und funktionsreich; wie bei Heraklit (und seitdem bei so vielen) veranschaulicht es auch bei ihm meist die Bewegung der Dinge. Besonders überzeugend wird das in dem Gedicht An der Donau203 noch zu beobachten sein. Die „berockten Beine", von denen auch bei ihrer eigentlichen Funktion, beim Gehen, eine erotische Wirkung ausgeht, rufen das Bild der schwingenden Glockenklöppel hervor, das dann aber gleichsam weggewischt wird vom Spiegelbild der Pappeln im Flußwasser. Das unmittelbare Erlebnis rückt, indem es durch die verschwimmenden Umrisse des Spiegelbilds relativiert wird, in die Distanz des Irrealen und Nichtgreifbaren. In der vierten Strophe geht es deutlich um Abschied: Es ist ein Abgesang. An die Stelle des sichtbaren Schwingens tritt das hörbare Sturmgeläut, das zusammen mit „stummen Laubes Fallen" — ein wenig theatralisch — die Assoziation von Abschied, Ende, Vergehen bewirkt. Das fallende Laub ruft, wie in der ersten Strophe Korallen und Froschköpfe, eine grünlichbraune Farbvorstellung hervor. Mit diesem Decrescendo schließt das kleine Drama über Liebesverlangen und -vergehen, eine mit dem Vorgefühl von Zeitweiligkeit und von Verfall versehene groteske Liebeswerbung.
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Für das Vokabular, d. h. die sprachliche Ausgestaltung des Gedichts ist eine mit volkstümlichen Elementen bereicherte Stilisierung kennzeichnend, die Attila József zu der Zeit mit einer Reihe sehr ergiebiger Experimente weiterzuentwickeln suchte. Der Ton, der im Gedicht angeschlagen wird, ist vielschichtig: elegisch, ironisch und grotesk zugleich. Die innere Gegensätzlichkeit gehört zum Wesen des Gedichts; Elegisches ist mit Ironie (und Selbstironie), Selbstgefühl und Ergriffenheit mit In-Frage-Stellung mittels grotesker Effekte gepaart. Man könnte von der Beschwörung eines Idylls sprechen, das ironisiert wird. Denn ironisch in Frage gestellt wird hier das harmonische Liebeserleben und das dazugehörende Verstandenwerden und Zu-Einander-Finden, das unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen nicht von Dauer sein kann und tatsächlich stets von der Ahnung des Vergehens, vom Gefühl der Unmöglichkeit bedrängt wird. Gemeint sind nicht die in der Liebe stets und überall vorhandenen Spannungen, zu denen auch die Ahnung ihrer Vergänglichkeit gehört, sondern gemeint ist eine Liebe, die auf Grund einer bestimmten gesellschaftlichen, psychologischen und persönlichkeitsbedingten Konstellation von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Zeugnisse des Abschieds und der schmerzlichen Trennung sind überdies die Gedichte Seit du fort bist2W>, Ob Herz• ruh nun!205, Raureif206 und Kings um den roten Mond20"1. Im letztgenannten ist ein Wandel in den Bildern und im Ton zu beobachten. Die Natur hat sich gegen den Menschen gewandt, sie birgt die Liebenden nicht mehr in ihrem Schoß, frostige Kälte breitet sich aus. Und in Oh Her rub nun! artikuliert József anklagende Verbindung von Härte und Himmel in der sprachlichen Wendung „harter Himmel"; erstarrte Dinge in einer erstarrten Welt drücken den seelischen Zustand des Dichters aus. Die Not der Liebesentbehrung nimmt weltweite Ausmaße an, und in einer froststarren Welt wacht der Dichter erneut einsam über traumversunkenen Landschaften. Die ironische Sicht und die Verwendung von Mitteln der Groteske beschränkte sich keineswegs auf die Liebesgedichtc. Die Zunahme dieser Elemente in Józsefs Dichtung kann wohl damit in Verbindung gebracht werden, daß damals zu seiner Lektüre u. a. Gedichte von Christian Morgenstern und Joachim Ringelnatz gehörten. Márta Vagó schreibt in ihren Erinnerungen: „Es war gegen Abend — ,ferkelchenrosiger Schein am Himmel' 208 — als wir auf der Wiener Landstraße zu Fuß auf dem Heimweg waren. Ich blieb mit Attila 5*
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ein Stück hinter den anderen zurück und zuckelte mit ihm gemächlich hinterher, vor uns der Abendhimmel im Dämmerschein, links und rechts duftende Wiesen —, da kam er wieder auf Ringelnatz und Morgenstern zurück. Offensichtlich hatte sich Attila die ganze Zeit über diese Art Lyrik den Kopf zerbrochen. ,Mir liegt das eigentlich sehr', sagte er mit zunehmender Schärfe in der Stimme. .Versteh doch, es ginge mir sehr leicht von der Hand . . . reine Lyrik ins Ironische verzerrt, wieso nicht? Solche Sachen habe ich doch auch schon geschrieben.' — Er zuckte wieder mit den Schultern. .Reine Lyrik ist mir am liebsten, und das Groteske liegt mir sehr.' Das illustrierte er sogleich mit einer kleinen Grimasse und einer seitlichen Bewegung mit dem Arm und aus der Hüfte. Dazu lachte er. Dann wurde er wieder sehr ernst: 'Aber ich darf es nicht, verstehst du? Ich darf s nicht tun', wiederholte er, nun schon mit einer Spur von Pathos und sehr nachdrücklich. Ein Dichter hat ja doch anderes zu tun: Außer reine Schönheit zu schaffen, hat er zu lehren! . . . Ich muß zu den Menschen sprechen, so daß sie mich verstehen.'" 209 Bemerkenswerte, spezifische Resultate des Schaffens dieser Periode sind jene zwölf Etüden (Acht- bzw. Vierzeiler), die Jözsef unter dem Titel Medaillons210 zusammengefaßt hat. Mit der ihm eigenen Assoziationstechnik werden Bilder aus der Märchenwelt der Kindheit, Erinnerungen an die Mutter, an Demütigungen und Liebesenttäuschungen heraufbeschworen und mit Erscheinungen in Beziehung gesetzt, die den Blick für die großen Zusammenhänge weiten und gegen die Erstarrung der Welt ankämpfen. Jözsef geht es dabei um die Durchbrechung der starren Grenzen und Rahmen, um die Harmonie von Individuum und Gemeinschaft, und zugleich erscheint in grotesken Bildern eine revolutionäre Trotzhaltung, die durch den unregelmäßigen Rhythmus unterstrichen wird. Ebenfalls an die Zeit mit Märta Vägö und an einen der Ausflüge in die Umgebung von Budapest erinnert das Gedicht Der Gewittersturm211, in dem das Gewitter — erst als Engel, dann als Bauer personifiziert — über Schauer und Hagel jählings in bäuerlichen Zorn und Aufbegehren umschlägt. Gestus und realistische Details tragen unverkennbare Merkmale ungarischen bäuerlichen Lebens. Wie erklärt sich die Ansiedlung des historischen Gewittersturms in der Welt der Bauern? Eine Beantwortung dieser Frage macht es erforderlich, die Beziehungen der Jözsefschen Lyrik zum ungarischen Dorf näher darzulegen. 68
Hinwendung %um Dorf: „Tis%a%ug" und „Dorf" Attila Jözsef, der sich selbst „Sohn der Straße und des Ackerlands" 212 nannte, entdeckte das ungarische Dorf nicht erst im reifen Erwachsenenalter. Seine Vorfahren mütterlicherseits waren Bauern gewesen, und er hatte schon als Kind jeden Sommer Gelegenheit, das ungarische Dorf von „unten" her kennenzulernen. Und doch belegt seine Lyrik seit 1928/29 gleichsam eine Rückkehr: Als Stadtkind, Arbeiterjunge, Schüler und Student aufgewachsen, wandte sich Jözsef dem Dorf nunmehr infolge der allgemeinen Situation seiner Zeit zu. Keine der akuten gesellschaftlichen Fragen in Ungarn war so ungelöst und offen wie die Bauernfrage. Die bürgerliche Revolution war nie zu Ende geführt worden, ein großer Teil der Bauern lebte noch auf Latifundien unter Bedingungen des Feudalismus oder fristete als besitzlose Landarbeiter ein Dasein in Not. Offenkundige Rückständigkeit und Not entlarvten eindringlich die Demagogie, mit der sich die Konterrevolution in ihrem Kampf gegen die Arbeiterklasse auf die Bauernschaft berief. In Wirklichkeit konnte sich das konterrevolutionäre Regime nur auf die wohlhabenden Bauern stützen; zur Lösung der Bauernfrage geschah zunächst nichts. Diese Frage wurde einerseits von fortschrittlichen Intellektuellen, zumeist Studenten, und andererseits von rechtsorienticrten, mit den Konservativen nicht mehr übereinstimmenden Kräften auf die Tagesordnung gesetzt, und auch die illegale kommunistische Partei wandte sich der Bauernfrage zu. So trafen sich in der Bauernfrage recht unterschiedlich motivierte Strömungen, die auf jeden Fall bewirkten, daß die Probleme der Bauern in das öffentliche Bewußtsein gerückt wurden. Die Gestalt des klassischen ungarischen Bauernrevolutionärs György Dözsa 213 * war bereits seit Ady Symbol des Aufbegehrens in der Dichtung und Publizistik, und der kommunistische Maler Gyula D e r k o v i t s l i e ß in der Zeitschrift der illegalen Partei, 70O"/Ö215*, seine grafischen Blätter über Dözsas Bauernaufstand von 1514 drucken — die zur Waffe begradigte Sense hatte nicht aufgehört, revolutionäres Symbol zu sein. Jözsefs Rückkehr zum Dorf hatte in jenen Jahren auch persönliche Gründe. Kurz vor dem Tod verarmte um diese Zeit sein bäuerlicher Großvater; zudem beschleunigte der erzwungene Abbruch der Beziehung zu Märta Vägö Attila Jözsefs Abkehr von den bürgerlichradikalen Kreisen. Er suchte nun vorübergehend, für eine kurze Zeit, Halt und Ausweg bei einer Gruppierung, die sich die Lösung der
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ungarischen Bauernfrage zum Ziel gesetzt hatte und insofern ein Vorläufer der ungarischen Volkstümler-Bewegung war, die in den dreißiger Jahren eine große Rolle spielen sollte. Die Formierung dieser weltanschaulich-politisch völlig unterschiedlichen Intellektuellen, von Rechtsradikalen bis zu Kommunisten, vollzog sich innerhalb der Miklös-Bartha-Gesellschaft216*, der Attila Jözsef vermutlich ab Ende 1928 angehörte. Und eben in dieser Zeit wurde er Mitarbeiter des Blattes E/oörs217* (Vorposten), das Endre BajcsyZsilinszky, der spätere Antifaschist und Widerstandskämpfer gegen die deutschen Okkupanten, herausgegeben hatte. Diese zeitweilige Orientierung Jözsefs ist belegt durch einige Aufsätze, Artikel und Rezensionen. Doch sehr bald fand er Anschluß an die innerhalb der Bartha-Gesellschaft formierte kommunistische Fraktion, und durch sie näherte er sich der illegalen KPU. „Raus aufs Dorf!" 218 heißt es in einem von Attila Jözsef und einem Arzt gemeinsam verfaßten Flugblatt, und er selbst folgte dem Aufruf. Noch 1928 entstand das Gedicht Ungarisches Tiefland219, das im Titel und auch in der Manier zwar an Endre Ady erinnert, jedoch dessen tragisches Pathos in eine grotesk-ironische Gesellschaftskritik wandelte, vielleicht müßte man sagen: milderte. Die abgebildete Landschaft ist in die Schräge gestellt und wie auf einem Gemälde van Goghs in Bewegung begriffen, offenbar ein Zeichen der ersehnten Veränderung. Landschaft, Dorf und Menschen sind liebevoll und zugleich ironisch, grotesk und kritisch gezeichnet; aber diese Bilder signalisieren auch verborgene, zur Veränderung drängende Energien. Aus dem Schlußakkord sprechen hier noch Trauer und Zweifel darüber, ob diese Energien wirksam werden und das Wort des Dichters Sinn hat. Doch auch das Bild des über der Landschaft und dem Dorf wachenden Dichters erscheint hier, der den Zug der „auswandernden Pappeln" 220 beobachtet. Dieses Bild inspirierte Jözsefs Zeitgenossen, den Maler Istvän Desi Huber 221 *, zu einer Graphik, auf der eine Bauerngestalt mit Pelzmütze, den Blick auf die „auswandernden Pappeln" in der Ferne gerichtet, des Dichters Gesichtszüge trägt. Ein Jahr später (1929) entstand das schon weitaus konzentriertere, härtere, bei aller Stille im Grundton tragische Gedicht:
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Tiszayg Die Lammfell-Pelzwamsschatten sind von Nadelbäumen angenäht. Es rennt der Pudel Augenblick mit Klapperkrallen - frostverweht. Man sagt: Hm, hm — wünscht sich was und die Häuschen grübeln drüber nach, ziehn dabei übers Fensterkreuz das grüne fette Schaubendach. Das bunte Huhn gackst jämmerlich im Traufenwinkel hingeduckt, als wärs schon eines Weibes Geist, der nächtens mit Geflenne spukt. Auch drinnen lebt geschecktes Tier, bläuliche Alte kaun verwirrt, sie kauern da und knurren laut, daß keiner sich in Traum verirrt. Denn viele gibts, die sinnen dort, seitdem sie nicht mehr Rüben ziehn. Schön weiche Sorge wird das Wort beim Wollezupfen, Pfeifenglühn. Was taugt ein solcher Alter, denn der Löffel fällt ihm aus der Hand, man füttert ihn, und füttert er die Ferkel, fliegt er an die Wand. Mild ist die Kate, lau der Stall, ein Dämmer, das kein Stern bescheint. Hart ist der Himmel. Im Geäst die lahme Meise leise weint. 222 Das Gedicht geht auf einen Vorgang zurück, der seinerzeit großes Aufsehen erregte, weil er schlaglichtartig die erschütternden Zustände auf dem ungarischen Dorf erhellte. Es stellte sich heraus, daß 71
in der Theißgegend (in der Nähe des Dorfes Tiszazug) über Jahrzehnte wehrlose Bauern, Ehemänner und Verwandte von raffgierigen Bäuerinnen, unter Beihilfe der Hebamme mit Arsen umgebracht worden waren. Die Kommentare in der Presse beklagten die mangelnde Seelsorge auf dem Dorf und den Verfall des Volkskerns ; Attila Jözsef dagegen entwarf ein exaktes Bild vom Dorf und den Zuständen, die notwendigerweise solche unheimlichen Geschehnisse hervorbringen. In dem Gedicht gibt es keine direkten Hinweise auf die aufgedeckte Mordserie; es beschreibt in vierfüßigen jambischen Zeilen eine Landschaft mit Alten — ein PseudoIdyll, das Anheimelung und Reglosigkeit vortäuscht, hinter dem jedoch tragisches Unheil verdeckt ist. Zur Szenerie des Gedichts gehören: Stille, Winter, strenger Frost — auch später bei Jözsef immer wiederkehrende Symbole für die unerbittliche Strenge der historischen Gesetze und zugleich für die Verkümmerung der zwischenmenschlichen Beziehungen. In dieser frostigen Kälte stehen die Katen, die nur scheinbar menschliche Wärme bergen; in Wirklichkeit sind es die Behausungen wehrloser, abgewirtschafteter, bläulich angelaufener Alten, die sich selbst nicht mehr helfen können. Aus diesen Stuben wird der Leser durch Bilder, die in Pastelltönen gehalten sind, wieder hinaus ins Freie geführt, wo das Geflenn einer lahmen Meise von der Tragödie, vom gewaltsamen Tod kündet. In dem Gedicht ist das poetische Instrumentarium — rhythmische Untermalung, Alliteration, Lautmalerei, kontrapunktierende Attribute — voll eingesetzt, jedoch in einer außerordentlich strengen und festen Struktur. Dadurch entsteht ein mit aller künstlerischer Disziplin geschaffenes kleines Meisterwerk, ein Landschaftsbild mahnenden Charakters. Das Dasein der Dorfalten kehrt thematisch in anderen Gedichten wieder; Der Brummbart223 z. B. ist teils ein Selbstbildnis, teils ein Porträt des Großvaters. Die engeren Beziehungen zum ungarischen Dorf führten in Jözsefs lyrischem Werk zu einer höheren Stufe der Landschaftsdichtung; die späteren Gedichte dieser Art beschränken sich keineswegs auf die bäuerliche Thematik, sondern machen auf der Grundlage einer marxistischen Interpretation Landschaft und Umwelt als Ganzes poetisch transparent. Sie sind zwar angesiedelt in der Szenerie des ungarischen Dorfes, handeln jedoch von der Situation des Menschen seiner Zeit allgemein. Ein schon sehr reifes Beispiel für diese neue, nicht an Ländlichkeit gebundene Landschaftsdichtung ist das Ende 1931 entstandene Gedicht Frost22/*. 72
Auch hier knüpfte Jözsef vor allem an Adys ungarische Landschaften an. Bei Jözsef ist die Landschaft jedoch nicht nur Träger eines Lebensgefühls und bestimmten Seelenzustands, sondern Schauplatz des konkreten Zeitalters und sinnliche Veranschaulichung eines politischen Zustands in der Zeit.
Frost
Gegrübelt ungestüm im Herbst würde es jetzt nachdenklich schnein. An bittren Frostes blankem Glas trommelt gereizt die wilde Zeit. Ein Wetter, für Bankiers bereit, der Generäle Gegenwart, die Kälte, wie geschmiedet, hart — das blinkend blanke Messer Zeit. Der Himmel starrt von Waffen weit — das ist der Frost, der Lungen dolcht, der sticht durch Lumpen in die Brust. Am Schleifstein schrillt die grimme Zeit. Dahinter so viel Schweigsamkeit: Blechbüchsenstarre, kaltes Brot, gehäufte Dinge, starr und tot. Schaufensterscheibenblanke Zeit. Bald wird geschrieen: Her den Stein, her das bereifte Eisenscheit! Hau es hinein, schlag zu, tritt ein! Welch eine Zeit, welch eine Zeit! 2 2 3 Die Kompositionstechnik besteht hier darin, daß aus dem unendlichen Raum-Zeit-Prozeß ein spezifisches Kontinuum gleichsam herausgeschnitten wurde. Im Zentrum des Gedichts steht die Zeit: ein Prinzip, das — dem Bedeutungsinhalt des ungarischen Wortes entsprechend — als Wetter vergegenständlicht und in furchterregender Gestalt personifiziert ist, um dann wieder zum Prinzip, zu einer 73
Zeit der Bankiers und Generale, rückverwandelt zu werden. Diese Verwandlung setzt sich als Zeit der Entfremdung und Armut, bis hin zur Zeit der politischen Tat fort. Gebunden ist die Vielfalt der Zeit-Aspekte im periodisch wiederkehrenden abgewandelten Refrain. Frost und Kälte spiegeln sowohl die Realität des ungewöhnlich strengen Winters von 1929/30 als auch die froststarren gesellschaftlichen Verhältnisse der Zeit unmittelbar wider. Ähnliches ist in der Malerei bei Gyula Derkovits und in den Novellen von Lajos Nagy 226* zu beobachten. Der Refrain mag in der Lyiik des 20. Jahrhunderts veraltet anmuten, hier jedoch ist er mit seiner Vieldeutigkeit und mehrseitigen Offenheit ein wichtiges Kompositionselement. Dennoch liegt die Kühnheit des Gedichts nicht im Formalen, etwa im Strophenbau, sondern ist in der Spannweite des gedanklichen Bogens und in der Ausdruckskraft der Bildtechnik begründet. Mit ihr wird erreicht, daß Kälte und Frost die Härte und Klarheit sinnlich wahrnehmbar machen und die Gnadenlosigkeit als Gesetz der unerbittlichen Natur erscheint. Wurde die Realität von einigen Vertretern der Lyrik des 20. Jahrhunderts zuweilen bis ins Extrem subjektiviert, gewinnt diese hier voll und ganz ihren objektiven Charakter zurück. In Frost ist ein kühn herausgeschnittenes Stück Wirklichkeit der Natur und der Landschaft vergegenwärtigt, das mittels poetischer Umstrukturierung zu einem philosophischen Prinzip erhoben und Ausdruck politischer Schöpferkraft wird. Die Reihe der politischen Landschaftsgedichte wird mit dem Gedicht Regen227 fortgesetzt. Stadt und Land sind darin als trostlose, bräunlichtrübe Landschaft erfaßt, in der unablässiger gleichmütiger Regen niedergeht. In den Einzelbildern spürt man — wie Andräs Fodor- 28 * feststellt — die Wachsamkeit dessen, der sich um das Land insgesamt Gedanken macht. Innerhalb der folgenden zwei Jahre entstanden neue Gedichte über das ungarische Dorf, die von der zunehmenden Reife des Dichters zeugen. So das folgende Gedicht:
Tote Gegend Wasser qualmt, die Binse baumelt in der Öde, matt und welkend. Selbst der Himmel kroch ins Bette, dichte Stille deckt verschneite Felder. 74
Feiste Trübe — fett und friedlich, flachste Fläche, rundum reinlich. N u r ein Kahn gluckst plätschernd, leise auf dem schneebematschten Eise — einsam. In vereisten Ästen rasselt Wetter, Wald gebiert es prasselnd, knackend findet Frost noch Moose, pflockt sein Knochenpferd, es äse rastend. Da der Wein, dazwischen Pflaumen, klammes Stroh an krummen Stangen. Reihn mit dünnen Fichtenstöcken, alten Bauern recht als Krücken brauchbar. Kate. D r u m herum mit allem dreht dies Land sich. Winterkrallen kratzen von den Katenflanken Kalk, vertreiben sich die kranken Tage. Offen hängt des Kobens Türe, Wind befummelt die Scharniere. Mag ein Ferkel sich verlaufen und nach Mais in diesen Raufen wühlen. Kleine Bauern, kleine Stube, einer raucht vom dürren Laube. Denen nützt nicht mal mehr Beten, starrn ins Dunkel, wie betreten denkend. Für die Herrschaft frierts im Berge, für sie ballert es im Walde, friert der See, die guten Fische kuscheln sich für sie inzwischen schlammtief. 229 75
Hier ist die metrisch-melodische Formel eines gewöhnlich von Zigeunermusikern gespielten volkstümlichen Lieds adaptiert, dessen Melodie und Rhythmus ungarischen Ohren vertraut klingt und dem eine gewisse Ungartümelei anhaftet. Das Bild des toten ungarischen Landes erscheint also in der Form eines oberflächlich unbekümmerten Zechliedes. Zwei Grunderlebnisse wirken in dem Gedicht als Reminiszenz mit: zum einen die Gegend von Szabadszällas mit ihren versandeten Seen in der Einöde der Tiefebene, wo Jözsefs Großeltern lebten, und zum anderen das literarische Erlebnis des noch mit erregenden Schönheiten ausgestatteten Tieflands230* bei Petöfi oder des winterlichen Ungarn, wie es Ady sah und verneinte. Hatten Petöfi gleichsam als Reiter und Ady als Reisender aus dem Eisenbahnwagen Umschau gehalten, so vermittelt Jözsefs Gedicht einen filmischen Eindruck, als wären die Bilder von einem tieffliegenden Flugzeug aufgenommen. Unmißverständlich suggeriert die Komposition des Gedichts zunächst ein weites Kreisen über dem Land, dann zunehmende Annäherung an die Katen und schließlich den Eintritt in das Haus, dessen Bewohner still vor sich hin brüten. Winter ist es, klirrende Kälte, und in dieser unwirtlichen Einsamkeit liegt das Dorf verlassen da. In der großen Stille wird jede Regung hörbar: Der See gluckst, die Stalltür knarrt. Und so geht von dem Gedicht eine innere Unruhe aus, es wühlt auf und wirkt revolutionierend, auch wenn am Schluß kein Aufruf steht, sondern schlicht Tatsachen festgehalten werden: Die Bauern sitzen bedrückt im Halbdunkel, weil ihnen von dem Land ringsum nichts, den Herren aber alles gehört, bis hin zu den Fischen im See. Aus dem Gedicht Tote Gegend spricht die Müdigkeit und Ohnmacht der ungarischen Bauern, die zunehmende Einsamkeit und Verlassenheit Ungarns, das dem Faschismus und Krieg zutreibt. Die Reihe der Gedichte über das ungarische Dorf schließt das 1934 entstandene Dorfm ab, in dem ebenfalls das Sehnen nach Veränderung und hinter tiefer Stille latente Revolutionsbereitschaft poetisch gestaltet sind. Falu Mint egy tänyer krumplipaprikäs, lassan gözölög lusta, langy esteben a piros palds, rakas falueska. 76
Dorf Wie ein Topf Kartoffelgulasch dampft langsam aus den Tiegeln abends unser träges Häuflein Dorf unter roten Ziegeln. Zunächst der malerische Gesamtanblick des Schauplatzes: ein „Häuflein Dorf unter roten Ziegeln", dem die Ausarbeitung der Details später folgen wird. Auch die Jahreszeit ist mitgeteilt: ein warmer Abend im Sommer oder Frühherbst — ein bemerkenswerter Unterschied zu Jözsefs anderen Nachtgedichten, die zumeist in unerbittlicher Winterkälte oder aber in schaudernder Herbstfinsternis angesiedelt sind. Die Umrisse der Häuser zeichnen sich noch ab, auch Farben sind erkennbar, aber schon ermüden die Sinne und die Eindrücke verschwimmen. Die Eingangsmetapher trägt bei aller Schlichtheit eine Fülle an Informationen: Frische und Heiterkeit der Landluft, Verweis auf die Farbe rot, latente Explosionsbereitschaft und Armut. Der Dichter bleibt zunächst im Hintergrund, gleichsam auf einer unsichtbaren Anhöhe, aus deren Distanz er das Dorf beobachtet und beschreibt: Itt is, Ott is karcsü füst — remeny — tünödni, merre szalljon, all kicsit a kemeny küszöben es int a täjon. Wie die Hoffnung steht der weiße Rauch sinnend eine Weile auf dem Schornstein, fragt sich selbst, wohin, winkend. Ohne Eile. In das bis dahin beinahe reglose, unbevölkerte Bild kommt zusehends Bewegung und Leben, eingeleitet durch die rasche Folge kurzer, einsilbiger Wörter am Strophenbeginn. Insgesamt besteht die Strophe aus einem einzigen langen, verschlungenen Satz, ganz dem Weg des Rauchs angepaßt, der „da und dort" (itt is, Ott is) aufsteigt, unschlüssig verharrt und in die Ferne winkt. Doch das Wort „Hoffnung" unterbricht bereits in der ersten Zeile das mit aller Gelassenheit vollendet gezeichnete Landschaftsbild und signa77
lisiert, daß es um mehr als nur die reine Bildkomposition geht. Dieses scheinbar unwillkürlich dazwischengestellte Wort gibt dem Bild und dem ganzen Gedicht plötzlich eine perspektivische Tiefe und deutet auf seine Symbolik hin. So symbolisiert der träge, laue Abend die passiv geduckten, unterdrückten Bauern und der Rauch die sporadischen Befreiungsversuche. Auf diese Weise gewinnt die Beschreibung des Rauchs, der Natur, der Stimmung usw. — wie im Gedicht Tote Gegend232 — an Intensität. Akäcocskät babräl a homäly. A fa telt, kicsi keble belereszket, csöpp söhaja szäll — levegö-lepke. Am Akazienbäumchen nestelt Nacht. Wie von Luftgelüsten zittern Seufzer, die wie Falter sind auf den Blütenbrüsten. Behutsam werden weitere Details herausgearbeitet; die Abenddämmerung verdichtet sich, die Umrisse verschwimmen, kühler Abendwind setzt ein. Auch mit der Technik der Personifizierung wird das Nahen mystischer Abendstimmungen angekündigt, in der die Gegenstände sich zauberhaft verwandeln. Mit ähnlich tiefen, weichen Tönen und ungewissen Personifizierungen naht übrigens auch die Nacht in dem Gedicht Nacht in der Vorstadt233. Die sinnlichen Reizwirkungen des Abends sind ins Bild einbezogen (nestelt, Blütenbrüste), und in der letzten, bezaubernd anmutenden Zeile wird der Strophenschluß durch die Dominanz der hohen, hellen Vokale (levegö-lepke — Lüfte-Falter) gleichsam fortgeweht. In der nächsten Strophe wird diese wie zum Selbstzweck entworfene, idyllisierende Naturszene noch ausgebaut und der Eindruck des Geheimnisvollen verstärkt: S körülem, mig elfed hallgatag a lägy borongäs bokra, ugatäsok neman hullanak nagy barsonyokra . . . Als ich mich dann schweigend in das Laub sanfter Schwermut hülle, 78
senkt sich weich ein trauriges Gebell auf den Samt der Stille. Im zunehmenden Abenddunkel — ein Vorgang, der durch die Tätigkeit des Sich-Einhüllens ausgedrückt wird — überdecken sich die Konturen der Gedanken und der Wirklichkeit (Laub, Schwermut). Erstmals erscheint nun der Dichter selbst, ohne allerdings (siehe Originalfassung) aktiv zu sein. Die Poetisierung in den beiden letzten Zeilen ist kaum zu überbieten und droht sogar ins Unwirkliche hinüberzugleiten. (Und doch wird sich in der Eingangsstrophe des Sonettzyklus Mein Vaterland234 gerade aus der samtenen Stille des Sommerabends ein gellender Protestschrei erheben.) Die drei Punkte in der Strophenfuge signalisieren einen Szenenwechsel: . . . Lampät gyüjtanak az asszonyok. Iis erölködve, rängva, egbe röppenne, mint elnyomott lelek, alängja. . . . Frauen zünden schon die Lampen an. Wie versklavte Seelen zucken ihre Flammen, wollen sich in den Himmel stehlen. Die Zeit ist weiter fortgeschritten, und im eingetretenen Dunkel flammen Lichter auf. Die Szene belebt sich: Bauernfrauen gehen ihrer häuslichen Arbeit nach, zünden die Lampen an. Der schlichte, ungegliederte Aussagesatz ohne jeden Lyrismus holt uns auf den Boden der Wirklichkeit zurück. Die abendliche Träumerei ist abgebrochen, und man könnte meinen, es bleibe beim realen Lebensbild, doch schon mit der nächsten Zeile beginnt erneut ein komplizierter Satz, in dem die Wörter „zucken, sich stehlen wollen" Unstetigkeit und mehr Wunsch als Entschiedenheit andeuten. Die Symbolik der zuckenden Flammen und die darauf folgende Zergliederung des Vorgangs in den beiden letzten Zeilen weisen zwar erneut auf die hinter dem Anblick des friedlichen Abends wirkenden Emotionen hin, lassen zugleich aber auch deren Schwäche ahnen. So ist noch ungewiß, ob die Flammen und die durch sie symbolisierten Bestrebungen sich behaupten können. 79
El is lobban mind . . . Egy feny a ret. Az anyäs hold-vilaga ele nyüjtja köver tenyeret egy bodza-aga. . . . Flackern und verlöschen. Weißes Licht liegt auf Wiesenwegen. Ein Holunder streckt die dicke Hand sacht dem Mond entgegen. Damit ist die Antwort gegeben: Die sporadisch aufflammenden Bestrebungen der Bauern sind gescheitert; Unterdrückung, Knechtschaft und Finsternis senken sich auf das weite Land. Auch hier im Dorf erlöschen die Lichter. Nach einer Wendung erfaßt der Blick nunmehr das Mondlicht auf den Wiesenwegen. Nachdem alle Hoffnung erloschen ist, erscheint wiederum nur die Natur, in deren völligem Schweigen nur ein Weiß und das Schwarz der Schatten zu unterscheiden sind. Die „dicke Hand" des Holunders vor der Mondscheibe läßt indessen als eine Art fernes Zeichen auch hier einen politischen Bezug erahnen, denn hinter dem unmittelbaren Wortsinn sucht man mit Recht das Gemeinte. Örök boldogsäg forräsa mos egy rekedt, csorba teglät. Smaragd Buddha-szobrok harmatos gyepben a bekäk. Quelle ewiger Glückseligkeit fließt um Gras und Esche. Wie betaute Buddhas aus Smaragd schimmern alle Frösche. In der tiefen Stille ist das Plätschern einer Quelle zu hören; Stimmung und Sensibilität werden in den beiden geradlinigen einfachen Sätzen intensiver. Die Bilder rücken auf eine allgemeinere Ebene (ewige Glückseligkeit). Mit dieser Abstrahierung geht jedoch zugleich eine Annäherung an die reale Wirklichkeit einher: Das Mythische im Bild ist — im Original — mit dem vom Wasser umspülten schartigen Ziegelstein zugleich erdgebunden derb. In dieser Strophe
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erinnert die statuenhafte Reglosigkeit der großäugigen Frösche zudem an den Fernen Osten. A vadzab, ki kardot vont elö, fejet melyen lehajtja. Most a dicsöseg es az erö a repedt pajta . . . Wilder Hafer hält sein Schwert gezückt, beugt das Haupt ergeben. Denn ihm könnte Ruhm und volle Kraft nur die Scheuer geben. Das Naturbild erfährt durch die Einbeziehung der stummen Pflanzen eine Erweiterung. Der zauberhafte Schimmer weicht einem fahlen Grau, und immer offener tritt die politische Aussage, der Sinn des Gedichts hervor. Unverkennbar steht hier der wilde Hafer für den Rebellen, den Revolutionär, der sein „Schwert gezückt" hat gegen die Gesellschaftsordnung, allerdings ähnlich unentschlossen, wie sich die Flammen und der Rauch erhoben und bald wieder niedersanken, um sich in die Unterdrückung zu fügen („beugt das Haupt ergeben"). Die Nacht ist nicht mehr lau, sondern unwirtlich und kühl. Zuflucht bietet allein die im Besitz der Herrschenden befindliche Scheuer. Ein Wirtschaftsgebäude also, das Sinnbild des ökonomischen Zwangs bzw. der angeschlagenen — im Original: gesprungenen, rissigen — Macht der Großgrundbesitzer ist es, das mit geistiger („Ruhm") und bewaffneter Gewalt („Kraft") den Rebellen gefangenhält. Noch ist er nicht selber Herr der Scheuer. Die politische Aussage ist nun eindeutig: Es geht um den Bereich des ö k o nomischen, um Lebensmöglichkeiten überhaupt, wovon des weiteren die Rede sein wird. . . . Benne csend van. Mintha valami elhangzott volna csengve. Fontolni lehet, nem hallani. Nincs, csak a csendje. . . . Drinnen ist es still, es ist, als ob was verklungen wäre. Denn ich spüre — nuc ich höre nicht — die erfüllte Leere . . . 6 A. Jözsef
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In kurzen Sätzen, die wie Hammerschläge wirken, sind die Gedanken formuliert. Die Stille der Nacht hat sich gewandelt; sie ist nicht mehr sanft und weich, sondern birgt ein Unheil in sich, das von der — ökonomischen — Macht und Gewalt der Scheuer herrührt. Es ist eine negative Stille („die erfüllte Leere"), die ein Nichtsein anzeigt, ein Fehlen von Aufruhr und organisiertem Widerstand. Und doch ist etwas vorgefallen, denn nach den Flammen und dem wilden Hafer fielen in der Scheuer Worte, gab es irgendeine Aktion, „als ob was verklungen wäre", so vage, wie die Lichter aufgeflammt und wieder verloschen sind. S ahogy földerül az értelem, megérti, hogy itt más szó nem eshetett, mint ami dereng: eke és ásó. Wenn dann wieder der Verstand erwacht, kann er leicht erraten: Hier kann von nichts anderem die Rede sein als von Pflug und Spaten. Endlich erscheint Józsefs starke Waffe: der Verstand. Die Traumbilder werden vom klaren Licht des Bewußtseins völlig verdrängt, und die Vorgänge und Erscheinungen sind im rational-logischen Satzgefüge systematisiert. Die Ratio dominiert, und mit ihr ist der „Ingenieur der bezaubernden Welt" 2 3 5 wieder auf seinem Posten. Das Ungewisse und Vage wird erkannt und ausgesprochen: Es geht um Pflug und Spaten, um die Arbeitsbedingungen der Bauern, um ihre freie Entwicklung, um Sinn und Schönheit ihrer Arbeit und daß diese endlich ihnen selbst zum Nutzen sei. Mit den beiden kurzen, sachlichen Worten, die unanfechtbar und endgültig den Weg vorzeichnen, ist die lyrisch-weiche Bildet- und Stimmungsfolge abgeschlossen. In der drückenden Schwüle der Sommernacht, eingepfercht in die rissige Scheuer, fordern Land- und Erdarbeiter („Pflug und Spaten") ihre Rechte. Pflug und Spaten sind die Worte, die so Wichtiges zu berichten haben: Szó, mert velül szólal a paraszt napnak, esönek, földnek. Szó, mert szóval mondom én el azt gondos idönek. 82
Szö, mint csecsemönek a mosoly. Veregetes a lönak. Szö. De tiszta ertelmü, komoly tagja a szönak. . . Worte sind es, die der Bauer sagt: Sonne — Regen — Erde. Worte, wie auch ich sie dieser Zeit immer sagen werde. Worte, wie ein Lächeln für das Kind, Streicheln für das Pferd. Worte. Einfach — doch von klarem Sinn und von großem Wert. Der Ton des Gedichts hat sich völlig gewandelt: Lyrismus, Mythisches und nun auch das logische Gefüge der vorhergehenden Strophe sind ferngerückt. Mit der Schlichtheit der Volksballaden teilen sich Gedicht und Dichter mit; ähnlich Volksliedhaftes sahen wir bereits in früheren Gedichten Jözsefs. Das Wort „Bauer" taucht hier erstmals auf, nachdem zunächst die Werkzeuge für ihn standen, durch die er sich mit der Natur auseinandersetzt und verständigt und seine Existenz manifestiert. Die Worte — Pflug und Spaten — machen zudem erkannte Zusammenhänge bewußt und hellen den Horizont auf, denn durch sie bekommen die Dinge einen „klaren Sinn". Und schließlich treffen sich der Bauer und der Dichter in den Worten, Gemeinsames wird sichtbar. Wie in vielen anderen Gedichten stellt sich Jözsef auch hier in eine Reihe mit den arbeitenden Menschen. Die Tragweite seiner eigenen Arbeit wird derjenigen der Bauern gleichgestellt, indem er mit dem Werkzeug Wort ihre Sorgen und Sehnsüchte ausspricht und der „bewußten Zukunft" anvertraut. Wie er eins ist mit den Arbeitern in den Gedichten Am Rand der Stadt236 und Nacbt in der Vorstadt"®1, so stellt er sich zu den Bauern. Er beugt sich nicht zu ihnen hinab und bemitleidet sie nicht, sondern arbeitet mit ihnen unter gleichen Bedingungen und von gleicher Sehnsucht erfüllt. Bekundet wird hier das Bewußtsein des humanistischen Dichters, doch in welch veränderter Weise: Der Dichter geht gleichsam in der Gesellschaft auf und fördert sie durch seine ordnende Vernunft, seine Fähigkeit, Form zu geben und Zukunft zu schauen. Inzwischen aber schläft das Dorf in der Tiefe der Nacht: 6*
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. . . Hallgatom az almodö falut. Szorongö älmok szällnak; meg-megrebbentik az elaludt ärnyü füszälat. Und so lausche ich dem stillen Dorf. Träume, die es drücken, wehen durch das schattenleere Gras, das sie niederbücken. Der Dichter ist nun vollends ins Bild getreten und das Dorf nachgerade zur Dekoration geworden. Was er lauschend vernimmt, sind Stille und Träume; nur hat die Stille nichts Samtenes mehr wie noch in der vierten Strophe, und die Träume sind bedrückend. Die Alliteration der Zischlaute (sz) in der zweiten Zeile des Originals verwandelt die „Luftgelüste" der dritten Strophe in ein spannungsvolles „wehen durch das schattenleere Gras". In traumschwerem tiefem Schlaf liegt das Dorf und seine Welt ringsum: Alszanak az egek, a mezök, ostorok, csizmäk, kesek. Lombok közt a tiszta, tag közök. S a levelresek. Längst schon schläft der Himmel, schläft das Feld, Peitschen, Stiefel, Messer — und die reinen Lücken in dem Laub und die schmalen Gräser. Erneut wird die Regungslosigkeit in balladenhafter Schlichtheit — durch eine Aneinanderreihung von Substantiven, die einem einzigen Verb in der ganzen Strophe folgen — ausgedrückt. Es schlafen: die Unendlichkeit („Himmel"), die Stätten der bäuerlichen Arbeit („Feld"), die Peitschen der Antreiber, die Stiefel — Gegenstände des Gebrauchs wie des Mißbrauchs — und die Messer, die die Waffen versinnbildlichen. Aus der sechsten Strophe kehren — nun schlafend — wieder: Sträucher, Bäume, Lichtungen, Verstecke im dichten Laubwerk, also alles, was da noch wach war und sich regte. Ebenso die durchweg sparsam ins Bild gestellten Hauptpersonen: 84
Alszanak a nyers, nehez szavü kiszikkadö parasztok. Dombocskan, mint szivükön a bü, ülök. Vifrasztok. Die verdorrten Bauern schlafen auch — schwer wie ihre Sprache. Wie ihr Kummer sitz ich überm Dorf, seh hinab und wache. Hier erst, da die Bauern erschöpft und abgearbeitet schlafen, wird von ihnen unmittelbar, d. h. durch Attribute etwas ausgesagt. Ihre schwere Sprache verschließt sich den Schönheiten der „trunknen Urmutter Natur" 238, wie sie der Dichter in den lyrischen Metaphern am Gedichtanfang — auch für die Bauern — in Worte gefaßt hat. Denn er spricht und wacht an ihrer Statt und für sie. Eine interessante Parallele ist in dem Gedicht Nacht in der Vorstadt zu beobachten, in dem der Dichter ebenfalls am Schluß selbst ins Bild tritt: „Die Nacht ist ernst, ist grau wie Schiefer, ich schlafe, Brüder, es ist Zeit." 239 Doch fand er dort offenbar Ruhe und konnte diese finden, denn das Klassenbewußtsein der Arbeiter war ungleich stärker als das der Bauern. Hier jedoch bedurfte es des Wachbleibens, des sorgenvollen Grübelns und der Bereitschaft. Inmitten der Zauberspiele der Natur und der berauschenden Nacht, aber auch in ihrem Schweigen hält der Dichter der Arbeiterklasse Wache. Mit gleicher Sorge und Wachsamkeit behütet er auch die Sache der Bauern.
Das Verhältnis von Tradition und Neuerertum, Parteiarbeit und revolutionärer Lyrik In den Reiben der Kommunistischen Partei Jözsefs Gedichtzeile aus dem Jahre 1926: „Weil schon die Zeit auf unsrem .Erdenfeld / unmerklich, aber furchterregend reift!"2''10 hatte Ende der zwanziger Jahre nichts an Aktualität eingebüßt — im Gegenteil. Unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise von 1929 und unter dem Eindruck des Erfolgs der Sowjetunion mit ihrem ersten Fünfjahrplan bewegte eine revolutionäre Unruhe ganz Europa. Es schien so, als krachte das alte System in seinen Fugen und die sieg85
Alszanak a nyers, nehez szavü kiszikkadö parasztok. Dombocskan, mint szivükön a bü, ülök. Vifrasztok. Die verdorrten Bauern schlafen auch — schwer wie ihre Sprache. Wie ihr Kummer sitz ich überm Dorf, seh hinab und wache. Hier erst, da die Bauern erschöpft und abgearbeitet schlafen, wird von ihnen unmittelbar, d. h. durch Attribute etwas ausgesagt. Ihre schwere Sprache verschließt sich den Schönheiten der „trunknen Urmutter Natur" 238, wie sie der Dichter in den lyrischen Metaphern am Gedichtanfang — auch für die Bauern — in Worte gefaßt hat. Denn er spricht und wacht an ihrer Statt und für sie. Eine interessante Parallele ist in dem Gedicht Nacht in der Vorstadt zu beobachten, in dem der Dichter ebenfalls am Schluß selbst ins Bild tritt: „Die Nacht ist ernst, ist grau wie Schiefer, ich schlafe, Brüder, es ist Zeit." 239 Doch fand er dort offenbar Ruhe und konnte diese finden, denn das Klassenbewußtsein der Arbeiter war ungleich stärker als das der Bauern. Hier jedoch bedurfte es des Wachbleibens, des sorgenvollen Grübelns und der Bereitschaft. Inmitten der Zauberspiele der Natur und der berauschenden Nacht, aber auch in ihrem Schweigen hält der Dichter der Arbeiterklasse Wache. Mit gleicher Sorge und Wachsamkeit behütet er auch die Sache der Bauern.
Das Verhältnis von Tradition und Neuerertum, Parteiarbeit und revolutionärer Lyrik In den Reiben der Kommunistischen Partei Jözsefs Gedichtzeile aus dem Jahre 1926: „Weil schon die Zeit auf unsrem .Erdenfeld / unmerklich, aber furchterregend reift!"2''10 hatte Ende der zwanziger Jahre nichts an Aktualität eingebüßt — im Gegenteil. Unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise von 1929 und unter dem Eindruck des Erfolgs der Sowjetunion mit ihrem ersten Fünfjahrplan bewegte eine revolutionäre Unruhe ganz Europa. Es schien so, als krachte das alte System in seinen Fugen und die sieg85
reiche Weltrevolution hielte bald Einzug. Im konterrevolutionären Ungarn wuchs der Einfluß der illegal wirkenden Kommunistischen Partei. Agrarstreiks und Arbeiterdemonstrationen, Unruhen und Flugblätter sowie Bankschließungen und revolutionärer Aufruhr im Geistesleben kennzeichneten diese Periode. Am 1. September 1930 ging erstmals nach elf Jahren die Budapester Arbeiterschaft in großer Masse auf die Straße. Es war eine stürmische und unheilschwangere, doch verheißungsvolle Zeit, als mit den Besten des ungarischen Geisteslebens sich auch der junge Attila Jôzsef dem Sozialismus zuwandte. Nach langem Suchen, seit der Demonstration vom 1. September, die ihn zu dem Gedicht Masse241 anregte, gehörte er nun der illegalen KPU an. Jözsefs Entschluß, aktives Mitglied der KPU zu werden, gingen unterschiedlichste Erfahrungen voraus: frühe Jugenderlebnisse und die Erinnerung an die Räterepublik ebenso wie seine Mitgliedschaft in der sozialdemokratischen Partei seit 1924, die Periode seines „idealen Anarchismus" bzw. seine Tätigkeit in der legalen Tarnorganisation der KPU, der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei2'12 (1925 bis 1927). Und nicht zu vergessen sind die Aufenthalte in Wien und insbesondere in Paris, wo er die Schriften Lenins studiert und der Erinnerung einiger Zeitgenossen zufolge bereits um Aufnahme in die Partei ersucht hatte. Das Suchen widerspiegelt sich auch in Jözsefs Lyrik und Prosa jener Jahre. Die unmittelbare Annäherung an die illegale KPU seit 1929 ging nicht zuletzt auch auf die Bemühungen von Péter Päl Lakatos243*, Jözsef Sollner 244 * und anderen sowie auf den entschiedenen Einfluß von Judit Szäntö zurück, die 1930 seine Lebensgefährtin wurde. So betätigte sich Jözsef zunächst in Gewerkschaften und halbillegalen Kulturorganisationen ; er nahm an Seminaren teil und leitete sie später. Seit Herbst 1930 wurde Jözsef dann in die illegale Parteiarbeit einbezogen, worüber er sich u. a. in einem Brief vom 3. September 1931 an Zoltân Fâbry 245 * äußert: „Seit über einem Jahr bin ich aktives Mitglied der illegalen kommunistischen Partei. . . Als Parteimitglied tippte ich anfangs Flugblatt-Schablonen, heute habe ich sieben Seminare, und sonntags halte ich vor Hunderten Vorträge im Freien . . ." 246 Gleiches bekunden diejenigen, die seiner illegalen Arbeit aufmerksam folgten, seine ehemaligen Verbindungsleute oder Seminarteilnehmer (Gyula Andrâsfi 247 *, Andräs Köves 248 *, Jözsef Sollner) ebenso wie die Erinnerungen seiner Freunde und näheren, auch parteilosen Bekannten. 86
Zudem kann auf Grund von Dokumenten, die im Institut füt Parteigeschichte beim ZK der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei aufbewahrt werden, sowie vielfach übereinstimmenden Erinnerungen festgestellt werden, daß Attila Jözsefs Verbindung mit der Partei allen Forderungen des Organisationsstatuts gerecht wurde: Er gehörte einer illegalen Zelle an, hatte seine Verbindungsleute (im Bezirk Üjpest-Rakospalota2/'9*) und leistete illegale Parteiarbeit, indem er teils bei sich zu Hause, teils in den Budapester Außenbezirken Seminare für Arbeiter leitete, unter denen er sich heimisch fühlte. Ihm wurde bewußt, daß er gebraucht wurde; er hatte sein Gleichgewicht und seinen Weg gefunden. In den Seminaren — die er gewissenhaft abhielt — sprach er mit Temperament und Leidenschaft, seine Zuhörer mochten ihn sehr. Hatte er kein Geld für die Straßenbahn, so legte er den Weg bis zum Stadtrand nicht selten zu Fuß zurück. Es kam auch vor, daß die Genossen im Seminar ihrem hungrigen Leiter zu essen gaben. Die illegale Parteiarbeit war ihm zur Herzenssache geworden. In dieser Zeit entstandene Gedichte der Bände So bau den Stamm um™ und Nacbt in der Vorstadt251 enthalten ebenfalls klare und unmißverständliche Hinweise auf Jözsefs unmittelbare Zugehörigkeit zur Partei. Ebenso deutliche Aussagen gibt es in seinen Prosaschriften, die wie die Gedichte von kämpferischer Entschlossenheit, unmittelbarer Revolutionserwartung und zuweilen von einer allzugroßen Ungeduld geprägt sind (so die Rezensionen über Werke von Läszlö Mecs252*, Zsigmond Möricz253* und Lajos Kassäk 254 sowie die Artikel Marxistische Arbeiterschulung255 und Unsere Jugend und die Volkskunst256). Einige 1932 entstandene Arbeiten wären ohne eingehende Beschäftigung mit der marxistischen Ökonomie und Philosophie, d. h. ohne den Parteiauftrag, dieses Wissen in den Seminaren zu vermitteln, sicher nicht geschrieben worden. Dabei ist nicht zu leugnen, daß die Kompliziertheit des einen oder anderen Artikels, die darin anzutreffenden spekulativen Elemente sowie die Tendenz, Gedanken ad absurdum zu führen, störend wirken (siehe die Arbeiten Naturwissenschaft und Marxismus257, Individuum und 258 Wirklichkeit , Sexuelle Probleme der Jugend259, Kapitalistische Planwirtschaft oder marxistische Theorie?260). Ohne Zweifel vollzog sich um 1930 in Jözsefs Leben und Dichtung eine entschiedene Wendung. Dabei half ihm Judit Szäntö, die der illegalen Partei angehörte, abends und an den Wochenenden Gedichte rezitierte und tagsüber in einer großen Regenschirmfabrik 87
arbeitete. In ihr hatte er eine Frau gefunden, die — wie Jözsef es einmal formulierte — kochen und küssen konnte; sie behütete ihn, unterstützte ihn bei seiner Arbeit und ebnete ihm den Weg, wo sie es nur vermochte.
Der Gediehtband „So bau den Stamm um" Die Jahre 1930/31 könnten in Jözsefs Dichtung als revolutionäre Sturm- und Drangzeit bezeichnet werden. In dem Band So bau den Stamm um261 suchte er mit ganzer Kraft und allen Mitteln seiner Dichtkunst der Weltrevolution und der so nahe scheinenden Umwälzung in Ungarn zum Durchbruch zu verhelfen. „Hirsch, das war ich einstens. / Wolf werde ich leider sein" 262, heißt es in einem Gedicht. An dieser und anderer Stelle lautet dabei die Grundfrage: Wie kann ich Revolutionär werden, möglichst hart, unerbittlich und entschlossen? Der obengenannte schmale Band wurde bei seinem Erscheinen Ende 1930 beschlagnahmt. Die in ihm enthaltenen Gedichte stellen einen neuen Abschnitt der Jözsefschen Lyrik dar; unter ihnen kommt einer bestimmten Art von Landschaftsgedichten besondere Aufmerksamkeit zu. Die Landschaft, die Natur erhielt hier einen tieferen Sinn, sie wurde eins mit dem Dichter selbst und steht darüber hinaus für das ganze Land, für die gärende Zeit und zunehmenden Spannungen. Immer häufiger erscheinen Bilder des Winters, der Froststarre und der knirschenden Kälte; andererseits verbirgt sich auch hinter dem feenhaft-flüchtigen Sommer, den sanften Hügeln und Hängen sowie der Monotonie des Regens eine tiefere Bedeutung — die Mahnung und der Aufruf zu Taten: So hau den Stamm um, mach dich dran, Und jammre nicht bei jedem Span! Hau auf das Schicksal ohne Plärren, Dann kreischt das Heideland der Herren. Dein breites Haubeil lächelt nur. 263 Neues Leben und neue Inhalte erfüllen die Landschaftsbilder; sie werden zu Trägern der Revolution und zerbersten beinahe auf Grund der inneren Spannung. So z. B. in dem Gedicht Sommer-, hier erscheint ein ungarischer Dorfanger in dem Bild der „Ranunkel auf dem goldenen Feld" 26/i. Doch dieses Idyll wird sogleich als Pseudo88
idyll erkennbar, denn hinter der scheinbaren Ruhe und Harmonie stauen sich elementare Leidenschaften, formieren sich historische Kräfte, die bereit sind loszuschlagen. A u s dieser Spannung resultiert dann auch der Ausklang des Gedichts: Sturmwolken schieben sich vor die Sonne, ein nunmehr gesellschaftlich-historisches „Gewitter" hat sich zusammengebraut, das in der traditionellen Symbolik des revolutionären Bauernaufstands losbricht: „ D e r Himmel grollt, schon blitzt es t o l l , / G e n o s s e n , was? D a s Sensenblatt!"' 2 6 5 Neben diesen metaphorisch angelegten Gedichten entstanden in jenem Zeitabschnitt offene, direkte Verse, gleichsam Marschlieder für die Massenbewegung, unmittelbar zum K a m p f aufrufende, mobilisierende, begeisternde politische Appelle: „ G e h , Gedicht, sei Klassenkämpfer!" 2 6 6 , heißt es z. B . in dem Gedicht Sozialisten. Dieses, das Gedicht Masse267 und andere, in denen die poetischen Leistungen der agitatorischen Dichtung der Arbeiterbewegung summiert sind, waren auf Grund ihrer einfachen, in die Nähe der Prosa gerückten Formen geeignet, von den legalen oder halbillegalen Sprechchören vorgetragen zu werden. D e n ungarischen Lyrikern dieses Genres (Antal H i d a s 2 6 8 * , Laszlö Gereblyes 2 6 9 *, Aladar T a m ä s 2 7 0 ) diente dabei u. a. die deutsche kommunistische und linksorientierte Lyrik als Vorbild; Gedichte und Sprechchöre von Johannes R. Becher, Bruno Schönlank, F. C. Weiskopf und K u r t Tucholsky waren im Original bekannt und wurden übersetzt. Diese mit der Arbeiterbewegung verbundene Dichtung hob Jözsef auf eine hohe künstlerische Stufe und brachte sie zur Reife. Zugleich aber nahm er auch Abschied von dieser Art Lyrik, um — ihre bisherigen Ergebnisse nutzend — mit seiner Dichtung neue, umfassendere Perspektiven zu erkunden. In diesen frei rhythmisierten Gedichten und Sprechchören ist die K r a f t der ungarischen Arbeiterklasse und ihrer Partei unverkennbar. Ein E c h o auf die mitreißende Demonstration v o m 1. September 1930, als die Massen das Gefühl, die Leidenschaft und die Überzeugung beseelte, daß eine reale Möglichkeit für den Sieg der Revolution gekommen sei, ist das Gedicht
Masse Arbeit — L o h n und Brot! Arbeit — L o h n und Brot! E s kommt die Masse, die Masse! Wie aufgescheuchter Fliegenschwarm, 89
so fliegen Steine vor ihr her, ein Felsenflug, ein Funkenstieb — wie Augen, schreckhaft aufgetan von einer Eisenstange Hieb — die Masse kommt, die Masse! Sie kommt heran wie Riesenwald, und macht die Masse manchmal halt in ihrer wilden, großen Wut, dann wurzelt sie mit ihrem Blut. Die Erde ist ihr Sohlenpaar — das Feld die Hand — der Wald das Haar und alles, was je fruchtbar war! Gebirge sind der Masse Brot, den Durst löscht keine Wassersnot, wäscht Regen auch Gebirge blank, die Masse hat nicht Brot noch Trank! Wie Hefe quillt sie immerzu, sie schwillt und wälzt sich ohne Ruh — die Masse! Sie ist der feste Zellenkeim, hält zäher als der Lebensleim, sie reckt und streckt die Fühler aus, wächst wie ein großer Bovist aus, sie treibt und zieht sich wie ein Schwamm, sie spaltet sich amöbenhaft und mehrt damit nur ihre Kraft, und alles wächst zu ihrem Stamm! Welt, dich wird die Masse schlingen! Sieh, durch ihre Nasenlöcher Stürme und Gewölke dringen, ihrer hohlen Zähne Köcher sind die krummen, stummen Fernen ihrer grauen Mietskasernen. Die Masse faßt, die Masse greift nach allem, was ihr Atem streift. Sie greift nach Scheuer und Fabrik, 90
nach Acker, Reichtum und nach Glück, will Siebenstundenarbeit haben, den Großen Bären, die Plejaden! Sie greift die wasserreichen Brunnen in eurem wohlversorgten Dorfe, he, meine Väter, meine krummen, vermoderten, geplagt vom Schorfe, he, meine armen kranken Schwager und meine Mädchen, lieb und mager: Das ist die Masse, die Masse — ihr heißer Sog auch euch erfasse! Von rauchenden Revolverläufen umbellt, im Blute zu ersäufen die Masse, in der Masse Blut! Der Strohhalm stochert in der Flut, der Strohhalm will etwas vom Fluß. Er reißt ihn weiter, schon ist Schluß! Die Flut reißt mit, was stockt und stört, weil alles dieser Flut gehört! Trägt Kisten, Wagen auf den Wogen, Dragonersäbel, krummgebogen, mit Pferden, Bänken, andren Möbeln und Tschakos, die mit Fluten pöbeln! Oh, alles andre ist vergebens, das Feilschen, Fluchen, Schweigen, Reden. Die Masse ist der Kern des Lebens, die Masse überrumpelt jeden! Sie ist das Haus und der Erbauer, der Grundstein und das dichte Dach, sie ist der Planer, der Erschauer, der Arbeitsmann in jedem Fach! Hoch jetzt die Arbeiterklasse, hoch jetzt die Bauernklasse! das ist die Masse, die Masse! Was, Bürgerschläue kommt zum Streite — die Masse stößt sie auf die Seite bei ihrem Marsche in die Weite. He, Masse, weiter, weiter, weiter! 2 7 1 91
Das Gedicht setzt mit jener Losung der Arbeiterklasse ein, die jahrzehntelang ihre Hauptforderung zum Ausdruck brachte — auch an jenem Septembertag in den Straßen von Budapest. Nach dieser Einleitung erscheint auf der Bühne der Hauptdarsteller: die Masse, eine gewaltige, mit einem Eigenleben ausgestattete Einheit, die ihre eigenen Gesetze hat. Sie mutet zwar wie ein mythischer Gigant an, ist jedoch das von der Arbeiterklasse geführte Volk. Die im ersten Teil des Gedichts undifferenzierte, einem Lebewesen gleichende Masse setzt sich indessen im Gegensatz zu vielen anderen Gedichten und Gemälden jener Zeit nicht aus gesichtslosen Phantomen zusammen, sondern aus einer Vielzahl individualisierter Menschen. Diese stehen dem Dichter nahe — als Verwandte, Freunde, Väter und Töchter kenntlich gemacht. Sie verkörpern das ungarische Proletariat, aus dem er selbst hervorgegangen ist. Aufgebrochen aus den Vorstädten und den „krummen, stummen Fernen ihrer grauen Mietskasernen", kämpfen sie für die Ziele eines neuen sozialistischen Ungarn: um die Scheuern und Fabriken, um eine menschlichere Arbeitszeit und für eine Aufwärtsentwicklung des ungarischen Dorfes. Zugleich wird dieser Kampf — einer der beeindruckendsten und größten Gedanken Jözsefs — um den Großen Bären und die Plejaden geführt, d. h. um die menschliche Schönheit, um die grenzenlosen Möglichkeiten und die Größe des Menschen. Diese Masse, zu der auch der Dichter gehört, reißt wie eine gewaltige Flut alle Requisiten der herrschenden Ordnung fort. Am Kulminationspunkt des Gedichts wechselt dann plötzlich der Ton; nach einem leidenschaftlichen „Oh!" folgt anstelle der stürmenden Flut die Summierung, der historische Urteilsspruch, in einer Reihe von Fakten — in lakonisch, logisch geformten geometrischen Bildern: Die Masse ist „das Haus und der Erbauer, der Grundstein und das dichteDach.sieist der Planer", der die neue Gesellschaft entwirft. Hier offenbart sich bereits ein Grundgedanke, der in den proletarischen Gedichten des Marxisten Jözsef häufig wiederkehrt: Die Arbeiterklasse und die Masse verkörpern jene Kraft, die imstande sein wird, anstelle der anarchisch zerfallenden eine neue, sich harmonisch entwickelnde Wirtschaft und Gesellschaft zu konzipieren und aufzubauen. Dieser Gedankengang schlägt sich am Ende des Gedichts Masse deutlich nieder: Nachdem eingangs der Blick über die Budapester Straßen und die Kundgebung schweifte und das Gedicht in der anschaulichen Vergegenwärtigung des historischen Prozesses gipfelte, werden die Massen erneut im Abschlußbild mit einem vieldeutigen „Weiter!" zitiert. 92
Zukunftserwartung, die unmittelbar bevorstehende Revolution, die Rolle der Massen im Kampf gegen die herrschenden Klasse, gegen Not, Unterdrückung und Faschismus — diese Themen sind in dem Band So bau den Stamm umm auf unterschiedliche Weise gestaltet; Ein Beispiel liefert dafür das Gedicht Weisen™, das thematisch mit Masse274 und Sozialisten1'1^ zwar verwandt, in der Form jedoch stärker an der klassischen Tradition orientiert ist. Es stellt gleichsam ein für Arbeiterchöre geeignetes schwungvolles Marschlied mit durchgehendem Refrain dar, das den Gedanken eines gegen den Faschismus gerichteten Zusammenschlusses von Arbeitern und Bauern zur Sprache bringt. Judit Szantö erinnert sich im Zusammenhang mit diesem Gedicht an folgende Begebenheit: „1931, als Attila einen Vortrag hielt, übte ich mit Metallarbeitern in einem abgelegenen Raum das Gedicht Weisen ein. Wir bildeten einen Sprechchor, und die Kraft des Gedichts riß dreißig junge Arbeiter derart mit, daß das drohende Gemurmel zu den Seminarteilnehmern hinüberdrang, als der Chor die letzte Strophe mit gedämpfter Leidenschaft skandierte: Hierher, alle Ackerbauern! Hierher, die Traktoren bauen! Proletarier, steht zusammen ! Rausche, Weizen ! 276 Attila hielt es nicht bei seinem Vortrag, und seine Zuhörer erhoben sich, ohne zu fragen, fast gleichzeitig mit ihm und kamen zu uns herüber, er stellte sich in den Chor, und wir sprachen mit ihm das ganze Gedicht; seine Stimme übernahm die Führung und dirigierte so, daß der Rhythmus seines Gedichts wie die Salve eines Maschinengewehrs im Kampf das drohende Rauschen des Chors durchdrang. Mit leuchtenden Augen lobte er das Gedicht und vergaß beinahe, daß er selbst es geschrieben hatte, so war er vom Elan der Gruppe mitgerissen worden. Die Genossen umarmten und küßten ihn und waren nahe daran, ihn in ihrer glühenden Begeisterung auf die Schultern zu heben."'277 Bezeichnend für den Band So bau den Stamm um ist die Vielfalt an Formen zeitgenössischer europäischer Dichtung und der Folklore, in denen der gleichbleibende revolutionäre Inhalt zum Ausdruck gebracht wird. So sind z. B. in dem Gedicht Die Flut278 Formen des finnischen Nationalepos Kalevala™* verwendet, das Jözsef zu 93
der Zeit durch die Übersetzung seines väterlichen Freundes Béla Vikàr 280 * kennenlernte. Gedankenrhythmus, Parallelismus und Alliterationen des Kalevala dienen als adäquate Mittel zur Darstellung der Unterdrückung, des Aufruhrs und der Befreiung der Bauern. Und in dem Gedicht Zwiesprache281 wird eine Auseinandersetzung zwischen Bourgeois und Proletarier an der Schwelle eines Streiks ausgetragen — dieses Mal in Hexametern, einer Form also, die traditionell völlig anderen Inhalten vorbehalten ist. Dies Gedicht ist tatsächlich anläßlich eines Streiks entstanden und in der ungarischen Lyrik insofern bemerkenswert, als sich die in der Arbeiterbewegung entstandene Flugblatt-Diktion erstaunlich exakt und ohne jede Gezwungenheit in die klassische Form einpaßt. Neben den unmittelbar revolutionären Gedichten enthält der genannte Band auch eine Gruppe von Gedichten, in denen Elemente und Bilder aus der biblisch-religiösen Vorstellungswelt des Volkes in soziale Bezichungsfelder übertragen wurden ("Bethlehem 282 , Drei Könige in Bethlehem 283). Einem weiteren Gedichttyp dieses Bandes liegt die Überlegung zugrunde, daß der Dichter seine eigene Individualität verändern müsse, um ein revolutionärer Kämpfer und Dichter sein zu können. Die Problematik dieser Forderung wog bei József um so schwerer, da er bekanntermaßen eher zu Sanftheit und Güte, Zärtlichkeit und Charme neigte. Und dennoch hatte er das Gefühl, es werde ein Moment kommen, da er, ohne von der Güte und Liebe abzulassen, sich in Härte werde bewähren müssen. Diese Absicht, im entscheidenden Augenblick hart sein zu wollen, korrespondiert offenbar mit ähnlichen Thesen in einigen frühen Stücken von Bertolt Brecht. Die Wandlung zum Revolutionär bestimmt u. a. die Grundaussage in dem Gedicht Kummer™, das in der Form auf Volksballaden zurückverweist. Darin ist die Rede vom Hirsch, der einst scheu durch die Wälder zog, jedoch zum Wolf werden mußte und sich nur in Träumen an sein Hirsch-Dasein erinnert. Dieses Hirsch-Motiv taucht auch in der um die gleiche Zeit entstandenen Cantata profana285* von Béla Bartók auf und geht bekanntlich auf eine rumänische Volksballade zurück. Doch haben Wald, Hirsch und Wolf bei dem linksbürgerlichen humanistischen Komponisten und dem revolutionären Dichter jeweils eine andere Bedeutung ; ein Beispiel dafür, wie sich der Sinn der Symbole bzw. Zeichen je nach dem Kontext wandeln kann. Ein anderer Aspekt revolutionärer Haltung ist in dem Gedicht An die Akazien280 ausgedrückt. Hier setzt sich József mit dem Ver94
hältnis des Revolutionärs zu den Massen auseinander, er bedient sich der in der europäischen Lyrik und Malerei häufig benutzten BaumMetapher. Die Akazie ist der für das ungarische Dorf typische Baum, der auch im Flugsand Halt und Nahrung findet — darin sieht der Dichter die exemplarische Bedeutung: Wurzeln schlagen in den Massen, „säuseln auf jedes Vertrauen"'287, wissen um alle Sorgen und Probleme der Menschen. In diesem Bild ist das Lebensprogramm des kommunistischen Parteiarbeiters gefaßt, denn die Akazie steht nicht allein, sondern mit anderen zusammen am Dorfrand, und das gibt Kraft, denn „nicht Schicksal ist das Einzellos" 288 . Ebenfalls um die Frage von Individualismus und Kollektivität geht es in dem Gedicht Der Kleinbürger289. Die Stoßrichtung ist unmißverständlich, auch selbstkritisch, wenn sich Jözsef gewissen Illusionen seines früheren Ichs stellt und in kraftvollen poetischen Bildern vor den Konsequenzen der Schwäche und der Hinfälligkeit des isolierten Individuums warnt. Auf diese Weise entsteht bei Jözsef ein Bild des Revolutionärs, d. h. des mündigen Menschen, für den die Ausgewogenheit von Güte und Härte, Gefühl und Verstand, Ruhe und Kampf kennzeichnend sind. Und auf diesem schweren Weg zum Revolutionär und mündigen Menschen tauchte nach langer Zeit aus der Erinnerung wieder das Bild der Mutter auf: Meine Mutter Sie faßte mit den beiden Händen das Töpfchen gegen Sonntag abend. Sie lächelte still vor sich hin und saß ein Weilchen in der Dämmrung. In einem Teller bracht sie Essen nach Haus von ihren Exzellenzen. Im Bett dachte ich darüber nach, daß die wohl einen Topf voll essen. Die Mutter ist zu früh gestorben, denn kurz leben die Wäscherinnen. Es zittern ihnen leicht die Beine, und Kopfweh kriegen sie vom Bügeln. Gebirge heißt für sie: Schmutzwäsche. Nervenberuhigend soll Dampf sein. 95
Dachböden bieten Möglichkeiten für sie zur Luftveränderung. Sie blieb bei ihrem Bügeleisen. Die Arbeit beugte ihre zarte Gestalt. Sie wurde immer schmäler. — Denkt daran, denkt daran, Proleten ! Sie wurde langsam krumm vom Waschen. Ich wußte nicht, daß sie noch jung war. Im Traume trug sie saubre Schürzen. Der Briefträger grüßte sie manchmal. 290 Aus den Tiefen der Erinnerung und des Traums wird hier zunächst das Bild einer Frauengestalt heraufbeschworen, die nur allmählich reale Konturen annimmt. In der zweiten Strophe tritt der Dichter selbst hervor, und erst in der dritten wird offenkundig, daß es „die Mutter" (im Original „meine Mutter") ist. Die Vision der Mutter erscheint in einem realen Kontext und erhält dadurch die weiter gefaßte Bedeutung der proletarischen Mutter überhaupt. Das persönliche Bekenntnis erfährt seine neue Dimension, spricht eine allgemeingültige Erfahrung aus und wird zum Memento: „denn kurz leben die Wäscherinnen". Ihr schweres Los ist in der vierten Strophe aus der Distanz und mit Sarkasmus veranschaulicht. Die Mutter hält beim Bügeln inne, und es folgt — im Original mit harten Stabreimen — die knappe und unumstößliche Lehre: „Die Arbeit beugte ihre zarte Gestalt" (Törekeny termetet a töke megtörte 291 ). Dann erneut das Traumbild, in dem ein zweiter Traum, der der Mutter, zitiert wird: „. . . trug sie saubre Schürzen. Der Briefträger grüßte sie . . ." Das Gedicht kennzeichnet ein spezifisches Gleichgewicht von lyrischer Zartheit und politischer Härte, kindlich-persönlicher Anhänglichkeit und allgemeiner Situationsbeschreibung, von proletarischer Erlebniswelt und hohem Grad künstlerischer Gestaltung von Traumbildern und der Wirklichkeit. Es ist gleichsam ein Beispiel dafür, welch hohes ästhetisches Niveau diese neue revolutionäre Lyrik hat, die von einem tiefen persönlichen Erleben durchdrungen ist. Die Mahnung Jözsefs: „Denkt daran, denkt daran, Proleten!" bestimmt auch seine nachfolgende Dichtung, die letztlich mit zum Bewußtwerdungsprozeß der Proletarier beitrug. Die Frage nach der Bedeutung der revolutionären Sturm- und 96
Drang-Periode Jözsefs, also derZeit unmittelbar agitatorischer Tätigkeit, kann unterschiedlich beantwortet werden. Einige erblickten darin den Höhepunkt und die Vollendung, ja den einzigen Sinn seines gesamten Lebenswerkes, andere hingegen würden — auch heute noch — diese Jahre am liebsten aus seinem Leben streichen. Für uns stellen sich die Gedichte des Bandes So bau den Stamm um nicht als unübertroffene Gipfelleistung eines Werkes dar, da Jözsef nach unserer Überzeugung in der darauffolgenden Zeit tiefer in das Wesen der Dinge eindrang; doch dürfte diese kurze Zeitspanne den Wendepunkt in seiner Lyrik markieren. Der Anschluß an die organisierte Arbeiterbewegung, die Tatsache, daß Jözsef zu den Arbeitern zurückgefunden, die Wirklichkeit genauer kennengelernt sowie ein Zuhause und die innere Ausgeglichenheit wiedererlangt hatte, halfen ihm später unter weit schwierigeren Bedingungen menschlich und künstlerisch zu bestehen.
Auf neuen Wegen: Marxistische
Arbeiterdichtung
Die Jahre von 1931 bis 1934, in denen die Gedichtbände So bau den Stamm um (1930), Nacht in der Vorstadt (1932) und Bärentanz (1934) erschienen, waren vor allem im Hinblick auf die politische Entwicklung äußerst schwer. Die Welle der Revolutionserwartungen war vorüber, und beinahe zeitgleich mit der Machtergreifung Hitlers in Deutschland traten auch in Ungarn offen faschistische Kräfte die Macht .an. Bereits 1931 wurde das Standrecht verkündet, und im Juli 1932 wurden zwei hervorragende Führer der illegalen KPU, Imre Sallai 292 * und Sandor Fürst 293 *, festgenommen und allen Protesten zum Trotz (auch Attila Jözsef verfaßte ein aufrüttelndes Flugblatt gegen die Todesstrafe 294 und ließ es von Schriftstellern mitunterzeichnen) am 29. Juli hingerichtet. Die 1932 unter Ministerpräsident Gyula Gömbös 295 * gebildete Regierung setzte sich aus der jüngeren, aggressiveren zweiten Generation konterrevolutionärer Kräfte zusammen und leitete eine demagogische Radikalisierung nach rechts ein. Die faschistische Machtübernahme in Deutschland und der Rechtsruck in Ungarn wirkten sich auf breite Kreise der Intelligenz deprimierend aus; hinzu kamen die Dezimierung der illegalen Kommunistischen Partei, die Aktionsunfähigkeit der legalen Arbeiterbewegung und die Schwäche liberaler bürgerlicher Gruppen. Dies alles rief unter den Intellektuellen eine Art Panik hervor. So 7
A. Jözsef
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berechtigt man um 1930 von einer Linkswendung im ungarischen geistigen Leben sprechen konnte, so offensichtlich war dann bei vielen 1933/34 die tiefe Entmutigung. Die einen resignierten infolge totaler Perspektivlosigkeit, andere suchten die Lösung auf einem spezifischen dritten Weg. Diese Orientierung bedeutete Abkehr von der Arbeiterbewegung sowie den Versuch eines Arrangements mit der Regierung oder eine ausschließliche Hinwendung zur Bauernschaft. Aus dieser Krisensituation heraus entstand die heterogene sogenannte Volkstümlerbewegung 296 *, die viele demokratische und plebejische Bestrebungen in sich vereinigte, aber auch gefährlichen Versuchungen ausgesetzt war. Jözsef schlug keinen dieser Wege ein, sondern gehörte zu den wenigen Schriftstellern, die auch unter den zunehmend schwierigen und komplizierten Bedingungen ihren Ideen, dem Marxismus, der Arbeiterbewegung und der sozialistischen Lyrik treu blieben. Zum verstärkten Druck und den Bedrohungen der Umwelt gesellte sich im persönlichen Leben des Dichters die unmittelbare materielle Not: Seine Frau wusch Fußböden auf, und er rannte umher, um „sich zu verdingen / für irgendeine Schreibarbeit" 297 . Ohne feste Arbeit, nur mit einem geringen Einkommen, hatte sich der kommunistische Dichter nach mehreren Attacken gegen die bürgerlichen literarischen Foren den Zugang dorthin so gut wie versperrt. Die materiellen Sorgen hörten indessen nicht auf: Die Wohnung ungeheizt, die Schuhe unbesohlt, mit der Miete im Rückstand, die Schreibmaschine in der Pfandleihe — was hier romantisch anmuten mag, war für den Dichter Mitte der dreißiger Jahre bittere Realität. Wie bedrückend diese Not war, zeigt Jözsefs schlichte Feststellung in einem Brief: „An den Hunger hab ich mich gewöhnt." 298 Hinzu kam sein sich verschlechternder Gesundheitszustand, der ihm hart zusetzte und seine Konstitution zusehends schwächte; eine um diese Zeit eingeleitete psychoanalytische Behandlung wurde vom nüchtern abwägenden Arzt als aussichtslos abgebrochen. Und doch war dieser Zeitabschnitt der zunehmenden Vereinsamung und Isolierung, des bedrückenden Elends und der fortschreitenden Krankheit für den Dichter audh eine Zeit ununterbrochenen Aufstiegs. Eine neue originäre Variante des Realismus erschien in seiner Dichtung. Das Ende 1931 entstandene Gedicht Arbeiter299 markierte diese Wende. Hier ist keine Spur mehr von Allgemeinplätzen über 98
den Arbeiter schlechthin, über den schemenhaft abstrahierten und stilisierten Arbeiter, wie sie sich in der Nachfolge der expressionistischen Dichtung in der Lyrik der Arbeiterbewegung eingebürgert hatten. Hier spricht der Dichter, der das Leben zutiefst kennt, der auch die Hinfälligkeit und die Widersprüche des Arbeiterschicksals klar sieht, miterlebt und keineswegs beschönigt. Als Jözsef auf Ersuchen der Roten Hilfe 300 * das Gedicht Die Solidarität301 schrieb — übrigens in der Form Villonscher Balladen —, erhielt es seine Wirkung durch äußerste Konkretheit in der Darstellung der Wirklichkeit, durch die erschütternden Bilder, und dies macht die Authentizität seines politischen Bekenntnisses aus. Doch Jözsef verharrt nicht beim Aufdecken der vorurteilslos erkannten Realität; das Bild faßt er in ein gedankliches System, in eine intellektuelle Konzeption. „Das Kapital bewegt die gelben Kiefer" 302 — so beginnt das Gedicht Arbeiter und endet mit einer Vision von den Kommunisten, die für die Arbeiterschaft kämpfen: Denn auf dem mächtigen Fließband der Geschichte montiern sie ihre kühn entworfne Welt, in der ihr Stern mit nelkenrotem Lichte die alte Feindin, die Fabrik, erhellt.303 Für Jözsef war das Kunstwerk eine „durch Inspiration fixierte Wirklichkeit"' 304 , und darin — wie beide, Realität und gedankliche Durchdringung, kleine Details und umfassende Konzeption, exakte Beobachtung und totale Wirklichkeitssicht im Einzelnen und im Ganzen eine Harmonie bilden — liegt die einmalige Größe des Gedichts. Auch dieses Gedicht geht in der Form auf Villonsche Balladen zurück; das Neue resultiert aus dem Inhalt und ist in zwei konstitutiven Elementen faßbar. Zum einen ist es die marxistische Weltanschauung, und zwar die dem Wortsinn gemäße „Anschauung" des Dichters von der Welt und den gesellschaftlichen Prozessen. Diese wiederum werden in sinnlich anschauliche poetische Bilder umgesetzt. So erscheint das Kapital als Ungeheuer mit „gelben Kiefern", oder es wird vom „mächtigen Fließband der Geschichte" gesprochen. Die aus der persönlichen Sicht geschaffenen Bilder mit marxistischem Ideengehalt entstammen beinahe ausnahmslos der Lebens- und Arbeitssphäre des Industrieproletariats. In der ungarischen Lyrik ist weder vor noch nach Jözsef der Komplex der Industriebetriebe mit 7*
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solch einer Eindringlichkeit und Plastizität gestaltet worden. Zum anderen war es etwas völlig Neues, vom Alltag des ungarischen Proletariats ein illusionsloses, eben reales Bild zu erhalten, das sich aus vielen genau beobachteten Details zusammensetzt und in eine einheitliche Anschauung fügt. Konsequenterweise fehlt in Jözsefs Bild vom Arbeiter auch nicht die Verelendung und Verzweiflung, doch zugleich — denn dies wäre nur die halbe Wahrheit — gewinnt am Schluß des Gedichts das „Trotzdem" Gestalt: Denn trotz der Verelendung ist es die Arbeiterklasse, die eine neue Ordnung, „ihre kühn entworfene Welt"'305, schaffen wird. Jözsefs Überzeugung, daß es eine Lösung gibt und der „Stern mit nelkenrotem Lichte / die alte Feindin, die Fabrik, erhellt" 300 , gründet sich auf die Kenntnis des Geschichtsverlaufs und resultiert aus dem Wissen, daß die Kommunisten diesen Geschichtsverlauf lenken. Poetisch umgesetzt ist dies im Schlußbild, in dem „die siegreiche Logik der gesellschaftlichen Kräfte in der modernsten, attraktivsten Konstruktion der großbetrieblichen Technik personifiziert wird" 307 . Leitete das Gedicht Arbeiter mit dem für Jözsef charakteristischen poetischen Formenreichtum eine neue Periode ein, so gilt das Augenmerk im folgenden einem Gedichttyp, den wir für seinen wichtigsten Beitrag zur Entwicklung der ungarischen Lyrik erachten. Gemeint sind die Gedichte Nacht in der Vorstadt308, Am Rand der Stadt™, Winternacht™, Ode311, Elegie312 und Gelegenheitsgedicht313, mit denen Jözsef ein neues Modell der marxistischen Gedankenlyrik in Ungarn schuf. Von der Form der lyrischen Rhapsodie in Verhaerens Großstadtfresken dürfte Jözsef manche Anregung erhalten haben, so auch für das Gedicht Nacht in der Vorstadt. Nur ist ihm jede symbolistische Verschwommenheit der Konturen fremd, denn seine aus scheinbar heterogenen Elementen aufgebauten lyrischen Rhapsodien werden durch eine außerordentlich straffe und exakte innere Komposition zusammengehalten. Eines der organisierenden Prinzipien der Nacht in der Vorstadt ist dabei die Stille. Diese trägt eine Reihe bestimmter Bedeutungen; unter ihrer Oberfläche wirken Leidenschaften und heftige Spannungen, Kontrast und Widerspruch, die u. a. in der scheinbaren Gleichgültigkeit der Massen und den auf „Auferstehung" harrenden Betrieben zum Ausdruck kommt. Am Rand des Bildes taucht dann der Dichter selbst auf und wacht, wie später in der Winternacht, über den Schlaf seiner Brüder und den Gang der Geschichte. 100
Zur Nacht in der Vorstadt und Winternacht, aber auch zu anderen Nacht-Gedichten gibt es Analogien in der Nachtmusik und in einigen weiteren Kompositionen des großen Zeitgenossen Béla Bartók. Dazu schrieb der Musikwissenschaftler Bence Szabolcsi31'1*: „Es geht nicht etwa darum, ob Bartóks Werk in irgendeiner Weise, mittelbar oder unmittelbar, József beeinflußt hat. Hier handelt es sich um voneinander unabhängige Formen und Kompositionen, die jedoch in der Aussage und im Entwurf einen gemeinsamen charakteristischen Zug aufweisen. Uns scheint, daß diese großen Nacht-Phantasien bei aller Unabhängigkeit zutiefst miteinander verwandt sind, da in ihnen die Situation des Menschen im All, genauer: die Stellung des wachenden Menschen in einer öden und teilnahmslosen, dennoch alles vereinnahmenden nächtlichen Welt ähnlich oder in gleicher Weise empfunden und sinnfällig vergegenwärtigt wird. Der Mensch wacht, denn so kann er Bruder und Herr des ihn umgebenden Universums werden, das stumm ist und doch hell tönt, schläft und dennoch wirkt. Vielleicht sind es dieser Ton und dieses Weltbild, in denen sich die beiden Dichter einer finsteren Zeit einander am nächsten kamen. Im Gebot des Wachens manifestierte sich ihre tiefe Verwandtschaft, und dieses Mahnwort scheint eine gemeinsame Antwort auf die Fragen der großen Nacht gewesen zu sein, die alle fiebernden und hoffenden Menschen jener Zeit umgab." 313 In dem Gedicht Winternacht, das mit der Zeile „Nimm dich in acht!" 316 — einer Mahnung des Dichters an sich selbst — beginnt, ist die Szenerie mit ihren Perspektiven noch weiter gefaßt und von einer beinahe schon kosmischen Kälte durchdrungen. Spuren menschlicher Wärme lassen lediglich die fernen Dörfer und Betriebe erkennen, und Bewegung in der Starrheit zeigt sich, wenn ein Güterzug ins Flachland hinausrollt oder der Bauer müde heimkehrt, „als ginge er aus dem Leben fort" 3J7 . Der Gegensatz zwischen menschlicher Wärme und Kälte der Zeit ist hier nahezu universell und die Stille der Frostnacht letztlich mit dem unerbittlichen Vergehen und dem Tod gleichzusetzen. Und dennoch wacht der Dichter auch in dieser Frostnacht, kämpft er bereits erbittert gegen das Gesetz, das dieser Ordnung zugrunde liegt, und gegen die Kälte der Natur an. Er gibt sich nicht von vornherein geschlagen, nimmt die Isolierung nicht als letzten Urteilsspruch hin, sondern ringt um eine Rückkehr aus der Kälte der Zeit in die Hoffnung, in die Gemeinschaft der Menschen und zum wärmenden Feuer der Revolution. 101
Die großen philosophischen Gedichte: „Elegie", „Am Rand der Stadt" und „Ode" Die Gedichte Elegie, Am Rand der Stadt und Ode wurden von Jözsef als Triptychon konzipiert und in hoher künstlerischer Vollendung ausgeführt. Sie repräsentieren seine bereits mehrfach erwähnte Gedanken- beziehungsweise Weltanschauungslyrik.
Elegie Wie unter bleiernem Himmel der Rauch träge über das traurige Land zieht, so schwebt meine Seele auch, die tief hinab sinkt. Schwebt, nicht schwingt. Du harte Seele, du sanfte Phantasie! Folgst du der Wirklichkeit schweren Spuren bis hin zu dir, wo du geboren — schau nieder hier! Hier, wo unter seichtem Himmel die kahlen Brandmauern einsam ragen, fleht und droht die gleichgültige Stille der Not, löst die verkrusteten Schmerzen von den sinnenden Herzen und vereint millionenfaches Leid. Hier keimt die ganze menschliche Welt. Trümmerhalden. Wolfsmilch öffnet zählebig in öden Werkhöfen ihre Dolden. Auf fahlen Stufen steigen die Tage brüchige Fensterscheiben hinab in das klamme Halbdunkel. Sprich! Von hier bist du, 102
daß dieses düstre Verlangen dich ständig festhält, wie all die Elenden zu sein, aus denen diese Zeiten schrein, die Gesichter gezeichnet, entstellt? Hier ruh dich aus, wo dies gefräßige System morsche Bretterzäune umstehn und behüten, geifern, wüten. Erkennst du dich? Hier erwarten die Seelen eine durchkonstruierte, beständige, bessere Zeit so leer, wie sich unbebaute Flächen quälen im dumpfen, selbstvergessenen Traum von lärmender Geschäftigkeit und hohen Häusern. Ihr geschundenes Gras beschaut schlammverkrustetes Glas mit glanzlosen, starren Augen. Ein Fingerhut Sand rieselt zuweilen von den Halden. Drüber schwirren, eilen, blaue, grüne oder schwarze Fliegen, die von feineren Gegenden hierherziehen Plunder und Schutt. So hat Mutter Erde auch hier gedeckt, daß sie auf eigene Art ihre Zinsen abzahlt. In einem Eisentopf wächst gelbes Gras. Ist dir bewußt, welchen Bewußtseins kärgliche Lust dich zieht und lockt, niemals von hier zu scheiden und welch reiches Leiden dich hierher stößt? So flüchtet zu seiner Mutter der Sohn, der in der Fremde nur Schläge fand und Hohn. Wirklich kannst du nur hier lächeln, nur hier weinen. Hier nur bist du mit dir selbst im reinen, o Seele! Dies ist mein Land. 318 103
Über dieses Gedicht sagte Jözsef in einem Gespräch, das am 5. Juli 1936 in einer Zeitung abgedruckt wurde: „Da ist zum Beipiel die .Elegie', in der ich eine Vorstadtlandschaft beschreibe. Um ein Gefühl der Öde auszudrücken, kommt es gelegen, daß es solche Vorstadtpartien gibt, in die ich dieses Gefühl hineingießen, hineinweinen kann. Andererseits kann einen solch ein Gefühl der Öde überkommen, weil es solche Vorstadtpartien gibt." 319 Die Elegie ist im Grunde genommen eine Antwort Jözsefs an sich und seine Zeitgenossen auf die Frage nach der Klassenzugehörigkeit, nach dem Woher und Wohin. Entdeckten andere Schriftsteller jener Zeit ihre wohlbehütete bürgerliche Kindheit oder redeten einer romantisierten dörfischen Herkunft das Wort, so bekannte er sich mit trotziger Anhänglichkeit zur Vorstadt, zu der dort verbrachten proletarischen Kindheit. Der tiefhängende Rauch, mit dem die Bilderfolge der Elegie einsetzt, beschwört gleichsam die Stimmung der Budapester Industrielandschaft und die des Dichters herauf, der mit der öden Landschaft zugleich seine eigene vereinsamte Situation ausschreitet. Illusionslos folgt er „der Wirklichkeit schweren Spuren", ohne sich in Träume zu flüchten, steigt er „hinab in das klamme Halbdunkel", der Selbstkonfrontation entgegen. Die harte, kahle Landschaft ist das Zuhause einer Menschengemeinschaft, in der seine Einsamkeit und seine Gedanken aufgehen können und die individuelle und kollektive Not als eins faßbar wird. Es folgen aufeinander zwei kurze einfache Aussagesätze, die Urworten gleich in das Gedicht eingesetzt sind. Der eine: „Hier keimt die ganze menschliche Welt", knüpft an den Grundgedanken des Gedichts Arbeiter an, daß nähmlich die Arbeiterklasse aus solcher Landschaft aufbricht, um die Welt zu verändern. Und der andere: „Trümmerhalden", deutet auf den finsteren, unfertigen, vorzeitlichen Zustand hin. Der Dichter entdeckte und gestaltete das spezifisch Schöne, wenn man so will, das Ästhetische in der Vorstadtlandschaft („In einem Eisentopf wächst gelbes Gras"). Er fragt sich selbst, was ihn an dieses von einem „gefräßigen System" ausgelaugte Stück Erde, umstellt und bewacht von „morschen Bretterzäunen", bindet, „welchen Bewußtseins kärgliche Lust" ihn zieht und lockt. Die Antwort lautet: „Wirklich / kannst du nur hier lächeln, nur hier weinen. / Hier nur bist du mit dir selbst im reinen" ; die Überwindung seiner Einsamkeit und der Anspruch, seiner Dichtung einen Sinn zu geben, erforderten geradezu diese Heimkehr und Identifizierung mit den Menschen der 104
Vorstadt. Gab es in der ungarischen Literatur bis dahin Hymnen auf die Einöde des Tieflands, auf versteckte kleine Dörfer und die Lichter der Großstadt — so brachte Jözsef insbesondere mit diesem Gedicht die Vorstadt als Thema in die ungarische Lyrik ein. Als Gegenstück zur Elegie entstand gleichsam ein in Dur-Tönen gehaltenes Gedicht, das Jözsef zuerst Ode nannte, dem er jedoch später den Titel Am Rand der Stadt gab. Damit ist zugleich die Gegend bezeichnet, in der er damals wohnte: am Fuß eines Eisenbahndamms, inmitten qualmender Fabrikschornsteine. Alle bisherigen Gedichtaussagen zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Proletariats sind hier gewissermaßen noch einmal in Thesen zusammengefaßt. „Obgleich das Gedicht auch eine Folge von Illustrationen zum wohlverstandenen historischen Materialismus sein könnte, ließen die individuelle Logik und Phantasie den Dichter auch dieses Mal nicht im Stich", schreibt Andräs Fodor, ein Vertreter der ungarischen Gegenwartslyrik, und er fährt fort: „Die schneidend-einprägsame Bestimmtheit der Begriffe und die entdeckerische Frische der Metaphern geleiten den Leser von Strophe zu Strophe. Häufig ist es gerade die ungezwungene Schlichtheit der Beobachtung, die einzelne Feststellungen zu Offenbarungen erhebt. Auch das brennende Blut, das reinigt uns nicht — wir sind eine andere Schar. Wir reden anders, und anders klebt auf unseren Schädeln das Haar. Fern von Gott ein Volk, das der Materie gehört, der Materie, die uns gebar, dem Eisen, der Kohle, dem quellenden Öl. Das goß uns unbändig und heiß in die schrecklichste Gesellschaftsform und gab uns dem Leben preis, daß wir stehn wie der Fels auf dem ewigen Boden für die Menschheit und ihren Schweiß.320 Und Marxens Gedanke, daß die Arbeiterklasse Erbin aller von der Menschheit geschaffenen kulturellen Werte sein werde, klingt auf originelle Weise aus Attila Jözsefs Zeilen wider: Nach Priestern, Soldaten und Bürgern sind wir die Hüter der Tradition, 105
in uns ist erstanden und lebt und wirkt der Gesetze getreuer Sohn, in dem der Sinn allen Menschenwerks braust wie tiefer Orgelton. 321 Das letzte Drittel des Gedichts ist mit der Zitierung der ersten Worte der Internationale (im Original: Fol, föll = Auf, auf!) ein offenes Bekenntnis zur Klasse der kommenden Siege." 322 Die letzte Strophe des Gedichts Am Rand der Stadt war wiederholt Gegenstand von Diskussionen, vielfach interpretiert von Zeitgenossen und Nachfahren. Feststeht, daß Jözsef hier einen seiner wichtigsten Gedanken in eine prägnante Form gebracht hat: Der Kampf um die neue Gesellschaft durch Veränderung der Produktionsverhältnisse muß mit dem Kampf um die Umformung des Menschen verbunden werden. Der „Trieb in unserer Brust" 323 war für Jözsef ein zutiefst persönliches Problem, auch ihn galt es im Kampf gegen die Krankheit zu disziplinieren. „Äußeres" und „Inneres", beides verlangte nach der Einheit von Ordnung und Empfinden. Und wir offenbarn unsre Fähigkeit, wir sind unsrer Ordnung bewußt, des Verstands, der das Endlich-Unendliche faßt und ordnet mit Fleiß und mit Lust: Draußen die produktive Kraft und den Trieb in unserer Brust . . .324 Den Titel Ode erhielt 1934 Jözsefs großes materialistisches Liebesgedicht, das in bezug auf die künstlerische Aussagekraft und Universalität in der ungarischen Lyrik zwischen den beiden Weltkriegen kaum seinesgleichen hat: 1 Hier auf der glitzernden Felsenwand sitz ich; ein Lüftchen des jungen Sommers schwebt sanft wie die Wärme eines behaglichen Abendmahls. Stille ringsum. Hier gewöhn ich an sie leichter mein Herz . . . Schon drängt heran, was seit langem entschwand. 106
Der Kopf ist gesenkt, und es hängt meine Hand erdwärts. Mein Blick streift Mähnen von Hügeln — und ich seh: Ihre Blätter all spiegeln deiner Stirne Glanz. Menschenleer sind die Wege, zerklüftet, doch ich sehe: Der Wind springt und lüftet deinen Rock wie beim Tanz, und in dem spröden Sträuchergezelt seh ich dein Haar, wie nach vorn es fällt über die zarte Brust, und — springt die Szinva über Steine, weiße, runde — seh ich deine Zähne, und es springt dein Lachen zaubrisch aus des Baches Grund. 2 O wie heiß liebe ich dich, die du im tiefsten Herzabgrund der tückischen Einsamkeit und die du dem All gleicherweise Rede verleihst! Dich, die wie der Wasserfall vom eigenen Gedröhn sich von mir löst und mir flink entstiebt, während ich vor meines Lebens steilsten Höhn in der Näh der Ferne sing und klage, mich am Himmel und mich an der Erd zerschlage, daß ich dich, du süße Bitternis, daß ich dich lieb! 3 Ich liebe dich wie seine Mutter das Kind, wie die Grotten den Ort, wo ihr Dunkel beginnt, wie die Hallen das Licht, das sie durchrinnt, wie die Seele Unrast, der Leib Rast, wie das Leben lieben, die sterblich da sind, bis der Tod nach ihnen faßt. 107
Ich bewahre von dir jeden Hauch, jeden Hall, wie die Erd, was ihr zufällt, bewahrt. Ich grub dich mit meinen Instinkten all in den Grund des Gehirns, so wie in Metall Säure ein Bild ätzt. So füllst du prall meine Leere mit deiner Art. Die Sekunden ziehn mit Gerassel dahin, du schläfst stumm in meinem Ohr. Die Sterne steigen und stürzen hin, du stehst still mir im Aug, trittst nicht vor. Wie Schweigen in einer Höhlung schwingt, so fühl ich, wie kühl meinen Mund durchdringt der Geschmack deines Munds. Und vertraut aus dem Wasserglas, dem sprenkligen, springt die Äderung deiner Haut. 4 Welch ein Stoff war's, der in mir Gestalt gewann, daß dein Blick mich so formt und füllt? Welche Flamme hob mit mir zu brennen an, daß den Nebel des Nichts ich durchdringen kann und begehen talabwärts und hügelan deines Leibes fruchtbares Gefild? Und daß ich eingehen kann in deine Geheimnisse, wie das Wort eingeht in einen erschlossenen Sinn . . . Rosensträucher, vom Winde bewegt, so zittert dein kreisendes Blut, ewiger Strom, der das Leben trägt, daß mein Lieben entfacht deiner Wange Glut und segne die Frucht, die im Schoß dir ruht. Humusgrund ist dein Magen, von jungen säftepumpenden Wurzeln durchdrungen, Fäden, gelöst bald und wieder verschlungen, deinem blühenden Gewebe verdungen, nähren die Zellen mit winzigen Zungen, daß das Gebüsch deiner laubigen Lungen 108
rausche den Ruhm seiner Herrlichkeit! In dir wandern selige Schwärme ewigen Stoffs im Kanal der Gedärme, und der kochende Sprudel der Nieren ist's, der selbst Schlacken Verjüngung verleiht. In dir erheben sich Hügel, die wogen, Nordlichter flimmern und Regenbogen, Werkhallen tosen dort, fließbanddurchzogen, in dir jauchzt von lebendigen Tieren wimmelnd eine Millionenheit: Algen, Hydren, Tang, Güte und Grausamkeit, Sonnen, Satume, ein Sternbild, das schwindet, und in deine Materie mündet unbewußt alle Ewigkeit. 5 Brocken geronnenes Blut Fällt Wort um Wort rot vor dich hin. Das Leben stottert im trunkenen Mut. Das Gesetz aber spricht mit nüchternem Sinn. Meine Zellen, die rastlos sich mehren, mich alltäglich neu zu gebären, sind bald verdorrt. Doch bis zu dieser Stund brülln sie nach dir! Du: Eine, Einzige, auserlesen aus zwei Milliarden Menschenwesen, wohnliche, weiche Wiegestätt, Grab voll Kraft, lebendiges Bett, nimm mich in dich! Wie hoch doch der Himmel sich aufwölbt im Morgen, der dämmert! Heere glitzern in seinem Erz. Der Speer seines Lichts sticht mein Aug aus. 109
Ich bin verloren. Über mir hämmert mein Herz. 6 (Nebenlied) Der Zug rollt an. Ich fuhr dir nach. Vielleicht find ich dich heute noch. Vielleicht verlöscht mein Glutgesicht. Vielleicht sprichst du dann leis zu mir: Das Wasser plätschert. Wasche dich. Hier hängt das Handtuch. Trockne dich. Hier zischt am Herd das Fleisch im Fett. Hier, wo ich liege, ist dein Bett. 325 Das Gedicht entstand auf Grund einer zufälligen, flüchtigen Begegnung mit einer Frau und ist der sehnsuchtsvolle Ausdruck einer nie zustande gekommenen Beziehung. Und doch ist in dieses Traumgedicht die ganze Welt miteinbezogen, wird in einer einzigen großen Vision der Weg aus der Vergangenheit zur möglichen Z u k u n f t heraufbeschworen. Dieser führt — um nur die Weite des Bogens anzudeuten — von der nachdenklichen Stille der Einsamkeit zur Vereinigung mit der Gefährtin, von impressionistischen Bildern bis zum ekstatischen Aufflammen. In klaren einfachen Bildern und Vergleichen („Ich liebe dich wie seine Mutter das Kind . . . wie die Seele Unrast, der Leib Rast") dringt der Dichter bis an die Grenzen der Beziehungen zweier Menschen vor. Die Liebe der Gefährtin wird ihm unabdingbare Voraussetzung für die volle, harmonische Entwicklung seiner Persönlichkeit, und so sehnt er sich nach einer Frau, „auserlesen aus zwei Milliarden Menschenwesen"' durch das scheinbar blinde, aber erhebende und sinngebende Gefühl der Liebe. Neben den politischen Zielsetzungen ist es in der Folgezeit gerade diese Forderung nach der vollen Ausbildung und Harmonie der Persönlichkeit, die stets aufs neue verkündet wird. Damit folgt Jözsef bewußt dem Anspruch Petöfis auf „Freiheit und Liebe" 3 2 6 und geht über diesen hinaus, indem er „Geist und Liebe" als Erzeuger der Menschheit 327 faßt. 110
Wie so viele Gedichte Jözsefs ist auch die Ode auf einige grundlegende Gegensatzpaare aufgebaut, von denen sich das folgende: „Das Leben stottert im trunkenen Mut. / Das Gesetz aber spricht mit nüchternem Sinn", durch sein gesamtes Lebenswerk zieht. Die Erkundung dieses Verhältnisses von Sein und Gesetz wird in dem Gedicht überdies durch die sinnlich-anschauliche Gestaltung des Gegensatzes und der Identität von Äußerem und Innerem, von Körper und Geist vertieft. In einem Teil des Gedichts wird „das fruchtbare Gefild des Leibes'r der geliebten Frau beschrieben, und zwar überaus einfühlsam und leidenschaftlich. Auch in diesem biologisch anmutenden Teil ist ein neuer Gedanke, der der Gleichberechtigung von Mann und Frau, auf eine in der ungarischen Literatur unvergleichliche Weise poetisch geformt: Denn der Mann tritt hier weder in gesellschaftlicher, emotionaler noch sexueller Hinsicht als ein Eroberer auf, der sich der Frau bemächtigt, sondern erweist sich als gleichrangiger Partner in der Vereinigung und Gemeinsamkeit zweier Menschen. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die sehnsuchtsvolle schlichte Melodie des Nebenlieds, das sich den hymnischen Odenpartien anschließt. Attila Tamds328* bemerkt dazu: „Die im Grün des dichten, von einem Lufthauch bewegten Blattwerks erblickte geliebte Gestalt und die Wege der .ewigen Materie', die sich in ihrem Leib abzeichnen und mit dem Bild des Geästs, des Laubs und der Sträucher korrespondieren, suggerieren zusammen das komplexe Erlebnis: Die Materie ist wunderbar, denn die hat ihm die Geliebte gegeben, und auch diese ,liebe, schöne Gestalt' kann so staunend, mit solch schwärmerischer Hingabe lieben, weil sie in ihrem Leib die Zauberhaftigkeit der ,ewigen Materie' birgt und verkörpert. . . . Die unmittelbaren Determinanten des Gedichts — jene Erlebnisse also, die seiner Entstehung vorausgingen — lassen sich schwerlich, vermutlich überhaupt nicht exakt erkunden. Die gesellschaftlichen Determinanten hingegen sind genauer zu ermitteln, allerdings wurden sie für das Gedicht erst durch das individuelle Erlebnis bestimmend . . . Unverkennbar sind die Elemente der modernen naturwissenschaftlichen Anschauung, die Liebe zu den Werkhallen, die berufen sind, das Leben des Menschen zu verbessern, die starke Sehnsucht nach Schönheit und Glück, die Fähigkeit, das Tragische klar und nüchtern zu erfassen, der verborgene Aufschrei des mutterlos gebliebenen Kindes — all die persönlichen Erlebnisse des Dichters, der sich am Farbenreichtum der Landschaft bei Lilla111
füred 329 * erfreut, die Erinnerung an den ,Zauberberg' in seinem Bewußtsein bewahrt und unerwartet in Liebe entbrannt ist. Doch wie jedes wirkliche Meisterwerk hat auch die Ode ohne Kenntnis des wertvollen historischen Hintergrunds dem Menschen etwas zu sagen, der aus dem Sperrkreis seiner Individualität auszubrechen sucht, der sich danach sehnt, in der zeitlosen Unendlichkeit der Welt aufzugehen und dennoch, ihre Gesetze erfassend, als Mensch im Jetzt zu leben. Ein Mensch also, der sich auf den Weg macht, die Möglichkeiten eines reicheren Lebens zu erkunden und bereit ist zu handeln." 330 In der Ode erfahren die Probleme des persönlichen Lebens ihre Lösung in der Kollektivität. Der gewaltige Bogen des Gedichts erstreckt sich vom Konkret-Anschaulichen bis hin zum Allgemeinen, von der Erde bis zum Himmel, vom Verlangen bis zur Erfüllung. Offensichtlich hat Jözsef mit diesem Werk ebenfalls ein neues Genre, einen Gedichttyp, gestaltet. 1933/34 ging es ihm darum, Beispiele für die Erneuerung der traditionellen Formen, der Ode und der Elegie, zu schaffen. Die Gedichte Elegie und Am Rand der Stadt sind von daher exemplarisch konzipiert, doch das unübertroffene Beispiel für diesen neuen Gedichttyp wurde mit Besinnung erreicht.
Höhepunkt
der Jözsef sehen Gedankenlyrik:
Besinnung''
Gleichsam die Krönung der Jözsefschen Gedankenlyrik ist das Anfang 1934 entstandene, aus zwölf Teilen bestehende philosophische Gedicht Besinnung: I Sanft von der Erde löst den Himmel die Früh, und mild ihr Wort, es läßt kullern ins Tageslicht die Kinder und Käfer aus des Dunkels Nest. Kein Hauch von Dunst die Lüfte näßt, flirrende Leichtigkeiten schwingen! Und nachts, gleich kleinen Schmetterlingen setzen sich Blätter aufs Geäst. 112
II Blau, rot, gelb, schlierig nachts in Träumen standen mir Bilder vorm Gesicht, und ich erfühlte sie als Ordnung — im Flug kein Stäubchen ward zunicht. Nun zieht mein Traum als Dämmerlicht durch mich, und Ordnung herrscht von Eisen. Ist's draußen Tag, drin Sterne gleißen, ist's Nacht — in mir der Tag anbricht. III Mager bin ich und esse manchmal nur Brot und bin umsonst im Braus sabbernder Seelen nach was Sichrerm als nach dem Fall des Würfels aus. A n meinem Mund kein Bratenschmaus, an meinem Herz kein Söhnlein reibt sich — wo gäb's die Katze, die gleichzeitig fing drinn- und draußen eine Maus. IV Es liegt die Welt übereinander, Spaltholz im lockersten Geviert, wo jedes Scheit von jedem andern gepreßt, gedrückt, getragen wird, und alles ist determiniert. Nur was nicht ist, hat einen Buschen, nur was sein wird, ist eine Blume, und das zerfällt, was existiert. V A m Güterbahnhof, ein Stück Stille, geduckt ich zwischen Stämmen stak; an meinem Mund ein graues Unkraut von seltsam roh-süßem Geschmack. Tot späht' zum Wächter ich: Was mag 8 A. Jözscf
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er fühlen, und stur sprang sein Schatten zur Kohle, die in tauig glattem Glanz auf den stummen Wagen lag. VI Hier drinnen, siehst du, ist das Leiden, doch draußen das, was es erklärt. Die Welt ist deine heiße Wunde, ihr Glühn macht, daß die Seele schwärt. Solange sich dein Herz empört, bleibst du unfrei — erst wenn kein Haus mehr du dir erbaust, das dann ein Hausherr besetzt, die Freiheit dir gehört. VII Unter dem Abend in der Himmel Zahnradwerk ich die Blicke hob — und sein Gesetz aus Zufallsfasern der Webstuhl des Vergangnen wob, und wieder meinen Blick ich schob durch meiner Träume dichte Dünste und sah: die gleißenden Gespinste zertrennten sich stets irgendwo. VIII Die Stille lauschte — es schlug eins. Du könnt'st nach deiner Jugend sehn; könntest zwischen den klammen Wänden Zement ein wenig Freiheitswehn träumen — so dacht ich. Und vorm Gehn sah oben strahlend in der Ferne ich einem Gitter gleich die Sterne über der stummen Zelle stehn. IX Weinen hab ich gehört das Eisen und Lachen, da der Regen schießt. 114
Sah, daß Vergangenes zerstückt ist und daß man nur Ideen vergißt; und daß mir nichts gegeben ist als lieben trotz der Last ohn' Maßen — ach, goldenes Bewußtsein, daß man dulden muß, daß du Waffe wirst. X Ein Mann ist reif erst, wenn nicht Rücksicht auf Vater ihn und Mutter quält, der weiß, daß er zum Tod das Leben nur als die Draufgabe erhält, die man, fundgleich, zurückerstellt, bewahrt für unbestimmte Frist, und der nicht Gott, nicht Priester ist für sich noch sonstwen auf der Welt. XI Ich habe auch das Glück gesehen. Sanft, blond, ziemlich drei Zentner schwer. Im Hof sein Ringellächeln schwankte auf strengem Rasen hin und her. Sprang in das laue, weiche Meer der Pfütze, grunzte unverdrossen — und Sonne flirrte unentschlossen auf seinem flaumbesätcn Schmer. XII Ich wohne an der Bahn. Viel Züge kommen und gehn an mir vorbei, im wehenden Samtdunkel seh ich schweben der lichten Fenster Reih. So durch das cwge Einerlei der Nacht erhellte Tage jagen, und ich im Lichte jedes Wagen steh da und lehn mich an und schweig. 33 * 8*
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Tiesinnung ist nicht nur ein Schlußstein in der Folge der Weltanschauungsgedichte, sondern auch für sieh genommen ein äußerst komplexes Werk, das offenbar mit dem Anspruch auf Endgültigkeit abgefaßt wurde. Mit diesem Gedicht überwand Jözsef jene dogmatische Enge, die in seiner Zeit und Umgebung insbesondere in einem engherzigen Ökonomismus zum Ausdruck kam. Zugleich hob er die Methode und den gedanklichen Anspruch der Klassiker des Marxismus in schöpferischer Weise auf. Konsequent näherte er sich seinem Gegenstand auf zweierlei Weise, durchdachte er ihn als intellektuelles Problem und persönlich quälende Frage. Bediente sich Jözsef anderer Lösungen, so ging es ihm jedoch stets darum, die marxistische Weltanschauung zu bereichern, d. h. schöpferisch weiterzuentwickeln. Besinnung ist ein dialektisches Gedicht, in dem Antithetik und Spannung bereits dem gedanklichen Material immanent sind. Die durch Rede und Gegenrede erzeugte Spannung wird zudem durch die einzelnen Strophen mit ihren jeweils aufsteigenden und abfallenden Teilen verstärkt; sie erfährt eine weitere Steigerung durch den Verlauf der ersten sechs Strophen, die gegen die zweite Hälfte des Gedichts gerichtet sind, sowie durch den Widerstreit der einzelnen Strophen untereinander. Von daher ist zu erklären, warum die Einheitlichkeit in der Struktur des Gedichts mit einer eigentümlichen Lockerheit einhergeht und die Strophen numeriert sind, d. h. innerhalb der Einheitlichkeit also differenziert wird. (Man könnte annehmen, das Gedicht sei in zwei Anläufen geschrieben worden.) Mit den weichen Tönen und Farben der ersten Strophe wird zunächst eine spezifische Stimmungslage geschaffen und der Schauplatz abgesteckt. Doch nicht nur dies, denn Attribute der Anmut, wie sich etwa die Bilder organisch entfalten, und die Ungezwungenheit der Enjambements suggerieren die eine Seite der Wirklichkeit: das unverbindlich-schwebend Leichte und Harmonische der Natur. Hier dominieren noch Unschuld und Arglosigkeit. In der zweiten Strophe stehen sich bereits mehrere Gegensatzpaare gegenüber: der schwebenden Leichtigkeit der Natur im Kontrast mit der vergleichsweise komplizierten, verworrenen Welt des menschlichen Bewußtseins eine Welt des Dämmerscheins mit der Schwere und dem Eisen, in der neue und schwierigere Gesetze herrschen. Hier können schwingende Schönheiten nicht ungestört und ungestraft Aufnahme finden, denn diese Welt widerstrebt dem Schönen ebenso wie der Mensch gegen seine eigenen eigentlichen 116
Bestrebungen arbeitet. Zwei Ordnungen stehen sich gegenüber: da die erträumte und hier die bestehende Ordnung, die des Eisens; sie wiederum werden als Gegensatzpaar einerseits auf die subjektive innere Welt der Empfindungen und Triebe und andererseits auf die objektive äußere Welt kausal zurückgeführt. Die Diktion der zweiten Strophe ist im Unterschied zur Harmonie und lyrischen Weichheit der ersten auffällig abgehackt und kantig. Der zweimalige Gebrauch von „Ordnung", jeweils mit anderem Sinngehalt und anders akzentuiert, erinnert zudem an den Schlußteil des Gedichts Am Kand der Stadt-, die Harmonie zwischen dem Trieb „in unserer Brust" 332 und der Welt draußen, die zu schaffen dort verheißen wurde, ist wieder in Frage gestellt und scheint unerreichbar. Drinnen und Draußen, Trieb und Bewußtsein, Traum und Wirklichkeit sind hier erneut unversöhnlich einander gegenübergestellt. In der stark verdichteten Schlichtheit der beiden letzten Zeilen ist dieser vom Dichter bis zum äußersten erlebte Gegensatz verabsolutiert und ins Universelle erweitert. Vor der äußeren Welt, in der „Ordnung herrscht von Eisen", und dem Himmel draußen sieht der Dichter sich auf der Flucht ins Innere, wo für ihn „der Tag anbricht" : die Licht und Wärme spendende Sonne der Poesie, des Traums — zugleich auch der humanistischen Haltung und der Bewußtheit sozialistischer Überzeugung. Der Gegensatz zwischen der Außenwelt und der Welt im Innern ist kraß und schmerzlich und drängt zu der hier offenbleibenden Frage: Was also ist nun Ordnung, was ist Wahrheit? Das da „draußen" oder dies hier „drin"? Die erste Hälfte der Strophe suggeriert innere Ordnung, harmonische Gewißheit; in der zweiten stellt Jözsef jedoch die Problematik, den Widerspruch daneben, das dialektische Vorgehen erweist sich hier als schematisches Setzen einer Einheit, die negiert werden muß, ohne zunächst eine Lösung parat zu haben. In der dritten Strophe wird der gleiche Gegensatz vorerst noch von anderer Seite beleuchtet. Eine Folge von Bekenntnissen, von „Beichten" setzt ein, die an Villon erinnert. Der Autor stellt sich dem formulierten Problem — ähnlich wie in dem zwei Jahre zuvor erschienenen Aufsatz Individuum und Wirklichkeit333 — mit seinen persönlichen Erfahrungen, mit einer Rechenschaft seines Lebens. Bereits hier taucht ein weiterer Gegensatz auf, der sich durch das ganze Gedicht zieht: der Konflikt zwischen der politischen Arbeit des Kommunisten und der Familie, zwischen einem Leben für die Gemeinschaft und dem Rückzug ins Individuelle, und hinter all dem der Zwiespalt, noch an die Menschen glauben zu können. Die Bittcr117
keit des Dichters, der für die anderen wirken will, jedoch so viele Enttäuschungen erlebte, wird bis in den spöttisch-scharfen Klang der Reime und Alliterationen („sabbernder Seelen") spürbar; immer noch setzen ihm das Kindheitstrauma und die schmerzende Gegenwärtigkeit des Hungers zu. Für die Menschen da sein und für ein Prinzip einstehen, oder aber sich auf die eigenen Belange beschränken, zurückgezogen in die Wärme einer Familie — zu diesem schmerzlich persönlichen Konflikt gesellt sich noch eine weitere, im Grunde philosophische Frage: ob es überhaupt sichere, mit mathematischer Bestimmtheit wirkende Gesetze in der menschlichen Gesellschaft geben könne. Am Schluß der Strophe wird eine völlige Übereinstimmung von individuellen Bestrebungen und objektiven Gesetzen — die Chance, „drinn- und draußen eine Maus" zu fangen — ausgeschlossen. Die vierte Strophe ist eine Antwort auf die vorgebrachten Zweifel. Die harmonische Exaktheit des Jambus im Strophenbeginn, der Abschluß der Reime, die Ausgewogenheit des Satzbaus und das in sich geschlossene Gefüge der Metaphern legen nahe, daß hier Endgültiges ausgesagt werden soll. Die Antwort im Sinne der Marxschen Philosophie ist entschieden und summierend: Die Welt wird sehr wohl von Gesetzen regiert, die Dinge hängen miteinander zusammen — also auch das Drinnen und Draußen —, sie sind determiniert und erklärbar. Aus der Marxschen Philosophie erhält zunächst die strenge Determiniertheit den Akzent, jedoch mischt sich in die rationale Einsicht zugleich auch persönliche Beklemmung, denn determiniert könnte die Welt und darin die Situation des Individuums ja auch in einer schlechten Richtung sein. Dennoch sind die Sentenzen der Dialektik von Hegel und Marx mit aller Härte in den Schlußzeilen verdichtet: Die bestehende Welt der „sabbernden Seelen" zerfällt, wird zunichte; worauf man vertrauen kann und muß, ist die „Blume" der kommenden Ordnung. Doch damit ist die Auseinandersetzung nicht beendet, nach der Verallgemeinerung im Abstrakten folgt erneut ganz und gar erdgebunden Konkretes, denn in der fünften Strophe werden wiederum Fragen, Bedenken und Zweifel laut; die Instinkte und Nerven gehorchen dem Wissen nicht, Erinnerungen und Visionen der Angst, des erschreckenden Fremdseins in der gegebenen Welt brechen hervor. Satzbau und Reime verstärken dieses Gefühl der Beklemmung. Der Dichter erinnert sich, wie drohend der Schatten des Wächters zwischen ihm und der Kohle lag, die Wärme, Licht und 118
Schönheit verhieß, und dieser Schatten liegt auch zwischen ihm und dem Menschen, der als Wächter zwar ebenfalls ein Leidender ist, dem er aber trotzdem nicht trauen kann. In der sechsten Strophe kehrt die Entschiedenheit der Antwort aus der vierten wieder, nur weit differenzierter; anstelle einer mechanischen Determiniertheit wird auf kompliziertere dialektische Zusammenhänge hingewiesen, werden nicht mehr allgemeine Sentenzen bemüht. Von den persönlichen Qualen wird nunmehr in der persönlichen Anredeform der zweiten Person berichtet, die Antwort ist komplizierter, gründet sich jedoch auch hier im wesentlichen auf die marxistische Philosophie: Da das Bewußtsein vom Sein bestimmt wird, sind die Ursachen für die Störungen im Innern des Menschen draußen, d. h. in der Gesellschaft, in den objektiven Gegebenheiten zu suchen. Um die innere Not zu überwinden, sind somit die Verhältnisse draußen von Grund auf zu ändern. Primär zielt hier der Dichter nicht auf die soziale Revolution (sie wird mit dem „Hausherrn" nur stimmungsmäßig beschworen), sondern auf den Ausbau eines festen gedanklichen Systems, eines philosophischen Weltbildes, das innere Souveränität sichert und die Richtung des Handelns und der Zukunft weist. Obgleich die aufgeworfenen Probleme analysiert und Lösungswege erarbeitet sind, wird das Resultat noch einmal in Frage und zur Diskussion gestellt. Mit der siebenten Strophe ebenfalls durch das Zusammenspiel neuer Fragen und Antworten antithetisch strukturiert, wird ein neuer Problemkreis berührt. Aus den ersten sechs Strophen sprach der Mann, der sich vom Kind hin zum Erwachsenen entwickelte, die Träume abstreifte und Bewußtsein erlangte; in den Strophen V I I bis X I sinnt der Erwachsene über die Notwendigkeit nach, sich zur Verantwortung zu bekennen, die Welt in ihrer Veränderbarkeit zu erkennen. In der Schlußstrophe zeichnet sich dann das Bild eines Menschen ab, der die Dinge der Welt begreift und sich mit dem Ganzen identifiziert. Die zweite Hälte des Gedichts ist in einem Raum, glcichsam in einem anderen Medium angesiedelt. Die Vergangenheitsformen zeigen an, daß hier Erinnerungen reflektiert werden, als kehrten die Zweifel, Fragen und Antworten in Echogestalt wieder; der epische Bogen weist Brüche auf, überhaupt muten diese Strophen im Vergleich zur ersten Hälfte des Gedichts weniger einheitlich, nicht ganz so durchgearbeitet an. 119
Gegenstand der mit Strophe VII wiederaufgenommenen Auseinandersetzung ist die Existenz allgemeingültiger Gesetze. Während die ersten sechs Zeilen das Wirken solcher Gesetze augenscheinlich bestätigen, bestreiten die beiden letzten deren absolute Gültigkeit mit dem Hinweis auf Ausnahmen, unerklärliche Erscheinungen und Fluchtmöglichkeiten; und dies mit der Folgerung, daß auch des Dichters Schicksal nicht unabänderlich, die Notwendigkeit keine Antonomie zur Freiheit sei. Die grammatische Struktur der beiden Zeilen spricht allerdings eher für die Regel als für die Ausnahme. Keine andere Strophe ist so aufgewühlt, gesteigert aufs eigene Ich bezogen, wie die achte, die völlig antithetisch zu Strophe VII angelegt ist. Zunächst auch mit dem Bild der Nacht („es schlug eins") an diese anknüpfend, wird nun in bezug auf die Freiheit das Exempel statuiert. Das Ergebnis widerlegt den Traum von „ein wenig Freiheitswehn'', denn es führt kein Weg um die gesellschaftliche Bedingtheit und die Naturgesetze herum. In der neunten Strophe erscheint ein weiteres Gegensatzpaar: Liebe und Bewußtsein, sinnlich veranschaulicht als Weichsein und Härte. Der schmerzliche Zwang, sich alternativ für die vom Wissen geforderte Härte entscheiden zu müssen („ach, goldenes Bewußtsein . . . daß du Waffe wirst"), da dem Dichter doch „nichts gegeben ist als lieben", läßt Jözsef hier den Konflikt des Menschen seiner Zeit mit allerpersönlichstem Bezug aussprechen. Die Qual, dies erkennen und befolgen zu müssen, findet selbst in der Prosodie und Syntax der beiden letzten Zeilen ihren Niederschlag. Der rückhaltlosen Analyse der Situation des Menschen in den Strophen VIII und IX folgt in den beiden anschließenden die Synthese : einmal die Antwort der Härte, sodann die extreme Alternative dazu. In der zehnten Strophe ist das Bild eines Menschen entworfen, der bis zur letzten Konsequenz ein Kämpfer ist: hart, illusionslos, unbedingt zur Tat bereit. Es ist dies ein Menschenbild, das einseitig, vielleicht sogar schon unmenschlich, keinesfalls jedoch einem auf Liebe angelegten Menschen gemäß ist. Im Gegenentwurf der Strophe XI zeichnet der Dichter ein Bild des Glücks im Alltag: Selbstvergessen, Versinken in Behaglichkeit, kleinbürgerliche Zufriedenheit. Die Ansiedlung dieser Seligkeit in dem vom Schwein symbolisierten Animalischen signalisiert zum einen Distanz, zum anderen deutet die Musikalität der ganzen Strophe und die Häufung von Attributen zugleich unbewußt Nostalgie an, Sehnsucht nach innerer Ruhe und Frieden. Die Korre120
spondenz mit den Bildern des Hungers in Strophe III ist unübersehbar. So erweist sich selbst diese Vision des Glücks als spannungsgeladen. Eine Lösung der philosophischen Problematik in ihrem engen Bezug zum lyrischen Ich bleibt auch in der letzten Strophe aus. Abschluß und Ruhepunkt wird vielmehr durch eine Synthese im Hegeischen Sinne erreicht: durch die alles fassende Erweiterung der Dichterpersönlichkeit, die in sich Trieb und Bewußtsein, Vernunft und Gefühl, Kampf und Frieden und damit auch Notwendigkeit und Freiheit, Regel und Ausnahme, Subjektives und Objektives vereint. Der intellektuelle Prozeß des Gedichts ist von einer inneren, vor allem im Musikalischen realisierten emotionalen Struktur begleitet, die zu jenem bald parallel verläuft, ihm bald verstärkend unterlegt bzw. entgegengesetzt ist. Dabei sind im poetischen Stoff die Kombination und der Kampf dreier Elemente zu beobachten: die Beschreibung äußerer Wirklichkeit, die Meditation und Reminiszenz. Vom Schluß der zweiten Strophe an dringt die Meditation in den Vordergrund, in der fünften dominiert die Erinnerung, während in der sechsten wiederum die Reflexion vorherrscht. Der Wechsel dieser drei Elemente beschleunigt sich dann von der sechsten Strophe an und steigert die innere Unruhe. Die intellektuelle Struktur drängt zur Auseinandersetzung, zur dialektischen Logik, die emotionalen Komponenten reichern diese einerseits durch die Unmittelbarkeit persönlichen Erlebens noch an, wirken andererseits gegenläufig. Abwechselnd gewinnen der Wunsch auszubrechen, den Zwängen zu entfliehen, und die Kraft der Einsicht in die Gesetze die Oberhand. Nach der homogenen poetischen Komposition der ersten Strophe stellen sich im weiteren Verlauf des Gedichts stets neue Hindernisse ein: Diese sind in der Wirklichkeit oder im gedanklichen Bereich lokalisiert und müssen erst überwunden werden, ehe der Dichter nach erneutem Ansatz und nur unter höchster Kraftanstrengung fortfahren kann. Letztlich geben dabei die zu Ausbruch und Flucht drängenden emotionalen Energien der intellektuellen Bewegung Auftrieb und verleihen dem Gedanklichen Authentizität persönlichen Erlebens. Die innere Spannung des Gedichts erwächst also gleichzeitig aus der Struktur des gedanklichen Prozesses (These — Antithese — Synthese) wie aus dem verwickelten psychologischen Verlauf von Flucht und Höhenflug. Und so zeichnet sich hinter der weltanschaulichen Problematik das Bild einer Dichterpersönlichkeit 121
ab, die mit Gedanken und Sorgen ringt sowie Lösungswege und eine mögliche Harmonie erkundet. Eine abschließende Bemerkung zur Komposition: Die spannungsgeladene intellektuelle und emotionale Auseinandersetzung ist von zwei Strophen umschlossen, die zueinander in augenfälliger Korrespondenz stehen. In der ersten wie auch in der letzten Strophe des Gedichts erscheinen unmittelbar Bilder der Außenwelt: einmal die Beschreibung des Tagesanbruchs, zum anderen Bilder der Nacht. Beide strahlen in ihrer Grundstimmung Ruhe, Frieden und Harmonie aus, in der ersten tendenziell aufsteigend und verlangsamt bis hin zum Stillstand in der Schlußstrophe. Dem Hinaustreten ins Sonnenlicht steht — nach halsbrecherischer Fahrt in den Sphären widerstreitender Reflexionen — als Spiegelbild das Zurücksinken in die Nacht gegenüber. Am Ende ist zwar der Durchbruch zur Synthese geschafft, doch die psychologisch-emotionale und die musikalische Struktur des Gedichts künden von tiefer Ermüdung. Wird die enge Beziehung der Besinnung zu den großen philosophischen Gedichten wie zu den lyrischen Schmerzensschreien der psychoanalytischen Gedichte in Betracht gezogen, so erweist sich die zwölfte Strophe als Sieg der gedanklichen und poetischen Kraft und zugleich als Ausdruck völliger Erschöpfung. Hier wird ein Einswerden mit dem in sich widersprüchlichen Ganzen und zugleich das Zugrundegehen der eigenen Individualität als dialektische Erlösung offenbar. In der Komplexität des Gedichts liegt bereits eine neue ästhetische Qualität begründet, wird ein neues Schönheitsideal manifest. Doch auch dem Genre nach ist etwas Neues entstanden: ein Gedichttyp der philosophischen Reflexion, der dialektischen Auseinandersetzung, wie er erst in der Lyrik unserer Tage voll ausgebildet wird. Die Komplexität der Struktur folgt aus der Kompliziertheit und Komplexität der aufgeworfenen Probleme. Die Einordnung der Gegensätze in eine einheitliche Komposition ist Beweis für die Kraft poetischer Disziplin und marxistischen wissenschaftlichen Denkens; sie belegt, wie der Dichter die Widersprüche der Welt und die eigenen Zwangsvorstellungen in seinem Innern künstlerisch bewältigt. 'Besinnung stellt damit eine der herausragenden Leistungen der realistischen Literatur dar.
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Diskussionen und theoretische Reflexionen Zur Poetik Attila Jö^sefs Im Zusammenhang mit den zuletzt behandelten Gedichten sollen einige für das gesamte lyrische Werk Jözsefs gültige Besonderheiten herausgestellt und insbesondere auf Erscheinungen eingegangen werden, die mit Begriffen wie Mehrschichtigkeit, Komplexität und Kontrastierung der poetischen Bilder gefaßt wurden. Die Metaphorik in dem Gedicht Besinnung ist in dieser Beziehung besonders aufschlußreich. Die im weitesten Sinne erfolgte Anthropomorphisierung komplizierter philosophischer, gesellschaftlicher und psychologischer Inhalte ist Jözsefs häufigste Methode, um Bilder und Vergleiche mit Leben zu erfüllen. Eines der grundlegenden Merkmale der Jözsefschen Lyrik besteht daher in der Lebendigkeit und Beweglichkeit der Begriffe, in einer spezifischen Belebung und Durchdringung der Welt der Gedanken und der Gesellschaft. Eindrucksvoll belegt wird dies insbesondere durch das Gedicht Besinnung, da in ihm philosophische Zusammenhänge und logische Gedankengänge durch ein komplexes System von Bildern vergegenwärtigt, geradezu verlebendigt werden. In Besinnung sind Konkretes und Abstraktes mehrfach (mindestens vierfach) übereinander geschichtet; dieses konstruktive Verfahren erzeugt u. a. die größte Spannung des Gedichts. Hervorzuheben ist überdies ein Verfahren, das sich der Mittel des Alltäglichen bzw. einer volkstümlichen Schlichtheit bedient — gleichsam eine Synthese aus frühen Naturgedichtcn und den späten philosophischen Gedichten: „. . . Spaltholz im lockersten Geviert. . . der Himmel Zahnradwerk . . . Ich habe auch das Glück gesehen." 334 Die Bilder Jözsefs entstammen überwiegend der Welt der armen Leute: enge Behausungen in der Vorstadt, Zementmauern, Fabriken, Höfe, Webstühle, Eisen, Waffen oder die kompliziertere Technik, wie Eisenbahnzüge und Fließbänder, aber auch der menschliche Organismus und schließlich immer wieder die Natur, einmal weich und streichelnd, ein anderes Mal hart und unerbittlich. In Besinnung ist der Schauplatz mit seinen Imponderabilien und damit der Standpunkt in der Vorstadt angesiedelt: Die Bewohner sind in der Wohnung, im Hof und in der Bewegung (Güterbahnhof) ebenso eingeengt wie in der Landschaft; dies betrifft selbst das Naturgeschehen des Sonnenaufgangs und das Bild des Schweins in der Pfütze und auf dem 123
„strengen Rasen". Die Spannung des Gedichts entsteht nicht zuletzt aus der Beziehung der Gedanken zu dieser Szenerie, in der sie lebendig werden. „Die Dichter personifizieren leblose Gegenstände häufig nur, um ihre Beschreibungen 'anschaulicher', 'lebensechter', 'interessanter' zu machen", schreibt Elemer Hankiss 335 * und fährt fort: „Bei Attila Jözsef ist davon keine Rede. Die Gegenstände werden bei ihm nie, wie so oft in der Folklore, in Volksmärchen und Kindergedichten mit Eigenschaften ausgestattet, die zu ihrem angenommenen 'Charakter', zu ihrer 'Individualität' passen. Sie haben hier eine einzige Funktion, nämlich das Erlebnis, die Freude und die Not des Dichters auszusprechen, anstelle der Menschenwelt und des Dichters zu 'schreien', 'ihren Platz nicht zu finden', zu 'dösen', in ihrer Not fast schon zu 'kriechen, gebrochen und starr dazuliegen'. Und obwohl sie überwiegend in scharfen, visuellen Bildern erscheinen, handelt es sich keineswegs um einen in der äußeren, sichtbaren Welt aufgelösten Impressionismus. Das visuelle Bild ist hier nicht Zweck, sondern nur Mittel des Ausdrucks. Die Elegie z. B. kann sich auch unter den schönsten beschreibenden Gedichten sehen lassen, aber die 'kahlen Brandmauern', die 'Wolfsmilch', die 'in öden Werkhöfen ihre Dolden öffnet', die 'brüchigen Fensterscheiben', die 'unbebauten Flächen', 'schlammverkrustetes Glas mit glanzlosen, starren Augen', ein 'Fingerhut Sand', der zuweilen von den Halden rieselt und das 'gelbe Gras', das in einem Eisentopf wächst — all das ruft in uns nicht in erster Linie Farben, Formen und Landschaftsmomente wach, sondern gibt das Erlebnis der Einsamkeit, der Hoffnungslosigkeit, des hilflosen, qualvollen Sehnens und Elends wieder. Eine Stimme des Gedichts, die der Hoffnungslosigkeit und der Not, wird ausschließlich von den gegenständlichen Bildern getragen; die andere ist die des Dichters, ein Bekenntnis zu all dem. Indem die Stimme des Dichters gegen erstere immer wieder ankämpft und sie letztlich besiegt, gewinnt das Gedicht an Ausdruckskraft und Klangfarbe. Ergebnis dieser Technik sind jene Spannungen, die nicht mehr nur zwischen der leidenschaftslosen Leblosigkeit der gegenständlichen Welt und dem menschlichen Leiden, sondern auch zwischen den verschiedenen Ebenen der Haltung und Anschauung des Dichters entstehen. Anstatt seinen Empfindungen freien Lauf zu lassen, sie etwa wie andere zur Attraktivität hochzupeitschen, preßt und drängt Jözsef diese in unscheinbare, plumpe kleine Gegenstände, 124
und so kann er seine eigenen Nöte — bereits ins Groteske, zugleich Lächerliche und Bestürzende verzerrt — gleichsam von außen betrachten und überwinden." 3 3 6 Aufschlußreich ist, welche Schlüsselworte und -begriffe in welchem Kontext und mit welcher Bedeutungsbereicherung benutzt werden. Dazu bemerkt Istvan Kiräly in einem Aufsatz über Jözsef: „Bei keinem unserer Dichter spielen die Worte Gedanke, Verstand, Geist, Vernunft (Sinn) und Bewußtsein eine so zentrale Rolle wie bei Attila Jözsef. Schlüsselworten gleich kehren diese Begriffe an den verschiedensten Stellen des Lebenswerks wieder. In seinen bedeutendsten Gedichten offenbart sich der Dichter in der ernsten, vertieften Haltung des nachdenkenden Menschen: Auf der untersten Stufe der Kaimauer sitzend; sinnend vor einem Baum oder einer Brandmauer; Träumen nachhängend in nächtlichen Straßen; ob von außen oder oben, immer betrachtete er das Leben von der Warte des Wachenden, dachte er nach. Von daher der ihm oft vorgehaltene kühle, unpersönliche, beschreibende Charakter seiner Gedichte. Nicht das Empfinden, sondern die Vernunft erwies sich hier als die wichtigste schöpferisch formende Kraft; sie war es, die klare Worte für die 'lose' Gesellschaft suchte, die allen Nebel in der Anschauung, jeden Widersinn, Bildchaos und 'Wildtrieb im Ausdruck' verwarf. Die Vernunft disziplinierte die Flut des Mitzuteilenden durch Rhythmus, Reim und streng gebundene Formen. Attila Jözsefs Sprache duldete keinen weichen, hinschmelzenden impressionistischen Stil voller Adjektive, sondern bevorzugte die beim Namen nennende Härte, Bemessenheit und Dichte der Substantive und Verben. In seinen Gedichten stehen häufig abstrakte Substantive wie Treue, Gedanke, Güte, Vernunft oder Gesetz in der Rolle des Subjekts. Und diese seine Vorliebe für das Abstrakte und Gedankliche formte auch die Individualität seiner Metaphern. Die dichterische Phantasie wirkte nicht selten in eine Richtung, die vom Gewohnten abwich. Nicht das Lebende, sondern das Leblose, nicht das Konkrete und Anschauliche, sondern das Abstrakte und Begriffliche stand des öfteren anstelle des Ähnlichen. Wie der Gedanke selber, wie ein Gegenstand in der Vitrine, glänzt und funkelt bei ihm die Winternacht, Traversen kahler Äste tragen die leeren Lüfte, und 'wie das Wort eingeht in den erschlossenen Sinn', so dringt sein Blick in die Geheimnisse des Körpers. Dieser bis in die kleinsten Details seiner Dichtung wirkende gedankliche Anspruch verlieh seinen Gedichten einen kühlen, klaren, glashellen Klang. Die Form verschwand im Hintergrund, um der reifen 125
Wirklichkeit und dem transparenten, lichten Gedanken das Wort zu überlassen." 337 Jözsef selbst formulierte den Anspruch auf begriffliche Klarheit und auf Bewußtheit im künstlerischen Schaffen so: „. . . ein, zwei Zeilen eines Gedichts bestimmen infolge wechselseitig abhängiger Verknüpfung von vornherein die anderen, d. h., ein jeder Punkt in der Welt eines Werks ist ein archimedischer." 338 Und tatsächlich, jedes Wort seiner Verse hat im Gedicht, in seinem Weltsystem den vorgezeichneten Platz. „Die Fakten dieser (künstlerischen) Welt sind keine wirklichen Fakten", schreibt er weiter, „real ist jedoch der Zusammenhang dieser nicht realen Tatsachen, der vollkommen den Zusammenhängen in der wirklichen Welt entspricht." 339 Jözsef war ein Dichter, der seine Existenz als Proletarier mit aller Tiefe und Bewußtheit erlebte, ein politischer Lyriker, der dem, was er aussagte, mit seinem persönlichen Schicksal Authentizität verlieh. Die Intellcktualität seiner Lyrik ist vom Anspruch auf marxistische Gedanklichkeit durchdrungen. Der gewichtige Band seiner Aufsätze und Artikel beweist, daß er sich eingehend mit den wesentlichsten Fragen der zeitgenössischen Philosophie und Ästhetik beschäftigte und außer den Klassikern des Marxismus und dem von ihm sorgfältig studierten Lenin die Philosophen der Vergangenheit und seiner Zeit, von Croce bis Bergson, von Hume bis Hegel, von Boutroux bis Plechanow kannte, sich mit ihnen auseinandersetzte, von ihnen lernte und — was das Wichtigste ist — auch selbst zum Begründer der marxistischen philosophischen Lyrik in Ungarn wurde. Die Philosophie als ordnendes Element ist nicht nur in seinen unmittelbar politischen Gedichten gegenwärtig. Kristallklare Vernunft, ordnende Disziplin und Bewußtheit kennzeichnen alle seine Gedichte, die mit der strengsten politischen Konzeption ebenso wie die mit spontanem Aufschrei. „Das Leben stottert im trunkenen Mut. / Das Gesetz aber spricht mit nüchternem Sinn", heißt es in der Ode340, und dieses Gesetz suchte er stets, um sich in schwersten Zeiten vor dem Verfall zu bewahren. Der Bau und die Bilder seiner Gedichte sind unverwechselbar geprägt vom Marxismus, der aus dunkelstem Elend, aus verzweifelten persönlichen und nationalen Abgründen einen Ausweg zeigt und ihm den Blick frei macht, „die bewußte Zukunft" zu sehen: Der Dichter — auf seinen Lippen noch klingt Das Wort, der trunkene Laut, Während er, Ingenieur der bezaubernden Welt, 126
Die bewußte Zukunft erschaut Und die Harmonie in sich selbst konstruiert, Wie ihr sie draußen erbaut.34*
Diskussionen mit der KPU Neben der Entfaltung der Weltanschauungslyrik ist in Jözsefs Gedichten dieser Jahre ein weiterer Grundzug zu beobachten: eine bittere, bald ironische, bald mühsam gezügelte Klage über seine Einsamkeit. Das Gefühl äußerte sich zum einen im Mißtrauen des Proletariers denen gegenüber, die ihm von oben her philanthropisch zu helfen versuchten. Darauf reagierte er — wie in dem Gedicht Troj/342 — trotzig, in Villonscher Haltung und Form. Doch zeigte sich sein Einsamkeitsgefühl auch noch in anderer Gestalt, recht unmittelbar z. B. in dem Gedicht Kummer II, in dem er vor ihm zugefügten Kränkungen beim „Genossen Wald" 343 Zuflucht sucht. Nach 1932 war es zwischen Jözsef und der illegalen Kommunistischen Partei Ungarns zu gewissen Meinungsverschiedenheiten gekommen. Von 1930 bis Mitte 1933 Mitglied der illegalen KPU, wurden um 1934 — ohne daß jemals ein ausdrücklicher Ausschluß erfolgt wäre — die organisierten Kontakte zu Jözsef von Seiten der Partei allmählich eingestellt. Unterschiedliche Einschätzungen der Jözsefschen Dichtung gab es in der illegalen Partei bereits 1932/33, als sein Band Nacbt in der Vorstadt unverständigen, sektiererischen proletkultistischen Angriffen ausgesetzt war. Vorausgegangen war eine Fehleinschätzung Jözsefs in den sogenannten PlattformEntwurf über die Lage der ungarischen LiteraturM4*, die von Vertretern der ungarischen Sektion der RAPP in Moskau vor allem auf Grund mangelnder Informationen abgegeben worden war. Diese Einschätzung war auch in Ungarn bekannt geworden, und der Kommunist Jözsef wies sie in Kenntnis des wirklichen Sachverhalts und mit dem Wissen um seine sozialistische Dichtung voller Empörung zurück. Die illegale Parteiführung stellte sich zu dieser Zeit auf seine Seite, und die in Moskau herausgegebene Zeitschrift Sarlö es Kalapdes3^5* (Sichel und Hammer) schwächte die im Plattform-Entwurf getroffenen Feststellungen ab. Die Mißverständnisse hörten indessen nicht auf, nahmen eher noch zu. Gründe dafür waren nicht zuletzt die Reizbarkeit und Krankheit des Dichters, die die konspirative Arbeit erschwerten, als auch die Dezimierung der Parteiführung im 127
Jahre 1932. Nach der Festnahme und Hinrichtung von Sallai und Fürst wurde die Führung der illegalen Partei von jungen, weniger erfahrenen Parteiarbeitern übernommen, die dem Dichter nicht mehr die gleiche Hilfe zuteil werden ließen. Überdies bewirkten sein Gesundheitszustand sowie konspirative Gründe, daß er von der Partei gleichsam „ausgespart" wurde, d. h., er bekam keine illegalen Aufträge mehr. Nach Hitlers Machtübernahme fragte sich Jözsef — wie übrigens jeder fortschrittliche Mensch in Europa — betroffen und erschüttert, wann und wo die Arbeiterbewegung Fehler begangen habe. Er hielt nach neuen Wegen Ausschau und schlug neue Lösungen vor, darunter solche (etwa die Schaffung einer breiten Volksfront gegen den Faschismus), wie sie nicht viel später auf dem VII. Kongreß der Komintern beschlossen wurden. Daneben entwickelte er jedoch auch Vorstellungen, die bis heute als irreal und undurchführbar erscheinen. Überdies stellten sich Kontroversen im engeren Bereich der Literatur ein: Weder die progressive Linke innerhalb der bürgerlichen Literatur erkannte die Bedeutung der Lyrik Jözsefs, noch war man sich in der Partei über ihren Wert völlig im klaren. Jözsef wurde zwar für einen bedeutenden Dichter gehalten, doch die in der ungarischen Parteiführung für Kulturarbeit Verantwortlichen ließen sich noch in starkem Maße von den — zu dieser Zeit historisch bereits überholten — Ideen und Vorstellungen der RAPP 346 * leiten. Das heißt, sie plädierten für eine lautstarke und begeisterte, aber in der Form primitivere und in der Anschauung engere proletarische Lyrik. Von einer solchen Position konnte die Jözsefsche Dichtkunst kaum verstanden und richtig eingeschätzt werden. Die Diskussionen (die hauptsächlich durch Jözsefs Artikel Um die Einheitsfront347 ausgelöst worden waren) hatten auch zur Folge, daß seine organisatorische Verbindung zur Partei für eine Zeit völlig abbrach. Trotz dieser Tatsache wandte sich Jözsef nie gegen die Partei; er wurde weder zum Renegaten, noch führten die Meinungsverschiedenheiten etwa zur weltanschaulichen Trennung. Zum Sozialismus und historischen Materialismus bekannte er sich bis zu seinem Tode. Die KPU war zu dieser Zeit außerstande, den Konflikt zwischen der Partei und Jözsef zu lösen. Heute ist allgemein bekannt, daß die Politik der KPU jener Jahre in vieler Hinsicht sektiererisch war; überdies konnte die Parteiführung unter den schwierigen Bedingungen der Illegalität, im Kampf mit der Polizei und in tiefer Konspiration, Jözsef nicht die Aufmerksamkeit widmen, die nötig 128
gewesen wäre, um seine dichterischen und menschlichen Werte zu erkennen und ihnen zu einer günstigen Entwicklung zu verhelfen. (In dieser Beziehung haben auch mehrere namhafte Zeitgenossen Jözsefs versagt.) Nur unzureichend wurde begriffen, was sich in ihm an Unruhe, Konflikten und Wegsuche abspielte, und aus seinen Fragestellungen wurde nicht immer das Wort des Dichters vernommen, der treu zum Volk und zur Arbeiterbewegung stand. Die mit der Parteiarbeit unter den Intellektuellen Beauftragten verhielten sich ihm gegenüber starr und unduldsam. Auf der Suche nach Wegen und Lösungen, die aus den schwierigen Problemen seiner Zeit herausführen, war Jözsef stets darauf bedacht, dem Marxismus-Leninismus und der Arbeiterbewegung die Treue zu bewahren. So kennzeichnen seine Haltung auch in diesen schweren Jahren um 1934/35 die Sorge um den Sozialismus und das Bewußtsein, zu den Massen und zur Arbeiterklasse zu gehören. Noch heute beeindruckt zutiefst, wie in ihm Gekränktsein und Vertrauen, sein Wunsch, der Partei anzugehören, und seine Sorge über Fehler miteinander rangen. Diese Konflikte prägten nachhaltig Jözsefs Haltung und Dichtung. Im letzten Abschnitt seines Lebens, 1936/37, kam es offenbar wieder zu einer Annäherung. Eine organisatorische Verbindung war indessen um so weniger möglich, als die Organisationen der KPU in Ungarn 1936 von der Komintern aufgelöst wurden und ihre Neuorganisierung erst 1938, also nach Attila Jözsefs Tod, einsetzte. Der Weg des Dichters stimmte zu der Zeit jedenfalls mit dem Kurs der Partei überein. Trotz alledem war Jözsef nach 1939 und besonders in den Jahren des Krieges für die Kommunisten der Dichter der Partei. In der Illegalität, in den Gefängnissen und im Krieg schöpften siö aus seinen Versen Mut und machten andererseits sein Werk in immer breiteren Kreisen bekannt. Artikel, Gedenkveranstaltungen und die 1942 348 * erfolgte Überführung seiner sterblichen Überreste nach Budapest zeugen vom Bekenntnis der Arbeiterbewegung zu Jözsef, und so war es nur folgerichtig, daß die KPU 1945 seinen Namen auf ihre Fahne schrieb. Die bisherigen Ausführungen bezogen sich einzig und allein auf Jözsefs organisatorisches Verhältnis zur illegalen Kommunistischen Partei. Eine gesonderte Frage ist die nach dem Verhältnis seines gesamten Lebenswerkes zur Partei. Dabei ist davon auszugehen, daß die sozialistische Literatur nicht einfach identisch ist mit einer Literatur, die von Mitgliedern der Kommunistischen Partei ge9
A. Jözsef
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schaffen wurde, sondern ein weiter zu fassender Begriff. Somit resultiert die sozialistische Parteilichkeit eines Schriftstellers nicht aus dem bloßen Umstand seiner Parteizugehörigkeit, sondern aus dem Ideengehalt seiner Werke. Von daher erweist sich die Frage der Parteimitgliedschaft Jözsefs als ein — relativ untergeordnetes — Problem seiner Biographie. Historisch gesehen, spiegelt Jözsefs Lyrik die tiefsten und ureigensten Empfindungen und Bestrebungen des ungarischen Volkes, der ungarischen Arbeiterklasse getreu wider, und in einen noch weiteren Kontext gestellt, deckt sich die Botschaft seines Lebenswerks mit der Richtung und den Bestrebungen der internationalen Arbeiterbewegung. Unabhängig davon, ob Jözsef den Gleichschritt mit der Partei zu jeder Zeit wahrte, ist bedeutsam, daß die Hauptrichtung seines Schaffens mit dem Weg der illegalen Partei übereinstimmte. Und daß dies zutraf, davon zeugt unter den bereits aufgeführten Hinweisen nicht zuletzt auch seine Stellung zum Faschismus. Jözsef hatte ihn klar als die größte Gefahr seiner Zeit erkannt und ihm — wenn auch nicht frei von Irrtümern und einer gewissen Naivität — mit der Forderung nach einer Einheitsfront den Kampf angesagt. Sein Werk spiegelt insgesamt die Ideen der Partei, den Geist und die Werte der ungarischen Arbeiterklasse wider, und in seinem Spätwerk gewinnt die antifaschistische Volksfrontpolitik der Partei Gestalt. Auch ohne feste organisatorische Kontakte zur Partei blieb Jözsef zeitlebens Kommunist. Auf der Suche nach möglichen Wegen zu einer neuen Gesellschaft beschwor er zumeist jene sozialistische Lebensweise und jenen sozialistischen Staat — „des sachverständigen, werktätigen Volkes kluge Versammlung" 349 , „den Feinmetall-Staat" 350 —, mit deren Gestaltung die internationale Arbeiterbewegung in unserer Zeit begonnen hat; jene vernünftige, sinnvolle Einheit von Demokratie und Disziplin, an deren Verwirklichung wir arbeiten: wo Freiheit und Ordnung eins heißen, erspür ich stets Unendlichkeiten. 351 Der große Dichter der ungarischen Arbeiterklasse schuf mit seinem Werk eine sozialistisch-realistische Lyrik. Trotz zeitweiliger Nichtübereinstimmung mit den Schritten der Partei und vorübergehender Kontroversen mit einzelnen Führern akzeptierte und befolgte er deren Politik und große Strategie, erwies er sich auch im künstlerischen Bereich als ein Dichter der Partei: ein parteilicher Dichter. 130
Ästhetisch-kritische Auseinandersetzung mit Problemen der Kunst und Literatur Jözsefs produktives Verhältnis zum Marxismus belegen nicht nur seine Lyrik und politischen Äußerungen, sondern auch seine kritischen und theoretischen Schriften. Bereits zu Beginn seiner Dichterlauf bahn beschäftigte er sich mit allgemeinästhetischen Fragen der Kunst und Literatur. Den Grad der Verallgemeinerung, den Jözsef anstrebte, charakterisiert eine Stelle der 1930 entstandenen, äußerst polemischen Kritik über Mihäly Babits: „Außer in Kunstwerken haben wir niemals die Möglichkeit, Ganzes zu schauen. Inspiration ist also die qualifizierende Kraft des Geistes, durch die die Materie zu einer endlichen gemacht wird. Demnach stellt das Werk eine unmittelbare Universalität dar, oder wenn wir uns vor Augen halten, daß es in seinem Inneren unerschöpflich ist, können wir es auch als begrenzte Unendlichkeit bezeichnen." s 52 * In den Frühschriften dominiert noch die hegelianische Diktion. Nach 1930, als Jözsef bereits Mitglied der illegalen KPU geworden war, beschäftigte er sich noch eingehender mit Fragen der Ästhetik. Bedeutendstes Resultat dieser Bemühungen ist ein aus dem Jahre 1931 stammender Text mit dem Titel Literatur und Sozialismus^, der als Niederschrift eines vor Arbeitern gehaltenen Vortrags erhalten blieb. Es ist im Grunde ein Versuch, seine Gedanken zur Problematik des Ästhetischen in ein System zu fassen. Jözsef geht darin auf die spezifischen Besonderheiten des Künstlerischen, auf die Zusammenhänge zwischen Kunst und Gesellschaft — also auf Grundfragen der Ästhetik — ein und ist bemüht, das Künstlerische und Gesellschaftliche miteinander zu verbinden. So schlußfolgert er, ausgehend von der These „Der Inhalt der künstlerischen Form ist stets universell und gesellschaftlich", nach der Analyse einer Gedichtpassage: „Warum ist das Gedieht nun in dieser Fassung so schwach, und warum empfinden wir es nicht als Kunst? Doch deshalb, weil es zuvor ohne das Wörtchen, das der Zeitbestimmung dient, sein künstlerisches Wesen infolge der Unbestimmtheit des gesellschaftlichen Gehalts einbüßte, und ihm nunmehr das Künstlerische durch die Lüge im gesellschaftlichen Gehalt genommen wird. Ja, sehen wir genauer hin, so stellt sich heraus, daß es überhaupt keinen wirklichen gesellschaftlichen Bedeutungsinhalt besitzt, denn der wirkliche gesellschaftliche Bezug soll ja gerade vcrdeckt werden. Ein künst-
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lerischer Inhalt kann also gesellschaftlich nicht verlogen sein. Doch dies soll nun nicht zur Torheit verleiten, vom Künstler Aufrichtigkeit zu verlangen. Aufrichtig und ein Konterrevolutionär kann schließlich auch jemand sein, weil er geistig beschränkt und ein Schwachkopf ist, trotzdem kann er kein Kunstwerk schaffen, ebensowenig wie die recht oft aufrichtigen Tantchen Kunst schaffen." 354 Außerordentlich wichtige Aufschlüsse über Jözsefs Schaffensmethode und die Bewußtheit seines Vorgehens vermittelt der folgende Gedankengang: „Wie entsteht ein Kunstwerk? Zunächst wird die Wirklichkeit durch den künstlerischen Akt, nennen wir ihn Inspiration, zweigeteilt, indem der Künstler sich nämlich den Teil an Wirklichkeitselementen aussucht, aus denen er sein Werk schaffen wird. Das bedeutet natürlich nicht, daß er einen Haufen Worte nimmt urid beschließt, daraus ein Gedicht zu machen. Wohl aber ist es so zu verstehen, daß ein, zwei Zeilen des Gedichts infolge der wechselseitigen Abhängigkeit von vornherein alle anderen determinieren — d. h., jeder Punkt in der Welt eines Kunstwerks ist ein archimedischer. Und indem der Künstler diese ein, zwei Zeilen akzeptiert, ist die Auswahl eines Segments der Wirklichkeit theoretisch bereits vollzogen — das bestätigt die Hervorbringung jedes guten Kunstwerks. Mit diesen ausgewählten Wirklichkeitselementen verdeckt dann die Inspiration, der künstlerische Akt, all die anderen, die nicht ausgewählten, vor unserer Anschauung; Schon jetzt ist klar, daß das ausgewählte Segment der Wirklichkeit durch die Inspiration fixiert wird, und ebenso steht außer Zweifel, daß die von der Inspiration fixierte Wirklichkeit nur ein Teil der Wirklichkeit ist." 355 Des weiteren beschäftigt sich Jözsef ausführlich mit der Dialektik von konstanten und variablen Elementen im Kunstwerk, wobei er sehr feinfühlig das gesellschaftlich Variable, d. h. das Moment der gesellschaftlichen Gültigkeit eines Kunstwerks herausarbeitet. An einer anderen Stelle des Vortrags ist der Grundgedanke seiner Kunstauffassung formuliert, zu dem er den positiven Gegenbeweis mit seiner Dichtung selbst erbrachte. „Wenn eine Klasse nicht fähig ist, das ihr eigene Lebensgefühl gesellschaftlich, d. h. künstlerisch auszudrücken, dann fehlt ihr auch die Kraft dazu, im Namen der ganzen Menschheit auf die Bühne der Geschichte zu treten." 356 In den Anfang der dreißiger Jahre verfaßten Schriften sind Jözsefs ästhetische und politische Überzeugungen ohne Umschweife und offensiv formuliert. Einen heftigen Angriff richtete er 1931 gegen 132
die in früheren Phasen der Avantgarde festgefahrene Kunst von Lajos Kassak 357 , aber auch gegen eine Gruppe junger Literaten, die sich in romantischen Vorstellungen einer bodenständigen, im Bauerntum wurzelnden Kultur verfangen hatten. Seine Meinung dazu veröffentlichte er in einer von ihm herausgegebenen halblegalen Zeitschrift: „Die Kultur der Zukunft wird von jener Klasse geschaffen werden, die die Zukunft gestaltet. Diese Klasse ist das Proletariat. Die Volkskunst gehört der Vergangenheit an, die bürgerliche Kunst der Gegenwart, und der proletarischen Kunst gehört die Zukunft. Ihren Ahn sieht die proletarische Kunst in der Volkskunst, denn diese ist traditionsgemäß eine kollektive Kunst. Die Volkskunst ist angesammelte und gegenwärtige Vergangenheit, ein produktives Erbe, das die Zukunft lenkt — allerdings die Zukunft dessen, der eine hat. Auch die Sichel-Jugend 358 * ging von der Volkskunst aus und fand zum Volk hin, zum werktätigen Volk; sie sammelten ihr lebendiges Material nicht für Museen, weil sie einsahen, daß der Weg zur kulturellen Befreiung des werktätigen armen Volks vom Kampf um die ökonomische Befreiung, vom Sozialismus nicht zu trennen ist. Dieser Weg steht der intellektuellen Jugend auch in Ungarn offen." 359 Die kritische Auseinandersetzung mit Problemen der Kunst und der Gesellschaft setzte Jözsef bis an sein Lebensende fort. Kurz vor seinem Tode nahm er das Erscheinen der gesammelten Gedichte des von ihm hochgeschätzten Dezsö Kosztolänyi zum Anlaß, um seine eigene ästhetische und politische Position zu bestimmen: „Kosztolänyi hält sich für einen Homo aestheticus, d. h. für einen Mann des sinnenhaft Schönen und stellt diesen Homo aestheticus dem Homo oeconomicus, d. h. dem Mann der Wirtschaft und dem Homo moralis, also dem um das Sittliche, Soziale und Gute bemühten Menschen gegenüber. Er setzt den Beschauer gegen den Handelnden. Die Aufgabe des Dichters sei es — so sagte er einmal —, Betrachtungen über die Fragen von Leben und Tod anzustellen. Und dies, da nun gerade Aufgabe des Dichters das Schreiben von Gedichten ist, was Kosztolänyi auf seine Weise tatsächlich mit unerhörter Sicherheit leistet. Dies ist ja nun doch ein Handeln, noch dazu ein moralisches und ökonomisches zugleich. Mit dieser Theorie verteidigte Kosztolänyi sein Recht auf seine eigene Traumwelt heute, in einer Zeit andersgearteter, nämlich sozialer Träumereien. Aber die Theorie hilft eben auch die Traumhaftigkeit der Gedichte Kosztolänyis besser verstehen. Als Homo aestheticus kann sich, bei Außerachtlassen der ökonomischen und 133
moralischen Bedeutung des ästhetischen Gegenstands, nur einer begreifen, dem nicht bewußt geworden ist, daß seine Existenz im gesellschaftlichen Leben, in den gesellschaftlichen Verhältnissen wurzelt, der sich mit den grundlegenden Prinzipien, die das gesellschaftliche Sein regulieren, nicht zu identifizieren vermag. Er ist letzten Endes das Kind, das mit seinem instinktiven Blick diese moralische Welt der Erwachsenen als sinnlos ansieht und das sich später als Erwachsener zwar in die Ordnung der Welt gezwungenermaßen einfügt, sie in der Tiefe seines Herzens jedoch negiert. Ein solcher Mensch entpuppt sich bei gegebenem Anlaß als Nihilist, jener vom Geschmacklichen Besessene, der im Namen des Geschmacks den Urheber des Geschmacks, den Homo socialis, verleugnet." 360 Mit diesen wenigen Zitaten ist die Vielfalt und Originalität des theoretischen und ästhetischen Denkens Jözsefs nur angedeutet. Eine der unmittelbaren Quellen seiner marxistischen Bildung war das Studium der Werke von Marx und Engels im Original, und zwar in den damals erschienenen Bänden der MEGA :l(il *; mit großem Gewinn las er außerdem Publikationen aus der ideologischen Arbeit der KPD vom Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre. Darauf berief er sich auch, und in seinem Büchernachlaß konnten Hefte der Marxistischen Arbeiterschulung sowie Jahrgänge des Roten Aufbau gefunden werden, aus denen er einen Teil seiner theoretischen Bildung, seiner ökonomischen und sozialen Kenntnisse schöpfte und die er dann selbständig verarbeitete, um sein gedankliches System weiter auszubauen. Und natürlich stützte er sich — und berief sich, soweit es die damaligen Verhältnisse in Ungarn zuließen — auf Lenin, dessen Gedanken in mehreren Artikeln Jözsefs nachweisbar sind; offenbar ist ihm auch einiges an sowjetischen Publikationen zugänglich gewesen. Nur ein Beispiel: In seinen Briefen beruft er sich wiederholt auf ein Luppol-Buch, wobei er zuweilen nur die Farbe des Buchs erwähnt, und dabei handelt es sich um Lenin und die Philosophie von I. K. Luppol (Wien — Berlin, 1929). Aufschlußreich für die Richtung seines Interesses und seiner Orientierung sind zudem die Nachdichtungen, selbst wenn dabei mancherlei Zufallsmomente — wie Aufträge und ähnliches — eine Rolle gespielt haben. Außer Villons Balladen übersetzte er zumeist Werke von demokratischen bzw. sozialistischen Dichtern aus den benachbarten Ländern, und besonders nahe stand ihm die Lyrik von Jiri Wolker und einigen rumänischen Dichtern. Sowohl die Namen der Autoren als auch der Gegenstand der Gedichte zeigen, daß er 134
insbesondere von der Darstellung des Arbeiterlebens, revolutionären Z o r n s und Trotzes und der menschlichen Größe, aus der Großstadtwelt auszubrechen, angezogen wurde. Und fügen wir hinzu: Eine seiner schönsten Übersetzungen ist die in der Nachdichtung von E n g e l s bekannte Ballade v o m Herrn Tidmann aus dem 17. Jahrhundert 3 6 2 *, die Jözsef unter Berufung auf die deutsche Fassung v o n Engels an die Redaktion der sozialdemokratischen Tageszeitung Neps^ava (Volksstimme") schickte.
Antifaschistische Dichtung im Zeichen der Volksfront Wenn von Jözsefs Antifaschismus die Rede ist, dann geht es um jene Zeitabschnitte, in denen diese Frage bereits gedanklich klar erfaßt und dichterisch plastisch wird. D i e erste Periode, in der Jözsefs Lyrik eine kämpferische antifaschistische Haltung zugrunde liegt, fällt in die Zeit um 1930. Die schwungvolle, jugendlich revolutionäre Dichtung dieser Zeit ist in dem Band So bau den Stamm um zusammengefaßt. „Kapital und Faschismus sind verlobt", heißt es im Motto zu dem Gedicht Faschingsbocb^eit 363, in dem er voller Spott und Ironie inmitten der Szenerie einer Bauernhochzeit enthüllt, wie Kapital und Faschismus sich auf Kosten der Bauern verbünden. Doch Jözsef geht über diese unmittelbar agitatorischen, ein wenig verspielten, für Sprechchöre und zum Singen geeigneten Verse bereits in den Gedichten Sozialisten und Arbeiter hinaus. Mehr in die Tiefe dringend und zugleich auf einer höheren Stufe der ästhetischen Verallgemeinerung, erscheint hier das Bild seiner Zeit, der Faschismus als Machtmittel des weltweit verketteten Imperialismus: „ D a s Kapital bewegt die gelben Kiefer, / wendet den Hals nach immer neuem Fraß." 3 6 4 Nach 1932 gelangten mit der Gömbös-Regierung die aggressiveren und dynamischeren, offen faschistischen Kräfte der herrschenden Klasse an die Macht. Der Dichter mußte nun tiefer in die Wirklichkeit eindringen und sich selber Klarheit verschaffen, um einen A u s w e g zu finden. Im Zeichen solcher Neuorientierung setzte nach 1932 die zweite Periode der antifaschistischen Dichtung Jözsefs ein. Wohlgemerkt: E r resignierte nicht, noch wurde er abtrünnig wie so viele, sondern er wertete neu und dachte um. Wie Jözsef die 135
insbesondere von der Darstellung des Arbeiterlebens, revolutionären Z o r n s und Trotzes und der menschlichen Größe, aus der Großstadtwelt auszubrechen, angezogen wurde. Und fügen wir hinzu: Eine seiner schönsten Übersetzungen ist die in der Nachdichtung von E n g e l s bekannte Ballade v o m Herrn Tidmann aus dem 17. Jahrhundert 3 6 2 *, die Jözsef unter Berufung auf die deutsche Fassung v o n Engels an die Redaktion der sozialdemokratischen Tageszeitung Neps^ava (Volksstimme") schickte.
Antifaschistische Dichtung im Zeichen der Volksfront Wenn von Jözsefs Antifaschismus die Rede ist, dann geht es um jene Zeitabschnitte, in denen diese Frage bereits gedanklich klar erfaßt und dichterisch plastisch wird. D i e erste Periode, in der Jözsefs Lyrik eine kämpferische antifaschistische Haltung zugrunde liegt, fällt in die Zeit um 1930. Die schwungvolle, jugendlich revolutionäre Dichtung dieser Zeit ist in dem Band So bau den Stamm um zusammengefaßt. „Kapital und Faschismus sind verlobt", heißt es im Motto zu dem Gedicht Faschingsbocb^eit 363, in dem er voller Spott und Ironie inmitten der Szenerie einer Bauernhochzeit enthüllt, wie Kapital und Faschismus sich auf Kosten der Bauern verbünden. Doch Jözsef geht über diese unmittelbar agitatorischen, ein wenig verspielten, für Sprechchöre und zum Singen geeigneten Verse bereits in den Gedichten Sozialisten und Arbeiter hinaus. Mehr in die Tiefe dringend und zugleich auf einer höheren Stufe der ästhetischen Verallgemeinerung, erscheint hier das Bild seiner Zeit, der Faschismus als Machtmittel des weltweit verketteten Imperialismus: „ D a s Kapital bewegt die gelben Kiefer, / wendet den Hals nach immer neuem Fraß." 3 6 4 Nach 1932 gelangten mit der Gömbös-Regierung die aggressiveren und dynamischeren, offen faschistischen Kräfte der herrschenden Klasse an die Macht. Der Dichter mußte nun tiefer in die Wirklichkeit eindringen und sich selber Klarheit verschaffen, um einen A u s w e g zu finden. Im Zeichen solcher Neuorientierung setzte nach 1932 die zweite Periode der antifaschistischen Dichtung Jözsefs ein. Wohlgemerkt: E r resignierte nicht, noch wurde er abtrünnig wie so viele, sondern er wertete neu und dachte um. Wie Jözsef die 135
D i n g e zu jener Zeit sah, mag eine Strophe aus dem Gelegenheitsgedicht über die Stellung des Sozialismus verdeutlichen: „Stürzen zwar die Streben ein, / die das Bergwerk stützen, / hüten doch die Stollen den Schatz, / und die G r u b e lodert. / Und stets aufs neue sind bereit, / den Schacht zu öffnen die Kumpel, / solange ihr Herz noch schlägt." 3 6 5 Unter den großen Gedankenfresken, die zwischen 1932 und 1935 entstanden, berühren einige den Problemkreis des Antifaschismus unmittelbar. So das Gedicht Luftl 366, das unter dem Eindruck einer schmachvoll ausgegangenen offenen Wahl geschrieben worden war. In ihm wird der tiefe Widerspruch zwischen dem scheinbar fehlenden Selbstbewußtsein der Massen, dem unmenschlichen, gleichgültig machenden und abstumpfenden Faschismus einerseits und dem Suchen nach Wegen der Befreiung andererseits offenbar. Zugleich entwirft der Dichter den Zusammenhang von „Freiheit und O r d n u n g " : K o m m , Freiheit! Ordnung sollst du mir gebären, ihn lehren und ihm auch das Spiel gewähren, dem schönen, ernsten S o h n ! 3 6 7 D a s Gedicht Am Rand der Stadt ist ein schwungvoller Gesang und ein Bekenntnis zur historischen Mission der Arbeiterklasse. Anstelle der Passivität der Volksmassen ist in ihm die Aktivität jener Klassen gestaltet, die Träger der Zukunft sind: Wir sehn schon: Bald sinkt ihr und fallt auf das Knie und betet vor ihr und lallt vor ihr, vor eurem E i g e n t u m ! D o c h hat nur der Gewalt über sie, dem sie früh schon zugetan, der ihr Nahrung gab und Gestalt . . . D a sind wir vereint auch mißtrauisch noch, die Kinder des Stoffs und der Zeit. Unsre Herzen hebt auf! D e m gehören sie, der um sie beharrlich freit. N u r der, den unser Leben erfüllt, kann stark sein dafür und bereit. Hebt hoch das Herz über Hütten und Schächte! Solch ein großes, rußiges Herz
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sah nur der, der die Sonne hat sterben sehn im eigenen Qualm himmelwärts, der die Tiefen der Erde hat pochen hörn in den Stollen bei Kohle und Erz. 3 6 8 Charakteristisch für diese zweite Periode der antifaschistischen Lyrik Jözsefs ist, daß er die Frage des Antifaschismus nicht losgelöst vom allgemeinen Geschichtsverlauf, sondern als eine der fundamentalen Fragen der Weltgeschichte und der ungarischen Nationalgeschichte behandelt. In der dritten und letzten Periode beschäftigte den Dichter das Problem des Antifaschismus und vor allem das der antifaschistischen Volksfront erneut und nahezu ausschließlich. Sie reichte von 1936 bis zu seinem frühen Tod, Ende 1937. Eine Reihe von Faktoren bewirkte, daß dieser Fragenkomplex ins Zentrum seines Schaffens rückte: Die Lage wurde durch die Entwicklung in Deutschland immer bedrohlicher. Es wurde zunehmend klar, daß der aggressive Militarismus zum Krieg rüstet und die Verseuchung der Massen durch die faschistische Ideologie ständig zunahm. In Spanien brach der Bürgerkrieg aus, der die Gefahr eines drohenden zweiten Weltkriegs weithin deutlich machte. E s gab jedoch auch eine Entwicklung in anderer Richtung: Nach dem V I I . Weltkongreß der Kommunistischen Internationale verstärkten sich die Bestrebungen zur Bildung einer Volksfront. Auch in Ungarn setzte in diesen Jahren die Vereinigung aller fortschrittlichen politischen und geistigen Kräfte im Geiste der Volksfrontpolitik ein. Dieser reale Geschichtsverlauf förderte auf der einen Seite Jözsefs Erkenntnis von der wahren, grausamen Natur des Faschismus und weckte seinen Protest gegen den drohenden Krieg; auf der anderen Seite wurden der Zusammenschluß aller fortschrittlichen Kräfte im Kampf gegen den Faschismus, zur Verteidigung der nationalen Unabhängigkeit Zu wesentlichen Impulsen der dritten und wichtigsten Periode in seiner antifaschistischen Lyrik. Seine Position vertrat er auch in theoretischen Schriften und Äußerungen. Zwei längere Ausschnitte aus Artikeln, die in der letzten Periode seines Lebens entstanden, sollen einen Einblick in sein humanistisches Programm geben, das den Sozialismus als Ziel ebenso einschloß wie den Kampf gegen alle schädlichen Anschauungen : „Sie schreiben, Sie hätten mit Freude einige meiner Gedichte gelesen, aus denen echtes Schuldbewußtsein spreche, und nun sei 137
ich trotzdem ein Ungläubiger geblieben. Mein lieber Herr, ich glaube an die Erbsünde, und deshalb bin ich ein Anhänger des wissenschaftlichen Sozialismus. Denn es gibt zwei Arten von Schuld. Die eine gilt nur darum als Sünde, weil darauf infolge der besonderen Fürsorge der herrschenden irdischen Mächte eine Strafe steht. Das Kind weint, weil ihm der Bauch weh tut, also droht man ihm, es solle nicht fortwährend quengeln. Millionen landloser Bauern, Millionen Arbeitsloser versuchen, da sie in großem Elend leben, sich zu organisieren, um ihr Los zu verbessern — also droht man ihnen mit der Diktatur, damit sie die Ordnung nicht stören. Vergehen dieser Art können sehr leicht aus der Welt geschafft werden, indem man sie beispielsweise nicht bestraft. Gegen Vergehen dieser Art können und müssen wir kämpfen, und zwar durch Zusicherung von Straflosigkeit und institutionell sanktionierter Freiheit. Auf diese Weise bekämpfte die Menschheit diese Vergehen im Verlauf ihrer ganzen Geschichte. Das Vergehen der Sklaven- und Leibeigenenflucht schaffte die Gesellschaft dadurch ab, daß sie es nicht mehr unter Strafe stellte und Sklaverei und Leibeigenschaft beseitigte. Eine andere Art Schuld ist jene, die der Mensch ungewollt auf sich lädt und die er auch dann bereut, wenn er nicht bestraft wird. Das ist die Erbsünde: Verbrechen an jemandem, den wir lieben. Solche Verbrechen durch Nichtahndung zu bekämpfen genügt nicht, die müssen wir einander ausdrücklich vergeben. Sie nicht vergeben, wäre selbst schon ein Verbrechen. In den Diktaturen und Gesellschaftsordnungen, die auf der Unterdrückung der Klassen und der Ausbeutung fremder Arbeitskraft beruhen, leiden die Menschen auch am Verbrechen des Nichtverzeihens. Diesem Verbrechen nun allerdings ist nicht anders zu begegnen, als für eine Gesellschaftsordnung, Produktionsweise und Verteilungsorganisation zu kämpfen, wo die Menschen einander leichter verzeihen . . . Sie begeistern sich für das Ideal der Ordnung, doch in Wirklichkeit denken Sie an den Ständestaat. Sie jedoch, der Sie Betrachtungen über die moralische Freiheit anstellen, sollten wissen, daß sich die Ordnung nur aus der Freiheit und in der Freiheit entwickeln kann. Sie werfen mir ganz allgemein vor, daß ich die bleibenden Ideale vergesse. Auch diesen Irrtum muß ich richtigstellen. Nicht ich, sondern Sie vergessen die bleibenden Ideale. Der Ständestaat ist sicherlich nicht die Verwirklichung der bleibenden Ideale, da er mit den drei Idealen des Christentums, der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der Menschen nicht viel gemein hat. Vor Gott sind alle frei, gleich und 138
Brüder. Die bürgerliche Revolution brachte diese Ideale nur in Erdnähe, als sie zum Prinzip erhob, daß auch vor den Gesetzen des Staates alle Menschen frei, gleich und Brüder seien. Denken Sie daran, was ich weiter oben sagte, daß nämlich die Religion die Verwirklichung des menschlichen Wesens in der Phantasie ist. Ich, ein 'ungläubiger Materialist', bemühe mich darum, daß dieses Wesen, diese Ideale, wenn nicht anders, so doch Stufe um Stufe auch in unserem täglichen Leben verwirklicht, daß sie z. B. in der Verwaltung des Gemeinwesens und in der Produktionsweise zum Leitprinzip werden. Und wenn Sie das Privateigentum, namentlich das an den Produktionsmitteln, als von Gott gegeben ansehen, dann muß ich Sie darauf aufmerksam machen, daß auch die Abschaffung des Privateigentums auf einen göttlichen Ursprung hindeutet. Die gesamte menschliche Geschichte ist in Wirklichkeit ein Prozeß der Beseitigung von Privateigentum, denn dereinst waren die Kinder und die Mutter der Kinder gleichermaßen Privatbesitz des Vaters." 369 Im letzten Artikel, den Jözsef vor seinem Tod schrieb, knüpft er sein Bekenntnis zur Verantwortung des Dichters für die Verteidigung der Menschheit an ebenso grundsätzliche Feststellungen von Thomas Mann: „'Meine Überzeugung ist es, daß ein Dichter, der heute hinsichtlich der Probleme des Humanen die Antwort auf die durch die Politik aufgeworfene Existenzfrage des Menschen verweigert und den Geist um des Interesses willen preisgibt, auch geistig auf verlorenem Posten steht. Der Geist ist politisch und sozial gesehen nichts anderes als die Sehnsucht des Menschen nach besseren, gerechteren, glücklicheren und menschenwürdigeren Lebensbedingungen . . . Interesse hingegen bedeutet, daß im Falle einer solchen Umwälzung irgendjemand zu kurz kommen und daher mit den hinterhältigsten, geradezu verbrecherischen Mitteln versuchen wird, die Umwälzung zu verhindern, obwohl er sich darüber im klaren sein müßte, daß er dies nicht mehr lange tun kann.' Diese Zeilen schrieb Thomas Mann in der Zeitschrift S%ep i^o 370 * (Schönes Wort), und ich denke, ein Dichter liest diese Worte mit solcher Freude, als teilte er sich selber seinen Kameraden mit, wenngleich er das Gefühl hat, daß er dem noch etwas hinzuzufügen hätte. Wo aber ist der wahre Dichter, der, wenn er auf Unmenschlichkeit stößt (und stößt er nicht überall auf Unmenschlichkeit, gerade in unserer Zeit?), der Welt und ihrem Werk, dem gemeinsamen Werk der Menschen und sich selber nichts zu sagen hätte? Der Dichter ist schöpferisch tätig, und das bedeutet 139
nicht weniger, als daß er die Welt, die menschliche Welt, das Menschsein formt, und zwar mit Hilfe derer, die, infolge der gesellschaftlichen Arbeitsteilung mit anderen Aufgaben beschäftigt, an der Tätigkeit des Dichters Anteil nehmen und liebevoll sein Werk zu dem ihren machen. Denn das Werk lebt nicht so sehr durch den Künstler als vielmehr durch die, welche die Kunst lieben und dies tun, weil sie das Menschsein suchen. Sicherlich klingt es in den Ohren vieler 'salbungsvoll', was ich hier schreibe. Lassen wir sie. Hinter ihrem Zynismus verbirgt sich entweder Furcht vor der rohen Gewalt oder das in diese gesetzte Vertrauen. Wir, die Dichter von heute, können nichts anderes tun, als unsere Freude und Trauer mitzuteilen und für die Freiheit in jeder Form und überall dort einzutreten, wo die ewigen Gegner der Dichter bewaffnet und unter der Parole wirtschaftlichen Wohlstandes versuchen, 'die Massen' von ihren unabdingbaren berechtigten Forderungen, von der Freiheit und dem Streben nach Freiheit auch im Herzen abzubringen. ,r371 Charakteristisch für die geistige Auseinandersetzung Jözsefs unter den damaligen Bedingungen Ungarns war der Kampf gegen alle chauvinistischen und extrem nationalistischen Ideen, die auf der Rassentheorie basierten und objektiv zum Wegbereiter des Faschismus werden konnten. Zur gleichen Zeit, da er falsches nationales Selbstbewußtsein und nationalistische Übertreibung ablehnte, hob er im Zeichen des antifaschistischen Zusammenschlusses (gleichsam als aktuell-politisches Pendant zur Deutschfeindlichkeit) das Bild der wahren Nation und des wahren Vaterlandes in die Höhe, des Vaterlands, das die Heimstätte der Völker ist, und des Ungartums, das die besten Eigenschaften des ungarischen Volkes in sich vereint. Patriotismus und Nationalgefühl schließen für ihn dabei die Forderung nach gesellschaftlicher Veränderung mit ein. Im Zeichen dieses neuartigen Patriotismus trat er für den Zusammenschluß der Donauvölker ein und erhob somit die Stimme des Dichters gerade in demBereich, wo nationalistische Vergiftung und Verhetzung am stärksten und am verderblichsten waren. So heißt es in dem Gedicht Ander Donau u.a.: Arbeiten will ich. Denn ich muß bestehen Vergangenheit. In Donauwellen sah ich Heutiges, Einstiges, Künftiges vergehen. Hinwogend war es miteinander da. Die Schlacht, der Alten ruhelose Klinge wird stiller, seit Erinnerung sie auffing. 140
Ordnen wir doch nun endlich unsre Dinge. So unser Auftrag. Er ist nicht gering. 372 In Mein Vaterland, einem aus sieben Sonetten bestehenden Zyklus, faßt er im Zeichen einer neuen, sozialistischen Vorstellung von der Nation den gegenwärtigen Zustand des ungarischen Volkes, das sozialistische Programm der Zukunft und die Aufgaben des aktuellen Kampfes zusammen. Und doch, da ich zum Ungarsein verbannt bin, erschrak ich bis ins Innerste hinein: nimm, Vaterland, nimm mich an deine Brust hin und lasse mich dein Sohn, dein treuer sein. Es tänzle, wer ein braver, dummer Bär ist, an seinem Strick, mir ist das nicht erlaubt. Ermahn den Staatsanwalt, wenn du sein Herr bist, daß er dem Dichter nicht die Feder raubt. Du gabst dem Meer die Männer von der Erde. Nun gib dem Menschen seine Menschlichkeit. Gib Ungartum dem Ungarn endlich wieder, daß Ungarn keine deutsche Vorstadt werde, und gib mir schöne, gute, wahre Lieder, mach mich für froheren Gesang bereit! 373 Nicht zufällig wählte Jözsef die Sonettform, und nicht zufällig ist in dem Gedicht A.n der Donau der regelmäßige Rhythmus der Oden spürbar. In dieser Zeit und mit diesen Gedichten schuf er einen neuen Stil in der Lyrik. Er nutzte dabei alle Errungenschaften seiner früheren Schaffensperioden auf dem Gebiet der Bildtechnik und der kühnen Konstruktion. Es ist, als beruhigten sich seine Formen, als strebte er einem neuen Klassizismus zu, als käme seine Stimme aus noch größerer Tiefe. Sein Wort hatte nichts an resümierender, bewertender Kraft eingebüßt; in wenigen Zeilen vermochte er weltgeschichtliche Prozesse zu umreißen. So in den Distichen über den Bürgerkrieg in Spanien: Der General Franco hat mich einberufen als — verflucht! — Soldat. 141
Ich desertierte nicht, ich hatte Angst, seht ihr, sie hätten mich erschossen. Ich hatte Angst. Drum kämpft ich gegen Recht und Freiheit in dem Heer unter den Mauern von Irun. Und dort hab sterbend ich mein Blut vergossen. 374 Und in dem Gedicht Mär^ 1937 klingt der Lagebericht so: Spanien, steht in der Zeitung, wird von Söldnern verheert und verbrannt, in China raubt ein Idiot von General den Armen ihr Land. Woran man die Stiefel sich abwischt, das wäscht in Blut man rein. Überall hüllen große Worte das Elend der Armen ein. In der letzten Strophe jedoch beschwört er in einem Schimmer von Hoffnung und Schönheit die Zukunft: Es sei klug und schön unser Mädchen, lebhaft und kühn unser Sohn, mögen beide etwas bewahren von unsrer Konstellation. Sollte die Sonne verbleichen, wird das Geschlecht unsrer Welt das Unermeßne erobern, neuen Sphären gesellt. 375 Auch in seinen theoretischen Schriften beschäftigte ihn zu dieser Zeit ständig das Problem der Veränderung des menschlichen Bewußtseins. Über die Schwäche der Menschen war er empört und dennoch vertraute er den Menschen. Auf diesem Boden entwickelte sich in seinen letzten Jahren eine neue, politisch-nationale Lyrik. Diese gibt Auskunft darüber, wie sehr Jözsef auf die Zukunft vertraute, seine Verzweiflung überwand und für die Menschheit ein besseres Los erhoffte. So schrieb er u. a. in einer Rezension: „Der wissenschaftliche Sozialismus, der auf dem historischen Materialismus beruht, verheißt eine freiere Welt, an die zu glauben sich lohnt." 376 142
Um dem Faschismus gefaßt und gerüstet entgegentreten zu können, sah er sich gezwungen, die Frage der Entfremdung der ganzen Menschenwelt, ja der Gattung Mensch aufzuwerfen. Um die Massen aufrichten zu können, suchte er sich über alle ihre Bestrebungen Klarheit zu verschaffen und zu ermessen, wie tief sie gesunken waren; nur so vermochte er, die Notwendigkeit des Aufstiegs und das Wissen um eine bessere Zukunft bewußtzumachen. Mit dieser Zuversicht des „Trotzalledem" klingt eines seiner kraftvollsten Gedichte dieser Zeit, Die ewige Blatte, aus: Die Ratte, die seit Menschendenken herumschleppt, was wir ausgeheckt, die Seuche, NICHTS zu End zu denken — hat viel zu Viele angesteckt. Nur deshalb kann kein Säufer ahnen, der seinen Gram ersäuft im Sekt, daß er die Suppe vieler Armen von ihren leeren Tellern schleckt. Weil purer Geist aus keinem Lande jemals nur feuchte Rechte wringt, wächst neue Schmach, quillt neue Schande, die Völker aneinander bringt. Krächzt Unterdrückung, hockt in Schwärmen auf warmen Herzen wie auf Aas, muß Elend übern Erdball rinnen, wie übers blöde Kinn das Naß. So lassen ihre Flügel hängen die Sommer, auf die Not gespießt — Maschinen plagen unsre Seelen, wie nachts den Leib das Wanzenbiest. In unser Innerstes geflohen ist wahre Treue, Träne fließt in Flammenbrände, wüst bedrohen Gewissen sich und Rachgelüst. Wie der Schakal, der zu den Sternen hinaufglotzt, wenn er Töne speit — zum Himmel, glitzernd voller Quallen, 143
der Dichter auch vergebens schreit. Oh, Sterne Ihr! Als Eisendolche steht ihr verrostet, grob ringsum — wie oft stacht ihr mir in die Seele! (So kommt man hier auf Erden um.) Dennoch vertrau ich! Weinend mahne ich dich, o Zukunft: Sei nicht leer! Ja, ich vertraue! Wie die Ahnen pfählt man uns schließlich doch nicht mehr. Und kommt dereinst der Freiheit Frieden, verfeinert sich auch unsre Qual — und man vergißt uns schnell hienieden im Schreberlauben-Schattental. 377 Der Literaturwissenschaftler Istvdn Kiräly bemerkt zu Jözsefs Weltsicht in den Gedichten der letzten Jahre: „Jözsefs Dichtung ist von dem Bewußtsein geprägt, daß das Wesen des Menschen Güte, Liebe und Schönheit sei. Sie spiegelt aber auch die Erkenntnis wider, daß die Welt, so wie sie existiert, sich hartnäckig gegen ihre eigene Ordnung, ihre eigenen Gesetze, eben gegen dieses Wesen kehrt: Sie entfremdet den Menschen sich selbst. So löste tiefe Finsternis den Glanz, die Mozartsche Heiterkeit ab und zerstörte sie. Der Dichter erlebte nicht nur die wahre Natur des Menschen, sondern auch alle Schrecken der untergehenden imperialistischen Welt. E s ist dieses Erlebnis, das die Motive von Mutter und Kind an eine zentrale Stelle in seiner Dichtung rückte. Fortwährend rief der Dichter nach der im Ungewissen entschwundenen Mutter und stammelte Laute der Klage, der Anklage, der Bitternis. Einem Kind gleich weinte er, stampfte, rebellierte und flehte eigensinnig und hartnäckig um ein Spielzeug, um ein Lächeln, um Verständnis, weil er nicht anders als lieben konnte und das Gefühl des Verwaistseins nicht zu ertragen vermochte. Stärker als jeder andere empfand er die innere Trostlosigkeit und Leere der imperialistischen Welt; er vernahm das zunehmende, alarmierende 'Weltkrachen' 378 . Ein vom Winde gepeitschter Regen fällt in seinen Verslandschaften, ein hartnäckiger, schneidender Frost zerspellt sie, in Scharen krächzt die Unterdrückung, und es heult die tierische Pein. Über geheime Drähte von Bildern und Gleichnissen überträgt sich das Leid der Menschen auf das gesamte Universum, 144
in dem die Sterne 'als Eisendolche . . . verrostet, grob ringsum' stehen. Die Welt verzerrt sich zu einem kosmischen Gefängnis, zu dem 'glitzernd voller Quallen der Dichter auch vergebens schreit'379. Jözsef erlebte und gestaltete die Schrecken des imperialistischen Zeitalters . . . und wußte, daß es eine Zeit zunehmender drohender Greuel ist. Sein Wissen kam jedoch im Vergleich zu den dekadenten Künstlern aus anderer Quelle: aus der Welt der vor ohnmächtigem Trotz bebenden, arbeitenden Massen, vom Rande der Stadt. Von dort, wo an den Wänden der Moder Landkarten zeichnet von den Ländern der Not und wo im Klassenkampf der Arbeiter dennoch die Zukunft reifte und aufbrach. Eben darum wußte er mehr als die blinden Anwälte der Verzweiflung: Er sah nicht nur die Folgen, er war auch imstande, deren auslösende Ursachen zu ergründen. Bei ihm wurde das Leiden nicht mythisiert, sondern bloßgelegt, nicht in ein abstrakt wallendes Unbehagen gehüllt, sondern in seiner gesellschaftlichen Konkretheit herausgestellt. 'Die Welt ist deine heiße Wunde, / ihr Glühn macht, daß die Seele schwärt', so diagnostizierte Attila Jözsef in dem Gedicht BejInnung®0 exakt das Krankheitsbild seiner Seele. In dem ihm eigenen realen gesellschaftlichen Zusammenhang rücken eine das Nichts beschwörende dumpfe Beklemmung und eine zerstörerische Wahnsinnsqual an ihren Platz. Dennoch verfällt der Dichter angesichts der imperialistischen Widersprüche nicht in fatalistische Resignation. Die Kafkaschen Motive erhielten eine andere Bedeutung und überdeckten nicht die menschliche Zukunft. Trotz scheinbarer Übereinstimmung grenzt die tiefere und umfassendere Wirklichkeitssicht die realistische von der dekadenten Kunst ab. Jözsef erlebte die Zerrissenheit der Zeit, doch löste sich das Dasein selbst bei ihm nie in Zwiespältigkeit auf. Er bannte sie in einer Harmonie und schuf eine große, dem mündigen und zum Bewußtsein erwachten Menschen des Jahrhunderts gemäße Dichtung." 381 Charakteristisch für Jözsefs antifaschistische Lyrik in dieser Zeit ist, daß sie auf marxistische Weise an die historischen Erfahrungen, an die menschliche Würde und Vernunft appelliert. Sein Glaube an Vernunft und Ordnung, daran, daß die großen Kräfte der Geschichte und der Sieg der menschlichen Vernunft die Menschheit aus der Finsternis führen werden, hielt ihn aufrecht. Als ein Höhepunkt seiner antifaschistischen Lyrik gilt daher jenes Gedicht, das er als Grußbotschaft an Thomas Mann richtete, als dieser in Budapest weilte :
10 A. Jözsef
145
Thomas Mann
Gruß
Dem Kinde gleich, das sich nach Ruhe sehnt und sich schon müde in den Kissen dehnt und bettelt: Ach, erzähl mir was, bleib da . . . (dann ist das böse Dunkel nicht so nah) und das — sein kleines Herz schlägt hart und heiß —, was es sich eigentlich da wünscht, nicht weiß: Das Märchen oder daß du bei ihm bist — so bitten wir: Bleib eine kurze Frist! Erzähl uns was, selbst wenn wir es schon kennen! Sag, daß wir uns mit Recht die Deinen nennen! Daß wir, mit dir vereint, deine Gemeinde, des Menschen wert sind und des Menschen Freunde. Du weißt selbst, daß die Dichter niemals lügen. So laß die Wahrheit, nicht die Fakten, siegen, die Helle, die dem Herzen du gebracht — denn unsre Einsamkeit, das ist die Nacht. Laßt heut uns, Freunde, uns durchschaun! So sah Hans Castorp einst den Leib der Frau Chauchat. Kein Lärm, der durch des Wortes Vorhang dringt . . . Erzähl, was schön ist und was Tränen bringt. Laß, nah der Trauer, endlich Hoffnung haben uns, die wir Kosztolanyi grad begraben . . . Ihn fraß der Krebs nur. An der Menschheit Saat frißt tödlich schrecklicher der Dschungelstaat. Was hält die Zukunft noch in ihrem Schoß? Wann bricht das Wolfsgeschmeiß gegen uns los? Kocht schon das neue Gift, das uns entzweit? Wie lang noch steht ein Saal für dich bereit? Das ist's: Wenn du sprichst, brennt noch unser Licht, es leisten auf ihr Mannsein nicht Verzicht die Männer, Frauen lächeln wunderbar, noch gibt es Menschen (doch sie wurden rar) . . . Setz dich! Fang an I Laß uns dein Märchen hören! Und manche — doch sie werden dich nicht stören — schaun dich nur an. Sie wollten zu dir gehn, den Europäer unter Weißen sehn . . .382 Thomas Mann las am 12. Februar 1937 in Budapest ein Kapitel aus Latte in Weimar. Vor Beginn der Lesung sollte das Gedicht von 146
Jözsef vorgetragen werden. Die Polizei verbot dies jedoch. Der Verfasser dieser Zeilen, der an diesem Abend als Gymnasiast teilnahm, erinnert sich noch gut an den Schreck und die Betroffenheit aller Anwesenden. War ein Verlesen dieser Botschaft auch zu jener Zeit untersagt, sie blieb dennoch in den kommenden, noch dunkleren Jahren lebendig.
Letztes Lebensjahr: MArs poetica" — eine Summierung von Sinn und Wert der jözsef sehen Lyrik Mit dem Jahr 1937 begann Jözsefs letzter Lebensabschnitt. Eine schwere Zeit, auch im Hinblick auf die allgemeine internationale Lage: So hatte die Volksfrontpolitik zwar erste Erfolge zu verzeichnen, doch der Vormarsch des Faschismus hielt weiter an; die Errungenschaften der Sowjetunion waren verheißungsvoll, die Notlage des ungarischen Volkes indessen verschlimmerte sich zusehends. In dieser Zeit erreichte Jözsefs Dichtung einen letzten großen Höhepunkt. An der eigentümlichen Isolierung des Dichters hatte sich grundsätzlich nichts geändert. Zwar verstanden einige Kritiker ihn und seine Dichtung, und auch unter den Arbeitern und der intellektuellen Linken war er bekannt und hatte Freunde, doch es gab nur wenige, die seine wirkliche, zentrale Bedeutung für die ungarische Literatur erkannt hatten. Auf der politischen Rechten war er verhaßt (erst nach seinem Tod versuchte man ihn dort zu usurpieren); ein Kreis Gleichgesinnter bzw. eine Schule von Anhängern hat sich um ihn zu seinen Lebzeiten nie gebildet. Die unmittelbaren persönlichen Verhältnisse Jözsefs waren in gewisser Weise geordneter. Anfang 1936 hatte er als Mitherausgeber der Literaturzeitschrift Szep S^ö deren Lyrik-Teil übernommen. Die Zeitschrift war zu dieser Zeit eindeutig linksorientiert und zeichnete sich durch einen aufgeschlossenen, kritischen Geist aus. In gewissen Fragen stimmte Jözsef mit den für die Linie des liberal-radikalen Blattes maßgeblich Verantwortlichen überein, prinzipielle Vorbehalte meldete er indessen im Hinblick auf deren politische Position an. Seine Mitarbeit beschränkte sich daher auf die Betreuung des Lyrik-Teils und auf die Veröffentlichung einiger literaturkritischer Beiträge. Ansonsten „las der arme Poet eine Unmenge von Manuskripten, besorgte den Umbruch in der Druckerei und korrigierte 10*
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Abzüge" 383 , wie es in einem seiner Briefe heißt — Hinweise dafür, daß sich in seinem persönlichen Leben allmählich gewisse Bindungen herausgebildet hatten. Trotz der Verfinsterung am Horizont („An der Menschheit Saat / frißt tödlich schrecklicher der Dschungelstaat" s8'*) drangen doch auch Lichtstrahlen von der Welt draußen herein: In Frankreich hatte sich die Volksfront konstituiert, das Ansehen der Sowjetunion war gewachsen und in Ungarn die angekündigte faschistische „Reform"-Politik vorerst gestrandet. Doch wer klar und über den Tag hinaus blickte, täuschte sich nicht über die Schatten des Krieges, die das immer enger an Hitlerdeutschland gekettete Ungarn bedrohten. Hinzukam bei Jözsef eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Die Schizophrenie, durch ununterbrochene Schicksalsschläge ausgelöst und bis dahin latent geblieben, bemächtigte sich seiner zusehends. Die Anzeichen dafür mehrten sich auch in seiner Lyrik, doch nicht die Krankheit, sondern der Versuch, diese zu beschreiben und zu bannen, prägte seine Gedichte. So etwa in den Hilferufen wie „. . . liebt mich allezeit / verscheucht, vertreibt mein graues Leid" 385 oder in den Schmerzensschreien des Gedichts Unerträglich386; überwiegend sind die Krankheitssymptome jedoch in exakt-anschaulichen Bildern und strengen Formen gebunden. In der Psychoanalyse bewandert, leuchtete Jözsef bewußt in die Tiefenschichten seiner Seele und schrieb gleichsam vom Freudismus beeinflußte Gedichte im Volksliedton. Die Frage, ob den Gedichten nicht doch etwas Krankes anhafte, ist entschieden zu verneinen. Die Krankheit wirkte sich bereits ab 1934 und ganz offenkundig in den Jahren 1935 bis 1936 auf Jözsefs Lyrik aus. Er beschrieb das Übel, projizierte es aus sich heraus und objektivierte es, wie das in einer Reihe bedeutender Gedichte, von den Sonetten aus dem Jahre 1935 bis zu dem Gedicht Dämmerlicht387, nachweisbar ist. Es ist erschütternd, wie der Dichter darum rang, seine Zwangsvorstellungen, Visionen und Beklemmungen sprachlich zu fassen, gleichsam zu definieren und in strengen Formen poetisch aufzuheben: „Der Kunde lausch ich, die mein eigen Wort aus meinen Tiefen fördert . . Z'388 Und was da zutage kam, wurde eifrig notiert: Schuldbewußtsein, Vaterkomplex, Einsamkeit, Flucht zur Mutter, Verfall des Ichs: „. . . und was den Namen Ich trug, das gibt es nicht. An den letzten Krumen kaue ich, bis dies Gedicht entsteht. . ." 38 9 Nachvollziehbar ist in diesen Gedichten aber nicht nur, wie Jözsef sich bewußt mit den ihn bedrängenden Schreckensbildern aus148
einandersetzt und sie analysiert, sondern wie er stets aufs neue das Übel bezwingt. E s ist dies ein Triumph mit leisen, aber entschiedenen Worten: „. . . ich bin kein Narr"390, mit der K r a f t des Bekenntnisses: „ H o f f n u n g für mich war von Beginn nur ich —"391. D o c h vor allem ist es ein Triumph des schöpferischen Menschen, zumal hinter der Q u a l , Einsamkeit und Verzweiflung des Dichters stets auch die N o t , die Verlassenheit und Niedergeschlagenheit des Volkes erkennbar wird. Nur aus dieser Einheit von Individuellem und Gesellschaftlichem heraus sind diese Gedichte voll zu verstehen. Obwohl sich der Gesundheitszustand des schwerkranken Dichters 1937 zusehends verschlechtert hatte, erhob sich seine Dichtung in neue Höhen. Der T o n der Gedichte ist abgeklärter, aus ihnen spricht die innere Ruhe und das Vertrauen des Dichters auf die Zukunft. Jözsef verläßt den einengenden Kreis der Krankheit, sein Blick weitet sich und ist auf den politischen, allgemein menschlichen und nationalen Horizont gerichtet. Funken des lange entbehrten Humors blinken auf bis hin zu Spott und Neckerei; neben politischem Pathos klingt jedoch auch ein leiser Abschied mit an. In diesen Gedichten seines letzten Lebensjahres — die eine Art Überschau darstellen — sind die poetischen Botschaften von Siechtum und Einsamkeit, Verzweiflung und Alleinsein mit einer tiefen Liebeslyrik und edelster politisch-nationaler Dichtung verflochten, und zwar teils in Koinzidenz, teils eins aus dem anderen folgend. Nach der Trennung von Judit Szantö und einer flüchtigen Liebesepisode widerfuhr Jözsef am Ende seines Lebens die große und reine Liebe zu F l o r a 3 9 2 * . In dem klugen, gebildeten, seltsam schöncn jungen Mädchen sah der Dichter die von ihm erträumte Frau, dazu bestimmt, ihm die Erlösung zu bringen. Diese Liebe war ihm Kraftquell im K a m p f u m Güte und Klugheit gegen die dunklen Mächte der Welt, Ausbruch und Erwachen zu neuem Leben. N o c h ein Jahr zuvor hatte er gerufen: „Wer von euch, Frauen, wär bereit / mit mir das All zu sprengen?" 393 N u n ist es eine flehentliche Bitte: „ K u m m e r unerträglich / in der Anhäufung. / Floras schöne Liebe, / mach mich wieder j u n g ! " 3 9 4 In dieser läuternden und erhabenen Liebe vermochte er sein persönliches Begehren mit dem Ringen um echte Menschlichkeit und eine bessere Zukunft des Volkes zu verbinden, wie das Gedicht Flora zeigt. Alle die großen Themen seines Lebens, Kindheit und Solidarität, Politik und Humor, Zärtlichkeit und Trauer sind hier vereint: 149
Gut zwei Milliarden schlugen mich in Ketten, als ihren Wachhund hätten sie mich gern, aus ihrer Welt möchten sich südwärts retten Güte und Zartheit, ach, sie sind schon fern. Die Welt da kann ich nicht ans Licht mehr halten wie Stoffe, die im Reagenzglas walten. Besiegt bin ich. Mitleid! Und muß erkalten, wirst du nicht, Liebe, Rettung mir und Stern.395 Die Grundlage für diese weiterreichenden Perspektiven und die erhabene Position des Dichters bildete zweifelsohne ein noch tieferes Erleben der Not — zunehmender Entfremdung, Demütigung und Schändung — des Menschen durch den Faschismus. Im Frühjahr 1937 entstanden zwei Gedichte, in denen Jözsef gleichsam die Bilanz seines Lebens zog. In dem einen — Zu meinem Geburtstag — ist erneut jene merkwürdige, aus der Gegensätzlichkeit herrührende Spannung zwischen Inhalt und Form zu beobachten: Zu meinem
Geburtstag
Nun bin ich zweiunddreißig Jahr — und überrasch mich ganz und gar mit dem Poem: Im Winkel des Cafés gedenk ich meiner, dieses Festgeschenk sei mein allein. Zweihundert Pengö Monatslohn das hatte nie für seinen Sohn mein Land zur Hand. Bestallter Lehrer wär ich jetzt, kein Bursche, der die Feder wetzt voll Harm und arm. 150
Und wurd es nicht, denn in Szeged verwies mich von der Fakultät ein Mann der's kann. Für „Reinen Herzens", mein Gedicht, schlug mir sein Schmähruf ins Gesicht; mit Glück, gezückt das Schwert, schützt' er das Land vor mir. Mein Geist zitiert ihn, er ist hier, der Schuft und ruft: „Solange ich denke, werden Sie kein Mittelschulprofessor, nie!" Er prahlt und strahlt. Doch freut's Herrn Anton Horger sehr, daß ich jetzt nicht Grammatik lehr, die Freud wird Leid — ich lehr beharrlich, mach mein Land nicht auf der Mittelschulen Stand der Zeit bereit.39G Die Form geht auf Victor Hugos Orientales — letztlich also auf französische Volkslieder — zurück und birgt hinter äußerlicher Keckheit und Heiterkeit eine bitter-ironische Aussage. Es ist gewissermaßen eine Abrechnung des vereinsamten Dichters, der — von Nation und Vaterland verkannt und seinerzeit sogar von der Universität verwiesen — in seinem Glauben nicht erschüttert wurde, trotz ausgebliebener öffentlicher und offizieller Anerkennung Lehrer des ganzen Volkes zu werden. Der hier mit gedämpfter Ironie vorgetragene Widerstand — gleichzeitig ein Beweis für die souveräne Beherrschung der Schwierigkeiten des Stoffs und der Form — er151
innert im Ton an den um dieselbe Zeit verfaßten Lebenslauf, in dem es am Schluß eines seiner Anfang 1937 verfaßten Einsteilungsgesuche heißt: „Seitdem lebe ich von meinen schriftstellerischen Arbeiten. Ich bin Redakteur bei der Zeitschrift für Literatur und Kritik 'Szep Sz6'. Außer in meiner ungarischen Muttersprache schreibe und lese ich französisch und deutsch, korrespondiere ungarisch und französisch und bin perfekt im Maschineschreiben. Ich konnte auch stenographieren und bin in der Lage, diese Fertigkeiten mit einer Praxis von einem Monat aufzufrischen. Ich halte mich für rechtschaffen und glaube, daß ich von rascher Auffassung und in der Arbeit ausdauernd bin." 397 Weit komplizierter, voller versteckter Polemik und mannigfaltiger Bezüge hat Jözsef den Sinn und Wert seiner Lyrik in dem Gedicht Ars poetica398 summiert. Er legt darin sein unwiderrufliches Bekenntnis zur Vernunft und realistischen Weltsicht, zum zielgerichteten Handeln wie zur Mission der Dichtkunst ab. Es ist das Credo eines Dichters, der eine tiefe Einsicht in die Wirklichkeit gewonnen und den Sinn der Kunst in der Widerspiegelung eben dieser Wirklichkeit erkannt hat. Er weist von daher jede Illusion und Augenwischerei, jeden Selbstbetrug und Irrationalismus von sich: Langsam versickern schon die Zeiten, die Märchenmilde bekommt mir kaum. Ich trinke lieber Wirklichkeiten, der Himmel ist darauf der Schaum.399 Jözsef gab als Dichter, Mensch und Kommunist weder sich noch den Glauben auf, die Menschlichkeit bewahren zu können. Er beharrte auf der Forderung nach der vollen Verwirklichung des Menschseins und gab diese Haltung angesichts des menschenverheerenden Faschismus stolz zu erkennen: „Ich, freier Geist, werd mich nicht bücken, / ich bin nicht dumm und bin kein Knecht." 400 Gegen die Knechtschaft beschwor er das Universum und die den Menschen zeugten, „den Geist und die Liebe". Dem Menschen des Jahres 1937 rief er zu: „. . . das Weltall sei dein Maß" 401 . Er widerstand den Kräften der Entmenschlichung und wußte auch in jener finsteren Zeit, daß die Möglichkeiten des Menschen unendlich sind, wenn er dereinst erwachsen und mündig sein wird. „Mich wird das Jahrhundert behüten" — diese Gewißheit schöpfte er aus dem Bewußtsein, daß die Massen hinter ihm stehen und „Panzer, wohl152
gesinnte", ein offenkundiger Hinweis auf die Armee der Sowjetunion, für ihn aufbrechen und sprechen werden. „Ich klage euch beim Wissen an" 402 , heißt es in dem Gedicht, denn die Gewalten des Ungeistes vermögen letztlich gegen die Gesetze der Geschichte nichts auszurichten. Die in den letzten Monaten seines Lebens entstandenen Gedichte sind Lebensbilanzen aus immer höherer und klarerer Sicht; sie zeugen auch in der poetischen Sprach- und Gestaltungskraft von einem stetigen, ja beschleunigten Reifeprozeß. Das exakte gedankliche Gerüst, die „Statik" der Gedichte, blieb zwar erhalten, doch der Ton wurde heller und reiner. Beibehalten wurde auch die Kühnheit in der Bildschöpfung und in den Assoziationen, jedoch strenger diszipliniert als zuvor. Stimmungsbilder aus den Landschaftsgedichten früherer Jahre kehren nun in Gedichtexpositionen wieder, Faktenmaterial und Beschreibung fügen sich harmonisch in das Gedicht ein. Die feenhaft ästhetischen und zugleich tiefdüsteren Verse des Sommers 1937 zeigen an, in welchem Ausnahmezustand sich Jözsef befand: „Ich forme meine Liebe s e l b s t . . . / Auf Himmelskörpern stehend :/ so zieh ich los gegen die Götter / — nicht bebt das Herz mir — / leicht, in Weiß gekleidet." 403 Wäre die Geschichte seiner Kindheit auch als Thema einer romantischen Erzählung vorstellbar, so könnten die letzten Tage Jözsefs die Aufschrift „Des Dichters Schicksal" tragen: bleigrauer, regenverhangener Novemberhimmel über einem verlassenen Badeort am Balaton. Die beiden letzten Strophen, die er niederschrieb, sind ein Abschied voller Wehmut und durchstrahlt von schlicht bilanzierender Weisheit: Im Windsturm lebend, mußt ich schauen, daß ich mich aufrechthalten kann. Was ich verbrochen, ist zum Lachen: nicht mehr, als andre mir getan.
Der Lenz ist schön und schön der Sommer, am schönsten Herbst — und Winterzeit, für einen, der auf Herd und Kinder sich nur noch für die andern freut. 404 153
Das letzte schriftliche Lebenszeichen — ein Brief an den " behandelnden Arzt: „Herr Doktor K . ! Ich grüße Sie auf das herzlichste. Ihr Versuch, das Unmögliche zu schaffen, war vergeblich."'' 505 Um Jözsef zwei zankende Schwestern und plärrende Kinder in der kleinen Pensionsstube, die Bekannten und Flora fern in Budapest — das war der Schauplatz seines tragischen Endes. Ein langer Güterzug, der die kleine Station passiert, überrollte ihn, und der Dorfnarr brachte, wie die Boten im antiken Drama, die Kunde von der Tragödie. Das Symbolhafte dieses Tods unter Eisenbahnrädern blieb auch den Zeitgenossen nicht verborgen. Ein großer humanistischer Dichter von universaler Geltung war unter die Räder des in Faschismus und Krieg rollenden Ungarns gekommen. Wenige Monate nach Attila Jözsefs Tod rückte das Unheil in unmittelbare Nähe: Am 15. März 1938 marschierten Nazitruppen in Österreich ein, und das Schicksal Mitteleuropas war zunächst besiegelt. Die Freunde wurden in alle Winde zerstreut: Manche emigrierten, manche wurden Verräter, andere kamen in Vernichtungslagern um oder in den Flammen des Krieges, ünd nur wenige blieben auf dem Posten und am Leben. Aus jener finsteren Zeit strahlen jedoch sein Name und sein Wort herüber.
Das Werk Attila Jözsefs in der ungarischen und in der Weltliteratur In der ungarischen Dichtkunst nimmt Jözsefs Werk eine spezifische in sich geschlossene Stellung ein. Die ihm eigene T o t a l i t ä t gründet sich auf der Tatsache, daß der Dichter der Arbeiterklasse die Welt mit deren Augen sah. Er bediente sich der Worte, Bilder und Emotionen des armen Mannes, des körperlich arbeitenden, unterdrückten und sich nach Liebe sehnenden Menschen lind vergaß niemals seine Herkunft. Zugleich aber suchte er das Bild der ganzen Nation, ja der ganzen Welt zu umfassen, wurde er Sprecher einer Klasse und der Nation, der ungarischen Arbeiter und zugleich der Arbeiterklasse der Welt; aus dieser dialektischen Einheit resultiert die Spezifik seiner Dichtung. Diese doppelte Bindung: einerseits die Verwurzelung im Alltag der armen Leute und die Solidarität mit ihnen, andererseits der stets perspektivisch ausgerichtete Blick, also die 154
Das letzte schriftliche Lebenszeichen — ein Brief an den " behandelnden Arzt: „Herr Doktor K . ! Ich grüße Sie auf das herzlichste. Ihr Versuch, das Unmögliche zu schaffen, war vergeblich."'' 505 Um Jözsef zwei zankende Schwestern und plärrende Kinder in der kleinen Pensionsstube, die Bekannten und Flora fern in Budapest — das war der Schauplatz seines tragischen Endes. Ein langer Güterzug, der die kleine Station passiert, überrollte ihn, und der Dorfnarr brachte, wie die Boten im antiken Drama, die Kunde von der Tragödie. Das Symbolhafte dieses Tods unter Eisenbahnrädern blieb auch den Zeitgenossen nicht verborgen. Ein großer humanistischer Dichter von universaler Geltung war unter die Räder des in Faschismus und Krieg rollenden Ungarns gekommen. Wenige Monate nach Attila Jözsefs Tod rückte das Unheil in unmittelbare Nähe: Am 15. März 1938 marschierten Nazitruppen in Österreich ein, und das Schicksal Mitteleuropas war zunächst besiegelt. Die Freunde wurden in alle Winde zerstreut: Manche emigrierten, manche wurden Verräter, andere kamen in Vernichtungslagern um oder in den Flammen des Krieges, ünd nur wenige blieben auf dem Posten und am Leben. Aus jener finsteren Zeit strahlen jedoch sein Name und sein Wort herüber.
Das Werk Attila Jözsefs in der ungarischen und in der Weltliteratur In der ungarischen Dichtkunst nimmt Jözsefs Werk eine spezifische in sich geschlossene Stellung ein. Die ihm eigene T o t a l i t ä t gründet sich auf der Tatsache, daß der Dichter der Arbeiterklasse die Welt mit deren Augen sah. Er bediente sich der Worte, Bilder und Emotionen des armen Mannes, des körperlich arbeitenden, unterdrückten und sich nach Liebe sehnenden Menschen lind vergaß niemals seine Herkunft. Zugleich aber suchte er das Bild der ganzen Nation, ja der ganzen Welt zu umfassen, wurde er Sprecher einer Klasse und der Nation, der ungarischen Arbeiter und zugleich der Arbeiterklasse der Welt; aus dieser dialektischen Einheit resultiert die Spezifik seiner Dichtung. Diese doppelte Bindung: einerseits die Verwurzelung im Alltag der armen Leute und die Solidarität mit ihnen, andererseits der stets perspektivisch ausgerichtete Blick, also die 154
Einheit der Sicht von unten und von oben, verleiht seiner Dichtung ihre bis auf den heutigen Tag wirksame Gültigkeit. Die wichtigsten Faktoren dieser Einheit und ein Wesenszug der Jozsefschen Dichtung überhaupt sind das Wissen um die Dinge und der Glaube an Vernunft und Ordnung. In einer Zeit, als die herrschenden Klassen die Massen manipulierten und auch die Intellektuellen verblendet in irrationalen Philosophien ihr Heil suchten — da vertraute der Dichter auf die ordnende Kraft der Vernunft und klammerte sich bis zum letzten an seinem Wissen fest. Dieser Rationalismus ist mit einer gewissenhaften Erkundung der Wirklichkeit, mit einem Mikro-Realismus gepaart, der nicht allein für Jözsefs Realismus kennzeichnend ist. Doch die Exaktheit in den kleinsten Details ist ein wesentlicher Zug seiner Dichtung. Auf diesen Tatbestand verwies einer seiner Zeitgenossen, als er feststellte, daß es in diesen Gedichten nichts Erlogenes gibt; und ist irgendein Schauplatz darin beschrieben, kann man ihn anhand der Landkarte auffinden und identifizieren. Liebevolle Vergegenwärtigung der Details, Identifizierung auch mit den kleinsten Objekten, vor allem jedoch mit den Menschen, Pflanzen und Gegenständen — aus diesem gründlichen Erfassen der Welt und aus der Weite der Komposition resultiert jene unverwechselbare Balance von Disziplin und Leidenschaft, die JözSefs Gedichten eigen ist. In seiner Dichtung spiegelt sich die Totalität aller Komponenten der menschlichen Persönlichkeit: des Intellekts und der Empfindung, des Instinkts und des Bewußtseins, der Rührung und des Kämpfertums. Jözsef stieg in die Tiefen seiner eigenen Persönlichkeit und die seiner Zeit hinab und summierte das Gesehene und Erfahrene auf der Höhe des Gedankens, auf der Höhe der marxistischen Philosophie. Nicht zuletzt deswegen konnte er einerseits die volle und tatsächliche Wirklichkeit darstellen und vermochte andererseits mit der überlegenen Vernunft und dem klaren Sinn dessen, der an der Bewußtheit leidenschaftlich festhält und dem historischen Materialismus treu verbunden ist, all die Fragen der inneren Zerrissenheit und Verzweiflung, der Einsamkeit und Krankheit sowie der Liebe und Angst als auch quälende Kindheitserinnerungen und Schuldbewußtsein zu durchdringen und zur Dichtung zu erheben. Mit den Worten: „Komm, Freiheit! Ordnung sollst du mir gebären" 4 0 6 , rief er den Sozialismus, eine vom Humanismus tief durchdrungene sozialistische Gesellschaft herbei. „Nimm dich in acht!'' 4 0 7 so mahnte er sich. E r erschloß Tiefen und wurde doch nie Irratio155
nalist wie so viele seiner in Ungarn und im Ausland lebenden Zeitgenossen ; er kämpfte für die Ziele der Arbeiterbewegung, aber nicht schreiend und lärmend; er nutzte alle großartigen poetischen Errungenschaften der zwanziger Jahre, wie z.B. die freie Bildschöpfung, die auflockernden Assoziationen und die sprunghafte Gedankenführung, ohne jemals zusammenhanglos und bizarr zu werden; mit großer Genauigkeit und Präzision beschrieb er die Verwirrungen seiner Psyche, wurde aber nie weinerlich und erbärmlich. Jözsef setzte die Anfänge der ungarischen proletarischen Lyrik fort und brachte sie zur ersten Vollendung. Sein Platz ist in der Reihe der großen Repräsentanten der sozialistisch-realistischen Lyrik, neben Becher, Neruda, Lorca, Guillen, Aragon und Eluard, die unter den Bedingungen des Kapitalismus eine von den Ideen des Sozialismus durchdrungene, zutiefst realistische Dichtung auf höchstem künstlerischem Niveau schufen. Wie sie zeigte auch er die großen Probleme des Jahrhunderts und führte sie auf marxistische Weise zu einer Lösung, wie sie kämpfte er bis zuletzt an der Seite der Arbeiterklasse und ihrer Partei. Die Befreiung seines Volkes erlebte er nicht, doch er sehnte und rief sie herbei. Sein Optimismus war nicht oberflächlich, sondern gründete sich auf eine tiefe Kenntnis der Wirklichkeit und der Gesetze der Geschichte. Die Haltung und die Art, mit der er die Not des Menschen in der Zeit des Faschismus beschwor und aus der Finsternis der Barbarei zum Licht der Menschlichkeit hinstrebte, erinnern in vielem an den um eine Generation älteren, von Jözsef verehrten und geliebtenBela Bartök. Doch indem er den Ausweg in der Besitznahme der Macht durch die Arbeiterklasse sah, war er zugleich Schüler und Lehrer der internationalen kommunistischen Literatur. Und doch wäre all das ein leeres Gerüst und nicht mehr als bloße Programmatik, stünde dahinter nicht eine außergewöhnliche Persönlichkeit. „Du harte Seele, du sanfte Phantasie . . ." 408 — so sehnte er sich nach Reinheit, Freude und Sanftheit. Es wäre ein Irrtum zu glauben, aus jener harten, ernsten Zeit habe das Spielerische, der unbeschwerte Zauber und die Lust an der Spöttelei gefehlt; gerade der Charme und der mozartisch geschlossene Bogen des Tanzes über dem Abgrund verleihen dem zu einer Melodie von Bartök geschriebenen Gedicht Bärentan£/l09 oder dem Gedicht Der kleine Schweinehirt''1° die erschütternde Wirkung. Hinter diesen Gedichten steht ein versonnener und gedankenvoller, der Freude zugetaner und sich unendlich nach Liebe sehnender, ein ernster und dem Spiel geneigter Mann, der wußte: „Schenk dein Vertrauen nicht so einem Mann, / 156
willst du im Kampf um das Leben was taugen!" 4 1 1 , der zugleich aber selbst in den schwersten Augenblicken mozartisch heitere Töne fand. Es könnte gefragt werden: Ist das Gefühl der Einsamkeit, diese Art des Einsamkeitserlebnisses, nicht geradezu ein Kennzeichen der bürgerlichen Lyrik des 20. Jahrhunderts? Und wird durch dieses tiefe Erleben der Einsamkeit, des Hölleerduldens und der Schrecken der Zeit Jözsefs Dichtung nicht zu einem Teil der bürgerlichen Lyrik? Dazu schrieb Istvân Kirily: „Attila Jözsef wußte, daß dem Menschen Güte, Liebe und Schönheit wesenseigen sind. Er wußte, daß den Menschen die Fähigkeit zu einem integren, schöpferischen und friedlichen Leben wahrhaft zum Menschen macht. Die Liebe zum Menschen und das Beschwören der Güte waren unverrückbare Bestandteile seines Humanismus. 'Ich vertrau unbedingt auf den Menschen' 412 , schrieb er stolz zu Beginn seiner Laufbahn. Es war sein fester Glaube, daß im Menschen der Friede und die Stille eines 'Dörfchens in der Morgenfrühe' 4 1 3 wohnen. 'Ihr allesamt seid gut, warum also verübt ihr Böses' 414 , heißt es in einem seiner Lehrgedichte. Und er bekannte sich zur erlösenden, befreienden Kraft der Liebe; in einem seiner frühen Gedichte formulierte er die trotzige Losung: 'Ein zärtlich Streicheln ist meine Fahne' 415 . Später, in den düsteren Jahren illusionsloser Rechenschaft, wußte er zwar bereits, daß 'Die Wolkenkette unterm Himmel schwankt, / darüber gleißt ein Streicheln, unverlangt' 416 , daß 'im Astgewirr der Welt' 4 1 7 das Lächeln und die Umgebung hängenbleiben. Und dennoch: Die Hoffnung der frühen Jahre hatte sich nur gewandelt, weiter in die Tiefe zurückgezogen, aber niemals aufgehört dazusein. Der Dichter blieb sich selbst bis ins Innerste treu. Eines der Leitmotive seines Lebenswerkes war bis zuletzt der Glaube an den Menschen, die tiefe Achtung vor dem Leben und dem Menschen. Erbittert klagte er in einem Gedicht: 'und daß mir nichts gegeben ist / als lieben . . .' 418 , und ob in der Schönheit der Liebe geborgen, ob in die Zukunft projiziert, der Traum lebte fort. Deswegen vermochte er in seinen Liebesgedichten wie durch einen Zauber den Frieden und die Stille von Weizenfeldern, Wolken und über den Himmel hinziehende Sternenheere zu beschwören, und daher kam es, daß bei ihm individuelles Empfinden und gesellschaftliche Aussage ineinander aufgingen." 4 1 9 Mit der gleichen Frage setzte sich Jözsef Rêvai wie folgt auseinander: 157
„. . . Zur Zeit Attila Józsefs war diese Einsamkeitsdichtung ein notwendiges Moment. Es war die Aufgabe und Verpflichtung des sozialistischen Dichters, die Welt, den Menschen und die Gefühle des Menschen in ihrer Totalität und Gesamtheit zu widerspiegeln . . . Der historische und gesellschaftliche Boden für die individualistische Einsamkeitslyrik ist die Trennung von Stadt und Land, von körperlicher und geistiger Arbeit. Solange dies so ist, bleibt das Gefühl der Einsamkeit für den städtischen Intellektuellen ein typisches Empfinden, das sich notwendigerweise von Zeit zu Zeit einstellt und dessen Eliminierung auch aus der sozialistischen Lyrik nicht erwartet und gefordert werden kann . . . Ein Dichter, der zur Zeit der Erfolge des Faschismus nicht imstande war, die abgründige Tragödie widerzuspiegeln, von der die fortschrittlichen Kräfte der Gesellschaft, das Volk, das Vaterland, die Menschheit und der einzelne Mensch betroffen waren, der schmälerte den eigenen Humanismus, verflachte die eigene Dichtung und engte die Skala des eigenen Instrumentariums ein. Der Ausdruck der Isoliertheit und Einsamkeit des Menschen in der antifaschistischen Lyrik der dreißiger Jahre erwies sich bei Attila József als ein Mittel zur Widerspiegelung der gesellschafdichen Wirklichkeit, des gesellschaftlichen Seins . . ." 4 2 ° Als József 1935 in diesem Zusammenhang um eines der wenigen Interviews seines Lebens von einer Zeitung, die außerhalb Ungarns erschien, gebeten wurde, sagte er: „. . . Jedes gute Gedicht ist eine Erfindung, und die Dichtung führt näher an das heran, was die Leser nicht wissen. Der Dichter ist ein Mensch, der weder allein bleiben noch sich mit den pseudomenschlichen Beziehungen abfinden will. Er schreibt nur dann, wenn er sich einer Sache verbunden weiß. Die Dichter der Einsamkeit fühlen sich mit den anderen Einsamen gemeinschaftlich verbunden. Wer tatsächlich völlig einsam ist, d. h. auch zu seinen Leidensgefährten keinen Kontakt findet, der schreibt keine Gedichte." 4 2 1 In der künstlerischen Formgebung schuf József Synthesen und eröffnete gleichzeitig neue Wege. Seine Aussage band er — abgesehen von der kurzen Zeitspanne seines Schaffens, in der er expressionistisch freie Verse schrieb — in disziplinierte Versformen. Dieses Ringen um die bewußte ordnende Disziplin resultierte aus seiner individuellen Psyche und seinem Programm als Dichter. Nicht nur die von Béla Bartók inspirierten Verse belegen seine außerordentliche musikalische Aufnahmefähigkeit ; hinter zahlreichen Gedichten lassen 158
sich Melodien erahnen. In Aufsätzen zur Verskunst befaßte er sich systematisch mit spezifischen Fragen und Möglichkeiten der ungarischen Versform; in unterschiedlichsten Versformen und im Strophenbau wechseln bei ihm ungarische Formen, französische Melodien und klassische Distichen ab. Er hatte einen ausgeprägten Sinn für die intellektuelle und disziplinierende Kraft der regelmäßigen Form, für ihre Widerstandskraft gegen den Irrationalismus ; in seinem letzten Lebensjahr stieß er in einem Gedicht über seine Krankheit den Seufzer aus: „Nur gut, daß es noch Jamben gibt und etwas da ist, / dran ich mich klammern kann. Laufen lernt so das Kind." 4 2 2 In seiner Sprache faßte er die Errungenschaften der Vergangenheit zusammen und brachte zugleich zwanglos die Bilder des Proletariats und der Arbeiterbewegung in die Dichtung ein. Eine Reihe seiner Bilder sind Motive aus dem Leben der werktätigen Menschen, der Arbeiter und der Bauern. Beweise für Jôzsefs intellektuelle Kraft sind jene starken Verdichtungen, geschlossenen Gefüge, aphoristisch gefügten Zeilen, die Gemeingut geworden und zu einem großen Teil nicht nur in die dichterische, sondern auch in die Umgangssprache eingegangen sind. Eine unverwechselbare Verbindung von Phantasie und Ordnung verleiht seinen Formen hochgradige Präzision, Dichte und Geschlossenheit. Hinzukommt, daß bei ihm die Dinge der Welt, die Erscheinungen der Natur wie der Gesellschaft anthropomorphisiert werden und dadurch an Lebensfülle und innerer Spannung gewinnen : Welt, Natur und Gesellschaft sind von Leben durchdrungen; Unterdrückung und Revolution erscheinen gleichsam personifiziert. Dieser erstaunliche Grad von Anthropomorphisierung und Identifikation mündet jedoch nie in eine Unverständlichkeit, sondern fügt sich im Zeichen einer strengen Komposition und eines starken Formwillens stets zu einem einheitlichen Ganzen. Aus der heutigen historischen Distanz wäre zu fragen, welcher Richtung oder Strömung das Gesamtwerk Attila Jözsefs zuzuordnen ist, inwiefern es sich hier um „Arbeiterdichtung", „sozialistische Dichtung" bzw. „sozialistisch-realistische Dichtung" handelt. Ein Teil der Zeitgenossen Jözsefs siedelte sein Werk zwar außerhalb der damaligen Arbeiterdichtung und jenseits der Traditionslinie der proletarischen Lyrik an, für uns ist Jözsefs Dichtung jedoch moderne sozialistische, sozialistisch-realistische Lyrik. Zu ihrer Genese bemerkt Jözsef Rêvai u. a. : „Erst als sie sich durch Überwindung retrograder Tendenzen in 159
der proletarischen Dichtung ihren Platz erkämpft hatten, wurden solche Gestalten der proletarischen Dichtung wie Majakowski, Becher, Wolker, Aragon, Eluard, Neruda und Attila Jözsef wahrhaft Dichter ihrer Nation. Sie verkörpern den Dichter neuen Typs, der fähig ist, die Freuden und Leiden, Ziele und Bestrebungen, Leben und Kämpfe der Arbeiterklasse und der Menschheit als Einheit emotional zu erleben und zu besingen." 423 Und Istvän Kiräly merkt zur Bestimmung der Position Jözsefs an: „Ein wahrhaft parteilicher Dichter — Attila Jözsef sei das Beispiel dafür — ist weder Frontsoldat noch Partisan; er ist kein Musterschüler oder einsamer Kämpfer, sondern einer, der sich selbst zu disziplinieren, verantwortlich zu leben und zu denken weiß. Mit der Partei ist er nicht auf Grund des Gehorsams und kindlichen Glaubens unzertrennlich verbunden, sondern durch das Gebot der Wirklichkeit, für die Befreiung des Menschen mit Herz und Verstand einzustehen. Daher ist er der selbst auferlegten Abhängigkeit zum Trotz ein unabhängiger Geist, ein wahrer Künstler. Pionier und Entdecker ist, wer nicht nur bekannte Thesen verteidigt und illustriert, sondern — den schweren Spuren der Wirklichkeit folgend — zuweilen auch über den Umweg von Irrtümern stets seine neuen parteilichen künstlerischen Wahrheiten zu erringen vermag. Attila Jözsef ist solch ein Dichter gewesen." 424 W o also ist die reife Lyrik Jözsefs in die Weltliteratur des 20. Jahrhunderts einzuordnen? Zunächst ganz allgemein formuliert: Jözsef steht im Kampf zwischen dem Absterbenden — das auch in seinem Verfall noch Strahlungskraft besitzt — und dem zuweilen noch rohen und unausgereiften Neuen auf der Seite des welthistorisch und weltliterarisch Neuen. Als Dichter der Arbeiterbewegung verkündete er den gesellschaftlichen Kampf für die neue Welt und trat im Namen aller Menschen für das wahrhaft menschlich Schöne im vermutlich finstersten Dezennium dieses Jahrhunderts ein. Seine Gedichte schrieb er in der Sprache eines der Völker, die sich in einer äußerst schwierigen Lage befanden. Auch darin erwies sich Jözsef als ein Vertreter des Neuen, daß er für ein Volk sprach, das erst kurz zuvor, mit großem Verzug, die welthistorische und weltliterarische Szene betreten hatte. Sein Platz ist unter den sozialistischen Dichtern Europas, aber nicht gemeinhin in einer Reihe der mit den linken Kräften kämpfenden Künstler anzusiedeln. Dies wäre zu allgemein, denn links standen — auch in der antifaschistischen Front — Vertreter 160
unterschiedlichster ideologischer und künstlerischer Auffassungen. Was Jözsef von diesen unterschied, war eben die Tatsache, wie er die quälenden Konflikte, die Einsamkeit und die Nöte seiner Zeit — des einzelnen, der Klasse, der Nation und der Menschheit — zutiefst erlitt und erlebte und zugleich dieser Einsamkeit und all der Schrecknisse Herr zu werden vermochte. Darauf gerade gründet sich sein überzeugender historischer und persönlicher Optimismus. Erleben, übernehmen und bewahrend aufheben — dies bestimmte auch sein Verhältnis zur literarischen und ideologischen Avantgarde. Jözsef war mit seiner Dichtung in den Entwicklungsprozeß der europäischen Lyrik seiner Zeit fest eingebunden: Indem er sich zahlreiche Errungenschaften des Expressionismus, des Surrealismus und Konstruktivismus zu eigen machte, formte er seine moderne dichterische Sprache, seine kühne Bildtechnik und neuartigen Kompositionen. Er integrierte diese Mittel in eine eigenständige feste Struktur, in eine harmonische, sinnvolle und zielbewußte Ordnung und gelangte damit zu einer gedanklich präzisen Aussage. Unter den europäischen Dichtern seiner Zeit hatte sein Gespür für die Form und die Vielfalt der Melodien und Rhythmen wohl kaum seinesgleichen. Nach den Ismen der Avantgarde schien es, als seien die regelmäßigen klassischen Formen an reaktionäre Inhalte gebunden; so pflegten die Versemacher in Hitlers Umkreis einen Neoklassizismus. Jözsef überwand diese falsche Alternative: Er sprach die revolutionären Inhalte und Tendenzen seiner Zeit aus und wies zugleich die Existenzberechtigung und Wichtigkeit von Melodie, Rhythmus, straffer Komposition und der sowohl regelgebundenen als auch variablen Versform nach. Damit schuf er auf höherer Stufe eine spezifische Synthese neuen Typs: die moderne klassische Dichtung. Und schließlich erinnert auch unsere heutige Welt, in der der Mensch im Großen wie im Kleinen sich der eigenen Fesseln und Fehler zu entledigen sucht, um mittels seiner Vernunft und mit Hilfe der Wissenschaft immer neue Bereiche zu erobern, unwillkürlich an Jözsefs Lyrik. Denn in ihr wird dieses Zeitalter beschworen: der Weg zu den Sternen, der unendliche Glaube an die Kraft des „Geistes und der Liebe" 4 2 5 und — trotz der eigenen finsteren Zeit — der Glaube an den Menschen, an seine Fähigkeiten und Größe. Und wäre nichts anderes, so doch dieser auf die Zukunft gerichtete Humanismus, der Jözsef den großen Gestalten der Weltliteratur seiner Zeit zur Seite stellt. Dieser sozialistische Humanismus ist vermutlich die 11 A. Jözsef
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wichtigste Botschaft unserer Zeit, deren Größe wir gerade in unseren Tagen zu begreifen beginnen. In der ungarischen Literatur stand József in der revolutionären Tradition Petöfis und Adys und entwickelte dieses Erbe weiter, indem er eine Synthese der besten Bestrebungen der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen schuf. In seiner Zeit war er einsam; heute sehen wir ihn in einer Reihe mit den Großen seiner Zeit. Doch auch in der ungarischen Kunst hatte er Geistesverwandte, wie am Beispiel des großen ungarischen Komponisten Béla Bartók und eines herausragenden Vertreters der ungarischen sozialistischen Malerei, Gyula Derkovits, belegt wurde. Für die heutige ungarische Literatur ist Attila Józsefs Lebenswerk von entscheidender Wichtigkeit. Das neue Ungarn bekennt sich zu ihm; seine Isolation ist aufgehoben, die Verbreitung, wissenschaftliche Aufarbeitung und Wertung seines Lebenswerks verhalfen ihm zur Anerkennung im In- und Ausland. Die Fortsetzung seines Werkes ist in vielen Richtungen möglich. Beispielhaft ist und bleibt es für jene künstlerische Bestrebung, hinter der Kompliziertheit und den Disharmonien der Oberfläche das Gesetz, das Wesentliche zu erkennen und Harmonien der Wirklichkeit nachzugehen. József verkörpert die Haltung eines Dichters, der denen die Treue hält, aus deren Mitte er gekommen ist: dem Volk der Straße und der Erde. 4 2 6 Er stellte an sich den Anspruch, Vaterland und Welt gleichzeitig im großen gedanklichen Zusammenhang zu sehen; sein Beispiel ermutigt Ungarns Dichter, die volle Entfaltung der Freiheit und des ganzen Menschen von der Arbeiterklasse zu erwarten und mit ihr gemeinsam zu verwirklichen.
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Anmerkungen
Abkürzungen Ady
— Endre Ady: összes versei (Sämtliche Gedichte). Bd. 1, Budapest 1972. Jözsef —Attila Jözsef: összes müvei (Sämtliche Werke). Bd. 1—3, Budapest 1955, Bd. 4, Budapest 1967. Jözsef, Gedichte — Attila Jözsef: Gedichte. 3. vermehrte Aufl. Budapest 1978. Ung. Dichtung — Ungarische Dichtung aus fünf Jahrhunderten. Hg. v. Stephan Hermlin u. György Mihäly Vajda. Budapest 1970. 1 Kaiser Franz (1778-1835), der älteste Sohn Kaiser Leopolds II., wurde 1792 ungarischer König und 1804 Kaiser von Österreich. Er regierte bis 1806 unter dem Namen Franz II. als deutschrömischer Kaiser. 2 Attila Jözsef: An der Donau. Dt. Nachdichtg. v. Stephan Hermlin. In: Ung. Dichtung, S. 260. 3 Attila Jözsef: Aron Jözsef. In: Jözsef, Bd. 1, S. 314. 4 Das Komitat Temes gehört heute zur Sozialistischen Republik Rumänien. Es war seinerzeit der Verwaltung des süd-östlichen Teils von Ungarn unterstellt. 5 Die Kumanen sind ein türkischsprachiges Nomadenvolk, das im 9. Jahrhundert in den Steppen West-Sibiriens auftauchte. Im Jahre 1239 flohen viele ihrer Stämme vor den Mongolen; sie wurden von den ungarischen Königen in der Donau-Theiß-Gegend sowie an den Flüssen Koros und Maros seßhaft gemacht und dem Christentum zugeführt. 6 Attila Jözsef: Curriculum vitae. In: Jözsef, Bd. 4, S. 34. 7 Attila Jözsef: Meine Mutter. Dt. Nachdichtg. v. Stephan Hermlin. In: Jözsef, Gedichte, S. 76. 8 Attila Jözsef: Elegie. Dt. Nachdichtg. v. Martin Bischoff. 9 Ebenda. 10 Attila Jözsef: Ajtöt nyitok (Ich öffne eine Tür). Dt. Interlinearübertrag, v. Paul Kärpati. In: Jözsef, Bd. 2, S. 129. 11 Attila Jözsef: Masse. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Ung. Dichtung, S. 244. 12 Attila Jözsef: Csoszogi, az örög suszter (Der alte Schuster Csoszogi). In: Jözsef, Bd. 4, S. 12.
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13 Vgl. Attila Jözsef: Elegie. Dt. Nachdichtg. v. Mattin Bischoff. 14 Attila Jözsef: Am Rand der Stadt. Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke. In: Ung. Dichtung, S. 248. 15 Mör Jökai (1825—1904), Schriftsteller, bedeutendster und populärster Vertreter der ungarischen romantischen Prosa. 16 Attila Jözsef: De szeretnek gazdag lenni (Wie sehr möchte ich reich sein). Dt. Interlinearübertrag, v. Paul Kärpäti. In: Jözsef, Bd. 2, S. 249. 17 Jolän Jözsef (1899—1950), ältere Schwester von Attila Jözsef, erzog den Dichter seit 1919 mehrere Jahre lang. Sie schrieb überdies einen Lebenslauf und den ersten biographischen Roman über ihn. 18 Die Ungarische Räterepublik (21. März — 1. August 1919) war die erste Diktatur des Proletariats auf ungarischem Boden. Auf Grund der schwierigen Situation nach dem ersten Weltkrieg sah sich das liberale Bürgertum gezwungen, die Macht an die Sozialdemokraten abzutreten. Diese scheuten das Wagnis einer alleinigen Regierungsbildung, verbündeten sich mit den Kommunisten und versicherten sich der Unterstützung der hinter ihnen stehenden Massen. Die aus Kommunisten und Sozialdemokraten vereinigte Ungarische Sozialistische Partei bildete den revolutionären Regierungsrat, der die Geschicke des Landes im Geiste der proletarischen Revolution lenkte. Nach 133 Tagen wurde die Rätemacht durch die Kräfte der ungarischen Reaktion von innen wie von außen und durch die militärische Übermacht der Interventionstruppen der Entente gestürzt. 19 Infolge der blutigen Niederschlagung der Ungarischen Räterepublik durch die ausländische Intervention rissen äußerst reaktionäre Gruppen die Macht an sich und wüteten auf grausamste Weise unter der revolutionären Arbeiterklasse und der linken Intelligenz. Seit Anfang August 1919 veranstalteten die Offizierskorps unter dem Befehl Miklös Horthys einen Vernichtungsfeldzug gegen die Anhänger der Diktatur des Proletariats. Sie verfolgten die Werktätigen und fortschrittlichen Kräfte der Intelligenz, sezten sie ständigen Schikanen aus, kerkerten sie ein und brachten viele von ihnen um. 20 Attila Jözsef: Verspätetes Klagelied. Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke. In: Ung. Dichtung, S. 257. 21 Attila Jözsef: Nach der Beerdigung. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Sinn und Form 11 (1959) 3, S. 364. 22 Die Salesianer sind eine katholische Ordensgemeinschaft, die u. a. in dem Ort Nyergesüjfalu, im nord-westlichen Teil Ungarns, eine Niederlassung hatten. 23 Attila Jözsef: Curriculum vitae. In: Jözsef, Bd. 4, S. 34. 24 Miklös Horthy (1868—1957) kam nach der Niederschlagung der Ungarischen Räterepublik an die Macht und war von 1920 bis 1944 Reichsverweser Ungarns. Als Organisator und Leiter des weißen Terrors praktizierte er eine volksfeindliche Politik und bemühte sich um die Festigung des konterrevolutionären faschistoiden Regimes zwischen den beiden Weltkriegen. 25 Unter dem Titel A S^epseg holdusa (Bettler der Schönheit) erschien 1922 in Szeged Attila Jözsefs erster Gedichtband. 164
26 Nem £n Kiältok (Nicht ich bin's, der schreit) wurde 1925 als zweiter Gedichtband Attila J ö z s e f s herausgegeben. 27 D i e völkisch-nationale Dichtung entfaltete sich in den Jahren zwischen 1850 und 1860, erstarrte in dem folgenden Jahrzehnt zur „amtlichen" Literatur und stellte bereits am E n d e des Jahrhunderts eine dem A k a d e m i s m u s und E p i gonentum verfallene, lebensunfähige Schule dar. Ihre Anhänger beriefen sich auf die Volksdichtung und auf das dichterische Schaffen Sändor Petöfis und J a n o s Aranys, interpretierten diese jedoch falsch und verwässerten den revolutionären bzw. kritischen Gehalt ihrer Werke. D i e völkisch-nationale Schule erwies sich gegenüber den zu Beginn des 20. Jahrhunderts a u f k o m m e n d e n modernen Richtungen als ein unerbittlicher Gegner. 28 Sändor Petöfi (1823—1849), hervorragendste Dichterpersönlichkeit der ungarischen Lyrik des 19. Jahrhunderts v o n weltliterarischem R a n g . Als Wortführer der revolutionären Intelligenz setzte er sich in den vierziger Jahren sowie in der Revolution und im Freiheitskampf 1848/49 für radikale, ja sogar sozialistische Ideen ein. I m Zeichen eines plebejisch-revolutionären D e m o kratismus vereinigte seine Lyrik die zwei großen Bestrebungen der E p o c h e : den Willen nach gesellschaftlicher Umwälzung und nach nationaler Unabhängigkeit. 29 Mihäly Babits: Petöfi koszorüi ( K r ä n z e für Petöfi). I n : Mihäly Babits: Összegyüjtött versei (Gesammelte Gedichte). Budapest 1974, S. 274. 30 Attila J ö z s e f : Petöfi tüze (Petöfis Feuer). I n : Jözsef, Bd. 1, S. 75. 31 Daniel Berzsenyi (1776—1836), ungarischer Meister antiker
Versformen,
brachte am stärksten die inneren weltanschaulichen K ä m p f e des ungarischen Adels zur Jahrhundertwende zum Ausdruck. Sein poetisches Schaffen nimmt in der Geschichte der ungarischen Literatur ungefähr den gleichen Platz ein wie Hölderlins Lebenswerk in der deutschen. 32 Mihäly Vörösmarty (1800—1855), Dichter und Dramatiker, eine der größten Gestalten der
ungarischen Romantik und des Reformzeitalters — jenes
bewegten und produktiven Zeitabschnittes der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als das liberal-fortschrittliche nationale Bewußtsein erstarkte. A l s Lehrmeister Petöfis beteiligte er sich aktiv an den gesellschaftspolitischen wie kulturellen Bewegungen seiner Zeit. 33 J ä n o s
Arany (1817—1882),
bedeutender
Dichter
und
Schriftsteller
des
19. Jahrhunderts. Als Gefährte und Verbündeter Petöfis setzte er nach dessen T o d die volkstümlich-nationale Dichtung demokratischen Geistes fort. 34 E n d r e A d y : Irodalmi häborgäs es szocializmus (Literarischer Aufruhr und Sozialismus). I n : E n d r e A d y : Välogatott cikkei es tanulmänyai (Ausgewählte Studien und Artikel). Budapest 1954, S. 255. 35 E n d r e Ady (1877—1919), Dichter und Publizist v o n weltliterarischem Rang. E r ist Bahnbrecher und Repräsentant der modernen ungarischen Lyrik des 20. Jahrhunderts, eine der bedeutendsten Dichterpersönlichkeiten der ungarischen Literatur insgesamt.
In seinen
gesellschaftlichen
Anschauungen
gelangte er v o m bürgerlichen Radikalismus bis hin zur Sympathie mit der
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sozialistischen Arbeiterbewegung; in seinem lyrischen Weltbild finden sich der erbittertste Protest gegen die Unmenschlichkeit des Krieges wie die Sehnsucht nach der proletarischen Revolution. Mit Recht wird er als geistiget Vorläufer der Ungarischen Räterepublik betrachtet. 36 Die Zeitschrift Njugat (1908—1941) war im Hinblick auf Niveau und Wirkungspotential das bedeutendste Organ der sich zu Beginn unseres Jahrhunderts entfaltenden modernen bürgerlichen, antifeudal-demokratischen literarischen Erneuerung. Diese Zeitschrift verhalf den progressiven bürgerlichen Schriftstellern zum Durchbruch im Kampf gegen jeglichen Konservatismus, Nationalismus und Provinzialismus in der Kultur. 37 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bildete sich eine politische Richtung heraus, deren Vertreter aus einzelnen Schichten der bürgerlichen Intelligenz und des Kleinbürgertums kamen. Diese wandten sich im Zeichen eines bürgerlichen Liberalismus gegen die feudalen Überreste und die konservativ-reaktionäre Politik der herrschenden Kreise. 38 Ferenc Molnär (1878—1952), Publizist und Schriftsteller, einer der bekanntesten Vertreter der ungarischen Dramenliteratur des 20. Jahrhunderts im Ausland. Sein Jugendroman Die Jungen von der Paulstraße hatte einen großen Publikumserfolg. 39 Endre Ady: A Jövendö feherei (Die Weißen der Zukunft). In: Ady, Bd. 1, S. 301. 40 In Adys Lyrik verschmelzen Errungenschaften des nationalen ungarischen Erbes und der Volksdichtung mit der fortschrittlichen bürgerlichen Dichtung seiner Zeit zu einer Einheit. 41 Endre Ady: A Hadak ütja (Die himmlische Heerstraße). In: Ady, Bd. 1, S. 196. — Die Bezeichnung „Himmlische Heerstraße" für die Milchstraße entstammt der ungarischen Sagenwelt. Ady bezieht sich hier auf den Glauben, daß die wiederauferstandenen Vorfahren auf diesem Himmelsweg zurückkehren, um ihren in Not und Elend geratenen Nachkommen zu helfen. In seinem Gedicht steht „Himmlische Heerstraße" als Symbol der revolutionären Vorbereitung einer gewaltigen Revolutionserwartung. 42 Endre Ady: Härom Baudelaire-szonett (Drei Baudelaire-Sonette). In: Ady, Bd. 1, S. 38. 43 Attila Jözsef: Baal (Baal). In: Jözsef, Bd. 2, S. 273. 44 Endre Ady: Ima Baal Istenhez (Gebet zu Gott Baal). In: Ady, Bd. 1, S. 16. 45 Attila Jözsef: A vergödö diäk (Der Student in Not). In: Jözsef, Bd. 1, S. 13. 46 Endre Ady: A befalazott diäk (Der eingemauerte Student). In: Ady, Bd. 1, S. 89. 47 Märta Gebe, Tochter des Gymnasiallehrers von Attila Jözsef, der gleichzeitig die Internatsleitung des Maköer Gymnasiums innehatte. Sie inspirierte Attila Jözsef zu seinen frühen Liebesgedichten. 48 Märia-Caca Espersit, ebenfalls Adressat seiner frühen Liebesgedichte. Sie ist die Tochter des radikalen Maköer Anwalts Jänos Espersit (1879—1931), der engen freundschaftlichen Kontakt zu Malern und Schriftstellern pflegte, bei
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dem Jözsef eine Zeitlang wohnte. Er machte Jözsef mit dessem ersten Lehrmeister, dem Dichter Gyula Juhäsz, bekannt. 49 Endre Ady: Auf dem Ungarischen Brachland. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Ung. Dichtung, S. 159. 50 Attila Jözsef: Teged siratlak . . . (Dich beweine ich . . .). In: Attila Jözsef: összes versei (Sämtliche Gedichte). Budapest 1975, S. 50. 51 Attila Jözsef: Istenjäräs (Gott geht um). In: Ebenda, S. 49. 52 Attila Jözsef: Istentelen büs sarkvideken (Im gottlosen trüben Polarland). In: Ebenda, S. 389. 53 Ebenda. 54 Endre Ady: Das winterliche Ungarn. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Ung. Dichtung, S. 166. 55 Endre Ady: A nacionalizmus alkonya (Die Dämmerung des Nationalismus). In: Viläg (Welt) v. 25. Dez. 1910. 56 Endre Ady: A fajtäm sorsa (Mein geschlagenes Volk). In: Endre Ady: összes versei (Sämtliche Gedichte). Budapest 1977, S. 592. 57 Endre Ady: Proletär fiü verse (Gedichte des Proletarierjungen). In: Ady, Bd. 1, S. 304. 58 Endre Ady: Veres panorämäk tavaszän (Im Lenz blutiger Panoramen). In: Ady, Bd. 1, S. 667. 59 Endre Ady: Neue Frühlingsheerschau. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Endre Ady: Der verirrte Reiter. Berlin 1977, S. 56. 60 Endre Ady: März des Feuers. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Endre Ady: Gedichte. Budapest 1977, S. 111. 61 Attila Jözsef: Kraftlied. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 14. 62 Attila Jözsef: Proletärok (Proletarier). In: Jözsef, Bd. 1, S. 71. 63 Attila Jözsef: Marsch der Jungen. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 12. 64 Endre Ady: Neue Frühlingsheerschau. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Endre Ady: Der verirrte Reiter. Berlin 1977, S. 56. 65 Endre Ady: A perc-emberkek utän (Nach den Menschlein des Augenblicks). In: Ady, Bd. 1, S. 615. 66 Attila Jözsef: Komor bücsüzäs (Der düstere Abschied). In: Jözsef, Bd. 1, S. 82. 67 Endre Ady: Ki lätott engem? (Wer sah mich?). In: Ady, Bd. 1, S. 613. 68 Attila Jözsef: Ady emlekezete (Ady zum Gedächtnis). In: Jözsef, Bd. 2, S. 23. 69 Attila Jözsef: Ady-viziö (Ady-vision). In: Jözsef, Bd. 3, S. 15—26. — Dieser Artikel Jözsefs war ein Beitrag zu einer im Jahre 1929 breit angelegten Diskussion über Wert und Aktualität der Adyschen Dichtung. Jözsef bediente sich dabei des durch den Titel initiierenden Wortspiels „Vision" — „Revision". 70 Die Kurutzendichtung kam Ende des 17,/Anfang des 18. Jahrhunderts auf.
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Sie geht ursprünglich auf Lieder der zu jener Zeit am Freiheitskampf gegen H a b s b u r g Beteiligten bzw. der später im Land herumziehenden
Räuber
zurück. E n d e des 19. Jahrhunderts entstand dann nach diesem Muster — v o r allem in Kreisen, die mit ihrer durch die Österreichisch-Ungarische Monarchie bedingten Situation unzufrieden waren — eine patriotische Dichtung, die sich in der T o n g e b u n g an die Kurutzenlieder anlehnte. Diesen gleichsam zur M o d e gewordenen Gedichttyp eignete sich A d y auf neue Weise an, indem er ihn in den R a n g einer revolutionären, später Antikriegsdichtung h o b . 71 Attila J ö z s e f : Ide üjra a szeretet jön (Hierher k o m m t Liebe aufs neue). I n : Jözsef, Bd. 1, S. 153. 72 Berta Boncza — mit dem Kosenamen Csinszka — (1894—1934) war die Ehefrau E n d r e A d y s . D i e seltene Harmonie und reine Liedhaftigkeit der ihr gewidmeten Gedichte erklären sich in A d y s Lyrik aus der Flucht vor den Schrecken des Krieges und seiner sich zusehends verschlimmernden Krankheit in eine glückliche Liebe. 73 Attila J ö z s e f : Holzfäller. D t . Nachdichtg. v. Franz Fühmann. I n : U n g . Dichtung, S. 241. 74 Attila J ö z s e f : Szeged alatt (Unterhalb Szegeds). I n : Jözsef, B d . 1, S. 29. 75 Gyula J u h ä s z (1883—1937), Dichter und Schriftsteller, gehörte zum Kteis der Zeitschrift Njugat.
E r war eine prominente Gestalt der ungarischen Dichtung
im 20. Jahrhundert, verehrte A d y und entdeckte und unterstützte Attila Jözsef. In seinen Gedichten besingt er in verhaltener, melancholisch gestimmter Weise die Schönheit und die Landschaften der ungarischen Tiefebene. 76 Szeged liegt im Süd-Osten Ungarns an der M ü n d u n g der M a r o s in die Theiß. D i e Stadt ist eines der größten industriellen, kulturellen und Verwaltungszentren Ungarns. 77 Gyula J u h ä s z : Nefelejcs (Vergißmeinnicht). Szeged 1921. 78 D a s oppositionelle liberale Blatt Munka (Arbeit), das in Szeged erschien, stellte sich A n f a n g der zwanziger Jahre wiederholt vor Attila Jözsef und verteidigte ihn in beherzter Weise. 79 Gyula J u h ä s z : A märciusi läz ( D a s März-Fieber). D t . Interlinearübertrag, v. Paul Kärpäti. I n : Gyula J u h ä s z : Összes versei (Sämtliche Gedichte). Budapest 1974, S. 451. — In diesem Gedicht bezieht sich Juhäsz auf die A u s r u f u n g der Ungarischen Räterepublik am 21. März 1919. 80 Gyula J u h ä s z : Neues Geständnis. D t . Nachdichtg. v. Annemarie Bostroem. I n : Ung. Dichtung, S. 186. 81 D e r nach B e e n d i g u n g des ersten Weltkrieges unterzeichnete Friedensvertrag v o n Trianon besiegelte die Abtrennung der in ihrer Mehrheit v o n Nationalitäten bewohnten Gebiete v o n Ungarn. D a m i t wurde jedoch nicht nur der gerechte Anspruch der Nationalitäten auf Selbstbestimmung
sanktioniert,
sondern es wurden auch v o n Ungarn bewohnte Gebiete jenen Nachbarstaaten zugesprochen, die mit den Ententeländern verbündet waren. U m v o n den tatsächlichen inneren Problemen abzulenken und den Klassenkampf zu
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unterdrücken, nahmen die ideologischen Propagandisten des Horthy-Regimes dies zum Anlaß ihrer abenteuerlichen politischen Revanchepläne sowie chauvinistischen nationalen Einheitsbestrebungen. 82 Attila Jözsef: Juhäsz Gyulähoz (An Gyula Juhäsz). In: Jözsef, Bd. 1, S. 31.— Jözsef verweist hier auf ein von ihm besonders bevorzugtes Juhäsz'sches Gedicht, das den Schmerz über ein resigniertes, erfolgloses Leben zum Ausdruck bringt. Dieses Gedicht geht auf die Inspiration durch eine Schauspielerin mit dem Vornamen Anna zurück und gehört zu den besten Gedichten von Juhäsz. 83 Ebenda. 84 In Kiszombor — einem Dorf in der Gegend zwischen Makö und Szeged — verbrachte Jözsef seine Sommerferien und verdiente sich seinen Unterhalt als Hauslehrer bzw. als Hüter auf einem Maisfeld. 85 Jänos Tornyai (1869—1936), Maler, wandte sich in seinen realistischen Darstellungen der ungarischen Provinz und dem Dorf zu. In seinen von dramatischer Expressivität durchdrungenen Szenen und farblich verhaltenen Landschaftsbildern stellte er die Tragik und das Elend des Bauernschicksals überzeugend dar. 86 Jözsef Koszta (1861—1949), einer der bedeutendsten Vertreter der sogenannten Richtung des Alfölds; er setzte die Tradition der realistischen Malerei fort und schuf eine Kunst, die in ihrer Anschauung plebejisch-demokratisch war. Er wandte sich in seiner expressiv realistischen Malerei den bäuerlichen Themen und der Landschaft der Tiefebene zu. 87 Lajos Kärolyi (1877—1927) ließ sich in Makö, später in Szeged nieder. Er malte lyrische Landschaften und tief in sich gekehrte Porträts, insbesondere Selbstbildnisse. 88 Attila Jöszef: Juhäsz Gyulähoz (An Gyula Juhäsz). Dt. Interlinearübertrag, v. Paul Kärpäti. In: Jözsef, Bd. 1, S. 31. 89 Attila Jözsef: Aratäs elött (Vor der Erntezeit). In: Ebenda, S. 19. 90 Attila Jözsef: Aratäsban (Bei der Ernte). In: Ebenda, S. 20. 91 Attila Jözsef: A jämbor tehen (Die brave Kuh). In: Ebenda, S. 22. 92 Attila Jözsef: Az Istenek halnak, az Ember el (Die Götter sterben, der Mensch lebt). In: Jözsef, Bd. 3, S. 58. 93 Attila Jözsef: Juhäsz Gyuläröl valö nöta (Alte Weise über Gyula Juhäsz). In: Jözsef, Bd. 1, S. 117. 94 Gyula Juhäsz: Egynemelyekröl (Über mancherlei). Dt. Interlinearübertrag, v. Paul Kärpäti. In: Gyula Juhäsz: összes versei (Sämtliche Gedichte) Budapest 1974, S. 413. 95 Attila Jözsef: Juhäsz Gyuläröl valö nöta (Alte Weise über Gyula Juhäsz). Dt. Interlinearübertrag, v. Paul Kärpäti. In: Jözsef, Bd. 1, S. 117. 96 Gyula Juhäsz: Epitäfium (Grabschrift). Dt. Interlinearübertrag, v. Paul Kärpäti. In: Gyula Juhäsz: Összes versei (Sämtliche Gedichte). Budapest 1966, S. 251. 97 Gyula Juhäsz: finek (Gesang). In: Ebenda, S. 410.
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98 Attila József: Herbst. Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke. In: József, Gedichte, S. 126. 99 Gyula Juhász: Falusi éjszaka (Dorfnacht). In: Gyula Juhász: Összes versei (Sämtliche Gedichte). Budapest 1974, S. 275. 100 Attila József: Dorf. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: József, Gedichte, S. 120. 101 Dezsö Kosztolányi (1885—1936), Dichter, Schriftsteller und Publizist, einer der Lehrmeister und Förderer Attila Józsefs. Bedeutende Gestalt der ungarischen bürgerlich-humanistischen Dichtung und Romanliteratur des 20. Jahrhunderts, ein Vertreter der ersten „Nyugat"-Generation. 102 Simon Kemény (1883—1945) war zu der Zeit, als József mit seinen Gedichten debütierte, ein populärer Dichter. Er vermittelte dem jungen Dichter die Posen und Gesten eines Baudelaire und Ady. 103 Attila József: Der Hunger. Dt. Nachdichtg. v. Stephan Hermlin. In: József, Gedichte, S. 11. 104 Ebenda. 105 Ebenda. 106 Attila József: Mein Vaterland. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: József, Gedichte, S. 169-173. 107 Attila József: Részeg a síneken (Der Betrunkene auf dem Gleis). In: József, Bd. 1, S. 33. 108 Attila József: Der Ermüdete. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. 109 Attila József: Bärentanz. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: József, Gedichte, S. 93-94. 110 Paul Verlaine: Die Hirtenstunde. Dt. Nachdichtg. v. Karl Krowlow. In: Paul Verlaine: Gedichte. Leipzig 1970, S. 31. 111 Attila József: Der Ermüdete. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. 112 János Vajda: Am Schilfsee. Dt. Nachdichtg. v. Martin Remané. In: Ung. Dichtung, S. 147-148. 113 János Vajdas (1827-1897) Dichtung, die zwischen 1875 und 1890 ihren Höhepunkt erreichte, weist noch die von Petöfi übernommenen klaren und einfachen Formen, zugleich jedoch auch eine unruhige, intellektuelle, vom Unterbewußtsein mitgeprägte Aussage, wie sie später in Adys Symbolismus voll zum Tragen kommt, auf. Von daher bildet er gleichsam eine Brücke zwischen Petöfi und Ady, ist er der Vorbote einer philosophisch inspirierten Lyrik. 114 Attila József: Ameise. Dt. Nachdichtg. v. Géza Engl. In: József, Gedichte, S. 38. 115 Attila József: Der Ermüdete. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. 116 Attila József: Ode. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Ung. Dichtung, S. 250-254. 117 Attila József: Besinnung. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: József, Gedichte, S. 113-117. 118 Attila József: Der Ermüdete. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. 119 Ferenc Fejtö (geb. 1906), Kritiker und Schriftsteller, gab zusammen mit
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József die fortschrittliche Zeitschrift der Linken S^ép Szó (Schönes Wort) heraus und publizierte — seit 1938 im Ausland lebend — mehrere Studien über Attila József. 120 Ferenc Fejtö: József Attila koltészete (Die Dichtung Attila Józsefs). In: Szép Szó (1938) 21, Bd. 6, H. 1, S. 73. 121 Attila József: Kummer. Dt. Nachdichtg. v. Richard Pietraß. In: József, Gedichte, S. 71. 122 Attila József: Der Ermüdete. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. 123 Béla Bartók (1881—1945) prägte als Komponist und Musikwissenschaftler die Entwicklung der Musik des 20. Jahrhunderts weit über die Grenzen seines Heimatlandes hinaus. Seine Pionierleistung gründet sich nicht zuletzt auf die Sammlung und Veröffentlichung des Folklore-Materials der osteuropäischen und anderer Völker, resultiert überdies auch aus seinem kämpferischen Antifaschismus. Sein Werk, das sich insbesondere durch die Integrierung der Volksmusik und der modernen Dodekaphonie auszeichnet, ist ein Beispiel der organischen Synthese von Volkstümlichkeit und Internationalismus. 124 Zoltän Kodäly (1882—1967), neben Bartók der bedeutendste Vertreter der ungarischen Musik im 20. Jahrhundert. Als Komponist, Musikgelehrter und Pädagoge tätig, erarbeitete er die prinzipiellen und pädagogischen Grundlagen zur Schaffung einer nationalen Musikkultur. Seine musikpädagogische Methode ist in der ganzen Welt bekannt und anerkannt. 125 Béla Baläzs (1884—1949) gelangte — angeregt durch die Musik Bartóks — von fortschrittlichen bürgerlichen Ideen über eine antiimperialistische Einstellung hin zum kommunistischen Weltbild. Er war Dichter und Schriftsteller und einer der international anerkannten Bahnbrecher der sozialistischen Filmästhetik. Nach einem Textbuch von Baläzs schrieb Bartók seine Oper Herzog Blaubarts Burg. 126 József Erdélyis (geb. 1896) literaturhistorisches Verdienst resultiert vor allem daraus, daß er mit seiner frühen Dichtung Anfang der zwanziger Jahre — in der Zeit starker Avantgarde-Bestrebungen — zum Erbe Petöfis und der Volksdichtung zurückkehrte. Seine klaren, liedhaften Gedichtformen, die von einer modernen, d. h. zeitbedingten Ruhelosigkeit und Sensibilität geprägt sind, wirkten auch auf Attila József befreiend. Erdélyi lenkte das Augenmerk auf zeitgemäße Möglichkeiten, sich die Volksdichtung neu zu erschließen. 127 Attila József: Der Ermüdete. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. 128 Attila József: Reinen Herzens. Dt. Nachdichtg. v. Géza Engl. In: József, Gedichte, S. 29 (Tiszta szivvel. In: József, Bd. 1, S. 210). 129 Attila Józsefs dritter Gedichtband erschien 1929 in Budapest unter dem Titel Nincsen Apàm, Sc Anyàm (Hab weder Vater noch Mutter). 130 In der Gedichtsammlung Uj Anlbológia (Neue Anthologie), die Mihäly Babits, zusammengestellt und mit einer Einleitung versehen, als Publikation des Nyugat herausgegeben hatte, sind auch einige Gedichte von József enthalten. 171
131 Der sechste Gedichtband Jözsefs, der 1934 unter dem Titel Medvetänc (Bärentanz) in Budapest erschien, stellt eine kritische Auswahl seiner Gedichte dar. 132 Kata Kddär ist eine allgemein bekannte ungarische Volksballade, in der das Motiv der zwei voneinander getrennten Liebenden aufgenommen ist, die letztlich in den Freitod getrieben werden. 133 Jözsi Jenö Tersänszky (1888—1969), Vertreter der ungarischen Prosa des 20. Jahrhunderts. Anfang der zwanziger Jahre schrieb er den ersten Band der Lebensgeschichte des Marci Kakuk, eines kecken, gutmütigen Landstreichers, der außerhalb der Gesellschaft lebt. Dieses Werk, das zu den erfolgreichsten Tersänszkys gehört, hatte auch den jungen Jözsef tief beeindruckt. 134 Imre Bori (1929) lebt in Jugoslawien und arbeitet als ungarischer Literaturhistoriker insbesondere auf dem Gebiet der Erforschung moderner Bestrebungen der ungarischen Literatur des 20. Jahrhunderts. 135 Imre Bori: A Tiszta szivveltöl a Mediliäkig (Von Keinen Herfens zu den Medaillons). Adalekok Jözsef Attila költeszetenek egy szakaszähoz (Beiträge zu einem Abschnitt der Jözsefschen Dichtung). In: A Noviszädi Bölcseszettudomänyi Kar fivkönyve 6. 1961. Novi Sad 1963, S. 320. 136 Attila Jözsef: Reinen Herzens. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 29. 137 Imre Bori: A Tiszta szivveltöl a Medäliäkig (Von Keinen Herfens bis zu den Medaillons). In: A Noviszädi Bölcseszettudomänyi Kar fivkönyve 6. 1961. Novi Sad 1963, S. 321. 138 Attila Jözsef: Rebellierender Christus. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Jözsef, Gedichte, S. 16—17. — Auf Grund dieses Gedichtes wurde Jözsef wegen Gotteslästerung verurteilt, jedoch später von der übergeordneten Gerichtsinstanz freigesprochen. 139 Attila Jözsef: Reinen Herzens. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 29. 140 Ebenda. 141 Attila Jözsef: Medaillons. Dt. Nachdichtg. v. Ernst Jandl u. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 62. 142 Attila Jözsef: Reinen Herzens. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 29. 143 Ebenda. 144 Andor Nemeth: Jözsef Attila (Attila Jözsef). Budapest 1944, S. 31—32. 145 Istvän Kiräly: Ady Endre (Endre Ady). Bd. 2. Budapest 1972, S. 159. 146 Antal Horger (1872—1946). Sprachwissenschaftler und Universitätsprofessor. Als Dekan der Szegeder Universität hatte er ganz im Sinne der rechten klerikalen Kulturpolitik Jözsef wegen eines seiner Gedichte schwerste Bestrafung angedroht. 147 Attila Jözsef: Szeretnenek (Sie würden mich lieben). In: Jözsef, Bd. 1, S. 346. 148 Im Jahre 1942 wurden die sterblichen Überreste Jözsefs von Balatonszärszö,
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•wo er 1937 den Tod gefunden hatte und begraben worden war, nach Budapest übergeführt. 149 Andor Németh: Jôzsef Attila (Attila Jôzsef). Budapest 1944, S. 31—32. 150 Attila Jôzsef: Das Holz wird ausgeladen. Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke. In: Jözsef, Gedichte, S. 150. 151 Jözsef Rêvai: Jôzsef Attila (Attila Jözsef). Budapest 1974, S. 23 [Esztétikai Kiskönyvtär (Kleine Bibliothek der Ästhetik).] 152 Jôzsef Rêvai (1898—1959), Politiker, Literaturhistoriker und Publizist, bedeutende Persönlichkeit der ungarischen Arbeiterbewegung und der marxistischen Gesellschaftswissenschaften — Autor einiger bedeutender Studien zur ungarischen marxistischen Literaturgeschichte; schrieb u. a. auch über Attila Jözsef. 153 Lajos Dézsi (1868—1932) forschte insbesondere auf dem Gebiet der alten ungarischen Literatur; bei ihm besuchte Jözsef während seiner Szegeder Studentenzeit Vorlesungen und Seminare. 154 Lajos Hatvany (1880—1961) gehörte zum engen Freundeskreis Adys und war Mitbegründer der Zeitschrift Nyugat. Als linker bürgerlicher Schriftsteller, Kritiker, Literaturhistoriker und -organisator war er vor allem um die moderne Literatur bemüht. Nach dem Sturz der Ungarischen Räterepublik war er in Österreich und in Deutschland ein führender Publizist der fortschrittlichen bürgerlichen Emigration. In der Ady- wie in der Petöfi-Forschung erzielte er hervorragende wissenschaftliche Ergebnisse. 155 Lajos Hatvany: Jözsef Attila (Attila Jözsef). In: Magyar Hirlap (Ungarisches Nachrichtenblatt), v. 26. Mai (1929) 117, S. 23. 156 Ignotus (Hugo Veigelsberg 1869—1949), Chefredakteur der Zeitschrift Nyugat und begeisterter Anhänger von Ady. Als Dichter, Schriftsteller und Kritiker führte er zur Jahrhundertwende an vorderster Front einen Kampf gegen die zu dieser Zeit vorherrschende intolerante konservative Literaturpolitik und setzte sich für die Autonomie der Literatur ein. 157 Ignotus: Vers és verselés (Gedicht und Verskunst). In: Ignotus välogatott irasai (Ausgewählte Schriften Ignotus'). Budapest 1969, S. 556—557. 158 Attila Jözsef: Curriculum vitae. In: Jözsef, Bd. 4, S. 34—37. 159 Gabor Gaäl (1893—1954), marxistischer Literaturkritiker zwischen den beiden Weltkriegen. Er trat zudem als Publizist und Pädagoge hervor, gab die in Cluj erscheinende ungarische marxistische Zeitschrift Korunk (Unsere Zeit) heraus und wurde nach der Befreiung eine der führenden Persönlichkeiten des ungarischen geistigen Lebens in Rumänien. 160 Cluj ist eines der Kulturzentren der in Rumänien lebenden Ungarn. 161 Charles Baudelaire: Die Blumen des Bösen. Dt. Nachdichtg. v. Sigmar Löffler u. Dieter Tauchmann. Leipzig 1973. 162 Das Collegium Hungaricum wurde in Wien als ein Institut für wissenschaftliche Forschung gegründet, stand jedoch zwischen den beiden Weltkriegen im Dienst einer chauvinistischen Kulturpolitik und -diplomatie. 163 Georg Lukâcs lebte nach der Niederschlagung der Ungarischen Räte-
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republik eine gewisse Zeit in Wien. Hier in der Emigration traf er mit Attila Jözsef zusammen. 164 Jözsef Attila Jözsef Jolännak (Brief Attila Jözsefs an Jolän Jözsef). In: Jözsef Attila välogatott levelezese (Ausgewählte Briefe Attila Jözsefs). Brief Nr. 91. Budapest 1976, S. 108. 165 Jözsef Attila Jözsef Jolännak. Brief Nr. 98. In: Ebenda, S. 115. 166 Attila Jözsef: Einleitung. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Sinn und Form 11 (1959) 3, S. 369. — In diesem Gedicht wendet sich Jözsef an seine Schwester Jolän, die er halb ironisch, halb im Scherz Lidi nennt. Dabei vergleicht der Dichter sich selbst mit Batu Khan, dem Herrscher des MongolenWeltreichs im Mittelalter, indem er scherzhaft auf scheinbare mongolische Züge seines Gesichts verweist. Das Mongolenheer Batu Khans verwüstete im Jahre 1241 Ungarn. 167 Lajos Kassäk (1887—1967) gilt als einer der bedeutendsten Repräsentanten der avantgardistischen literarischen Richtungen im Ungarn des 20. Jahrhunderts. Der Dichter, Schriftsteller, Maler und Redakteur war die führende Gestalt der ungarischen Aktivisten. 168 sl Tett (Die Aktion bzw. Tat) wurde von Lajos Kassäk als aktivistische Zeitschrift für Literatur und Kritik in den Jahren 1915/16 herausgegeben. Dieses erste ungarische avantgardistische Presseorgan wurde jedoch von der Polizei auf Grund der fortschrittlichen antimilitaristischen Beiträge verboten. Daraufhin gründete Kassäk unter dem Titel MA. (Heute) eine neue Zeitschrift (1916—1925), die im Geist der linken, mit dem Sozialismus sympathisierenden Avantgarde das Programm ihrer Vorgängerin fortsetzte. 169 Lörinc Szabö (1900—1957), Dichter und Übersetzer, gehörte zu den Lyrikern der Generation nach Ady. 170 Attila Jözsef: Kraftlied. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 14. 171 Attila Jözsef: Tanitäsok (Lehren). In: Jözsef, Bd. 1, S. 54. 172 Attila Jözsef: Nicht ich bin's, der schreit. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann, In: Jözsef, Gedichte, S. 24. 173 Attila Jözsef: Endlich. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Ung. Dichtung, S. 237-238. 174 Attila Jözsef: Frost. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. 175 Jözsef Attila levele Gäspär Endrenek (Brief Attila Jözsefs an Endre Gäspär). Brief Nr. 100. In: Jözsef Attila Välogatott levelezese (Ausgewählter Briefwechsel Attila Jözsefs). Budapest 1976, S. 120-122. 176 Attila Jözsef: Ameise. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 38. 177 Attila Jözsef: Attila Jözsef. Dt. Nachdichtg. v. Stephan Hermlin. In: Ung. Dichtung, S. 238. 178 Attila Jözsef: Gesang junger Frauen. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Jözsef, Gedichte, S. 39-40. 179 Istvän Bethlen (1874—1947) trug nach dem Abklingen des Weißen Terrors
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in der Funktion des Ministerpräsidenten (1921—1931) mit zu einer gewissen Stabilisierung und Konsolidierung der Herrschaft der reaktionären Klassen bei. Nach seinem Rücktritt spielte Graf Bethlen im politischen Leben noch eine bedeutende Rolle als Ratgeber des Reichsverwesers Horthy. 180 Als neubarock bezeichnete die Opposition — in Anlehnung an die im Ungarn der zwanziger Jahre in Mode gekommene barockorientierte Architektur — die wichtigtuerischen, antidemokratischen gesellschaftlichen Umgangsformen des konsolidierten reaktionären Herrschaftssystems. Sie prangerte dabei insbesondere die Autoritätsbezeugungen und Rangeinstufungen sowie herrschaftliche Allüren an. 181 Attila Jözsef: Endlich. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Ung. Dichtung, S. 237. 182 Attila Jözsef: Nincsen Apäm, Se Anyäm (Hab weder Vater noch Mutter). Budapest 1929. 183 Attila Jözsef: Ich segne dich mit Frohsinn. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 49. 184 Attila Jözsef: Korallenkette. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. 185 Attila Jözsef: Die schwerste meiner Sorgen. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 52. 186 Attila Jözsef: Wiegelied. Dt. Nachdichtg. v. Stefan Frommer. In: Jözsef, Gedichte, S. 51. 187 Attila Jözsef: Leg deine Hand. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Ung. Dichtung, S. 239. 188 Attila Jözsef: Medaillons. Dt. Nachdichtg. v. Ernst Jandl u. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 59—63. 189 Attila Jözsef: Lang ist unser Herrgott. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 54. 190 Attila Jözsef: Ermutigungslied. Dt. Nachdichtg. v. Peter Hacks. In: Ung. Dichtung, S. 240. 191 Attila Jözsef: Dal. Ket dal (Lied. Zwei Lieder). In: Jözsef, Bd. 1, S. 320-321. 192 Attila Jözsef: Szeretnenek (Sie würden mich lieben). In: Jözsef, Bd. 1, S. 346. 193 Attila Jözsef: Einleitung. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Sinn und Form 11 (1959) 3, S. 369. 194 Attila Jözsef: Villämok szeretöje (Geliebter des Blitzes). In: Jözsef, Bd. 1, S. 141. 195 Attila Jözsef: Tökehaszonballada (Ballade vom Profit). In: Jözsef, Bd. 2, S. 96. 196 Attila Jözsef: Trost. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Ung. Dichtung, S. 265-266. 197 Attila Jözsef: Besinnung. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Jözsef, Gedichte, S. 113-117. 198 Attila Jözsef: Wiegelied. Dt. Nachdichtg. v. Stefan Frommer. In: Ebenda, S. 51. 199 Attila Jözsef: Korallenkette. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau.
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Marta Vagö: Jözsef Attila (Attila Jözsef). Budapest 1975. Attila Jözsef: Gyöngy (Die Perle). In: Jözsef, Bd. 1, S. 329. Attila Jözsef: Elegie. Dt. Nachdichtg. v. Martin Bischoff. Attila Jözsef: An der Donau. Dt. Nachdichtg. v. Stephan Hermlin. In: Ung. Dichtung, S. 258-261. 204 Attila Jözsef: Miöta elmentel (Seit du fortgingst). In: Jözsef, Bd. 1, S. 338. 205 Attila Jözsef: Öhsziv! Nyugodj! (Oh Herz! Ruh nun!). In: Ebenda, S. 340. 206 Attila Jözsef: Zuzmara (Rauhreif). In: Ebenda, S. 341. 207 Attila Jözsef: Piros hold körül (Rings um den roten Mond). In: Ebenda, S. 342. 208 Ebenda. 209 Märta Vägö: Jözsef Attila (Attila Jözsef). Budapest 1975, S. 100. 210 Attila Jözsef: Medaillons. Dt. Nachdichtg. v. Ernst Jandl u. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 59—63. 211 Attila Jözsef: Förgeteg (Der Gewittersturm). In: Jözsef, Bd. 1, S. 333. 212 Attila Jözsef: A legutolsö harcos (Der letzte Kämpfer). In: Ebenda, S. 98. 213 György Dözsa (1472—1514), Führer des ungarischen Bauernaufstandes von 1514. Nach der Niederwerfung wurde Dözsa hingerichtet. Um seine Gestalt bildete sich eine außerordentlich starke Tradition heraus, die — u. a. durch die Vermittlung zahlreicher Schriftsteller und Dichter, so z. B. Petöfi und Ady — jahrhundertelang Bestandteil der Ideologie und der Traditionen der revolutionären Klassenkämpfe war. 214 Gyula Derkovits (1894—1934), Maler und Graphiker, eine der größten Gestalten der ungarischen bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts. Er stützte sich auf die Errungenschaften des Expressionismus und schuf eine völlig eigenständige Formensprache: eine meisterhafte Mischung von strenger Bildkonstruktion, lyrischer Farbgebung und ausdrucksstarker Menschengestaltung; unverwechselbar in seiner revolutionären Aussage. 215 Die politische, kulturelle und künstlerische Zeitschrift 100°/g erschien als legales Organ der illegalen Kommunistischen Partei in den Jahren 1927—1930 in Ungarn. Geleitet wurde die Zeitschrift durch die in Wien lebenden ungarischen kommunistischen Emigranten, die mit den in Ungarn lebenden Kommunisten sowie linksstehenden Schriftstellern und Kritikern zusammenarbeiteten. Mit der Verhaftung des in Ungarn lebenden Redakteurs Aladär Tamäs — eines der aktivsten Vertreter der literarischen Arbeiterbewegung — stellte die Zeitschrift ihr Erscheinen ein. 216 Die im Jahre 1925 ins Leben gerufene Miklös-Bartha-Gesellschaft war das Sammelbecken einer radikal eingestellten Jugend, die — bei aller politischen und ideologischen Divergenz — die Unzufriedenheit mit der Konsolidierung der reaktionären Klassen vereinte. Als Jözsef an der Arbeit dieser Gesellschaft aktiv teilnahm, stand insbesondere die Situation des ungarischen Agrarproletariats und der armen Bauernschaft auf der Tagesordnung. Zur Wende von den zwanziger zu den dreißiger Jahren rückte in die Leitung dieser Gesellschaft eine linksorientierte Gruppe auf, die sich dem Marxismus
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annäherte und zu dieser Zeit ein klares Übergewicht zu einem Teil ihrer Mitglieder darstellte, die rechts standen. 217 Das politische Wochenblatt Elöörs (Vorposten) wurde von Endre BajcsyZsilinszky in den Jahren von 1928 bis 1932 herausgegeben. Dieses Organ erwies sich als Sprachrohr rechter Ansichten, meldete jedoch zugleich auch Forderungen nach wichtigen gesellschaftlichen Reformen an. Damit setzte die Linksorientierung Bajcsy-Zsilinszkys ein. 218 Attila Jözsef: Ki a faluba (Raus aufs Dorf!). In: Jözsef, Bd. 3, S. 197-204. 219 Attila Jözsef: Ungarisches Tiefland. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Ung. Dichtung, S. 239-240. 220 Ebenda. 221 Istvän Desi Huber (1895-1944) schuf als Maler und Graphiker Werke, die sich in ihrer revolutionären Aussage mit dem Standpunkt der Arbeiterklasse identifizierten. Als ein Freund Jözsefs, wurde er von dessen Dichtung zu mehreren seiner Bilder inspiriert und porträtierte am getreuesten Attila Jözsef. 222 Attila Jözsef: Tiszazug. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. 223 Attila Jözsef: Dörmögö (Der Brummbart). In: Jözsef, Bd. 2, S. 10. 224 Attila Jözsef: Frost. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. 225 Ebenda. 226 Lajos Nagy (1883—1954), Novellist und Romanautor, gehörte zum Freundeskreis Attila Jözsefs. Namhafter Vertreter der ungarischen sozialistischen Prosaliteratur; seine Werke zeichnen sich durch eine genaue Beobachtung und schonungslose Kritik der Wirklichkeit sowie durch einen sachlichen Stil aus. 227 Attila Jözsef: Esö (Regen). In: Jözsef, Bd. 2, S. 58. 228 Andräs Fodor (geb. 1929), Dichter und Übersetzer, schrieb u. a. ein Buch über Attila Jözsef, das 1971 unter dem Titel S^olj költemeny (Dichtung sprich!) erschien. 229 Attila Jözsef: Tote Gegend. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. 230 Das Alföld ist als das charakteristische ungarische Tiefland im allgemeinen Bewußtsein des Ungarn verankert. Von daher brachten die ungarischen Dichter ihr Verhältnis zum Vaterland, ihre Meinung über die jeweilige Situation Ungarns häufig im Bild dieser Landschaft zum Ausdruck. 231 Attila Jözsef: Dorf. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Ung. Dichtung, S. 255-257. 232 Attila Jözsef: Tote Gegend. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. 233 Attila Jözsef: Nacht in der Vorstadt. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 89-92. 234 Attila Jözsef: Mein Vaterland. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Ebenda, S. 169-173. 235 Attila Jözsef: Am Rand der Stadt. Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke. In: Ung. Dichtung, S. 250. 236 Ebenda, S. 247-250.
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237 Attila Jözsef: Nacht in der Vorstadt. Dt. Nachdichtg. v. Géza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 89-92. 238 Attila Jözsef: Mein Vaterland. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Ebenda, S. 169. 239 Attila Jözsef: Nacht in der Vorstadt. Dt. Nachdichtg. v. Géza Engl. I n : Ebenda, S. 92. 240 Attila Jözsef: Endlich. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Ung. Dichtung, S. 238. 241 Attila Jözsef: Masse. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Ebenda, S. 243 bis 245. 242 Die Sozialistische Arbeiterpartei Ungarns wurde auf Initiative der Kommunistischen Partei Ungarns im Jahre 1925 als legale Deckorganisation gegründet. Ihre Tätigkeit wurde indessen mit dem seit 1927 sich verschärfenden Polizeiterror in zunehmendem Maße erschwert. 243 Péter Pâl Lakatos (1898-1959) stand in freundschaftlicher Verbindung zu Attila Jözsef. Der Publizist und sozialistische Schriftsteller war seit 1928 Mitglied der Miklös-Bartha-Gesellschaft und trat 1929 in die illegale Kommunistische Partei ein. 1931 gehörte Lakatos zum Kreis der Zeit-
schrift 100°/g. 244 Jözsef Sollner (1896—1957) gehörte zu den näheren Bekannten Jözsefs. Sollner — von Beruf Goldschmied — war Gründungsmitglied der Kommunistischen Partei Ungarns und einer der besten wie populärsten Propagandisten der illegal abgehaltenen Seminare. 245 Zoltân Fâbry (1897—1970), marxistischer Literaturkritiker zwischen den beiden Weltkriegen. Er setzte sich für eine antifaschistisch orientierte, kommunistische Volksfront-Plattform ein und wurde nach der Befreiung zur führenden Persönlichkeit des ungarischen literarischen Lebens in der Tschechoslowakei. 246 Jözsef Attila levele Fâbry Zoltânnak (Brief Attila Jözsefs an Zoltan Fâbry). Brief Nr. 190. In: Jözsef Attila vâlogatott levelezése (Ausgewählter Briefwechsel Attila Jözsefs). Budapest 1976, S. 277. 247 Gyula Andräsfi (geb. 1908) nahm bereits mit sechzehn Jahren an der Arbeiterbewegung teil, trat 1930 in die illegale Kommunistische Partei ein und wurde 1931 Parteisekretär des Bezirks Ûjpest. Während des zweiten Weltkrieges war der Schuhmacher Andräsfi einer der Führer der Üjpester Partisanenbewegung. Auf Grund seiner Erinnerungen rekonstruierte die Literaturgeschichte zum Teil Attila Jözsefs kulturelle Aktivitäten innerhalb der illegalen Kommunistischen Partei. 248 Andrâs Köves (geb. 1900) — in der Arbeiterbewegung kampferprobt — wurde in den dreißiger Jahren mit Jözsef näher bekannt und gab insbesondere Auskünfte über Jözsefs Kulturarbeit innerhalb der illegalen Partei. 249 Die „Wolfner-Zelle" war in dem Bezirk Üjpest-Räkospalota tätig. Besonders zur Arbeiterschaft dieses nördlichen Industriebezirkes von Budapest hielt Jözsef Verbindung.
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250 Attila József: Döntsd a tokét (So hau den Stamm um). Budapest 1931. 251 Attila József: Nacht in der Vorstadt. Dt. Nachdichtg. v. Géza Engl. In: József, Gedichte, S. 8 9 - 9 2 . 252 Attila József: Mécs László koltészete (Die Dichtung von László Mécs). In: József, Bd. 3, S. 100—104. — Über den populären katholischen Priesterdichter jener Jahre — László Mécs (geb. 1895) — bemerkte József, daß „die kleinbürgerlichen Massen seine Gedichte schrieben". 253 Attila József: Ahogy azt a nagy Móricz elképzeli (Wie sich das der große Móricz vorstellt). In: József, Bd. 3, S. 105—108. — Zsigmond Móricz (1879—1942) — ein Freund Endre Adys — war zeitweilig Redakteur der Zeitschrift Njugat. Er gilt als der bedeutendste ungarische Romancier und Novellist zwischen den beiden Weltkriegen. 254 Attila József: Kassák Lajos 35 verse (35 Gedichte Lajos Kassáks). In: József, Bd. 3, S. 110-114. 255 Attila József: Marxista munkásoktatás (Marxistische Arbeiterschulung). In: Ebenda, S. 109-110. 256 Attila József: Fiatalságunk és a népmüvészet (Unsere Jugend und die Volkskunst). In: Ebenda, S. 114-116. 257 Attila József: Természettudomány és marxizmus (Naturwissenschaft und Marxismus). In: Ebenda, S. 116—120. 258 Attila József: Egyéniség és valóság (Individuum und Wirklichkeit). In: Ebenda, S. 120-127. 259 Attila József: Az ifjúság nemi problémái (Sexuelle Probleme der Jugend). In: Ebenda, S. 127-134. 260 Attila József: Kapitalista tervgazdaság vagy marxista elmélet? (Kapitalistische Planwirtschaft oder marxistische Theorie?). In: Ebenda, S. 136—140. 261 Döntsd a tokét (So hau den Stamm um) war Józsefs vierter Gedichtband, der im Jahre 1931 erschien. 262 Attila József: Kummer. Dt. Nachdichtg. v. Richard Pietraß. In: József, Gedichte, S. 71. 263 Attila József: Holzfäller. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Ung, Dichtung, S. 241. 264 Attila József: Sommer. Dt. Nachdichtg. v. Géza Engl. In: József, Gedichte, S. 70. 265 Ebenda. 266 Attila József: Sozialisten. Dt. Nachdichtg. v. Géza Engl. In: Ebenda, S. 80. 267 Attila József: Masse. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Ung. Dichtung, S. 243-245. 268 Antal Hidas (geb. 1899), kommunistischer Dichter, Schriftsteller und Übersetzer, schuf eine Reihe von Gedichten und Liedern, die zum Gemeingut der ungarischen sozialistischen Arbeiterschaft wurden. Er emigrierte nach der Niederschlagung der Ungarischen Räterepublik im Jahre 1920 in die Slowakei und von dort später in die Sowjetunion. Hier hatte er bei der 12«
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Schaffung der literaturpolitischen Zeitschrift Sarló ès Kalapäcs (Sichel und Hammer) eine bedeutende Rolle gespielt. Làszló Gereblyés (1904—1968), kommunistischer Dichter und Übersetzer, war einer der Organisatoren der ungarischen Exilliteratur in Frankreich, wohin er 1938 emigrierte. In der französischen Armee kämpfte er gegen die Faschisten. Aladär Tamäs (geb. 1899) betätigte sich als Dichter, Schriftsteller, Kritiker und Übersetzer. In den Jahren von 1927—1930 edierte er die legale Zeitschrift der Ungarischen Kommunistischen Partei 100°/g. Attila József: Masse. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Ung. Dichtung, S. 243-245. Attila József: Döntsd a tókét (So hau den Stamm um). Budapest 1931. Attila József: Büza (Weizen). In: József, Bd. 2, S. 85. Attila József: Masse. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Ung. Dichtung, S. 243-245. Attila József: Sozialisten. Dt. Nachdichtg. v. Géza Engl. In: József, Gedichte, S. 79-80. Attila József: Büza (Weizen). Dt. Interlinearübertrag, v. Paul Kärpäti. In: József, Bd. 2, S. 85. Szàntó Judit József Attilàról (Judit Szàntó über Attila József). In: Kritika (1972) 7, S. 5. Attila József: Aradat (Flut). In: József, Bd. 2, S. 39. Das finnische Nationalepos Kalevala gründet sich auf die Sammlung der Volksdichtung von Elias Lönnrot. Der Volkskundler schuf aus den überlieferten ursprünglichen Liedern des Volkes ein einheitliches Werk. Béla Vikar (1859-1945), Folklore-Forscher, Schriftsteller und Übersetzer, gehörte zu den ersten, die das Folklore-Material mittels Phonographie sammelten. Für die Literaturgeschichte bedeutsam ist überdies seine KalevalaÜbersetzung ins Ungarische. Attila József: Pàrbeszéd (Zwiesprache). In: József, Bd. 2, S. 41. Attila József: Betlehem (Bethlehem). In: Ebenda, S. 17. Attila József: Betlehemi kirälyok(Drei Könige inBethlehem). In: Ebenda, S. 18. Attila József: Kummer. Dt. Nachdichtg. v. Richard Pietraß. In: József, Gedichte, S. 71. Die Cantata profana von Béla Bartók aus dem Jahre 1930 gehört zu seinen bedeutendsten Schöpfungen. Die in ihr erzählte Geschichte der Verwandlung eines Jungen in einen Hirsch geht auf eine ursprünglich rumänische Volksballade zurück. Attila József: Akàcokhoz (An die Akazien). In: József, Bd. 2, S. 14. Ebenda. Ebenda. Attila József: Kispolgär (Kleinbürger). In: Ebenda, S. 33. Attila József: Meine Mutter. Dt. Nachdichtg. v. Stephan Hermlin. In: József, Gedichte. S. 76-77. Attila József: Anyäm (Meine Mutter). In: József, Bd. 2, S. 34.
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2 9 2 Imre Sallai (1897—1932) spielte bereits zur Zeit des ersten Weltkrieges in der antimilitaristischen Bewegung eine aktive Rolle. E r war Gründungsmitglied der Ungarischen Kommunistischen Partei und stellvertretender Leiter des Volkskommissariats für innere Angelegenheiten während der Ungarischen Räterepublik. Sallai emigrierte nach der Niederschlagung der Räterepublik nach Wien, dann nach Moskau und war zwischenzeitlich in der illegalen Bewegung in Ungarn tätig, bis er 1931 als Leiter der Kommunistischen Partei in Ungarn aus Moskau zurückkehrte. 293 Sändor Fürst ( 1 9 0 3 - 1 9 3 2 ) schaltete sich 1925 in die illegale Arbeit ein und war seit 1926 Mitglied der Ungarischen Kommunistischen Partei. Seit 1928 gehörte er dem Zentralkomitee der Partei an und wurde auf Grund seiner Tätigkeit mehrfach zu Gefängnisstrafen verurteilt. 294 Attila Jözsef: A halälbüntetes elleni röpirat (Flugblatt gegen die Todesstrafe). I n : Jözsef, Bd. 3, S. 2 0 4 - 2 0 5 . 295 Gyula Gömbös (1886—1936) war Offizier und führender Politiker des konterrevolutionären Horthy-Regimes nach 1919. Als Ministerpräsident zwischen 1932 und 1936 war er bestrebt, ein faschistisches Herrschaftssystem nach italienischem und deutschem Muster zu etablieren. In seiner Außenpolitik orientierte er sich eindeutig an Hitlerdeutschland. 296 Die Bewegung der „Volkstümler" war eine der wirkungsvollsten schriftstellerischen Gruppierungen des ungarischen literarischen und geistigen Lebens zwischen den beiden Weltkriegen. Sie bestand aus vielen Richtungen: von der mit den Kommunisten verbündeten Linken über ein breites Zentrum bis hin zur rechtsextremistischen, antisemitischen Position vollzogen sich ständig komplizierte ideologische Umgruppierungen innerhalb dieser Bewegung. Ihre größten Errungenschaften indessen sind: die Schaffung einer plebejisch demokratischen Front der Intelligenz, verschiedene Lösungsvorschläge zu einer dringenden radikalen Bodenreform, soziologische Dorfforschungen sowie die damit einhergehende Schaffung der sogenannten „soziographischen" Literatur. Hinsichtlich ihrer Ideologie vertrat diese Bewegung jedoch eine bäuerlich-demokratische nationalistische Konzeption, die Entscheidung für einen sogenannten „dritten W e g " , der als spezifisch ungarisch, zwischen Kapitalismus und Sozialismus angesiedelt, verlaufen sollte und auf einen demokratischen Bauernstaat orientierte. 297 Attila Jözsef: Sag, was wird. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. I n : Ung. Dichtung, S. 247. 298 Jözsef Attila levele Babits Mihälynak (Brief Attila Jözsefs an Mihäly Babits). Brief Nr. 212. I n : Jözsef Attila välogatott levelezese (Ausgewählter Briefwechsel Attila Jözsefs). Budapest 1976, S. 291. 299 Attila Jözsef: Arbeiter. Dt. Nachdichtg. v. Peter Hacks. I n : Jözsef, Gedichte, S. 8 3 - 8 4 . 300 Die Rote Hilfe war eine überparteiliche Solidaritätsorganisation der Arbeiterklasse zur Unterstützung der von der kapitalistischen Klassenjustiz verfolgten revolutionären Kämpfer sowie ihrer Familien.
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301 Attila Jözsef: Die Solidarität. Dt. Nachdichtg. v. Stephan Hermlin. In: Jözsef, Gedichte, S. 81-82. 302 Attila Jözsef: Arbeiter. Dt. Nachdichtg. v. Peter Hacks. In: Ebenda, S. 83. 303 Ebenda, S. 84. 304 Attila Jözsef: Irodalom es szocializmus (Literatur und Sozialismus). In: Jözsef, Bd. 3, S. 92. 305 Attila Jözsef: Arbeiter. Dt. Nachdichtg. v. Peter Hacks. In: Jözsef, Gedichte, S. 84. 306 Ebenda. 307 Andräs Fodor: Szölj költemeny (Dichtung, sprich!). Budapest 1971, S. 126. 308 Attila Jözsef: Nacht in der Vorstadt. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 89-92. 309 Attila Jözsef: Am Rand der Stadt. Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke. In: Ung. Dichtung, S. 247-250. 310 Attila Jözsef: Winternacht. Dt. Nachdichtg. v. Ilse Tielsch-Felzmann. In: Jözsef, Gedichte, S. 95-98. 311 Attila Jözsef: Ode. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Ung. Dichtung, S. 250-254. 312 Attila Jözsef: Elegie. Dt. Nachdichtg. v. Martin Bischoff. 313 Attila Jözsef: Alkalmi vers a szocializmus älläsäröl (Gelegenheitsgedicht über die Stellung des Sozialismus). In: Jözsef, Bd. 2, S. 105. 314 Bence Szabolcsi (1899—1973), international anerkannter ungarischer Musikästhetiker und -historiker, hat in seinem Band Vers es dallam (Gedicht und Lied) auch über die „Lieder" Attila Jözsefs geschrieben. 315 Bence Szabolcsi: Jözsef Attila „dallamai" (Lieder Attila Jözsefs). In: Bence Szabolcsi: Vers es dallam (Gedicht und Lied). Budapest 1972, S. 192—193. 316 Attila Jözsef: Winternacht. Dt. Nachdichtg. v. Ilse Tielsch-Felzmann. In: Jözsef, Gedichte, S. 95. 317 Ebenda, S. 96. 318 Attila Jözsef: Elegie. Dt. Nachdichtg. v. Martin Bischoff. 319 Jözsef Attila nyilatkozata a Brassöi Lapoknak (Interview Attila Jözsefs für die Brassöer Blätter) v. Juli 1936, Nr. 5. 320 Attila Jözsef: Am Rand der Stadt. Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke. In: Ung. Dichtung, S. 247-248. 321 Ebenda, S. 248. 322 Andräs Fodor: Szölj költemeny (Dichtung, sprich!). Budapest 1971, S. 139. 323 Attila Jözsef: Am Rand der Stadt. Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke. In: Ung. Dichtung, S. 250. 324 Ebenda. 325 Attila Jözsef: Ode. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Ebenda, S. 250-254. 326 Sändor Petöfi: Szabadsäg, szerelem . . . (Freiheit, L i e b e . . . ) . In: Petöfi Sändor müvei (Sändor Petöfis Werke). Bd. 1, Budapest 1976, S. 613.
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327 Attila Jözsef: Ars poetica. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 162. 328 Attila Tamäs (geb. 1930), Literaturhistoriker und Kritiker, schrieb über Jözsef mehrere Studien. 329 In Lillafüred, einem Kurort im Nordosten Ungarns, hielt sich Jözsef im Juni 1934 als Teilnehmer eines Schriftstellertreffens auf. 330 Attila Tamäs: A költöi müalkotäs fö sajätsägai (Haupteigenschaften des dichterischen Kunstwerks). Budapest 1972, S. 270-272. 331 Attila Jözsef: Besinnung. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Jözsef, Gedichte, S. 113-117 . 332 Attila Jözsef: Am Rand der Stadt. Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke. In: Ung. Dichtung, S. 250. 333 Attila Jözsef: Egyeniseg es valösäg (Individuum und Wirklichkeit). In: Jözsef, Bd. 3, S. 120-127. 334 Attila Jözsef: Besinnung. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Jözsef, Gedichte, S. 114-116. 335 Elemer Hankiss (geb. 1928), Literatur- und Gesellschaftswissenschaftler, erzielte auf den Gebieten der Poetik, Literatursoziologie und -psychologie bedeutende Forschungsergebnisse. 336 Elemer Hankiss: Jözsef Attila komplex kepei (Die komplexen Bilder Attila Jözsefs). In: Elemer Hankiss: A nepdaltöl az abszurd drämäig (Vom Volkslied zum absurden Drama). Budapest 1969, S. 29-30. 337 Istvän Kiräly: Jözsef Attila (Attila Jözsef). In: Istvän Kiräly: Irodalom es tärsadalom (Literatur und Gesellschaft). Budapest 1976, S. 227. 338 Attila Jözsef: Irodalom es szocializmus (Literatur und Sozialismus). In: Jözsef, Bd. 3, S. 93. 339 Ebenda, S. 97. 340 Attila Jözsef: Ode. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Ung. Dichtung, S. 253. 341 Attila Jözsef: Am Rand der Stadt. Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke. In: Ebenda, S. 250. 342 Attila Jözsef: Trost. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Ebenda, S. 265-266. 343 Attila Jözsef: Bänat II (Kummer II). In: Jözsef, Bd. 2, S. 72. 344 A magyar proletärirodalom plattformtervezete (Plattformentwurf der ungarischen proletarischen Literatur). In: Sarlö es Kalapäcs (Sichel und Hammer). (1931) 6, S. 50-56. 345 Die kulturpolitische Zeitschrift Sarlö es Kalapäcs (Sichel und Hammer) erschien in der Sowjetunion in den Jahren von 1929 bis Oktober 1937. Sie wurde von den dort lebenden ungarischen kommunistischen Emigranten herausgegeben und verfügte über einen Literaturteil. Ihren primären Gegenstand bildeten jedoch politische Probleme und Fragen. 346 Der Russischen Assoziation Proletarischer Schriftsteller (RAPP) gehörte auch eine ungarische Sektion an.
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347 Attila Jözsef: Egysegfront körül (Um die Einheitsfront). In: Jözsef, Bd. 3, S. 140-147. 348 Die Überführung der sterblichen Überreste Jözsefs von Balatonszirszö nach Budapest kann mit als ein Beweis dafür gewertet werden, wieweit Jözsefs Werk gerade unter der ungarischen Arbeiterschaft verbreitet war. 349 Attila Jözsef: Hazäm (Mein Vaterland). In: Jözsef, Bd. 2, S. 215. 350 Attila Jözsef: A hallgatag gep (Die verschwiegene Maschine). In: Attila Jözsef: Összes versei (Sämtliche Gedichte). Budapest 1966, S. 552. 351 Attila Jözsef: A Flöränak cimü vers väzlataiböl (Aus dem Rohentwurf des Gedichts An Flora). In: Jözsef, Bd. 2, S. 316. 352 Attila Jözsef: Az Istenek halnak, az Ember el (Die Götter sterben, der Mensch lebt). In: Jözsef, Bd. 3, S. 48. — Die hier von Jözsef in scharfem Ton vorgetragene Kritik an Mihäly Babits — einem der großen Repräsentanten der ungarischen bürgerlichen Literatur seiner Zeit — ist von Intoleranz geprägt sowie in vielen Punkten unbegründet. 353 Attila Jözsef: Irodalom es szocializmus (Literatur und Sozialismus). In: Jözsef, Bd. 3, S. 78-100. 354 Ebenda, S. 84-85. 355 Ebenda, S. 92. 356 Attila Jözsef: Kisebb töredekek, feljegyzesek (Kleinere Bruchstücke und Aufzeichnungen). In: Ebenda, S. 273. 357 Attila Jözsef: KassäkLajos 35 verse (35 Gedichte Lajos Kassäks). In: Ebenda, S. 110-114. 358 Eine Bewegung der ungarischen jungen Intelligenz in der Tschechoslowakei zwischen 1928 bis 1934. Die Initiative der „Sarlösok" (Sichel-Bewegung) ging von einer bürgerlich-demokratischen Gruppe mit ethnographischem und soziographischem Interesse aus, die die Dörfer aufsuchte und in der die Führung allmählich die Linken, später sogar die Sozialisten übernahmen. Die Mitglieder der „Sarlösok" wandten sich den aktuellen sozialen Problemen zu, hatten Kontakte zur Arbeiterschaft und zur Kommunistischen Partei und setzten sich insbesondere dafür ein, das Bewußtsein der literarischen Zusammengehörigkeit und das demokratische Selbstbewußtsein der Nachbarvölker an der Donau weiter zu fördern. 359 Attila Jözsef: Fiatalsägunk es a nepmüveszet (Unsere Jugend und die Volkskunst). In: Jözsef, Bd. 3, S. 116. 360 Attila Jözsef: Kosztolänyi Dezsö (Dezsö Kosztolänyi). In: Ebenda, S. 169. 361 Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA). 362 Friedrich Engels: Herr Tidmann. Altdänisches Volkslied. In: Marx/Engels, Werke. Bd. 15. Berlin 195 , S. 3 3 - 3 4 . 363 Attila Jözsef: Farsangi lakodalom (Faschingshochzeit). In: Jözsef, Bd. 2, S. 38. 364 Attila Jözsef: Arbeiter. Dt. Nachdichtg. v. Peter Hacks. In: Jözsef, Gedichte, S. 83. 365 Attila Jözsef: Alkalmi vers a szocializmus älläsäröl Ignotusnak (Gelegenheits-
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gedieht über die Stellung des Sozialismus für Ignotus). Dt. Interlinearübertrag. v. Paul Karpäti. In: Jözsef, Bd. 2, S. 105. 366 Attila Jözsef: Luft. Dt. Nachdichtg. v. Annemarie Bostroem. In: Jözsef, Gedichte, S. 147-149. 367 Ebenda, S. 149. 368 Attila Jözsef: Am Rand der Stadt. Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke. In: Ung. Dichtung, S. 249. 369 Attila Jözsef: Szerkesztöi üzenet (Nachricht der Schriftleitung). In: Jözsef, Bd. 3, S. 184-185. 370 Die literaturkritische Zeitschrift S^ep S^p (Schönes Wort) erschien in den Jahren 1936—1939. Die Herausgeber waren Attila Jözsef und Päl Ignotus. Dieses Blatt, um das sich eine Gruppe linker Schriftsteller gesammelt hatte, mußte infolge der zunehmend faschistischen Führung in Ungarn sein Erscheinen 1939 einstellen. 371 Attila Jözsef: A mai költö feladatai (Die Aufgaben des heutigen Dichters). In: Jözsef, Bd. 3, S. 194. 372 Attila Jözsef: An der Donau. Dt. Nachdichtg. v. Stephan Hermlin. In: Ung. Dichtung, S. 261. 373 Attila Jözsef: Mein Vaterland. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Jözsef, Gedichte, S. 173. 374 Attila Jözsef: Grabschrift für einen spanischen Bauern. Dt. Nachdichtg. v. Stephan Hermlin. In: Ung. Dichtung, S. 261. 375 Attila Jözsef: März 1937. Dt. Nachdichtg. v. Stephan Hermlin. In: Ebenda, S. 268-269. 376 Attila Jözsef: Äzsia lelke (Die Seele Asiens). In: Jözsef, Bd. 3, S. 180. 377 Attila Jözsef: Die ewige Ratte. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. 378 Attila Jözsef: Wenn der Mond scheint. Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke. In: Jözsef, Gedichte, S. 129. 379 Attila Jözsef: Die ewige Ratte. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. 380 Attila Jözsef: Besinnung. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Jözsef, Gedichte, S. 115. 381 Istvän Kiräly: Jözsef Attila (Attila Jözsef). In: Istvän Kiräly: Irodalom es tärsadalom (Literatur und Gesellschaft). Budapest 1976, S. 224—226. 382 Attila Jözsef: Thomas Mann zum Gruß. Dt. Nachdichtg. v. Stephan Hermlin. In: Ung. Dichtung, S. 261-262. 383 Jözsef Attila levele Hirsch Albertnenek (Brief Attila Jözsefs an Frau Hirsch). Brief Nr. 286. In: Jözsef Attila välogatott levelezese (Ausgewählter Briefwechsel Attila Jözsefs). Budapest 1976, S. 334. 384 Attila Jözsef: Thomas Mann zum Gruß. Dt. Nachdichtg. v. Stephan Hermlin. In: Ung. Dichtung, S. 262. 385 Attila Jözsef: Geschrei. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Jözsef, Gedichte, S. 144. 386 Attila Jözsef: Unerträglich. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Ebenda, S. 140-143.
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387 Attila Jözsef: Dämmerlicht. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Ebenda, S. 181. 388 Attila Jözsef: Irgalom (Erbarmen). In: Jözsef, Bd. 2, S. 161. 389 Attila Jözsef: Ki-be u g r ä l . . . (Sie springen heraus und herein. . . ) . In: Ebenda, S. 183. 390 Attila Jözsef: Elmaradt öleles miatt (Wegen einer unterlassenen Umarmung blieb sie fort). In: Ebenda, S. 187. 391 Attila Jözsef: Das Inventar steht fest. Dt. Nachdichtg. v. Ernst Jandl. In: Jözsef, Gedichte, S. 146. 392 Flora Kozmutza, Psychologin und spätere Ehefrau des bedeutenden ungarischen Dichters und Schriftstellers Gyula Illyes. 393 Attila Jözsef: Jaj, majdnem (Oh weh, beinahe). In: Jözsef, Bd. 2, S. 165. 394 Attila Jözsef: Dürr werd ich, gebrechlich . . . Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke. In: Jözsef, Gedichte, S. 196. 395 Attila Jözsef: Flora. Dt. Nachdichtg. v. Stephan Hermlin. In: Ung. Dichtung, S. 264. 396 Attila Jözsef: Zu meinem Geburtstag. Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke. In: Ebenda, S. 266-267. 397 Attila Jözsef: Curriculum vitae. In: Jözsef, Bd. 4, S. 37. 398 Attila Jözsef: Ars poetica. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte S. 161-162. 399 Ebenda, S. 161. 400 Ebenda. 401 Ebenda. 402 Ebenda, S. 162. 403 Attila Jözsef: Könnyü, feher ruhäban (In einem leichten, weißen Kleid). In: Jözsef, Bd. 2, S. 225. 404 Attila Jözsef: Gefunden hab ich nun die Heimat . . . Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Jözsef, Gedichte, S. 187. 405 Jözsef Attila levele Bäk Röbertnek (Brief Attila Jözsefs an Robert Bäk). Brief Nr. 370. In: Jözsef Attila Välogatott levelezese (Ausgewählter Briefwechsel Attila Jözsefs). Budapest 1976, S. 384. 406 Attila Jözsef: Luft. Dt. Nachdichtg. v. Annemarie Bostroem. In: Jözsef, Gedichte, S. 149. 407 Attila Jözsef: Winternacht. Dt. Nachdichtg. v. Ilse Tielsch-Felzmann. In: Ebenda, S. 95. 408 Attila Jözsef: Elegie. Dt. Nachdichtg. v. Martin Bischoff. 409 Attila Jözsef: Bärentanz. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Jözsef, Gedichte, S. 93-94. 410 Attila Jözsef: Der kleine Schweinehirt. Dt. Nachdichtg. v. Geza Engl. In: Ebenda, S. 88. 411 Attila Jözsef: Trost. Dt. Nachdichtg. v. Heinz Kahlau. In: Ebenda, S. 112. 412 Attila Jözsef: Elegie. Dt. Nachdichtg. v. Martin Bischoff.
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413 Attila József: Bärentanz. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: József, Gedichte, S. 93-94. 414 Attila József: Der kleine Schweinehirt. Dt. Nachdichtg. v. Géza Engl. In: Ebenda, S. 88. 415 Attila József: A legutolsó harcos (Der letzte Kämpfer). Dt. Interlinearübertrg. v. Paul Kárpáti. In: József, Bd. 1, S. 98. 416 Attila József : Medaillons. Dt. Nachdichtg. v. Géza Engl. In: József, Gedichte, S. 62. 417 Attila József: Winternacht. Dt. Nachdichtg. v. Ilse Tielsch-Felzmann. In: Ebenda, S. 95. 418 Attila József: Besinnung: Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: Ebenda, S. 116. 419 István Király: József Attila (Attila József). In: István Király: Irodalom és társadalom (Literatur und Gesellschaft). Budapest 1976, S. 223. 420 József Révai: József Attila koltészetérôl (Über die Dichtung Attila Józsefs). In: József Révai: Válogatott irodalmi tanulmányok (Ausgewählte literarische Studien). Budapest 1968, S. 307-308. 421 József Attila nyilatkozata (Interview Attila Józsefs). In: Brassói Lapok v. Juli 1936. Nr. 5. 422 Attila József: Dämmerlicht. Dt. Nachdichtg. v. Franz Fühmann. In: József, Gedichte, S. 181. 423 József Révai: József Attila koltészetérôl (Über die Dichtung Attila Józsefs). In: József Révai: Válogatott irodalmi tanulmányok (Ausgewählte literarische Studien). Budapest 1968, S. 302. 424 István Király: József Attila(Attila József). In: István Király : Irodalom és társadalom (Literatur und Gesellschaft). Budapest 1976, S. 221. 425 Attila József: Ars poética. Dt. Nachdichtg. v. Géza Engl. In: József, Gedichte, S. 162. 426 Attila József: A legutolsó harcos (Der letzte Kämpfer). In: József, Bd. 1, S. 98.
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Bibliographie
Primärliteratur (in ungarischer Sprache)
JöZsef> Attila:
Szépség koldusa (Bettler der Schönheit). Versek (Gedichte). Mit e. Vorw. v. Gyula Juhâsz. Szeged: Koroknay nyomda 1922, 48 S. — Nem én kiâltok (Nicht ich bins, der schreit). Szeged: Koroknay nyomda 1925, 110 S. — Nincsen apàm, se anyâm (Hab weder Vater noch Mutter). Versek (Gedichte). Szeged: Génius Kiadö 1929, 61 S. — Döntsd a tôkét, ne sirânkozz (Hau den Stamm um, plärre nicht). Versek (Gedichte). Budapest: Üj Europa Könyvtär 1931, 48 S. — Külvärosi éj (Nacht in der Vorstadt). Jözsef Attila üjabb kôlteményeibôl (Aus den neueren Gedichten Attila Jözsefs). Budapest: Tôrekvés nyomda 1932, 32 S. — Medvetânc (Bärentanz). Vâlogatott kôltemények 1922—1934 (Ausgewählte Gedichte 1922-1934). Budapest: Rêvai Kiadö 1934, 108 S. — Nagyon fâj (Unerträglich). Jözsef Attila versei (Gedichte Attila Jözsefs). Budapest: Cserépfalvi Kiadö 1936, 95 S. — Összes versei és vâlogatott irâsai (Sämtliche Gedichte und ausgewählte Schriften). Sajtö alâ rendezte Németh Andor (Hg. v. Andor Németh). Budapest: Cserépfalvi Kiadö 1938, 567 S. 1 Tafel. — összes versei és müforditäsai (Sämtliche Gedichte und Übersetzungen). Sajtö alâ rendezte Bälint György. III. Pérely Imre (Hg. v. György Bälint. III. v. Imre Pérely). Budapest: Cserépfalvi Kiadö 1940, 544 S. — Curriculum vitae. Tiszta szxvvel. Szûletésnapomra. Szeretnének (Curriculum vitae. Reinen Herzens. Zu meinem Geburtstag. Sie würden mich lieben). Gyoma : Kner Kiadö 1940, 30 S. (Tervezte, szedte és nyomta Kner Mihäly, Kner Izidor kônyvnyomdâjâban, Gyomân, a könyvnyomtatäs 500. évében, 20 példânyban.) (Geplant, gesetzt u. gedruckt in der Buchdruckerei von Mihäly u. Isidor Kner in Gyoma. Im 500. Jahre des Buchdruckes in zwanzig Exemplaren erschienen.) Illyés, Gyula//o'^j-e/, Attila: A nép nevében (Im Namen des Volkes). Pestszentlörinc: Mâtyâs Könyvkiadö 1942, 32 S. Jo^sef, Attila: Vâlogatott lirai versei (Ausgewählte lyrische Gedichte). Budapest: Cserépfalvi Kiadö 1943, 189 S. — Döntsd a tôkét. . . (Hau den Stamm um . ..). Jözsef Attila forradalmi versei (Attila Jözsefs revolutionäre Gedichte). Budapest Cserépfalvi Kiadö 1945, 56 S.
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• Forradalmi yersei (Revolutionäre Gedichte). Budapest: Cserépfalvi Kiadö 1945, 56 S, Összes versei és müforditäsai (Sämtliche Gedichte und Übersetzungen). Sajtô alâ rendezte Bâlint György (Hg. v. Gyälrgy Bâlint). Budapest: Cserépfalvi Kiadö 1945, 544 S. Medvetânc (Bärentanz). Jözsef Attila verse. Gyermekeknek és felnötteknek rajzolta Domjânné (Ein Gedicht Attila Jözsefs. Für Kinder und Erwachsene gezeichnet v. Frau Domjân). Budapest: Cserépfalvi Kiadö 1946, 10 unpaginierte Blätter. összes versei és müforditäsai (Sämtliche Gedichte und Übersetzungen). Sajtö alâ rendezte Bâlint György (Hg. v. György Bâlint). Budapest: Cserépfalvi Kiadö 1947, 516 S. összes versei és müforditäsai (Sämtliche Gedichte und Übersetzungen). Sajtö alâ rendezte Bâlint György (Hg. v. György Bâlint). Budapest: Cserépfalvi Kiadö 1948, 528 S. Valogatott versei (Ausgewählte Gedichte). Barabâs Tibor, Keszi Imre, Németh Andor vâlogatâsâban (Ausgewählt v. Tibor Barabâs, Imre Keszi u. Andor Németh). Budapest: Cserépfalvi Kiadö 1949, 94 S. Döntsd a tôkét, ne sirânkozz (Hau den Stamm um, plärre nicht). Versek (Gedichte). Cluj [Kolozsvâr]: Munkâs Athenaeum [um 1950], 42 S. Altatö. — Kedves Jocö! (Schlaf, kleiner Klaus. — Reich möchte ich gern sein). Rajzolta Läng Judit (Gezeichnet v. Judit Läng). Budapest: Athenaeum Kiadö 1950. [Athenaeum, leporello sorozat 6. (Athenaeum, Leporello-Reihe Nr. 6).] Összes versei (Sämtliche Gedichte). Sajtö alâ rendezte Kardos Läszlö (Hg. v. Läszlö Kardos). Budapest: Rêvai Kiadö 1950, 637 S. Valogatott versei (Ausgewählte Gedichte). Budapest: Szépirodalmi Kiadö 1951. 99 S. [Szépirodalmi Kiskönyvtär 14—15 (Kleine Bibliothek für Belletristik Nr. 14/15).] Összes müvei. 1. Versek 1922-1928. — 2. Versek 1929-1937 (Sämtliche Werke. Bd. 1: Gedichte 1922-1928; 461 S.; Bd. 2: Gedichte 1929-1937; 510 S.) — Zsengék, tôredékek, rôgtônzések. Sajtö alâ rendezte Waldapfel Jözsef, Szabolcsi Miklös (Erstlingsarbeiten, Fragmente und Improvisationen. Hg. v. Jözsef Waldapfel u. Miklös Szabolcsi). Budapest: Akadémiai Kiadö 1952. Valogatott müvei (Ausgewählte Werke). Sajtö alâ rendezte és bevezette Szabolcsi Miklös (Hg. u. Einleitung v. Miklös Szabolcsi). Budapest: Szépirodalmi Kiadö 1952, 462 S. 1 Tafel. [Magyar klasszikusok (Ungarische Klassiker).] Összes versei és müforditäsai (Sämtliche Gedichte und Übersetzungen). Sajtö alâ rendezte és bevezette B. Szabö György (Hg. u. Einleitung v. György B. Szabö). Novi Sad: Testvériség — Egység Kiadö 1952, 562 S. Összes versei (Sämtliche Gedichte). Sajtö alâ rendezte Szabolcsi Miklös (Hg. v. Miklös Szabolcsi). Budapest: Szépirodalmi Kiadö 1954, 686 S. Összes müvei (Sämtliche Werke). 1. Versek 1922-1928 (Bd. 1: Gedichte 1922-1928), 480 S. 15 Tafeln; - 2. Versek 1929-1937 (Bd. 2: Gedichte 1 9 2 9 1937), 531 S. 15 Tafeln. — 2. javitott és bôvitett kiadâs. Zsengék, tôredékek,
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rogtonzések. Sajtó ala rendezte Waldapfel József, Szabolcsi Miklós (Sämtliche Werke. Erstlingsarbeiten, Fragmente und Improvisationen. Hg. v. József Waldapfel u. Miklós Szabolcsi). Budapest: Akadémiai Kiadó 1955. összes versei (Sämtliche Gedichte). Sajtó ala rendezte és utószó Szabolcsi Miklós (Hg. u. mit e. Nachw. v. Miklós Szabolcsi). Budapest: Szépirodalmi Kiadó 1955, 691 S. Összes versei (Sämtliche Gedichte). Sajtó ala rendezte és utószó Szabolcsi Miklós (Hg. u. mit e. Nachw. v. Miklós Szabolcsi). Budapest: Szépirodalmi Kiadó 1955, 611 S. Välogatott versei (Ausgewählte Gedichte). Välogatta és bevezette Simon Istvän (Auswahl u. Einleitung v. Istvän Simon). Budapest: Ifjüsäg Kiadó 1955, 221 S. [A magyar koltészet gyöngyszemei (Perlen der ungarischen Dichtkunst).] Hazäm (Mein Vaterland). Bevezette Juhäsz Ferenc. III. Csernus Tibor (Einleitung v. Ferenc Juhäsz. III. v. Tibor Csernus). Budapest : Szépirodalmi Kiadó 1956, 53 S., 8 Tafeln. [Bibliofil kiadäs (Bibliophile Ausg.)] Összes versei (Sämtliche Gedichte). Sajtó alä rendezte Szabolcsi Miklós (Hg. v. Miklós Szabolcsi). Budapest: Szépirodalmi Kiadó 1956, 691 S. Välogatott versei (Ausgewählte Gedichte). Bevezette Simon Istvän (Einleitung v. Istvän Simon). Budapest: Ifjüsäg Kiadó 1956, 223 S. Összes müvei (Sämtliche Werke). Sajtó alä rendezte Szabolcsi Miklós. Cikkek, tanulmänyok, väzlatok (Hg. v. Miklós Szabolcsi. Artikel, Studien und Skizzen). Budapest: Akadémiai Kiadó 1958. Bd. 3, 468 S. Külvärosi éj. Välogatott versek (Nacht in der Vorstadt. Ausgewählte Gedichte). Välogatta és utószó Szabolcsi Miklós. Bevezette Simon Istvän (Ausgewählt u. mit e. Nachw. v. Miklós Szabolcsi. Einleitung v. Istvän Simon). Budapest: Szépirodalmi Kiadó 1958, 316 S. [Olcsó könyvtär (Billige Bibliothek) 1958. Nr. 42.] Külvärosi éj (Nacht in der Vorstadt). Välogatta és utószó Erdös Magda. 111. Szänto Piroska (Ausgewählt u. mit e. Nachw. v. Magda Erdös. III. v. Piroska Szänto). Budapest: Magyar Helivoc Kiadó 1960, 115 S. Összes versei (Sämtliche Gedichte). Sajtó alä rendezte Szabolcsi Miklós (Hg. v. Miklós Szabolcsi). Budapest: Szépirodalmi Kiadó 1960, 692 S. [Magyar Parnasszus (Ungarischer Parnassus).] Välogatott versek (Ausgewählte Gedichte). In: József Attila élete 1905—1937 (Das Leben Attila Józsefs 1905-1937). Kiad. a KISZ KB Kulturälis Osztälya (Hg. v. Zentralkomitee des Ungarischen Kommunistischen Jugendverbandes, Abteilung Kultur). Budapest: Ifjüsäg Lapkiadó 1960, 119 S. Versek (Gedichte). Bevezette Méliusz József (Einleitung v. József Méliusz). Budapest: Aliami Irodalmi és Muvészeti Kiadó XXIX, 1960, 670 S. Versek (Gedichte). Összeällitotta és bevezette Ambrus Sändor. 111. Abódi Nagy Béla (Zusammengestellt u. Einleitung v. Sändor Ambrus. 111. v. Béla Abodi Nagy). Budapest: Ifjüsäg Kiadó 1960, 272 S. [Tanulók könyvtära (Bibliothek für Studenten) Nr. 1.] 2. Aufl. 1961.
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összes versei (Sämtliche Gedichte). Sajtô alâ rendezte Szabolcsi Miklös (Hg. v. Miklös Szabolcsi). Budapest: Szépirodalmi Kiadö 1961, 573 S. Összes versei (Sämtliche Gedichte). Budapest: Szépirodalmi Kiadô 1961, 571 S. [Aranykönyvtär (Goldene Bibliothek).] összes versei (Sämtliche Gedichte). Sajtô alâ rendezte és utöszö Szabolcsi Miklös. III. Hincz Gyula (Hg. u. mit e. Nachw. v. Miklös Szabolcsi. III. v. Gyula Hincz). Budapest: Szépirodalmi Kiadö 1962, 635 S., 16 Tafeln. Összes versei és muforditâsai (Sämtliche Gedichte und Übersetzungen). Sajtô alâ rendezte Szabolcsi Miklös (Hg. v. Miklös Szabolcsi). Budapest: Magyar Helikon Kiadö 1963, 972 S. [Helikon klasszikusok (HelikonKlassiker).] Lângos csillag. Versek és egy elbeszélés gyermekeknek (Der Stern aus Fladen) Gedichte u. eine Erzählung für Kinder). Vâlogatta Bartöcz Ilona. Hl. Reich Kâroly (Ausgewählt v. Ilona Bartôcz. IU. v. Käroly Reich). Budapest: Möra Kiadö 1965, 32 S. összes versei (Sämtliche Gedichte). Budapest: Magyar Helikon — Szépirodalmi Kiadö 1965, 509 S. Összes versei (Sämtliche Gedichte). Bôvitett, âtdolgozott kiadâs. Sajtô alâ rendezte Szabolcsi Miklös (Erw. u. überarb. Ausg. Hg. v. Miklös Szabolcsi). Budapest: Szépirodalmi Kiadö 1966, 711 S. összes versei (Sämtliche Gedichte). Sajtô alâ rendezte Szabolcsi Miklös (Hg. v . Miklös Szabolcsi). Budapest: Szépirodalmi Kiadö 1967, 508 S. Összes müvei (Sämtliche Werke). Sajtö alâ rendezte Fehér Erzsébet, Szabolcsi Miklös. Novellik, önvallomäsok, müforditäsok (Hg. v. Erzsébet Fehér u. Miklös Szabolcsi. Novellen, Selbstbekenntnisse u. Übersetzungen). Pötläsok az 1—3. Kötetekhez (Ergänzungen zu den Bänden 1—3). Budapest: Akadémiai Kiadö 1967. Bd. 4, 313 S. Irodalom és szocializmus. Vâlogatott esztétikai tanulmânyok (Literatur und Sozialismus. Ausgewählte ästhetische Studien) Vâlogatta, bevezette, jegyzelte Forgâcs Lâszlô (Ausgewählt, Einleitung u. Anmerkungen v. Lâszlô Forgâcs). Budapest: Kossuth Kiadö 1967. 294 S., 1 Tafel. [Esztétikai kiskönyvtär (Kleine Bibliothek für Ästhetik).] Összes versei (Sämtliche Gedichte). Bôvitett kiadâs. Sajtö alâ rendezte Szabolcsi Miklös (Erw. Ausg.; Hg. v. Miklös Szabolcsi). Budapest: Szépirodalmi Kiadö 1971, 550 S. A Dunânâl. Vâlogatott versek (An der Donau. Ausgewählte Gedichte). Sajtö alâ rendezte Szabolcsi Miklös (Hg. v. Miklös Szabolcsi). Budapest: Szépirodalmi Kiadö 1972, 313 S. [Olcsö könyvtär (Billige Bibliothek).] Összegyüjtött versei (Gesammelte Gedichte). Sajtö alâ rendezte Szabolcsi Miklös (Hg. v. Miklös Szabolcsi). Budapest: Magyar Helikon — Szépirodalmi Kiadö 1972, 508 S.
Jo^sef Attila breviârum (Attila Jözsefs Brevier). Vâlogatta és utöszö Péter Lâszlô (Ausgewählt u. mit e. Nachw. v. Lâszlô Péter). Szeged : Szegedi nyomda 1974, 117 S. [Miniatür kiadvâny (Miniaturausgabe).]
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Sekundärliteratur (in ungarischer Sprache) Auswahl Balogb, László: József Attila (Attila József). Budapest: Gondolat Kiadó 1969. 223 S. 14 Tafeln. [Nagy magyar írók (Große ungarische Schriftsteller).] Bóka, László: József Attila. Esszé és vallomás (Attila József. Essay und Bekenntnis). In: Bóka, László: Válogatott tanulmányok (Ausgewählte Studien). Válogatta, szerkesztette Sík Csaba (Ausgewählt u. Redaktion v. Csaba Sik). Budapest: Magvetö Kiadó 1966, S. 131—194. — József Attila költöi eszközei (Attila Józsefs dichterische Mittel). Ebenda, S. 311-338. Bokor, László: József Attila Bécsben (Attila József in Wien). In: „Jöjj el szabadság!". Tanulmányok a magyar szocialista irodalom torténetéból („Freiheit, komm!". Studien zur Geschichte der ungarischen sozialistischen Literatur). Budapest: Akadémiai Kiadó 1967. Bd. 2, S. 81-123. Bori, Imre: A Tiszta sziwel-töl a Medáliákig (Von „Reinen Herzens" zu den „Medaillons"). Adalékok József Attila koltészetének egy szakaszához (Beiträge zu einem Abschnitt der Dichtung Attila Józsefs). In: A noviszádi Bolcsészeti Kar Évkonyve (1961) 6. Novi Sad: 1963, S. 313-335. — A „semmi ágán" („Auf dem Zweig des Nichts"). In: Hid 26 (1962) 12, S. 1115-1129. — József Attila két verse (Zwei Gedichte Attila Józsefs). In: Bori, Imre: Szövegértelmezések (Textanalysen). Újvidék: Fórum Kiadó 1977, S. 116—134. — József Attila kis formái (Die kleinen Formen Attila Józsefs). Ebenda, S. 134—148. Fabián, Dániel: József Attiláról (Über Attila József). Budapest: Kossuth Kiadó 1974. 210 S. (Vervielfältigung). Fejtö, Ferenc: József Attila az útmutató (Der Wegweiser Attila József). József Attila ars poeticája. József Attila koltészete (Attila Józsefs Ars poética). Újvidék: Testvériség-Egység Kiadó 1953, 92 S. Fodor, András: Szólj koltemény (Dichtung, sprich 1). József Attila élete és koltészete (Attila Józsefs Leben und Dichtung). Budapest: Mora Kiadó 1971, 218 S. 12 Tafeln. [Nagy emberek élete (Das Leben großer Persönlichkeiten).] Forgács, László: Jószef Attila esztétikája (Die Ästhetik Attila Józsefs). Budapest: Magvetö Kiadó 1965, 586 S. [Elvek és utak (Prinzipien und Wege).]
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Primärliteratur (in deutscher Sprache) Auswahl Jözsrf, Attila: Die heiligen drei Könige, Übers, a. d. Ung. v. Friedrich Läm. In: Ungarn 2 (1941), S. 33. — Attila Jözsef. Auswahl von Stephan Hermlin. Übertragen von Franz Führaann, Peter Hacks, Stephan Hermlin u.Heinz Kahlau. Berlin: Verlag Neues Leben 1975, 32 S. (Poesiealbum 90). — Man hatte mich gern. Übers, a. d. Ung. v. Friedrich Läm. Ebenda, S. 277. — Mutter. Übers, a. d. Ung. v. Friedrich Läm. In: Ungarn 3 (1942), S. 240. — Neue ungarische Lyrik. Budapest: Ruszkabänyai Verlag 1942. 51 S. — Am Rande der Stadt. 15 Tage unter Glas. Übers, a. d. Ung. v. Friedrich Läm. In: Ungarn 5 (1944), S. 39-40. — Gedichte. Dt. Nachdichtg. v. Stephan Hermlin. In: Hermlin, Stephan: Nachdichtungen. Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag 1957. S. 209-218. — Gedichte. Hg. u. Einleitung v. Stephan Hermlin. Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke, Franz Fühmann, Peter Hacks, Stephan Hermlin, Heinz Kahlau u. Max Zimmering. Berlin-Budapest: Verlag Volk und Welt — Corvina-Verlag 1960, 78 S. 3 Tafeln. — Am Rande der Stadt. — A väros peremen. Ausgewählte Gedichte. Auswahl, dt. Nachdichtg. u. mit e. Nachw. v. Alexander Gosztonyi. III. v. Imre Reiner. St. Gallen-Stuttgart: Tschudy-Verlag 1963, 112 S. (Die Quadrat-Bücher 28-29; zweisprachig). — Gedichte. Hg. u. Einleitung v. Stephan Hermlin. Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke, Franz Fühmann, Peter Hacks, Stephan Hermlin, Heinz Kahlau u. Max Zimmering. III. v. Ferenc Erdelyi. Budapest: Corvina-Verlag 1964, 77 S. — Gedichte. Dt. Nachdichtg. v. Günther Deicke, Franz Fühmann, Peter Hacks, Stephan Hermlin u. Heinz Kahlau. In: Ungarische Dichtung aus fünf Jahrhunderten. Ausgewählt v. György Mihäly Vajda, Tibor Klaniczay u. Miklös Szabolcsi. Mit e. Nachw. v. György Mihäly Vajda. Budapest: Corvina-Verlag 1970, S. 236-268. — Gedichte. Auswahl. Dt. Nachdichtg. v. Annemarie Bostroem, Günther Deicke, Geza Engl, Stefan Frommer, Franz Fühmann, Alfred Gesswein, Peter Hacks, Stephan Hermlin, Ernst Jandl, Heinz Kahlau, Richard Pietrass, Ilse TielschFelzmann u. Max Zimmering. Mit e. Nachw. v. Ervin Gyertyän. Budapest: Corvina-Verlag 1978, 3. vermehrte Aufl., 211 S. — Leben und Schaffen. Hg. u. Einleitung v. Miklös Szabolcsi. Auswahl der Gedichte, Prosaschriften u. Bilder v. Katalin Liptay. Budapest: Corvina-Verlag 1978, 329 S.
196
Sekundärliteratur (in deutscher Sprache) Auswahl Attila József — der größte ungarische Arbeiterdichter. In: Der Schriftsteller 3 (1955) 10, S. 15-17. Der Brief Thomas Manns an Stephan Hermlin. In: Sinn und Form 7 (1955) 5, S. 675-676. Galamb, Edmund: „Makói évek" (Jahre in Makó). Budapest 1941. In: Pester Lloyd (Abendblatt) v. 4. März 1942. S. 6. (Rezension v. -y). Hammer, Franz: Stürm voran, mein Gedicht. In: Neue Deutsche Literatur 3 (1955) 6, S. 157-161. [Kecskeméti] JC., P.: Die Gedichte von Attila József: „Nincsen apâm, se anyâm" (Hab weder Vater noch Mutter). In: Pester Lloyd (Abendblatt) v. 2. März 1929, S.6. Levgyel, Béla: Attila József und Lenin. In: Annales Universitatis Budapestiensis de Rolandi Eötvös nominatae. Sectio philologica Hungarica (1971) Bd. 1, S. 45-53. Morien, Zsigmond: Zu Weihnachten ist's schmerzlicher. Übers, a. d. Ung. v. Leo Lâzâr. In: Pester Lloyd (Weihnachts-Feuilletonbeilage) v. 25. Dezember 1938, S. 3 3 - 3 4 . R ê n y i , Péter: Thomas Mann und Attila József. Zu einer bemerkenswerten Begegnung. In: Weimarer Beiträge 21 (1975) 9, S. 174-177. S^abolcsi, Miklós: Attila József. Essay. Übers, a. d. Ung. v. Géza Engl. In: Sinn und Form 11 (1959) 3, S. 359-385. — Attila József — Gyula Derkovits — Béla Bartók. Übers, a. d. Ung. v. Magda Fehér u. Regina Hessky. Dt. Bearbeitung v. Paul Kàrpàti. In: Wir stürmen in die Revolution. Studien zur Geschichte der ungarischen sozialistischen Literatur. Hg. v. Miklós Szabolcsi, Farkas József u. Laszló Illés. Budapest: Akadémiai Kiadó 1977, S. 109-129. — „Freiheit, komm! Du gebär mir die O r d n u n g . . ." Das antifaschistische Engagement in den Werken Attila Józsefs und Miklós Radnótis. Übers, a. d. Ung. v. Frank R. Mützel u. Georg Lück. In: Verteidigung der Menschheit. Hg. v. Edward Kowalski. Berlin: Akademie-Verlag 1975. S. 287—306. (Slawistische Studien und Texte). — Nationale Tradition, Avantgarde, sozialistische Synthese. Die Dichtung Attila Józsefs. In: Literaturen europäischer sozialistischer Länder. Universeller Charakter und nationale Eigenart sozialistischer Literatur. Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag 1975, S. 307-325. S^erb, Antal: Attila József. In: Pester Lloyd (Morgenblatt) v. 26. Juni 1938, S. 15-16. Thomas Mann grüßt den toten Attila József. In: österreichische Volksstimme v. 14. Mai 1955, S. 4.
197
Turöc^i-Trostler, Jözsef: Neue Lyrik. Jözsef Attila: Külvärosi cj (Nacht in der Vorstadt). Budapest 1932. In: Pester Lloyd (Abendblatt) v. 3. Dezember 1932, S.4. — Bärentanz. Jözsef Attila: Medvetänc. Budapest 1934. In: Pester Lloyd (Abendblatt) v. 15. Januar 1935, S. 5. — Attila Jözsef: Nagyon fäj (Unerträglich). Budapest 1937. In: Pester Lloyd (Morgenblatt) v. 7. Februar 1937, S. 18. — Veszi, Endre: Attila Jözsef, der große ungarische Arbeiterdichter. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 121 (1954) 13, S. 281-282.
Der Nachdruck „Stephan Hermlin über Attila Jözsef" erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlages Berlin und Weimar aus: St. H. „Lektüre 1960-1971", 2. Auflage 1975.
Personenregister
Ady, Endre
7 18 19 2 0 - 2 8 37 40 50
Engels, Friedrich
134 135
69 70 73 76 162 1 6 5 - 1 6 6 167 168
Erdélyi, József
38 41 171
170 173 174 176 179
Espersit, Jânos
166—167
Andrâsfi, Gyula
Apollinaire Guillaume Aragon, Louis
Espersit, Maria-Caca
86 178 8 48
Fâbry, Zoltân
156 160
Arany, Jânos Babits, Mihâly 184
Gaâl, Gâbor
37 38 94 101 156 158
162 171 180 174
Baudelaire, Charles
7 28 47 170
Becher, Johannes R. Bergson, Henri Bethlen, Istvân Boncza, Berta
8 52 89 156 160
18 165 59 1 7 4 - 1 7 5
41 172
Brecht, Bertolt
Gereblyés, Lâszlô
89 180
Gießwein, Sândor
15
Goethe, Johann Wolfgang von Göll, Ivan
52
Gömbös, Gyula
97 181 13
Guilbeaux, Henri
52 156
8 61 94
Gyertyân, Ervin
33
126
Hankiss, Elemér
Derkovits, Gyula
18
69 74 162 176
Dési Huber, Istvân
70 177
46 173 69 176
Eichendorff, Joseph
8
156 160
Hatvany, Lajos
124, 183 46 48 173
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 126 Heine, Heinrich Heraklit
47 57
66
Hermlin, Stephan
7
Hidas, Antal
89 179
Hitler, Adolf
97 128 161
199
33
70
Guillén, Nicolas
Croce, Benedetto
Eluard, Paul
56 21 166
126
Csokonai Vitéz, Mihâly
Dózsa, Gyòrgy
Gebe, Marta
Gorki, Maxim
168
Boutroux, Emile
46 173
Gâspâr, Endre
Gogh, Vincent van
126
Berzsenyi, Dâniel
97 128 181
70 177
37 171
Bartok, Béla
Dézsi, Lajos
74 103 177
Franz II., deutschrömischer Kaiser 163 Fürst, Sândor
Balâzs, Béla
Bori, Imre
35 1 7 0 - 1 7 1
Fodor, Andrâs
17 28 30 40 131 171
Bajcsy-Zsilinszky, Endre
Batu Khan
86 178
Fejtô, Ferenc
18 165
21 16C
118
Morgenstern, Christian
Hölderlin, Johann Christian Friedrich 8 165
Móricz, Zsigmond
Horger, Antal (Anton) Horthy, Miklós
44 46 151 172
Mussorgski, Modest
164 175
Hugo, Victor
47 151
Hume, David
126
Nagy, Lajos
46 173 185 Illyés, Gyula
Jessenin, S. A. Jókai, Mór
14 164 174
Révai, József
2 0 - 2 8 30 32 33 167
168 169 Kahlau, Heinz
58
Kanehl, Oskar
52
Kàrolyi, Lajos
26 169
Kassäk, Lajos
4 9 - 5 0 51 54 87 133
Kiräly, Istvän Kodàly, Zoltän Koszta, József
160
37 38 171
Kosztolänyi, Dezsö
28 30 133 170
86
178
Kozmutza, Flora
149 186
Lakatos, Peter Pài
86 178
14 48 86 134
Lönnrot, Elias
180
Lorca, Federico Garcia Lukäcs, Georg
38 156
48 1 7 3 - 1 7 4
Luppol, I. K .
134
Majakowski, W . W .
8 38 52 160
15 59
Mann, Thomas 139 145 146 103, 118 134 87 179
Molnàr, Ferenc
33 47
Schönlank, Bruno
89
86 178
Szabó, Lórinc
51 174
Szabolcsi, Bence
19 166
101 182
86 87 93 98 149 89 176 180
Tamàs, Attila
111 183
Tersànszky, Jenô Józsi Tornyai, Jànos
26 169
Köves, Andräs
Lenin, W . I.
97 128 181
Tamâs, Aladàr
28 170 44 125 144 157
67 68
Schiller, Friedrich
Szàntó, Judit
8
10 11
45 157 159 173
Sollner, József
174 Kemény, Simon
126 8
Ringelnatz, Joachim S aliai, Imre
Keats, John
52
Pöcze, Borbäla (Borcsa)
13 164
József, Jolàn
Mécs, Làszló
1 7 - 1 8 57 76 110 162
Poe, Edgar Allan
10
Marx, Karl
Petöfi, Sàndor
Plechanow, G. W .
József, Aron
Makai.Ödön
156 160
Pinthus, Kurt 34
38
Juhàsz, Gyula
43 44
Neruda, Pablo
165 170 171 173 176
186
Jammes, Francis
37
74 177
Németh, Andor
Ignotus, Pài (d. i. Veigelsberg, Hugo)
67 68
87 179
Tucholsky, Kurt Vàgó, Marta
41 172
26 169 89
59 6 2 - 6 4 67 68 69
Veigelsberg, Hugo siehe Pài Ignotus Vajda, Jànos
34 170
Verhaeren, Emile Verlaine, Paul Vikàr, Béla
47 52 100
32 33
94 180
Villon, François
40 43 48 6 1 - 6 2 117
134 Vörösmarty, Mihàly Weinert, Erich
18 165
8
Weiskopf, Franz Carl Whitman, Walt
47 52
Wolker, Jifi
134 160
Zola, Emile
13
200
89