Atatürk: Visionär einer modernen Türkei 3806242089, 9783806242089, 9783806231090, 9783806231106

Atatürk - Radikaler Modernisierer und Vater der Türken Sein Vermächtnis prägt die Türkei bis heute: Mustafa Kemal, gena

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German Pages 311 Year 2015

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Table of contents :
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Titel
Impressum
Inhalt
Danksagung
Dank zur erweiterten deutschen Ausgabe
Eine Vorbemerkung zur Wiedergabe von Personen- und Ortsnamen
Einige Hinweise zur Aussprache des Türkischen
Der Kemalismus in einer postkemalistischen Türkei:
Zur Historisierung Atatürks · Vorwort zur deutschen Ausgabe
Mustafa Kemal zwischen Forschung und Fiktion: Eine Einleitung
1. Eine kosmopolitische Kinderstube: Saloniki im Fin de Siècle
2. Das Volk in Waffen: Vom Werdegang eines osmanischen Offiziers
3. Kraft und Stoff: Der jungtürkische Kampf gegen den Islam
4. Von Kriegen zum Weltkrieg: Ein Held betritt die Bühne
5. Islamischer Kommunismus? Der Türkische Befreiungskrieg
6. Die säkulare Republik
7. Nationalismus und Kemalismus
8. Die Türkei und der Westen
Atatürk und kein Ende: Ein Fazit
Anmerkungen
Bibliografie
Abbildungsverzeichnis
Tabellenübersicht
Register
Zeittafel
Über den Autor
Über den Inhalt
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Atatürk: Visionär einer modernen Türkei
 3806242089, 9783806242089, 9783806231090, 9783806231106

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M. Şükrü Hanioğlu

Atatürk Visionär einer modernen Türkei Aus dem Englischen von Tobias Gabel

Für Sinan

Englische Originalausgabe: Atatürk. An Intellectual Biography Copyright © 2011 by Princeton University Press Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Der Konrad Theiss Verlag ist ein Imprint der WBG. © 2015 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Lektorat: Claudia Grössl, Dossenheim Satz: Mario Moths, mm design, Marl Einbandabbildung: Mustafa Kemal Atatürk (1881–1938), © ullstein bild – Keystone; Anhänger der AKP halten Portraits von Mustafa Kemal Atatürk und Recep Tayyip Erdogan in die Höhe, Istanbul im Juni 2013, © picture alliance Einbandgestaltung: Harald Braun, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-3111-3 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8062-3109-0 eBook (epub): 978-3-8062-3110-6

I n h a l t Danksagung

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Dank zur erweiterten deutschen Ausgabe

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Eine Vorbemerkung zur Wiedergabe von Personen- und Ortsnamen

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Einige Hinweise zur Aussprache des Türkischen

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Der Kemalismus in einer postkemalistischen Türkei: Zur Historisierung Atatürks · Vorwort zur deutschen Ausgabe

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Mustafa Kemal zwischen Forschung und Fiktion: Eine Einleitung

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1. Eine kosmopolitische Kinderstube: Saloniki im Fin de Siècle

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2. Das Volk in Waffen: Vom Werdegang eines osmanischen Offiziers

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3. Kraft und Stoff: Der jungtürkische Kampf gegen den Islam

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4. Von Kriegen zum Weltkrieg: Ein Held betritt die Bühne

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5. Islamischer Kommunismus? Der Türkische Befreiungskrieg

102

6. Die säkulare Republik

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7. Nationalismus und Kemalismus

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8. Die Türkei und der Westen

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Atatürk und kein Ende: Ein Fazit

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Anmerkungen

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Bibliografie

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Abbildungsverzeichnis

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Tabellenübersicht

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Register

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Zeittafel

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Da n k s a g u n g

Bei der Recherche für dieses Buch sowie während des Schreibens habe ich von vielen Seiten Unterstützung erfahren, was mich zu tiefem Dank verpflichtet. Als Erste sind hier Michael A. Cook und Jesse Ferris zu nennen, die eine ganze Reihe von Vorstudien und Entwürfen des Manuskripts gelesen und durch die Fülle ihrer anregenden Hinweise und Vorschläge entscheidend verbessert haben. Auch Senem Aslan, Patricia Crone, András P. Hámori, Hasan Bülent Kahraman, Mete Tunçay, Benjamin T. White und Muhammad Qasim Zaman haben die Endfassung des Manuskripts gelesen und mir wertvollen Rat gegeben, wofür ich Ihnen von Herzen danke. Gleichermaßen danken möchte ich meiner Kollegin Fatmagül Demirel und meinen Kollegen Hossein Modarressi und Michael Reynolds, die zahllose An- und Nachfragen meinerseits beantwortet und mir wertvolle Informationen zur Verfügung gestellt haben. Es wäre grob undankbar, würde ich nicht Taha Akyol für die freundliche Genehmigung danken, einige Tabellen aus seinem Buch Ama Hangi Atatürk zu reproduzieren. Ebenso danke ich Heath W. Lowry, der mir freundlicherweise zwei Fotografien zur Verfügung gestellt hat, auf die er im Nachlass von Clarence K. Streit in der Library of Congress in Washington, D. C., gestoßen ist. İffet Baytaş, Sabit Baytaş und Halit Eren haben mir geholfen, an einige andere Illustrationen zu gelangen; auch ihnen sei herzlich gedankt. Zwei weise, kompetente und im besten Sinne zupackende Lektorinnen bei der Princeton University Press, Brigitta van Rheinberg und Sara Lerner, haben alles in ihrer Macht Stehende getan, um dieses Buch so perfekt wie nur möglich werden zu lassen. Brian P. Bendlin hat in seinem Korrekturgang keineswegs „Dienst nach Vorschrift“ gemacht, sondern über die

bloße Berichtigung von Fehlern hinaus dem Text zu größerer stilistischer Konsistenz verholfen. Gleichermaßen hat Dimitri Karetnikov, der Fachmann für die Abbildungen, die Endfassungen der enthaltenen Fotografien von Meisterhand überarbeitet und so das ganze Buch schöner gemacht, als es ohne ihn geworden wäre. Maria denBoer, die für das Register zuständig war, hat selbst eine Vielzahl von fremdartigen Namen und Begriffen nicht schrecken können; sie hat ihre Aufgabe mit Bravour gemeistert und das Buch auf diese Weise zugänglicher gemacht. Schließlich bin ich meiner Frau Arsev und meinem Sohn Sinan verpflichtet, die meine Arbeit an noch einem Buch um einen Großteil der mir zur Verfügung stehenden Zeit gebracht hat.

Danksagung

MŞH Princeton, New Jersey 14. März 2010

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Da n k z u r e r w e i t e r t e n deutschen Ausgabe

Ich freue mich sehr darüber, dass mein Beitrag zur Historisierung Mustafa Kemal Atatürks und zur Kontextualisierung seiner Vorstellungswelt nun auch in deutscher Sprache erschienen ist. Während der Vorbereitungen für diese deutsche Ausgabe habe ich die wichtigste neue Forschungsliteratur gesichtet, die seit dem Erscheinen des englischen Originals im Jahr 2010 bis zum März 2015 veröffentlicht wurde, und das Buch entsprechend aktualisiert. Im Einzelnen ist es so zu einer Vielzahl kleiner Ergänzungen in Text und Bibliografie gekommen. Außerdem habe ich für die deutsche Ausgabe ein neues, ergänzendes Vorwort verfasst, das den Kemalismus im politischen Kontext der heutigen Türkei analysiert. Auch bei der Vorbereitung dieser deutschen Ausgabe hat mich eine ganze Reihe von Personen unterstützt, denen ich herzlich danken möchte. Kimberley M. Williams, die bei meinem amerikanischen Verlag Princeton University Press die Verantwortung für Rechte und Lizenzen trägt, hat die Aushandlung eines Lizenzvertrags mit der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (WBG) höchst kompetent begleitet und erleichtert. Julia Rietsch, die zuständige Lektorin bei der WBG, hat die Veröffentlichung der deutschen Ausgabe mit größter Professionalität koordiniert. Meine überaus geschätzte Kollegin Professor Mirjam Künkler war so freundlich, das übersetzte Manuskript gegenzulesen. Ihrer gründlichen und kritischen Lektüre verdanke ich äußerst wertvolle Hinweise. Zu guter Letzt verdankt diese deutsche Ausgabe ihre in meinen Augen hohe Qualität der herausragenden Übersetzung, die Tobias Gabel in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit verfasst und noch dazu mit Verbesserungen und Ergänzungen versehen hat. Oft beklagen wir uns im Englischen darüber, etwas sei lost in translation – auf dem Weg von der einen in die andere Sprache verlorengegangen. Wenn

dieses Buch nun jenen glücklichen Ausnahmefall darstellt, in dem der Text durch die Übersetzung sogar noch einiges gewonnen hat, so ist das Herrn Gabels überragender Leistung zu verdanken.

Dank zur erweiterten deutschen Ausgabe

MŞH Princeton, New Jersey 14. März 2015

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Eine Vorbemerkung zur Wiedergabe von Personen- und Ortsnamen

Die osmanisch-türkischen Namen und Titel in diesem Buch sind im Einklang mit den Üblichkeiten des heutigen Türkisch wiedergegeben. (Die nachfolgenden Aussprachehinweise richten sich an Leserinnen und Leser, die mit der türkischen Sprache nicht vertraut sind.) Arabische Namen und Titel wurden in den allermeisten Fällen nach dem (nur leicht modifizierten) Regelwerk des International Journal of Middle East Studies transliteriert. Eine Ausnahme bilden arabische Namen und Titel von Personen und Institutionen aus nicht-arabischsprachigen Ländern; diese werden nicht in der Transliteration, sondern entsprechend ihrer Aussprache in der jeweiligen Landessprache wiedergegeben. Es findet sich also Rashīd Riḍā neben Reza Pahlavi, Muḥammad ʿAbduh neben Mahathir bin Mohamad. Die muslimische Bevölkerung der Türkei und des ganzen Osmanischen Reiches kannte bis zum Gesetz über die Einführung von Familiennamen vom 21. Juni 1934 keine in der Familie weitergegebenen Nachnamen. Dieses Gesetz verpflichtete alle Bürger der Türkischen Republik, sich bis zum 1. Januar 1935 einen Familiennamen zu geben. Daraus folgt, dass die Bezeichnung einer und derselben Person durch unterschiedliche Namen erfolgen kann, je nachdem, ob man sich auf die Zeit vor oder nach dem Inkrafttreten des Familiennamengesetzes bezieht. So lautet der Name des Gründers der Türkischen Republik vor dem 24. November 1934 Mustafa Kemal, danach Atatürk. Bei denjenigen Ortsnamen und anderen geografischen Bezeichnungen, die auch im Deutschen häufig verwendet werden, wurde den gebräuchlichsten Formen der Vorrang gegeben: Kairo und Damaskus stehen also anstelle von Al-Qāhira und Dimashq. Im besonderen Fall von Saloniki/

Eine Vorbemerkung zur Wiedergabe von Personen- und Ortsnamen 12

Thessaloniki soll die Verwendung der ersteren, traditionellen Form die historische Distanz zu der einstigen osmanischen Vielvölkerstadt markieren. Bei allen anderen Orten werden, um Verwirrung zu vermeiden, die aktuellen Bezeichnungen verwendet.

Einige Hinweise zur Aussprache des Türkischen

a – wie in „matt“ â – wie in „Sahne“ b – wie im Deutschen (am Silbenausgang hart als „p“) c – wie der (stimmhafte) Anlaut in „Joker“ (oder „Dschingis Khan“) ç – wie der (stimmlose) Anlaut in „Tschechien“ d – wie im Deutschen (am Silbenausgang hart als „t“) ğ – Dieses sogenannte „weiche G“ dient in der Regel zur Dehnung des vorangegangenen Vokals; nach e, i, ö, ü als eine Art „ j“ gesprochen; zwischen Vokalen oft kaum zu hören. i – wie in „Schlitten“ ı – wie in engl. „dirt“ (kurzes, offenes „ö“) î – wie in „Liebe“ j – stimmhaftes „s“ wie in engl. „treasure“ ö – wie in „östlich“ s – stimmloses „s“ wie in „fast“ ş – wie in „Schuh“ u – wie in „Ruck“ û – wie in „Schule“ ü – wie in „Übung“

Der Kemalismus in einer postkemalistischen Türkei: Zur Historisierung Atatürks

Mustafa Kemal Atatürk, der Begründer des modernen türkischen Staates, starb im November 1938. Damals hätten sich wohl nur wenige Zeitzeugen vorstellen können, dass er als einziger Staatsmann aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg durch sein Vermächtnis die Türkei auch noch im 21. Jahrhundert unverkennbar prägen würde. Während die geradezu volkstümliche Beliebtheit Atatürks in den Ländern der muslimischen Welt und des sogenannten „Globalen Südens“ mit der Zeit nachließ, entwickelten sich in der Türkei verschiedene Spielarten einer Ideologie, die zuerst „Kemalismus“, später „Atatürkismus“ genannt wurde und bis in das frühe 21. Jahrhundert hinein den Rang einer offiziellen Staatsdoktrin der Türkischen Republik einnahm. In diesem Entwicklungsprozess nahmen nicht nur Atatürks erste Nachfolger – seine vormaligen engen Gefolgsleute bei der Gründung des neuen Staates –, sondern auch die nachfolgenden Generationen den Kemalismus als Lehre an, obwohl sich dieser natürlich von der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg bis heute grundlegend gewandelt hat. Bis in die Anfangsjahre des 21. Jahrhunderts verpflichtete sich in der Türkei noch jede politische Organisation auf diese chamäleonartige Ideologie, die in Abhängigkeit von Zeitgeist und politischer Großwetterlage ganz unterschiedliche Farben annahm. Den Kemalismus in seinem Lauf hielt also nichts und niemand auf. Das kann man als einen erstaunlichen Erfolg bezeichnen, betrachtet man zugleich die Schicksale ähnlicher Doktrinen, die in den 1920er- und 1930er-Jahren unangreifbar anmuteten, nur um dann noch vor dem Ende des alten Jahrhunderts wie Kartenhäuser zusammenzustürzen, während

Vorwort zur deutschen Ausgabe

die Zeitläufte über sie hinweggingen. Anders als jene anderen Ideologien, die das 21. Jahrhundert nicht mehr erleben sollten und stattdessen von immer neuen Wellen der politischen Umwälzung hinweggespült wurden, fehlte dem Kemalismus ganz einfach ein umfassender ideologischer Rahmen, der diesen Wellen den nötigen Widerstand geleistet hätte – von einem einzigen „großen Buch“, in dem seine Grundsätze verbindlich festgelegt gewesen wären, ganz zu schweigen. Und doch widerstand er der Zeit und deren wechselvollem Lauf umso besser, dank seiner pragmatischen Natur und der daraus resultierenden Affinität zur umfassenden Revision. Unter den bereits erwähnten politischen Organisationen war es ein verbreiteter Anspruch, einen orthodoxeren Kemalismus als die jeweils nächste Gruppierung zu vertreten; damit einher ging selbstredend die Unterstellung, diese, ja alle anderen seien schlicht nicht kemalistisch genug. Anstelle eines einzigen, explizit formulierten Kemalismus hat es in der Türkei also eine ganze Reihe widerstreitender Kemalismen gegeben, die in ihrem Wettstreit durchaus nicht schlecht gediehen sind. Die Einheitspartei, welche die Geschicke der Türkei mit eiserner Hand lenkte, bezeichnete sich selbst als kemalistisch. Gleichermaßen nahmen fast alle der vielen Parteien, die nach dem Wechsel zu einem Mehrparteiensystem in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wie Pilze aus dem Boden geschossen waren, für sich in Anspruch, die wahren Hüter von Atatürks reiner Lehre zu sein. Es ist unmittelbar ersichtlich, dass all diese Gruppierungen den Begriff des Kemalismus auf sehr unterschiedliche Weise mit Inhalt füllten. Allein die dezidiert islamischen Organisationen, die nach 1945 einen Aufschwung erlebten, distanzierten sich lange Zeit vom Kemalismus. Aber selbst sie sahen sich schließlich gezwungen, eine eigene, islamisch formulierte Variante des Kemalismus zu vertreten. Die vielzitierte Aussage des Islamistenführers und späteren türkischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan aus den 1980er-Jahren, „Wenn Atatürk heute leben würde, wäre er ein Anhänger der ‚Islamischen Sicht’ (Millî Görüş) geworden“1, kennzeichnete einen drastischen Wandel hin zu einer solchen islamistischen Deutung des Kemalismus. Gewiss, viele Anhänger der islamistischen Bewegung waren mit dieser Anverwandlung des kemalistischen Erbes alles andere als einverstanden; aber auf offizieller Ebene sahen doch auch die islamistischen Parteiführer und Funktionäre die

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Vorwort zur deutschen Ausgabe 16

Notwendigkeit, einen eigenen, wenn auch unkonventionellen Kemalismus zu entwickeln. All diese Kemalismen haben sich zudem an die wechselnden Stimmungen des Zeitgeistes angepasst. So griffen etwa die frühesten Formen des Kemalismus – sowohl links- als auch rechtskemalistische – die Demokratie scharf als eine korrupte und ineffiziente Regierungsform an und betonten den Wert einer kompetenten nationalen Leitfigur, die das türkische Volk zu Ruhm und Größe führen werde. Sie zeichneten Atatürk als den absoluten, allmächtigen und unfehlbaren Herrscher eines autoritären Staates. Nach dem Wechsel zu einem Mehrparteiensystem jedoch bekannten plötzlich alle Kemalismen die Überzeugung, der Kemalismus sei, seinem Wesen nach, eine demokratische Ideologie und die Demokratie liberalen Zuschnitts sei Atatürks wahres Ziel gewesen; nur sei eben die türkische Nation zu Lebzeiten ihres Begründers dafür noch nicht reif gewesen. Die Konjunktur des Kemalismus nach 1945 trug auch entscheidend zu dessen Verfestigung als einer reinen Logokratie bei: als wortmächtige Herrschaft der sinnentleerten Phrase. Einer der sonderbaren Aspekte des Kemalismus ist ja, dass er unter einem Einparteienregime entstanden ist, dann aber nach 1945 in einer fraglos pluralistischen Gesellschaft zur unangefochtenen Staatsideologie wurde. In einer Öffentlichkeit, in der jeder beliebige Akteur sich zum Repräsentanten eines eigenen – jeweils unterschiedlich, etwa als links-progressive oder rechts-konservative Position rekonstruierten – Kemalismus erklären konnte, wurden der Begriff und die Idee, für die er stand, zwangsläufig obskur und unpräzise. Also hat er sich als beständig wiederholter logokratischer Diskurs reproduziert: ohne viel Substanz, aber mit einer überwältigenden Akzeptanz in der Bevölkerung, die eine vage – und dadurch umso konsensfähigere – Bindung an den Kemalismus verspürte. Einige betrachteten ihn als „türkische Aufklärung“; für andere stellte er eine „Ideologie des anti-imperialistischen Sozialismus“ dar; wieder anderen einen „Nationalismus gegen links“. Der Kemalismus bedeutete unterschiedlichen seiner Anhänger Unterschiedliches; er war eine wahre Fundgrube für Ideen und Überzeugungen. Im Verlauf der Jahre haben ganz unterschiedliche Gruppen und Individuen einander bisweilen widersprechende Aspekte aus diesem Fundus herausgesucht, um damit ihre bestehenden Positionen zu untermauern.

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Während also der Kemalismus auf diese Weise in der Türkei als einzige der großen Nachkriegsideologien überlebte und bis in die frühen Jahre des 21. Jahrhunderts sogar eine unangefochtene Vormachtstellung behaupten konnte, handelte es sich dabei in Wirklichkeit doch um ideologische Kulissenarchitektur, um eine logokratische Fassade mit nur wenig dahinter. Tatsächlich vertraten Kemalisten unterschiedlicher politischer und ideologischer Ausrichtung mitunter einander völlig entgegengesetzte Ansichten – und alle taten sie es im Namen des Begründers der modernen Türkei. Versuche, die kemalistische Orthodoxie ein für alle Mal verbindlich zu definieren und alle Abweichler als fehlgeleitet gleichsam zu exkommunizieren, haben sich als wenig fruchtbringend erwiesen. Den bedeutendsten Vorstoß in diese Richtung unternahmen die Anführer des militärischen Umsturzversuches von 1980; aber auch der scheiterte, zur völligen Bestürzung der Putschisten, in deren Augen nur ein einiger, authentischer und unumstrittener Kemalismus in der Lage sein würde, das Land zu retten. Die Existenz einer ganzen Reihe unterschiedlicher Kemalismen machte die an sich schon schwierige Aufgabe, den beinahe mythischen Landesvater Atatürk als Person der Zeitgeschichte zu historisieren, nahezu unmöglich. Gelegentlich haben diese verschiedenen Kemalismen fast wie von selbst Aussprüche Atatürks hervorgebracht, die dieser so nie geäußert hatte; ihre hauptsächlichen ideologischen Mittel sind jedoch die mutwillige Fehlinterpretation und das gedankenlose Herausreißen von Zitaten aus ihren historischen und politischen Zusammenhängen. Mustafa Kemals politische Karriere mit ihrem großen Pragmatismus bietet genügend Stoff zur Konstruktion unterschiedlicher Kemalismen, in denen der „Vater der Republik“ wahlweise als Sozialist, Islamist, Nationalist oder Aufklärer, als Bewahrer oder als Zerstörer des Kalifats auftreten darf. Man sollte nicht vergessen, dass Mustafa Kemal Atatürk selbst – politischer Pragmatiker, der er war – nicht selten widersprüchliche Thesen vorgebracht oder miteinander unvereinbare Rhetoriken eingesetzt hat; immerhin hat dieser Mann fast zwei Jahrzehnte lang eine nationale Führungsposition innegehabt. Wenn nun unterschiedliche Gruppen mit jeweils unterschiedlich begründeten Anwartschaften auf den „authentischen Atatürk“ sich diese zum Teil widersprüchlichen Äußerungen aneignen, ist es kein Wunder, dass daraus ebenso viele unterschiedliche und widersprüchliche Atatürks

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Vorwort zur deutschen Ausgabe 18

erwachsen. Man muss wohl nicht eigens betonen, dass keiner dieser „Wiedergänger“ mit dem historischen Atatürk identisch ist. Die türkischen Parlamentswahlen des Jahres 2002 markierten einen Wendepunkt in der Geschichte des Kemalismus. Die „Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung“ (Adalet ve Kalkınma Partisi, AKP), die diese Wahlen eindrucksvoll gewann, war ein Ableger der islamistischen Bewegung. Die jetzige Parteiführung der AKP hatte sich von der früheren Erscheinungsform des politischen Islam und ihrer politischen Hauptorganisation losgesagt, erklärtermaßen, um eine neue Partei zu gründen, die ihrem Anspruch nach den christdemokratischen Parteien Europas ähneln sollte, nur eben auf islamischer Grundlage. Ihre kritische Sicht auf den Kemalismus hatte sich während dieses Ablösungsprozesses jedoch nur geringfügig gewandelt. So kam es, dass zum ersten Mal in der Geschichte der Republik eine Partei an die Macht gelangte,1 die das Festhalten am logokratisch-kemalistischen Diskurs ernsthaft infrage stellte. Zwar legten die Spitzen der AKP Lippenbekenntnisse zum Kemalismus ab und erwähnten auch Atatürk selbst mit lobenden Worten; zugleich ließen sie allerdings auch scharfe Kritik am Kemalismus zu, die hauptsächlich von liberalen Intellektuellen und von Islamisten geäußert wurde. So läutete die Wahl von 2002, unter anderem, den Beginn einer postkemalistischen Ära für die Türkei ein. Die förmlichen Bezugnahmen auf den logokratischen Diskurs nahmen beträchtlich ab. Zahlreiche bis dato unantastbare Dogmen des Kemalismus wurden öffentlich zur Diskussion gestellt, seine Tabus gebrochen. Die Heldenverehrung Mustafa Kemal Atatürks ließ ebenfalls signifikant nach und Versuche, einen Kemalismus ohne Atatürk zu formulieren, gewannen deutlich an Auftrieb. Während Recep Tayyip Erdoğan sich durchaus dazu entschloss, seinen Wahlkampfauftakt 2014 in Samsun stattfinden zu lassen – wo er es nicht versäumte, seine Kandidatur für das Präsidentenamt mit Mustafa Kemals Ankunft in derselben Stadt zu vergleichen, die 1919 den Beginn des Türkischen Unabhängigkeitskrieges bedeutet hatte –, beschränkte sich seine Würdigung Mustafa Kemals doch auf dessen frühe Erfolge als Feldherr und Freiheitskämpfer; Atatürks spätere Reformen, durch welche die Türkei in ein durch und durch europäisiertes Land verwandelt werden sollte, wurden von Erdoğan bezeichnenderweise übergangen. Gleichermaßen vermeidet

Vorwort zur deutschen Ausgabe

es das Programm der regierenden AKP für 20232, genau wie sämtliche vorangegangenen Grundsatzerklärungen der Partei, auch nur ein Wort über Atatürks Prinzipien oder Reformbemühungen zu verlieren. Diese Bestrebungen haben bislang zu zwei wichtigen Ergebnissen geführt. Erstens haben sie, unbeabsichtigterweise, zu einer Konsolidierung des Kemalismus geführt, der zu einer weniger vagen, deutlich konkreteren Ideologie geworden ist. Denn einerseits hat zwar der allmähliche Niedergang des logokratischen Diskurses (beziehungsweise des von ihm ausgehenden Konformisierungsdrucks) zur Folge gehabt, dass die Verwendung kemalistischer Rhetorik im öffentlichen Raum zurückgegangen ist. Andererseits – und das ist der zweite wichtige Punkt – vertreten die heutigen Anhänger des Kemalismus, obgleich sie als Gruppe kleiner geworden sind, ihre Auffassungen nicht mehr in einer auf viele unterschiedliche Interpretationen aufgesplitterten Form, sondern als wesentlich explizitere und eindeutigere, deutlich greifbare Ideologie. Ganz offenkundig ist der Kemalismus in der heutigen Türkei also nicht mehr die vage Theoriekulisse, die er einmal war. Dieser neue Kemalismus in einer postkemalistischen Türkei ist eine nationalistische Ideologie mit stark antiwestlichem Unterton. Seinen Mangel an von Atatürk selbst festgeschriebenen Prinzipien – eines „großen Buches“ – versucht er dadurch zu beheben, dass er die frühe Republik zu einem goldenen Zeitalter verklärt. Das erlaubt seinen Anhängern, aus den damaligen Verhältnissen Lehrsätze, Prinzipien und einen ideologischen Rahmen abzuleiten, ganz abgesehen von Handlungsvorgaben für die politische Praxis. Außerdem verankert diese Interpretation den Kemalismus klar links von der Mitte des politischen Spektrums. Einen weiteren Bestandteil des neuen Kemalismus stellt ein Republikanismus dar, der stark vom laizistischen Denkansatz des französischen Philosophen Régis Debray inspiriert ist und diesem entsprechend von einer unüberwindlichen Grenze zwischen Republikanismus und Demokratie ausgeht. Der neue Kemalismus stellt sich gleichermaßen gegen sozialkonservative Werte wie gegen den politischen Islam. Obwohl er es noch immer vermag, Anhänger aus unterschiedlichen Milieus und gesellschaftlichen Schichten an sich zu binden, hat er seinen stärksten Rückhalt doch im stark westlich geprägten städtischen Raum sowie unter der nicht-sunnitischen Bevölkerung. Auch

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Vorwort zur deutschen Ausgabe 20

fühlen sich die kleinsten Minderheiten unter den kulturell nichttürkischen Bevölkerungsgruppen der Türkei von ihm angezogen. Während der alte, logokratische Kemalismus zwar nicht beliebt war, redeten ihm doch zahllose Vertreter der Öffentlichkeit nach dem Munde – die wenigsten davon aus Überzeugung. Die leidenschaftlichen Verfechter des neuen Kemalismus bilden zwar eine zahlenmäßig wesentlich kleinere Gruppe, aber sie vertreten eine konsistentere Position – und sie vertreten sie mit Verve. Die Tatsache, dass der Kemalismus heute zur Ideologie einer Minderheit geworden ist, sollte nicht zu der Annahme verleiten, dass der Begründer der Republik seine Popularität eingebüßt habe, oder dass die Mehrheit der Bevölkerung ihm kritisch gegenüberstehe. Als historische Persönlichkeit ist Atatürk in der Türkei noch immer allgegenwärtig und seine Stellung als Held der Nation ist alles andere als gefährdet. Die Mehrheit der Kritiker des neuen Kemalismus unterscheidet klar zwischen Atatürk und der Ideologie, die seinen Namen trägt. Sie wendet sich nicht dagegen, den Gründer der Republik als große Persönlichkeit und, ja, als Helden zu würdigen – aber sie wendet sich gegen gedankenlose Heldenverehrung und ein Gegeneinanderausspielen von Republikanismus und Demokratie. Ebenso spricht sich diese Mehrheit dagegen aus, die revolutionäre Ära der frühen Republik zum goldenen Zeitalter der modernen Türkei zu verklären, wie es die Neu-Kemalisten tun. Die Mehrheit der Türken steht – im Gegenteil – dafür ein, dass ihr Land und ihre Gesellschaft sich weiterhin Schritt für Schritt in Richtung einer liberalen Demokratie entwickeln sollen, anstatt ein halbautoritäres Regime zu imitieren, das nach den Maßstäben der 1930er-Jahre überhaupt nicht so außergewöhnlich gewesen ist, wie es aus heutiger Sicht den Anschein hat. Alle diese Entwicklungen wirken natürlich darauf hin, Atatürk zu historisieren und ihn von dem einst unablöslich mit seiner Person verbundenen Kult zu befreien. Der Niedergang des Kemalismus als eines offiziellen logokratischen Diskurses sowie der Eintritt der Türkei in eine neue, postkemalistische Ära haben dieser Entmythologisierung den Weg bereitet. Somit sind nun die Grundlagen geschaffen, um – in den Worten des deutschen Historikers Leopold von Ranke – das Leben, Wirken und Denken Atatürks so zu begreifen, „wie es eigentlich gewesen“.

M. Şükrü Hanioğlu Princeton, New Jersey März 2015

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Nun mag man einwenden, das sei doch eine nach Maßgabe des aktuellen Standes der Wissenschaft allzu unzeitgemäße Herangehensweise an das gestellte Thema. Dieser Einwand hat vielleicht seine Berechtigung. Nachdem nun jedoch der beschriebene Logokratismus auf der Grundlage eines zähen Personenkults über Jahrzehnte freie Hand gehabt hat, ist selbst das scheinbar Einfachste – die schlichte Entmythologisierung Atatürks – ein großer und wichtiger Schritt hin zu einer vollständigen Historisierung des Begründers der modernen Türkei. Stellen wir ihn in einem aussagekräftigen Kontext dar. Er hat es verdient.

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Mustafa Kemal zwischen Forschung und Fiktion: Eine Einleitung

Im Jahr 1954 zog ein junger Hirte nahe dem abgelegenen Dorf Yukarı Gündeş, „hinten weit in der Türkei“ in der ostanatolischen Provinz Ardahan gelegen, mit seiner Herde auf die Weiden hinaus. Die Sonne sank gerade hinter den Horizont, da fiel im Streiflicht ein Schatten auf einen nahegelegenen Hügel und ließ dort die Silhouette eines menschlichen Kopfes erkennen. Es war, der Schäfer erkannte ihn sofort, der Kopf von Mustafa Kemal Atatürk, dem Gründer der Türkischen Republik. In der festen Überzeugung, dass ihm eine geradezu religiöse Offenbarung zuteil geworden war, meldete der entgeisterte junge Mann sein Erlebnis unverzüglich den örtlichen Behörden. Diese wiederum verloren keine Zeit und ließen in der ganzen Republik verkünden, bei diesem äußerst seltenen Naturschauspiel habe es sich zweifellos um ein Wunder gehandelt. In der Gegend um Yukarı Gündeş ließ die Begeisterung auch mit der Zeit nur unwesentlich nach, und so entschied man schließlich 1997, am Schauplatz des Geschehens von 1954 fortan jedes Jahr ein Festival zu veranstalten, dem in der Folge riesige Besuchermassen zuströmten, um das Wunder mit eigenen Augen zu sehen. Als im „verflixten siebten Jahr“ des Festtages unter dem Motto „Auf den Spuren und im Schatten Atatürks“ ein nichtsahnender Schäfer, der mit seinen Tieren just in kritischen Moment, in dem der Schatten sichtbar wurde, mitten in die Silhouette hineinmarschierte und das Spektakel so unterbrach, tobte die versammelte Menschenmenge vor Zorn. Ein Parlamentsabgeordneter, der sich unter den Zuschauern befand, donnerte los: „Ausgerechnet hier seine Tiere weiden zu lassen, ist eine Respektlosigkeit sondergleichen! Das ist Hochverrat! … Warum ist Karadağ, wo das Wunder geschehen ist, nicht schon längst unter staatliche Aufsicht gestellt worden?“1 Diese einigerma-

Eine Einleitung

ßen bizarre Episode enthält bereits die Essenz des quasi-religiösen Personenkultes, der sich schon zu Mustafa Kemal Atatürks Lebzeiten um den Staatsgründer entwickelt hat und der in vielen Milieus der heutigen Türkei unvermindert fortlebt. Natürlich ist dies nicht die einzige Sichtweise, mit der die Türken heute auf den „Vater“ ihrer Republik zurückblicken (oder in den vergangenen Jahrzehnten zurückgeblickt haben); aber eine Tendenz zur politischen Heiligenverehrung prägt doch die meisten wissenschaftlichen wie populären Veröffentlichungen, die sich mit Atatürk befassen. Über viele Jahre glich der Historiker, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, den Mann Atatürk darzustellen „wie er eigentlich gewesen ist“, wohl am ehesten jenen früheren Gelehrten, die so tollkühn gewesen waren, den historischen Jesus in den Mittelpunkt ihrer Forschungen stellen zu wollen. Es überrascht nicht, dass die gründlicheren und verlässlicheren unter den vielen Atatürk-Biografien in der Regel nicht von türkischen Historikern verfasst worden sind – und noch dazu erst lange nach Atatürks Tod entstanden. Heutzutage kann man sich dem Thema auch in der Türkei unbefangener nähern, doch bleibt die Entmystifizierung Atatürks ein schwieriges Unterfangen. Zum Beispiel sind viele der Aussprüche, die Atatürk zugeschrieben werden, mittlerweile in den Rang von Nationalmaximen aufgestiegen – dabei sind nicht wenige von ihnen nachträglich (und nachweislich) erfunden worden, um dem einen oder anderen Partikularinteresse zu dienen. In den vergangenen Jahren haben einige Forscher begonnen, diese Fälschungen zu entlarven, wobei ihr Eifer an Muḥammad ibn Ismāʿīl al-Bukhārī erinnert, den 870 gestorbenen mittelalterlichen Großkritiker zweifelhafter Überlieferungen von Leben und Lehre des Propheten Muḥammad, wobei ihm insbesondere die dem Propheten nachträglich in den Mund gelegten Aussprüche ein Ärgernis waren. Beispielsweise waren die Interessenvertretungen der türkischen Taxi- und Lastwagenfahrer nur wenig erbaut über die Nachricht, dass Atatürk ihr Vereinsmotto „Der türkische Kraftwagenfahrer ist ein Mann von nobelster Empfindung“ so nie geäußert hatte. Als herauskam, dass die folgenden Aussprüche Atatürks wohl ebenfalls apokryph waren, fühlten sich ungleich größere Teile der Gesellschaft betroffen: „Eine Gesellschaft, welche ihre Alten nicht ehrt, ist keine [wirkliche] Gesellschaft“ (als Motto in die Fassade des Hauptsitzes der staatlichen türkischen Sozialversicherung in Ankara gemeißelt); „Die Zukunft befindet sich am

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Mustafa Kemal zwischen Forschung und Fiktion 24

Himmel“ (auf Plaketten in türkischen Verkehrsflugzeugen eingraviert); oder „Wenn eine Sache das Vaterland betrifft, betrachte man alles andere als trivial“ (das Motto einer ultrasäkular-nationalistischen Bewegung).2 Hunderte von Büchern sind zu den verschiedensten Aspekten von Atatürks Leben und Werken veröffentlicht worden; von Atatürk und die Medizinstudenten und Atatürk und die Meteorologie bis hin zu Atatürk und Eurasien und sogar Atatürks Liebe zu den Kindern ist für jeden etwas dabei.3 Die meisten dieser Studien sind im Duktus frommer Gedenkreden verfasst und lassen den Begründer des modernen türkischen Staates als einen abgeklärten Verbreiter von Spruchweisheiten erscheinen, der – mit der Gabe der Allwissenheit gesegnet – Einsichten aus vielerlei Wissensfeldern und für jede Lebenslage zum Besten geben kann: als einen Philosophenkönig, der angetreten ist, aller überhaupt nur möglichen Erkenntnis sein Gesetz zu verkünden. Nur eine kleine Anzahl dieser Schriften erfüllt die Kriterien einer verlässlichen wissenschaftlichen Monografie. Vielmehr haben ihre eher essayistisch arbeitenden Verfasser Atatürks vermeintliche Ansichten bisher noch zum Beweis (oder zur Widerlegung) fast jeder erdenklichen Position herangezogen. So haben wir nun die Wahl zwischen den Bänden Atatürk war ein Antikommunist einerseits und Die sozialistische Bewegung, Atatürk und die Verfassung andererseits;4 oder zwischen Wie ich Atatürk im Koran suchte – und fand und Atatürk und die exakte Wissenschaft.5 Währenddessen tendiert die „amtliche“ türkische Geschichtsschreibung dazu, Atatürk schlicht als geborenen Anführer darzustellen, wobei seine Persönlichkeit oft genug als Erklärung für seine Umwelt dienen soll – und nicht die Persönlichkeit anhand ihrer Umwelt erklärt wird. So soll es in der Türkei immer noch Universitätshistoriker geben, die in Mustafa Kemal den spiritus rector der jungtürkischen Revolution von 1908 sehen, obwohl seine tatsächliche Rolle eher marginal gewesen ist.6 Gleichermaßen haben türkische Historiker über viele Jahre hinweg behauptet, Mustafa Kemal habe im Jahr 1932 den Chef des amerikanischen Generalstabs, Douglas MacArthur, vor einem unmittelbar bevorstehenden allgemeinen Krieg von verheerenden Ausmaßen gewarnt, der Tod und Zerstörung über die westliche Zivilisation bringen werde. Auf Grundlage dieser Behauptung haben dieselben Historiker Atatürk zugute gehalten, er habe den Zweiten Weltkrieg vorhergesehen, noch bevor Hitler auch nur Reichskanzler ge-

Eine Einleitung

worden war.7 Wie neuere Forschungen hingegen zutage gebracht haben, hat Atatürk MacArthur in Wirklichkeit das genaue Gegenteil gesagt. In den Worten des Protokolls der fraglichen Zusammenkunft: „Als die Rede auf mögliche Kriegsgefahren kam, äußerte Seine Exzellenz der Gazi, der Ausbruch eines weltweiten Krieges innerhalb der nächsten zehn Jahre sei so gut wie unmöglich.“8 Aus dieser Situation folgt, dass jeder ernsthafte Historiker, der sich mit dem historischen Atatürk auseinandersetzen möchte, sich zunächst einmal als Mythenkritiker betätigen muss, um den Gegenstand seiner Forschung konsequent historisieren (also in seiner historischen Bedingtheit greifbar machen) und – unter Rückgriff auf die verfügbaren Quellen – kontextualisieren zu können. Diese Aufgabe ist nicht leicht. Während viele relevante Quellen mittlerweile ediert und allgemein zugänglich gemacht worden sind (schon zu Atatürks Lebzeiten und auch nach seinem Tod), hat sich erst kürzlich ein Verlag darangemacht, eine Gesamtausgabe aller auffindbaren Schriften, Reden und Briefe Atatürks in den Druck zu geben. Die daraus resultierende Buchreihe von dreißig Bänden, deren erster 1998 erschienen ist, liegt mittlerweile komplett vor und umfasst die Jahre von 1903 bis zu Atatürks Tod 1938.9 Was seine persönlichen Aufzeichnungen angeht, so kritzelte Atatürk sie – wie viele andere osmanische beziehungsweise türkische Offiziere seiner Generation – in eine Reihe von Notizbüchlein. Einige davon sind regelrechte Tagebücher und umfassen die Jahre 1904 bis 1933. Atatürks Adoptivtochter Âfet İnan hat eine „gesäuberte“ Fassung eines dieser Tagebücher zusammengestellt, das sich im Original über sechs einzelne Notizhefte erstreckt.10 Zweiunddreißig weitere Hefte befinden sich in den Archiven des türkischen Militärs und des türkischen Staatspräsidenten sowie in den Archiven des Atatürk-Mausoleums (Anıtkabir) in Ankara. Die Edition dieser 32 Hefte ist in 12 Bänden erfolgt, die seit 2009 komplett vorliegen.11 Die reichhaltige Sammlung von Atatürk betreffenden Dokumenten und Materialien im Präsidentenarchiv in Çankaya ist wissenschaftlich redlich arbeitenden Historikern ohne Sondererlaubnis nicht zugänglich. Jegliche Hoffnung auf Zugang zum Nachlass von Atatürks geschiedener Ehefrau, der nach ihrem Tod 1975 auf zunächst 25 Jahre gesperrt wurde, hat sich 2005 gleichermaßen zerschlagen, als die Unterlagen – nun auf unbestimmte Zeit – in den Archiven der staatlich finanzierten (und von Âfet

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İnan mitbegründeten) Türkischen Historischen Gesellschaft (Türk Tarih Kurumu, TTK) unter Verschluss kamen. Trotz allem: Es herrscht für den Atatürk-Biografen kein Mangel an frei verfügbarem Material, mit dem sich durchaus arbeiten lässt. Nun muss die Aufgabe des ernsthaften Historikers in erster Linie darin bestehen, die Fädchen des – nach Quellenlage – Historisch-Faktischen aus dem weit gesponnenen Gewebe von Histörchen und bewussten Fälschungen herauszulösen, das sich seit Atatürks Tod um seine Person gelegt hat. Im Zuge dieser Arbeit habe ich Atatürks eigene Schriften, Reden und seine Korrespondenz als immens aussagekräftige Quellen schätzen gelernt. Unseligerweise haben die Herausgeber seiner gesammelten Werke das ursprüngliche Osmanisch (also die vor der Schriftreform von 1928 in einer modifizierten arabischen Schrift geschriebene Sprachvariante) in modernes Türkisch übertragen, wodurch die feineren Nuancen des Originaltextes verloren gingen. Es erschien mir deshalb ratsam, nicht nur im Zweifelsfall, sondern grundsätzlich ad fontes zu gehen und die einzelnen Quellen im Zusammenhang ihrer ursprünglichen Veröffentlichung zu konsultieren. Auch die Marginalien, die Mustafa Kemal handschriftlich in seinen Büchern hinterlassen hat, sind an vielen Stellen in meine Studie eingeflossen. Schließlich und endlich habe ich den Blätterwald der maßgeblichen türkischen Zeitungen und Journale des Zeitraums von 1919 bis 1938 nach relevanten Informationen durchforstet. Obwohl Atatürks eigene Reden und Schriften bei weitem die wichtigste Quelle für die vorliegende Studie darstellen, habe ich natürlich auf eine Fülle von Sekundärliteratur zurückgreifen können. Insbesondere haben mir drei glänzend geschriebene und zuverlässige Biografien dabei geholfen, Atatürks geistige Entwicklung in einem größeren Kontext darzustellen. Es waren dies die Studien von Klaus Kreiser,12 Andrew Mango13 und şerafettin Turan, die alle gleichermaßen detailliert auf die verschiedenen Aspekte von Atatürks Leben eingehen. Während die ersten beiden durchaus als wissenschaftliche Studien im engeren Sinne bezeichnet werden können, haftet der – wenn auch überaus gründlich recherchierten – Biografie von Turan, deren Titel man etwa mit Das einzigartige Leben einer einzigartigen Persönlichkeit: Mustafa Kemal Atatürk übersetzen könnte, ein bisweilen doch recht strenger hagiografischer Hautgout an.14 Im Allgemeinen habe ich aber, mit Rücksicht auf die Beschränkungen meiner kurzen ideengeschichtlichen

Eine Einleitung

Erkundung auf den Spuren des historischen Atatürk, auf die Übernahme großer Materialmengen aus der Sekundärliteratur lieber verzichtet. Verständlicherweise kann der vorliegende Essay aufgrund seiner Kürze keine wirklich erschöpfende Analyse auch nur der zentralsten politischen Vorstellungen und Handlungsmuster Atatürks liefern, noch weniger eine umfassende Biografie. Vielmehr verfolge ich in diesem Buch drei Ziele: Zunächst soll der Begründer des modernen, republikanisch verfassten türkischen Staates in seinem historischen Kontext vorgestellt werden. Durch diese Herangehensweise wird Atatürk in intellektueller wie gesellschaftlicher Hinsicht als Repräsentant des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts erkennbar. Die Tatsache, dass auf seine Initiative hin in der Türkei solch gewaltige Bestrebungen zur Errichtung eines modernen Nationalstaats vorangetrieben wurden, der auf radikal neue Grundlagen gestellt werden sollte, darf uns nicht dazu verleiten, Atatürks Beitrag zum Lauf der Geschichte in einem „Denken des Undenkbaren“ oder in der gleichsam visionären Verwirklichung eines genialen und unerhörten Plans zu sehen. In weiten Teilen der türkischen Geschichtsschreibung erscheint er nämlich tatsächlich als solch ein historischer „Macher“, der, völlig unbeeindruckt von seiner Umgebung, im Alleingang ein wahres Wunderwerk in die Welt setzte: den modernen türkischen Staat. Ganz im Gegensatz zu dieser Anschauung jedoch, die für den mainstream der türkischen Geschichtswissenschaft geradezu die Norm ist, sollte Atatürk gerade nicht als ein einsames Genie betrachtet werden, das hinsichtlich seiner Erziehung und frühen Sozialisierung, seiner Bildung und Ausbildung, gegenüber seinen institutionellen und gesellschaftlichen Zugehörigkeiten und schließlich mit Blick auf seine intellektuelle Prägung vollkommen gleichgültig, unempfänglich oder autark gewesen wäre. Doch während sich der immense Einfluss schwerlich leugnen lässt, den Atatürks Denken und Lenken auf die Gestalt der sich aus den Trümmern des Osmanischen Reiches konsolidierenden Türkischen Republik gehabt hat, mindert es seinen historischen Rang nicht im Geringsten, wenn man seine konzeptuellen und realpolitischen Verdienste deutlich als das bezeichnet, was sie gewesen sind: Ausprägungen der intellektuellen, gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten seiner Zeit. Die Tatsache, dass er sich auf die Seite avantgardistischer Bewegungen schlug, die zuvor in der spätosmanischen respektive türkischen Gesellschaft nur sehr be-

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grenzte Unterstützung erfahren hatten, sollte uns nicht zu dem Trugschluss verführen, Atatürk hätte diese modernen Ideen selbst hervorgebracht. Das zweite Ziel dieses Buches ist es, Atatürks intellektuelle Entwicklung nachzuzeichnen, die sich mit Recht als der bislang am spärlichsten untersuchte Aspekt seiner Biografie bezeichnen lässt. Sicher, er war kein Intellektueller in des Wortes strengster Bedeutung; aber die mähliche Ausformung seiner Vorstellungswelt hat seine politische Betätigung doch entscheidend beeinflusst. Es schien mir angemessen, Atatürks Haltung zur Religion im Allgemeinen – und zum Islam im Besonderen – in meiner Darstellung einigen Raum zu geben. Schließlich hat er, dessen Interesse am gesellschaftlichen Auftrag der Religion – insbesondere in der Türkei – kaum unterschätzt werden kann, als Gründungspräsident der ersten säkularen Republik in einem muslimischen Land vorgestanden. Drittens möchte ich durch meine Analyse von Atatürks Leben, seinen Vorstellungen und seinem Werk zu einer neuen Sicht auf den prekären Übergang vom spätosmanischen Reich zum modernen türkischen Nationalstaat beitragen. Diese neue Sichtweise betont eine grundsätzliche Kontinuität, anstatt des Bildes vom abrupten Bruch mit der Vergangenheit, das die geschichtswissenschaftliche Erforschung dieser Übergangszeit so lange dominiert hat. Gewissermaßen als Nebenprodukt dieser Analyse ergibt sich dann auch eine Neubewertung des kemalistischen Erbes in der heutigen Türkei. Aus diesen Zielsetzungen mit ihrer Ausrichtung auf den historischen Atatürk, die konsequente Historisierung seines Werdegangs und die Kontextualisierung seines Denkens, ergibt sich ein weitgehender Verzicht auf persönliche Betrachtungen. Atatürks Privatleben in seinen bunten Details liegt außerhalb des Rahmens dieser Studie.

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Eine kosmopolitische Kinderstube: Saloniki im Fin de Siècle

Die alte makedonische Metropole Saloniki, das heutige Thessaloniki, hatte in ihrer langen und wechselvollen Geschichte unter der drückenden Herrschaft von Machthabern aller denkbaren Couleur gestanden. Die Osmanen, deren Vorstöße im 14. Jahrhundert durch die Ebenen von Anatolien und über den Bosporus bis auf den Balkan fegten, waren nur die Letzten in einer langen und illustren Reihe gewesen, die von den Makedonen und Römern über die Byzantiner und Normannen bis zu den Lombarden und Venezianern reichte. Als nun die Osmanen die Stadt im Jahr 1430 zum zweiten Mal eroberten, machten sie mit dieser langen Tradition wechselnder Machthaber kurzen Prozess. Nach drei Tagen des Plünderns blieben in den Ruinen der Stadt gerade einmal 2000 Überlebende zurück. Zu diesen gesellten sich bald rund 1000 türkische Nomaden, die aus dem Osten herbeigeschafft wurden: Das gesellschaftliche Gefüge der Stadt war auf immer verändert.1 Dies bedeutete jedoch auch die Begründung der wohl am deutlichsten kosmopolitisch geprägten Stadt des Osmanischen Reiches, die – Jahrhunderte später und nur scheinbar überraschend – als Kulisse für die Kindheit jenes Mannes dienen sollte, der die moderne Türkei nach seinen Vorstellungen geformt hat. Ein zweiter entscheidender Impuls für die weitere Entwicklung der Stadt unter osmanischer Herrschaft war die Ausweisung der Juden aus Spanien und Portugal zu Ausgang des 15. Jahrhunderts. Als in der Folge Tausende von jüdischen Flüchtlingen auf osmanisches Hoheitsgebiet strömten, beschloss man, sie zum größten Teil nach Saloniki umzuleiten. Dies besiegelte die weitere Bedeutung der Stadt als eines der maßgeblichen Zentren jüdischer Kultur im östlichen Europa und im ganzen Mittelmeerraum. Obwohl

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eine kleine Gemeinde aschkenasischer Juden schon vor der osmanischen Eroberung in der Stadt gesiedelt hatte, machte erst der Zustrom sephardischer Juden Saloniki zur einzigen europäischen Großstadt mit jüdischer Bevölkerungsmehrheit. Allerdings war die jüdische Gemeinde von Saloniki nicht nur etwas Besonderes, was ihre Größe anging; auch ihre Zusammensetzung war einzigartig. Als im Jahr 1666 der selbsternannte Messias Sabbatai Zwi zum Islam übertrat, um seiner Hinrichtung zu entgehen, sah eine beträchtliche Menge seiner Saloniker Anhänger in dieser Konversion die letzte Stufe vor der tatsächlichen Rückkunft des Messias und konvertierte ebenfalls.2 Diese Konvertiten begannen, ihren islamischen Glauben in der Öffentlichkeit zu bekennen, praktizierten insgeheim aber noch ihr Judentum. So entstand die sabbatianische Dönme-Gemeinde (auf Hebräisch ma’amin, „die Gläubigen“), die Saloniki in der religiösen Landschaft des Osmanischen Reiches einmalig machte. Die Dönmes wurden von frommen Juden wie Muslimen verachtet, aber die osmanischen Behörden behandelten sie, was Verwaltungs- und Besteuerungsfragen anging, wie Muslime. Am Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich die Bevölkerung Salonikis aus drei großen Glaubensgemeinschaften zusammen, die jede für sich in einem klar umrissenen Stadtbezirk wohnten: den Juden mit etwa 49 000 Einwohnern; den Muslimen mit etwa 25 500 einschließlich der Dönmes; und den griechisch-orthodoxen Christen, die mit etwa 11 000 Personen deutlich in der Minderheit waren.3 Eine solch klare Dreiteilung verschleiert allerdings die in Wirklichkeit viel reichhaltigere ethnische Vielfalt in der Stadt: Da waren sephardische und aschkenasische Juden; türkische, albanische und bosnische Muslime neben muslimischen Roma und Dönmes; griechische, bulgarische, walachische und albanische Christen orthodoxen Glaubens; dazu kleinere Gruppen albanischer Katholiken, orthodoxer Serben und Armenier. Zählt man dazu noch die beträchtliche nicht-osmanische, größtenteils westeuropäische Bevölkerung von Saloniki – alles in allem rund 7000 britische, französische, italienische, spanische, aber auch russische Untertanen respektive Staatsangehörige – sowie die Angehörigen der amerikanischen, dänischen, niederländischen und schwedischen Missionen und Konsulate in der Stadt, so gelangt man zu dem Gesamteindruck eines kulturellen Mischtiegels, wie es ihn seit der babylonischen Sprachverwirrung wohl selten gegeben hatte. Das einzigartige Saloniki repräsentierte den

Saloniki im Fin de Siècle

osmanischen Kosmopolitanismus besser als jede andere Stadt des Reiches – mit Ausnahme vielleicht der Hauptstadt Istanbul. Es überrascht dennoch wenig, dass ausgerechnet Saloniki sich als fruchtbarer Boden für die vielen kleinen und großen Nationalismen erwies, die überall in den europäischen Provinzen des Osmanischen Reiches im 19. Jahrhundert wie Pilze ans Licht schossen. Als im Jahr 1821 die Griechen auf der Peloponnes ihren Unabhängigkeitskrieg gegen die osmanische Herrschaft begannen, erhoben sich auch die Griechen von Saloniki zur Unterstützung ihrer kämpfenden Brüder und Schwestern; allerdings wurde ihr Aufstand rasch von der osmanischen Obrigkeit niedergeschlagen.4 Ein halbes Jahrhundert darauf, im Jahr 1870, war die bulgarische Intelligenzija von Saloniki maßgeblich an der Errichtung des autokephalen (d. h. selbständigen) Bulgarischen Exarchats als Interessenvertretung der bulgarisch-orthodoxen Christen beteiligt.5 Diese religiös-nationalistische Herausforderung der griechischen Vormachtstellung innerhalb der christlichen Orthodoxie zog in der ganzen Provinz Saloniki gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Bulgaren nach sich.6 Acht Jahre später trat das Osmanische Reich in den Nachwehen des Russisch-Osmanischen Krieges von 1877/78 den größten Teil der Region Makedonien – also des Um- und Hinterlandes von Saloniki – an das gerade in seine Unabhängigkeit entlassene Fürstentum Bulgarien ab. Während der Berliner Kongress 1878 diese makedonischen Gebiete wiederum den Osmanen zusprach (unter der Bedingung, dass diese christenfreundliche Reformen zuließen), wurde Saloniki, wie andere Städte in der Region, zu einem wahren Schlachtfeld rivalisierender nationalistischer Bewegungen. Die makedonisch-bulgarische revolutionäre Guerilla-Bewegung VMRO (Vnatrešna Makedonska Revolucionerna Organizacija, „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation“) wurde 1893 in Saloniki gegründet,7 während das örtliche hellenische Konsulat als Hauptquartier für die bewaffneten Aktivitäten der Griechen in der Region diente.8 Wie in anderen Städten des Osmanischen Reiches auch, zeigten sich in Saloniki deutliche Auswirkungen des ambitionierten Reformprogramms, mit dem die osmanische Regierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihr Reich umzugestalten suchte. In diesem Zeitraum von 1839–1876, der gemeinhin als „Tanzîmât-Ära“ bezeichnet wird, durchlief der osmani-

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sche Staat eine lange Reihe entschiedener Modernisierungsbemühungen. Unter Führung des Berufsbeamtentums zielten diese Reformen auf eine Vielzahl einzelner Umgestaltungen des osmanischen Staatswesens ab, von der Einführung der allgemeinen Gleichheit vor dem Gesetz bis zur Revision überkommener Bürokratismen. Die Reformer orientierten sich auf ihrer Suche nach nachahmenswerten Modellen vor allem an den europäischen Staatsapparaten. Sie wollten die Reformen Peters des Großen in Russland imitieren, dem großen Rivalen des Osmanischen Reiches im Norden; sich die Staatskunst des Fürsten Metternich aneignen; nach britischem Vorbild den Kurs der Industrialisierung einschlagen; auf dem Weg der Aufklärung, der Rechtskodifizierung und Verwaltungszentralisierung dem Vorbild der französischen Republik nacheifern – kurz: sie waren bestrebt, das Osmanische Reich zu „verwestlichen“, um als Gleiche in die nachnapoleonische europäische Staatengemeinschaft aufgenommen zu werden. Zu diesem Zweck begründeten die Reformer eine Vielzahl neuer Verwaltungs- und Bildungsinstitutionen. Sie brachten neuartige Ideen und Konzepte in Umlauf, die geeignet waren, bestehende Weltbilder zu zertrümmern oder doch zumindest infrage zu stellen, nicht ohne zugleich die wechselseitigen Beziehungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen des so heterogenen Reiches nachhaltig zu verändern. Alles in allem führten diese Veränderungen zu einem drastischen Umbruch im Gefüge von Staat und Gesellschaft. Und doch konnten oder wollten die Reformer auf dem Weg zur ersehnten neuen Ordnung die gewachsenen Strukturen nicht einfach niederreißen. Stattdessen ließen sie es zu, dass altehrwürdige Institutionen Seite an Seite mit neuen, fortschrittlicheren bestehen blieben, in der Hoffnung, dass erstere mit der Zeit – und angesichts der offenkundigen Überlegenheit der letzteren – dem Vergessen anheimfallen würden. So richtete man etwa neue Zivilgerichte ein, deren Verfahrensweise und Rechtsgrundlage nach europäischem Muster geschnitten waren – und doch blieben die alten Religionsgerichte, die anhand der sharīʿa Recht sprachen, weiter bestehen. In gleicher Weise führte die osmanische Regierung ein Bildungssystem nach französischem Vorbild ein, das jedoch das bestehende Geflecht von religiösen und Gemeindeschulen nicht ersetzte, sondern ergänzte. In Istanbul und den Städten des Balkans (wie etwa Saloniki) brachte die Reformbewegung eine überaus westlich orientierte muslimische Ober-

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schicht hervor. Die Kenntnis europäischer Umgangsformen, Gebräuche, Sprachen und (auch exakt-wissenschaftlicher) Bildung – all dies fasste man unter der Losung Alla Franca zusammen – bildete den Schlüssel nicht nur zur Aufnahme in die neue Elite, sondern zum Erfolg überhaupt und insbesondere zum nachhaltigen sozialen Aufstieg. Entsprechend unterstützte diese neue Elite die Reformbemühungen der Regierung aus ganzem Herzen.9 Nicht so die breite Masse der muslimischen Bevölkerung, der die Reformen als eine Art europäisches Komplott erschienen, als eine Verschwörung zur Abschaffung ihrer ererbten Privilegien bei gleichzeitiger Bevorzugung der Nichtmuslime. Tatsächlich spalteten die Reformen die muslimische Gemeinschaft, rissen einen Graben auf zwischen der säkularen Elite und der frommen Masse des Volkes. In demselben Maß, in dem die Beamtenschaft europäische Sitten und Verfahrensweisen übernahm, befürchteten strenggläubige Muslime ein wirtschaftliches und gesellschaftlich-moralisches Erstarken der christlichen Partei. So lynchte 1876 in Saloniki ein muslimischer Mob den französischen und den deutschen Konsul; das eigentliche Ziel der aufgebrachten Menge war es allerdings gewesen, ein griechischorthodoxes Bulgarenmädchen, das zum Islam konvertieren wollte, aus den Händen des ebenfalls mobilisierten christlichen Pöbels zu befreien.10 Die wiederholten Versuche griechischer und bulgarischer Christen, ihre hölzernen Kirchenglocken – verhasstes Symbol der christlichen Zweitklassigkeit – gegen solche aus Bronze zu ersetzen, führten zu ähnlich gewaltsamen Zusammenstößen. Die von den Architekten der Tanzîmât-Reformen verfolgte Politik rief natürlich erbitterten Widerstand vonseiten der muslimischen Geistlichen hervor. Deutlich weniger ersichtlich waren die Gründe, aus denen nichtmuslimische religiöse Autoritäten sich gegen die Veränderungen stellten. Allerdings forderten die Reformer auch jene anderen Religionsgemeinschaften auf subtile Weise heraus, indem sie deren gewachsene Strukturen von innen heraus umfassend zu verändern suchten. Sie erklärten den tief verwurzelten geistlichen Establishments, die über Jahrhunderte die alltäglichen Belange ihrer jeweiligen „Schäfchen“ nach dem Gewohnheitsrecht geregelt hatten, also nicht offen den Krieg, sondern entschieden sich für eine durchdachtere, indirekte Vorgehensweise. Indem sie ausgewählte Laien aus den verschiedenen Gruppierungen dabei unterstützten, die staat-

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lich gewünschten Säkularisierung- und Modernisierungsprogramme zu verbreiten, machten sich die Reformer die progressiven Kräfte innerhalb der einzelnen Glaubensgemeinschaften zunutze und drängten so die geistlichen Dunkelmänner aus ihren Machtpositionen. Gleichzeitig unterwarf die Regierung alle diese Gemeinschaften einer einheitlichen Gesetzgebung, wodurch deren jahrhundertealte gesellschaftspolitische Autonomie an ihr Ende gelangte. Die Stärkung des säkular gesinnten Laientums innerhalb der verschiedenen Gemeinden hatte, in Verbindung mit dem Bestreben der Legislative, einheitliche Institutionen für alle osmanischen Untertanen zu errichten, drastische Veränderungen im täglichen Leben jeder einzelnen dieser Gemeinschaften und letztlich für die ganze osmanische Gesellschaft zur Folge. Obwohl es ein Hauptziel der Tanzîmât-Reformen war, den ethnischen Separatismus durch eine Zentralisierung der kaiserlich-osmanischen Verwaltung einzudämmen, bewirkte die besagte Stärkung der säkularen Intelligenz ironischerweise einen deutlichen Aufschwung nationalistischer Bewegungen – und damit das genaue Gegenteil.11 Ein Bereich, in dem der Zusammenstoß von Laien und Geistlichen besonders augenfällig wurde, war das Bildungswesen und hier insbesondere die Frage der Lehrplanung. Während die Säkularen die Einführung weltanschaulich neutraler Lehrpläne einforderten, durch welche die heranwachsende Generation umso besser auf das Leben in der modernen Welt vorbereitet und eine Stärkung des Nationalgefühls sichergestellt werden sollte, stritt die Geistlichkeit für ein auch weiterhin religiös fundiertes Bildungssystem. Die 1869 unter dem Einfluss von Jean-Victor Duruys säkularem Reformprogramm für die französischen Schulen erlassene „Verordnung zur öffentlichen Bildung“ enthielt einen Plan für ein neues osmanisches Bildungssystem mit Grund-, Mittel- und Oberschulen sowie Hochschulen, deren moderne Lehrpläne auch Fremdsprachenunterricht einschlossen. Durch dieselbe Verordnung wurde auch eine Reihe von Militärschulen ins Leben gerufen (Mittel-, Ober- und Hochschule) sowie Gemeinschaften und Einzelpersonen das Recht auf die Einrichtung von Privatschulen zugestanden.12 All diese Auswirkungen der Reformära kamen in Saloniki besonders deutlich zum Tragen, einerseits aufgrund des großen Wertes, den die Regierung der Metropole beimaß – dies wurde etwa durch den ungewöhnlichen

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Besuch des Sultans Abdülmecid (reg. 1839–1861) in Saloniki im Jahr 1859 deutlich –, andererseits wegen ihres kosmopolitischen Gepräges, das zudem die Wirkung jener Reformen noch verstärkte, welche die nichtmuslimische Bevölkerung des Osmanenreiches betrafen. Darüber hinaus begünstigte der stete Zustrom europäischen (auch jüdischen) Kapitals in die Stadt die Reformer vor Ort, die ihre ambitionierten Pläne zum Ausbau der städtischen Infrastruktur zügig in die Tat umsetzen konnten und so den allgemeinen Wandel noch beschleunigten. Das Provinzgesetz von 1864 veranlasste die Neuordnung der Verwaltung in den Regionen, aber es führte auch die Kommunalverwaltung nach französischem Vorbild ein. Die neue Stadtverwaltung von Saloniki ließ die alten Seemauern schleifen und in den 1870er-Jahren das umgebende Sumpfland trockenlegen. Ein britisches Unternehmen brachte im Jahr 1881 eine moderne Gasbeleuchtung in die Straßen von Saloniki; die ersten Stromleitungen wurden 1899 verlegt. Ein Großbrand zerstörte im Jahr 1890 die ärmsten jüdischen Viertel und griff auch auf umliegende Gebiete über, was zumindest die Verbreiterung der bestehenden Hauptverkehrsachsen ermöglichte. Eine Pferdebahn nahm 1893 den Betrieb auf – die fünfte Straßenbahn im ganzen Osmanischen Reich und die erste überhaupt auf dem Balkan.13 Eine neue Telegrafenleitung verband Saloniki mit der Hauptstadt und anderen Zentren des Reiches. Die Eisenbahn leistete das Nämliche: 1870 wurde die Strecke von Saloniki nach (Kosovska) Mitrovica eröffnet, die später um Anbindungen nach Skopje, Manastır und – in die andere Richtung – nach Istanbul ergänzt wurde. Auch der erstarkende Handel mit den westeuropäischen Ländern spielte eine entscheidende Rolle bei der Expansion Salonikis im späten 19. Jahrhundert, sodass die Stadt bald zum größten Exporthafen des Balkans und zum viertgrößten Exporthafen des Osmanischen Reiches avancierte (nach İzmir, Istanbul und Beirut). Neben Handelsschiffen legten auch osmanische, griechische, ägyptische und europäische Kriegsschiffe regelmäßig in Saloniki an. Auch der Finanzsektor florierte: Die exklusive Banque Impériale Ottomane eröffnete 1864 eine ihrer ersten Filialen; bald darauf schlossen sich die Banque de Salonique und die offizielle Staatsbank des Osmanenreiches, die Landwirtschaftsbank Ziraat Bankası, an. Das Aufkommen kleiner und mittlerer Produktionsunternehmen für Baumaterialien, Textilien, Tabak, Alkohol, Bier und Seife machten Saloniki zu einem ernstzunehmenden

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Industriestandort – und zu einer Hochburg der sozialistischen Bewegung im Osmanischen Reich. Das Industriewachstum führte auch zu einem Zuzug von Landbewohnern, die auf der Suche nach Arbeit in die Stadt kamen. Zwischen 1839 und 1897 verdoppelte sich die Einwohnerzahl, hauptsächlich durch diese interne Migrationsbewegung. Saloniki – in der Antike berühmt als Exilheimat Ciceros, später als die Geburtsstadt Kyrills, des Miterfinders des glagolithischen und Namensgeber des kyrillischen Alphabets sowie Co-Übersetzers der Bibel ins Altkirchenslawische – erlebte im Zeitalter der Tanzîmât-Reformen eine wahre kulturelle Renaissance. Besonders bemerkenswert stellt sich die Entwicklung im Bereich der Buchproduktion dar. Obwohl beispielsweise die erste hebräische Druckerei auf dem Balkan schon im Jahr 1512 in Saloniki begründet worden war, druckte man hier lange Zeit vorrangig religiöse Abhandlungen.14 Eine türkische Verlagsbuchhandlung wurde 1727 gegründet, konnte sich aber nicht lange halten. In der Tanzîmât-Ära jedoch kam es zu einer Vielzahl von Druckereineugründungen für die unterschiedlichsten Sprachen. Auch Tageszeitungen und Journale erschienen nun. Judah Nehama begann 1864, die (etwas verwirrend betitelte) Tageszeitung El Lunar („Der Monat“) herauszugeben, der 1869 das offizielle Provinzialamtsblatt Selânik („Saloniki“) folgte, das auf Türkisch, Bulgarisch, Griechisch und Ladino (der Sprache der einst aus Spanien eingewanderten Sepharden) erschien. Eine unabhängige türkischsprachige Tageszeitung, Zaman („Die Zeit“), trug ab 1880 zu einer öffentlichen Debattenkultur bei. Im Jahr 1895 erschien die Erstausgabe von Asır („Das Jahrhundert“), einer der maßgeblichen Zeitungen in den osmanischen Provinzen.15 Die erste griechische Zeitung Salonikis, Hermes, erschien erstmals im Jahr 1875. Muslimische Intellektuelle veröffentlichten eine Vielzahl von Magazinen, so etwa Gonce-i Edeb („Die Knospe der Gelehrsamkeit“), Mecelle-i Muʿallimîn („Allgemeine Lehrerzeitung“), Mezraʿa-i Maarif („Das Feld der Erziehung“) und Tuhfetü’l-Edebiye li-Evlâdi’l-Vataniye („Das Geschenk der Literatur an die Kinder des Patriotismus“). Das Schulsystem von Saloniki vollzog ebenfalls einen weitreichenden Wandel, indem neue Lehranstalten zur Vermittlung derjenigen modernen Bildungsinhalte eröffnet wurden, die sich die traditionellen Schulen einzuführen weigerten. Die alten, aus dem 16. Jahrhundert stammenden Schulen

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wie die Yakub Paşa Medresesi, das jüdische Talmud-Thora-Seminar und das griechische Gymnasium hatten die Herausforderungen der Moderne konsequent ignoriert. Als Sultan Abdülmecid bei seinem Besuch der Stadt 1859 zu einer Audienz „nur diejenigen jüdischen Würdenträger empfing, mit denen er auch französische Konversation machen konnte, und die Rabbiner so, bildlich gesprochen, im Regen stehen ließ“, sandte sein Verhalten ein unmissverständliches Signal: Es war an der Zeit für Veränderungen.16 Kurz darauf, 1864, eröffnete die jüdische Alliance Israélite Universelle eine Zweigstelle in Saloniki, dazu im Jahr 1873 eine halb-säkulare Oberschule für Jungen – letztere allerdings erst nach erbitterten Auseinandersetzungen mit den örtlichern Rabbinern, die sich der Einführung säkularer Bildungseinrichtungen vehement widersetzten.17 Im Jahr darauf erfolgte die Einweihung einer ähnlichen Schule für Mädchen, die dank der großzügigen Hilfe des aus München gebürtigen Barons Maurice de Hirsch (eigentlich Moritz Freiherr von Hirsch auf Gereuth) erfolgen konnte, der zuvor bereits den Bau der Eisenbahnlinie Saloniki–Mitrovica finanziert hatte (sein noch ambitionierteres Projekt, ein europaweites Eisenbahnnetz von über 2500 Kilometern Gesamtlänge zu bauen, gelangte nie zur Ausführung).18 Die bulgarische Gemeinde von Saloniki eröffnete 1869 die erste halb-säkulare christliche Schule.19 Im Jahr 1875 erwiesen sich die Herausforderungen der einsetzenden Modernisierung selbst für das altehrwürdige griechische Gymnasium als unwiderstehlich, das nun den auf Veränderung drängenden Kräften nachgab und in ein Gymnasium modernen Zuschnitts umgewandelt wurde.20 Im Jahr 1888 öffnete die Deutsche Schule von Saloniki ihre Pforten. Zwar richtete sich diese vorrangig an die Kinder der ansässigen Ausländer; allerdings bemühten sich auch viele osmanische Muslime und Andersgläubige, in der Hoffnung auf bessere Bildungschancen für ihre Kinder, um einen Platz für ihren Nachwuchs. Im Nachklang der Bildungsreform von 1869 richtete die osmanische Regierung eine Mittelschule für Knaben ein, gefolgt von einer für Mädchen; auch eine militärische Mittelschule wurde eröffnet. Trotz dieser beeindruckenden Entwicklungen behielt die etablierte muslimische Elite – in Saloniki wie andernorts – die bildungspolitischen Zügel fest in der Hand. So setzten sich die muslimischen Autoritäten erfolgreich gegen jeglichen Versuch zur Wehr, die Elementarschulen zu reformieren,

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in denen die Kinder ihre Grundbildung erhielten. Diese Grundschulen verkörperten in der Konsequenz weiterhin traditionelle Werte und Bildungsinhalte; moderne Methoden, Lehrpläne und sogar Ausstattung – wie etwa Wandtafeln, Pulte und Landkarten – lehnten ihre „Verteidiger“ strikt ab. Während die Laienschaft in den nichtmuslimischen Glaubensgemeinschaften erfolgreich die Einrichtung privater Grundschulen betrieb, in denen nach modernen Prinzipien gelehrt wurde, war für die allermeisten Muslime das traditionelle Elementarschulsystem der einzige gangbare Weg. So blieb es den aufgeschlossenen und tatkräftigen Pädagogen der Dönme-Gemeinde von Saloniki überlassen, die ersten privaten und muslimischen Elementarschulen zu begründen; ihre Lehrpläne waren zumindest moderner, ihre allgemeine Ausrichtung weniger religiös als die der staatlichen Schulen. Das also war das auf den ersten Blick wenig passende Umfeld, in das der zukünftige Begründer der Türkischen Republik eines Winters – entweder 1880 oder 1881 – hineingeboren wurde. Ali Rıza und Zübeyde nannten ihr viertes Kind Mustafa, nach einem der Ehrentitel des Propheten Muḥammad: „der Erwählte“. Ihre ersten drei Kinder waren alle entweder als Säuglinge oder Kleinkinder verstorben; nur eine der beiden Schwestern, die nach Mustafa geboren wurden, erlebte das Erwachsenenalter. Zübeyde war in dem kleinen Dorf Sarıyar nicht weit von Saloniki aufgewachsen. Ihr Vater, ein gewisser Sofuzâde Feyzullah, arbeitete für muslimische Grundbesitzer. Es hieß, die Familie sei aus Vodina (dem heutigen Edessa) in die Gegend eingewandert; sie nahm für sich die Abstammung von einer alten Turkmenenfamilie in Anspruch. Zübeyde hatte ein wenig von der traditionellen osmanischen Grundbildung genossen und konnte anscheinend den gesamten Koran auswendig rezitieren. Auch konnte sie lesen und schreiben, was unter den muslimischen Frauen ihrer Generation eine große Ausnahme darstellte.21 Mustafas Großvater väterlicherseits, Hafız Ahmed, war der Spross einer ortsansässigen türkischen Familie. Nach einer religiösen Erziehung gelangte er bis in die Stellung eines kleineren Beamten, bevor seine Beteiligung an den berüchtigten Unruhen von 1876 – die, wie erwähnt, in der Ermordung des französischen wie des deutschen Konsuls gipfelten – seiner weiteren Karriere ein Ende machte. Als Reaktion auf die Lynchmorde sandten mehrere europäische Mächte zur Intervention Kriegsschiffe nach Saloniki und

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erreichten so, dass die osmanischen Behörden viele der beteiligten Muslime bestraften. Hafız Ahmed floh in die Berge, wo er den Rest seines Lebens im freiwilligen Exil verbrachte.22 Sein Sohn Ali Rıza, ebenfalls ein kleiner Beamter mit einer elementaren Schulbildung, arbeitete bei der osmanischen „Verwaltung der frommen Stiftungen“ und später bei der Zollverwaltung. Türkische Historiker, die Atatürk gern einen militärischen Stammbaum nachweisen möchten, haben behauptet, sein Vater habe sich als Reaktion auf den 1876 drohenden Krieg mit dem Zarenreich zur Reserve von Saloniki gemeldet;23 nachweisen freilich lässt sich das nicht.24 Seine letzte bekannte Stellung war die eines Zollbeamten, der mit der Bekämpfung des Holzschmuggels zwischen dem Königreich Griechenland und dem Osmanischen Reich betraut war. In der Theorie brachte solch ein Posten ein ordentliches Salär mit sich. In der Praxis jedoch zahlte der bankrotte Staat nach 1878 seinen Bediensteten nur in einigen wenigen Monaten des Jahres das ihnen zustehende Gehalt. Um seine bescheidenen Bezüge aufzubessern, machte sich Ali Rıza seine Kenntnisse und Verbindungen zunutze und ging eine Geschäftspartnerschaft mit einem Holzhändler aus Saloniki ein. Nach anfänglichen Erfolgen überwarf er sich bald mit griechischen Wegelagerern, die sich ihren Lebensunterhalt mit der Erpressung von Schutzgeld beim Holztransport verdienten. Die Zusammenarbeit mit dem Holzhändler zerbrach, auch diese Einkommensquelle versiegte, und nach einer kurzen Episode im Salzhandel war Ali Rıza bankrott. Seine Verzweiflung war wohl mitursächlich für eine Krankheit, die im Alter von 47 Jahren zum Tode führte. Mustafa verlor seinen Vater, als er sieben Jahre alt war; Zübeyde wurde mit 27 Jahren zur Witwe.25 Bis zum Tod seines Vaters war der junge Mustafa im relativen Wohlstand der osmanischen Mittelschicht aufgewachsen. Die Familie wohnte in einem dreigeschossigen Haus im Ahmed-Subaşı-Viertel, einer der begehrteren Wohngegenden im muslimischen Teil von Saloniki. Sie war wohlhabend genug, sich einen afrikanischen Hausdiener und eine Amme für den kleinen Mustafa zu leisten. Dessen Erziehung war wohl liberaler als die der meisten muslimischen Kinder aus der Unterschicht. So lebte beispielsweise keiner der Männer aus dem engeren Familien- und Freundeskreis seiner Eltern in Vielehe. Auch heißt es von Mustafas Vater, er habe durchaus Alkohol getrunken, was den Religiös-Konservativen ein Gräuel war.

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Einen ersten Eindruck von dem verwirrenden Dualismus, der mit den Reformen des 19. Jahrhunderts Einzug in die osmanische Gesellschaft gefunden hatte, dürfte dem kleinen Mustafa eine hitzige Diskussion seiner Eltern gegeben haben, bei der sein weiterer Bildungsweg zur Sprache kam. In den meisten städtischen Familien dieser Zeit verlief die Debatte zwischen Befürwortern von „Alla Franca“ auf der einen und Verfechtern von „Alla Turca“ auf der anderen Seite entlang der Generationengrenze: Kinder gegen Eltern. Nicht so in diesem Fall, wo die Spannung durch unterschiedliche Ansichten der beiden Elternteile erzeugt wurde. Ali Rıza standen als kleinem Beamten die Vorteile einer modernen Erziehung für den gesellschaftlichen Aufstieg klar vor Augen. Deshalb wollte er seinen Sohn gern auf die von Dönmes gegründete Şemsi-Efendi-Schule schicken, wo eigenständiges, kritisches Denken höher gewertet wurde als Auswendiglernen und Rezitation. Das war die Wahl vieler Muslime der Mittel- und Oberschicht (und natürlich der Dönmes). Die „französischen“ Elemente der Schule waren es, die sie insbesondere anzogen: Pulte, farbige Wandkarten und ein Schwerpunkt auf Mathematik und Naturwissenschaften (obgleich auch religiöse Inhalte gelehrt wurden). Mustafas fromme Mutter andererseits wollte ihren einzig überlebenden Sohn lieber auf eine traditionelle Grundschule schicken, an der Geistliche nach einem Lehrplan unterrichteten, der ganz um religiöse Unterweisung und das Erlernen der arabischen Sprache kreiste. Der Disput endete in einem eigentümlichen Kompromiss: Um seine Mutter zufriedenzustellen, besuchte Mustafa zunächst die fromme Elementarschule (wo er ein Päckchen mit einigen gut verpackten Blättern aus dem Koran auf die Brust geschnürt trug). Dort blieb er allerdings nur einige Tage, während deren er zumindest ein paar religiöse Gesänge lernte. Damit betrachtete Ali Rıza sein Gelübde Zübeyde gegenüber als erfüllt, und so schickte er seinen Sohn umgehend auf die Şemsi-Efendi-Schule.26 Es kann nur geringer Zweifel daran bestehen, dass Mustafas spätere Vorliebe für fortschrittliche Institutionen und Verfahrensweisen zu einem Gutteil auf seine frühen Erfahrungen als einer der sehr wenigen Schüler zurückgeht, die im Osmanischen Reich eine private Grundschule ohne übermächtigen religiösen Schwerpunkt besuchen konnten. Die den Zeitgenossen avantgardistisch anmutenden Gepflogenheiten der Şemsi-EfendiSchule – so gab es dort beispielsweise Turnunterricht – zogen den Zorn der

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Konservativen auf sich, was sich in zeitweiligen Schließungen, mehr als einmal sogar in Übergriffen durch aufgebrachte Randalierer niederschlug.27 Der junge Mustafa scheint seine Zeit an der Şemsi-Efendi-Schule in vollen Zügen genossen zu haben, jedoch machte der Tod seines Vaters diesen glücklichen Tagen ein frühes Ende. Die magere Witwenrente seiner Mutter – 40 Piaster im Monat, das entspricht im Jahr 2015 nur rund 20 Euro – bewog diese, aus Saloniki nach Langaza zu ziehen, in die Nähe ihres Heimatortes Vodina. Dort lebte sie unter dem Schutz ihres Stiefonkels Langazalı Hüseyin Ağa, der Verwalter auf einem ansehnlichen muslimischen Landgut war. Die Umstellung von einem bequemen Stadtleben in der Mittelschicht zu einem Landleben nah an der Armutsgrenze war eine bittere Erfahrung. Wie auch die anderen Mitglieder seiner Familie war Mustafa bestrebt, sich der neuen Lebenssituation auf dem Land anzupassen – ohne Erfolg. Die wenig anspruchsvollen Aufgaben, die ihm Hüseyin Ağa übertrug, forderten ihn nicht; so war es etwa seine Pflicht, als eine Art bessere Vogelscheuche die Krähen von den Bohnenfeldern zu vertreiben.28 Die Unterbrechung der schulischen Ausbildung ihres Sohnes bedrückte seine Mutter zutiefst. Für eine kurze Zeit ging Mustafa bei einer nahegelegenen Kirche auf eine griechische Schule. Danach gab ihm ein albanischer Verwalter auf dem Landgut Privatstunden in einigen grundlegenden Fächern. Aber das alles war nicht genug. Schließlich beschloss Zübeyde, ihren Sohn zu seiner weiteren Erziehung zurück in die Stadt zu schicken.29 Mustafa kehrte also nach Saloniki zurück, wo er bei seiner Tante Hatice lebte, einer Schwester seines verstorbenen Vaters. Kurz darauf beendete ein unschöner Vorfall seine Schulzeit an der einzigen zivilen Vorbereitungsschule der Stadt. Einer von Mustafas Lehrern geriet in Rage, nachdem jener an einer Rauferei mit Mitschülern beteiligt gewesen war, und prügelte ihn schwer. Blutig geschlagen und gedemütigt verließ Mustafa die Schule; er sollte dorthin nie zurückkehren.30 Im Folgejahr traf er im Alter von dreizehn Jahren eine der gewichtigsten Entscheidungen seines Lebens: Sich über die Einwände seiner Mutter hinwegsetzend, bewarb er sich heimlich bei der militärischen Vorbereitungsschule von Saloniki. In seinen Memoiren beschreibt Mustafa Kemal, wie tief ihn die Uniformen der Kadetten und Offiziere beeindruckt hatten.31 Auf dem Land lebte er in der Nachbarschaft eines Majors des osmanischen Heeres, dessen Sohn bereits auf diese Schule

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ging. Als die Nachricht von Mustafas Aufnahme eintraf, beugte sich Zübeyde widerstrebend den vollendeten Tatsachen. Auf diese Weise also begann Mustafa seine Militärkarriere. Die militärischen Vorbereitungsschulen waren, wie ihre zivilen Pendants, ein Produkt der Reformära. Ihr Besuch war allen osmanischen Untertanen gestattet, ohne Ansehen der Religion. Allerdings deuten entsprechend zugeschnittene, regelrechte Werbekampagnen der Regierung darauf hin, dass es bei den nichtmuslimischen Teilen der Bevölkerung einiger Überzeugungsarbeit bedurfte, um ihnen diese Schulen schmackhaft zu machen.32 Die meisten von ihnen sahen in den Militärschulen keine wirkliche Alternative zur Erziehung ihrer Kinder. Die militärischen Vorbereitungsschulen folgten einem Lehrplan, der zwar modern, aber doch nicht radikal modern war. Es gab Französischunterricht, aber eben auch solchen in Persisch und Arabisch. Man legte großen Wert auf Mathematik, Zeichnen und Sport, aber eben auch auf einige religiöse Fächer. Auf ihre Weise verkörperten diese Schulen eine Art Hybridform aus der klassischen osmanischen Bildungstradition und dem modernen französischen Schulsystem. Dennoch war den Begründern dieses Schultypus offenkundig daran gelegen, ihre Schüler auf das moderne Leben vorzubereiten; die religiösen Zugeständnisse sollten wohl am ehesten der Wahrung des öffentlichen Friedens dienen. Der Hauptunterschied zwischen der zivilen und der militärischen Variante dieser Schulform bestand – wenig überraschend – darin, dass die letztere (noch) strengere, militärische Disziplin einforderte. Die Schüler trugen Uniform, salutierten vor ihren Lehrern (die zumeist niedere Offiziere waren) und waren einer strikten Hierarchie unterworfen. Die militärischen Vorbereitungsschulen stachelten zudem durch ein ausgeklügeltes Bewertungs- und Rangsystem den Wettbewerb unter den Schülern an. Trotz diesem alles in allem ausgeprägt militärischen Umfeld wechselten die meisten Schüler im Anschluss auf eine zivile Oberschule. Viele hatten auch überhaupt keine Ambitionen, die Offizierslaufbahn einzuschlagen. Mustafa war ein fleißiger Schüler, der insbesondere in Mathematik hervorragende Leistungen zeigte. Dies brachte ihm, als Primus, seine erste Führungsposition ein. Lehrer und Mitschüler entschieden übereinstimmend, dass er Klassen-Sergeant (eine Art „Klassensprecher auf Militärisch“) werden sollte. In dieser Funktion diente er als Verbindungsglied zwischen der

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Schülerschaft und der Schulleitung – in dem strikt hierarchischen System der osmanischen Militärschulen eine nicht zu unterschätzende Position. Tatsächlich nannte Mustafas Mutter diese Wahl noch Jahre später als einen seiner herausragenden Erfolge.33 Ein anderes Ereignis von besonderer Tragweite hinterließ bei Mustafa sogar noch deutlichere Spuren: Sein Mathematiklehrer, der ebenfalls Mustafa hieß, bat seinen strebsamen Zögling, sich doch einen zweiten Namen beizulegen, damit es nicht zu Verwechslungen komme. Solche Probleme traten in der osmanischen Gesellschaft tatsächlich häufig auf, denn osmanische Muslime hatten ja keine Familiennamen – eine Neuerung, die Mustafa (der Schüler) selbst – allerdings erst 1934 – einführen sollte. Der Lehrer Mustafa schlug nun also „Kemal“ als Zweitnamen vor, was soviel wie „Reife“ oder „Vollkommenheit“ bedeutet. Zudem war es der Name des prominentesten patriotischen Dichters des Osmanenreiches zu jener Zeit, Namık Kemal, der von den jungen Osmanen als Bannerträger und Märtyrer des Kampfes gegen die absolutistischen Regime der Sultane Abdülaziz (reg. 1861–1876) und Abdülhamid II. (reg. 1876–1909) verehrt wurde. Mustafa nahm diesen Vorschlag gern an.34 Die einzige Wolke am ansonsten blauen Himmel seiner Zeit an der militärischen Vorbereitungsschule war die zweite Heirat von Mustafa Kemals Mutter. Eine Witwe hatte es in der osmanischen Gesellschaft nicht gerade leicht. Zübeyde geriet in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten und entschloss sich daher, einen kleinen Inspektionsbeamten bei der Régie Ottomane des Tabacs zu heiraten (im Gefolge des osmanischen Staatsbankrotts von 1881 waren die osmanische Tabakproduktion und der Handel mit Tabak und Tabakprodukten staatlich monopolisiert worden). Erzürnt von der Entscheidung seiner Mutter sowie von ihrem Versäumnis, ihn hinreichend früh von ihren Hochzeitsplänen in Kenntnis zu setzen, verließ Mustafa Kemal den gemeinsamen Haushalt und zog zu einem entfernten Verwandten.35 Nach seinem Schulabschluss bewarb er sich – auf die Ermutigung seiner Lehrer hin – bei der militärischen Oberschule in Manastır (dem heutigen Bitola in der Republik Mazedonien). Es überrascht kaum, dass er auch die Aufnahmeprüfungen für dieses prestigeträchtige, ebenfalls staatliche Internat bestand, und so verließ Mustafa Kemal Saloniki und die Schauplätze seiner Jugend in Richtung einer weiteren bedeutenden Stadt des osmanischen Europa.

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Mustafa Kemals Herkunft aus scheinbar bescheidenen Verhältnissen in Saloniki entsprach jedoch – mit Blick auf die gesamtosmanische Gesellschaft – der aus einem eher angesehenen Elternhaus. Um dies zu verstehen, muss man sich nur ins Gedächtnis rufen, dass das Osmanische Reich (im Gegensatz zur heutigen Türkischen Republik) ein in gleichem Maße europäisches wie asiatisches Staatsgebilde war. Rumelien (die europäische Türkei) und Anatolien (ihr kleinasiatischer Anteil) bildeten die beiden tragenden Säulen des Staatsgebäudes; Istanbul war, wie der Schlussstein eines Gewölbebogens, zwischen diesen beiden eingepasst. Rumelien und Anatolien hatten schon vor der Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 den Kern des Osmanenreiches ausgemacht, und auch die nachfolgende Eroberung der arabischen Gebiete des Reiches änderte in der Vorstellung seiner turksprachigen Bevölkerung nichts an diesem Grundkonzept. Rumelier und Anatolier sprachen dennoch ein sehr unterschiedlich gefärbtes Türkisch mit deutlichen lokalen Akzenten und anderen Eigenheiten. Der rumelische Dialekt hatte in seinen Wortschatz eine Vielzahl von albanischen, griechischen und slawischen Wörtern aufgenommen; trotzdem galt er als

Abb. 1  Saloniki um die Jahrhundertwende.

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die dem Istanbuler Idiom – das in etwa das Prestige des Hochdeutschen oder des britischen Queen’s English für sich beanspruchen konnte – ähnlichere Mundart. Einen Fremden, der in eine neue Stadt kam, hat man damals wohl zuallererst gefragt, ob er aus Anatolien oder Rumelien komme. Das osmanische Brauchtum schrieb den Rumeliern verfeinerte Sitten, Klugheit, Charme und Eleganz zu, während die Anatolier stereotyp als couragiert, ehrlich und geradeheraus dargestellt wurden. In gewisser Hinsicht fungierten türkische Rumelier der Oberschicht in ihrer Eigenschaft als Herrschaftselite als ein Ersatz für die fehlende Aristokratie im Osmanischen Reich. Saloniki stellte – als die Metropole Rumeliens – den zentralen Bezugsort dieser Elite dar. Aus der Sicht der Rumelier war es kein Zufall, dass sie mehr hochrangige Beamte und kaiserliche Würdenträger stellten als ihre anatolischen Cousins. Auch war es wenig überraschend, dass es ausgerechnet vornehme Rumelier gewesen waren, die 1808 eine folgenreiche Bewegung angeführt hatten: Diese ließ dem damaligen Sultan letztlich keine andere Wahl, als ein Dekret zu erlassen, das häufig – aber eigentlich aus einem Missverständnis heraus – als die „osmanische Magna Carta“ bezeichnet wird, und den Sultan verpflichtete, seine Herrschaftsgewalt im Reich jeweils mit örtlichen Notabeln zu teilen. Fast alle rumelischen Muslime türkischer Abstammung unterstrichen ihre selbst so wahrgenommene Überlegenheit, indem sie sich stolz als „Kinder der Eroberer“ (evlâd-ı fatihân) bezeichneten. Das war ein alter und geachteter Titel, der 1691 den Nachfahren jener türkischen Pioniere gewährt worden war, die sich als erste in den europäischen Provinzen des Reiches angesiedelt hatten, und der enorme Steuer- und Militärdienstprivilegien mit sich brachte.36 Die „Kinder der Eroberer“ hatten traditionell in eigenen Militäreinheiten gedient und waren dort zudem besser behandelt worden als die übrigen Muslime – zumindest, bis die Tanzîmât-Reformer, die jegliche Form von Sonderbehandlung im ganzen Reich abschaffen wollten, diese Privilegien im Jahr 1845 kurzerhand strichen.37 Das Prestige jedoch, das mit dem alten Ehrentitel verbunden war, blieb bestehen. Ein Vergleich von großer suggestiver Kraft ließe sich etwa mit dem prestigeträchtigsten anatolischen Titel anstellen: seyyid, der auf die Abstammung seiner Träger vom Propheten Muḥammad hinweist. Mustafa Kemal, dessen Anspruch auf eine türkisch-nomadische Herkunft durch die Tatsache noch gestärkt wurde,

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dass seine Mutter aus Langaza stammte, einer Hochburg jener „Kinder der Eroberer“, sah sich selbst so, wie er auch von anderen gesehen wurde: als kultivierter Angehöriger einer privilegierten Schicht. Die spätere Westorientierung des Erwachsenen Mustafa Kemal war somit auf das Innigste mit seiner Kindheit und Jugend in den europäischen Provinzen des Osmanischen Reiches verbunden. Tatsächlich war Saloniki eines der augenfälligsten Beispiele für das prekäre Nebeneinander von alt und neu im Osmanischen Reich der Reformära. In diesem Zusammenhang hieß „alt“ im Wesentlichen „traditionell und religiös“, während „neu“ als beinahe gleichbedeutend mit „europäisch und säkular“ verstanden werden kann. Viele Osmanen jener Jahre fassten das ganze Leben als ein ewiges Tauziehen zwischen den Kräften der Moderne und jenen der Tradition auf. In gleich mehrer Hinsicht neigte Saloniki eher den modernen Einflüssen zu: Die Stadt hatte Cafés nach westlicher Art vorzuweisen, in denen Bier aus Wien ausgeschenkt wurde; literarische Vereinigungen veranstalteten philosophische Diskussionsabende; Theater führten Tragödien, Komödien und Operetten auf; die Bildungslandschaft war vielfältig; die tatsächliche Präsenz so vieler Europäer in der Stadt machte sich ebenfalls bemerkbar. Alles in allem hatte Saloniki in der Reformära eine gewaltige Transformation durchlaufen und sah mittlerweile einer westeuropäischen Stadt gar nicht unähnlich. Die muslimische Gemeinde – und insbesondere ihr progressiver Dönme-Anteil – hatte die fortschrittlichsten Schulen im ganzen Osmanischen Reich errichtet. Der junge Mustafa, dem es an Gelegenheiten zum Vergleich von alt und neu wahrlich nicht gemangelt hatte, entschloss sich aus freien Stücken und vollem Herzen, den Weg der Moderne einzuschlagen. Mustafa Kemals kosmopolitischer Hintergrund befähigte ihn zudem, zu verstehen, warum die Reformen scheiterten, sobald sie in den Bannkreis der immer heftiger werdenden Grabenkämpfe zwischen den größeren ethnischen und religiösen Gruppierungen des Osmanenreiches gerieten: Diese ließen sich auch durch Reformen nicht beilegen. In den Jahrzehnten vor seiner Geburt hatten die Verfechter der Tanzîmât-Politik sich bemüht, gesellschaftliche Konflikte, ethnischen Separatismus und religiösen Obskurantismus zu überwinden, indem sie eine neue, überstaatliche, eine osmanische Identität propagierten. Sie hatten alle Untertanen des Reiches darauf verpflichten wollen, ihre ethnischen und sonstigen Zugehörigkeiten

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einer neuen Identität als Osmanen unterzuordnen. Aber die tiefen religiösen und ethnischen Gräben in der Gesellschaft ließen sich so leicht nicht beseitigen. Den nationalistischen Aufständen in der Herzegowina und bald darauf in Bosnien folgten gewaltsame Zusammenstöße zwischen Muslimen und Christen in Bulgarien, die schließlich zum Russisch-Osmanischen Krieg von 1877/78 führten. Und da sollten sich all diese verfeindeten Gruppen schlicht und einfach als „Osmanen“ fühlen? Mehr noch: In dem Maße, in dem das Osmanenreich schrumpfte, seine rumelischen Provinzen entweder an europäische Staaten abtreten oder ihnen ihre Unabhängigkeit gewähren musste, stieg der proportionale Anteil von Muslimen an der Gesamtbevölkerung des Reiches. Dies war einer der Faktoren, die Sultan Abdülhamid II. dazu bewogen, die osmanische Identität in eine supranationale Gemeinschaft von Muslimen umzudefinieren. Diese neue Politik des Panislamismus allerdings, die alle Nichtmuslime schlicht ignorierte, verschärfte selbstredend die Spannungen zwischen Muslimen und Christen innerhalb des verbliebenen Reiches. Die Rückführung Makedoniens in den Schoß des Osmanischen Reiches anlässlich des Berliner Kongresses von 1878 verwandelte, da sie ja unter der Bedingung prochristlicher Reformen erfolgt war, jene Provinz in eine Brutstätte ethnischer Konflikte. Das gerade erst unabhängig gewordene Fürstentum Bulgarien, das schließlich Makedonien gezwungenermaßen an den Sultan zurückgeben musste, stachelte die dort ansässigen Bulgaren zu großflächigen Guerillaaktivitäten gegen die osmanische Obrigkeit und die muslimischen Einwohner auf. Bald folgten auch die makedonischen Griechen diesem Beispiel. Beide Gruppen hatten ein begehrliches Auge auf die reiche Hafenstadt Saloniki geworfen. Die Griechen, die unter der dortigen Bevölkerung erst an dritter Stelle hinter den Juden und den Türken rangierten, beanspruchten die Stadt aufgrund ihrer antiken und byzantinischen – und also griechischen – Vergangenheit. Die Bulgaren, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung noch wesentlich geringer wog, betrachteten Makedonien als „Westbulgarien“ und begehrten Saloniki, die Zierde der ganzen Gegend, mitsamt der dazugehörigen Provinz für sich. Am Ende sollten die Griechen zum Zuge kommen. Mustafa Kemal hatte als Kind und als Jugendlicher den Guerillakrieg der Bulgaren und Griechen in Makedonien miterlebt. Als Erwachsener

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erfuhr er die schmerzhafte und demütigende griechische Besetzung und schließliche Annexion von Saloniki im Ersten Balkankrieg von 1912. Später erinnerte er sich daran folgendermaßen:

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Als ich eines Tages vom Kampfgebiet in der Kyrenaika [im östlichen Libyen] in das Feuer des Balkan[krieg]s zurückkehren wollte, bemerkte ich, dass sämtliche Wege von … den Küsten Afrikas in mein Vaterland versperrt waren. Eines Tages hörte ich dann, dass Saloniki – meines Vaters Stadt! – dem Feinde zugestanden worden war mitsamt meiner Mutter, Schwester und allen meinen Verwandten. … Eines Tages hörte ich wiederum, dass im Minarett der Hortacı-Süleyman-Moschee eine Glocke eingesetzt worden war und dass auf den Gebeinen meines Vaters dort die schmutzigen Stiefel der Griechen herumgetrampelt hatten.38 Von diesem Zeitpunkt an war Mustafa Kemal ein Mann, der niemals würde nach Hause zurückkehren können. Die Geschehnisse hatten das hehre kosmopolitische Ideal des Osmanismus als bloßen Wunschtraum entlarvt. Zudem unterstrichen sie die Bedeutung militärischer Macht und erteilten allen Beobachtern eine eindrückliche Lektion in Sachen der legitimierenden Kraft historischer Erzählungen, die potenziell einen viel größeren Einfluss auf das Schicksal von Städten, Regionen und sogar ganzen Ländern haben konnten, als dies die bloße Demografie je vermocht hätte. Diese Lektion sollte bei Mustafa Kemals späteren Bemühungen, als Gründer einer Türkischen Republik in Anatolien einen unangefochtenen türkischen Herrschaftsanspruch durchzusetzen, eine entscheidende Rolle spielen. Dies erklärt auch, warum er es in dem heftigen Krieg gegen den griechischen Irredentismus nicht bei einem Sieg auf dem Schlachtfeld bewenden ließ, sondern vielmehr eine pseudowissenschaftliche Kampagne in Gang setzte, die anhand der angeblich hethitischen und sumerischen Wurzeln des türkischen Volkes jegliche historisch begründeten „fremden“ Ansprüche auf ein Stück anatolischen Bodens im Keim ersticken sollte. Außerdem ließ er die alte, kosmopolitische Konzeption des Osmanismus – die ja das Unmögliche versucht hatte, indem sie einem Vielvölkerreich einen einheitlichen Nationalismus verschreiben wollte – vollends fahren und machte sich daran, einen neuen

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Staat zu errichten, der so homogen – und damit so „unbalkanisch“ – wie nur möglich werden sollte. Es gab noch einen weiteren prägenden Prozess, den der junge Mustafa Kemal als Kind und Jugendlicher in Rumelien miterlebte: den Transfer wirtschaftlicher Macht und Prosperität innerhalb der osmanischen Gesellschaft von Muslimen zu Nichtmuslimen. Traditionell hatten sich die osmanischen Muslime durchaus in den Bereichen von Warenproduktion, Handel und anderen Geschäften engagiert; durch beträchtliche Steuervorteile begünstigt, hatten sie das wirtschaftliche Leben im osmanischen Reich über Jahrhunderte dominiert. Jetzt allerdings, im 19. Jahrhundert, führten der sich stark belebende Handel mit den europäischen Wirtschaftsmächten und die Abschaffung der alten osmanischen Schutzzölle zu einer wahren Flut westlicher Waren, wohingegen sich der muslimisch dominierte produzierende Sektor innerhalb des Reiches auf dem absteigenden Ast befand. In einer Volkswirtschaft, die nun eher auf Importen als auf der einheimischen Produktion basierte, war es nur konsequent, dass der Handel eine zentrale Rolle einnahm. Und ausgerechnet im Handel wogen die Nachteile der Muslime am schwersten. Diese Problematik hatte unterschiedliche Aspekte. Zum einen profitierten europäische Kaufleute enorm von der neuen, liberaleren osmanischen Handelspolitik und brachten durch Kooperationen mit nichtmuslimischen Osmanen einen beträchtlichen Teil des osmanischen Marktes unter ihre Kontrolle. Zweitens nahmen nicht wenige dieser nichtmuslimischen Osmanen eine fremde Staatsbürgerschaft an – einerseits, um das osmanische Steuersystem zu umgehen, andererseits, um sich ausländischer Protektion zu versichern; Interventionen zu ihren Gunsten durch die örtlichen europäischen Konsuln waren in den Städten Rumeliens bald eine Alltäglichkeit. Diese Vorkommnisse führten unter den Muslimen zu einiger Verbitterung, die ihren Ausdruck in einem populären Sprichwort fand: „Die Ungläubigen haben europäische Schutzherren; wir haben keinen Schutzherrn außer Gott.“39 Drittens gewährte die osmanische Regierung einigen christlichen Gruppen gewisse Privilegien, so etwa ihren griechisch-orthodoxen Untertanen, denen gestattet wurde, unter russischer Flagge zur See zu fahren. In der Bilanz all dieser Faktoren zogen die nichtmuslimischen Gewerbetreibenden des Reiches enorme Vorteile aus den Reformen jener Jahre. Viele Vor-

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kommnisse, die oft allzu schnell als Fälle von „islamischem Fanatismus“ aufgefasst werden, hatten ihre tiefen sozio-ökonomischen Wurzeln in der Unzufriedenheit der Muslime, die sich plötzlich – in einem nach außen hin muslimischen Großreich – wirtschaftlicher Benachteiligung ausgesetzt sahen. Wie bereits geschildert, verbrachte Mustafa Kemals Großvater seinen Lebensabend wegen seiner Beteiligung an einem ähnlichen Vorfall als Flüchtling in den Bergen von Makedonien. Ganz ähnlich gab sein Vater die Schuld am Scheitern seines Holzimportgeschäfts der Machtlosigkeit einer Verwaltung, die griechische Wegelagerer nicht daran zu hindern vermochte, mit nichtmuslimischen Kaufleuten zusammenzuarbeiten40 – eine verbreitete Klage unter Muslimen in den rumelischen Großstädten. Und schließlich arbeitete Mustafa Kemals Stiefvater für eine ausländische Firma, die alle Führungspositionen mit Ausländern und Nichtmuslimen besetzte, während die Muslime sich mit Wach- oder Schreibertätigkeiten begnügen mussten. Diese Kindheitseindrücke helfen, einen weiteren markanten Aspekt von Mustafa Kemals Lebensphilosophie zu erklären: Obwohl er lebenslang der eingeschworene Verfechter einer Modernisierung nach westlichem Vorbild blieb, war er doch stets ein ebenso standhafter Gegner einer Infiltration der Türkei durch westliche Wirtschaftsinteressen und politische Einflussnahme.

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Das Volk in Waffen1: Vom Werdegang eines osmanischen Offiziers

Im Januar 1896, er hatte gerade seinen Abschluss an der militärischen Vorbereitungsschule von Saloniki gemacht, schrieb sich Mustafa Kemal an der Oberschule der osmanischen Armee in Manastır ein, damals Hauptstadt der osmanischen Provinz gleichen Namens. Sieben solcher Militäroberschulen waren in allen Gegenden des Reiches eingerichtet worden – Ergebnis eines umfassenden Reformvorhabens nach der Eröffnung der Osmanischen Militärakademie im Jahr 1834.2 Neben der Schule in Istanbul gab es sechs weitere Einrichtungen in Bagdad, Bursa, Damaskus, Edirne (Adrianopel), Erzurum und eben in Manastır.3 Für muslimische Schüler im Besonderen boten diese Schulen, die nur die hervorragenden Schüler einer jeden Provinz aufnahmen, im spätosmanischen Reich die besten Chancen für den gesellschaftlichen Aufstieg. Die Schule in Manastır, die 1847 eröffnet worden war, nahm im Schnitt etwa 75 Schüler pro Jahrgang auf – und das in einer Provinz, in der allein die beträchtliche muslimische Bevölkerung etwa 225 000 zählte! Das Aufnahmeverfahren war überaus anspruchsvoll, denn die Konkurrenz zwischen den vielen Kindern der in der Provinz stationierten Offiziere und Verwaltungsbeamten war stark. Im Jahr 1899, im Alter von achtzehn Jahren, bestand Mustafa Kemal an dieser Schule sein Abitur mit fliegenden Fahnen. Er war der zweitbeste Absolvent seines Jahrgangs.4 Danach zog Mustafa Kemal nach Istanbul, wo er sich an einer der renommiertesten Hochschulen des Osmanischen Reiches einschrieb: der Kaiserlich-Osmanischen Militärakademie. Obwohl bereits im 18. Jahrhundert einige Militäringenieurschulen entstanden waren, die die Schlagkraft der osmanischen Truppe verbessern sollten, vermochte erst Sultan Mahmud II. im Jahr 1834 die bestehenden traditionalistischen Vorbehalte zu

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überwinden und die erste Militärakademie nach westlichem Muster zu eröffnen, deren Absolventen das Offizierskorps der nach europäischem Modell neustrukturierten osmanischen Armee bilden sollten.5 Während sich der Lehrplan dieser Akademie anfänglich stark von seinen europäischen Vorbildern unterschied, hatte bis zu den 1840er-Jahren eine beträchtliche Angleichung stattgefunden, und die Unterweisung der Kadetten konzentrierte sich nun auf eine professionelle militärische Ausbildung – zulasten solcher Fächer wie Glaubenslehre, Arabisch und Persisch. Eine Gruppe von in Europa ausgebildeten Professoren übernahm die Verwaltung der Hochschule, während ein Großteil der technischen Fächer von französischen und preußischen Dozenten unterrichtet wurde. Zu der Zeit, als Mustafa Kemal hier sein Offiziersstudium aufnahm, umfasste der Lehrplan hauptsächlich militärkundliche Übungen, Mathematik, Naturwissenschaft und europäische Sprachen und hatte den Ruf, den Kadetten ihr Äußerstes abzuverlangen. Einmal in Istanbul angelangt, arbeitete Mustafa Kemal kontinuierlich auf eine Aufnahme in den Stabslehrgang hin, der als „Hochschule in der Hochschule“ ebenso elitär wie konkurrenzorientiert war und gemeinhin als das absolute Nonplusultra einer Ausbildung in der osmanischen Armee galt. Im Jahr 1902 schloss er als Achtbester von 459 Kadetten seines Jahrgangs die Offiziersausbildung ab und schrieb sich auf zwei weitere Jahre für den Sonderlehrgang der Stabshochschule ein.6 1905 trat er im Rang eines Stabshauptmanns in die Armee ein.7 Mustafa Kemals Studien an der Kaiserlich-Osmanischen Militärakademie brachten ihn mit radikal neuen Ideen in Berührung. Die Akademie war schließlich aus den Militär- und Verwaltungsreformen des Osmanischen Reiches im früheren 19. Jahrhundert hervorgegangen. Ihr Ziel, wie auch dasjenige anderer ungefähr zur gleichen Zeit gegründeter Institutionen, war es, dem Osmanenreich zu professionell ausgebildeten Soldaten zu verhelfen – und nicht etwa, „normalen“ Untertanen und Zivilisten eine breite universitäre Bildung angedeihen zu lassen. Der Lehrplan der Akademie gab also, wie gesagt, militärisch relevanten Themen und Fachgebieten den Vorzug. Während die ursprüngliche Gestaltung des Curriculums klar den Einfluss der französischen École Spéciale Militaire de Saint-Cyr erkennen ließ, führte die französische Niederlage gegen Preußen-Deutschland im Krieg von 1870/71 zu einem verstärkten Interesse der osmanischen

Am Schicksale der heutigen Türken kann man lernen, welches Loos einem ehrlichen, stolzen, tapfern und tiefreligiösen Volke bevorsteht, wenn es der angemessenen Führung höherer Stände entbehrt. Das treffliche Soldatenmaterial unter schlechten Offizieren liefert immer nur eine mangelhafte Truppe.11

Vom Werdegang eines osmanischen Offiziers

Führung am deutschen Militärwesen. In den Jahren 1883/84 leitete der gefeierte preußische Militärtheoretiker und spätere Generalfeldmarschall Colmar von der Goltz auf Einladung des Sultans eine Umstrukturierung der Kaiserlich-Osmanischen Militärakademie nach dem Vorbild von Goltz’ Berliner Heimatinstitution, der Preußischen Kriegsakademie. Goltz stärkte die Vermittlung von Algebra und anderen mathematischen und technischen Verfahren und Fachgebieten und führte ein neues Dienst- und Disziplinethos ein. Nach seinen Vorstellungen sollte zudem die Armee einen gewichtigeren Platz in der Gesellschaft einnehmen, als dies zuvor der Fall gewesen war.8 Colmar von der Goltz hatte sein einflussreiches Buch Das Volk in Waffen (die Formulierung hatte zuerst der preußische König und nachmalige deutsche Kaiser Wilhelm I. 1860 gebraucht) unter dem Einfluss des Sozialdarwinismus geschrieben. Der Krieg war, so der Tenor des Buches, eine unvermeidliche Naturgegebenheit. Und da der Krieg in der Moderne nicht mehr nur ein Krieg zwischen zwei Armeen war, sondern zwischen den Nationen, die diese Armeen stellten, als ganzen, oblag es der militärischen Elite, auch über ihre traditionelle Rolle hinaus auf die Gesellschaft einzuwirken, das Staatsschiff auf seiner Feindfahrt gewissermaßen mitzusteuern. Die Generalität und die Offiziere, davon war von der Goltz überzeugt, sollten mehr als nur loyale Staatsdiener sein; vielmehr gebührte „dem Offizierstande … aus innerer Nothwendigkeit eine hervorragende Stellung im Staate. Noblesse oblige.“9 Nach Goltz’Ansicht waren „geborene Herrschernaturen … auch bedeutende Krieger, und es ist begreiflich, daß die größten Heerführer auf den Thronen gesucht werden müssen.“10 Nicht ganz ohne Berechtigung glaubte Goltz, seine Ideen seien in besonderer Weise auf das Osmanische Reich anwendbar:

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Die Türken, dieses ehrliche und stolze Volk, verlangten in Goltz’ Augen flehentlich nach der Lenkung durch eine neue Offiziersklasse. Über Jahrhunderte hatten – so der preußische General – die Muslime im Osmanischen Reich unter ständiger Anspannung gelebt, jederzeit bereit, in den Krieg zu ziehen. Außerdem sei die strenge Unterscheidung zwischen militärischer und ziviler Sphäre in einem Großreich hinfällig, dessen andauerndes Verweilen im Kriegszustand die militärischen Befehlshaber zugleich zu den natürlichen Lenkern der Gesellschaft geformt habe. Und doch: Obwohl Heeres- und Flottenkommandeure als Minister und Großwesire gedient hatten, war das Militär als Ganzes von der strategischen Gestaltung der osmanischen Politik ausgeschlossen gewesen – bis nach der jungtürkischen Revolution von 1908 das paramilitärische „Komitee für Einheit und Fortschritt“ (KEF, türkisch İttihad ve Terakki Cemiyeti) viele Offiziere in Staatsämter brachte. Die Revolution der Jungtürken bot so eine unerwartete Gelegenheit, Goltz’ Vision einer vollkommen durchmilitarisierten, von Armeeoffizieren gelenkten Gesellschaft Wirklichkeit werden zu lassen. Es war daher eine Ironie der Geschichte, aber auch vollkommen verständlich, dass Goltz’ Ideen im Osmanischen Reich weitere Verbreitung fanden als in seiner deutschen Heimat.11 Sie formten das Weltbild mehrerer Generationen osmanischer Offiziere, die ab 1886 an der Kaiserlich-Osmanischen Militärakademie eine türkische Übersetzung von Das Volk in Waffen studieren konnten.13 Bis 1908 war annähernd die gesamte Führungsriege der osmanischen Armee zu der Ansicht gelangt, dass es ihre Pflicht sei, die Gesellschaft des Osmanischen Reiches in eben so ein „Volk in Waffen“ zu verwandeln.14 Zu der Zeit, als Mustafa Kemal sich dort einschrieb, verfolgte die Militärakademie bereits das Ziel, nicht nur fähige Offiziere auszubilden, sondern eine „neue Klasse“ heranzuzüchten, die zur Führung der Nation geeignet sein würde. In diesem Sinne resultierte die Umgestaltung der Akademie unter Colmar von der Goltz in der Institutionalisierung eines gesellschaftlichen Ausdifferenzierungsprozesses, der sich bereits über einige Jahrzehnte entwickelt hatte. Obwohl die Tanzîmât-Reformer um die Mitte des 19. Jahrhunderts eigentlich angetreten waren, den osmanischen Untertanen unterschiedlicher Religion größere Gleichheit zu bringen und die Kluft zwischen der herrschenden Oberschicht und der Masse des Volkes zu verringern, trieb

die Schaffung einer neuen Armee nach westlichem Vorbild doch wieder einen Keil zwischen die neue Militärelite und den Rest der Gesellschaft. So führten zum Beispiel die Aufhebung diskriminierender Kleiderordnungen und die Einführung des Fes als allgemeine Kopfbedeckung – anstelle einer Vielzahl gewerbespezifischer Turbane – in der Tendenz dazu, dass der gehobene Beamte vom Durchschnittsbürger nicht mehr ohne weiteres zu unterscheiden war. Vor diesem egalitären Hintergrund hoben sich die neuen, nach europäischem Vorbild geschneiderten Uniformen der osmanischen Armee umso augenfälliger ab. Die Unterscheidung machte jedoch bei solchen reinen Äußerlichkeiten nicht halt – sie ging tiefer. Hatten die traditionellen militärischen Eliten – am deutlichsten wohl die Janitscharen – einen integrierenden Teil des kulturellen, religiösen und sozialen Lebens

Abb. 2 Die Kaiserliche Militärakademie von Konstantinopel während der letzten Jahre des 19. Jahrhunderts.

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der osmanischen Gesellschaft ausgemacht, so erschien das neue Militär als abgeschottete Elite, die sich von der breiten Masse tunlichst fernhielt: anmaßend, verwestlicht, übertrieben ehrgeizig. Mögen den Schüler Mustafa Kemal zunächst die schneidigen Uniformen angezogen haben, wie er und seine Kameraden sie nun trugen, so lag ein weit größeres Privileg doch in den gesellschaftlichen Aufstiegsmöglichkeiten, die sich dieser bevorzugten Gruppe boten. Seine Ausbildung an der Kaiserlich-Osmanischen Militärakademie machte ihn zu einem herausragenden Mitglied dieser Gruppe und zu einem potenziellen hohen Funktionsträger innerhalb eines türkisch-osmanischen „Volkes in Waffen“. Obwohl sie Goltz’ Ideen mit wachsender Sympathie gegenüberstand, hatte die neue osmanische Offiziersschicht diesen gegenüber doch einen entscheidenden Vorbehalt: Goltz’ Musterfall war das Deutsche Reich, ein archetypischer Nationalstaat. Das Osmanische Reich hingegen war ein Vielvölkerstaat, der noch dazu auseinanderzubrechen drohte. Wie nur sollte man ein dergestalt nichtexistentes Volk zu den Waffen rufen? Das Formen eines „Volkes in Waffen“ erforderte einen ideologischen Rahmen, der geeignet war, ein festes Band zwischen den neuen Machthabern und der Masse ebenjenes Volkes zu knüpfen. Aber wie konnte eine solche Ideologie jemals für alle ja so unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen des Osmanischen Reiches gleich ansprechend sein? Ohne Frage würde eine nationalistischideologische Rahmung des umzugestaltenden Staates wesentlich größere Chancen auf Erfolg haben, wenn dieser Staat ethnisch homogen wäre. Diese Argumentation trug zu der wachsenden Popularität eines aggressiven türkischen Nationalismus unter den osmanischen Offizieren im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts bei. Mustafa Kemal machte sich in dieser Hinsicht einige klare Ansichten zu eigen. Schon 1907 forderte er etwa die freiwillige Auflösung des Osmanischen Reiches, zur Vorbereitung der Bevölkerungstransfers, die einen rein türkischen Staat erst möglich machen sollten.15 Nur ein Staat, der durch eine unerschütterliche nationale Identität gestützt war, so seine Argumentation, werde in der Lage sein, eine starke Armee ins Feld zu führen. Was ihm vorschwebte, war also ein „türkisches Volk in Waffen“ – ganz dezidiert kein osmanisches. Diese Idee war zwar nicht neu, wurde aber von vielen seiner Offizierskameraden als nicht praktikabel abgelehnt. Es mangelte

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ihnen vielleicht nicht an Sympathie für die türkische Sache, doch wollten sie um jeden Preis das zerfallende Reich stützen und zusammenhalten, solange irgend möglich. Bis 1914 war Mustafa Kemal dennoch zu der festen Auffassung gelangt, dass der zukünftige Kampfgeist der Armee entscheidend von der Vermittlung eines gesunden türkischen Nationalbewusstseins abhängen werde. Soldaten, welche „Hülâgû, Timur, Temüdschin [d. i. Dschingis Khan] und Attila, der die Stadtmauern von Paris mit einer türkischen Armee aus Männern und Frauen erreicht hatte“ nicht kannten, würden auf dem Schlachtfeld nichts taugen. Die türkischen Frauen, die „während 5000 Jahren vom Kopftuch frei gewesen waren und erst seit 600 Jahren verschleiert gingen“, waren verpflichtet, ihre Söhne zu Soldaten heranzuziehen.16 Gleichzeitig glaubte Mustafa Kemal – ganz wie Heinrich von Treitschke, der in der preußischen Militärführung die ideale Brutstätte für ein deutsches Nationalbewusstsein sah –, dass der Bildungsprozess eines türkischen Militärs zugleich zur Heranbildung eines türkischen Nationalbewusstseins in der Gesellschaft führen werde. Mustafa Kemals türkisch-nationale Ansichten veranlassten ihn jedoch auch dazu, eine kritische Position gegenüber der so empfundenen „Verwestlichung“ der osmanischen Armee einzunehmen. Obgleich er ansonsten ein glühender Anhänger von Reformen nach westlichem Vorbild war, wandte er sich entschieden gegen den anwachsenden europäischen – und das hieß vor allem: deutschen – Einfluss in der osmanischen Armee. So lobte er zwar den Beitrag Colmars von der Goltz zur Entwicklung des osmanischen Militärwesens,17 verfocht aber doch das Ideal eines rein türkischen Offizierskorps und stand auch der am Vorabend des Ersten Weltkriegs zu weiteren Reformen nach Istanbul entsandten Militärmission entschieden kritisch gegenüber.18 Bei genauerer Betrachtung spiegelte dieser gewissermaßen „ausländerfeindliche“ Ansatz zu einer Neugestaltung des osmanischen Militärs Mustafa Kemals tiefe Bewunderung für die Japaner wider, deren Sieg über das russische Zarenreich zu jener Zeit auch als Triumph einheimischer Modernisierung im Angesicht westlicher Einmischung wahrgenommen wurde. Mustafa Kemal stach überdies als unverbesserlicher Gegner des Personenkultes um Sultan Abdülhamid II. hervor. Ähnlich wie auch andere Offiziere seiner Generation hielt er die ritualisierte Verehrung des Sultans

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Abb. 3 Freiherr Colmar von der Goltz und Mustafa Kemal bei Militärmanövern in Manastır (1909).

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für einen regelrechten Verrat an der Idee eines „Volkes in Waffen“, das doch einem Herrscher aus Fleisch und Blut allemal übergeordnet sein sollte! Als Zeichen ihrer wachsenden Entfremdung von der osmanischen Monarchie legten viele Studenten der kaiserlichen Hochschulen einen wachsenden Widerwillen an den Tag, wenn es um äußere Loyalitätsbekundungen gegenüber dem Sultan ging. Ein oft berichteter Studentenulk war es zum Beispiel, bei offiziellen Zeremonien laut „Der Sultan hängt verkehrt herum!“ zu rufen, was auf Türkisch fast genauso klingt wie „Lang lebe der Sultan!“ (eine deutsche Entsprechung wäre womöglich „Lang klebe der Sultan!“).19 Von Mustafa Kemal heißt es, er habe seine Kameraden noch übertroffen, wenn es um die Verächtlichmachung kaiserlich-osmanischer Traditionen durch derlei Streiche ging.20 Die Opposition der jungen Offiziere gegen das Regime Abdülhamids II. entbehrte nicht einer feinen Ironie. Schließlich war dieser es gewesen, der viele der neuen Schulen und Hochschulen gegründet oder doch zumindest reformiert hatte, an denen nun die Opposition blühte; alles in der Absicht, das osmanische Bildungswesen umfassend zu modernisieren. So kam es, dass viele der Offiziere und Staatsbeamten, welche die hamidische Herrschaft am stärksten ablehnten, den Reformen des Sultans doch zugleich ihre Bildung und ihren gesellschaftlichen Stand verdankten. Hauptgrund ihrer Ablehnung war in vielen Fällen die stark patrimoniale Färbung von Abdülhamids Regierungsstil. Das Beharren des Sultans auf absoluter Loyalität seitens der von ihm ernannten Günstlinge widersprach dem rational-herrschaftlichen Anspruch, den er mit den Reformbemühungen der Tanzîmât-Zeit erhoben hatte.21 Dieses galt für den Beamtenapparat und das Militär gleichermaßen; seine stärkste Ausprägung jedoch erfuhr es im Offizierskorps. Am Ende des 19. Jahrhunderts gab es in der osmanischen Armee – neben den Absolventen der Kaiserlich-Osmanischen Militärakademie – eine große Zahl von Offizieren, die sich „hochgedient“ hatten. Diese Nichtakademiker waren als einfache Soldaten zur Armee eingezogen worden und durch Beförderungen in ihren jetzigen Rang aufgestiegen; einige von ihnen konnten weder lesen noch schreiben. Abdülhamid II. begegnete ihnen mit Wohlwollen und ernannte viele von ihnen zu hochrangigen Offizieren und sogar Generalen. Einige Offiziere in Schlüsselpositionen verdankten ihre

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Stellung allein der Gunst des Sultans, und im Gegenzug für ihre „bedingungslose“ Loyalität erhielten sie einträgliche Zuwendungen wie Geld, Häuser oder weitere Ehrungen und Auszeichnungen. Wenig überraschend neigten die derart von Abdülhamid auf ihre Posten Gebrachten dazu, den Sultan als ihren erhabenen Gönner mit geradezu kriecherischer Unterwürfigkeit zu verehren. Für sie hätte eine Rückkehr zur Leistungsorientierung der Tanzîmât-Ära katastrophale Folgen gehabt. Diejenigen hochqualifizierten Offiziere jedoch, die in der Folge unter ungebildeten Paschas zu dienen hatten, waren mit dem Status quo verständlicherweise nicht zufrieden. Es waren vor allem der Missbrauch des Beförderungssystems und die inflationäre Vergabe von Auszeichnungen, die den Akademieabsolventen ein Dorn im Auge waren; oft waren sie gezwungen, unter geradezu inkompetenten Vorgesetzten zu dienen. Als Konsequenz bauten sich in den Jahren vor der jungtürkischen Revolution innerhalb des Offizierskorps starke Spannungen auf. Nach der Revolution von 1908 handelte die nun an die Macht gelangte Klasse von akademisch ausgebildeten Offizieren mit Entschlossenheit und erklärte die ungerechtfertigten Beförderungen und Auszeichnungen der letzten Jahre für null und nichtig. In einigen Fällen wurden von Abdülhamid II. ernannte Generale zum Hauptmann oder zum einfachen Leutnant degradiert.22 Die erfolglose Konterrevolution vom April 1909 wurde ihrerseits von nicht akademisch ausgebildeten Offizieren angeführt, die ihre elitären Kameraden wieder in die Schranken weisen wollten. Das Scheitern dieses Versuchs, die alte Ordnung wiederherzustellen, beendete zugleich auch den Einfluss der hamidischen Günstlinge im osmanischen Militär. Das hochqualifizierte osmanische Offizierskorps, wie es sich in den Folgejahren der Reform von 1883 herausgebildet hatte – und insbesondere die Gruppe der Stabsoffiziere –, bildete das Rückgrat des militärischen Flügels im Komitee für Einheit und Fortschritt (KEF) und ein Rekrutierungsreservoir für die jungtürkische Führungsriege. Es überrascht nicht, dass der politischen Revolution von 1908 bald eine Umwälzung innerhalb der Armee folgte. Einmal an die Macht gelangt, begaben sich die Offiziere umgehend an eine Neuordnung der Armee nach Goltz’schen Prinzipien. Jedoch waren ihre Möglichkeiten begrenzt: Die meisten Mitglieder der revolutionären Führung waren junge Offiziere vom Leutnant bis höchstenfalls zum Oberstleutnant; sie hatten überhaupt nicht die nötige Erfahrung,

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um in der gigantischen osmanischen Armee vollends das Ruder an sich zu reißen. Zahlreiche Reformgegner wurden in den Säuberungen von 1909 eliminiert, aber manche verblieben dennoch auf ihren Posten, zumal unter den höherrangigen Offizieren. Viele Angehörige des osmanischen Armeeführungskorps betrachteten die jüngeren KEF-Offiziere mit Geringschätzung: als ungezogene Kinder, die man wohl oder übel tolerieren musste – aber vor denen man sich auch nicht zu fürchten hatte. Um zu beweisen, dass seine Anhänger durchaus in der Lage waren, die Armeeführung zu übernehmen, entsandte das KEF 1911/12 eine Handvoll seiner hoffnungsvollsten Stabsoffiziere in das nordafrikanische Tripolis, um dort den osmanischen Widerstand gegen die italienische Besatzung zu organisieren. Mustafa Kemal war einer dieser jungen Offiziere, die durch Ägypten in die Kyrenaika geschmuggelt wurden, wo sie eine Miliz zum Kampf gegen die Italiener aufstellen sollten. Befehlshaber der Operation war der Militärheld der jungtürkischen Revolution, der Major und Stabsoffizier Enver Bey.23 Den Männern gelang eine beeindruckende Serie von Siegen, durch welche sie die Italiener erfolgreich am Vorstoß in das Landesinnere hinderten. Doch obwohl ihnen ihre Erfolge in der Heimat beträchtlichen Ruhm einbrachten, bot dieser Guerillakrieg im Kleinstformat keine geeignete Basis, tatsächlich die gesamte Armeeführung an sich zu ziehen. Dazu wäre ein viel größerer Wurf nötig gewesen. Den notwendigen Vorwand für eine Umwälzung der Verhältnisse auch innerhalb der osmanischen Armee bot schließlich die Katastrophe der Balkankriege von 1912/13. Eine Reihe schmachvoller Niederlagen, gefolgt von panikartigen Rückzügen, endete in dem Verlust fast des gesamten europäischen Anteils des Osmanischen Reiches und brachte die Armeen der Balkanvölker bis vor die Tore Istanbuls. Einige der jüngeren Offiziere hatten sich schon lange – aber mit geringer Wirkung – über die Ignoranz und mangelnde Professionalität der „Offiziere vom alten Schlag“ beklagt. Mustafa Kemal selbst hatte seinem Vorgesetzten, dem General Hasan Tahsin, ein kritisches Memorandum bezüglich der stümperhaften Leistungen osmanischer Offiziere bei Manövern in Rumelien im Jahr 1911 überreicht.24 Der General hatte den Bericht ignoriert. Im Jahr darauf beging er einen der folgenreichsten Fehler der osmanischen Militärgeschichte, indem er Mustafa Kemals Heimatstadt Saloniki kampflos den Griechen

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überließ. Man berichtete von anderen Angehörigen der Generalität, die auf dem Rückzug zum Koran gegriffen und sich vom zufälligen Aufschlagen eines Verses die nötige strategische Inspiration erhofft hatten.25 Der Oberbefehlshaber der Truppen an der osmanischen Ostflanke, Marschall Abdullah Pascha, wurde durch einen Kriegskorrespondenten des Daily Telegraph, der seine Rationen mit ihm teilte, vor dem Hungertod bewahrt.26 Die Unzulänglichkeiten hoch- und höchstrangiger Militärangehöriger bei der Planung und Umsetzung der osmanischen Verteidigung waren so offensichtlich, dass Enver Pascha (wie sich der vormalige Enver Bey mittlerweile nennen durfte) schließlich ein ambitioniertes Reformprogramm durchsetzen konnte. Gegen Ende 1913 lud die nunmehr ganz vom KEF kontrollierte osmanische Regierung als Reaktion auf das durch die Balkankriege offenkundig gewordene Unvermögen ihrer Armee den deutschen Generalleutnant Otto Liman von Sanders ein, die osmanische Armee von Grund auf neu zu organisieren. Diese Einladung zog eine ernste diplomatische Krise mit Russland nach sich, das eine mögliche deutsche Einflussnahme in Istanbul als eine direkte Bedrohung seiner Südflanke ansah.27 Doch das KEF war fest entschlossen, die geplante Reform durchzuführen. Enver Pascha überwachte ihre Umsetzung, an deren Ende nach überraschend kurzer Zeit die beinah wundersame Auferstehung der osmanischen Armee stand. Dennoch war Liman von Sanders während der deutsch-osmanischen Verhandlungen am Vorabend des Ersten Weltkriegs zunächst gegen ein Militärbündnis beider Staaten, weil er die osmanische Armee noch immer für unbrauchbar hielt.28 Diese Meinung sollte jedoch durch den Kriegsverlauf nicht bestätigt werden, in dem die osmanischen Truppen überraschend schlagkräftig und an mehreren Fronten zugleich gegen überlegene Gegner antraten. Diese überragende Leistung verdankte sich zweifellos den Reformen von 1913/14 sowie der neuen Generation von Offizieren, welche die osmanischen Truppen nun ins Feld führten. Im Jahr 1914 waren es Männer aus Mustafa Kemals Alterskohorte – Männer, die sich noch zwei Jahre zuvor kaum hätten vorstellen können, jemals bis in eine Führungsposition aufzusteigen –, die plötzlich die osmanische Armee befehligten. Das hatte Auswirkungen nicht nur auf die Kampfkraft der Truppe, sondern auch auf die politische Willensbildung;

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schließlich fühlten sich diese jungen Offiziere – hierin ganz den Ideen Colmars von der Goltz verpflichtet – berufen, das ganze institutionelle Gewicht der Armee in die Waagschale der großen Politik zu werfen. Enver Bey wurde rasch befördert und brachte es so zum jüngsten Kriegsminister in der neueren osmanischen Geschichte. Der andere prominente Militärangehörige im KEF, Ahmed Cemal Pascha, wurde Anfang 1914 zum Marineminister ernannt. Andere hatten nicht ganz so viel Glück, profitierten aber dennoch von der Absetzung der hohen Generalität des alten Regimes, durch die viele zuvor kaum erreichbare Posten frei wurden. Im Jahr 1915 erhielt Oberstleutnant Mustafa Kemal das Kommando über eine Division, für die eigentlich ein Generalmajor als Befehlshaber vorgesehen war. Mustafa Kemals persönliche Ansichten in den Jahren vor der jungtürkischen Revolution spiegelten die Vorlieben, Abneigungen und Dilemmata des osmanischen Offizierskorps wider. Viele Offiziere schlossen sich der Opposition aus moralischer Entrüstung über die Regierungsweise Abdülhamids II. an. Ihre Ziele waren jedoch zunächst weder im engeren Sinne revolutionär noch zersetzender Natur. Anders als viele damalige Revolutionäre – etwa die Bolschewiki – fühlten sich die Jungtürken ihrem Staat in unerschütterlicher Loyalität verbunden. Ihr Hauptziel war es, ein geschwächtes Großreich vor dem Kollaps zu bewahren und zu seiner alten Stärke zurückzuführen. Im Gegensatz zu vielen revolutionär gesinnten russischen Offizieren konnten die osmanischen Offiziere dieser Generation mit populistischen Positionen, wie sie die sozialrevolutionären Narodniki des Zarenreiches vertraten, wenig anfangen. Und obgleich sie nach außen hin vorgaben, im Dienste der Volksmassen zu handeln, war dies nicht mehr als ein Lippenbekenntnis: Im Grunde ihres Herzens waren diese Männer zutiefst elitär. In vielerlei Hinsicht ähnelte ihre Position eher den Militärkadern der Entwicklungsländer nach dem Zweiten Weltkrieg. Als Angehörige einer privilegierten Gruppe sahen die Offiziere ihren Platz oberhalb der Mehrheitsgesellschaft, deren Führung gleichsam ihr natürliches Anrecht war. Wie andere Vertreter der osmanischen Intelligenzija jener Zeit (und viele militärische Entscheidungsträger seither) fühlten sie sich stark von Gustave Le Bons Theorie der Massenpsychologie angezogen, in welcher das Militär einen Ehrenplatz als unverzichtbarer Teil der Herrschaftselite einnahm. Sie wollten weder benachteiligten Gesellschaftsschichten zu

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größerer Mitbestimmung verhelfen, noch strebten sie einen gewaltsamen politischen Umsturz an – im Gegenteil: Ihr Ziel war eine Stärkung der bestehenden Ordnung, um die einfältigen Massen desto besser beherrschen zu können. Der Einfluss Le Bons auf die Anführer des KEF ist kaum zu überschätzen. So rechtfertigte Enver Pascha seine Opposition gegen ein repräsentatives Herrschaftsmodell unter Verweis auf Le Bons polemische Kritik des Parlamentarismus als Veranstaltung für den buntscheckigen Pöbel, dem die Zukunft einer Nation unter keinen Umständen anvertraut werden dürfe.29 Ein anderer hochrangiger Stabsoffizier mit Verbindungen zum KEF äußerte die Ansicht, die osmanische Niederlage in den Balkankriegen lasse sich am ehesten anhand von Le Bons Theorie erklären.30 Auch Mustafa Kemal hielt Le Bons Ansatz für einleuchtend. Wie in Charles de Gaulles Le Fil de l’épée,31 so finden sich auch in den Schriften Mustafa Kemals vage Bezugnahmen auf Le Bons Thesen, ohne dass diese explizit zitiert werden. Wir wissen, dass er Le Bons Hauptwerk Les Lois psychologiques de l’évolution des peuples und später türkische Übersetzungen von dessen Enseignements psychologiques de la guerre européenne, Le Déséquilibre du monde und Hier et Demain gelesen hat; anscheinend konnte er von Le Bon gar nicht genug bekommen.32 Viele seiner Randnotizen und Unterstreichungen in diesen Werken betonen die alles entscheidende Rolle der gesellschaftlichen Elite; ähnlich sieht es in seinen sonstigen persönlichen Unterlagen aus. Eine Passage aus Mustafa Kemals Tagebucheintrag für den 6. Juli 1918 etwa befasst sich mit der Notwendigkeit, „das Volk auf die Stufe der Elite hinauf zu erheben, anstatt die Elite auf die Stufe des Volkes zu erniedrigen“.33 Als er später an der Macht war, bekräftigte er: „Ich handle nicht mit Blick auf die öffentliche Meinung; ich handle zum Wohle der Nation und zu meiner eigenen Erfüllung.“34 Der von Mustafa Kemal geschmiedete türkisch-republikanische Elitismus, der in diesen Aussagen im Kern schon enthalten ist, verrät deutlich den Einfluss Gustave Le Bons, der in seinen späteren Essays den Begründer der Türkischen Republik als „genialen General“ gefeiert hat.35 In einer gewichtigen Frage jedoch unterschied sich Mustafa Kemal von vielen seiner Kameraden: der Frage nach der Rolle des Militärs in der Gesellschaft. Obwohl er der Theorie Colmars von der Goltz im Großen und

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Ganzen zustimmte, hielt er das paramilitärische Organisationsmodell des KEF für inadäquat, sobald es um die Schaffung eines türkisch-osmanischen „Volkes in Waffen“ ging. Er glaubte, dass die grobe und beinahe schon habituelle Einmischung des Militärs in politische Angelegenheiten durch Staatsstreiche sowie die extreme Politisierung der Streitkräfte alles in allem der Armee als Institution eher schaden und diese von ihren eigentlichen militärischen und gesellschaftlichen Aufgaben abhalten würden.36 Obgleich er ein Einwirken des Militärs auf die Politik nicht rundweg ablehnte, wollte Mustafa Kemal doch eher, dass die Armee eine Art „Staat im Staate“ werden sollte, ähnlich wie es das deutsche Militär zwischen 1871 und 1914 war. Solche Ansichten machten ihn aus Sicht des KEF untauglich für die politisch-strategische Planung und beschleunigten seinen Abstieg innerhalb der Partei. Mustafa Kemal trat erstmals beim Kongress des Komitees für Einheit und Fortschritt im Jahr 1909 als Kritiker der offiziellen Parteilinie auf, an dem er als Abgeordneter des nordafrikanischen Tripolis teilnahm.37 Im Februar 1913 verurteilte er den Staatsstreich des KEF und fiel deshalb augenblicklich in Ungnade.38 So oder so war es ihm fast unmöglich, in der Partei aufzusteigen, solange Enver Pascha an der Macht war. Jenem war einerseits Mustafa Kemals impulsive Selbstverliebtheit zuwider, hinter der er versteckte Ambitionen und ein Streben nach Macht vermutete. Andererseits war es für Mustafa Kemal nicht leicht, mit dem „Armeehelden der Großen Osmanischen Revolution“ mitzuhalten, dem Anführer des „heroischen osmanischen Widerstands“ in der Kyrenaika, dem „zweiten Eroberer von Edirne“ im Jahr 1913, der zu allem Überfluss noch mit einer osmanischen Prinzessin verlobt war und sich so einer überaus engen Beziehung zur kaiserlichen Familie erfreute. Was blieb Mustafa Kemal unter diesen Umständen anderes übrig, als freiwillig ins Exil zu gehen? Sein Förderer Ahmed Cemal Bey half ihm, im November 1913 eine Entsendung als osmanischer Militärattaché nach Sofia zu erreichen. Mustafa Kemal sollte die Erfahrungen des KEF mit der pragmatischen Seite der Machtausübung nie vergessen, und als er später selbst an die Macht kam, setzte er die strikte Trennung von militärischer und ziviler Einflusssphäre durch. Es verlangte schon nach einem Staatsmann seines Charismas, um eine solche Regelung zu erzwingen, nachdem das Militär

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gerade erst fünfzehn Jahre lang auch die politische Macht innegehabt hatte! Bezeichnenderweise hielt die gefügige Unterwerfung des türkischen Militärs unter die Staatsgewalt nach Atatürks Tod nur so lange an, wie sein vertrauter Untergebener İsmet İnönü noch im Amt war, also bis 1950. Seit 1960 hat das türkische Militär seine Goltz’sche Rolle als Hüter und Führer der Nation unüberhörbar wieder eingenommen. Die osmanischen Reformen des späten 18. Jahrhunderts begannen im Militär, weil ihr Hauptziel in der Erwiderung einer militärischen Herausforderung des Osmanischen Reiches durch die europäischen Mächte lag. Aus diesem Grund machte sich das osmanische Militär die Moderne zu eigen, lange bevor andere Teile der Gesellschaft dies taten. Mit der Zeit ersetzte dieser Reformprozess eine traditionelle Armee (die Janitscharen) und lokale Hilfstruppen in den Provinzen durch einen zentralisierten, europäisierten und modernen Militärapparat. Zunächst sorgte die Professionalisierung der osmanischen Armee dafür, dass diese als institutioneller politischer Akteur gewissermaßen außen vor blieb. Doch in einem Staat, der ständig entweder Krieg führte oder Aufruhr im Inneren unterdrücken musste, war es ein Ding der Unmöglichkeit, diesen Status quo beizubehalten. Die Reformen, die ein kompetentes Offizierskorps schufen, bestärkten zugleich Forderungen, diesem kompetenten Offizierskorps eine größere Rolle in der Politik anzuvertrauen. Diese jungen Offiziere waren es, die als Speerspitze des KEF die Revolution von 1908 trugen; sie waren es, die in den Jahren darauf auf die politische Bühne drängten. Dieselbe Generation von Offizieren setzte später den nationalistischen türkischen Widerstand nach 1918 ins Werk und brachte schließlich 1923 eine neue Republik auf den Weg. Mustafa Kemals eigener Weg an die Spitze führte ihn geradewegs durch das politisch-ideologische Zentrum dieses generationellen Kontextes. Mehr noch: Sein Lebensweg zeichnet den Verlauf der osmanischen Militärgeschichte vom späten 19. Jahrhundert bis zu den 1930er-Jahren nach – aus der Bedeutungslosigkeit zur Vormachtstellung und schließlich zur widerwilligen Unterwerfung.

3.

Kraft und Stoff: Der jungtürkische Kampf gegen den Islam

Am 13. Februar 1878 vertagte Sultan Abdülhamid II. die Osmanische Abgeordnetenkammer, die gerade erst ein knappes Jahr bestanden hatte, auf unbestimmte Zeit.1 Obgleich es sich dabei offiziell nur um einen vorläufigen Schritt handelte, sollte die Auflösung der Volksversammlung – denn de facto handelte es sich um eine solche – über mehr als drei Jahrzehnte hinweg bestehen bleiben, was eine der wichtigsten und dauerhaftesten Oppositionsbewegungen der neueren Geschichte hervorbrachte. Diese Gegner des von Abdülhamid II. nach 1878 errichteten Regimes werden gemeinhin als „Jungtürken“ bezeichnet. Unter ihnen gab es Dissidenten verschiedenster Couleur, von muslimischen Klerikern bis hin zu ethnischen Nationalisten, Freimaurern und vormalig hochrangigen Staatsbeamten, die sich der jungtürkischen Bewegung jeweils zu unterschiedlichen Zeitpunkten anschlossen. Den harten Kern jener Bewegung bildeten jedoch Kadetten, Studenten und Absolventen der größeren kaiserlichen Hochschulen – Bildungseinrichtungen, die der Sultan meist selbst gestärkt und modernisiert hatte. Mustafa Kemals Einstellungen und spätere Politik sollten in einem sehr hohen Grad von den Ideen geprägt werden, mit denen er als Aktivist der jungtürkischen Bewegung in Berührung kam – und auch von den Erfahrungen, die er in jener Zeit machte. Eine überwältigend hohe Anzahl dieser jungen Männer waren Anhänger des sogenannten „Vulgärmaterialismus“2 einer recht eigentümlichen philosophischen Schule, die sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland herausgebildet hatte. Wie der Name schon vermuten lässt, handelte es sich hierbei um eine vereinfachte, popularisierte Version des klassischen Materialismus, die sich im wesentlichen aus populären Versatzstücken von

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Materialismus, Wissenschaftsglauben und Darwinismus zusammensetzte, um – in der Synthese  – eine ziemlich schlichte Ideologie von der alles bestimmenden Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft zu ergeben.3 Die spätosmanische Version dieses materialistischen Weltbildes bestand in einer weiter vereinfachten Fassung des deutschen Originals, die als ein bunt gemischtes Sammelsurium höchst unterschiedlicher Ideen daherkam, denen nur eines gemein war: Sie richteten sich gegen die Religion. Den Jungtürken entging dabei die subtile Ironie ihrer eigenen unreflektierten Verehrung prominenter deutscher Vertreter des Materialismus. Ihr größtes Idol war der Physiologe Ludwig Büchner, dessen Hauptwerk Kraft und Stoff von ihnen als eine Art heilige Offenbarung angesehen wurde. In seiner Widersprüchlichkeit erinnert ihre inkonsequente Ablehnung der Religion an Fjodor Dostojewskis Roman Die Dämonen (Bessy), in dem der Protagonist mit einer Axt auf die christlichen Ikonen seines Grundherren losgeht, nur um sie durch mit Kerzen geschmückte Lesepulte zu ersetzen, auf denen die Bücher von Ludwig Büchner, Jacob Moleschott und Carl Vogt ausgestellt sind.4 In ihrer deutschen Heimat stieß diese Bewegung nur auf vergleichsweise bescheidene Resonanz. Im Osmanischen Reich jedoch ging ihre Saat in einem sehr einflussreichen Kreis von Jüngern auf. Obwohl die Jungtürken um die Jahrhundertwende noch eine ausgesprochene Randgruppe darstellten, sollten sie doch später für über ein Jahrzehnt die Macht im islamischen Kalifat erhalten, um aus dessen Überresten anschließend einen säkularen Nationalstaat zu formen. Durch eine bizarre Laune des Schicksals trug der deutsche Vulgärmaterialismus seine folgenreichsten Früchte also in einer Umgebung, die sich von seinem Herkunftskontext unterschied wie die Nacht vom Tag. Noch dazu war es eine weiter vereinfachte Variante einer seiner Hauptmaximen – „die Religion ist nichts, alles die Wissenschaft“ –, die später einen der ideologischen Stützpfeiler des modernen türkischen Nationalstaats bilden sollte.5 Es ist schlicht unmöglich, die politischen Vorstellungen Mustafa Kemals – und deren Umsetzung – zu verstehen, ohne dabei eines zur Kenntnis zu nehmen: Er gehörte der gebildeten Schicht einer Generation an, die eine äußerst krude Version von Wissenschaftsorientierung als Allheilmittel für die „Gebrechen“ des Osmanischen Reiches ansah, und die in der Doktrin des Vulgärmaterialismus ein unschätzbares Repertoire von Handlungsmaximen

Der jungtürkische Kampf gegen den Islam

gefunden zu haben glaubte, deren Befolgung eine prosperierende, rationale und areligiöse, kurz: eine moderne Gesellschaft werde entstehen lassen. Diese Männer lasen mit Begeisterung solche osmanischen Zeitschriften wie Mussaver Cihan („Illustrierte Welt“), die etwa „Chemielektionen für jedermann“ versprachen,6 wissenschaftliche Erklärungen „übernatürlicher“ Vorkommnisse präsentierten und anhand einfacher Illustrationen die Grundlagen des Darwinismus vermitteln wollten.7 Anders als ihre populären Gegenstücke in Europa – etwa Die Gegenwart, Die Natur oder auch Science pour tous – wurden die materialistischen Journale im Osmanischen Reich als hochseriöse wissenschaftliche Publikationen wahrgenommen, und ihr ständiges Mantra – „Wissenschaft geht über alles“ – wurde das Motto einer ganzen Generation. Konsequenterweise eignete sich ein beträchtlicher Teil der gebildeten Schichten jener Generation ein Geschichtsbild an, dessen Dreh- und Angelpunkt die Vorstellung eines geradezu kosmischen Ringens zwischen Religion und Wissenschaft war. Dieser Kampf – da waren sich die osmanischen Vulgärmaterialisten sicher – sollte mit dem Triumph der Wissenschaft als einem neuen, umfassenden Glaubens- und Welterklärungssystem enden. Wie die meisten Anhänger derartiger Endzeitvisionen glaubten sie, der Sieg ihrer, der gerechten Sache werde noch zu ihren Lebzeiten erfolgen. Es war kein Zufall, dass John William Drapers Conflict between Religion and Science nach seiner Übersetzung ins Türkische in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts im Osmanischen Reich zum Bestseller avancierte.8 Im Jahr 1889 wurde an der Kaiserlich-Osmanischen Medizinischen Hochschule in Istanbul eine politische Vereinigung mit einer stark wissenschaftlich-materialistischen Ausrichtung gegründet, das „Komitee für osmanische Einheit“ (İttihad-ı Osmanî Cemiyeti). Eines seiner Gründungsmitglieder, ein gewisser Dr. Şerafeddin Mağmumî, sorgte mit dem Vorschlag für Aufsehen, die Poesie sei wegen ihres unwissenschaftlichen Wesens umgehend abzuschaffen.9 Im Jahr 1895 benannte sich die Gruppierung, wohl als Resultat eines wachsenden positivistischen Elements innerhalb ihrer Führungsriege, in „Osmanisches Komitee für Einheit und Fortschritt“ um. Obwohl die Wandlung des Komitees für Einheit und Fortschritt (KEF) vom Studentenverein zur revolutionären Verschwörung seine einst primär wissenschaftsideologische Agenda in späteren Jahren vielerorts

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verschleiert hat, blieb der Szientismus – also die Absolutsetzung (natur-) wissenschaftlicher Methodik als Vorbild für sämtliche Lebensbereiche – in seiner vorgestellten, spezifisch vulgärmaterialistischen Ausprägung doch ein fester Bestandteil der jungtürkischen Ideologie. Lange Zeit wurden deren Anhänger von dem misslichen Umstand, Revolution und Machtergreifung in einem Vielvölkerreich unter dem Banner des Islam vorbereiten zu müssen, an der allzu deutlichen Äußerung ihrer Ansichten gehindert, doch schwand diese Hemmung, zusammen mit dem Osmanischen Reich selbst, im Jahr 1922; nun konnten die Anhänger der neuen „Wissenschaftsreligion“ wieder freimütig ihren „Glauben“ vertreten. Mustafa Kemal gehörte der in den frühen 1880er-Jahren geborenen zweiten Generation der Jungtürken an. Seine Kinder- und Jugendzeit in Saloniki sowie seine Erziehung an diversen säkularen Bildungseinrichtungen haben zweifellos dazu beigetragen, ihn für Kritik am religiösen Establishment ausgesprochen empfänglich zu machen. Und obwohl die Kaiserlich-Osmanische Militärakademie bestimmt keine bedeutende Brutstätte des osmanisch-materialistischen Aktivismus war, beging doch einer ihrer bekannteren Absolventen, Beşir Fu᾽ad, 1887 allein aus dem Grund Selbstmord, weil er den fundamental experimentellen und also auch fundamental manipulierbaren Charakter des Lebens als eines „wissenschaftlichen“ Phänomes beweisen wollte.10 Wie viele seiner Kameraden machte auch Mustafa Kemal durch populäre Zeitschriften und Pamphlete Bekanntschaft mit diesem Thema. Später las er Teile von Ludwig Büchners Kraft und Stoff und zeigte sich augenscheinlich insbesondere von der Folgerung beeindruckt, dass das menschliche Denken eine materielle Basis haben müsse, was aus der zentralen Bedeutung des Phosphors für die Physiologie des Gehirns hervorgehe.11 Eine andere Studie Büchners, diesmal über die Ursprünge und künftigen Perspektiven der Menschheitsentwicklung, hat ihn wohl sogar noch tiefer beeindruckt.12 Wie viele andere seiner Generation warf Mustafa Kemal den Vulgärmaterialismus, wie er von Büchner und anderen propagiert wurde, mit der materialistischen Tradition eines Barons d’Holbach oder eines Voltaire in einen Topf.13 Eine ähnliche Tendenz zu allzu starker Vereinfachung zeigt sich bei seinem eifrigen Eintreten für die Evolutionstheorie, die ihm wohl hauptsächlich aus den Werken von H. G. Wells bekannt war. So kommt

es zu Bemerkungen wie der folgenden: „Da der Mensch, wie alle anderen Reptilien auch, aus dem Meer gestiegen ist, waren unsere Vorfahren Fische.“14 Allgemein gesprochen lassen seine häufigen Einlassungen über das menschliche Leben als einen natürlichen Überlebenskampf auf starke sozialdarwinistische Überzeugungen schließen.15 Obwohl er die maßgeblichen Werke der populären materialistischen Autoren zumindest flüchtig gelesen hat – was ihn bereits tief beeindruckte –, wurde Mustafa Kemal kein wirklich eigenständiger wissenschaftstheoretischer Denker. Die eine, doch recht simple Schlussfolgerung, die er aus seiner Lektüre gezogen zu haben scheint, ist, dass Wissenschaft den Fortschritt beschleunigt, während Religion ihn hemmt. Einer seiner bekanntesten Aussprüche – „Die sicherste Richtschnur im Leben ist die Wissenschaft!“ – enthüllt ein eindimensionales Weltbild, innerhalb dessen der Wissenschaft ein entscheidender Einfluss auf jeglichen

Abb. 4 Frontispiz und Titelseite von Ludwig Büchners Kraft und Stoff (hier eine Auflage von 1888; das Buch erschien erstmals 1855).

Kraft und Stoff 72

Aspekt des menschlichen Lebens zugeschrieben wird. „Wer sich einer anderen Führung als der Wissenschaft anvertraut“, heißt es an anderer Stelle mit religionskritischem Unterton, „ist gedankenlos, feige und ignorant.“16 Für ihn galt: „Nichts, das nicht vom Alltagsverstand erklärt werden kann, ist des weiteren Bedenkens wert.“17 Dementsprechend waren Religionen menschengemachte Strukturen, die von ihren jeweiligen Propheten unter konkreten historischen Umständen begründet worden waren: „Moses war ein Mann, der für die Befreiung der Juden gekämpft hat, als sie unter den Peitschenhieben der Ägypter ächzten“;18 „Jesus war ein Mensch, der das jämmerliche Elend seiner Zeit verstanden und die Reaktion gegen die Leiden seiner Zeit in eine Religion der Liebe überführt hat.“19 Was den Islam betraf, stimmte er zumindest zu, dass dieser nicht „aufgrund des nationalen Werdens der Araber, sondern aufgrund des Auftretens des Muḥammad entstanden“ sei,20 eine Bemerkung, die ihre Nähe zu Thomas Carlyles Einschätzung des Propheten nicht verleugnen kann.21 Während der letzten Jahrzehnte des Osmanischen Reiches waren derartige Meinungen keine Seltenheit; manch einer ließ sich sogar dazu hinreißen, die Behauptung des niederländischen Orientalisten Reinhart Dozy zu übernehmen, das Auftreten des Islam sei das direkte Resultat einer „muskulären Hysterie“ des Propheten, die – so die zuerst von Aloys Sprenger vertretene These – zu Krampfanfällen geführt habe.22 Eine jungtürkische Zeitschrift, die zunächst in Genf und Kairo erschien, verbreitete diese und andere religionskritische Thesen mit der Zeit auch in der Hauptstadt des Osmanischen Reiches.23 Diese ironisch-provokanterweise İctihad betitelte Publikation (der Fachterminus Ijtihād bezeichnet in der islamischen Rechtslehre ursprünglich einen eigenständigen Beitrag zum gelehrten Diskurs seitens eines qualifizierten Juristen) bemühte sich, den Islam als eine materialistische Philosophie neu zu begründen, die das kulturelle Substrat einer künftig zu errichtenden, areligiösen Gesellschaft bereitstellen sollte. Die Idee einer neuen Religion, die von Dogmen, Mythen, Ritualen und übernatürlichen Handlungsaufträgen frei sein werde, stammt aus dem Denken des französischen Dichterphilosophen Jean-Marie Guyau und wurde bald ein fester Bestandteil der spätosmanischen Wissenschaftsideologie. Auf der Arabischen Halbinsel benannte Scherif Ḥusayn von Mekka die in den Seiten von İctihad veröffentlichten Angriffe auf den Islam als einen der

Der jungtürkische Kampf gegen den Islam

Hauptgründe für den Arabischen Aufstand von 1916.24 In Ankara wurde nur ein Jahrzehnt später dieselbe beißende Kritik zur Regierungsgrundlage. Es heißt, Mustafa Kemal habe 1925 gegenüber dem Chefredakteur von İctihad, den er als Kandidaten für einen Sitz im Parlament ansah, bemerkt: „Herr Doktor, bislang haben Sie ja über so einiges geschrieben. Jetzt kommt die Zeit, das alles auch umzusetzen!“25 Letztlich entschied er sich für zwei andere führende Beiträger der Zeitschrift als Abgeordnete der Großen Türkischen Nationalversammlung. Obwohl er später als mythisch überhöhter Heils- und Wandelbringer idealisiert wurde, darf man doch niemals vergessen, dass Mustafa Kemal seinen Aufstieg in einem sehr spezifischen gesellschaftlichen Milieu begonnen hat – einem Milieu, das die Bandbreite der Handlungsoptionen für einen zukünftigen Revolutionsführer von vornherein stark begrenzte. Der entscheidende Punkt im gegenwärtigen Zusammenhang ist dabei, dass viele der radikalen Ideen, die in seinem späteren Reformprogramm eine tragende Rolle spielen sollten, in den intellektuellen Zirkeln der Jahrhundertwende weit verbreitet waren und nach der jungtürkischen Revolution auch mit stetig wachsender Deutlichkeit geäußert wurden. Tatsächlich haben viele frühere Jungtürken der szientistisch-materialistischen Schule Mustafa Kemal später als einen „autoritären Erlöser“ dargestellt, der ihre ureigensten Ideen zur Umsetzung gebracht hatte.26 Wie so viele osmanische Intellektuelle hatte auch Mustafa Kemal erkannt, dass der Islam derart tief in der osmanischen Kultur verwurzelt war, dass er nun nicht einfach wie von Zauberhand verschwinden würde. Entsprechend war seine Einstellung der Religion gegenüber eine sehr viel kompromissbereitere als beispielsweise jene seiner Zeitgenossen in der frühen Sowjetunion. Sein Standpunkt kann mit einer berühmten Maxime der spätosmanischen Szientisten zusammengefasst werden: „Die Religion ist die Wissenschaft der Massen, aber die Wissenschaft ist die Religion der Elite.“27 Wenn man diesem Denkmuster folgte, war ein Frontalangriff auf den Islam in einer vorwiegend muslimischen Gesellschaft wenig ratsam. Stattdessen würde man wohl eher eine adaptierte Version des Islam bevorzugen, unter deren Schutz Fortschritt und Aufklärung einstweilen vorangetrieben werden konnten. Einige säkulare Intellektuelle – und sogar manche reformorientierte muslimische Denker – kamen deshalb mit

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Kraft und Stoff 74

François Guizots Histoire de la civilisation en Europe zu der Ansicht, der gesellschaftliche Fortschritt in Europa habe sich ganz im Gefolge der Reformation ereignet.28 Doch während manche muslimischen Reformer aus der christlichen Reformationsgeschichte auf die Notwendigkeit einer solchen Reformation auch der islamischen Welt schlossen,29 ließen sich andere, eher westlich orientierte Theoretiker wie Abdullah Cevdet und Kılıçzâde İsmail Hakkı (İsmail Hakkı Kılıçoğlu) vielmehr von der Marginalisierung inspirieren, die das Christentum im weiteren Verlauf der Geschichte durch die voranschreitende Säkularisierung Europas erfahren hatte. Ihrer Ansicht nach kam selbst einer reformierten Religion nur die temporäre Rolle eines Modernisierungsinstrumentes zu – einer Leiter, die man beiseitestoßen konnte, nachdem man auf ihr emporgeklettert war. Eine weitere Obsession sowohl der Jungtürken wie auch anderer osmanischer Intellektueller war die Stellung des Osmanischen Reiches gegenüber dem Westen (womit in diesem Zusammenhang hauptsächlich das christliche Europa gemeint war). Obwohl viele gut ausgebildete Männer dieser Generation Zöglinge eines nach europäischem Muster eingerichteten Bildungssystems waren – mit einem Lehrplan und pädagogischen Idealen, die denen ihrer westlichen Pendants stark ähnelten –, entwickelten die Absolventen dieses Systems nicht selten eine Einstellung gegenüber der westlichen Kultur, die man wohl am besten als Hassliebe bezeichnet. Einerseits stand der Westen für intellektuelle und wissenschaftliche Überlegenheit und stellte so gewissermaßen die Baupläne für eine zukünftige, ideale Gesellschaft bereit; andererseits war der Westen aber auch ein räuberisches Monster, das sich am osmanischen Reichtum und Territorium gütlich tat. Dennoch befürworteten die osmanischen Szientisten eine Modernisierung nach westlichem Muster, und zwar genau weil sie glaubten, dass die Ursprünge jener bedrohlichen Eigenschaften des Westens – seiner Wirtschaftsmacht und technologischen Überlegenheit – in der bedingungslosen Annahme eines wissenschaftlichen Weltbildes lagen, wie es der Szientismus selbst propagierte. Ganz ähnlich war auch Mustafa Kemals Einstellung dem Westen gegenüber. Auch er sah die europäische Zivilisation als den Gipfel des Fortschritts an, als den Inbegriff der modernen Welt. Dennoch misstraute er zugleich der europäischen Machtfülle und befürchtete dunkle Pläne, die gegen das Osmanische Reich geschmiedet werden mochten – vor allem nach den

Der jungtürkische Kampf gegen den Islam

Balkankriegen von 1912/13, welche die schmählichste Niederlage der osmanischen Geschichte mit sich gebracht und das vormals weit ausgreifende Imperium schlagartig auf die Größe eines „bloßen“ asiatischen Landes zurückgestutzt hatten. Wie er einem Reporter gegenüber 1923 zugab, hielt er den Westen für „ein Gebilde, das, weil es uns als eine unterlegene Gesellschaft betrachtet, alles in seiner Macht Stehende getan hat, unsere Vernichtung ins Werk zu setzen“.30 Die osmanischen Verfechter des Szientismus entzweiten sich über die Frage, wie genau die Gesellschaft zu verwestlichen, sprich zu modernisieren sei. Die Vertreter einer sogenannten „partiellen Verwestlichung“ befürworteten eine zwar weitgehende Umgestaltung der osmanischen Gesellschaft nach westlichem Vorbild, warnten aber zugleich vor den Gefahren des westlichen Imperialismus. „Der Westen“ war ihnen auf diese Weise Vorbild und Feindbild zugleich. Die siegreichen Japaner im Sinn, propagierten diese Denker die Aneignung wissenschaftlicher, technologischer und industrieller Errungenschaften aus Europa.31 Ihre Gegner, die Parteigänger einer „umfassenden“ oder „Pauschalverwestlichung“, befürworteten die Übernahme der westlichen Zivilisation in Bausch und Bogen oder, wie sie es formulierten, „mit Rosen wie mit Dornen“. Ihrer Ansicht nach musste man Europa, den „Gipfel der Überlegenheit“, nachahmen, nicht fürchten (und durfte schon gar nicht bei diesem in Ungnade fallen).32 Obwohl Mustafa Kemals tiefsitzendes Misstrauen gegenüber dem Westen geeignet gewesen wäre, ihn dem ersteren Lager zuzuschlagen, näherte ihn sein tatsächliches Eintreten für eine umfassende „Pauschalverwestlichung“ doch dem letzteren an. Wie dem auch sei: Letztlich machte Mustafa Kemal mit seiner ausgefallenen Theorie vom Ursprung aller Zivilisation in der türkischen Kultur die gesamte Debatte irrelevant. Wie viele andere Anhänger des Szientismus auch hielt Mustafa Kemal die Nachahmung europäischer Kultur und Sitten für grundsätzlich unproblematisch. Er unterstützte sogar ausdrücklich die Einführung europäischer Umgangsformen, auf dass diese die überkommenen muslimischosmanischen Traditionen schließlich ersetzen würden. Die Verfasser von Artikeln in den nach 1908 aufblühenden charakteristisch osmanischen Wissenschafts- und Fortschrittsmagazinen hielten ihre Leser dazu an, sich nach europäischer Mode zu kleiden und zu verhalten; als kleine Hilfestellung

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Kraft und Stoff 76

lieferten sie gleich einige Illustrationen mit, die aus europäischen (insbesondere französischen) Benimmbüchern stammten.33 Zugleich ermahnten sie ihre Landsleute, veraltete und aus ihrer Sicht rückständige Gebräuche aufzugeben, wenn sie sich nicht mit der modernen Lebensweise vereinbaren ließen. Sie schmähten islamische Verhaltens- und Anstandsregeln wie etwa das Almosengeben und das Gastrecht als „Regeln und Vorschriften, die vor 1300 Jahren in der Wüste aufgestellt wurden“ und deshalb in der Gegenwart nicht länger zweckmäßig seien.34 Einige Kommentatoren gingen sogar so weit, das für den muslimischen Glauben konstitutive Gebetsritual (namaz/salāt) mit der Begründung infrage zu stellen, ein moderner Mensch könne seine kostbare Zeit nicht fünf Mal am Tag mit einem religiösen Ritual verschwenden.35 Obwohl illustrierte Handreichungen darüber, wie man einer Dame die Hand küsst oder ihr etwa vom Pferd hilft, nur einen ganz kleinen Kreis säkularer Leser überhaupt in ihrer Lebenswirklichkeit erreichten, verärgerten sie fromme Muslime darum nicht minder. In gleicher Weise führten Artikel über das gesellschaftliche Leben gemischtreligiöser Ehepaare zu einem regelrechten Aufschrei aus den Reihen der ʿulamā᾽. Den Verfechtern gesellschaftlicher Modernisierung erschienen solche Proteste – im Angesicht des unabweislichen Verdikts der „Wissenschaft“ – mehr als müßig. Sie waren, wie Abdullah Cevdet sich auszudrücken beliebte, wie der Kampf zwischen „einem Kürbis und einer Granate von Krupp“: Der Kürbis, der davon träumte, die Granate zu zerschmettern, werde seinerseits in Fetzen gerissen werden.36 Mustafa Kemal war derselben Ansicht. Wenn er das Tragen europäischer Kleidung propagierte (oder etwa 1925 das Tragen eines Hutes für türkische Beamte verpflichtend machte), dann kam darin lediglich seine Überzeugung zum Ausdruck, dass „wer von sich sagt, er sei zivilisiert, das auch durch seine äußere Erscheinung beweisen sollte“. Sich der westlichen Garderobe zu widersetzen, hieß, „sein Leben mit Aberglauben und Ideen aus dem Mittelalter zu verbringen, anstatt jene Zivilisation freudig willkommen zu heißen, die Straßentunnel in Gebirgsmassive sprengt, durch die Lüfte fliegt und überhaupt alle Dinge zwischen Himmel und Erde entdeckt und untersucht hat, von den kleinsten Molekülen bis zu den entferntesten Sternen“.37 Wie andere Angehörige seiner Generation verstand Mustafa Kemal die Anverwandlung der westlichen Zivilisation als Voraussetzung für das

Der jungtürkische Kampf gegen den Islam

Entstehen einer modernen, gewissermaßen „wissenschaftsfähigen“ Gesellschaft. Schon 1913 veröffentlichte ein führender Vertreter der modernistischen Partei – Kılıçzâde Hakkı, den Mustafa Kemal später zum Parlamentsabgeordneten machen sollte – eine Art Ablaufplan für die gesellschaftliche Umgestaltung, der eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zu den später, in der frühen Republik, tatsächlich umgesetzten Reformen aufweist. Kılıçzâde Hakkı schwebte eine künftige Gesellschaft vor, in der die madrasahs, die religiösen Schulen, abgeschafft sein würden, in welcher der Hut den Platz des Fes einnehmen, Frauen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, die Tekken (tekye) genannten religiösen Zentren der Derwischorden aufgehoben und religiöse Einrichtungen im Allgemeinen staatlicher Kontrolle unterstellt sein würden, ein Staat mit einem gründlich reformierten Justizsystem.38 Doch obwohl diese verschiedenen Strömungen westlich orientierter Modernisten Mustafa Kemal stark beeinflussten, glich er keineswegs einem ihrer durchschnittlichen Anhänger; auch wäre es falsch zu behaupten, er habe späterhin nicht mehr geleistet, als bereits vorliegende Programme in die Tat umzusetzen. Die Reformen der frühen Republik tragen die kompromisslose und eigensinnige Handschrift Mustafa Kemals selbst. Obwohl er kein Ideologe war, verlieh er der Umsetzung der Reformen eine radikale Qualität, die die Erwartungen der osmanischen „Verwestlicher“ noch weit übertraf. Am wichtigsten war jedoch, dass er, anders als die spätosmanischen Reformer vor ihm, das Fortbestehen altehrwürdiger Gebräuche und Institutionen Seite an Seite mit ihren neuen, durch die Reformen ins Leben gerufenen Pendants strikt ablehnte. Stattdessen bestand er darauf, das Alte ohne Rücksicht auf Verluste abzuschaffen, um es dann durch eine radikal neue Reihe von Normen, Strukturen und Werten zu ersetzen. So ließ er beispielsweise, anstatt das bestehende Alphabet zu reformieren, den Gebrauch der osmanischen Schrift arabisch-persischen Ursprungs verbieten, die durch das modifizierte lateinische Alphabet ersetzt wurde, das noch heute im Türkischen verwendet wird. Anstelle der Majalla – des hybriden osmanischen Rechtssystems aus dem 19. Jahrhundert – ließ er das (wiederum leicht modifizierte) Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) einführen, wodurch das islamische Recht aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens verbannt wurde. Der Prozess, in dem diese Direktiven in die Tat

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Bu

g

Wien

Czernowitz

Donau

RUSSISCHES REICH

Budapest

Dn

es

ÖSTERREICH-UNGARN

tr

Odessa Dra

(Zagreb)

u

Save

seit 1878 von Öst.-Ung. verwaltet, 1908 annektiert

RUMÄNIEN 1881 Kgr.

SERBIEN

Sandschak Nowipasar

MONTENEGRO

Sofia 1913

Cetinje Shkodra

Baltschik

Philippopel

(Plovdiv)

(Manastır)

Tirana

1913

Saloniki 1913

(unabhängig)

Schwarzes Meer

Ostrumelien

1885

Bitola

ALBANIEN

Varna

1908 unabh. Kgr.

(Üsküb)

Durrës

I TA L I E N

Skopje

(Constanta) ,

1913 zu Rumänien Süddobrudscha

BULGARIEN

1910 Kgr.

Adria

Konstanza

Bukarest

Silistra

Donau

1882 Kgr.

Sarajevo

(Split)

(Sibiu)

Belgrad

BosnienHerzegowina

Spalato

Hermannstadt

Theiß

Agram

1915

Dedeagats/ Adrianoupoli (Dedeagac) ˘ ¸

1913

Edirne

(Adrianopel)

Istanbul

(Konstantinopel)

Gallipoli

Imbros

Ioannina

(Yanya/Janina)

Ionisches Meer

1881

Larissa

Thessalien

OSMANISCHES REICH Ägäis

1913

. Izmir

GRIECHENLAND

(Smyrna)

Athen Kykladen

Dodekanes 1912 unter italien. Besatzung

M i t t e l m e e r K r e t a ( K riti) 1898 auton. unter türk. Herrschaft 1908/12 an Griechenland

Gebietsverluste des Osmanischen Reiches (1878 und 1912) Osmanisches Reich 1912 Osmanisches Reich 1915

0

100

Abb. 5 Die Aufteilung der ehemaligen europäischen Provinzen des Osmanischen Reiches nach den Balkankriegen von 1912/13.

200

300 km

Der jungtürkische Kampf gegen den Islam

umgesetzt wurden, war seinerseits von einem gewissen rücksichtslosen Pragmatismus geprägt – und auch hier ist es verlockend, die Ursache in der Persönlichkeitsstruktur jenes Mannes zu suchen, der die Zügel in der Hand hielt. Mustafa Kemal war vor allem ein Praktiker, kein Theoretiker. Er ließ es bei der Auslegung der theoretischen Grundlagen nicht zu Haarspaltereien kommen; eher verwarf er ein Dogma und drängte, rastlos wie er war, vorwärts. In diesem Sinne war er vielleicht wirklich der glühendste Anhänger des Vulgärmaterialismus, der vor jeglichem Zuviel an Philosophie zurückwich, wenn es ihm den Weg zu seiner „wissenschaftlichen“ Gesellschaft der Zukunft versperrte. Schon seit 1903 hatte die jungtürkische Zeitschrift Türk, deren leidenschaftlicher Nationalismus sich schon in ihrem Namen ausdrückt, behauptet, die vorislamischen Gebräuche der Türken seien zwangloser und fortschrittlicher gewesen als die nach ihrer Konversion zum Islam angenommenen.39 Das Blatt führte zudem eine erbitterte Debatte mit dem führenden muslimischen Reformer, Rashīd Riḍā, über die in Türk geäußerte Ansicht, die Türken seien anderen muslimischen Völkern von Natur aus überlegen.40 Als es erst einmal an der Macht war, nahm das Komitee für Einheit und Fortschritt (KEF) zunächst eine versöhnlichere Haltung ein, neigte nach der Errichtung eines faktischen Einparteienregimes im Jahr 1913 sogar einer Aussöhnung von türkischem Nationalismus und Religion zu. Zwischen 1913 und 1918 gewährte das KEF jedoch einer Geistesströmung seine starke Unterstützung, die auf die Schaffung eines „türkifizierten“ Islam abzielte, einer nationalen Religion, die – so ihre Verfechter – den Herausforderungen der Modernisierung gewachsen sein werde. Der Wortführer dieser Initiative war Ziya Gökalp, ein selbsternannter Soziologe, glühender Anhänger Émile Durkheims und führender Ideologe des KEF. In einem seiner Gedichte entwarf er eine „Religion, wie sie dem Türken entspricht“.41 Diese Bewegung war der Ansicht, dass viele islamische Traditionen, die sich nicht mit dem modernen Leben vereinbaren ließen (so etwa die Vielehe), durch eine liberale Interpretation der islamischen Quellentexte aus der Welt geschafft werden könnten.42 Mustafa Kemal entschied sich später – obwohl er von Ziya Gökalps nationalistischen Ideen stark beeinflusst war43 – gegen eine umfassende Verwendung des Islam in Sachen Modernisierung. Er folgte darin also nicht dem KEF, das Gökalps Theorie für sich angenommen hatte

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und versuchte, mit dem „Temporären Familiengesetz“ durch eine liberale Interpretation des Hanbalī-Rechts die Polygamie einzudämmen und muslimischen Frauen zumindest ein gewisses Scheidungsanrecht einzuräumen.44 (Es gibt im sunnitischen Islam traditionell vier unterschiedliche Rechtsschulen; die Osmanen folgten eigentlich der Hanafī-, nicht der HanbalīSchule.) Stattdessen hatte Mustafa Kemal es auf eine „schnörkellosere“ Strategie abgesehen, etwa indem eben eine leicht modifizierte Variante des Schweizer Rechts eingeführt und die Vielehe schlicht verboten wurde. Seine Bezugnahme auf den Islam in solchen Fällen ging nicht über einen oberflächlichen Nachweis hinaus, dass die jeweilige Reform mit dem Islam vereinbar sei. Obwohl Mustafa Kemal zurückhaltend war, was die Verwendung des Islam als Modernisierungsinstrument anging, konnte er doch der Vorstellung einiges abgewinnen, ein „türkifizierter“ Islam könne der Sache des türkischen Nationalismus dienlich sein. So ersetzte etwa in den frühen Jahren der Republik die Bezeichnung Tanrı, ein alter türkischer Begriff, der auch für heidnische Gottheiten Verwendung fand, das traditionelle Allāh. Ebenso wurde ein türkischer Gebetsruf anstelle der traditionell in der ganzen muslimischen Welt geläufigen arabischen Fassung eingeführt. Dennoch bezeichnete die Presse der frühen Republik den Islam oft als „arabische Religion“. Wie die genannten Beispiele verdeutlichen, nahmen die Bestrebungen zu einer „Türkifizierung“ der Religion in den frühen Jahren der Republik an Fahrt auf; sie gipfelten schließlich in einem Aufruf regimenaher Gelehrter, die Religion als ganze durch den Nationalismus zu ersetzen und religiöse Gefühle durch nationale. Mustafa Kemal begrüßte die Abhandlung Din Yok Milliyet Var: Benim Dinim, Benim Türklüğümdür („Es gibt keine Religion, nur die Nationalität: Mein Türkentum ist meine Religion“), die speziell für seine Lektüre angefertigt worden war.45 Ihm schienen darin vor allem Aussagen wie die folgende zu gefallen: Die orientalischen Völker sind mehr noch als alle anderen zu religiösen Narren geworden; darum haben sie von alters her Traditionen entwickelt wie etwa die, zu lügen und doch ihre Worte mit Schwüren zu beeiden. Die heutigen Araber und Perser lügen ohne Unterlass.

Der jungtürkische Kampf gegen den Islam

An den Rand kritzelte er: „außer die Türken“.46 Aber trotz seiner offenbaren nationalistischen und szientistischen Neigungen trat Mustafa Kemal dem Islam nicht direkt entgegen. Vielmehr leistete er Lippenbekenntnisse zu einer Religion, die er gleichzeitig unter strikte staatliche Kontrolle stellte und in dürren nationalistischen und szientistischen Begriffen neu zu definieren suchte. Als Türke, der in dem turbulenten Völkergemisch Makedoniens aufgewachsen war, war Mustafa Kemal empfänglich für den türkischen Nationalismus, der nach 1905 ein Grundsatz der jungtürkischen Ideologie geworden war. Doch der makedonische Türkismus entwickelte sich nicht allein als feindselige Reaktion auf die separatistischen Bestrebungen der Griechen, Makedonier, Serben und Bulgaren, sondern gleichermaßen als Nachahmung jener Gruppierungen und als Ausdruck einer tiefen Bewunderung für deren Solidarität. Nichts ging über eine Dienstzeit in Makedonien, um osmanische Offiziere auf die Suche nach einem türkischen Äquivalent zu den separatistischen Nationalismen in der Region gehen zu lassen. Wenn zum Beispiel osmanische Offiziere auf Bahnhöfen in ganz Makedonien hören konnten, wie zutiefst ergriffene bulgarische Menschenmengen ihre Nationalhymne Shumi Maritsa anstimmten, um Mitglieder nationalistischer Banden in die Gefangenschaft zu verabschieden – dann fragten sie sich doch, warum ihr eigener Staat eigentlich keine Nationalhymne hatte und warum die einzigen Lieder, die man in der osmanischen Armee sang, zu Ehren einzelner Sultane komponierte Märsche waren.47 Makedonien wurde so für die osmanischen Offiziere zur Schule des Nationalismus. Tatsächlich versuchte Mustafa Kemal früh, eine Untergrundbewegung prototürkistischer Ausrichtung zu begründen; das war die vierköpfige „Organisation Vaterland und Freiheit“, die 1905 in Damaskus zusammentrat.48 Im darauffolgenden Jahr spielte er in Saloniki eine untergeordnete Rolle bei der Gründung der „Gesellschaft für osmanische Freiheit“ (Osmanlı Hürriyet Cemiyeti), die später mit dem KEF verschmolz und dort zur Speerspitze der jungtürkischen Revolution und der türkisch-nationalen Bewegung wurde.49 Nach der jungtürkischen Revolution war das KEF gezwungen, seine türkisch-nationalen Prinzipien zunächst einmal zurückzustellen, um sich ganz der Verwaltung des Vielvölkerreiches zu widmen. Doch der Türkismus gedieh auch während der „Zeit der Zweiten Verfassung“ (1908–1918). Das

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KEF zügelte seine türkisch-nationale Rhetorik aus der Vorrevolutionszeit ein wenig und bemühte sich zudem, seine nationalistisch-revolutionären Doktrinen mit der supranationalen Ideologie des Osmanismus zu versöhnen. Außerdem förderte das KEF deren Verbreitung auf kultureller Ebene. Die späteren Entwicklungen, insbesondere der Verlust fast aller europäischen Teile des Reiches und der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, beflügelten das politische Geschick des Türkismus, indem sie eine handfeste Gelegenheit zur Verwandlung des osmanischen Staates in ein „turanisches“ Großreich zu bieten schienen. Ziya Gökalp hat diese Utopie in seinem vielgerühmten Gedicht „Turan“ festgehalten: „Nicht Türkei noch Turkestan kann dem Türken Heimat sein/Das Vaterland ist weit und groß: das ew’ge Turan ist’s allein!“ (Vatan ne Türkiyedir Türklere ne Türkistan, Vatan büyük ve müebbed bir ülkedir:Turan).50 Obwohl diese Zeilen, als sie 1911 geschrieben wurden, wie eine gelehrte Fantasterei klangen, wurde „Turan“ schnell zum Schlagwort einer aufstrebenden Ideologie. Wie viele andere Mitglieder des KEP folgte auch Mustafa Kemal diesem „Turanismus“ mit Begeisterung. Als Kadett las er Süleyman Paschas Tarih-i Âlem („Weltgeschichte“, 1878); es war dies ein Meilenstein der osmanischen Geschichtsschreibung, da der Fokus der Darstellung erstmals auf den vorseldschukischen Turkreichen Zentralasiens lag. Ähnlich starken Einfluss auf den jungen Leser hatte Léon Cahuns Introduction à l’histoire de l’Asie. Turcs et Mongols, des origins à 1405, das ebenfalls einen Ausblick auf die vorosmanische türkische Geschichte eröffnete.51 Den Schriften Ziya Gökalps verdankte Mustafa Kemal viel, was sich auch in seinen eigenen Schriften und Reden spiegelt. Zugleich wandte er sich aber gegen Gökalps Unterscheidung zwischen Kultur und Zivilisation; auch ignorierte er die Bedeutung, die Gökalp dem Islam bei der Formung einer neuen, türkischnationalen Ideologie beimaß. Unter Mustafa Kemals engen Freunden war eine Reihe einflussreicher Pantürkisten der Vorrevolutionszeit. Einer von ihnen, Ömer Naci, war ein Offizier, der aus dem Osmanischen Reich desertiert war, um sich dem Zentralkomitee des KEF in Paris anzuschließen. An der KaiserlichOsmanischen Militärakademie hatte er gemeinsam mit Mustafa Kemal an einer geheimen, handgeschriebenen Zeitschrift gearbeitet, die unter den Kadetten kursierte.52 Ömer Naci wurde später zum herausragenden Redner

Der jungtürkische Kampf gegen den Islam

des KEF und war für die Fähigkeit bekannt, Menschenmengen mit seiner kraftvollen nationalistischen Rhetorik aufzustacheln. Mustafa Kemal hat später erzählt, auch Mehmed Emin (Yurdakul), eine führende Persönlichkeit unter den türkisch-nationalen Literaten, habe eine entscheidende Rolle beim Erwachen seines eigenen nationalen Empfindens gespielt.53 Mehmed Emin sollte aufgrund seiner frühen Gedichte als der „Dichter der Nation“ bekannt werden; darin finden sich Verse wie „Ich bin ein Türke / Groß sind meine Rasse und Religion“.54 Die frühen Pantürkisten hatten vergleichsweise wenig Gewicht auf die Kategorie „Rasse“ gelegt, weil die Türken – gemeinsam mit anderen asiatischen Völkern – in den geläufigen Rassenhierarchien jener Zeit in der Regel recht niedrig eingestuft waren. Nach dem von Mustafa Kemal enthusiastisch verfolgten Russisch-Japanischen Krieg von 1904/05 jedoch nahm die Rassenfrage auch für den Türkismus eine gewichtige Bedeutung an.55 Die japanischen Siege belebten das Interesse der Jungtürken und anderer osmanischer Intellektueller sowohl an älteren Rassentheorien als auch an der Turk-Vergangenheit des türkischen Volkes. Dies ist der Zusammenhang, in dem Berichte von einer Auseinandersetzung gesehen werden müssen, die sich 1906 zwischen Mustafa Kemal, einem albanischen Hauptmann und einem türkischen Sergeanten ereignete, und in welcher Mustafa Kemal die traditionelle Bewunderung für die „noblen Araber“ ablehnte, gegen die er stattdessen die „edlen Eigenschaften der türkischen Rasse“ in Stellung brachte.56 Später in seiner Karriere, als es um die Formulierung seiner großen These zur türkischen Geschichte ging, stellte er eurozentrische Zuordnungen der Türken zur sekundären (secondaire) „gelben Rasse“ infrage. (Offenbar wies er seine Adoptivtochter, eine angehende Historikerin, an, in dieser Sache weitere Nachforschungen anzustellen.)57 Als Angehöriger der zweiten Generation der Jungtürken machte sich Mustafa Kemal die Kernelemente einer Weltanschauung zu eigen, wie sie viele gebildete junge Osmanen teilten. Das erste Gebot dieser Geisteshaltung war eine beinahe sakrale Verehrung der Wissenschaften in ihrer quasi-religiösen Bedeutung für die moderne Gesellschaft. Vor allem anderen gehörte Mustafa Kemal, um die prägnante Formulierung Carlton Hayes’ zu gebrauchen, zu einer „Generation des Materialismus“.58 Er betrachtete alles, vom Nationalismus bis zum Modernismus, durch das Prisma des or-

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Kraft und Stoff

thodoxen Szientismus. In jedem anderen europäischen Land wäre Mustafa Kemal als rigoroser Szientist aufgefallen; seine Machtübernahme in einer mehrheitlich muslimisch-konservativ geprägten Gesellschaft jedoch war geradezu atemberaubend revolutionär.

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4.

Von Kriegen zum Weltkrieg: Ein Held betritt die Bühne

Der verhängnisvolle Krieg gegen das russische Zarenreich in den Jahren 1877/78 hatte die osmanische Position auf dem Balkan signifikant geschwächt. Danach tat Sultan Abdülhamid II. alles, um keine weitere militärische Niederlage zu riskieren; insbesondere verzichtete er auf riskante Großmachtpolitik. In den drei Jahrzehnten vor der jungtürkischen Revolution von 1908 führte das Osmanische Reich lediglich einen – kurzen – Krieg: 1897 gegen Griechenland (was den ersten osmanischen Militärsieg seit dem Krimkrieg von 1853–1856 mit sich brachte). Doch trotz der relativ ruhigen Gesamtlage setzten sich die Gebietsverluste fort und die Grenzen des Reiches schrumpften. Im Jahr 1881 errichteten die Franzosen de facto ein Protektorat rund um Tunis. Im Jahr darauf besetzten die Briten Ägypten. 1885 landeten die Italiener bei Massawa; fünf Jahre später konnten sie Eritrea zur italienischen Kolonie erklären. Im selben Jahr annektierte Bulgarien – offiziell immer noch ein „osmanisches“ Fürstentum – Ostrumelien (eine autonome osmanische Provinz). Viele arabische Stammesführer – wie etwa der Scheich von Kuwait – unterzeichneten Abkommen mit den Briten und sagten sich somit vom osmanischen Einfluss los. Allerdings ereigneten sich alle diese Gebietsverluste an der Peripherie, die schon seit langem von einer osmanischen Regierung zur anderen als effektiv verloren betrachtet worden waren. Das osmanische Kernland hingegen erlebte eine Periode relativer Ruhe und Stabilität. Trotz der großen Krise, die von 1873 bis 1896 die Volkswirtschaften Europas und der ganzen Welt erschütterte, erfreute sich die osmanische Wirtschaft während der gesamten hamidischen Ära eines bescheidenen, aber stetigen Wachstums.

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In einer Epoche, in der die Armee hauptsächlich dann zum Einsatz kam, wenn es darum ging, Unruhen im Inneren zu unterdrücken, gab es kaum Bewährungsgelegenheiten für potenzielle Kriegshelden. Tatsächlich fürchtete der Sultan einen Staatsstreich oder doch zumindest eine Schmälerung seiner eigenen Person, sollte die Armeeführung zu selbstbewusst werden – er würde ihnen schon die Flügel stutzen! Aus diesem Grund behinderte Abdülhamid II. sogar das strenge Ausbildungsprogramm für Nachwuchsoffiziere, was der Kampfkraft der osmanischen Armee schadete. İbrahim Edhem Pascha, Befehlshaber der osmanischen Truppen gegen die Griechen im Jahr 1897, erwarb sich Ruhm und den Ehrentitel „Gazi“ (vom arabischen ghāzī, „Gotteskrieger“), aber er trat niemals als Person des öffentlichen Lebens ins Rampenlicht. Die beiden Volkshelden des Russisch-Osmanischen Krieges – Gazi Osman Pascha und Gazi Ahmed Muhtar Pascha – wurden auf Weisung des Sultans streng überwacht. Während der jungtürkischen Revolution von 1908 rückten mit dem Major Enver Bey und dem Majoradjutanten Niyazi Bey zwei junge Offiziere ins Rampenlicht, die gemeinsam als verantwortliche Befehlshaber beim Militäraufstand in Makedonien in der Endphase der Revolution gedient hatten. Komponisten und Poeten ersannen Märsche und Gedichte, um deren Heldenmut zu feiern, während Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Spenden einwarben, mit denen zwei neue Schlachtschiffe finanziert – und selbstverständlich auf die Namen der beiden Revolutionsidole getauft – werden sollten. Eltern in der ganzen islamischen Welt benannten ihre Kinder nach diesen beiden Offizieren; berühmte Namensvettern von Enver Bey waren etwa der albanische Kommunistenführer Enver Hodscha (geboren 1908) und der ägyptische Präsident Muḥammad Anwar al-Sādāt (geboren 1918). Der andere Revolutionsheld, Niyazi Bey, ein frommer Offizier albanischer Abstammung, war angesichts der säkularen und türkisch-nationalen Tendenzen des Komitees für Einheit und Fortschritt (KEF) bald ernüchtert; er wurde 1913 von albanischen Nationalisten ermordet. So blieb als herausragender Held des osmanischen Heeres allein Enver Bey übrig, der den furchtlosen osmanischen Widerstand gegen die Italiener in der Kyrenaika angeführt und kurz darauf Edirne von den Bulgaren zurückerobert hatte. Währenddessen scheute Mustafa Kemal weder Mühen noch Opfer in seinem Bestreben, selbst ein Held zu werden. Wie er in einem Brief an

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eine Freundin schrieb, hatte er „ein großes Verlangen“ seinem Vaterland außerordentliche Dienste zu leisten.1 Die Umstände waren jedoch zur Verwirklichung dieser großen Ambition alles andere als günstig. Bis zum Ersten Weltkrieg blieb Mustafa Kemal – außerhalb des kleinen Kreises junger KEF-Offiziere – weitgehend unbekannt. Die vom deutschen Militär inspirierte Umstrukturierung der osmanischen Armee am Vorabend des Ersten Weltkriegs sollte dem Aufstieg Mustafa Kemals den Weg ebnen. Wie viele seiner Kameraden teilte er die Meinung Colmars von der Goltz: „Krieg führen heißt angreifen“.2 In einem seiner militärtheoretischen Aufsätze schrieb Mustafa Kemal: „Die Armee muss eine Offensivarmee sein. Unsere Waffen taugen nicht, uns vor dem Feind zu verteidigen, sondern dazu, den Feind vor uns Zuflucht nehmen zu lassen.“3 Gewiss waren viele Militärstrategen jener Jahre derselben Ansicht; jedoch war die Umsetzung dieser Prinzipien im Kampf für die osmanische Armee zu dieser Zeit noch immer nahezu unmöglich. Mit Ausnahme des Krimkrieges, in dem die osmanische Armee nur eine zweitrangige Rolle gespielt hatte, und des Konflikts mit Griechenland 1897 – eines Kleinkrieges gegen eine unterlegene Macht der dritten Garnitur –, hatten die osmanischen Streitkräfte seit über einem Jahrhundert keinen Offensivkrieg mehr geführt, der diesen Namen verdiente; während eines Großteils des Ersten Weltkriegs sollten sie ebenfalls in der Defensive verbleiben. Die gemeinsame osmanisch-deutsche Heeresführung hatte zwar in der Tat Pläne für umfassende Offensiven im Kaukasus und in der Gegend des Suezkanals ausgearbeitet, aber man ging davon aus, dass allein die beiden verdienten Offiziere und militärischen Anführer des KEF, Enver Pascha und Cemal Pascha, diese Operationen leiten würden. Mustafa Kemal vertrat die Ansicht, dass nur Nationen, die von der japanischen Angriffsethik des kōgeki seishin (etwa: „Kampfgeist“) durchdrungen waren, erfolgreiche Offensivkriege führen konnten.4 Im Jahr 1914 wäre es jedoch schwierig gewesen, der osmanischen Armee irgendeine Form von Kampfgeist zuzusprechen. Die Umgestaltung des osmanischen Militärs war erst seit einem knappen Jahr im Gang, und die Truppenmoral war nach den Balkankriegen von 1912/13, in denen die Osmanen die schmachvollste Niederlage ihrer Geschichte erlitten hatten, auf einem Tiefpunkt angelangt. Dennoch gelang es den osmanischen Truppen irgendwie – und insbesondere

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während der ersten beiden Jahre des Ersten Weltkriegs – einen erstaunlichen Kampfeswillen aufzubringen. Dies ging schließlich so weit, dass ein Kommandeur wie Mustafa Kemal davon ausgehen konnte, dass seine Männer im Ernstfall – und ohne mit der Wimper zu zucken – einen Sturmangriff in den beinahe sicheren Tod unternehmen würden.5 Mustafa Kemal war in Sofia, als die Julikrise ausbrach. Nach seiner Beförderung zum Oberstleutnant diente er hier nun als osmanischer Militärattaché für Bulgarien, Serbien und Montenegro. Seine Stellung gewann nach dem Ausbruch der Feindseligkeiten noch an Bedeutung, da die osmanische Regierung, die mit dem Deutschen Reich unmittelbar vor Kriegsausbruch einen Bündnisvertrag geschlossen hatte, eigentlich nur ungern in den Krieg eintreten wollte, wenn sich nicht zuvor wenigstens Bulgarien und möglicherweise Rumänien dem Bündnis anschlössen.6 Während er noch mit den zuständigen bulgarischen Stellen verhandelte, um sie zu einem Beitritt zu dem Bündnis mit Deutschland zu bewegen, rechnete sich Mustafa Kemal in Gedanken schon seine Aussichten auf ein Gefechtskommando aus. Nach dem Kriegseintritt des Osmanischen Reiches im November 1914 wandte er sich umgehend an Enver Pascha, um seine Versetzung in den aktiven Dienst zu erreichen.7 Allerdings verhinderten seine frühere Kritik an dem osmanisch-deutschen Bündnis und seine getrübten Beziehungen zur Führung des KEF seine Einberufung noch bis in das Jahr 1915 hinein. Am 20. Januar 1915 konnte Mustafa Kemal Sofia endlich verlassen, um das Kommando über eine osmanische Division zu übernehmen, die bis dato nur auf dem Papier existierte. Zu diesem Zeitpunkt schien das Kriegsglück die osmanische Armee bereits – wieder einmal – verlassen zu haben. Eine unbedachte osmanische Offensive an der Kaukasusfront hatte sich, unter der Führung Enver Paschas, rasch zu einer mittleren Katastrophe ausgewachsen; die meisten der Soldaten, die für die Kriegführung im Winter überhaupt nicht ausgerüstet waren, erfroren, bevor sie überhaupt mit russischen Truppen in Berührung kommen konnten. Drei Tage vor Mustafa Kemals Abreise in Richtung Istanbul gingen die Russen daran, die panisch gewordenen Überreste der 3. Osmanischen Armee hinwegzufegen. Nach Verlusten von gut 30 000 Mann – wobei noch Tausende mehr Erfrierungen und Verwundungen erlitten hatten – war diese Streitmacht ein Schatten

Ein Held betritt die Bühne

ihrer selbst und ohne jeglichen Gefechtswert.8 Die Tore Anatoliens standen den vorrückenden Russen somit weit offen. Sogar noch größer war eine Bedrohung, die sich am Horizont abzeichnete. Im Januar 1915 wurde der Planungsstab im britischen Kriegsministerium unter Leitung des Marineministers Winston Churchill hartnäckig von den russischen Verbündeten

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Abb. 6  Major Enver Bey (1908).

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bedrängt, denen es an dringend benötigtem Nachschub mangelte. Russland, dessen europäische Landgrenzen größtenteils durch das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn blockiert wurden, während die Kaiserlich-Deutsche Marine die Ostsee abriegelte, musste ganz einfach Zugang zum Mittelmeer erhalten – den das Osmanische Reich jedoch verwehrte. Die Briten beschlossen daher eine Marineexpedition, welche die Durchfahrt durch die Dardanellen und den Bosporus erzwingen und auf diese Weise den russischen Verbündeten eine eisfreie Nachschubroute „freischießen“ sollte. Das Osmanische Reich wollte man im gleichen Zug ausschalten und somit als Kriegspartei neutralisieren.9 Schon über ein Jahrhundert zuvor, im Jahr 1807, hatte sich ein Geschwader der britischen Marine unter dem Vizeadmiral Sir John Thomas Duckworth die Passage durch die Dardanellen erzwungen und die osmanische Hauptstadt erreicht, obwohl der erfahrene Kommandant Duckworth zuvor prognostiziert hatte, „ohne die Unterstützung einiger Truppen an Land“ werde der Versuch, sich die Durchfahrt zu erzwingen, „ein leichtsinniges Opfer des gesamten Geschwaders nach sich ziehen“.10 Seitdem hatte die osmanische Seite der Verteidigung der Meerenge sogar eher noch größeres Gewicht beigemessen. Aber auch die Briten waren nicht untätig gewesen und hatten sich auf diese – oder eine ähnliche – Operation schon seit mehr als einem Jahrzehnt vorbereitet. Im Jahr 1906, auf dem Höhepunkt der Tābāh-Krise zwischen dem Britischen und dem Osmanischen Reich, kam man in London zu dem Schluss, dass selbst ein Geschwader von „Seiner Majestät minderwertigsten Schiffen“ in der Lage sein werde, „in voller Fahrt durch die Meerenge vorzustoßen und Konstantinopel zu erreichen“.11 Mustafa Kemal hatte im Februar 1915 gerade damit begonnen, ein neues Regiment in Thrakien aufzustellen, als britischer Artilleriebeschuss der osmanischen Befestigungsanlagen im Bereich der Dardanellen das osmanische Kriegsministerium dazu bewog, seine Einheit unverzüglich dorthin zu entsenden. Der Mann, der noch kaum einen Monat zuvor an einem Schreibtisch der osmanischen Gesandtschaft in Sofia gesessen hatte, fand sich unversehens inmitten einer der gewaltigsten Schlachten der Neuzeit wieder. Wenigstens sollte er nun die Gelegenheit haben, eine Offensive zu befehligen – wenn auch im Rahmen einer Defensivkampagne – und so einen Platz in den Geschichtsbüchern zu erlangen.

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Das osmanische Oberkommando erkannte schnell, dass es sich für das sechs Jahrhunderte alte Osmanenreich bei der an den Dardanellen geschlagenen Schlacht von Gallipoli um einen Kampf auf Leben und Tod handelte. Und hatte der britische Premier Herbert Asquith nicht schon beim Kriegseintritt des Osmanischen Reiches erklärt, die Briten seien entschlossen, der Alleinherrschaft des osmanischen Sultans den Todesstoß zu versetzen, und zwar nicht nur in Europa, sondern auch in Asien?12 Die osmanische Regierung bereitete sich auf das Schlimmste vor. Es gab Pläne, den Regierungssitz in eine Stadt irgendwo in Anatolien zu verlegen. Sonderzüge beförderten Reichtümer aus den diversen Palästen an sichere Orte im Landesinneren. Dennoch würde, so die verbreitete Meinung, die Einnahme Istanbuls auch den Untergang des Osmanischen Reiches bedeuten. Unter diesen düsteren Umständen übernahm der deutsche General Otto Liman von Sanders das Kommando über die osmanischen Truppen an den Dardanellen. Liman von Sanders hatte sich zuvor einem Bündnis mit dem Osmanischen Reich beharrlich widersetzt, weil dieses, so seine Begründung, in einem ernsthaften militärischen Konflikt eher eine Be- als eine Entlastung darstellen werde. Der osmanische Generalstab betrieb einen enormen Aufwand bei der Verlegung von Artillerieeinheiten aus dem Kaukasus und zog auch sonst alle verfügbaren Truppen für die entscheidende Schlacht auf der Halbinsel Gallipoli (türkisch: Gelibolu Yarımadası) zusammen. Am 18. März 1915, nach einer Reihe vorbereitender Bombardements, erschien vor der Zufahrt zu den Dardanellen eine beeindruckende Armada aus britischen, französischen und russischen Schiffen, bereit, Istanbul einzunehmen und dem Osmanischen Reich sein letztes Stündlein einzuläuten. Doch stattdessen war es die Koalitionsflotte, die eine der verheerendsten Niederlagen in der Geschichte der Seekriegführung erlitt, verursacht durch die osmanischen Artilleriestellungen an der Küste sowie durch erst kurz zuvor verlegte Seeminenfelder.13 Nach dem Verlust dreier großer Schlachtschiffe sowie der schweren Beschädigung dreier weiterer Schiffe innerhalb nur eines Kampftages beschlossen die Alliierten, ihre Marineoperation abzubrechen.14 Die Royal Navy im Besonderen hatte solch schwere Verluste an einem einzigen Tag zuletzt in der Schlacht von Trafalgar erlebt. Das alliierte Kommando gab jedoch den Plan nicht auf, sich die Einfahrt in die Dardanellen zu erzwingen. Vielmehr stellten die verbündeten Mächte

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ein alliiertes Expeditionskorps auf, das größtenteils aus Divisionen von den Britischen Inseln sowie Einheiten aus Australien und Neuseeland bestand. Gemeinsam mit französischen Truppen führten sie die größte Landeoperation des Ersten Weltkriegs durch. Im April landeten fünf alliierte Divisionen dieses Mittelmeer-Expeditionskorps (Mediterranean Expeditionary Force) an den Stränden der Halbinsel Gallipoli.15 Im Verlauf der Kampagne sollte sich die Truppenstärke dieser Armee verdreifachen. Obwohl das osmanische Oberkommando durchaus mit einem Landeunternehmen gerechnet hatte, dem sich eine großangelegte Bodenoffensive anschließen würde, ließen die schiere Heftigkeit des alliierten Ansturms und das harte Dauerfeuer der Schiffsgeschütze draußen auf See die osmanischen Verteidiger anfangs überwältigt zurückweichen. Am ersten Tag des Angriffs, an einem der entscheidenden Punkte dieser Schlacht, nahm Mustafa Kemal die Sache in die eigene Hand. Als an einer Stelle ein ungeordneter osmanischer Rückzug drohte, eilte er selbst dorthin, obwohl er dazu seinen eigenen Befehlsbereich verlassen musste. Vor Ort angekommen, formierte er die panischen Soldaten neu und befahl ihnen einen kühnen Ausfall mit aufgepflanzten Bajonetten, um den alliierten Vorstoß bis zum Eintreffen der Verstärkung zumindest zu verlangsamen. Anschließend führte er seine Männer zu einer Reihe von ebenso waghalsigen Gegenangriffen ins Feld.16 Als die alliierte Offensive zum Erliegen gekommen war, schloss sich ein erbitterter Grabenkrieg an, der sich bisweilen in blutigen Kämpfen Mann gegen Mann entlud; an einigen Stellen lagen die verfeindeten Gräben nur rund acht Meter voneinander entfernt. Vier Monate später gelang es Mustafa Kemal erneut, eine alliierte Großoffensive in seinem Zuständigkeitsbereich zurückzuwerfen und im Gegenzug einen umfassenden Generalangriff osmanischer Truppen zum Erfolg zu führen.17 Doch bald setzte das Schlachten des Stellungskriegs wieder ein; es sollte bis zum endgültigen Rückzug der Alliierten im Dezember 1915 anhalten. Auf beiden Seiten gab es entsetzliche Verluste, die sich insgesamt zu der schrecklichen Zahl von 340 000 Opfern summierten, davon über 100 000 Gefallene. Mustafa Kemal jedoch ging aus diesem Ringen auf Leben und Tod als Held hervor. Im Verlauf der Schlacht stieg er zum verantwortlichen Befehlshabers eines ganzen Frontabschnitts auf. Die Tragweite des Sieges von Gallipoli war in der jüngeren Geschichte des Osmanischen Reiches ohne

Gemeinsam griffen die zwei starken Feinde des Islam die Dardanellen an von Land und Meer. Doch Gottes starke Hilfe schirmte unser Heer, und jeder Schütze wurde so zur Eisenfestung. Im Angesicht des festen Willens meiner Kriegersöhne sahen die Feinde endlich ihre Schwäche ein und flohen; ihre Ehre, Würde liegt im Dreck. Und dabei wollten sie doch den Islam zerschlagen.18 Den Großteil der Anerkennung für den triumphalen Sieg konnten jedoch die Angehörigen der osmanischen Militärführung einstreichen. Das KEF verlegte sich nun auf eine starke Variante des Türkismus, indem es den Sieg als „den Wundersieg des Türken allen Widrigkeiten zum Trotz“ bejubelte. Nur ungern gestand man den deutschen „Militärberatern“ einen Anteil am Erfolg zu. Colmar von der Goltz, der es in Verfolgungsjagden und Belagerungen mit den britischen Truppen in Mesopotamien aufgenom-

Ein Held betritt die Bühne

Beispiel, und die Regierungspropaganda tat ihr Bestes, um diesen Eindruck noch zu verstärken. Das Scheitern ihrer Landeoperation verhinderte einen schnellen Sieg der Alliierten im Nahen Osten und schwächte Russland, wodurch indirekt die Bolschewiki bei der Vorbereitung ihrer Revolution unterstützt wurden. Es stärkte zudem das Nationalbewusstsein in Australien und Neuseeland, wo die Erinnerung an Gallipoli bis zum heutigen Tag sehr stark ist, und kostete Churchill seinen Posten als Marineminister. Für das Osmanische Reich war es der militärische Höhepunkt des gesamten 20. Jahrhunderts. Einem zu jener Zeit populären Spruch zufolge hatten die Osmanen „sieben Nationen“ besiegt und ihnen damit eine denkwürdige und wohlverdiente Lektion erteilt. Die Tatsache, dass das alliierte Expeditionsheer aus Briten, Iren, Schotten, Australiern, Neuseeländern, Indern, Ägyptern, nepalesischen Gurkhas, Franzosen und Senegalesen bestanden hatte, machte es der osmanischen Kriegspropaganda leicht, den Sieg als einen Sieg gegen praktisch die gesamte restliche Welt zu feiern. Nach dem Sieg von Gallipoli wurde dem Sultan der Ehrentitel „Gazi“ verliehen. Der Herrscher selbst verfasste ein Gedicht zum Gedenken an das Ereignis:

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men hatte, wurde für seine Leistungen kaum gewürdigt, die sechs Monate nach seinem Tod im Jahr 1916 in der britischen Kapitulation auf diesem Kriegsschauplatz mündeten.19 Auch Liman von Sanders’ Beitrag zum Sieg an den Dardanellen fand wenig Beachtung. Ganz im Gegenteil behauptete Mustafa Kemal, das aliierte Expeditionskorps wäre schon unmittelbar nach seiner Landung ins Meer zurückgeworfen worden, hätte Liman von Sanders nur seine, Mustafa Kemals, Warnungen beherzigt.20 Weiterhin beklagte er sich über den mangelnden Einsatz der Verbündeten: „Das Herz eines Deutschen wie Liman von Sanders schlägt nun einmal nicht wie das unsrige, wenn es die Verteidigung unseres Vaterlandes gilt.“21 Mustafa Kemal jedenfalls war ein beträchtlicher Anteil des militärischen Ruhmes zugefallen. Er war als nahezu unbekannter Oberstleutnant an die Dardanellen beordert worden und verließ sie als hochdekorierter Oberst und Kriegsheld. Sein Name erklang in Jubelgedichten, die den osmanischen Sieg verherrlichten; in einigen abgelegenen Ecken des Reiches benannte man sogar Straßen nach ihm.22 Das osmanische Oberkommando benannte zu seinen Ehren die Stelle, an der er einen seiner erfolgreichen Gegenangriffe geplant und ausgeführt hatte, Kemal Yeri („Kemals Stätte“).23 Sogar das offiziöse Periodikum Harb Mecmuası („Kriegsanzeiger“) wollte sein Bild auf dem Titel einer Ausgabe abdrucken, was Enver Pascha dann doch übertrieben fand und verhinderte. Ein kleineres Foto erschien im Inneren des Blattes.24 Letztlich führten Mustafa Kemals Meinungsverschiedenheiten mit führenden deutschen Offizieren – insbesondere mit Liman von Sanders – dazu, dass er wenige Tage vor dem endgültigen Rückzug der Alliierten von den Dardanellen auf Urlaub ging. Er verbrachte einige Zeit in Istanbul und Sofia und genoss seinen neugewonnenen Ruf als der Offizier, der Wunder vollbracht und so „die Reichshauptstadt gerettet hatte“, wie er es selbst ausdrückte.25 In dieser neuen, teilweise selbst verliehenen Eigenschaft als wunderbarer Retter beschloss er – mit Blick auf die allgemeine Kriegslage – ein warnendes Wort an die Regierung zu richten. Ohne Anmeldung spazierte er also in das osmanische Außenministerium, wo er den Minister zu sprechen verlangte, eines der führenden Mitglieder der inneren Führungsriege des KEF. Bei diesem Treffen beschimpfte Mustafa Kemal die deutschen Befehlshaber auf das Rüdeste und ließ auch die

Abb. 7  Oberst Mustafa Kemal an den Dardanellen (1915).

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osmanische Militärführung nicht ungeschoren. Insbesondere beschwerte er sich darüber, dass es keinen „nationalen Generalstab“ für das gesamte Osmanische Reich gab. Er verlieh sogar seinen starken Zweifeln an einem deutschen Endsieg Ausdruck. Der Minister setzte den wagemutigen Oberst ohne große Umschweife vor die Tür, trug ihm auf, sich mit seiner Beschwerde an das Kriegsministerium zu wenden und bat sodann die Regierung, Mustafa Kemal wegen seines inakzeptablen Verhaltens eine Rüge zu erteilen.26 Die Regierung und auch die Führung des KEF beschlossen dennoch, aus Mustafa Kemals herausragenden Leistungen als Kommandeur Kapital zu schlagen. Das Kriegsministerium ernannte ihn zuerst zum Befehlshaber einer Heeresabteilung in Edirne, wo er als Held empfangen wurde, bevor er zu einer Einheit in Diyar-ı Bekir versetzt wurde, mit der er eine erneute russische Offensive aufhalten sollte, die im Januar 1916 begonnen hatte. Die Russen griffen im Norden und im Süden gleichzeitig an. Im Norden gelang es ihnen rasch, die strategisch wichtigen Städte Erzurum und Trabzon einzunehmen; im Süden eroberten sie mit Hilfe armenischer Freischärler die Städte Muş und Bitlis. Das bedeutete nicht weniger als den vollkommenen Kollaps der östlichen Front, die ja schon seit der verheerenden osmanischen Niederlage zu Kriegsbeginn besonders verwundbar gewesen war. Mit nur wenig Fantasie war nun auch ein südwärts gerichteter Vormarsch der Russen nach Mesopotamien denkbar geworden. Mustafa Kemal, der mittlerweile zum Brigadegeneral (Pascha) befördert worden war, konnte den russischen Vorstoß zunächst aufhalten und eroberte dann, im August 1916, in einer waghalsigen Überraschungsoffensive Muş und Bitlis zurück. Obwohl die Russen schnell reagierten und bald ihrerseits wieder in Muş einmarschieren konnten, waren sie doch gezwungen, ihren großangelegten Vorstoß nach Süden den Winter über ruhen zu lassen. In der Zwischenzeit läutete die Revolution vom Februar 1917 den Beginn des inneren Zerfalls des russischen Zarenreiches ein, der von Auflösungserscheinungen und Absetzungsbewegungen auch an der osmanischen Ostfront begleitet wurde. Wieder einmal erntete Mustafa Kemal höchste Anerkennung für seine Vereitelung des feindlichen Vormarsches, durch die das Osmanische Reich gegenüber Russland nun schon fast als Sieger dastand. Neben zusätzlichen Auszeichnungen gewann er sich so den Ruf, als Kommandeur

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„im Felde ungeschlagen“ zu sein. Wie groß sein Ansehen war, verdeutlicht eine Begebenheit aus dem Herbst 1916. Eine Gruppe von Offizieren, die einer Spezialeinheit des KEF angehörten – den sogenannten Fedajin („die Opferbereiten“) –, unternahm im September einen Putschversuch gegen die KEF-dominierte Regierung, um einen Separatfrieden mit den Alliierten herbeizuführen. Ihre Planung sah vor, im Erfolgsfall Mustafa Kemal zum neuen Kriegsminister zu ernennen; keinen anderen hielten sie für geeignet, diesen Posten zu übernehmen – und das, obwohl Mustafa Kemal selbst zu keiner Zeit den Wunsch geäußert hatte, mit den Putschisten zu kooperieren, deren Anführer nach dem Scheitern des versuchten Staatsstreichs mit der standrechtlichen Erschießung rechnen musste.27 Im Juli 1917 veranlasste die insgesamt ruhige Lage an der Kaukasusfront das Kriegsministerium, Mustafa Kemal Pascha, der mittlerweile zum Oberbefehlshaber der 2.  Osmanischen Armee aufgestiegen war, mit der Führung der „Hijāzī“-Expeditionsarmee zu betrauen. Diese sollte den im Juni 1916 eben im Hedschas, also der westarabischen Gegend um Mekka und Medina, ausgebrochenen Arabischen Aufstand niederschlagen.28 Doch das osmanische Oberkommando gab diesen Plan bald auf und beschloss, die arabischen Territorien allein mit den dort bereits verfügbaren Truppen zu verteidigen. Stattdessen wurde Mustafa Kemal angewiesen, die Aufstellung einer neuen, der 7. Osmanischen Armee zu organisieren, die zur Abwehr des zeitgleich von Ägypten her erfolgenden britischen Vorstoßes eine Verteidigungslinie in Palästina errichten sollte. Diese Verwendung war jedoch nur von kurzer Dauer, denn unmittelbar nach seiner Ankunft in Aleppo, wo er sein neues Kommando antreten sollte, provozierte Mustafa Kemal wieder einmal einen Zusammenstoß mit den deutschen Befehlshabern am Ort und insbesondere mit dem osmanischen Marschall und preußischen General der Infanterie Erich von Falkenhayn, der zwischen September 1914 und August 1916 als Chef des Großen Generalstabs eine herausragende Stellung innerhalb der deutschen Heeresorganisation eingenommen hatte.29 In einer etwas weitschweifigen und auf Gelehrsamkeit bedachten Denkschrift, die er dem Großwesir zukommen ließ, warnte Mustafa Kemal nun nicht nur vor einem übermäßigen deutschen Einfluss auf die osmanische Militärführung, sondern verstieg sich sogar zu der Behauptung, das Osmanische Reich sei – wenn alles so weitergehe und außerdem die Mittelmächte den

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Krieg gewönnen – auf dem besten Weg, eine deutsche Kolonie zu werden.30 Außerdem erbitte er für sich den alleinigen Oberbefehl über die osmanischen Streitkräfte in Syrien und Palästina. Als diese Forderung abgelehnt wurde, trat Mustafa Kemal von seinem Posten zurück und nahm sich zudem heraus, selbst einen Nachfolger zu bestimmen. Dann brach er im Oktober 1917 kurzerhand in Richtung Istanbul auf. Dort angekommen, schickte ihn das Kriegsministerium – das mittlerweile mit seiner Renitenz umzugehen gelernt hatte und in diesem besonderen Fall wohl eine einfache Lösung des Problems witterte – im Gefolge des Kronprinzen und späteren letzten Sultans Mehmed Vahideddin Effendi im Dezember 1917 auf Staatsbesuch nach Berlin. Während dieser Reise freundeten sich Mustafa Kemal und der zwanzig Jahre ältere Kronprinz an, was auf beider weitere Karriere Einfluss haben sollte, als Vahideddin Effendi im folgenden Jahr, dem Jahr des Kriegsendes, Sultan wurde. Das Lob des Thronfolgers für Mustafa Kemals militärische Leistungen erlaubte diesem, in ein Gespräch mit dem Prinzen einzutreten und seine Chance zu nutzen. Ohne Umschweife schlug er dem Effendi vor, dieser solle doch das Kommando über die 5. Osmanische Armee übernehmen und ihn selbst, Mustafa Kemal, zu seinem Stabschef bestellen. Weiterhin setzte der forsche Pascha den Kronprinzen schonungslos davon in Kenntnis, dass der Krieg seiner Ansicht nach schon lange verloren sei.31 Nach seiner Rückkehr ins Osmanische Reich im Januar 1918 blieb Mustafa Kemal die meiste Zeit in Istanbul, bis er im Mai zu einer medizinischen Behandlung nach Wien aufbrach und sich anschließend zur völligen Genesung ins böhmische Karlsbad begab. Nach der Thronbesteigung Vahideddin Effendis als Mehmed VI. wurde er nach Istanbul zurückbeordert.32 Der neue Sultan gewährte ihm drei Audienzen in zwölf Tagen. Bei dem letzten dieser Zusammentreffen teilte der Monarch dem Brigadegeneral mit, dass er als Oberbefehlshaber der 7. Armee in Syrien wieder eingesetzt war. Als Mustafa Kemal am 1.  September in seinem Hauptquartier in Nablus eintraf, warnte er, die Front sei bereits so dünn wie ein „Baumwollfädchen“ und könne nicht mehr lange gehalten werden.33 Wie er schon befürchtet hatte, überlistete eine am 19. September begonnene britische Militäroperation – die in ihrem kombinierten und dynamischen Einsatz von Luft- wie Bodeneinheiten in der Rückschau bereits an die

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Blitzkriege des Zweiten Weltkriegs erinnert – sowohl die osmanischen als auch die deutschen Strategen und fügte der 7. Armee, die in ihren Verteidigungsstellungen allein zahlenmäßig um die Hälfte unterlegen war, herbe Verluste zu.34 Unterstützt von der Palästinabrigade der Royal Air Force, deren Luftangriffe zahlreiche Todesopfer forderten, schlug das britische Expeditionsheer innerhalb von zwölf Tagen drei ganze osmanische Armeen in die Flucht.35 Der Rest war Chaos. Osmanische Soldaten kapitulierten in Scharen, desertierten zu Tausenden und flohen in heilloser Unordnung. Unterdessen erhob sich die ortsansässige arabische Bevölkerung gegen die Regierung in Istanbul. Mustafa Kemal, der am 21.  September zum Ehrenadjutanten Seiner Kaiserlichen Majestät des Sultans ernannt worden war,36 versuchte verzweifelt, seine eingeschlossenen Truppen nach Aleppo zu evakuieren, um dort eine brauchbare Verteidigungslinie aufzubauen. Britisch-indische Truppen machten diese Hoffnung jedoch – mit arabischer Unterstützung aus dem Hedschas – am 26. Oktober zunichte, indem sie Aleppo einnahmen und Mustafa Kemal damit zwangen, noch weiter nach Norden auszuweichen.37 Am 30. Oktober schloss die osmanische Regierung den Waffenstillstand von Moudros und schied somit aus dem Ersten Weltkrieg aus. Dies bedeutete auch das Ende der deutschen Militärmission im Osmanischen Reich. Am Tag darauf wurde Mustafa Kemal – als Nachfolger seines früheren Vorgesetzten Liman von Sanders – zum Oberkommandierenden aller osmanischen Truppen in Syrien ernannt.38 Mustafa Kemal, der bei Kriegsausbruch ein Oberstleutnant im bulgarischen Beinahe-Exil gewesen war, erlebte das Kriegsende als Brigadegeneral und Ehrenadjutant des Sultans. Er selbst betrachtete sich als Ritter ohne Furcht und Tadel, der 1915 gleichsam im Alleingang das Osmanische Reich gerettet, 1916 den russischen Vormarsch gestoppt und zu guter Letzt auch noch einen ordentlichen Rückzug aus Syrien organisiert hatte – und das unter äußerst widrigen Umständen, die auf das Konto der unfähigen deutschen Generale gingen. Obwohl viele etwas gegen diese großspurige Selbstdarstellung einzuwenden hatten – ignorieren konnte ihn nun niemand mehr. Er hatte eine Fülle an Auszeichnungen und noch mehr Ruhm erhalten und war in den Augen des Sultans, des Oberkommandos der osmanischen Streitkräfte und der hohen Staatsbeamten zu einer bedeutenden Persönlichkeit geworden. In einem Interview, das er im März 1918 der vielgelesenen

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nationalistischen Zeitung Yeni Mecmua („Neuer Anzeiger“) gab, beschrieb er sein Vorgehen am ersten Tag der alliierten Landungsoperationen an den Dardanellen als den Wendepunkt der gesamten Kampagne und behauptete: „In jenem Moment hatten wir gewonnen.“39 Während des Gesprächs verglich ihn der Reporter – den Mustafa Kemal später zum Parlamentsabgeordneten machen sollte – mit früheren osmanischen Militärhelden wie etwa Gazi Osman Pascha, dem Helden von Plevna.40 In der Rückschau erscheint diese öffentliche Anerkennung als ein entscheidender Entwicklungsschritt bei Mustafa Kemals Aufstieg zur politischen Macht. Mustafa Kemal wusste ganz genau, was es im osmanischen Kontext hieß, zum Helden zu werden. Er wusste ebenso gut, dass die militärischen Heroen des KEF, denen weite Teile der Allgemeinheit die Schuld am Zusammenbruch der osmanischen Kriegsmaschinerie gaben, nach dem Krieg unmöglich in ihren einflussreichen Positionen würden verbleiben können. Das traf im Besonderen auf Enver Pascha zu, den die Alliierten als Kriegsverbrecher einstuften. Obendrein begriff Mustafa Kemal sehr wohl, dass er selbst, sobald die führenden KEF-Funktionäre erst einmal in der Versenkung verschwunden sein würden, in den Augen der türkischen Bevölkerung des Reiches zu einem wirklich bedeutenden Mann werden könnte – einem Mann des Schicksals.41 Er war der festen Überzeugung, dass im Nachklang einer schmerzlichen Niederlage nur das Militär die Nation voranführen könne. Obwohl er selbst ein Mitglied des KEF war, hatte er sich während des Krieges aus der Politik herausgehalten und war weder an den militärischen Patzern der KEF-Führung nach 1914 beteiligt noch hatte er in irgendeiner Weise auf die Massaker der osmanischen Armee an (beispielsweise armenischen) Zivilisten eingewirkt, die im gleichen Zeitraum ebenfalls auf das Konto des KEF gingen. Er hatte auf dem Schlachtfeld sowohl seine militärischen Führungsqualitäten als auch seinen Patriotismus und seine Loyalität dem Vaterland gegenüber bewiesen. Ganz so, wie die Deutschen sich nach Kriegsende, in einer Zeit politischen und gesellschaftlichen Aufruhrs, Paul von Hindenburg zuwandten, würden sich – so hoffte Mustafa Kemal – die Türken ihm zuwenden. Tatsächlich hatte er schon zwei Wochen vor dem osmanischen Ausscheiden aus dem Krieg zum ersten Mal nach der Macht gegriffen. Er wandte sich durch Vermittlung des kaiserlichen Generaladjutanten an den

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Sultan und schlug diesem die Bildung einer neuen Regierung vor, in welcher er – Mustafa Kemal Pascha – als Kriegsminister fungieren sollte. Wie er darlegte, sei es nur einer solchen Notregierung möglich, die Zukunft des Osmanischen Reiches zu sichern und erfolgreich in Friedensverhandlungen mit den Alliierten einzutreten.42 Obwohl es ihm nicht gelang, den Sultan von seinem Plan zu überzeugen, war er selbst doch sicher, dass seine Zeit kommen werde. Und bis dahin wartete der Ehrenadjutant Seiner Majestät ganz einfach ab.

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Islamischer Kommunismus? Der Türkische Befreiungskrieg

Das Scheitern der deutschen Frühjahrsoffensive von 1918, die im März mit der „Operation Michael“ („Kaiserschlacht“) begonnen hatte, begrub im Juli alle deutschen Hoffnungen, die sich an das russische Ausscheiden aus dem Krieg nach dem Friedensschluss von Brest-Litowsk (3. März 1918) geknüpft hatten. Das Schicksal des Osmanischen Reiches war somit besiegelt. Angesichts zerfallender Armeen, über einer Million Deserteure, besorgniserregender Aufstände in mehreren arabischen Provinzen und einem Vordringen der Alliierten an allen Fronten mit Ausnahme des Kaukasus stand der osmanischen Führung klar vor Augen, dass der Krieg verloren war. Ebenso deutlich zeichnete sich ab, dass die Niederlage eine radikale Veränderung der Verhältnisse mit sich bringen würde, wie sie sie zu ihren Lebzeiten noch nicht erlebt hatten. Im November 1917 machten die Bolschewiki das geheime Sykes-PicotSasonow-Abkommen vom Mai 1916 öffentlich, das für die Zeit nach dem Krieg die Einrichtung britischer und französischer Einflusszonen auf dem vormaligen Gebiet des Osmanischen Reiches vorsah. Diejenigen, die sich von der Nachkriegsordnung eine salomonisch-ausgewogene Einigung erhofft hatten, durch welche dem Osmanischen Reich zumindest ein wenig Respekt für dessen imperiale Ansprüche zuteilwerden würde, sahen sich herb enttäuscht. Eine weitere Ernüchterung folgte, als Woodrow Wilson im Januar 1918 in einer Rede vor dem amerikanischen Kongress sein berühmtes Vierzehn-Punkte-Programm skizzierte. Darin forderte der amerikanische Präsident, das Osmanische Reich solle nach Maßgabe ethnischer Zugehörigkeiten aufgeteilt werden. Zuletzt gab es dann noch den am 30. Oktober 1918 geschlossenen Waffenstillstand von Moudros, der für das

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Osmanische Reich nicht nur das Ausscheiden aus dem Ersten Weltkrieg bedeutete, sondern de facto auch das Ende eines der langlebigsten Großreiche der Menschheitsgeschichte besiegelte. Die Alliierten verlangten darin, dass das Reich seine arabischen Provinzen aufgeben und den Siegern das Recht zur Besetzung „jedes beliebigen strategisch wichtigen Ortes“ einräumen solle, wann immer sich diese bedroht fühlten. Außerdem wurde den Briten und Franzosen in diesem Vertrag geradezu ein Blankoscheck zur Zerteilung des Osmanischen Reiches ausgestellt.1 Aus osmanischer Sicht waren dies übertrieben harte Konditionen. Dennoch konnten es sich im Herbst 1918 realistischerweise nur sehr wenige Angehörige der osmanischen Regierung (und der osmanischen Öffentlichkeit) erlauben, ihre Stimme gegen eine derartige Regelung zu erheben. Schließlich befanden sich sämtliche außerhalb des eigentlichen Arabiens gelegenen arabischsprachigen Provinzen des Reiches unter alliierter Besatzung, die von einheimischen Arabermilizen mitgetragen wurde. Lediglich die Stammesführer von Hā᾽il (einer Stadt im heutigen Saudi-Arabien) und dem Jemen blieben bis zum bitteren Ende loyale Untertanen des osmanischen Sultans. Sicher, es war dies nicht die erste Situation, in der den Osmanen die Kontrolle über den Irak, Syrien und den Hedschas entglitten war. Die Perser hatten im 17. Jahrhundert eine Zeit lang Bagdad gehalten, die Wahhabiten im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert weite Teile der Arabischen Halbinsel – einschließlich des Hedschas – erobert; ebenfalls im 19. Jahrhundert hatte Muḥammad Ali Pascha, der aufmüpfige osmanische Gouverneur von Ägypten, Syrien und Palästina besetzt. Doch 1918 waren die Umstände gänzlich andere. Eine stark anti-osmanische Stimmung, die zuvor schon durch das Vorgehen des KEF angeheizt worden war, hatte sich in Windeseile über sämtliche arabischen Provinzen des Reiches ausgebreitet, sodass pro-osmanische Araber nurmehr eine verschwindend kleine Minderheit bildeten. Die arabischen Würdenträger, Intellektuellen und die ʿulamā᾽ standen geschlossen hinter „ihren“ Nationalisten. Nach der damals vorherrschenden Meinung war das Zeitalter der Vielvölkerreiche ganz einfach vorbei; die Zukunft gehörte den ethnisch homogenen Nationalstaaten. Diese Sichtweise gewann an Bedeutung, als Premierminister David Lloyd George im Januar 1918 die endgültige Fassung der britischen Kriegsziele bekanntgab, Woodrow

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Wilson im selben Monat seine „Vierzehn Punkte“ vorstellte und die russischen Bolschewiki – auf ihre eigene Weise, gewiss – ebenfalls für das Selbstbestimmungsrecht der Völker eintraten. Unter diesen Umständen gab es osmanische Politiker, die optimistisch einer buchstabengetreuen Umsetzung von Wilsons Prinzipien entgegensahen, die dann ja die Souveränität und territoriale Integrität des türkischen Teilstücks des Osmanischen Reiches garantiert hätte. Die Crux bei der Sache lag nun allerdings in der genauen Grenzziehung, durch die der neue türkische Nationalstaat aus seiner Umgebung herausgeschnitten werden sollte. Während die Umsetzung des Selbstbestimmungsprinzips auf dem Papier unproblematisch erschien, erwies sie sich in der Realität doch als äußerst heikel. Erstens wurden viele Provinzen, die die osmanische Verwaltung als „türkisch“ für sich beansprucht hatte, auch von anderen Ethnien als Heimat angesehen, so zum Beispiel die Provinz Mossul. Auch das Königreich Griechenland, das in den letzten achtzehn Monaten des Krieges aufseiten der Alliierten gekämpft hatte, machte sich – auf der Grundlage vager Versprechungen des damaligen britischen Außenministers Sir Edward Grey aus dem Frühjahr 1915 – Hoffnungen auf die Zuteilung Westanatoliens; schließlich gab es dort eine ansehnliche griechische Minderheit. Die Demokratische Republik Armenien hingegen, 1918 aus dem russischen Zarenreich ausgegliedert, drängte auf die Annexion etlicher Provinzen im Osten des Osmanischen Reiches. Gleichzeitig fürchteten viele Kurden – welche die Jungtürken am liebsten in der Bevölkerung eines türkischen Nationalstaats aufgehen sehen wollten –, unter einer armenischen, arabischen oder eben türkischen Herrschaft nur eine benachteiligte Minderheit zu bleiben und strebten daher ihre Unabhängigkeit, zumindest aber ausländische Protektion an. Streitigkeiten zwischen den Staaten der Region bildeten aber nicht das einzige Hindernis auf dem Weg zu einem klar umgrenzten türkischen Nationalstaat: Uneinigkeit zwischen Briten und Franzosen bezüglich der Umsetzung des Sykes-Picot-Sasonow-Abkommens taten ein Übriges. Dazu kamen noch Verstimmungen, die aus unvereinbaren Versprechungen der Siegermächte an Italien und Griechenland erwachsen waren, sowie Irritationen zwischen einzelnen Zweigen der britischen Bürokratie – zwischen dem außenpolitischen Foreign Office, dem kolonialpolitischen India Office

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und dem im jüngst vergangenen Krieg zu großem Einfluss gelangten War Office – hinsichtlich des weiteren Umgangs mit dem Osmanischen Reich und insbesondere des Schicksals seiner Hauptstadt Istanbul. Es überrascht kaum, dass die Verhandlungen über einen Friedensvertrag beinahe zwei Jahre in Anspruch nahmen. Erst im August 1920, über ein Jahr nach dem Vertragsschluss von Versailles, unterzeichneten die siegreichen Alliierten endlich einen Friedensvertrag mit dem Osmanischen Reich. Es sollte der einzige aus dem Ersten Weltkrieg hervorgehende Friedensvertrag sein, der niemals umgesetzt wurde. In der Rückschau ist es wahrscheinlich, dass die Alliierten der Türkei weniger hätten zubilligen müssen, als sie ihnen dann schließlich, viereinhalb Jahre nach dem Waffenstillstand, in Lausanne zugestanden haben, hätte man nur eine ausgewogene Anwendung der Wilson’schen Prinzipien zur Grundlage jenes ersten Vertrages gemacht. So hätte sich wohl auch der erste größere Konflikt der Nachkriegsära, den die Türken als ihren Unabhängigkeitskrieg bezeichnen, vermeiden lassen. Während sie zwischen 1919 und 1922 also an zwei Fronten kämpften – gegen die von Großbritannien unterstützten Griechen im Westen; im Osten gegen die auf sich allein gestellten Armenier –, konnten die türkischen Nationalisten unter Führung Mustafa Kemals den andauernden Konflikt zur Konsolidierung ihres Machtanspruchs nutzen. Wie İsmet İnönü, der türkische Chefunterhändler bei der Friedenskonferenz von Lausanne, es später formulieren sollte, war „der Frieden von Moudros unterzeichnet worden, weil wir an Wilsons Prinzipien glaubten“, danach jedoch sei der türkischen Nation ein schreckliches Unrecht angetan worden.2 Obwohl İnönü nur der unter den Türken der damaligen Zeit vorherrschenden öffentlichen Meinung lebhaften Ausdruck verleiht, sollte doch festgehalten werden, dass der Text des Waffenstillstandsvertrages Wilsons „Vierzehn Punkte“ mit keiner Silbe erwähnt. Und als im Juni 1919 der osmanische Großwesir einen Frieden auf der doppelten Grundlage von Wilsons Programm und den Vorkriegsgrenzen einforderte, schenkte ihm der „Rat der Vier“ (Lloyd George, Clemenceau, Wilson und der italienische Ministerpräsident Emanuele Orlando), der – wie zuvor schon der Oberste Kriegsrat der Alliierten – in Versailles ansässig war, keinerlei Beachtung.3 Da die Vereinigten Staaten offenbar kein gesteigertes Interesse am weiteren Verlauf der Nachkriegsneuordnung des

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Nahen Ostens hatten, lag das Schicksal des Osmanischen Reiches in den Händen Frankreichs und Großbritanniens, deren beider Regierungschefs Wilson 1917 mitgeteilt hatten, zwei ihrer vornehmsten Kriegsziele seien die Verdrängung des Osmanischen Reiches aus Europa und die Befreiung der unter der Herrschaft des Sultans geknechteten Völker.4 Reines Wunschdenken darüber, dass eine gütliche Einigung nach Maßgabe des „Evangeliums nach Woodrow Wilson“ unmittelbar bevorstehe, war der einzige Grund für die kurze Ruhe vor dem Sturm, die zwischen dem Waffenstillstand von Moudros und dem Aufkommen der „Bewegung für die Verteidigung nationaler Rechte“, die der Motor des türkischen Befreiungskrieges werden sollte, herrschte. Einige türkischnationale Mitglieder des KEF waren naiv genug, eine „Vereinigung für die Wilson’schen Prinzipien“ zu gründen, um so eine faire und friedliche Lösung des Konflikts voranzutreiben.5 Sie zogen sogar die Möglichkeit eines amerikanischen Schutzmandats über einen klar festgelegten Zeitraum in Betracht, da „Amerika, das ein so barbarisches Fleckchen Erde wie die Philippinen erfolgreich in eine Selbstverwaltungsmaschine verwandelt hat“, über eine Spanne von fünfzehn bis zwanzig Jahren in der Türkei mit Sicherheit – so die These – noch Besseres werde leisten können.6 Dann jedoch wurde Wilsons Position durch die Niederlage der Demokratischen Partei bei den Wahlen zum amerikanischen Kongress im November 1918 deutlich geschwächt, nach denen er sich nun mit seinem Erzfeind, dem republikanischen Senator Henry Cabot Lodge, als neuem Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses des Senats herumschlagen musste.7 Außerdem hatte die amerikanische Öffentlichkeit nur geringes Interesse am weiteren Schicksal des Osmanischen Reiches, dem die amerikanische Regierung noch dazu niemals offiziell den Krieg erklärt hatte. Immerhin waren die Amerikaner im Großen und Ganzen antitürkisch eingestellt, aus Sympathie für die Leiden der Armenier im Osmanischen Reich. Zusammengenommen machten all diese Faktoren ein amerikanisches Eintreten für die territoriale Integrität der türkischen Restgebiete des Reiches sehr unwahrscheinlich. So war also schon vor der Pariser Friedenskonferenz von 1919 – bei der die osmanischen Türken übrigens als einziges Volk des Reiches von den Verhandlungen ausgeschlossen waren – nur zu deutlich geworden,

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dass das Schicksal des Osmanenreiches in den Händen der Briten und Franzosen liegen sollte. Von keiner der beiden Nationen konnten die Osmanen große Sympathie erhoffen. Lloyd George, der die Mittelmächte möglichst umfassend bestrafen wollte, schlug vor, man solle die Türken „mit Sack und Pack“ aus den Küstenregionen Anatoliens vertreiben (ähnlich hatte bereits im Zusammenhang mit den „bulgarischen Gräueln“ des Jahres 1876 der britische Staatsmann William Ewart Gladstone gefordert, die Osmanen ein für alle Mal aus Europa hinauszuschmeißen).8 Lloyd George, seit neuestem „der Mann, der den Krieg gewann“, war „einer von den vielen gewesen, die sich von einem trügerischen Optimismus hatten einlullen lassen, da eine internationale Friedensgemeinschaft zum Greifen nahe schien“.9 Dann jedoch war er zu einem glühenden Verfechter drakonischer Strafmaßnahmen gegen die besiegten Mittelmächte geworden. Im Jahr 1917 verkündete er vor dem britischen Kriegskabinett, die Türken beherrschten „Länder, welche die Wiege der Zivilisation gewesen sind, das Saatbeet der Zivilisation, der Tempel der Zivilisation; Länder, die – von einem rein materiellen Standpunkt her betrachtet – einmal die Kornkammer der Zivilisation gewesen sind. Und nun liegen diese einst blühenden Landstriche brach, eine verdorrte Wüste, obwohl sie einmal unter die reichsten Gegenden auf dieser Erde zählten.“ Den Türken dürfe man darum, so Lloyd Georges Folgerung, „in Zukunft nie wieder gestatten, jene liebreichen Lande unter die Knute ihrer Misswirtschaft zu zwingen“.10 Die Türken waren, so hatte er einmal an anderer Stelle bemerkt, „ein menschliches Krebsgeschwür, eine fortschleichende Fäule im Fleische der Gegenden, die sie zugrunde gerichtet haben, deren Lebensmark sie bis auf den letzten Grund haben brandig werden lassen“.11 Solche Ansichten ließen für die Osmanen nichts Gutes erwarten. Lloyd Georges französisches Gegenüber, Georges Clemenceau, hatte in Frankreich exilierte Mitglieder der KEF-Führungsriege nicht nur in seinen Tageszeitungen L’Aurore und Le Radical gegen das hamidische Regime verteidigt, sondern war Ende des 19. Jahrhunderts sogar vor französischen Gerichten für sie eingetreten;12 dennoch kam es auch bei ihm zu einer großen Ernüchterung, sobald die Funktionäre des KEF erst einmal an die Macht gelangt waren. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs hatte auch Clemenceau die Türken abgeschrieben.13

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Im Jahr 1919 äußerte er sich über sie in einem Tonfall, der dem Lloyd Georges kaum nachstand:

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Es hat keinen einzigen Fall in ganz Europa, Asien oder Afrika gegeben, in dem nicht eine türkische Machtübernahme eine Verringerung des materiellen Wohlstands – und auch der Kultur – in dem betreffenden Lande nach sich gezogen hätte; noch ließe sich ein Fall benennen, in dem nicht ein Abwerfen des türkischen Jochs zu einem sofortigen Aufschwung der Wirtschaft und des geistigen Lebens geführt hätte.14

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Kurz gesagt war die Hoffnung auf eine ausgewogene Klärung der „osmanischen Frage“ auf der Grundlage Wilson’scher Prinzipien nicht mehr als ein türkischer Wunschtraum. Unter allen Ansprüchen, die von verschiedenen Seiten auf Teile des Osmanischen Reiches erhoben wurden – von A bis Z: durch Araber, Armenier, Griechen, Kurden und Zionisten –, waren aus der osmanischen Perspektive diejenigen am allerwenigsten akzeptabel, die Anatolien betrafen, das türkische Kernland des Imperiums. Sobald der weit ausgreifende Inhalt der alliierten Pläne bekannt wurde, verhärtete sich die öffentliche Meinung in der Türkei gegenüber einer aufgezwungenen Lösung. Als Lloyd George 1919 vorschlug, den Sultan doch in Istanbul zu belassen – wobei er sich auf das entsprechende Ehrenwort berief, das er am 5. Januar 1918 gegeben hatte –, hielt er sich noch für großzügig.15 Die Türken sahen das anders – ganz im Gegenteil: Als Reaktion auf das alliierte Ansinnen zur Zerstückelung des Osmanischen Reiches rüsteten sie zum Krieg. An diesem entscheidenden Wendepunkt trat Mustafa Kemal als einer der herausragenden Anführer des allgemeinen Widerstandes gegen eine Teilung hervor. Im November 1918 hatte er als Gesprächsführer der osmanischen Seite mit den Briten über eine Kapitulation von Alexandrette (İskenderun) verhandelt. Seit jener Zeit hegte er ein tiefes Misstrauen, was die tatsächlichen Absichten der Alliierten anging.16 Dennoch verlieh er, als er kurz darauf nach Istanbul zurückkehrte, seiner grundsätzlichen Zustimmung zu jener Volksmeinung Ausdruck, die sich erhoffte, dass „die Briten die Freiheit unserer Nation und die Unabhängigkeit unseres Staates respektieren“ würden und dass es „keine wohlmeinenderen

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Freunde der Osmanen geben [werde] als die Briten“.17 Ungeachtet solcher Hoffnungen begriff Mustafa Kemal schneller als die meisten seiner Kameraden, dass die alliierte Diplomatie Ziele verfolgte, die mit jenen der aufstrebenden türkisch-nationalen Bewegung fundamental unvereinbar waren. In Istanbul fand Mustafa Kemal die politische Bühne vollkommen verändert vor. Das eben noch regierende KEF hatte sich aufgelöst und seine Anführer hatten das Land verlassen. Ihre Gegner, die aus dem politischen Vakuum Gewinn schlagen wollten, mussten feststellen, dass dies in einer Gesellschaft, die ein Jahrzehnt lang so umfassend vom KEF dominiert worden war, eine beinahe unmögliche Aufgabe darstellte. Von Seemannsgilden bis zu den Pfadfindern, von der Akademie der Historischen Wissenschaften bis zum Osmanischen Roten Halbmond hatte das KEF seine Kontrolle auf jede Art von Gruppierung in der osmanischen Gesellschaft ausgedehnt und allen auf das Gründlichste seine türkistischen Doktrinen eingeimpft. Obwohl der Sultan versuchte, das KEF seiner hauptsächlichen Machtbasis zu berauben, indem er am 21. Dezember 1918 die osmanische Legislative suspendierte,18 hatte sich die Organisation doch so gründlich in das soziale Gefüge des Reiches eingeflochten, dass diese Maßnahme in der politischen Realität nur geringe Wirkung zeitigte. Parteimitglieder des KEF stellten noch immer die überwältigende Mehrheit der Beamten und Offiziere und kontrollierten auch die führenden Posten in Geheimdienst, Justizsystem und Fernmeldewesen. Nach dem Verlust sämtlicher arabischer Provinzen und unter dem Eindruck einer immer drängenderen nationalistischen Betätigung unter Armeniern und Griechen, die auf eine Expansion ihrer jeweiligen Territorien pochten, interessierte sich kaum jemand für das neu-osmanische Programm der KEF-Gegner. Die Verfechter des Osmanismus hatten zwischen 1908 und 1918 einen erbitterten Kampf gegen ihre türkistischen Antipoden geführt, aber die osmanischen Gebietsverluste im Kriegsverlauf und die damit einhergehende Auflösung des Osmanischen Reiches hatten ihre Ideologie auf der politischen Bühne der Nachkriegsgegenwart zu einem eklatanten Anachronismus werden lassen. So wurde also, entgegen der Bewertung vieler ausländischer Beobachter, das Ringen um den Führungsanspruch innerhalb der türkistischen Bewegung zur wichtigsten politischen Auseinandersetzung im türkischen

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Teil des Osmanischen Reiches; diese Bewegung war durch die Flucht der KEF-Führung ins Exil gleichsam guillotiniert worden. Wer immer sich nun als rechtmäßiger „Thronerbe“ des KEF würde in Szene setzen können, hätte zugleich einen gewissermaßen „natürlichen“ Führungsanspruch im Kampf gegen die territoriale Zerteilung des Imperiums erworben. Es bestand also einige Ähnlichkeit zwischen dem osmanischen Szenario und gewissen Entwicklungen in den Staaten der anderen besiegten Mittelmächte, wo die politischen Machthaber der Kriegsjahre zunächst gegen liberale oder sozialistische Kräfte unterlagen. Obwohl die Türkei weder eine Revolution von der Art erlebte, wie sie sich 1918 in Deutschland ereignete, noch einen reformistischen Staatsstreich, wie es ihn in Bulgarien gab, erlangten die Kritiker des KEF für eine kurze Zeit die Regierungsgewalt. Wie in Ungarn war den türkischen Regimekritikern, von denen man sich die Aushandlung eines großzügigen Friedensvertrages erhoffte, anfangs die Unterstützung einer breiten Öffentlichkeit sicher. Nachdem sich diese Hoffnung jedoch zerschlagen hatte, strömten die Sympathien wiederum den Nationalisten zu. Der entscheidende Unterschied gegenüber allen anderen Mittelmächten war, dass sich diese Pendelbewegung in der öffentlichen Meinung nirgendwo in einem kürzeren Zeitraum vollzog als in der Türkei. Unterdessen waren Mustafa Kemals Bemühungen, während seines Aufenthalts in der Hauptstadt kurz nach dem Waffenstillstand noch etwas Werbung in eigener Sache zu betreiben, nur von geringem Erfolg gekrönt. Seine Ambitionen auf den Posten des Kriegsministers blieben unerfüllt, und auch seine häufigen Audienzen beim Sultan erbrachten keinerlei konkretes Resultat. Auch seine kurze Karriere als Journalist (von November bis Dezember 1918), in deren Verlauf er Anteile an einer neuen Tageszeitung erwarb, Interviews gab und anonyme Leitartikel verfasste, traf auf eher geringes öffentliches Interesse.19 Während er offen erklärte, dass er Soldat bleiben wolle und sich keineswegs der Partei Teceddüd („Erneuerung“) anzuschließen gedachte – einer Organisation, die das KEF diskreterweise gegründet hatte, um von jenseits der Kulissen das politische Vakuum zu bespielen –, wandte sich Mustafa Kemal doch gegen die Schmähung des KEF seitens der Revanchisten. Das KEF, so seine ungehaltene Replik, habe sich zwar verschiedentlich Fehler zuschulden kommen lassen – aber es sei doch immer „eine patriotische Organisation“ geblieben.20

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In der Zwischenzeit hatten die Briten – deren Einschätzung des KEF eine gänzlich andere war – die osmanische Regierung bedrängt, die noch im Lande befindlichen Rädelsführer jener Organisation zu ergreifen und als Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen. Der Gefangennahme der noch verbliebenen KEF-Führung zu Beginn des Jahres 1919 folgte daraufhin die Ablösung einer gemäßigten Regierung durch eine revanchistische, an deren Spitze einer der Erzfeinde des KEF stand. Um dieselbe Zeit marschierten Armenier und Georgier in die vormaligen russischen Provinzen Kars und Ardahan ein, während Griechen und Italiener anatolische Städte an der Ägäis- und Mittelmeerküste besetzten. In ihrer Häufung heizten diese Entwicklungen die bereits stark emotionalisierte nationalistische Stimmung in der türkischen Bevölkerung weiter an. Es war klar, dass in dieser Situation durch Verhandlungen zwischen der Regierung des Sultans und den Alliierten nie und nimmer eine Einigung erreicht werden würde, mit der sich die türkische Öffentlichkeit zufriedengegeben hätte. Dementsprechend neigte die öffentliche Meinung immer stärker dem Widerstand zu. Die alliierte Vormacht in Istanbul bedeutete, dass man eine schlagkräftige Revolte gegen die Pläne der Entente nur unter größten Schwierigkeiten in der Hauptstadt selbst hätte vorbereiten können. Anatolien hingegen bot sich als Brutstätte einer nationalen Erhebung geradezu an. Tatsächlich schossen ab November 1918 die lokalen Kongresse und Räteversammlungen nach dem Vorbild der sowjetischen Bolschewiki wie Pilze aus dem anatolischen Boden. Gleiches galt für die ehemals russischen Provinzen Ostanatoliens, die nun von Armeniern und Georgiern beansprucht wurden.21 Diese Räte, die von Organisationen zusammengerufen wurden, welche sich selbst „Vereinigungen zur Verteidigung der nationalen Rechte“ nannten, bedienten sich einer stark islamisch gefärbten Rhetorik, um die Zerteilung des nichtarabischen (aber dennoch muslimischen) Teils des Reiches strikt abzulehnen; dazu gehörten auch jegliche Versuche, Teile Anatoliens an Griechenland oder die Demokratische Republik Armenien zu verteilen.22 Unter der Hand waren es die alten Strukturen des KEF, mit deren Hilfe diese Aktivitäten geplant und durchgeführt wurden. Vielerorts benannten sich lokale Ableger des KEF auch einfach in „Vereinigung zur Verteidigung der nationalen Rechte“ um, weil sie unter diesem neuen Namen gegen die alliierten Teilungspläne intrigieren wollten.

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Zwischen Juni und Oktober 1918 hatte die Führung des KEF hastige, aber dennoch wirkungsvolle Bemühungen an den Tag gelegt, die Saat für einen national-islamischen Widerstand gegen die Pläne der Alliierten auszubringen. Bis zum Februar 1919 konzentrierten sich die Aktivitäten auf Kars und Ardahan, bei denen die akute Gefahr einer Annexion durch die Demokratische Republik Armenien beziehungsweise die Demokratische Republik Georgien bestand. Bald darauf breitete sich der Widerstand auch auf jene Teile Westanatoliens aus, die gemäß dem Teilungsplan an Griechenland fallen sollten. Doch erst die griechische Besetzung von İzmir (Smyrna) am 15. Mai 1919 überzeugte die Nationalisten von der Unausweichlichkeit eines weiteren Krieges. Dieses Ereignis gab sowohl den Widerstandsaktivitäten als auch der weiteren Verbreitung aufständischer Räte einen gewaltigen Schub. Zwar ähnelten diese Räte in mancher Hinsicht den Sowjets der russischen Bolschewiki oder der spartakistischen Räterepublik im Deutschland der unmittelbaren Nachkriegszeit, allerdings war es – ganz im Gegensatz zu den Genannten – keineswegs ihr Ziel, die bestehende staatliche Ordnung zu stürzen. Vielmehr einte sie die Entschlossenheit, einer Aufteilung der Türkei durch die Alliierten entgegenzutreten und das griechische und armenische Vordringen abzuwehren. Allerdings forderten sie damit auch die Zentralregierung in Istanbul heraus, nicht weiter mit der Entente zu kooperieren, und drohten, die Angelegenheit gänzlich in die eigene Hand zu nehmen, sollte es zu einer schmachvollen Kapitulation kommen. Dieses Netzwerk dezentralisierter Widerstandsgruppen bedurfte noch zweier wichtiger Institutionen, wollte es zu einer vollwertigen nationalistischen Bewegung heranwachsen: eines zentralen Organisationsapparats und eines Führungsstabes. Denn obgleich der Zusammenschluss als ganzer stark von den bestehenden Strukturen des KEF profitierte, auch insgeheim den Rat exilierter KEF-Anführer einholte und die (ebenfalls geheime) Unterstützung der militärischen Führung genoss, reichte das alles doch noch nicht aus, daraus eine geeinte Gemeinschaft zu schmieden, die stark genug war, es mit den Alliierten aufzunehmen und einen völligen Staatskollaps noch einmal abzuwehren. Mustafa Kemal war auf der Suche nach einem Posten in Anatolien, um sich der Widerstandsbewegung anschließen zu können. Die kaiserliche

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Regierung hingegen beorderte ihn nach Samsun an der Schwarzmeerküste, und das aus der vollkommen gegenläufigen Motivation heraus, ihn dort eine alliierte Besetzung der ganzen Küstenregion verhindern zu lassen, die sich nach gewaltsamen Zusammenstößen zwischen ortsansässigen Griechen und Muslimen abzeichnete. Die Regierung sah in Mustafa Kemal einen fähigen Kommandeur, der dem Sultanspalast nahestand und ein ausgesprochener Kritiker sowohl der KEF-Führung als auch des deutschen Bündnispartners gewesen war. Darum beging sie – wie sich bald zeigen sollte – den krassen Fehler, ihn als Inspektor mit der Beilegung des Streits zwischen Muslimen und Christen in der Region von Samsun zu betrauen, wo er die nationalistischen Räte auflösen sowie alle Waffen und Munitionsvorräte beschlagnahmen sollte. Mustafa Kemal machte seine Zusage von der Bedingung abhängig, dass man ihn mit besonderen Vollmachten ausstattete, durch die ihm de facto sowohl die militärische als auch die zivile Verwaltung in Teilen Anatoliens unmittelbar unterstellt wurden.23 Am 16. Mai 1919, einen Tag nach der Besetzung İzmirs durch die Griechen, bestieg Mustafa Kemal ein Schiff nach Samsun. Am 19. Mai 1919 ging er in Samsun von Bord. Spätere Generationen sollten den 19. Mai als „Tag der Jugend und des Sports“ und noch später als „Atatürk-Gedenktag“ feiern. Mustafa Kemal begann unmittelbar nach seiner Ankunft, sich als Widerstandsführer zu betätigten: Er nahm an Treffen teil, die von den Nationalisten organisiert wurden; unterstützte muslimische Bandenaktivitäten; ließ subtile, aber in der Sache doch deutlich kritische Äußerungen gegen die Regierung verlauten – ebendieselbe Regierung, die ihn überhaupt erst in die Region geschickt hatte, um dort nationalistische Umtriebe zu unterbinden!24 Es überrascht nicht, dass er bald nach Istanbul einbestellt wurde. Als er sich weigerte, aus Samsun abzureisen, enthob ihn der Sultan seines Amtes. Als Antwort darauf reichte Mustafa Kemal am 8. Juli 1919 seinerseits die Demission ein und schloss sich fortan der Widerstandsbewegung an, im offenen Ungehorsam gegenüber der kaiserlichen Regierung.25 An diesem Scheidepunkt leitete die national-islamische Führung in den östlichen Provinzen einen Versuch ein, den diversen lokalen Widerstandsräten eine zentrale Koordinationsinstanz zu geben, durch die eine nationale Bewegung geschaffen werden sollte. In den Jahren 1905 bis 1907, den

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letzten Jahren des hamidischen Regimes, waren es genau diese östlichen Provinzen gewesen, die schon einmal eine Verfassungsrevolution angeführt hatten. In einer von ihnen, in Erzurum, hatte eine lokale Selbstverwaltung – ähnlich den Anjumans (Bauern- und Handwerkerräten) der iranischen Verfassungsrevolution ab 1905/6 – die Geschicke der Provinz über ein Jahr lang gelenkt. Nun befanden sich diese Provinzen also wieder im Zustand der offenen Empörung gegen ihre Zentralregierung.26 Mustafa Kemal ergriff die Gelegenheit, die ihm die Initiative der Provinzpolitiker aus dem Osten bot, und veranstaltete in Erzurum den ersten Regionalkongress der Widerstandsbewegung. Obwohl ihm eigentlich ein Nationalkongress vorschwebte, der nicht nur auf die östlichen Provinzen beschränkt blieb, war ihm die große Bedeutung dieses ersten Koordinationsversuchs durchaus bewusst. Also wollte er dieses erste Treffen als ersten Schritt hin zu einer Nationalversammlung nutzen. Bezeichnenderweise luden die Organisatoren des Kongresses ausgerechnet zum elften Jahrestag der jungtürkischen Revolution am 23. Juli 1919 nach Erzurum ein. In der exilbedingten Abwesenheit sonstiger KEF-Größen, deren Konkurrenz er also nicht zu fürchten brauchte, wählten die anwesenden Delegierten Mustafa Kemal zum Kongressvorsitzenden. Nach zwei Wochen voller hitziger Diskussionen lag eine Erklärung vor, nach deren Wortlaut die ostanatolischen und die östlichen Schwarzmeerprovinzen bereit waren, gemeinsam gegen jegliche Art von auswärtiger Intervention zu kämpfen. Weiter erklärten die Delegierten, dass von Stund an nationale Streitkräfte als Schutzschild des Sultanats und des Kalifats sowie der territorialen Integrität des Reiches dienen würden; dass die nationale Souveränität fortan das oberste Gebot sei; dass die Zentralregierung sich dem nationalen Willen zu unterwerfen habe; dass die Muslime in der Region gegen jegliche Form der Gebietsabtretung an Armenier und Griechen kämpfen würden; und dass sie, als Muslime, ab sofort keine Vorhaben oder Maßnahmen mehr akzeptieren würden, welche die Bevorzugung von Nichtmuslimen zum Ziel hätten. Abschließend verkündete der Kongress die Gründung einer Organisation namens „Vereinigung zur Verteidigung der Rechte in den Ostprovinzen“, die alle Muslime als Mitglieder von Geburt an ansah.27 Zugleich wurde Mustafa Kemal zum Mitglied eines neunköpfigen Lenkungsausschusses ernannt, dessen Name – „Repräsentativkomitee“ – den repräsentativen Cha-

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rakter der neuen Organisation unterstreichen sollte. Die prominente Rolle Mustafa Kemals bei diesem Kongress signalisierte der gesamten Bewegung seine Absicht, auch im bevorstehenden Kampf um die nationale Einheit eine Führungsposition einzunehmen. Im unmittelbaren Anschluss an diese folgenschweren Ereignisse war Mustafa Kemal die treibende Kraft bei der Planung eines weiteren, „alltürkischen“ Widerstandskongresses, der in Sivas stattfinden sollte. Trotz rastloser Bemühungen seitens der Zentralregierung, Mustafa Kemals und seiner Mitstreiter habhaft zu werden, gelang es ihnen, den Kongress vom 4. bis zum 11. September 1919 ebendort stattfinden zu lassen.28 Der bleibende Erfolg dieses zweiten Kongresses war die Bildung einer Gegenregierung in Anatolien. Mustafa Kemal stand weiterhin an der Spitze des Repräsentativkomitees, das mittlerweile auf sechzehn Mitglieder angewachsen war und eine neue nationale Widerstandsbewegung lenken sollte, die sich „Anatolisch-Rumelische Vereinigung zur Verteidigung der Rechte“ nannte. Unter ihrer Ägide sollten die Bemühungen sämtlicher lokaler „Vereinigungen zur Verteidigung der nationalen Rechte“ gebündelt werden.29 Der Kongress legte außerdem die geografischen Landesgrenzen fest, indem er erklärte, sämtliche Gebiete, die am Tage des Waffenstillstands von Moudros noch nicht unter fremder Besatzung gestanden hätten, würden rechtmäßig den Muslimen gehören und also verteidigt werden; dabei werde es keinerlei Zugeständnisse an nichtmuslimische Gruppen geben.30 Das Repräsentativkomitee umfasste frühere Abgeordnete des osmanischen Parlaments, Beamte und Offiziere, aber auch angesehene Persönlichkeiten der lokalen Politik; die meisten hatten enge Verbindungen zum KEF. In den frühen Morgenstunden des letzten Kongresstages sandten die Delegierten der Zentralregierung in Istanbul ein Ultimatum und drohten, dass, sollte die Regierung nicht eine direkte Korrespondenz zwischen dem Repräsentativkomitee und dem Sultan ermöglichen, die Aufständischen ihre Bindung an Istanbul vollständig kappen würden. Der Großwesir ignorierte diese Forderung, und so instruierte das Repräsentativkomitee sämtliche Amtsträger und Armeekommandeure, ihre Kommunikation mit der Zentralregierung einzustellen und stattdessen dem Komitee Bericht zu erstatten, jedenfalls so lange, bis eine „legitime“ Verwaltung aufgebaut sei.31 Trotz einiger Proteste folgten die meisten Gouverneure und Kommandeure diesen Anweisungen.

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Gemäß seinem Selbstverständnis als provisorische Regierung wandte sich das Repräsentativkomitee auch an die Alliierten und forderte eine gerechte Umsetzung der Wilson’schen Prinzipien ein. Der Sultan, durch diese kühnen Unterfangen hoffnungslos ausgespielt, ernannte anstelle der antinationalistischen Regierung eine gemäßigte unter der Führung eines früheren Generals, der umgehend Kontakt mit der neuen Organisation in Anatolien aufnahm. Die beiden Parteien, die zunächst nicht von ihrer jeweiligen Behauptung, die allein legitime neue Regierung des Landes zu sein, abweichen wollten, kamen im Oktober 1919 schließlich doch zu einer Einigung. Als Ergebnis ihrer Übereinkunft erkannte die kaiserliche Regierung die Anatolisch-Rumelische Vereinigung zur Verteidigung der Rechte als vorläufige Ordnungsinstanz in Anatolien an, akzeptierte die Resolutionen der Kongresse von Erzurum und Sivas, versprach faire Neuwahlen zu einer gänzlich neu verfassten Abgeordnetenkammer und verpflichtete sich, auf einen Friedensschluss in Übereinstimmung mit Wilsons „Vierzehn Punkten“ hinzuarbeiten. Im Gegenzug versprachen Mustafa Kemal und seine Kollegen, den örtlichen Behörden den Dienstverkehr mit der Hauptstadt wieder zu erlauben und auch den zentralen Behörden nach Kräften behilflich zu sein. Auf die beharrliche Forderung der Zentralregierung hin erklärten sie zudem öffentlich, keinerlei Verbindungen zum KEF zu pflegen und außerdem das Verfahren gegen die mutmaßlichen Kriegsverbrecher aus deren Reihen nicht unterlaufen zu wollen.32 Damit war den versprochenen Neuwahlen der Weg geebnet. Die Nationalisten wussten, dass die Revanchisten – in Ermangelung von Beziehungen und politischem Einfluss – nicht würden mit ihnen mithalten können. Schließlich kam es so, dass die führende antinationalistische Gruppierung – die „Partei der liberalen Verständigung“ – beschloss, die Wahlen zu boykottieren, um ihr Gesicht nicht zu verlieren. Bei den Wahlen im Dezember 1919 gelang den Anhängern der „Bewegung zur Verteidigung der nationalen Rechte“ ein Erdrutschsieg, der sich vor allem aus ihrem virtuosen Umgang mit einem Beziehungsnetz in alle Winkel des Landes erklären lässt. Die schwächlichen Revanchisten waren geschlagen, die vollkommen überraschten Alliierten wenig begeistert. Winston Churchill murrte verächtlich: „So hatten die Türken also gewählt. Dummerweise nur … hatten die meisten von ihnen das Falsche gewählt.“33 Wie dem auch sein mochte:

Der Türkische Befreiungskrieg

Mustafa Kemal wurde zum Abgeordneten für Erzurum gewählt, ging aber vorerst lieber nicht das Risiko einer Reise nach Istanbul ein.34 Dort trat im Januar 1920 die neue Abgeordnetenkammer zusammen. Im Folgemonat nahm sie die Resolutionen der Kongresse von Erzurum und Sivas an und verabschiedete einstimmig eine neue Resolution, die als der „Nationalpakt“ bekannt geworden ist. Diese enthielt zwei Hauptklauseln: Die erste tat kund, dass diejenigen Territorien, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Waffenstillstands von Moudros noch nicht unter fremder Besatzung gestanden hatten, das unteilbare Vaterland der nichtarabischen osmanischen Muslime darstellten (diese Gebiete sollten erstmals im Text des 1921 zwischen der nationalistischen Regierung und der Sowjetunion geschlossenen Vertrags von Moskau offiziell als „Türkei“ bezeichnet werden).35 Die zweite Klausel hielt fest, dass die Zukunft der besetzten arabischen Provinzen, der früheren russischen Provinzen Kars, Ardahan und Batumi sowie Westthrakiens (welches das Osmanische Reich nach den Balkankriegen 1913 an Bulgarien abgetreten hatte, und das 1919 Griechenland zugesprochen worden war) per Volksentscheid geregelt werden sollte.36 Aus dem Mund einer besiegten Nation ließen derlei Verlautbarungen eine erstaunliche Neigung zum Draufgängertum erkennen. Im März 1920 erfolgte prompt die plump-kompromisslose Reaktion der Briten, die Istanbul besetzten, führende nationalistische Abgeordnete verhaften ließen und sie anschließend ins Exil nach Malta schickten. Die verbliebenen Parlamentarier vertagten und zerstreuten sich, obwohl die Abgeordnetenkammer offiziell nicht aufgelöst worden war. Diese arrogante Vorgehensweise der Briten spielte den Nationalisten nur in die Hände. Tatsächlich sandte Mustafa Kemal gleich am Tag nach der Vertagung des Parlaments einen Rundbrief an sämtliche Provinzverwaltungen und Kommandeure der Truppe, in dem er diese einlud, wiederum Wahlen zu organisieren. Die so gewählten Ersatzabgeordneten sollten sich im anatolischen Ankara denjenigen anschließen, denen es gelungen war, sich von Istanbul dorthin durchzuschlagen.37 Die so gebildete neue Versammlung in Ankara sollte außerordentliche Befugnisse erhalten. Da die örtlichen Behörden diesen Anweisungen umgehend Folge leisteten und Wahlen stattfinden ließen, konnten die zusätzlichen Abgeordneten bereits am 23. April 1920 in Ankara zu einer Nationalversammlung zusammen-

117

Islamischer Kommunismus? 118

treten. Zwölf Tage zuvor hatte der Sultan noch versucht, dieses Vorgehen zu verhindern, indem er die Osmanische Abgeordnetenkammer auflösen ließ – aber es war zu spät.38 Die so konstituierte neue Körperschaft wurde auf den Namen „Große Nationalversammlung“ getauft, was ihre umfassenden Befugnisse hervorheben sollte. Unter dem Einfluss Mustafa Kemals, des neuen Abgeordneten für den Wahlkreis Ankara, machte sie sich von Beginn an einen stark islamisch geprägten Ton zu eigen. So wurde die feierliche Eröffnung der Versammlung ganz bewusst auf einen Freitag gelegt, sodass sie im Anschluss an das in der Großen Moschee von Ankara verrichtete Freitagsgebet stattfinden konnte. In Begleitung einer Menschenmenge zogen die Abgeordneten zu dem vormaligen KEF-Vereinshaus, in dem die neue Nationalversammlung tagen sollte. Bevor sie jedoch das Gebäude betraten – in dem übrigens eine Nachbildung des Banners des Propheten sowie eine Locke von dessen Barthaar aufbewahrt wurden –, rezitierten einige Kleriker den vollständigen Text des Korans. Der ausgeprägt religiöse Charakter dieser Eröffnungszeremonien übertraf alles bislang in der osmanischen Tradition vergleichbarer Festlichkeiten Dagewesene. Von der säkularen Revolution der darauffolgenden Jahre vermittelten sie nicht die leiseste Ahnung.39 Die weitere Verfahrensweise der Großen Nationalversammlung – bei der ein Imam als Vorbeter fungierte, die Abgeordneten fünfmal am Tag die vorgeschriebenen Gebete verrichteten, ständig auf religiöse Zusammenhänge Bezug genommen wurde und auf Plakaten Koranzitate zu sehen waren (so etwa das wa-amruhum shūrā baynahum aus Sure 42,38: der Lobpreis jener, „deren Richtschnur gegenseitige Beratung ist“)40 – kurz: all diese Dinge erinnerten eher an die althergebrachten meşveret (Beratungstreffen) im Hause des Şeyhülislâm (des Großmuftis) als an die Sitzungen der Osmanischen Abgeordnetenkammer nach 1877. Die Große Nationalversammlung verabschiedete außerdem ein Gesetz, durch welches die Produktion, der Verkauf und der Genuss von Alkohol im ganzen Land unter Strafe gestellt wurde; bei Zuwiderhandlung drohten Prügel.41 Damit übertraf die Nationalversammlung, was die politische Durchsetzung islamischer Moralvorstellungen anging, alle osmanischen Regierungen seit Beginn der Tanzîmât-Ära im Jahr 1839. Ironischerweise war es ausgerechnet Mustafa Kemal, der stramme Befürworter einer umfassenden Verwestlichung der osmanischen Gesell-

Nach dem Untergang der Kalifate von Damaskus, Cordoba, Kairo und Bagdad ist nun der Schatten feindlicher Waffen auf den letzten Schwerund Mittelpunkt des Kalifats aller Muslime gefallen … Anatolien, dessen Einigkeit und Unabhängigkeit wir zu verteidigen suchen, ist zu einem Zufluchtsort für zahllose muslimische Gemeinschaften geworden, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden. … Hunderte von Muftis und anderen Gelehrten haben fatwās abgegeben, um unserer Nation – und der ganzen islamischen Welt – den rechten Weg zu weisen. … Ich bitte euch: Hört auf diese Stimme, die Stimme der sharīʿa.42 Jene Vorspiegelung eines frommen Panislamismus, die ja immerhin von der erklärtermaßen säkular eingestellten Führung einer türkisch-nationalistischen (und also streng partikular eingestellten) Bewegung in die Welt gesetzt wurde, erscheint vielleicht weniger überraschend, wenn wir ihren zeitgeschichtlichen Kontext bedenken. Am Anfang stand die Notwendigkeit, die kaiserliche Regierung herauszufordern, die eine fatwā des Şeyhülislâm erwirkt hatte des Inhalts, dass Mustafa Kemal und seine Mitstreiter nichts als eine Räuberbande seien, deren Ergreifung und Tötung als Pflicht allen Muslimen obliege. In ihrem erbitterten Kampf um Legitimität wetteiferten beide Seiten um fatwās von Klerikern und Rechtsgelehrten und bemühten sich, möglichst als das „islamischere“ der beiden Lager zu erscheinen.43 Mustafa Kemal nutzte diese Überbietungsdynamik mit der ihm eigenen Schläue aus, indem er auf eher nationalistisch gesinnte Angehörige der ʿulamā᾽ unter den Abgeordneten zurückgriff. So konterte er etwa die Angriffe der Zentralregierung nicht mit einer Rechtfertigung seiner Sache auf Grundlage eines Appells an die nationale Einheit oder die Brüderschaft aller Osmanen, sondern entzog ihnen ganz einfach ihre Legitimierung, indem er eine Sentenz aus dem Koran zitierte: Wa-in jā᾽akum fāsiqun bi-naba᾽in fa-tabayyanū („Wenn ein Lasterhafter mit einer Nachricht zu euch kommt, so sucht Klarheit zu gewinnen“, Sure 49,6).44 Ein weiteres Anliegen der Nationalisten war es, sich auch in Zukunft die Unterstützung der Muslime in Zentralasien und in Indien zu sichern, die beträchtliche Spendensummen aufgebracht hatten, um durch ihre Förde-

Der Türkische Befreiungskrieg

schaft, der bei diesen Veranstaltungen den Ton angab. Mit den folgenden Worten wandte er sich an die gesamte muslimische Welt:

119

Islamischer Kommunismus? 120

rung der nationalistischen Sache in der Türkei das osmanische Kalifat vor westlicher Fremdherrschaft zu bewahren. Die indische Khilāfat-Bewegung gewann 1920 an Einfluss, insbesondere nach der Veröffentlichung eines „Khilāfat-Manifests“ durch das „Allindische Khilāfat-Komitee“, in dem die indischen Muslime aufgefordert wurden, gemeinsam das osmanische Kalifat zu unterstützen.45 Die Bewegung wurde noch einflussreicher, nachdem sie eine Allianz mit dem Indischen Nationalkongress unter der Führung von Mohandas („Mahatma“) Gandhi eingegangen war. Die hübsche Summe von 125 000 Pfund Sterling, welche die Khilāfat-Bewegung der nationalistischen Regierung in Ankara gespendet hatte, diente dieser als eiserne (oder vielmehr silberne) Reserve für den Notfall. Der beharrliche Druck, den die indischen Aktivisten in den Jahren 1920 bis 1922 auf die britische Regierung ausübten, verdankte sich einer Interpretation der Ereignisse in Anatolien, derzufolge es sich dabei um einen jihād zur Befreiung des Kalifen beziehungsweise Sultans aus den Händen christlicher Kreuzfahrer gehandelt habe.46 Mustafa Kemals panislamische Rhetorik war darauf ausgelegt, diese Interpretation zu bestätigen und so die wertvolle Unterstützung der Khilāfat-Bewegung zu verstetigen. Schließlich zielte der Appell an religiöse Empfindungen auch darauf ab, alle Kräfte des Islam in einem Kampf gegen die Alliierten und die von diesen unterstützten nichtmuslimischen Bevölkerungsgruppen im Osmanischen Reich zu mobilisieren. Ein enger gefasster türkischer Nationalismus oder ein Pantürkismus (d. h. der Einschluss anderer Turkvölker) hätten einerseits die – vor allem im südöstlichen Teil Anatoliens unverzichtbare – Beteiligung der Kurden am nationalen Kampf verhindert, andererseits die Sowjetführung verärgert, die im Pantürkismus eine große Bedrohung für die Bolschewisierung Zentralasiens und des Kaukasus sah. Mustafa Kemal hielt es darum für ratsam, eines stark hervorzukehren: Die Bevölkerungsgruppe, deren Rettung sich die Nationalisten auf ihre Fahnen geschrieben hatten, umfasste nicht nur Türken, sondern auch andere muslimische Volksgruppen wie etwa Kurden und Tscherkessen, die gemeinsam eine „islamische Gemeinschaft“ bildeten und deren Freiheitskampf also nichts mit dem Pantürkismus zu tun hatte.47 Ganz so, wie er trotz seiner szientistischen und türkistischen Tendenzen eine extrem islamisierte und panislamische Rhetorik gebrauchte, wenn es

Unsere Nation ist zum gemeinen Ziel der europäischen Imperialisten geworden und nur, weil sie muslimische Länder verteidigt hat … Ich bin der festen Überzeugung, dass … wenn die versklavten Völker Asiens und Afrikas erst einmal verstehen, dass das internationale Kapital sie zum größtmöglichen Profit ihrer Herren ausbeutet, sie aber ihre eigene Sklaverei noch befestigen dabei! – dann wird … die Herrschaft der Bourgeoisie an ihr Ende gelangen.49 Vor der Großen Nationalversammlung äußerte er ganz ähnliche Ansichten: „Der Bolschewismus umschließt die hehrsten Prinzipien und Gesetze des Islam.“50 Die Nationalversammlung selbst erklärte im November 1920, Ziel ihrer Arbeit sei es, „das Volk der Türkei von der grausamen Unterdrückung des Kapitalismus und Imperialismus zu befreien“.51 Mustafa Kemal versicherte überdies den sowjetischen Gesandten, mit denen er zusammentraf, er und seine „Genossen neigen dem Kommunismus zu, aber die Umstände zwingen [sie], darüber Stillschweigen zu bewahren“.52 Wie der Tatare Soltanğäliev, der für die russischen Muslime eine Sonderform des Kommunismus einführen wollte, unterstrich Mustafa Kemal oft, dass die Türkei einen eigenen, auf ihre Eigenheiten abgestimmten Kommunismus brauche.53 Wie seine offizielle Zeitung erläuterte, hatten Mustafa Kemal und seine Kameraden sich die „allerfortschrittlichste Form des Kommunismus“ zu eigen gemacht. Allein, anstatt das russische Vorbild zu „imitieren“ bevorzugten sie einen „Kommunismus ohne die blutige Diktatur des Proletariats“, der außerdem besser zur Sozialstruktur Anatoliens und der Türkei als ganzer passen werde.54

Der Türkische Befreiungskrieg

die Situation erforderte, versah Mustafa Kemal seine nationalistische Gegnerschaft zum Imperialismus mit einem Anteil von – rein rhetorischem – Sozialismus. Alles in allem erweckte er während dieser Zeit den Eindruck, er sei ein muslimischer Kommunist. Darin ähnelte er stark Mirsäyet Soltanğäliev, der den Islam mit dem Sozialismus versöhnen wollte und dabei zu dem Schluss kam, das muslimische Proletariat des Nahen Ostens sei von westlich-bourgeoisen Kolonisatoren versklavt worden.48 In einem Brief an Georgi Tschitscherin, den sowjetischen Volkskommisar für Auswärtige Angelegenheiten, schrieb Mustafa Kemal:

121

Mustafa Kemals Rekurs auf sozialistische Prinzipien erwuchs zumindest teilweise aus dem Wunsch, einem Erstarken potenzieller sozialistischer Rivalen zuvorzukommen. Und tatsächlich trat bald eine solche Bedrohung in Gestalt einer kleinen (aber dafür authentischen) kommunistischen Gruppierung auf den Plan. Bei dem sogenannten „Kongress der Völker des Ostens“, der im September 1920 in Baku abgehalten wurde, bemühte sich auch die exilierte Führung des KEF, den Kommunismus als Mittel einzusetzen, um die Kontrolle über die anatolische Nationalbewegung zurückzuerlangen, die ihr zu entgleiten drohte. Doch die Bolschewiki zeigten sich von dem Kommuniqué, das namens des von Mustafa Kemal entsandten Kongressdelegierten verlesen wurde, nur wenig beeindruckt: „Lang lebe das revolutionäre Russland … und lang der Unterstützer des

Abb. 8 Echte Bolschewiki und Simulanten: Eine sowjetische Delegation in Ankara (1921).

Der Türkische Befreiungskrieg

revolutionären Russland – der revolutionäre Osten!“55 Die russischen Delegierten fürchteten die hinlänglich bekannten pantürkistischen Sympathien des KEF-Mannes Enver Pascha (der am Kongress von Baku als Mitglied einer libyschen Delegation teilnahm) und unterstützten stattdessen eine Gruppe aus Russland angereister türkischer Emigranten, die später in ihrem russischen Exil die erste Kommunistische Partei der Türkei (Türkiye Komünist Partisi, TKP) gründen sollten.56 All das führte zu einem angespannten Verhältnis zwischen Mustafa Kemal und den echten Kommunisten. Von Moskau unter Druck gesetzt, eröffnete er den Dialog mit der Führung der TKP und erlaubte den Kommunisten – widerwillig – die Rückkehr nach Anatolien. Dort wurde den Mitgliedern der TKP-Spitze allerdings ein extrem feindseliger Empfang seitens der Nationalisten bereitet; nur wenig später wurden sie ermordet.57 Es ist noch immer unklar, ob der Befehl zur Liquidierung der TKP-Mitglieder aus den Reihen der vormaligen KEFFührung oder von der Regierung in Ankara kam; ein für Mustafa Kemal äußerst willkommenes Ereignis war sie allemal. Zu diesem Zeitpunkt hatte er schon einige seiner engeren Mitarbeiter mit der Gründung einer „offiziellen“ Kommunistischen Partei der Türkei beauftragt.58 Gegenüber der sowjetischen Führung erklärte er ganz unumwunden: „Es sollte jedem klar sein, dass in der Türkei alles allein unsere Aufgabe ist – sogar der Kommunismus.“59 Während er selbst einen offiziellen „Nationalbolschewismus“ propagierte, unterdrückte Mustafa Kemal jede andere Form sozialistischen Denkens; zahlreiche Sozialisten wurden auf sein Geheiß hin verhaftet.60 Wie zu erwarten, verweigerte die Kommunistische Internationale (Komintern) den „Ersatzkommunisten“ von Mustafa Kemals Gnaden die Aufnahme in ihre Reihen.61 Jedoch unterhielt die Sowjetführung, allen ideologischen Differenzen zum Trotz, aus pragmatischen Gründen weiterhin herzliche Beziehungen zu Mustafa Kemal und seinen Gefolgsleuten. Nicht nur unterstützten die Sowjets den türkischen Kampf gegen die alliierte Gebietsbeanspruchung im Südwesten der Türkei, sondern zogen eine Regierung unter Mustafa Kemal bei weitem ihrer wahrscheinlichsten Alternative vor: einer eilfertigen Marionettenregierung unter britischer Kontrolle. Obgleich die Zeitumstände Mustafa Kemal dazu brachten, sich als Islamist und Bolschewik zu gerieren, hatte er doch in Wahrheit für beide Ideologien, die er im Übrigen kaum kannte, nichts als Verachtung übrig.

123

Zumeist betete er lediglich die Phrasen der osmanischen Islamisten und die Parolen der sowjetischen Ideologen nach. Gleichzeitig vermied er es, sich en détail über seine türkisch-nationalen Ideale zu äußern. Diese gewohnheitsmäßige Verstellung war zweifellos Teil einer sehr bewussten Strategie, durch welche die Nationalisten mit den beiden zugkräftigsten und populärsten Widerstandsideologien in Zusammenhang gebracht werden sollten, während die ausgrenzenden, partikularistischen Zielsetzungen ihrer Bewegung verschleiert wurden. Dieser ideologische Mischmasch war für Mustafa Kemal von größter Bedeutung bei seiner schwierigen Ausübung der Dreifachrolle als politischer Führer, Diplomat und Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Die nachfolgenden Tabellen gewähren faszinierende Einblicke in Mustafa Kemals kurzlebige Anverwandlung bolschewistischer und islamischer Rhetorik. Der rapide Rückgang derartiger Bezugnahmen in seinen Äußerungen nach der Begründung der Republik im Jahr 1923 (noch stärker nach der Machtkonsolidierung von 1925) spricht Bände über die opportunistische Qualität der zuvor gemachten Aussagen.62

Tabelle 1: Mustafa Kemals Verwendung sozialistischer Terminologie, April 1920 bis Januar 1923 Zeitraum

Proletariat

Arbeiter

Bourgeoisie

Imperialismus

Kapitalismus

23. April 1920 – 30. September 1920







31

5

1. Oktober 1920 – 31. Januar 1920

3

5

2

44

6

1. Februar 1921 – 30. September 1921



1



6

2

5. Oktober 1921 – 3. März 1922



8

1

21

15

4. März 1922 – 15. Oktober 1922











16. Oktober 1922 – 23. Januar 1923









1

gesamt

3

14

3

102

29

alle Belege

151

Tabelle 2: Mustafa Kemals Verwendung sozialistischer Terminologie, Januar 1923 bis November 1929 Zeitraum

Proletariat

Arbeiter

Bourgeoisie

Imperialismus

Kapitalismus

24. Januar 1923 – 30. Juni 1923



2







1. Juli 1923 – 17. September 1924







3



18. September 1924 – 27. September 1925











28. September 1925 – 12. Oktober 1927







2



19. Oktober 1927 – 1. November 1929









1

gesamt



2



5

1

alle Belege

8

Tabelle 3: Mustafa Kemals Verwendung islamischer Terminologie, April 1920 bis Januar 1923 Gott

Prophet Muḥammad

Muslim(e)

Islam

Religion/ religiös

23. April 1920 – 7. Juli 1920



4

35

149



8. Juli 1920 – 30. September 1920

9

4

13

34

13

1. Oktober 1920 – 31. Januar 1921

7



19

16

13

1. Februar 1921 – 4. Oktober 1921

24

1

16

32

13

5. Oktober 1921 – 5. Mai 1922

11

3

3

29

19

6. Mai 1922 – 15. Oktober 1922

22



5

15

7

16. Oktober 1922 – 27. Januar 1923

41



17

147

71

gesamt

114

12

108

422

136

Zeitraum

alle Belege

792

Tabelle 4: Mustafa Kemals Verwendung islamischer Terminologie, April 1923 bis November 1929 Gott

Prophet Muḥammad

Muslim(e)

Islam

Religion/ religiös

23. April 1923 – 30. Juni 1923

47



25

78

121

1. Juli 1923 – 17. September 1924

8



10

17

25

18. September 1924 – 27. September 1925

3

1



3

10

28. September 1925 – 12. Oktober 1927

3







10

19. Oktober 1927 – 1. November 1929

1









gesamt

62

1

35

98

166

Zeitraum

alle Belege

362

Seine Karriere als Staatenlenker begann Mustafa Kemal offenbar mit nur wenig theoretischer Kenntnis von Politik, Staat und Verwaltung. Er verklärte geradezu die Prinzipien der Französischen Revolution von 1789 und hegte im Grunde seines Herzens eine starke Sympathie für die republikanische Idee von einer Herrschaft des Volkes; nur war er eben weiterhin bemüht, diese Ideale mit einer Herrschaftsstruktur in Einklang zu bringen, über die er absolute Kontrolle würde ausüben können. Darum verhöhnte er das Prinzip der Gewaltenteilung als eine „närrische Idee“ und behauptete – fälschlicherweise  –, viele wichtige Staatsmänner, unter ihnen Woodrow Wilson, hätten sich gegen die Gewaltenteilung ausgesprochen.63 Tatsächlich wusste er jedoch so wenig über die theoretische Diskussion derartiger Fragen, dass er in seinen Reden schon einmal den Baron de Montesquieu mit Jean-Jacques Rousseau verwechselte.64 Er bewunderte Rousseaus Vorstellung von der unteilbaren und unveräußerlichen Souveränität sowie seine Auffassungen, dass jede legitime Regierung eine republikanische sei und dass jede Regierung, sobald sie erst einmal „mit der öffentlichen Gewalt bekleidet“ sei, früher oder später die Autorität des Souveräns annehmen

müsse.65 Insbesondere ein Gedanke aus Rousseaus Vom Gesellschaftsvertrag (Du Contrat social, 1762) hatte es Mustafa Kemal angetan:

Ein solches Verständnis von „Republik“ und „republikanisch“ war natürlich in den 1920er-Jahren reichlich altmodisch, aber es entsprach eben dem Modell, das Mustafa Kemal vorschwebte: einer recht eigentümlichen Form von Republik, in welcher er, als großer Anführer, die Umsetzung eines ebenso großen sozialen Reformprogramms anstreben konnte. Er äußerte verschiedentlich, in diesem Staatsmodell werde – nach dessen Umsetzung in die Praxis – ein staatlich gelenkter Populismus der Motor des gesellschaftlichen Wandels sein. Konsequenterweise drückten die nicht von ungefähr an Rousseau erinnernden Namen, die Mustafa Kemal den offiziellen Zeitungen der nationalen Bewegung gab – Hakimiyet-i Milliye („Nationale Souveränität“) und İrade-i Milliye („Nationaler Wille“) –, dieses Bekenntnis zum Populismus offen aus, indem sie den Anschein erweckten, im Namen des Volkes zu sprechen. Ganz ähnlich nahm sich eine Eingabe aus, die Mustafa Kemal bald nach deren Zusammentreten an die Nationalversammlung machte und in der er die Bildung einer „Volksregierung“ forderte; später bereitete er ein „Populismusprogramm“ mit stark etatistischer Unterfütterung vor.67 Dennoch strebte Mustafa Kemal – elitärer Bewunderer Gustave Le Bons, der er war – weder eine tatsächliche Regierung durch das Volk an noch unterstützte er einen echten „Graswurzelpopulismus“. Wie viele Intellektuelle seiner Generation ignorierte er Le Bons tiefe Abneigung gegenüber Revolutionen im Allgemeinen und der Französischen Revolution im Besonderen68 und glaubte, der Elitismus jenes Pseudosoziologen könne irgendwie mit der Idee der Revolution versöhnt werden. Mustafa Kemals Faszination für die Grande Révolution sowie sein Einsatz für eine ungeteilte Staatsgewalt, die in einer einzigen, souveränen Instanz gebündelt sein sollte, brachten ihn dazu, die Große Türkische Nationalversammlung in etwa mit der Assemblée nationale constituante des

Der Türkische Befreiungskrieg

Republik nenne ich deshalb jeden durch Gesetze regierten Staat, gleichgültig, unter welcher Regierungsform dies geschieht: weil nur hier das öffentliche Interesse herrscht und die öffentliche Angelegenheit etwas gilt. Jede gesetzmäßige Regierung ist republikanisch.66

127

Islamischer Kommunismus? 128

revolutionären Frankreich gleichzusetzen. Aus einem ähnlichen Interesse heraus verfolgte er 1918 die Zusammenkunft der kurzlebigen Vserossiiskoe Uchreditel’noe Sobranie („Allrussische Verfassunggebende Versammlung“) mit größter Aufmerksamkeit.69 Obwohl er das nie so deutlich formulierte, sah Mustafa Kemal die Ereignisse, die sich an die Kongresse von Erzurum und Sivas anschlossen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als eine Revolution, durch die das Volk seine Souveränität in Anspruch genommen hatte.70 In seinem Entwurf für das Rundschreiben, durch welches im März 1920 die Provinzverwaltungen zur Durchführung von Wahlen für eine neue Volksversammlung aufgefordert werden sollten, versuchte er, zur Charakterisierung dieser neuen Abgeordnetenkammer die Formulierung „verfassunggebende Versammlung“ zu verwenden.71 Nach heftigen Protesten etlicher Mitglieder der nationalistischen Führung, denen diese Wortwahl zu radikal erschien, ließ er sich allerdings überzeugen, seine ursprüngliche Benennung durch „Versammlung mit außerordentlichen Befugnissen“ zu ersetzen.72 Für diesen Widerstand gegen Mustafa Kemals Vorschlag gab es einen Präzedenzfall. Als bei einem Kongress im Jahr 1907 das KEF und die Armenische Revolutionäre Förderation über die genaue Art der Versammlung verhandelten, die nach dem Erfolg ihres gemeinsamen Staatsstreichs in der osmanischen Hauptstadt zusammentreten sollte, erhoben die Vertreter des KEF scharfen Einspruch gegen den armenischen Vorschlag, diese geplante Zusammenkunft als Assemblée constituante zu bezeichnen. Sie befürchteten, dass eine solche konstituierende Versammlung die Herrschaft des Sultans gefährden sowie die politischen und sozialen Strukturen im Land allzu stark verändern werde.73 Im Jahr 1920 hegten zahlreiche Abgeordnete ähnliche Bedenken, aber schließlich fuhren sie doch nach Ankara, um den Kalifen und Sultan zu retten, wie es Mustafa Kemal als oberstes Ziel ausgegeben hatte. Die Große Nationalversammlung erwuchs bald zu derjenigen Instanz, welche Legislative, Exekutive und Judikative kontrollierte. Als ihr gewählter Wortführer erlangte Mustafa Kemal außerordentlichen Einfluss. Eine derart umfassend befugte Regierung ließ sich unmöglich mit der osmanischen Verfassung von 1876 vereinbaren, die konsequenterweise im Januar 1921 durch ein neues, verhüllend als „Grundlegendes Organisationsgesetz“

Der Türkische Befreiungskrieg

bezeichnetes Dokument ersetzt wurde.74 Während Mustafa Kemal und sein engster Kreis davor zurückschreckten, das Wort „Verfassung“ zu gebrauchen, dienten die 23 Artikel dieses „Organisationsgesetzes“ in der Praxis bis zum April 1924 als Verfassung. Artikel 1 ging kurzerhand über den Sultan und dessen Kalifenwürde hinweg und setzte unmissverständlich fest: „Die Souveränität steht ohne Einschränkung und Bedingung der Nation zu. Die Staatsverwaltung beruht auf dem Grundsatz, dass das Volk seine Geschicke selbst und tatsächlich lenkt.“75 Dies implizierte bereits die Möglichkeit eines nicht-monarchischen Herrschaftssystems. Im Jahr 1922 gebrauchte Mustafa Kemal diesen Artikel, um die Große Nationalversammlung zur Abschaffung des zu jenem Zeitpunkt 623 Jahre bestehenden Sultanats zu zwingen – wobei das Kalifat, für den Moment, verschont blieb. Artikel 2 des Organisationsgesetzes legitimierte die Versammlung, als einzige und wahre Vertreterin der Nation die Machtbefugnisse der Exekutive und Legislative anzunehmen. Nach dem Buchstaben des „Grundlegenden Organisationsgesetzes“ war der Wortführer des Parlaments auch – und gewissermaßen naturgemäß – Vorsitzender des Kabinetts, das sich aus ausgewählten Abgeordneten zusammensetzte. Abgeordnete stellten auch das Personal der nach Maßgabe liberaler Rechtsvorstellungen skurril anmutenden „Unabhängigkeitstribunale“, deren Aufgabe es war, über Verräter, Deserteure und Gegner der nationalen Bewegung das Urteil zu fällen.76 So vereinte also Mustafa Kemal im Namen einer Versammlung, die in vielerlei Hinsicht an die französische Convention nationale von 1792–1795 erinnerte, so gut wie alle gesetzgebenden, richterlichen und vollstreckenden Machtbefugnisse in seiner Person. Dann, im August 1921, ernannte die Versammlung Mustafa Kemal zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte – zunächst für drei Monate mit der Option einer Verlängerung.77 Nach einigen solcher Verlängerungen ernannte sie ihn im Juli 1922 wiederum zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte; diesmal war die Ernennung unbefristet. Schon 1921 übte Mustafa Kemal jedoch größere Macht aus, als sie irgendein osmanischer Sultan oder Staatsmann nach 1839 besessen hatte. Die in ihrer Machtfülle durchaus eigentümliche Versammlung regierte in der völligen Abwesenheit politischer Parteien. Die osmanische Öffentlichkeit hatte eine eher geringe Meinung von Parteien, denen sie die Schuld am Zusammenbruch des osmanischen Staates zwischen 1908 und 1918

129

Islamischer Kommunismus? 130

gab. In den Augen eines Durchschnittsbürgers hatten die Parteien, die im Anschluss an die jungtürkische Revolution auf den Plan getreten waren, nichts als Zwietracht und überflüssige Konflikte gebracht. In diesem Klima bildeten sich zwar verschiedentlich politische Gruppierungen, aber keine von ihnen war so kühn, sich als Partei zu bezeichnen.78 Die sogenannte „Gruppe des Volkes“ vertrat sozialistische Ideen, die „Gruppe Solidarität“ verfolgte nationalistische Ziele und die „Gruppe Reform“ befürwortete ein Modernisierungsprogramm. Es gab auch ein konservatives Lager, das enge Verbindungen zum KEF unterhielt; diese Abgeordneten waren starke Kritiker des Bolschewismus.79 Mustafa Kemal, der sich scheinbar als Führer der Nation nicht in die Niederungen einer solchen Cliquenpolitik begeben wollte, wahrte Distanz, verzichtete auf jegliche offizielle Parteinahme und trat stattdessen als Vermittler zwischen den verschiedenen Gruppierungen auf. Doch im Jahr 1921 beschloss er, zur Sicherung seiner Machtbasis eine eigene Gruppe zu gründen: die „Anatolisch-Rumelische Gruppe zur Verteidigung der Rechte“, deren Hauptziel eine unabhängige Türkei war.80 Viele Abgeordnete strömten dieser Gruppierung zu, die bald als die „Erste Gruppe“ bekannt wurde. Wie bei allen anderen Gruppen dementierten ihre Anhänger, dass es sich um eine Partei handle; de facto war die „Erste Gruppe“ jedoch die Regierungspartei. Innerhalb der „Ersten Gruppe“ richtete Mustafa Kemal einen inoffiziellen Lenkungsausschuss ein, zu dessen Angehörigen er seine engsten Vertrauten ernannte; dies entsprach in etwa dem Zentralkomitee einer Partei. Seine politischen Gegner bezeichneten diesen Ausschuss als „Wohlfahrtsausschuss“ – nach der Schreckensherrschaft des Comité de salut public zur Zeit der Französischen Revolution.81 Diesen Dissidenten missfiel die Konzentration sämtlicher Staatsgewalt in einer Hand. Sie bildeten eine Gegengruppierung, die „Zweite Gruppe“, die Mustafa Kemal beschuldigte, zum Diktator geworden zu sein.82 Die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe der Abgeordneten beider Lager waren so gut wie identisch; der Hauptstreitpunkt war entsprechend nicht ideologischer, sondern persönlicher Natur. Mustafa Kemal reagierte mit Entrüstung auf das Entstehen einer Opposition, aber noch war er nicht mächtig genug, sie einfach zu zerquetschen. Als er später in Erich Ludendorffs Kriegführung und Politik die folgende Einschätzung des deutschen Experiments mit dem Parlamen-

tarismus nach dem Ersten Weltkrieg las: „Die Regierung versank in dem kleinlichen Schlamm der inneren Politik und unterwarf sich ganz dem entnervenden Einfluß des deutschen Parlamentarismus“, da notierte er am Seitenrand, dass ihn dies doch stark an die erste Große Türkische Nationalversammlung erinnere.83 Für Mustafa Kemal war der Parlamentarismus kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zur Umgestaltung der Gesellschaft. 1 GROSSLIBANON (frz. Mandat)

RUSSISCHE SFSR

RUMÄNIEN

Kaspisches Meer

KGR. DER Belgrad Bukarest Schwarzes SERBEN, KROATEN GEORGIEN Tiflis Baku Meer Sofia UND SLOWENEN Batumi ASERBAIDSCHAN Trabzon BULGARIEN Edirne Kars Rom (Adrianopel) Jerewan ITALIEN ARMENIEN Samsun Tirana Istanbul Erzurum ALBANIEN Saloniki Bursa

GRIECHENLAND

Ankara Sivas

Bitlis Van

OSMANISCHES REICH

Konya Adana Mersin SYRIEN Aleppo (frz. Mandat) Hama Zypern Nikosia Homs (brit.) Beirut 1 Damaskus

(Izmir)

Kreta

PALÄSTINA (brit. Mandat)

Tripolis Bengasi

Alexandria

Port Said Kairo

Tr i p o l i t a n i e n

Kirkuk

IRAN

Bagdad

IRAK

(brit. Mandat)

Amman

Jerusalem

Teheran

Mossul

Antalya

Mittelmeer

Täbris

Malatya KURDISTAN

Smyrna .

SFSR = Sozialistische Föderative Sowjetrepublik

Basra

TRANSJORDANIEN

KUWAIT

(brit. Mandat)

FessanGhadames

HERRSCHAFTSBEREICH DER SAUD-DYNASTIE

LIBYEN

(zu Italien)

ÄGYPTEN

Kyrenaika

Murzuk

(Brit. Protektorat)

Rotes Meer

BAHRAIN KATAR »Seeräuberküste«

Riad

(TRUCIAL STATES, brit. Protektorat)

Medina

KGR. HEDSCHAS

Einflussbereiche

französisch

AL-RUB’ AL-KHAIR

ERITREA

Sabya

(italien. Kolonie)

Khartum

Massaua

entmilitarisierte Zonen

unter Verwaltung des Völkerbundes (Internationale Meerengen-Kommission)

Tenedos

GRIECHEN

Plebiszitzone von Smyrna

Smyrna . (Izmir)

Sanaa

HADRAMAUT ADEN

FRANZ.-SOMALILAND

ÄTHIOPIEN

(geplante Volksabstimmung über Anschluss an Griechenland)

LAN

Antalya

D

Dodekanes

(unter italien. Rhodos Besatzung)

Abb. 9 Die Aufteilung des Osmanischen Reiches nach dem Vertrag von Sèvres (1920).

KGR. JEMEN

Aden

ANGLO-ÄGYPTISCHER SUDAN

Bursa

Imbros

(Britischer Einflussbereich)

Port Sudan

britisch

italienisch

Istanbul

Maskat IdrisidenImamat von Asir

Mekka

BRITISCHSOMALILAND

ITALIENISCHSOMALILAND

Indischer Ozean 0

500 km

brit. Einflussbereich franz. Einflussbereich italien. Einflussbereich

Islamischer Kommunismus? 132

Eine Abgeordnetenkammer mit einer waschechten Opposition war daher keine Zierde, sondern eine Zumutung für das politische System – eine Zumutung, die überwunden werden musste. Während er noch beschäftigt war, seine politische Macht nach innen zu konsolidieren, arbeitete Mustafa Kemal sich auch in die Feinheiten der Außenpolitik ein. Obwohl er auf diesem Gebiet über keinerlei Erfahrung verfügte, lief er den defätistischen Diplomaten des Sultans mit Leichtigkeit den Rang ab, hatten diese doch nur eine Option gekannt: die Kapitulation. Im August 1920 unterzeichneten sie den unerbittlichen Vertrag von Sèvres, durch welchen beträchtliche Anteile des durch den „Nationalpakt“ vom Februar 1920 für das türkische Volk in Anspruch genommenen Landes an Griechen, Armenier und Kurden fielen, während ein Großteil der restlichen osmanischen Gebiete in Einfluss- und Herrschaftsbereiche der Siegermächte aufgeteilt wurde. Mustafa Kemal, im Grunde ein unbeugsamer Verehrer des Westens, tat später alles in seiner Macht Stehende, um die Türkei zu einem Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft zu machen. An diesem Punkt zwangen ihn jedoch die Umstände, andere Allianzen einzugehen, die er mit bemerkenswertem Verhandlungsgeschick anbahnte. Seine größte Leistung in dieser Hinsicht stellte wohl der zunächst unwahrscheinliche Bündnisschluss mit der Sowjetunion dar. Indem er Lenin, Stalin und andere Sowjetführer als seine Genossen ansprach, überwand Mustafa Kemal seine private Abneigung gegenüber dem Kommunismus, um von der Konvergenz zwischen den strategischen Interessen der Sowjetunion und der Türkei zu profitieren, die sich durch die alliierte Besatzung der Türkei ergeben hatte.84 Um die misstrauischen Sowjets für sich zu gewinnen und ihre Unterstützung für seinen im Westen der Türkei geführten Krieg zu erlangen, machte Mustafa Kemal ihnen klugerweise Gebietszugeständnisse im Osten. Indem er seinen Pantürkismus der türkisch-nationalen Staatsräson unterordnete, überließ er so allerdings auch die aserbaidschanischen Nationalisten ihrem Schicksal in den Händen der Sowjets. Mustafa Kemals geschickte Verhandlungen mit der sowjetischen Führung mündeten schließlich in den zwischen beiden Regierungen im März 1921 geschlossenen Vertrag von Moskau, der einen Wendepunkt in der internationalen Anerkennung der türkisch-nationalen Regierung markierte. Im Gegenzug für die türkische Zustimmung zu einer förmlichen

Der Türkische Befreiungskrieg

Ausweitung des sowjetischen Machtbereiches auf den ehemals russischen Kaukasus erkannte die Sowjetunion die Grenzen der Türkei so an, wie sie im „Nationalpakt“ festgelegt worden waren; billigte die Abschaffung der „Kapitulationen“ genannten Privilegien, die der Sultan christlichen Völkern gewährt hatte (zur Bevorrechtigung derjenigen ihrer Angehörigen, die etwa im Osmanischen Reich Handel trieben); und verpflichtete sich schließlich, keinen weiteren völkerrechtlichen Vertrag die Türkei betreffend anzuerkennen, solange ihn nicht die Große Türkische Nationalversammlung zuvor ratifiziert hatte.85 Zusätzlich zu der Anerkennung der nordöstlichen Grenze der Türkei versprachen die Russen in einem geheimen Zusatzprotokoll die Zahlung von 10 Millionen Rubeln in Gold sowie die Bereitstellung ausreichender Waffen und Munition für zwei Divisionen, um den Kampf der türkischen Nationalregierung gegen den westlichen Imperialismus zu unterstützen.86 Erst der verlässliche Zustrom russischen Goldes und russischer Rüstungsgüter ermöglichte die Eröffnung eines Krieges gegen die Griechen und sicherte so die Unabhängigkeit der Türkei. Seine Kontakte zu den Sowjets halfen Mustafa Kemal zudem, freundschaftliche Beziehungen zu anderen muslimischen Staaten aufzunehmen. Der im März 1921 unter sowjetischer Ägide in Moskau geschlossene türkisch-afghanische Bündnisvertrag87 sollte in der Hauptsache ganz offenkundig ein Ärgernis für die Briten darstellen, die Afghanistan im Vertrag von Rawalpindi (1919) widerstrebend in die völlige Unabhängigkeit entlassen hatten. Die türkisch-nationale Regierung wurde so – und das war von überragender Bedeutung – von einem anderen muslimischen Staat offiziell anerkannt, zu Lasten der Regierung Seiner Kaiserlichen Hoheit des Sultans. Bei der Konfrontation mit den Alliierten, die nach dem Waffenstillstand von Moudros Teile des türkischen Kernlandes besetzt hielten, musste Mustafa Kemal dann schon ernstere diplomatische Hindernisse überwinden. Dabei ließ er sich von der jahrhundertealten osmanischen Tradition inspirieren, eine Großmacht gegen die andere auszuspielen, um so diplomatischen Spielraum zu gewinnen. Außerdem hatte er von seinen osmanischen Vorgängern gelernt, dass der Umgang mit den liberalen Demokratien Westeuropas weniger heikel war als das Ringen mit russischen Despoten oder österreichischen Autokraten. Obwohl freie Wahlen die Demokratien unberechenbar machten, konnten die daraus resultierenden – und

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Islamischer Kommunismus? 134

vergleichsweise häufigen – Regierungswechsel doch wiederum von Vorteil sein. Ein Beispiel hierfür bot die französische Parlamentswahl von 1920, die im Ergebnis Clemenceau durch andere, der Türkei gegenüber freundlicher gesinnte Politiker ersetzte: Staatsmänner wie etwa Alexandre Millerand, Aristide Briand und Raymond Poincaré. Doch die Positionsverschiebung in der französischen Diplomatie erwuchs nicht allein aus einem Personalwechsel an ihrer Spitze. Türkische Siege über die wohl eher symbolisch zu verstehenden französischen Kolonialtruppen in den besetzten Gebieten (und die armenischen Milizionäre, die jene in französische Uniformen gesteckt hatten) überzeugten die Franzosen davon, dass sie aus einer Fortsetzung der Feindseligkeiten wohl nur wenig zu gewinnen haben würden. Außerdem nutzte Mustafa Kemal geschickt seine Beziehungen zu syrischen Nationalisten aus, um die Franzosen davon zu überzeugen, dass ein Eintreten gegen den türkischen Nationalismus nicht in ihrem Interesse sein konnte. Ganz im Gegenteil: Unter den gegebenen Umständen werde eine gütliche Einigung womöglich die türkische Anerkennung des französischen Mandatsgebiets in Syrien mit sich bringen, von einer Protektion französischer Ordens- und Bildungseinrichtungen in der Türkei ganz zu schweigen. Mustafa Kemal machte es den Franzosen indes nicht leicht, indem er es unterließ, eine von seinem Abgesandten und dem französischen Ministerpräsidenten Briand bereits im März 1921 unterzeichnete Vorvereinbarung zu ratifizieren.88 Doch als das Geschick des Griechisch-Türkischen Kriegs sich den Türken zuzuneigen begann, verlor Frankreich plötzlich die Lust an seiner Rolle als Schutzmacht der Armenier und schlug stattdessen einen Friedensschluss zu Konditionen vor, die auch den türkischen Nationalisten akzeptabel erschienen. Im Vertrag von Ankara (Oktober 1921) gaben die Franzosen sämtliche Ansprüche auf Kilikien sowie die französisch besetzten Gebiete im Südosten der Türkei auf und stellten Garantien für die gesonderte Verwaltung des Sandschaks (Verwaltungsbezirks) von Alexandrette (İskenderun). Im Gegenzug erkannten die türkischen Nationalisten das französische Völkerbundmandat in Syrien an und verpflichtete sich, die französischen Interessen in der Türkei zu respektieren.89 Zusätzlich ließen die Franzosen, als Geschenk für die Nationalisten, ihre militärische Ausrüstung in der Türkei zurück – darunter zehn Flugzeuge – und versprachen für die Zukunft weitere Waffenlieferungen

Der Türkische Befreiungskrieg

gegen Bezahlung. In den Worten eines führenden britischen Diplomaten hatten „die Franzosen ganz elendig ihr Wort gebrochen“.90 Das Abkommen von Ankara bildete einen Meilenstein auf dem Weg zur internationalen Anerkennung der neuen nationalistischen Regierung in der Türkei. Die einzig nachteilige Konsequenz aus dieser Annäherung zwischen den türkischen Nationalisten und einer europäischen Kolonialmacht war, dass sie das Misstrauen von Mustafa Kemals ebenfalls neuen sowjetischen Verbündeten erregte – immerhin gaben sich er und seine Gefolgsleute zu jener Zeit noch immer als Kommunisten. In einem weiteren diplomatischen Coup nutzte Mustafa Kemal geschickt italienische Vorurteile gegen das „perfide Albion“ aus, um Italien von einer Einmischung in den Krieg abzuhalten. Nicht nur fühlten sich die Italiener von Lloyd Georges unbefristeter Unterstützung der griechischen Sache hintergangen; sie hatten sowieso nie hundertprozentig hinter der britischen Absicht gestanden, den Vertrag von Sèvres vollkommen buchstabengetreu umzusetzen. Wie zuvor schon die Franzosen, so unterzeichnete im März 1921 auch der turkophile italienische Außenminister Graf Carlo Sforza ein Abkommen mit den Nationalisten. Nach den Bestimmungen dieses Vertrags sollten die Italiener ihre Truppen aus Anatolien abziehen, die Souveränität der Türkei unter ihrer neuen Regierung anerkennen und einen für die Nationalisten in Ankara annehmbaren Friedensschluss unterstützen. Im Gegenzug sollte die Türkei den Italienern wirtschaftspolitische Zugeständnisse innerhalb jener Region machen, die im Vertrag von Sèvres als „italienische Einflusssphäre“ definiert worden war, und auch darüber hinaus, insbesondere mit Blick auf den Steinkohleabbau rund um Ereğli (dem antiken Herakleia Pontikē). Am Ende weigerte Mustafa Kemal sich, diese Vereinbarung in Kraft zu setzen, weil ihn deren wirtschaftliche Zugeständnisse allzu sehr an die verhassten osmanischen Kapitulationen erinnerten.91 Die Ablösung der Regierung Giovanni Giolittis durch jene Ivanoe Bonomis, dessen Außenminister, der Marchese Pietro Paolo Tomasi della Torretta, eine stärker probritische Politik verfolgte, verringerte in der Folge die Chancen auf einen erfolgreichen Vertragsschluss zwischen Italien und der Türkei. Tatsächlich waren die Italiener von den Maximalforderungen der türkischen Nationalisten derart frustriert, dass sie im April 1922 einen geheimen Handelsvertrag mit der kaiserlich-osmanischen Regierung

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Islamischer Kommunismus? 136

abschlossen; einem bewaffneten Konflikt mit den Nationalisten gingen sie jedoch bewusst aus dem Weg.92 Obwohl er sein Blatt in den Verhandlungen von 1921 überreizt hatte, gelang es Mustafa Kemal dennoch, sich die Italiener während des gesamten Krieges mit Griechenland vom Leib zu halten. Ein weiteres Ziel von Mustafa Kemals Diplomatie war es, sich das Wohlwollen der Vereinigten Staaten zu sichern. Denn trotz seiner vehementen – aber nur hinter verschlossenen Türen geäußerten – Kritik an all jenen, die sich für ein amerikanisches Schutzmandat aussprachen, verwarf er diese Möglichkeit nie öffentlich. In einem taktischen Manöver sandte er 1919 nach dem Kongress von Sivas sogar ein Telegramm an den US-Senat, in welchem er eine Abordnung des Senats in die Türkei einlud, um sich mit eigenen Augen ein Bild von der Situation vor Ort zu machen.93 Später empfing er eine amerikanische Militärmission, durch die er die Botschaft nach Washington übermitteln ließ, ein dauerhafter Frieden in der Türkei werde ohne die Kooperation der Nationalisten nicht zu haben sein. Das in der Folge zutage tretende amerikanische Desinteresse an einer Beilegung des Konflikts im Nahen Osten und die damit verbundene Abneigung gegen eine direkte Intervention gingen schließlich zulasten der Armenier. Diese neue politische Ausrichtung stellte für Mustafa Kemal eine große Erleichterung dar; unverzüglich schlug er vor, engere Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten zu knüpfen. So gelang es Mustafa Kemal durch harte diplomatische Arbeit, anstatt eines potenziell verhängnisvollen erneuten Konflikts mit den Siegermächten des Ersten Weltkriegs einen schon eher zu bewältigenden Krieg gegen die Griechen zu führen, die in diesem Stellvertreterkrieg im britischen Interesse kämpften. Anders als die ängstlichen, defätistischen Vertreter der kaiserlich-osmanischen Regierung zog Mustafa Kemal den – völlig richtigen – Schluss, dass sich die kriegsmüden europäischen Großmächte keine größere militärische Konfrontation im Nahen Osten mehr leisten würden und die Griechen, unabhängig von aller materiellen Unterstützung, die sie erhalten mochten, auf keinen Fall einen anhaltenden – und noch dazu mitten im türkischen Kernland geführten – militärischen Konflikt gegen die Türkei würden gewinnen können. Die türkisch-nationalen Bestrebungen profitierten auch von einer gewissen Ernüchterung der öffentlichen Meinung in den Ländern der Alliierten, was das „anatolische Abenteuer“ der Griechen an-

Der Türkische Befreiungskrieg

ging. Diese Distanzierung hatte mit der Rückkehr des deutschfreundlichen Königs Konstantin I. auf den griechischen Thron eingesetzt (Konstantin war 1917 gezwungen worden, zugunsten seines zweitgeborenen Sohnes abzudanken), die bald im Anschluss an den Tod von König Alexander im Oktober 1920 erfolgt war. Der anschließende Rücktritt des griechischen Premierministers Eleftherios Venizelos, den Lloyd George für den „größten griechischen Staatsmann seit Perikles“ gehalten hatte,94 tat ein Übriges, die Sympathien in den Ländern der Entente weiter abkühlen zu lassen. Am Ende des Jahres 1921 schien Lloyd George der einzig verbliebene Spitzenpolitiker zu sein, der weiterhin glaubte, ein griechischer Sieg könne den widerspenstigen türkischen Nationalisten eine Akzeptanz der in Sèvres vereinbarten Bedingungen aufzwingen. So erklärte der britische Premier, die Griechen seien „das Volk der Zukunft im östlichen Mittelmeerraum. … Sie verkörpern die christliche Zivilisation angesichts der türkischen Barbarei“.95 Derlei Schmeicheleien hielten zahlreiche Konservative in Lloyd Georges nationalliberaler Koalition für irrelevant; jedenfalls bedeuteten sie in dem Kampf auf Leben und Tod, den griechische Irredentisten und türkische Nationalisten im Westen Anatoliens ausfochten, so gut wie nichts. So, wie Mustafa Kemal während des türkischen Unabhängigkeitskampfes zur politischen Führungspersönlichkeit und zu einem Staatsmann von Format avancierte, lässt sich ein ähnlich steiler Aufstieg für seine Stellung als Oberbefehlshaber der türkischen Armee beobachten. Die Invasion des türkischen Kernlandes durch eine stattliche griechische Expeditionsarmee im Frühjahr 1919 – von Großbritannien ausgerüstet und durch osmanische Freiwillige verstärkt –, machte eine wohlkoordinierte Reaktion auf nationaler Ebene unumgänglich. Die griechischen Truppen, die von der griechischen Bevölkerung der kleinasiatischen Ägäisküste als Befreier bejubelt wurden, hegten die epochale Hoffnung, die jahrhundertealte Megali Idea, die „Große Idee“ des griechischen Irredentismus – nämlich die Schaffung eines riesigen, alle ethnischen Griechen umfassenden Gemeinwesens im östlichen Mittelmeerraum – nun endlich in die Tat umsetzen zu können. Der Enthusiasmus ihrer griechischen Verbündeten war den Briten eine wahre Freude. Aber zugleich sorgten die weitgesteckten expansionistischen Ambitionen der griechischen Kämpfer sowie ihre Kreuzfahrerrhetorik von einem Kampf „Kreuz gegen Halbmond“ für eine entschlossene Gegenwehr

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Islamischer Kommunismus? 138

seitens der so Angegriffenen. Die Landung griechischer Truppen in İzmir (Smyrna) im Mai 1919 erzielte deshalb ein regelrechtes Zusammenschweißen der öffentlichen Meinung in der Türkei, die nun – über alle politischen Gräben hinweg – zum Widerstand aufrief: Das war der Ausgangspunkt des Türkischen Befreiungskrieges. Als Mustafa Kemal die Führung der nationalistischen Bewegung übernahm, hatten einheimische Banden mit der Unterstützung regulärer Truppen bereits begonnen, Widerstand gegen die griechische Besatzung zu leisten. Die ägäischen Regionen Anatoliens waren verschrien ob der dort ihr Unwesen treibenden Räuberhorden. Ein besonders berüchtigter Bandit, Çakırcalı Mehmed Efe, hatte dort in der hamidischen Ära die ganze Gegend in Angst und Schrecken versetzt und als eine Art lokaler „Warlord“ einen praktisch autonomen Herrschaftsbereich geschaffen. Während der jungtürkischen Revolution suchte das KEF, das schon in Makedonien erfolgreich muslimische Räuberbanden in revolutionäre Stoßtrupps verwandelt hatte, auch Mehmed Efe zu rekrutieren – ohne Erfolg.96 Die griechische Invasion motivierte jedoch selbst die obrigkeitsfeindlichsten Gesetzlosen, sich mit der nationalen Sache zu solidarisieren. Ihre Reihen waren bereits dicht besetzt mit Deserteuren und ehemals Dienstpflichtigen, die im Ersten Weltkrieg vor ihrer Einberufung davongelaufen waren; nun begannen diese Banden, sich in Partisaneneinheiten für den nationalen Widerstand zu verwandeln. Zugleich gaben Offiziere der regulären Armee Waffen an nationalistische Freiwillige aus, die von den örtlichen Gliedern des KEF in „nationale Kampfgruppen“ eingeteilt wurden. Diese einheimischen Banden und Freiwilligenverbände, die das Gelände gut kannten und auf die Unterstützung der muslimischen Bevölkerung bauen konnten, setzten den heranrückenden Griechen zu, wo sie nur konnten, und verlangsamten so deren Vormarsch. Sie unterstützten außerdem die Nationalisten bei der Niederschlagung von Unruhen, welche die Zentralregierung in Istanbul angestiftet hatte. Obwohl Mustafa Kemal den Beitrag dieser irregulären Kräfte zu den Kriegshandlungen der nationalistischen Regierung durchaus zu schätzen wusste, war er doch strikt dagegen, ihnen eine Schlüsselrolle in den Kämpfen an der westlichen Front zu übertragen. Einheimische Milizen waren Gold wert, wenn es um das Brechen der ersten griechischen Angriffswelle

Der Türkische Befreiungskrieg

ging, aber sie waren nicht kompatibel mit einer zentralisierten Kommandostruktur, wie sie der nationalistischen Regierung vorschwebte. Aufsässig und raublustig, führten sie willkürliche Strafaktionen durch, erpressten Geld von den Reichen, erhoben nach Gutdünken Steuern und andere Abgaben und widersetzten sich ganz allgemein der militärischen Befehlskette. Als Kadett hatte Mustafa Kemal Guerillaeinheiten und ihre Taktiken studiert,97 und als ein osmanischer Offizier makedonischer Herkunft hatte er den größten Guerillakrieg der neueren Geschichte mitverfolgt. Er wusste, dass die christlichen Freischärler in Makedonien dem osmanischen Staat über Jahrzehnte einen außerordentlich zähen Widerstand geleistet hatten. Dennoch hatte das Osmanische Reich Makedonien am Ende nicht jenen irregulären Kämpfern überlassen müssen, sondern den überlegenen, besser ausgerüsteten Armeen der Balkanstaaten. Zuerst beschloss er, die anatolischen Guerilleros zu bewaffnen, auszubilden und unter ein strenges Militärkommando zu stellen; später plädierte er für ihre Auflösung. Das wiederum verursachte einen kleinen Bürgerkrieg, in dem sich Mustafa Kemal und die Regierung in Ankara schließlich durchsetzten.98 In der Zwischenzeit war im Juni 1920 eine griechische Offensive angelaufen, die schnell einen großen Teil Westanatoliens und Ostthrakiens unter griechische Kontrolle gebracht hatte. Nun standen die beiden frühen Hauptstädte des Osmanischen Reiches Bursa und Edirne unter griechischer Besatzung, zusammen mit einer Vielzahl anderer bedeutender Städte. Für die türkischen Nationalisten hätte die militärische Lage schlechter kaum sein können. Im Januar 1921 begannen die Griechen einen weiteren Vorstoß, der die Überreste der türkischen Westfront brechen sollte. Diesmal jedoch hielten die türkischen Truppen stand; bei İnönü gelang es ihnen, den griechischen Vormarsch zu stoppen. Im März glückte es einer erneuten griechischen Offensive in derselben Gegend nicht, nennenswerte Vorstöße zu erreichen, doch ein Generalangriff der Griechen im Juli überwältigte die türkischen Verteidigungslinien. Als Reaktion darauf übernahm Mustafa Kemal umgehend das persönliche Oberkommando und befahl einen geordneten Rückzug an der ganzen Westfront. Das gesamte türkische Heer zog sich nach Nordosten an den Fluss Sakarya (Sangarios) zurück, um dort die strategische Verteidigung Ankaras zu organisieren. Am 4. August 1921 brachte Mustafa Kemal einen Gesetzesentwurf zur Abstimmung, mit dem

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ihm selbst das Recht zugestanden werden sollte, sämtliche Befugnisse und Vorrechte der Großen Nationalversammlung in seiner Person zu vereinen und zudem den alleinigen Oberbefehl über das türkische Militär zu übernehmen. Gegen den erbitterten Widerstand zahlreicher Abgeordneter, die als Ergebnis dieser Maßnahme die Errichtung einer Diktatur fürchteten, wurde der Vorschlag angenommen.99 Unmittelbar im Anschluss daran begab sich Mustafa Kemal aus dem Parlament an die Front. Das von den türkischen Truppen zu verteidigende Gelände war ohne Befestigungsanlagen, weshalb er an alle Einheiten den Befehl ausgab, ihre Stellung zu halten, ohne sich dabei an einer bestimmten Verteidigungslinie zu orientieren. Alle verfügbaren Reserven wurden nach vorn an die Front geworfen. Im August versuchten die überlegenen griechischen Truppen, den türkischen Widerstand zu brechen und Ankara einzunehmen. Doch trotz schrecklicher Verluste – unter anderem fielen rund 80 Prozent des türkischen Offizierskorps – kämpften die türkischen Soldaten verbissen weiter und konnten die Griechen so, nach drei Wochen blutigen Schlachtens, im September 1921 vorerst zum Rückzug zwingen, woraufhin die Griechen ihrerseits am Westufer des Sakarya in Verteidigungsstellung gingen. Zur Feier dieses Sieges ernannte die Große Türkische Nationalversammlung Mustafa Kemal zum Feldmarschall und verlieh ihm zudem den Ehrentitel Gazi („Gotteskrieger“). Ohne Rücksicht auf seine generelle Abneigung gegenüber religiöser Symbolik schätzte Mustafa Kemal dieser Auszeichnung auf das Höchste und machte den Titel später sogar offiziell zu einem Teil seines Namens.100 An diesem Punkt des Krieges traf Mustafa Kemal – entgegen dem Drang, aus der Wucht der erfolgreichen Verteidigung heraus eine Gegenoffensive zu starten – eine riskante Entscheidung. Er hielt inne, um seine Truppen besser auf einen Generalangriff gegen die Griechen vorbereiten zu können, verkündete dann die allgemeine Mobilmachung und begann eine großangelegte Einberufungskampagne. Sein Zeitgenosse Winston Churchill sollte später schreiben, dass diese kühne Entscheidung eines gezeigt habe: „Er war auch fähig – und in der Tat völlig damit zufrieden – einmal abzuwarten; fähig noch dazu, andere von der Notwendigkeit dieses Wartens zu überzeugen, damit sie mit ihm warteten.“101 Seit seiner Zeit als Kadett der Kaiserlich-Osmanischen Militärakademie hatte sich Mustafa Kemal

Der Türkische Befreiungskrieg

gewünscht, einmal seine Nation in eine Großoffensive nach japanischem Vorbild führen zu können. Nun war dieser Moment – sein Moment – endlich gekommen: Am 26. August 1922 begann die langerwartete Offensive. Es war dies das erste Mal seit 1897, dass osmanische oder türkische Truppen einen solchen Generalangriff unternahmen. Am 9. September erreichte das türkische Heer bei İzmir die Küste. Die Griechen hatten eine verheerende Niederlage erlitten und Mustafa Kemal, der sämtliche Rechte und Pflichten der Großen Nationalversammlung auf sich genommen hatte, war der große Triumphator. Die griechische Niederlage wiederum löste die sogenannte „Chanakkrise“ aus (nach der englischen Bezeichnung für die Stadt Çanakkale an den Dardanellen), während derer Großbritannien kurz davor war, gegen einen türkischen Sieg selbst zu intervenieren, um einen Verlust der Kontrolle über die strategisch so bedeutsame Meerenge zu verhindern. Die Krise erreichte ihren Höhepunkt, als Mustafa Kemal sich weigerte, die alliierte Neutralitätszone zu respektieren, und seinen Truppen befahl, sich für das Übersetzen nach Rumelien bereitzuhalten. Am Ende verhinderte ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren, dass es zu einem Waffengang kam: Mustafa Kemals gekonnt waghalsiges Spiel mit dem Feuer, französische Vermittlung, eine starke Antikriegsstimmung in Großbritannien und seinen Herrschaftsgebieten sowie der Widerwille des britischen Kommandeurs in Istanbul gegen die Anwendung offener Gewalt spielten hierbei friedenswahrend zusammen.102 Am 11. Oktober erklärte sich die nationalistische Regierung klugerweise bereit, einen Waffenstillstand zu unterzeichnen – unter der Bedingung eines vollständigen Rückzugs der Griechen aus Ostthrakien nach Maßgabe der Grenzen vor 1914. Endlich, nach langer Zeit, schwiegen die Waffen. Als Politiker, Diplomat und Feldherr hatte Mustafa Kemal einen langwierigen und beschwerlichen Kampf an drei Fronten geführt. In kaum vier Jahren war er vom abtrünnigen General eines zerfallenden Reiches zum uneingeschränkten Herrscher einer aufstrebenden Nation emporgestiegen. Nun hatte er die beispiellose Gelegenheit, aus den Überresten eines hinfälligen Sultanats einen neuen Nationalstaat zu formen.

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6.

Die säkulare Republik

Bis zum Herbst 1922 verbreiteten sich der Name und der Ruhm Mustafa Kemals in der ganzen muslimischen Welt. Überall wurde er als Held gefeiert, der seine Nation zum Sieg geführt hatte – zu einem Sieg, der sich durchaus mit dem Triumph der Japaner von 1905 vergleichen ließ. Er hatte den scheinbar unangreifbaren Siegermächten des Ersten Weltkriegs die Stirn geboten und sie gezwungen, ihre Pläne einer oktroyierten Neuordnung für das Osmanische Reich fallenzulassen. Er hatte in einer von christlichen Großmächten dominierten Welt eine neue, vollkommen unabhängige muslimische Nation begründet und in einem Krieg triumphiert, der als Kampf der islamischen Welt gegen den westlichen Imperialismus dargestellt worden war. Mustafa Kemal blieb auf lange Zeit ein Vorbild: für die Intellektuellen in der Dritten Welt, aber auch für so unterschiedliche Staatsmänner wie den atheistischen Hinduführer Jawaharlal Nehru und den frommen, antiwestlich eingestellten Muslim und Dichter aus dem Pandschab Sir Muhammad Iqbal. Gleichermaßen war ihm, aufgrund des stets betont anti-imperialistischen Charakters des Türkischen Befreiungskrieges, die Bewunderung des sozialistischen Lagers gewiss – trotz seiner rücksichtslosen Unterdrückung der türkischen Linken. Die Gestalt Mustafa Kemals war in der muslimischen Welt auch dann noch von großer Bedeutung, als seine radikal-säkularen Reformen sein vorheriges pro-islamisches Gebaren ad absurdum geführt hatten. Als er starb, verkündete die „Allindische Muslimliga“, die auf seine Abschaffung des Kalifats noch mit lautem Wehgeschrei reagiert hatte, ihren großen Kummer über den Tod einer „wahrhaft großen Persönlichkeit der islamischen Welt, eines großen Generals und großen Staatsmanns“. Sein

Andenken, erklärte die Liga, werde auch weiterhin „Muslime auf der ganzen Welt zu Tapferkeit, Beharrlichkeit und Mannhaftigkeit anhalten“.1 Wenn es nach den Erwartungen der breiten Öffentlichkeit ging, standen Mustafa Kemal im Jahr 1922 im Wesentlichen zwei Wege zu einer globalpolitischen Führungsrolle offen: Er konnte entweder den osmanischen Besitz des Kalifats zu seinem Vorteil nutzen und seinen Führungsanspruch auf der Grundlage des Panislamismus errichten; oder er konnte sich als anti-imperialistisches Vorbild für die Sozialisten Asiens und Afrikas in Szene setzen. Doch just an diesem entscheidenden Punkt ließen sich Mustafa Kemals türkistische, szientistische und letztlich prowestliche Neigungen nicht länger verleugnen. In der Folge führten sie ihn und auch die türkische Nation auf jenes unerforschte Terrain, auf dem

Abb. 10 Diese Postkarte aus dem Jahr 1922 zeigt Mustafa Kemal gemeinsam mit zwei anderen muslimischen Helden: Scheich Ahmad al-Sanusi und dem Sultan Saladin.

Die säkulare Republik 144

sich leidenschaftlicher Nationalismus mit einer extremen Parteinahme für den westlichen Säkularismus verband. Der Szientismus diente dabei als popularphilosophischer Deus ex Machina, der den äußeren Rahmen für diesen Säkularismus neuen Typs bereitstellte und so Mustafa Kemals Sicht auf den Islam entscheidend prägte. Zusätzlich vermengte er diese Erkenntnisse, die er aus dem deutschen Vulgärmaterialismus gewonnen hatte, mit solchen, die aus dem Positivismus stammten, und las die türkischen Übersetzungen von Schriften wie etwa Leone Caetanis Annali dell’Islām mit höchster Aufmerksamkeit.2 Mustafa Kemal scheint mit dem italienischen Orientalisten in einer Reihe von Punkten vollkommen einer Meinung gewesen zu sein, namentlich darin, dass die Offenbarung des Islam als ein von der muslimischen Tradition fabrizierter Mythos anzusehen sei;3 dass Muḥammad den Koran selbst verfasst habe;4 dass der Prophet viele Gebräuche aus dem Judentum übernommen habe5 und dass, schließlich, die treibende Kraft bei der Ausbreitung des Islam nicht religiöser Eifer gewesen sei, sondern die Raublust der arabischen Stammeskrieger.6 Als Präsident der Türkischen Republik wagte er es sogar, (vorsichtigen) Gebrauch von Caetanis Worten zu machen, als er einmal ein Kapitel über die Frühzeit des Islam für das offizielle Geschichtslehrbuch zum Gebrauch an den staatlichen Oberschulen verfasste.7 Nach Mustafa Kemals Vorstellung sollte der Nationalismus die Religion ersetzen, und zwar durch eine radikale Umdeutung des Islam aus einer türkisch-nationalen Perspektive. Im Einklang mit Caetani war er der Ansicht, dass der Islam erst dann „eine wirkliche Religion und ein Glaubenssystem“ geworden sei, als die muslimischen Araber begonnen hatten, nichtarabische Völker zu unterwerfen.8 Ein Kapitel des bereits erwähnten Schulbuches, das unter seiner Ägide zusammengestellt wurde, beschreibt diesen Prozess als den Beginn eines „arabisch-türkischen Machtkampfes“, in welchem „Ströme von Beduinenhorden sich aus den Wüsten Arabiens ergossen und, nachdem sie sich durch iranische Täler gewälzt hatten, auf die kultivierten und wohlhabenden [türkischen Städte] zufluteten“.9 Wie er es später – weniger bildmächtig – ausdrückte, war der Islam ein im Wesentlichen arabischer Glaube und ein Vehikel des arabischen Machtstrebens: „Auch die Türken waren eine große Nation

gewesen, bevor sie die Religion der Araber annahmen.“ Allerdings habe die „arabische Religion … die nationalen Bande der türkischen Nation gelockert“ sowie

Man muss nicht eigens betonen, dass die Umsetzung von Mustafa Kemals Projekt, diese „betäubte“ Nation durch die Errichtung eines säkularen, republikanisch verfassten und szientistisch unterfütterten Nationalstaats „wiederzuerwecken“, wohl überall in der nicht-westlichen Welt einer Herkulesaufgabe gleichgekommen wäre – um wie viel unwahrscheinlicher war sie in einer konservativen muslimischen Gesellschaft in den 1920er-Jahren! Auf eine gewisse Weise war die Herausforderung sogar noch größer als jene, der sich die Bolschewiki gegenübergesehen hatten, denn der MarxismusLeninismus eignete sich um einiges besser zur Entwicklung effektiver Regierungstechniken als der doch eher grobschlächtige Szientismus vulgärmaterialistischer Prägung. Von einem entscheidenden Vorteil profitierte Mustafa Kemal allerdings doch: Das waren die ausgeklügelten Pläne für eine zukünftige Gesellschaftsordnung, welche die spätosmanischen Szientisten schon während der „Zeit der Zweiten Verfassung“ (1908–1918) ausgearbeitet hatten. Obwohl der größte Teil des osmanischen Establishments – und mit ihm ein Großteil der restlichen Gesellschaft – derlei Vorstellungen als Hirngespinste einiger randständiger Intellektueller abtat und die religiösen Eliten sie als regelrechte Ketzerei brandmarkten, konnte der große Sieg von 1922 doch den revolutionären Moment herbeiführen, in dem einem wahrhaft von der säkularen Sache Überzeugten die tatsächliche Umsetzung dieser Visionen gelingen mochte.

Die säkulare Republik

nationale Gefühle und jegliche Begeisterung für die Nation betäubt, weil das Ziel der von Muḥammad begründeten Religion seinerseits eine Politik des eigentlich arabischen Nationalismus auf den Plan rief. … Diejenigen, welche die Religion des Muḥammad annahmen, mussten ihre eigene Identität unterdrücken und ihr Leben der Verherrlichung Allāhs bis in alle Ecken der Erde widmen. … Unter diesen Umständen ähnelte die türkische Nation jenen, die den Koran auswendig lernen, ohne die Bedeutung auch nur eines einzigen Wortes zu verstehen, und daraufhin senil werden.10

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Die säkulare Republik 146

Der nationalistische Triumph von 1922 ließ die Ideologie des Osmanismus in der Bedeutungslosigkeit versinken. Die überstaatliche Identität, die dieser versprochen hatte, entsprach schlicht nicht den politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeiten der Nachkriegszeit, in der außer den Türken lediglich eine weitere nennenswerte Bevölkerungsgruppe in der Türkei verblieben war: die Kurden. In ähnlicher Weise konnte die überkommene Institution des Kalifats – obgleich in vielen Weltgegenden auch außerhalb des früheren Osmanischen Reiches geachtet und verehrt – nur noch von geringem Nutzen sein, wenn es um die Belange des neuen türkischen Staates ging. Das galt umso weniger, da einflussreiche muslimische Bevölkerungsgruppen, die vormals zur Aufrechterhaltung der osmanischen Herrschaft auf dem Balkan und in den Gegenden des Fruchtbaren Halbmonds unverzichtbar gewesen waren – nämlich die Albaner und die Araber –, sich nun von diesem Reich losgesagt hatten. Diese unumstößlichen Tatsachen führten, zusammen mit Mustafa Kemals türkisch-nationaler Geisteshaltung und seiner festen Überzeugung, die säkulare Reform in einem Land sei das einzig durchführbare Projekt, schließlich dazu, dass der Held des Türkischen Befreiungskrieges sich auf dem besten Weg befand, den Osmanismus als Staatsideologie ganz und gar zu verwerfen. Der erste Schlag gegen die alte Ordnung fiel unmittelbar nach dem Sieg der Nationalisten. Seit ihrem Zusammentreten hatte die Regierung in Ankara als eine ihrem Wesen nach republikanische Institution gewirkt, obwohl nie offiziell erklärt worden war, dass es sich bei dem neuen Staat um eine Republik handle. In jener frühen Zeit hatte Mustafa Kemal – nicht ohne Grund – befürchtet, schon die kleinste Bezugnahme auf die republikanische Tradition werde den Erfolg der Kriegsanstrengungen leichtfertig aufs Spiel setzen, da sie ja immer die implizite Ankündigung mit sich brachte, nun werde das altehrwürdige Sultanat sang- und klanglos abgeschafft. Nachdem jedoch der Sieg erst einmal errungen war, fühlte Mustafa Kemal sich souverän genug, die Öffentlichkeit langsam auf die geplante Abschaffung des Sultanats zugunsten einer Republik vorzubereiten. Wie Jean-Jacques Rousseau sah er das Hauptziel einer Republik nicht darin, persönliche Freiheit zu ermöglichen, sondern vielmehr darin, dem „Gemeinwillen“ zum Ausdruck zu verhelfen.11 Wie vor ihm Niccolò Machiavelli glaubte er, dass eine wahre Republik unter allen Umständen ihre nationale Stärke

Der Grund dafür, dass sich unter unseren Kriegsgefangenen nicht auch der griechische König befindet, liegt darin, dass Monarchen dazu neigen, lediglich an den Vergnügungen ihres Volkes teilzunehmen. In schweren Zeiten denken sie ausschließlich an ihre Paläste.16 Mit einer noch direkteren Bezugnahme auf den osmanischen Monarchen erinnerte er sodann sein Publikum daran, dass jene Mächte, die den Griechen solche bedeutenden Städte wie İzmir und Bursa einfach ausgeliefert hatten, keinerlei wirkliche Bindung an die Nation besaßen und dass die Errettung des Vaterlandes nicht eher begonnen hatte, als dass „Wille und Votum der Nation begannen, ihr Schicksal ohne Einschränkung selbst zu bestimmen“.17 Wie ein Scharfschütze in seiner Deckung nahm Mustafa Kemal sein Opfer aufs Korn – aber noch drückte er nicht ab.

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sichern müsse – selbst auf Kosten der persönlichen Freiheit. Weiter hielt er die dynastische Herrschaftsform für einen Anachronismus, der besser heute als morgen durch die Republik abgelöst werden sollte – durch jenes „wunderbare Heilmittel, das die Menschheit nach einem Kampf von 400 Jahren endlich gefunden hat“.12 Sein großes Vorbild war die Dritte Französische Republik (1870–1940), die er als ideale Republik und als das erfolgreichste Regierungsmodell betrachtete, das die Geschichte bis dato hervorgebracht hatte. Er begrüßte den militanten Antiklerikalismus der französischen Regierung, ihre kämpferische laïcité und ihre idealistische solidarité, wie sie Alfred Fouillée beschrieben hat.13 Mustafa Kemal konnte auch dem französischen Etatismus, den er aus den Werken von Charles Gide kannte, einiges abgewinnen.14 Für wie nachahmenswert er das politische System des zeitgenössischen Frankreich tatsächlich gehalten hat, mag man daran ermessen, dass er türkische Übersetzungen von Studien über das Parteiensystem der Dritten Republik eigens für seine persönliche Lektüre hat anfertigen lassen.15 Das hauptsächliche institutionelle Hindernis auf dem Weg zu einer Nachahmung der Dritten Republik in der Türkei war das 600 Jahre alte Sultanat. In einem Appell an die türkische Nation, der unmittelbar nach dem Sieg gegen die Griechen verbreitet wurde, deutete Mustafa Kemal seine diesbezüglichen Pläne bereits an:

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Wäre der osmanische Sultan nicht zugleich auch der Kalif der sunnitischen Muslime gewesen, seine Absetzung hätte weniger Schwierigkeiten bereitet. Aber im Herbst 1922, unmittelbar nach einem Krieg, der vorgeblich im Namen des Islam geführt worden war, hätte ein radikaler Wechsel hin zu einer Republik ohne Kalifen zweifellos zum offenen Aufruhr geführt. Mustafa Kemal ging deshalb umsichtig zu Werke, wies die Große Türkische Nationalversammlung zunächst an, das Kalifat vom Sultanat zu trennen und anschließend, am 1./2. November 1922, das Letztere abzuschaffen. Indem er so handelte, ergriff er eine Gelegenheit, die ihm die Bitte des Großwesirs in Istanbul verschafft hatte – zunächst an ihn selbst, Mustafa Kemal, dann erst an die Nationalversammlung gerichtet –, die Regierung in Ankara solle doch mit der Regierung in Istanbul zusammenarbeiten, indem man eine gemeinsame Delegation zu den Friedensverhandlungen nach Lausanne entsenden möge.18 Die Große Türkische Nationalversammlung, die es überhaupt nicht einsah, ihren großen Triumph und ihre neugewonnene Machtfülle mit irgendjemandem zu teilen – und am wenigsten mit der Marionettenregierung des Sultans! – reagierte mit Empörung. Von einem theologisch-dogmatischen Standpunkt aus gesehen war es mit Beginn des 20. Jahrhunderts äußerst problematisch geworden, das Kalifat vom Sultanat abzutrennen und somit eine religiöse Repräsentationsfigur ohne Regierungsgewalt zu schaffen. Trotz der ursprünglichen Verschmelzung weltlicher und geistlicher Macht im frühen islamischen Staat hätte eine Trennung von Kalifat und Sultanat einige Jahrhunderte später, als diese tatsächlich zu zwei (in der Regel) ziemlich unterschiedlichen Institutionen geworden waren, kaum für Aufsehen gesorgt. In der Tat hatte der Gelehrte al-Māwardī (gest. 1058) eine solche Trennung im 11. Jahrhundert im Grunde für legitim erklärt.19 Auch die ʿulamā᾽ im Ägypten der Mamlukenzeit hatten eine ähnliche Lösung akzeptiert.20 Und doch wurde, was das Verhältnis beider Ämter zueinander anging, die Vorstellung von einer Untrennbarkeit von Kalifat und Sultanat langsam aber sicher zur herrschenden Auffassung unter den islamischen Rechtsgelehrten. Die osmanische Tradition sollte auf diesen Punkt in späteren Jahren noch ausführlicher eingehen, um den Anspruch des osmanischen Sultans auf die Führung beider Titel zu untermauern. Daher sprachen sich diejenigen unter den ʿulamā᾽, die zugleich Abgeordnete der Großen Nationalversammlung waren, deutlich gegen die

Trennung der beiden Ämter aus, deren Untrennbarkeit sie ja zuvor – und gewissermaßen von Amts wegen – vehement beschworen hatten. Während einer besonders turbulenten Sitzung der „Kommission für sharīʿa und Justiz“ beendete Mustafa Kemal die Debatte, indem er auf einen Tisch sprang und eine kategorische Warnung aussprach:

Als Antwort auf diese frostige Rede beeilten sich die Kommissionsmitglieder, sichtlich erschüttert von so viel Offenheit, ihren Lapsus zu erklären: Sie hätten das Problem ja lediglich von einem theoretischen Gesichtspunkt aus erörtern wollen und seien nun „erleuchtet“ durch Mustafa Kemals klärende Worte. Seinen Vorschlag nahmen sie selbstverständlich an und übermittelten ihn zur weiteren Beratung an die Nationalversammlung.22 Um während der nun folgenden Parlamentsdebatten über seinen radikalen Vorschlag genügend Abgeordnete auf seine Seite zu ziehen, sprach Mustafa Kemal in seinem Redebeitrag wie ein muslimischer Gelehrter und ein nationalistischer Ideologe zugleich. Der religiöse Gehalt seiner durchdachten und präzise einstudierten Ansprache stammte aus seiner schon 1920 umfangreichen Lektüreerfahrung auf diesem Gebiet, namentlich seinen Studien über die ersten 24 Jahre des islamischen Staates.23 Seine türkistischen Argumente bezog er aus seiner eigenen Interpretation der türkischnationalen Debatte zur Zeit der Zweiten Verfassung sowie aus einem Werk des 18. Jahrhunderts : Joseph de Guignes’ Histoire générale des Huns, des Turcs, des Mogols et des autres Tartares occidentaux.24 In seiner langen, detaillierten und, insgesamt betrachtet, unkonventionellen Rede feierte Mustafa Kemal nun die glorreiche Vergangenheit des türkischen Volkes. Wenn wir seiner Darstellung folgen, hatte Noah einen Enkel namens Turk; dieser sei der Ahnherr der türkischen Nation gewesen. Obwohl über die vor-

Die säkulare Republik

Weder die Souveränität noch das Sultanat erlangt man in Debatten oder Diskussionen. … Jetzt ergreift … die türkische Nation ihre eigene Souveränität, und sie ergreift sie selbst. Das ist … eine vollendete Tatsache. … Wenn die Versammlung … dies einfach akzeptieren würde, wäre es meiner Ansicht nach das Beste. Wenn sie es nicht tut, wird die Wahrheit dieser Tatsache … früher oder später ihren Ausdruck finden; und dabei werden durchaus Köpfe rollen.21

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geschichtlichen Leistungen dieses großartigen Volkes bedauerlicherweise nicht viel gesagt werden könne, hätten die Türken doch vor über 1500 Jahren in Zentralasien Gemeinwesen von imposanten Ausmaßen gegründet. Dann sei es zur Begegnung mit den Arabern gekommen, einem anderen großen Kulturvolk, das noch dazu von seinem Anführer Muḥammad – dem letzten der zur Belehrung der Menschheit entsandten Propheten – inspiriert worden sei, eine neue Religion anzunehmen. Nach Muḥammads Tod war das Kalifat als Regierungsform entstanden, doch die rasche Ausbreitung des Islam habe das Fortbestehen des Kalifats – zumindest in dessen ursprünglicher Form – nach den ersten vier, den „rechtgeleiteten“ Kalifen, unmöglich gemacht.25 In der Folge seien überall in der muslimischen Welt miteinander rivalisierende Sultanate entstanden, die Anspruch auf dieses heilige Amt erhoben hätten. Während dieser Zeit sei es gewesen, dass die Türken den Kaukasus, Anatolien, Iran und Irak erobert und die abbasidischen Kalifen zu bloßen Vasallen degradiert hätten. Danach hätten die Türkenherrscher die Existenz des Kalifats als einer eigenständigen Institution innerhalb ihres prachtvollen Staates nurmehr toleriert. Wenn, wie Mustafa Kemal darlegte, der große seldschukische Sultan Malik Şah (gest. 1092) nur gewollt hätte, so hätte er den Kalifentitel ohne große Mühe für sich selbst beanspruchen können – und doch habe er es vorgezogen, den Kalifen in Bagdad zu belassen und lediglich die Berufung eines seiner eigenen Enkel zum Kalifen betrieben. Die Situation im Jahr 1922, so Mustafa Kemals geschickte Argumentation, war verblüffend ähnlich. Entsprechend sei es nur angebracht, wenn die Große Türkische Nationalversammlung, die ja nun die nationale Souveränität und die weltliche Herrschaft repräsentiere, mit einem Kalifen koexistiere, der seiner weltlichen Macht vollkommen beraubt sei. Tatsächlich würde, wie er hervorhob, der religiöse Status einer solchen rein geistlich gefassten Autorität denjenigen von Malik Şahs Kalifen noch übertreffen, während eine Gewaltenteilung zwischen weltlicher und geistlicher Herrschaft eine Wiederholung des von dem gegenwärtigen Sultan Mehmed VI. an den Tag gelegten treulosen Verhaltens in der Zukunft verhindern werde.26 Im Laufe dieses im Wesentlichen theologischen Redestroms hatte Mustafa Kemal schließlich drei entscheidende Punkte berührt. Erstens hatte er die Entwicklung des Kalifats strikt in ihrem geschichtlichen Zusammenhang dargestellt, nicht als religiöse Angelegenheit. Zweitens hatte er eine

Die säkulare Republik

fundamentale Entkopplung von Souveränität und Kalifat vorgenommen (das heißt: eigentlich hatte er sie vorausgesetzt). Drittens hatte er implizit die gängige und auch von den ʿulamā᾽ vertretene Meinung zurückgewiesen, Kalifat und Sultanat seien untrennbar aneinander geknüpft. Wie sehr Mustafa Kemals Ansicht sich von der muslimischen Mehrheitsmeinung in einem Land wie beispielsweise Ägypten unterschied, zeigte drei Jahre später der Fall des an der renommierten Kairoer Al-Azhar-Universität ausgebildeten Juristen ῾Alī ῾Abd al-Rāziq, der in seinem Buch Al-Islām wa-uṣūl al-ḥukm („Der Islam und die Grundlagen der Herrschaft“) ganz ähnliche Positionen vertrat.27 Die ʿulamā᾽der Al-Azhar-Universität reagierten umgehend, indem sie ihm seinen Gelehrtentitel aberkannten und die Regierung bedrängten, sie möge ῾Abd al-Rāziq von seinem Posten entfernen. Das überschwängliche Lob, mit dem seine Arbeit in der republikanischen türkischen Presse bedacht wurde, half ihm bei der Verteidigung seiner Minderheitsmeinung reichlich wenig; genauso wenig wie die Popularität seines Buches in den Kreisen türkischer Modernisierungsbefürworter.28 Für die Mehrheit der Gelehrten übertrumpfte die Fusion von politischer und religiöser Autorität im frühen islamischen Staat ganz einfach die spätere mittelalterliche Entwicklung, die man ja durchaus ebenfalls hätte auf Präzedenzfälle hin untersuchen können. In den Worten Fazlur Rahmans zielte ῾Abd al-Rāziqs Ansatz geradezu darauf ab, „das Unmögliche zu beweisen, nämlich dass Muḥammad, wenn er als Gesetzgeber oder politischer Anführer auftrat, außerreligiös und säkular handelte“.29 Obwohl er also in seiner Rede vor der Nationalversammlung wie ein muslimischer Gelehrter klang, kümmerte es Mustafa Kemal herzlich wenig, ob seine Argumentation von der Warte der islamischen Theologie aus betrachtet stichhaltig war; seine Absichten waren in überwältigendem Maße politisch. Nach seiner Rede erließ die Nationalversammlung einen Beschluss, durch welchen das Kalifat vom Sultanat getrennt sowie das Letztere aufgehoben werden sollte, rückwirkend zum Zeitpunkt der alliierten Besetzung Istanbuls im März 1920.30 Vierzehn Tage später verließ der letzte osmanische Sultan Mehmed VI. – vollends zur bête noire der türkischen Nationalisten geworden – an Bord eines britischen Kriegsschiffes Istanbul. Anschließend bestätigte die Große Türkische Nationalversammlung eine fatwā des „Ministeriums für sharīʿa-Angelegenheiten und fromme Stif-

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tungen“, derzufolge die Absetzung Mehmeds VI. als Kalif rechtens sei, und ernannte Abdülmecid, einen Cousin Mehmeds, zum neuen geistlichen Oberhaupt der sunnitischen Muslime.31 In einer symbolischen Geste wurde Abdülmecid untersagt, in seinem eigenen Palast einen Säbel zu tragen, was seine völlige Einbuße der weltlichen Herrschaft unterstreichen sollte. Mustafa Kemal verschaffte dem Kalifen ein weiteres Gefühl von seiner neu erworbenen Machtlosigkeit, indem er ihm sehr genau einschärfte, was er bei seiner ersten offiziellen Ansprache an die muslimische Welt zu sagen und vor allem, was er nicht zu sagen hatte.32 Die anfänglichen Reaktionen seiner Glaubensgenossen waren verhalten positiv. Die einflussreichen ʿulamā᾽ der Al-Azhar-Universität erkannten den neuen Kalifen an, und selbst die indischen Muslime, die zuerst nicht hatten glauben wollen, dass die Reuters-Meldung über eine Trennung von Sultanat und Kalifat tatsächlich der Wahrheit entsprach, trösteten sich mit der Aussicht auf eine neue Blütezeit des Islam, als deren Symbol – so die Hoffnung – ein von Mustafa Kemal angeleitetes muslimisches Gegenstück zu Woodrow Wilsons Völkerbund gelten sollte.33 Die Inder gingen sogar so weit, Mustafa Kemal anlässlich einer großen Khilāfat-Konferenz im Dezember die Ehrentitel Sayf al-Islām („Schwert des Islam“) und Mujaddid-i Khilāfat („Erneuerer des Kalifats“) zu verleihen.34 Auch der einflussreiche Rashīd Riḍā, der sich schon zuvor für einen „islamischen Republikanismus“ eingesetzt hatte, pflichtete Mustafa Kemal auf subtile Weise bei, indem er eine strikte Unterscheidung zwischen den rechtgeleiteten Kalifen und ihren Nachfolgern traf. Ferner plädierte er allerdings für die Errichtung eines neuen islamischen Staates in Ankara, eines Staates, in dem die Kalifen erneut geistliche und weltliche Macht in sich vereinen und so eine wirkliche Renaissance des Kalifats einläuten sollten.35 Jedoch gab Mustafa Kemal den Muslimen außerhalb der Türkei bald Anlass, ihre ursprüngliche Reaktion zu überdenken, und zwar indem er ihnen empfahl, sich nicht allzu viel von dem neuen Kalifen Abdülmecid zu erhoffen, sondern vielmehr „ihre eigene Rettung selbst zu suchen“, und indem er das Kalifat als ein „Unheil“ bezeichnete, das „die [türkische] Nation befallen“ habe.36 Dennoch verzichtete Mustafa Kemal noch fast ein Jahr lang darauf, die Türkei offiziell zur Republik zu erklären; bis er nach dem Sultanat auch das Kalifat abschaffen ließ, sollten sogar noch sechzehn Monate vergehen. Doch bevor er solch drastische Maßnahmen

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ergriff, wollte er erst einmal – im Rahmen einer umfassenden Friedensregelung – die allseitige internationale Anerkennung der Türkei erreichen sowie die türkische Innenpolitik ganz unter seine Kontrolle bringen. Trotz eines zähen Verhandlungsverlaufs, einer zweieinhalbmonatigen Unterbrechung der Verhandlungen und des noch immer ungelösten Problems der osmanischen Provinz Mossul wurde am 24. Juli 1923 der Friedensvertrag von Lausanne unterzeichnet. Und obwohl er den Verhandlungspartnern beträchtliche Zugeständnisse hatte machen müssen, war es Mustafa Kemal doch gelungen, seinen militärischen Triumph mit einem diplomatischen zu krönen. Der Vertrag von Lausanne, der so lange nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erst geschlossen werden konnte, besiegelte nun auch offiziell die Geburt eines neuen, unabhängigen Staates, der sich von der Bevormundung durch westliche Handels- und Vertragsinteressen losgesagt hatte, und tilgte somit die letzten Relikte der alliierten Besatzung. Beim Aufbruch der letzten alliierten Truppen aus Istanbul am 2. Oktober 1923 spielte die Kapelle des britischen Garderegiments Coldstream Guards – wohl den jubelnden Menschenmassen zu Gefallen, die den britischen Abzug begeistert verfolgten – den Marsch „Mustafa Kemal Pascha“, der ursprünglich in Enver Paschas Namen komponiert worden war.37 Vier Tage später zogen Mustafa Kemals Soldaten triumphal in Istanbul ein. Zu jenem Zeitpunkt hatten diverse westliche Staatsmänner wie etwa Georges Clemenceau, David Lloyd George und Woodrow Wilson nicht nur ihre Ämter verloren, sondern sogar den Führungsanspruch in ihren jeweiligen Parteien oder Bewegungen eingebüßt. Im Gegensatz dazu war Mustafa Kemal nicht nur an die Spitze seiner Nation aufgestiegen, sondern auch an die Spitze von deren einziger Regierungspartei. Für den Rest seines Lebens sollte in der Türkei alles allein auf sein Kommando hören. Im Dezember 1922 gab Mustafa Kemal bekannt, dass er nach dem erwarteten Friedensschluss eine neue politische Partei begründen wolle. Diese neue Organisation würde, so versprach er, alle gesellschaftlichen Schichten einschließen: Bauern, Arbeiter, Kapitalisten, Industrielle, Intellektuelle. Sie alle würden die Werkzeuge sein, durch welche er das ganze Land einem grundlegenden Transformations- und Modernisierungsprozess unterziehen wolle.38 Wie zu erwarten war, sollte eine Partei von derart weitem Zuschnitt die Existenz anderer politischer Organisationen neben

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1 GROSSLIBANON RUSSISCHE SFSR

RUMÄNIEN

Georgien

KGR. DER Belgrad Bukarest SERBEN, KROATEN UND SLOWENEN BULGARIEN Sofia

Rom

ITALIEN

Schwarzes Meer

Edirne

(Adrianopel)

Tirana

ALBANIEN

GRIECHENLAND

(Izmir)

Ankara Sivas

Zypern

Kreta

(brit.)

(frz. Mandat)

Hama Nikosia Homs Beirut 1 Damaskus

(brit. Mandat)

Jerusalem

Bengasi

(brit. Mandat)

Amman

Murzuk

Basra

AUTONOMES Port Said EMIRAT Kairo TRANSJORDANIEN

(zu Italien)

Kyrenaika

ÄGYPTEN (unabhängig/ unter brit. Kontrolle)

Rotes Meer

IRAN

IRAK

KUWAIT HERRSCHAFTSBEREICH DER SAUD-DYNASTIE

LIBYEN

FessanGhadames

(Irak 1925 vom Völkerbund zugesprochen)

Bagdad

Alexandria

Tr i p o l i t a n i e n

SFSR = Sozialistische Föderative Sowjetrepublik

Teheran

Mossul Kirkuk

MOSSUL

PALÄSTINA Tripolis

(1939 zur Türkei)

Baku Aserbaidschan Jerewan Kars Arm. Erzurum Täbris Bitlis Van

Malatya Konya Adana Mersin SYRIEN Antalya

2

Mittelmeer

Batumi Trabzon

TÜRKEI

Smyrna .

Athen

2 SANDSCHAK VON ALEXANDRETTE

TRANSKAUKASISCHE SFSR

Samsun

Istanbul Bursa

Saloniki

(frz. Mandat)

Kaspisches Meer

BAHRAIN KATAR »Seeräuberküste«

Riad

(TRUCIAL STATES, brit. Protektorat)

Medina

KGR. HEDSCHAS

ERITREA

(italien. Kolonie)

Khartum

Massaua

Edirne

Franz. Mandatsgebiet in Syrien

Bursa Tenedos

Staat Aleppo entmilitarisierte Zonen

Athen

KGR. JEMEN Sanaa

HADRAMAUT ADEN

FRANZ.-SOMALILAND BRITISCHSOMALILAND

ITALIENISCHSOMALILAND

Indischer Ozean

Alawitenstaat

Smyrna . (Izmir)

GRIECHENLAND Dodekanes

AL-RUB’ AL-KHAIR Sabya

Aden

Istanbul Imbros

(Britischer Einflussbereich)

Port Sudan

ANGLO-ÄGYPTISCHER SUDAN entmilitarisierte Zonen

Maskat IdrisidenImamat von Asir

Mekka

Antalya

(unter italien. Rhodos Besatzung)

Staat Damaskus Drusenstaat

(Dschebel ad-Duruz)

0

500 km

brit. Einflussbereich franz. Einflussbereich italien. Einflussbereich

Abb. 11 Die Türkei und die anderen Nachfolgestaaten des Osmanischen Reiches nach dem Vertrag von Lausanne (1923).

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ihr vollkommen aussichtslos machen. In der Zwischenzeit rief die Nationalversammlung auf Mustafa Kemals Geheiß für April 1923 zu Neuwahlen auf. Wie er erklärte, sollte die „Anatolisch-Rumelische Vereinigung zur Verteidigung der Rechte“ nach den Wahlen zur „Volkspartei“ (später „Republikanische Volkspartei“) umgestaltet werden.39 Nach einem Erdrutschsieg bei den Wahlen, von denen – bei einer Wahlbeteiligung von nur rund 60  Prozent – viele Andersdenkende ausgeschlossen wurden, rief Mustafa Kemal im August 1923 eine neue, ihm bis zur Unterwürfigkeit ergebene Nationalversammlung zusammen; im September wurde auch die bereits angekündigte Volkspartei Halk Fırkası offiziell ins Leben gerufen. Da nun sowohl die Regierungspartei als auch die Nationalversammlung vollkommen unter seiner Kontrolle standen, beherrschte Mustafa Kemal das gesamte politische System der Türkei – eine Vormachtstellung, die er bis zu seinem Tod nicht wieder abgeben sollte. Obwohl die Verfasstheit der neuen Republik prinzipiell die Beteiligung anderer politischer Organisationen erlaubte, war die Türkische Republik unter Mustafa Kemal in der Praxis doch ein Einparteienstaat. Die Dissidenten, die sich im November 1924 zur „Fortschrittlichen Republikanischen Partei“ (Terakkiperver Cumhuriyet Fırkası) formierten, sahen sich in der Opposition mit beträchtlichen Schwierigkeiten konfrontiert, wollten sie der Politik des mittlerweile als „Republikanische Volkspartei“ firmierenden Regierungslagers von Mustafa Kemals Gnaden tatsächlich etwas entgegensetzen.40 Nachdem stark islamistisch gefärbte Unruhen in Teilen der kurdischen Bevölkerung einen willkommenen Vorwand geliefert hatten, verbot die Regierung im Juni 1925 die einzige Oppositionspartei, die zu diesem Zeitpunkt gerade einmal sechseinhalb Monate existiert hatte. Im Jahr 1926 erstickte Mustafa Kemal nach einem vereitelten Anschlag auf sein Leben auch die verbliebene Opposition; darunter waren viele prominente Protagonisten des Befreiungskrieges und ehemalige KEF-Granden. Linientreue Tribunale machten sämtlichen bedeutenderen Dissidenten den Prozess, immer in der Absicht, ihnen eine Verbindung zu dem Mordkomplott nachzuweisen. Manche wurden hingerichtet; andere erhielten Haftstrafen unterschiedlicher Länge. Führenden Generalen des Befreiungskrieges wurde, obwohl sie von ihren Richtern freigesprochen wurden, unmissverständlich nahegelegt, sich aus der Politik lieber heute als morgen zurückzuziehen. Danach

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war die Opposition entweder mundtot gemacht – oder tatsächlich tot. Im Oktober 1927 hielt Mustafa Kemal über einen Zeitraum von sechs Tagen seine legendäre, insgesamt sechsunddreißigeinhalb Stunden dauernde Marathonrede (Nutuk, wörtlich schlicht „die Rede“), die später als sein opus magnum angesehen werden sollte. In dieser Rede beanspruchte er die alleinige Urheberschaft nicht nur am Befreiungskrieg, sondern auch an den anschließenden Reformen für sich. Außerdem verurteilte er eine große Anzahl seiner politischen Gegner und das mit äußerst scharfen Worten. Selbst diejenigen, die im Befreiungskrieg unbestreitbar eine bedeutend Rolle gespielt hatten, entgingen nicht seinem schonungslosen Tadel. In der Rückschau spricht zwar einiges dafür, dass Mustafa Kemal ein demokratisches Mehrparteiensystem nicht nur für wünschenswert hielt, sondern auch ehrlich angestrebt hat; nur konnte er eben nicht im Geringsten mit Kritik an seinen politischen Entscheidungen umgehen. Darum musste seine eigene Partei eben die einzige Partei bleiben. Später, im August 1930, sollte er versuchen, aus einigen seiner engen Gefolgsleute eine wenig glaubwürdige Oppositionspartei zu bilden; doch der unerwartet starke Zulauf begeisterter Anhänger, die dieser , „Freien Republikanischen Partei“ (Serbest Cumhuriyet Fırkası) aus sämtlichen Bevölkerungsschichten zuströmten, veranlasste deren besorgten Anführer nach nur drei Monaten, seine Gruppierung lieber wieder aufzulösen.41 Auch andere, weniger bedeutsame Anläufe zur Gründung neuer Kleinparteien mussten ebenfalls bald abgebrochen werden.42 Jetzt, da seine absolute politische Vormachtstellung gesichert war, machte sich Mustafa Kemal an die Umsetzung seines großen staats- und gesellschaftspolitischen Umgestaltungsprogramms. Obwohl er seine genauen Absichten bis dahin geheim gehalten hatte – ein Gebot der Vorsicht –, hätte man doch schon seinen Äußerungen unmittelbar nach dem Sieg über die Griechen einige Andeutungen über seine revolutionären Pläne entnehmen können. Ein solcher Hinweis war auch seine überraschende Absetzung des für die Große Türkische Nationalversammlung zuständigen Imams. „So etwas [d.  h. Gebete] brauchen wir hier nicht“, wie Mustafa Kemal sein Vorgehen erklärte. „Beten kann man in der Moschee. Wir haben den Krieg nicht mit Gebeten gewonnen, sondern mit dem Blut unserer Soldaten.“43 Ein weiterer Anhaltspunkt für seine scheinbar plötzliche Kehrtwendung war die ausgerechnet von ihm selbst vorgetragene einzige Predigt (khuṭba),

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die ein türkisches Staatsoberhaupt jemals gehalten hat; Schauplatz war eine Moschee in Balıkesir, Anlass eine Wahlkampfreise. Während er einerseits den Islam als wesenhaft progressive Religion pries – wohl, um Stimmen aus dem konservativen Teil seiner Zuhörer zu gewinnen –, nutzte Mustafa Kemal diese einmalige Gelegenheit aber auch, um szientistische und nationalistische Thesen zu propagieren; so sprach er etwa von der Notwendigkeit wissenschaftlich-volkspädagogischer khuṭbas in türkischer Sprache. Unablässig dieselben Predigten wie vor 1000 Jahren zu wiederholen heiße, so seine Erklärung, der Rückständigkeit und dem Unwissen zum Sieg zu verhelfen.44 Und wenn Mustafa Kemal in weniger sakraler Umgebung das Wort ergriff, so gab er sich als strammer Darwinist und türkischer Nationalist zu erkennen. So äußerte er etwa vor einer Menschenmenge in İzmir, „alles Leben [sei] ein Kampf“, und sprach von der Beförderung einer „turanischen“ Nationalpolitik, die mit der desaströsen Ideologie des Islamismus nicht vereinbar sei.45 Nach den Wahlen bekannte sich Mustafa Kemal offen und in deutlichen Worten zu seinem republikanischen Programm. Zuerst wies er die Große Türkische Nationalversammlung an, Ankara zur Hauptstadt des neuen Landes zu erklären.46 Obwohl Ankara schon seit 1920 de facto als Hauptstadt und Sitz der nationalistischen Regierung gedient hatte, war der symbolische Gehalt dieser Entscheidung doch beträchtlich. Immerhin war Istanbul über Jahrhunderte hinweg die Hauptstadt zweier großer Reiche gewesen (erst des byzantinischen, dann des osmanischen) und hatte während dieser Zeit auch die Verwaltung des anatolischen Hinterlandes geführt. Die Hauptstadt Istanbul durch eine Stadt irgendwo in der anatolischen Provinz zu ersetzen, war zuvor undenkbar erschienen. Dann, Ende Oktober 1923, ergriff Mustafa Kemal die Gelegenheit, die ihm eine Regierungskrise bot: Er brachte ein Gesetz ein, das die Türkei offiziell zur Republik erklärte. Die Nationalversammlung nahm den Vorschlag einhellig an und wählte Mustafa Kemal am 29. Oktober zum ersten Präsidenten der neuen Republik.47 Wenn man einmal von den kurzlebigen republikanischen Experimenten in Aserbaidschan, dem libyschen Tripolis und der Rif-Republik im nördlichen Marokko absieht (Azərbaycan Xalq Cümhuriyyəti von 1918, al-Jumhūriyya al-Ṭarāblusiyya, ebenfalls 1918, sowie al-Dawla al-Jumhūriyya al-Rīfiyya von 1923), dann war dies das erste Mal, dass eine moderne muslimische

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Gesellschaft sich eine republikanische Regierungsform gab. Die Bedeutung dieses Ereignisses ist kaum zu überschätzen. Im Sprachgebrauch des späten Osmanischen Reiches war der Begriff „republikanisch“ fast ausschließlich in einer abwertenden Bedeutung gebräuchlich gewesen, und man hielt den Republikanismus geradezu für eine Antithese des Islam. Um sich angesichts dieser Tradition vor allzu heftiger Kritik an dem gerade vollzogenen revolutionären Umbruch zu schützen, fügte Mustafa Kemal noch am Tag der Ausrufung der Republik der türkischen Verfassung einen Artikel hinzu, durch welchen der Islam zur „Religion des Staates“ erklärt wurde.48 Der Präsident ließ dennoch nicht davon ab, die neue Republik zu einer säkularen zu machen. Denn obwohl er das Kalifat standhaft verteidigt hatte, als es darum ging, die Trennung von Sultanat und Kalifat durchzusetzen, blieb die neugeschaffene, etwa mit dem Vatikan vergleichbare Institution doch ein ärgerliches Hindernis auf dem Weg zu der von Mustafa Kemal eigentlich angestrebten umfassenden Säkularisierung. Symptomatisch für die Beurteilung des Kalifen durch den Präsidenten war etwa Mustafa Kemals provokante Antwort auf den Wunsch des Kalifen, beim Freitagsgebet einen Turban im Stil von Sultan Mehmed II. aus dem 15. Jahrhundert tragen zu dürfen: Der Kalif solle doch lieber einen Gehrock nach Art moderner Staatsmänner tragen.49 Bei anderer Gelegenheit bezeichnete Mustafa Kemal das Kalifat sogar als „Nonsens“.50 Ob nun Nonsens oder nicht: Das Kalifat blieb ein äußerst wichtiges Symbol, und seine Abschaffung sollte ungleich größere Schwierigkeiten bereiten als die Aufhebung des Sultanats. Sultan Abdülhamid II. hatte das Amt des Kalifen während seiner Regierungszeit 1876 bis 1909 erfolgreich wiederbelebt, und viele sunnitische Muslime im ganzen islamischen Kulturraum sahen das Kalifat als die oberste Vertretung aller Muslime an, welcher die Verteidigung ihrer Rechte gegenüber westlicher Einflussnahme anvertraut war. Selbst die Anführer des KEF, die Abdülhamid II. abgesetzt hatten, bemühten sich trotz ihrer säkularen Neigungen, von der Autorität des Kalifats zu profitieren. Insbesondere während des Ersten Weltkriegs nutzte die osmanische Propaganda die Geltung des Kalifen nach Kräften aus, während die nationalistische Seite ihren Kampf im Befreiungskrieg gegen die Griechen als Kampf zur Wiedererrichtung des Kalifats darstellte. Vielen historisch gebildeten Muslimen schien zudem eine Abschaffung des Kalifats die Gefahr eines Machtvakuums heraufzu-

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beschwören, wie dies nach der Zerschlagung des abbasidischen Kalifats durch die Mongolen 1258 geschehen war (Mustafa Kemal hat dieses Ereignis einmal wenig mitfühlend als „gerechte Bestrafung eines verlogenen Herrschers … durch einen Türken“ beschrieben).51 Die Abschaffung des Kalifats war also keine Angelegenheit, die man leichtfertig angehen sollte, barg sie doch das Potenzial einer gefährlichen Gegenreaktion im Inneren wie im Ausland. Mustafa Kemal war dennoch entschlossen, sich mit diesem Problem zu befassen, sobald die Gelegenheit sich bot. Da die konservative Kritik an Abdülmecids schwächlicher Stellung immer stärker wurde und der Kalif selbst immer dringlicher auf einer aktiveren Rolle im Staat bestand, sah sich der Präsident gezwungen, zu handeln. So kam es, dass er nur anderthalb Jahre nach seinem kraftvollen Eintreten für ein rein geistlich verstandenes, der säkularen Regierung beigeordnetes Kalifat plötzlich dessen Unvereinbarkeit mit den republikanischen Prinzipien und der Volkssouveränität herauszustreichen begann.52 Die Trennung von Kalifat und Sultanat hatte in konservativen Kreisen ohnehin für Bestürzung und Kritik gesorgt. Eşref Edib (Fergan), ein führender Islamist, verfasste eine Schrift mit dem Titel Hilâfet-i İslâmiye ve Büyük Millet Meclisi („Das islamische Kalifat und die Große Nationalversammlung“), die er unter dem Namen des Abgeordneten İsmail Şükrü (Çelikalay) veröffentlichen ließ, da dieser parlamentarische Immunität genoss. Eşref Edib vertrat darin die Ansicht, dass das Kalifat sich unter keinen Umständen von der gesetzgebenden Gewalt abtrennen lasse.53 Außerdem legte er dar, dass es Aufgabe des Kalifen sei, die von der Nationalversammlung ausgearbeiteten Gesetze zu bestätigen sowie Prediger und Imame zu ernennen.54 Mustafa Kemal trat dieser Argumentation sofort scharf entgegen, indem er hervorhob, dass die Nationalversammlung einzig und allein der Nation Rechenschaft schuldig sei55 und „das Gesetz der Revolution über allen anderen Gesetzen“ stehe.56 Er befahl dem Justizminister Çelebizâde Mehmed Seyyid, einem vormaligen KEF-Angehörigen und führenden Gelehrten des fiqh genannten islamischen Rechts, Eşref Edibs Behauptungen zu widerlegen. Unter Inanspruchnahme von Hadithen (Erzählungen und Aussprüchen des Propheten) sowie Klassikern der islamischen Jurisprudenz, wie etwa der Hidāyah des einflussreichen Juristen al-Marghīnānī (gest. 1197), bestritt

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Mehmed Seyyid die These, der Kalif habe eine unveräußerliche weltliche Autorität, auf das Heftigste.57 Er verwies auf die Umstände, unter denen Abū al-Qāsim Ahmad (gest. 1262) während der Herrschaft des 1277 gestorbenen Mamlukensultans Baibars in Kairo den Kalifentitel „al-mustanṣir“ hatte annehmen können.58 Seiner Ansicht nach bewies schon der Treueeid, den ein so bedeutender Gelehrter wie ῾Izz al-Dīn ibn ῾Abd al-Salām (gest. 1279) dem neuen abbasidischen Kalifen – der ja keineswegs ein weltlicher Machthaber war! – geschworen hatte, ganz eindeutig die Absonderung des Kalifats von der Sphäre weltlicher Macht.59 Seine Schlussfolgerung, es bestehe „heutzutage keinerlei Notwendigkeit, die Frage des Kalifats weiter zu erörtern …, da es sich dabei lediglich um eine Frage von Politik und Tradition“ handle, deutet schon die Möglichkeit einer Abschaffung der ganzen Institution an.60 Bald darauf, im November 1923, sandten Aga Khan III., das geistliche Oberhaupt der hauptsächlich auf dem indischen Subkontinent beheimateten ismailitischen Nizariten, und sein Landsmann Sayyid Amīr ῾Alī, ein bedeutender schiitischer Rechtsgelehrter, der 1877 im damaligen Britisch-Indien die Central National Mohammadan Association begründet hatte und seit 1909 Mitglied im Rechtsausschuss des britischen Kronrats war, gemeinsam einen Brief an den türkischen Premierminister İsmet İnönü. Die beiden hatten, wie sie schrieben, mit Bedauern zur Kenntnis genommen, dass der Islam seinen Einfluss als „moralische und verbindende Kraft“ in weiten Teilen der sunnitischen Gemeinschaft zu verlieren scheine. Dies sei „der Schmälerung von Würde und Ansehen des Kalifen geschuldet“. Sie warnten, dass, „wenn der Islam in der Welt seinen Platz als eine starke moralische Kraft behaupten soll, Stellung und Würde des Kalifen unter keinen Umständen geringer ausfallen dürfen als jene des Papstes in Rom“.61 Wie zu erwarten war, reagierten der Premierminister und die Spitzen der türkischen Regierungspartei mit Zorn und warfen den beiden muslimischen Würdenträgern vor, sich in die inneren Angelegenheiten der Türkei eingemischt zu haben. Weiterhin bezweifelten sie deren Kompetenz, sich als Schiiten zur Frage des sunnitischen Kalifats zu äußern, und diffamierten sie als bloße Lakaien des britischen Imperialismus.62 Im Dezember ordnete der Staatsanwalt bei einem „Unabhängigkeitstribunal“ die Verhaftung von Redakteuren derjenigen Istanbuler Tageszeitungen an, die eine Übersetzung des Schreibens

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abgedruckt hatten. Während sich diese Ereignisse noch überstürzten, schlug die indische Jam῾īyyat al-῾Ulamā᾽ einen internationalen Kongress muslimischer Rechtsgelehrter vor, der über die Zukunft des Kalifats beraten sollte.63 Mustafa Kemal, der sich nun im In- und Ausland unter Beschuss genommen sah, leitete, nachdem er sich zuvor der rückhaltlosen Unterstützung seines Militärs versichert hatte, die Abschaffung des Kalifats in die Wege. Ende Februar 1924 erschien in der offiziellen Zeitung der türkischen Regierung ein Artikel, der das Kalifat für unvereinbar mit der nationalen Souveränität und republikanischen Regierungsform der Türkei erklärte.64 Dies war ein deutliches Signal dafür, dass die entscheidende Konfrontation unmittelbar bevorstand. Am 2. März billigte die Fraktion der regierenden Volkspartei drei Gesetzentwürfe und gab sie zur Beratung an die Nationalversammlung weiter. Diese Entwürfe sahen unter anderem die Abschaffung des Kalifats sowie des „Ministeriums für sharīʿa-Angelegenheiten und fromme Stiftungen“ vor, dazu eine Fusion der bisher getrennten religiösen und säkularen Bildungssysteme und die Ausweisung aller bislang in der Türkei verbliebenen Angehörigen des osmanischen Herrscherhauses. Anstelle sich selbst in die Debatte einzuschalten, wie er es beim Streit um die Abschaffung des Sultanats getan hatte, bat Mustafa Kemal Mehmed Seyyid, in der bevorstehenden Parlamentssitzung die Abschaffung des Kalifats aus islamischer Perspektive zu verteidigen.65 Mehmed Seyyid eröffnete seinen Redebeitrag, indem er noch einmal Mustafa Kemals Feststellung Nachdruck verlieh, die Türkische Revolution sei die größte Revolution der Menschheitsgeschichte, von der muslimischen Geschichte ganz zu schweigen. Dann betonte er, wieder einmal, dass die Frage des Kalifats im Kern eine politische und weltliche Frage sei und also nicht das Geringste mit der sharīʿa oder dem islamischen Glauben zu tun habe.66 Seiner weiteren Erklärung zufolge, die Mustafa Kemals Argumentation während der Sultanatsdebatte ähnelte, habe es nach den vier „rechtgeleiteten“ Kalifen überhaupt keine Kalifen im eigentlichen Sinne mehr gegeben. Das Kalifat sei ein Werkzeug in den Händen der Nation, welche ihrerseits das gute Recht habe, nach Maßgabe der gegenwärtigen Erfordernisse Änderungen an einmal geschaffenen Strukturen vorzunehmen.67 Es spreche doch wirklich Bände, so Mehmet Seyyid, dass die späteren Sultan-Kalifen sämtlich den Titel „Sultan X, Sohn des Sultans Y“ geführt

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hätten – und eben nicht „Kalif X, Sohn des Kalifen Y“!68 Ebenso unterstrich er die große Bedeutsamkeit einer Gesetzgebung, die „im Einklang mit den Traditionen und Gebräuchen des Türkentums“ stehe. Doch dann machte er einen fatalen Fehler in seiner ansonsten brillanten Verteidigung von Mustafa Kemals Position: Indem er die Hingabe des Präsidenten an das Ideal der Verwestlichung unterschätzte, erwähnte er das Schweizerische Zivilgesetzbuch als Beispiel eines Gesetzestextes, den eine wahrhaft türkische Legislative niemals würde annehmen können.69 Als Folge verlor er drei Tage später seinen Ministerposten. Ironischerweise starb Mehmed Seyyid nur kurz vor der Ratifizierung einer leicht modifizierten Fassung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches durch die Nationalversammlung im Jahr 1926. Mit Mustafa Kemals avantgardistischem Programm Schritt zu halten, war nicht einfach. Am 3. März stimmte die Große Türkische Nationalversammlung, die sich damit dem Willen Mustafa Kemals und der vor der Fraktion der Volkspartei geäußerten Argumentation Mehmed Seyyids beugte, für die Abschaffung des Kalifats und erklärte: „Der Kalif ist seines Amtes enthoben. Da das Kalifat [sc. seinem Wesen nach] in den Konzepten von Staatsregierung und Republik enthalten ist, ist die Institution des Kalifats hiermit aufgehoben.“70 Beim Freitagsgebet wurde von nun an der Name des Kalifen durch die Wendung „Regierung der Türkischen Republik“ ersetzt. Als muslimische Verbände aus Indien mit der Bitte an Mustafa Kemal herantraten, er möge sich doch bitte zum neuen Kalifen ausrufen lassen, wies er dieses Ansinnen brüsk ab.71 Die Abschaffung des Kalifats bedeutete nach Lage der Dinge auch das Ende der indischen Khilāfat-Bewegung. Außerdem löste sie einen verbissenen Wettstreit unter diversen arabischen Würdenträgern aus, die nun für sich in Anspruch nahmen, wahre spirituelle Führer der sunnitischen Muslime zu sein; die prominentesten unter den Bewerbern waren Ḥusayn bin ʿAlī, der Scherif von Mekka, und König Fuʾād I. von Ägypten.72 Innerhalb der Türkei ließ das Ende des Kalifats jegliche Bemühung um religiöse Reformen zu einer rein nationalen Angelegenheit werden – und unterstellte sie somit der völligen Kontrolle Mustafa Kemals. Als ein Zeichen seiner Absicht, sich diesen Religionsreformen unverzüglich zuzuwenden, ordnete Mustafa Kemal noch an demselben Tag, an dem das Kalifat abgeschafft worden war, die Einrichtung eines „Präsidi-

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ums für Religionsangelegenheiten“ an.73 Diese Institution, die von Beginn an einer strengen Kontrolle durch die Regierung unterstand, ersetzte das alte religiöse Establishment, das unterschiedlichen Interpretationen des Islam vergleichsweise großen Spielraum gegeben hatte. Indem er diesen Spielraum durch die Gründung einer zentralen Religionsbehörde beschnitt, machte sich Mustafa Kemal einen bereits zitierten Wahlspruch aus der Zeit der Zweiten Verfassung zu eigen: „Die Religion ist die Wissenschaft der Massen, aber die Wissenschaft ist die Religion der Elite.“ Anders als etwa die sowjetische Führung wollte er die Religion in den Augen der Bevölkerung jedoch nicht zum Gespött machen, sondern vielmehr ihre große Wirkungskraft zähmen und sie für seine eigenen Zwecke und sein Reformprogramm dienstbar machen; sie ausnutzen, um die breite Masse der Bevölkerung moralisch zu läutern. Das ist auch der Grund dafür, dass er in einem von ihm verfassten amtlichen Lehrbuch der Staatsbürgerkunde zum Gebrauch in den türkischen Schulen seine eigene kritische Einschätzung des Islam deutlich abschwächte.74 Nach seiner Einschätzung war Religionskritik etwas, das am besten der Elite überlassen bleiben sollte, für die es ja sowieso keine andere Orientierungsgröße als die Wissenschaft geben konnte. Mustafa Kemal interessierte sich auch für eine Türkisierung des Islam, wie sie Ziya Gökalp in seinen Büchern Yeni Hayat („Neues Leben“, 1918) und Türkçülüğün Esasları („Grundlagen des Türkismus“, 1923) skizziert hatte. Es waren fraglos wirre Zeiten, in denen der Staat einerseits die Herausgabe religionskritischer Schriften wie etwa des aufklärerischen Traktats Le Bon sens des Barons d’Holbach oder extrem antireligiös eingestellter Zeitschriften wie etwa İctihad oder Hür Fikir („Freies Denken“) unterstützte, während er andererseits – und das gleichzeitig – ein großangelegtes Programm zur Reform des religiösen Lebens beförderte. Hinter dieser Reforminitiative stand die große Hoffnung, dass sie – ähnlich der protestantischen Reformation des 16. Jahrhunderts – eine kulturelle Renaissance einläuten werde: eine türkische Renaissance im 20. Jahrhundert. Im Gegensatz zu gewissen puritanischen Strömungen innerhalb des Islam, wie etwa Wahhabismus und Salafismus, die durch eine Rückkehr zu den Quellen des Islam eine neue Orthodoxie schaffen wollten, war es Mustafa Kemals Ziel, die islamische Tradition neu zu interpretieren, um so die besagte türkische Renaissance herbeizuführen. Sein Ziel ging also

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über die bloße theoretische Versöhnung von Islam und Moderne noch weit hinaus. Dabei schien er jedoch überhaupt nicht zu bemerken, dass die Reformation ja eben kein rein säkularer Prozess gewesen war, sondern, ganz im Gegenteil, auf starken religiösen Voraussetzungen beruhte. Wie den spätosmanischen „Verwestlichern“ ging es Mustafa Kemal jedoch hauptsächlich um die Säkularisierungsdynamik, die er im Gefolge der diversen reformatorischen Strömungen im Christentum – ob Luthertum, ob Calvinismus – entdeckte. Charles Sherrill, 1932/33 rund ein Jahr lang Botschafter der Vereinigten Staaten in Ankara, liegt wohl nicht ganz falsch, wenn er Mustafa Kemal mit Martin Luther oder John Wycliffe vergleicht.75 Mustafa Kemal selbst soll einmal gesagt haben: „Ich möchte kein Luther werden“76 – aber das wurde er. Im Jahr 1923 erklärte Mustafa Kemal, dass „ein heutiger Mudschtahid“ – also ein Rechtsgelehrter, der zur Neuinterpretation der islamischen Überlieferung befähigt war – sich zu einer Reform des Islam wohl am ehesten durch eine ganze Bibliothek neuer Bücher von drei Kontinenten inspirieren lassen sollte.77 Im Jahr 1925 gab die Große Türkische Nationalversammlung eine Übersetzung des Korans ins Türkische in Auftrag, dazu einen mehrbändigen türkischsprachigen Korankommentar sowie eine Auswahl für geeignet befundener Hadithe, diese ebenfalls in türkischer Übersetzung.78 Grund für alle diese Aktivitäten war die Annahme, dass die Verfügbarkeit dieser Quellen in der Volkssprache einen ähnlichen Effekt haben würde wie Luthers vollständige Bibelübersetzung von 1534. Nun war es nicht so, dass der Koran noch nie zuvor ins Türkische übersetzt worden war; frühe Übertragungen des Korans in Turksprachen reichten viele Jahrhunderte zurück, genau, wie es auch vor Luther schon Bibelübersetzungen in andere germanische Sprachen gegeben hatte. Zusätzlich war nach 1841 auch eine Reihe neuerer Übersetzungen in einem zeitgemäßeren, moderneren Türkisch erschienen. Dennoch hofften die Reformer, eine verbindliche Neuübersetzung werde den Weg zu einer Läuterung der religiösen Tradition ebnen, eine Erneuerung des ganzen türkischen Islam einläuten und auch die Massen an dieser Renaissance teilhaben lassen. Als ähnlicher Ausdruck eines Bemühens um Standardisierung begann das Präsidium für Religionsangelegenheiten 1927 nicht nur, die Themen für die beim Freitagsgebet gehaltenen khuṭbas verbindlich festzulegen, sondern verlangte auch, dass

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sowohl die Gebete als auch direkte Zitate aus dem Koran und den Hadithen von Übersetzungen ins Türkische begleitet wurden. Ermahnungen an die Gemeinde oder Textauslegungen sollten von nun an ausschließlich auf Türkisch erfolgen. Versuche, die Freitagsgebete als ganze ausschließlich in türkischer Sprache stattfinden zu lassen, stießen jedoch auf nur geringe Gegenliebe und wurden nach 1928 aufgegeben. Ähnlich erging es Mustafa Kemals 1932 verkündeter Anordnung, die Prediger sollten ihre Ansprachen barhäuptig und im Gehrock halten.79 Dennoch machten einige im selben Jahr verabschiedete Gesetzesänderungen es verpflichtend, drei Abschnitte des vorgeschriebenen Gebetszyklus auf Türkisch zu verrichten: den Gebetsruf des Muezzins (adhān), den Aufruf zum Gebet im Inneren der Moschee unmittelbar vor Gebetsbeginn (qad qāmat al-ṣalāt) und die Deklamation der Formel „Gott ist groß (Allāhu Akbar)“.80 Mustafa Kemal und die republikanische Elite nahmen an, dass die Verfügbarkeit der Quellentexte in türkischer Sprache das religiöse Establishment der Orthodoxie (die ʿulamā᾽) sowie die Sufiorden überflüssig machen werde. Dies werde, so ihre weitere Erwartung, eine „Privatisierung“ des religiösen Lebens sowie eine „Türkisierung“ und „Nationalisierung“ des Islam im Lande herbeiführen.81 Außerdem schlossen die republikanischen Behörden 1924 die Koranschulen, die Madrasas, und hoben 1925 alle Sufiorden (ṭarīqas) und Derwisch-Tekken (tekyes und zāwiyas) auf.82 In Mustafa Kemals Worten: „Die beste ṭarīqa ist die ṭarīqa der Zivilisation.“ Und: „Primitive Individuen, die sich moralischen und materiellen Gewinn von der Führung dieses oder jenes Scheichs erwarten – und das obwohl es doch so etwas wie eine Aufklärung durch die Wissenschaften, Technologie und die Zivilisation als ganze gibt! –: solche Personen sollte es in der modernen türkischen Gesellschaft nicht geben.“83 Man glaubte offenbar, dass die Auflösung des religiösen Establishments der sunnitischen Orthodoxie, wie der Sufiorden, zusammen mit der Abschaffung der traditionellen religiösen Bildungseinrichtungen und deren Ablösung durch ein neues System, in dem die Schriftquellen allen ohne Unterschied in der Volkssprache zugänglich sein sollten, den Weg bereiten würden für einen Islam, der sich dem Fortschritt und der Moderne gegenüber öffnen und so zur Grundlage einer Gesellschaft werden sollte, deren Leitideen Szientismus und Türkismus sein würden. Das Präsidium für Religionsangelegenheiten sollte die Avantgarde

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dieses Wandlungsprozesses bilden und seinen Erfolg gewährleisten. Diejenigen ʿulamā᾽, welche das neue Regime bei der Verfolgung dieser Ziele unterstützen würden, sollten mit einer individuellen Würdigung rechnen können – aber nicht mit pauschaler Ehrfurcht vor ihrer ganzen Kaste. Im Rückblick scheint es, dass die Spitzen der Türkischen Republik das reformerische Potenzial einer modernen Koraninterpretation grob überschätzt haben. So hatte etwa in der arabischen Welt Rashīd Riḍās unvollendeter, stark von den Thesen Muḥammad ῾Abduhs beeinflusster Korankommentar nur sehr geringen Einfluss auf die religiöse Praxis der Massen – und das trotz seiner bemerkenswerten Wirkung auf die islamische Theologie und das muslimische Denken überhaupt.84 Schließlich hinterließ selbst in diesem Fall die Idee einer Rückkehr zu den Quellen, wie sie der Salafismus propagierte, lediglich geringen Eindruck. Zudem knüpfte die politische Elite der Türkischen Republik allzu große Erwartungen an die türkische Übersetzung der islamischen Heiligen Schriften. Die „Türkisierung“ des Islam stieß bei der breiten Masse der Bevölkerung auf geringen Anklang. Im Allgemeinen stellte sich unter frommen Muslimen eine ablehnende Haltung gegenüber derlei „Indoktrinierungsversuchen von oben“ ein. Aus diesem Grund sollte es der republikanischen Führung niemals gelingen, auch die letzte Phase ihres Reformprogramms Wirklichkeit werden zu lassen und Türkisch als die alleinige liturgische Sprache für die türkischen Muslime zu etablieren. Die Führung der frühen Republik unterschätzte zudem auf das Sträflichste die Widerstandskraft der sozialen Netze in einer muslimischen Gesellschaft. Wie so viele europäische Intellektuelle des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts waren sie der festen – aber in der Rückschau trügerischen – Überzeugung, die Religion werde schon bald nicht mehr als eine vage Erinnerung aus der fernen Vergangenheit sein. Diese Vorstellung, die Rolle der Religion in der Gesellschaft könne immer weiter abgeschwächt werden, bis schließlich die Menschheit, auf einer höheren Stufe der Evolution angelangt, endlich die neue Weltreligion Wissenschaft akzeptieren werde, hatte etwas durchaus Naives. So etwa, wenn Mustafa Kemal „[den] Fortschritt der Menschheit in Sachen Erfahrung, Wissen, Denken sowie die Schaffung einer Weltreligion durch die Aufgabe von Christentum, Islam und Buddhismus“ als das höchste Ideal und Wunschbild

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beschrieb.85 Bis es soweit war musste jedoch, soviel stand fest, die bestehende Religion reformiert werden. Am Ende erreichten Mustafa Kemal und seine Mitstreiter ihr Ziel, die „Wissenschaft“ als eine Art Religion der Elite zu etablieren; allerdings erzielten ihre Bemühungen, auch die Religion, die sogenannte „Wissenschaft der Massen“, zu reformieren, bestenfalls gemischte Ergebnisse. Der Absturz der alleinigen Regierungspartei bei den ersten freien Wahlen 1950 bedeutete das Ende der reformorientierten Religionspolitik – und brachte die Rückkehr des arabischen Gebetsrufs in die Türkei mit sich. Neben seinem Interesse an einer Beeinflussung der Massen bemühte sich Mustafa Kemal, den säkularen Charakter des republikanischen Regimes herauszustreichen; schließlich war es sein Anspruch, den ersten säkularen Staat in der muslimischen Welt zu errichten. Auch die Verfassung von 1924, welche die polnische Verfassung von 1921 zum Vorbild hatte, enthielt die beiden Artikel über die Rolle des Islam als Staatsreligion beziehungsweise der Großen Türkischen Nationalversammlung als oberster Instanz zur Ausübung der sharīʿa.86 Dies war jedoch nur wenig mehr als ein Lippenbekenntnis zur Beruhigung konservativer Kreise, die der neuen Republik mittlerweile mit tiefem Misstrauen begegneten; anlässlich einer Verfassungsrevision im Jahr 1928 wurden beide Artikel gestrichen.87 Zugleich schuf eine Reihe von Maßnahmen die Voraussetzung für ein säkulares Rechtssystem. Im Jahr 1924 wurden die sharīʿa-Gerichte abgeschafft88 und der Rechtsdualismus, der vor allem seit 1864 ein Merkmal des osmanischen Justizsystems gewesen war, verschwand. Zwei Jahre später, 1926, sorgte die Einführung einer geringfügig abgeänderten Version des Schweizerischen Zivilgesetzbuches von 1912 sowie des Schweizerischen Obligationenrechts von 1881 für eine gründliche Säkularisierung des türkischen Privatrechts und beseitigte viele Institute des islamischen Rechts, so etwa die Polygamie. Eine Verfassungsänderung 1928 ersetzte in sämtlichen Amtseiden die Schwurformel „bei Gott (wa’llāhi)“ durch „bei meiner Ehre“.89 Bis zum Jahr 1930 war das türkische Justizsystem von sämtlichen religiösen Bezügen befreit und ähnelte nun den vergleichbaren Institutionen westeuropäischer Staaten. Im Jahr darauf erklärte die Republikanische Volkspartei das französisch-republikanische Ideal der laïcité offiziell zu einem der Eckpfeiler ihrer Vereinigung.90 Im Jahr 1937 wurde der Laizismus

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durch seine Aufnahme in den Verfassungstext zu einem Grundprinzip der Türkischen Republik erklärt.91 Zusätzlich zu solchen gesetzgeberischen Säkularisierungsbemühungen propagierte Mustafa Kemal auch eine Reihe von Reformen zur Einführung neuer – ebenfalls säkularisierter – Sitten und Gebräuche. Viele dieser Neuerungen brachten die Abschaffung von islamischen Symbolen, die durch ihre christlichen Pendants ersetzt wurden. Zu nennen wären etwa die Einführung des Gregorianischen Kalenders 1925 (einschließlich des Konzepts der christlichen Zeitenwende von „vor Christus“ zu „nach Christus“); der Austausch des Fes durch den europäischen Hut 1926; der Wechsel von der arabisch-persisch-osmanischen Schrift zu einem modifizierten lateinischen Alphabet 1928 sowie die Einführung des Sonntags als Wochenfeiertag anstelle des Freitags der muslimischen Tradition im Jahr 1935. All diese Veränderungen drängten den Islam in der türkischen Gesellschaft zurück und bestärkten die Anhänger einer säkularen Lebensweise. Wie viele Jungtürken war auch Mustafa Kemal zutiefst vom Triumph der laïcité in Frankreich nach 1905 beeinflusst. Wie sie sah er das französische Modell gleichsam als die „authentische“ Form des Säkularismus an, was seine Bestrebungen erklärt, dieses französische Modell möglichst detailgetreu auf die türkischen Verhältnisse zu übertragen. Wie sein französisches Vorbild strebte der türkische Laizismus die absolute Beherrschung einer Religion an, die auf diese Weise zur reinen Privatangelegenheit werden sollte; die bloße Trennung von Moschee und Staat genügte seinen Verfechtern nicht. Mustafa Kemals Leistungen auf diesem Gebiet sollten nicht unterschätzt werden. Er mühte sich und arbeitete, als ob er der byzantinische Kaiser und Ikonoklast Leo III., Martin Luther, der Baron d’Holbach, Ludwig Büchner, Émile Combes und Jules Ferry in einer Person wäre. Er knöpfte sich eine Gesellschaft vor, in welcher die Religion eine beherrschende Rolle gespielt hatte, und befehligte ihre Umwandlung in eine Gesellschaft, die von einer rigoros szientistischen und säkularen Ideologie geprägt werden sollte. Der größte Mangel an dieser wahrlich außergewöhnlichen Leistung – die in der gesamten islamischen Welt außerhalb der ehemaligen Sowjetunion nicht ihresgleichen hatte – war ihre begrenzte Tiefenwirkung im Volk.

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Durch die Ausschaltung des Islams als eines ideologischen Stützpfeilers entstand im Hauptnachfolgestaat des Osmanischen Reiches ein Legitimitätsdefizit, das den Herrschaftsanspruch des republikanischen Systems im Kern traf. Schon im 19. Jahrhundert hatte die Osmanisierungspolitik der letzten Sultane die Bedeutung der Religion für das offizielle Selbstbild des Reiches geschmälert; so war etwa die Staatsbürgerschaft nicht mehr religiös definiert worden. Dennoch hatte der Islam bis zum Ende des Osmanischen Reiches seine Sonderstellung innerhalb der Staatsideologie behauptet. Die neue Republik hingegen war ganz von dem Bemühen geprägt, die Religion aus der Öffentlichkeit zu verbannen und ihren Geltungsanspruch auf den privaten Bereich zu beschränken. Ein effizienter, moderner Staat, so das Argument, benötigte die Religion nicht mehr, um sich der Zustimmung seiner Bevölkerung zu versichern. Um diesen Punkt zu veranschaulichen, verwies Mustafa Kemal auf das Beispiel Jesu, den er beschreibt als „schwache[n] Herrscher, der … die Religion braucht[e], um seine Herrschaft aufrechtzuerhalten“.1 Konsequenterweise heißt es über den Gründer der Türkischen Republik, er habe den ersten Umayyaden-Kalifen bewundert, den scharfsinnigen Mu῾āwiya I. (gest. 680), der durch politische Ränkespiele auf Kosten seiner frommeren Rivalen an die Macht gekommen war.2 Mustafa Kemal selbst wünschte die Religion „auf den Meeresgrund“.3 Dennoch war ihm klar, dass er einen Ersatz für sie finden musste. Ein derber Szientismus – der so offenkundig ungeeignet war, eine nationale Identität zu begründen – konnte als alleiniger Bestandteil einer neuen Staatsideologie nicht genügen. Außerdem hatten zuerst die Abschaffung des Sultanats, dann die Auflösung des Komitees für Einheit und Fortschritt (KEF) eine zweite

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Lücke hinterlassen, die nur durch einen neuen Fluchtpunkt des allgemeinen Zugehörigkeitsgefühls – durch eine neue Loyalität sowohl Individuen als auch Institutionen gegenüber – einigermaßen gefüllt werden konnte. Mustafa Kemal bemühte sich, diese Lücken durch seine neue, republikanische „Staats-Religion“ zu schließen, deren Akzeptanz durch eine Anzahl unterstützender Nebenkulte gesichert werden sollte. Es überrascht kaum, dass es sich bei der neuen Staatsideologie um eine modifizierte, wissenschaftlich untermauerte Version des altbekannten türkischen Nationalismus handelte. Dieser brachte die Verabsolutierung etlicher anderer Konzepte mit sich. Zu nennen wären etwa ein spezifisch türkischer Kult der Vernunft, der an die entsprechenden Eigenheiten der Französischen und der Amerikanischen Revolution denken ließ und auf Ideen der Aufklärung genauso gründete wie auf dem Szientismus des späteren 19. und frühen 20. Jahrhunderts; ein Kult um die Institution (und die Institutionen) der Republik, der etwas dem französischen esprit républicain Ähnliches hervorrufen sollte; ein Personenkult um Mustafa Kemal, „unseren Retter, den großen Gazi“, und noch ein weiterer Institutionenkult um seine Partei, die Republikanische Volkspartei. In den 1930er-Jahren verwoben Mustafa Kemals Anhänger und seine Partei diese unterschiedlichen ideologischen Stränge zu einer homogenen Ideologie, dem Kemalismus, der, als auf den Reden und Schriften Mustafa Kemals beruhendes Gedankengebäude, zur allumfassenden Staatsideologie der Türkischen Republik wurde.4 Zwar hatte dieser neue türkische Nationalismus seine Wurzeln in dem alten Türkismus, wie er sich ab dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts rasant unter den osmanischen Intellektuellen verbreitet hatte, doch hob er die türkisch-nationale Bewegung, die bei allem Erfolg zuvor eher marginal gewesen war, in eine gänzlich neue Sphäre. Mustafa Kemals Ziel war die Anreicherung des bestehenden türkischen Nationalismus mit szientistischen Elementen, aktuellen Rassentheorien und populärdarwinistischer Evolutionslehre. Dieser verstärkte Nationalismus sollte, so der Wunsch seiner Beförderer, schließlich die Religion als identitätsstiftende Instanz beerben. Ein offizielles Geschichtsbuch dieser Zeit mahnt gleich auf den ersten Seiten, die Türken sollten „ihr Denken bereinigen, indem sie sich vom Aberglauben lossagen“, der hauptsächlich auf „ jüdischen Mythen“ basiere, und endlich verstehen, dass ihre wahre Abstammung von einer

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„tiefen rassischen Verwurzelung“ herrühre.5 Unter Verwendung einer Passage aus H. G. Wells’ populärwissenschaftlichem Werk The Outline of History (1920) verwarfen die unter Mustafa Kemals Ägide zur Erziehung einer neuen Generation ausgearbeiteten Schulbücher die Religion als obsoletes Institut, das in grauer Vorzeit einmal die Angst der Menschen vor dem Unbekannten gelindert hatte. In einer Zeit jedoch, in der „Wissenschaft und Erfindungsgabe den Geist [der Menschen] erleuchten“, war diese Angst – so im Lehrbuch zu lesen – nicht länger gerechtfertigt.6 Wie Wells’ Buch – das Mustafa Kemal zutiefst beeindruckte –7 bemühten sich die Geschichtslehrbücher der frühen Republik, den Menschen in „Raum und Zeit“ darzustellen, indem sie sich der Evolutionstheorien von Thomas Henry Huxley und Ernst Haeckel bedienten; allerdings lieferten sie eine abweichende Interpretation der jüngsten Phasen in der Evolution und Geschichte der Menschheit. Nach einem großen Sprung innerhalb der Darstellung – vom Aufkommen der Säugetiere direkt zum Erscheinen zivilisierten Lebens im nachmaligen türkischen Kernland um 9000 v. Chr. – wurde in den Lehrbüchern behauptet, „die wahre Evolution des Menschengeschlechts“ sei „erst dann wirklich anschaulich geworden, als die Spitzhacke der Wissenschaft den zentralasiatischen Boden der türkischen Stammlande … brach“.8 Der unter Mustafa Kemal entstandene türkische Nationalismus war keine schlichte Ideologie, ganz im Gegenteil: Gestützt auf nachdarwinsche Evolutionstheorien unternahm er nicht weniger als eine umfassende Deutung der gesamten Menschheitsgeschichte. Dieser Interpretation zufolge sollten die Türken mit ihren „brachykephalen [= Kurz-] Schädeln“ stolz darauf sein, „einer in der Menschheitsgeschichte derart triumphalen Rasse [anzugehören], die sich evolutionär zur Nation herangebildet hat“, und dazu auf eine „große Stärke und Ehre, wie sie nicht vielen Menschengruppen zu eigen ist“.9 Von nun an sollte deshalb die türkische Identität nicht auf dem „Fremdimport“ Islam beruhen, sondern auf dieser „wissenschaftlichen“ Erklärung des Türkentums. Historische Forschung im staatlichen Auftrag sollte bei der Verbreitung dieses neuen türkischen Nationalismus eine entscheidende Rolle spielen. Mustafa Kemal trug der Sektion für türkische Geschichte des nationalistischen Vereins Türk Ocağı auf, eine neue, nationalistische und „wissenschaftliche“ Darstellung der türkischen Geschichte zu erarbeiten. (Die Türk

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Ocağı hatten in den letzten Jahren des Osmanischen Reiches bereits das KEF bei der Verbreitung türkistischer Ideale unterstützt.) Besonderen Wert legte Mustafa Kemal auf Resultate, die Beweise für eine türkische Beteiligung an den Anfängen und bei der Entfaltung der menschlichen Zivilisation lieferten. Wie der große Archäologe Jacques Jean-Marie de Morgan wollte der Begründer der Türkischen Republik den Ursprung des menschlichen Lebens und die Wiege der Zivilisation finden, nur dass Mustafa Kemal dabei hoffte, auf die Spuren einer ganz entscheidenden türkischen Mitwirkung zu stoßen. Das Ergebnis dieser Recherchen erschien 1930 als Türk Tarihinin Ana Hatları („Grundzüge der türkischen Geschichte“), ein 606 Seiten starkes Werk, das den Einfluss von H. G. Wells deutlich erkennen ließ. Dieses bemerkenswerte Buch versuchte, Szientismus, Darwinismus, Rassentheorien und die Geschichte der Turkvölker in Einklang zu bringen, um daraus die Weltgeschichte von der Entstehung des Kosmos bis zur Errichtung der Türkischen Republik „unter der Flagge Mustafa Kemals“ zu erklären.10 Zugleich war es eine Art Zusammenfassung der diversen Bände aus Henri Berrs ambitionierter Reihe L’Évolution de l’humanité in türkischer Sprache; allerdings lag der Schwerpunkt der Darstellung – wie zu erwarten – deutlich auf der türkischen Geschichte.11 Von dieser umfangreichen Studie wurden – zum Gebrauch hochrangiger Politiker und offizieller Historiker – nur einhundert Exemplare veröffentlicht, aber sie bildete die Grundlage für weitere Werke, darunter ein vierbändiges Geschichtslehrwerk für Oberschulen, das 1931 erschien.12 Unter Mustafa Kemals persönlicher Aufsicht wurde eine noch ausgefeiltere Fassung dieses als „Türkische Geschichtsthese“ (Türk Tarih Tezi) bekannten Gedankengebäudes ausgearbeitet und rigoros propagiert, insbesondere nach der ebenfalls 1931 erfolgten Gründung einer „Gesellschaft zur Erforschung der türkischen Geschichte“ (die 1935 zu der noch heute bestehenden Türkischen Historischen Gesellschaft wurde) und dem 1. Türkischen Geschichtskongress 1932. Im Jahr 1938 wurde verkündet, die Türkische Geschichtsthese sei nun unleugbar bewiesen. Die daran geäußerte Kritik – offiziell als „ungereimtes Geschwätz“ bezeichnet – wurde als „von ausländischen Werken beeinflusst“ diffamiert und für „erwiesenermaßen unwissenschaftlich“ erklärt (eine Haltung, die an den zur gleichen Zeit in der Sowjetunion aufgekommenen anti-Mendel’schen Lyssenkoismus erinnert).13

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Der Türkischen Geschichtsthese zufolge lag die Wiege der Menschheit in Zentralasien, der Heimat der Turkvölker. Von hier waren die Türken bis in alle Erdteile der Alten Welt gewandert, hatten Staaten gegründet – so etwa die sumerischen und hethitischen Reiche – und nebenbei noch „rückständigen“ Völkern wie den Chinesen oder Indern geholfen, selbst zu mächtigen Zivilisationen aufzusteigen. Gleichermaßen konnten die Türken, schenkte man dieser Darstellung Glauben, auf einen maßgeblichen Beitrag zur Zivilisation der Griechen und Römer zurückblicken, waren diese Völker doch erst durch türkische Wanderungsbewegungen nach Kreta und Italien zu dem geworden, was sie waren. Obwohl also nicht alle Völker Chinas, Indiens und des Mittelmeerraums von Turkvölkern abstammten, so verdankten sie ihre zivilisatorischen Errungenschaften doch der türkischen Einwanderung, die wiederum durch Umwelteinflüsse hervorgerufen worden war. Diese These ähnelte der völkerkundlichen „Kulturkreislehre“, einer Theorie der Kulturausbreitung aus dem Klassischen Diffusionismus in der deutschsprachigen Ethnologie.14 Weiterhin postulierte sie, die Türken hätten „schon während der [Jung-]Steinzeit um 12 000 v. Chr. Kleidung gekannt, während die Europäer diese Stufe erst 5000 Jahre später erreichten“.15 Die Türken seien also, alles in allem, nicht nur als die Begründer der „Weltzivilisation“ anzusehen, sondern als dasjenige Volk, welches diese Zivilisation auf der ganzen Welt verbreitete. Wenn die Turkvölker nicht auf Wanderschaft gegangen wären, hätten die anderen Weltgegenden womöglich noch lange unter primitivsten Bedingungen gehaust. Kurz gesagt war ein moderner anatolischer Türke des 20. Jahrhunderts der Abkömmling jener „Rasse, die der Menschheit das Feuer geschenkt hat, das Brot, Kleidung, Werkzeuge und Nutztiere“.16 Einer der – für die Elite der Türkischen Republik – größten Vorzüge dieser revisionistischen Interpretation der Menschheitsgeschichte war, dass sie die osmanische Vergangenheit völlig ausklammerte. Um sein neues Regime zu legitimieren, wollte Mustafa Kemal auch noch die letzten Spuren der osmanischen Geschichte tilgen. Die beste Vorgehensweise hierfür schien es zu sein, die Herrschaft der Osmanen zu nicht mehr als einer Fußnote in einer langen und glorreichen Geschichte zu erklären. Zugleich wurde die Rolle des Islam radikal umgedeutet. Er war nun nicht mehr der Mörtel des osmanischen Machtgebäudes, sondern der Hauptschuldige am

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Verfall des Türkentums. Ein zusätzlicher Vorteil dieser neuimaginierten Vergangenheit war es, die Schmähungen und Gegenansprüche anderer „erwachender“ Nationen – etwa nach dem Motto, die Türken seien ja selbst nur Spätankömmlinge in Anatolien und auf dem Balkan – nun einfach abweisen zu können. Die These von einer zivilisatorischen Sendung der Turkvölker, die bis in die Jungsteinzeit zurückreiche, bekräftigte auch den türkischen Anspruch, ein integraler Bestandteil der westlichen Welt zu sein, mehr noch: Griechenland als Ursprung der westlichen Zivilisation zu beerben. Bezeichnenderweise gründeten die Gebietsansprüche der Türkischen Republik auf den Sandschak von Alexandrette, der unter dem französischen Mandat an Syrien gefallen war, auf der Tatsache, dass diese Gegend früher einmal ein bedeutender Teil des Hethiterreiches gewesen war und ein mutmaßliches Turkvolk, die Hurriter, dort lange vor den semitischen Arabern gesiedelt habe.17 In Mustafa Kemals eigenen Worten: „[D]ie türkische Heimstatt von 4000 Jahren [gemeint ist Alexandrette/İskenderun] darf um keinen Preis ein Pfand in den Händen des Feindes bleiben.“18 Und als die Führung der Türkischen Republik sich tatsächlich um eine Verständigung mit Griechenland bemühte, kam man darauf zurück, dass die Türken ja die wahren Begründer der sogenannten griechischen Kultur seien und zwischen der griechischen und der türkischen Rasse eine Ähnlichkeit bestehe. Wenn es, andererseits, einmal darum ging, den problematischen Zustand der türkisch-griechischen Beziehungen hervorzustreichen, führte die türkische Regierung den Konflikt bis auf den Trojanischen Krieg zurück; schließlich seien Homers „rossetummelnde Troer“ türkischer Abstammung gewesen.19 Ethnologie und Anthropologie spielten – vor allem in ihren physischen und rassenkundlichen Ausprägungen – ebenfalls eine zentrale Rolle bei der Rekonstruktion der Geschichte zur Schaffung einer neuen türkischen Identität.20 Mustafa Kemal selbst hatte ein starkes Interesse an der anthropologischen Rassenkunde entwickelt und viel zu diesem Thema gelesen. Nach einer eingehenden Lektüre des Essai sur l’inégalité des races humaines aus der Feder des Comte de Gobineau stimmte er zwar dessen Hauptthese zu; mit der abfälligen Behandlung der Turkvölker durch den französischen Aristokraten, Diplomaten und Erzrassisten war er jedoch nicht einverstanden.21 Gleichermaßen hatte er einen Blick in die Werke Alfred Cort Haddons geworfen und war von dessen Ansatz, der die Darwin’sche Biogeografie

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zur Ableitung der Rassengenese heranzog, tief beeindruckt – und wohl auch von Haddons These, die anatolische Zivilisation sei das Produkt einer „brachykephalen [kurzschädeligen] Rasse“.22 Ein weiterer Ethnologe, der Mustafa Kemal stark beeinflusste, war der gebürtige Schweizer (und frühere Bolschewik) George Montandon, ein Arzt und Anthropologe, der als ein Gründervater des französischen ethno-racisme gilt. Montandons Thesen, einschließlich seines Postulats einer „turanischen Rasse“ sowie der Behauptung, die Bevölkerung Frankreichs setze sich aus verschiedenen Rassen zusammen,23 kamen im türkischen Anwendungsfall nur gelegen. Neben den genannten Gelehrten hinterließ Eugène Pittard, ein angesehener Schweizer Anthropologe und Gründer des Musée d’Ethnograpie de Genève, bei Mustafa Kemal den größten Eindruck.24 Wie vor ihm Pierre-Marcellin Boule, dessen Rassenbegriff er übernahm,25 war Pittard der Auffassung, anthropologische Realitäten würden durch ethnographische, linguistische und historische Tatsachen und Entwicklungen bloß überlagert. Er wollte deshalb beweisen, dass die menschliche Evolution einerseits und die Bildung von Völkern und Nationen andererseits zwei voneinander unabhängige Prozesse seien.26 Gemeinsam mit Montandon vertrat Pittard weiterhin die Ansicht, so etwas wie „Reinrassigkeit“ gebe es nicht. Doch trotz seiner subtilen Kritik des Rassismus, die sich der Kategorie „Rasse“ bediente, um die menschliche Evolution zu erklären, hatte Pittard mit seinen Schriften bereits einen signifikanten Beitrag auf dem Gebiet der Anthropometrie geleistet.27 Seine Feldforschung auf dem Balkan am Vorabend der Balkankriege brachte ihn zu der Schlussfolgerung, dass „die Türken mit Sicherheit eine der stattlicheren Rassen Eurasiens“ seien,28 ein „hochgewachsenes, brachykephales oder sub-brachykephales Volk“.29 Außerdem stellte er fest, Türken und Griechen hätten vielerlei „rassische Übereinstimmungen“, und schlug vor, die Existenz so vieler helläugiger Türken als weiteren Beleg für die sehr frühe Ankunft der Türken in Europa zu werten, die dem Auftreten vieler anderer europäischer Rassen weit vorausgegangen sei.30 Die Begründer der Türkischen Republik machten sich diese Aussagen gern zu eigen. Mustafa Kemals Adoptivtochter Âfet İnan schrieb unter Pittards Betreuung ihre Doktorarbeit. Für das zugrunde liegende Forschungsprojekt führte sie eine umfangreiche, vom türkischen Staat finanzierte Studie durch, deren Ziel die anthropometrische

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Kartierung der Türkei war. Für das 1939 in Genf veröffentlichte Buch31 mit dem Titel L’Anatolie, le pays de la „Race“ turque: Recherches sur les caractères anthropologiques des populations de la Turquie: Enquête sur 64.000 individus („Anatolien, Land der türkischen ‚Rasse’. Studie über die anthropologischen Merkmale der Humanpopulationen der Türkei anhand von 64 000 Individuen“) schrieb Pittard eine Einleitung.32 In seinem persönlichen Austausch mit dem Schweizer Anthropologen zeigte Mustafa Kemal ein lebhaftes Interesse an dessen Hypothese, die brachykephalen Völker Europas seien aus Asien eingewandert.33 Auch viele türkische Gelehrte sahen in Pittards Verwendung der anthropometrischen Methode einen Schlüssel zur Vergangenheit und zugleich ein Instrument zur wissenschaftlichen Bestärkung der türkischen Identität in der Gegenwart.34 Als Zeichen der allgemeinen Anerkennung seiner Arbeit in der Türkei wurde Pittard 1937 zum Ehrenvorsitzenden des 2. Türkischen Geschichtskongresses ernannt.35 Derweil setzten türkische Anthropologen, die 1932 auf Mustafa Kemals Geheiß mit der rassenkundlichen Schulung von Geschichtsstudenten begonnen hatten,36 alles daran, Beweise für die offiziell propagierte Geschichtsdarstellung zu finden. Kopf dieser Operation war Şevket Aziz

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Abb. 12 Eugène Pittard beim Zweiten Türkischen Geschichtskongress (1937).

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(Kansu), ein Schüler des französischen Völkerkundlers Georges Papillault. Nach dem 1. Türkischen Geschichtskongress 1932, bei dem Şevket Aziz als leidenschaftlicher Verteidiger der rassischen Überlegenheit des türkischen Volkes aufgetreten war und überdies die Abstammung des „europäischen Menschen“ von den zentralasiatischen Turkvölkern behauptet hatte, hatte ihn Mustafa Kemal persönlich zum Mitglied der „Gesellschaft zur Erforschung der türkischen Geschichte“ ernannt. (Bei jenem Kongress war Şevket Aziz nicht davor zurückgeschreckt, eine Bauernfamilie aus einem nahegelegenen Dorf herbeischaffen zu lassen, um anhand eines blonden Kindes dieser Familie den Kongressteilnehmern die Abstammung des türkischen Volkes von der „brachykephal-alpinen Rasse“ zu demonstrieren.)37 Die Anthropologen konzentrierten sich auf schädelkundliche, morphologische und anthropometrische Studien und untersuchten sogar die Kiefer ihrer Probanden auf den Grad ihres Über- oder Unterbisses.38 Sie wollten nachweisen, dass die großen Zivilisationen der frühen Menschheitsgeschichte – wie etwa die Hethiter oder die Sumerer – von turksprachigen Zuwanderern aus Zentralasien begründet worden waren; dass die Türken eine kaukasische, arische (alpine), brachykephale Rasse darstellten, die aufgrund ihres hochentwickelten Schädelbaus allen anderen Rassen überlegen war (was eine offene Herausforderung der gängigen Rassentheorien bedeutete, von denen meist die Überlegenheit der nordischen Rasse über alle anderen europäischen Rassen einschließlich der alpinen behauptet wurde); und schließlich wollten sie beweisen, dass die Zivilisation Anatolien wesentlich früher erreicht habe, als allgemein angenommen. Die Ergebnisse ihrer Studien untermauerten die Anthropologen mit den geläufigen vulgärmaterialistischen und darwinistischen Thesen szientistischer Vordenker wie etwa Thomas Henry Huxley und Carl Vogt.39 Und um die Wahrheit ihrer Theorien endgültig zu belegen, führten sie sorgfältigste Vermessungen an hethitischen und seldschukischen Schädelfunden durch40 oder verglichen den Knochenbau von Leichnamen aus türkisch-muslimischen, jüdischen und griechischen Friedhöfen, um auch hieran noch die Überlegenheit der türkischen Rasse zu erweisen.41 Republikanische Gelehrte bemühten sich zudem, die „rassische Herkunft“ prominenter Persönlichkeiten der osmanischen Gesellschaft zu erforschen, um ihre Theorien anhand dieser Beispiele zu erhärten. So exhumierte etwa 1935 eine Gruppe von Anthropologen und

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Historikern die Überreste des gefeierten osmanischen Architekten Sinan (gest. 1588), um sie nach anthropometrischen Gesichtspunkten zu vermessen. Obwohl der Architekt selbst geschrieben hatte, dass er ein devşirme war, ein bei der „Knabenlese“ des osmanischen Staates verschleppter christlicher Junge, der seiner Familie im frühen 16. Jahrhundert in Kayseri geraubt worden war,42 kamen die Anthropologen zu dem Ergebnis, dass „die Untersuchungen am Schädel des Genies einwandfrei erwiesen haben, dass der große Architekt nicht nur seiner Kultur, sondern auch seiner Rasse nach ganz ein Türke war.“43 Ähnlich den späteren Studien des sowjetischen Anthropologen Michail Gerassimow am Skelett des großen mongolischen Eroberers Timur (gest. 1405)44 zeigte die exzentrische Forschungsarbeit der türkischen Anthropologen – die frommen Muslimen übrigens zuwider war –, wie der Szientismus der geschichtswissenschaftlichen Theoriebildung zuarbeiten konnte. Ein weiteres Hauptinteressengebiet der Ethnologen und Anthropologen in der frühen Türkischen Republik war die Sprache – oder genauer, der hypothetische Gemeinursprung aller Sprachen.45 Wenig überraschend war die türkische Sprache ein zentraler Bezugspunkt für den unter Mustafa Kemals Führung neu konzeptualisierten türkischen Nationalismus. So bezweckte der 1928 durchgeführte Wechsel von der arabisch-persischosmanischen Schrift zu einem modifizierten lateinischen Alphabet, das als „modernes türkisches Alphabet“ oder „Gazi-Alphabet“ bezeichnet wurde, durchaus nicht nur eine Vereinfachung der geplanten Sprachreform. Die vergleichende Erforschung der Turksprachen einerseits und der Sprachen der indogermanischen Sprachfamilie andererseits, durch die natürlich die zentrale Bedeutung der Sprache für den türkischen Nationalismus bewiesen werden sollte, lässt sich bis zu den frühesten türkistischen Essays aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. Eine der ersten Studien auf diesem Gebiet, Les Turcs anciens et modernes, wurde 1869 von Mustafa Celâdeddin Pascha (Konstanty Półkozic-Borzęcki) veröffentlicht, einem Polen, der nach der gescheiterten Revolution von 1848 aus seiner Heimat in das Osmanische Reich geflohen, zum Islam konvertiert und ein Untertan des Sultans geworden war.46 In seiner Schrift behauptete er, Parallelen zwischen dem Türkischen und dem Lateinischen gefunden zu haben, und deutete eine mögliche Abstammung der romanischen Sprachen von den Turksprachen an.47 Mustafa Kemal las diese Abhandlung mit gro-

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ßem Interesse. Insbesondere faszinierte ihn eine Analyse der sprachlichen Probleme, die aus der Übernahme des arabisch-persischen Alphabets durch die Türken erwachsen waren. Seine sorgfältige Lektüre von Bernard Carra de Vaux’ Studie La Langue étrusque; sa place parmi les langues (1911) zerstreute seine letzten Zweifel daran, dass das Lateinische tatsächlich aus dem Proto-Türkischen entstanden war.48 Da er also einem Nachweis über die türkischen Ursprünge der großen Zivilisationssprachen (insbesondere der indogermanischen) solch überragende Bedeutung beimaß, ließ Mustafa Kemal im Jahr 1930 einen seiner Vertrauten, der Journalist von Beruf war, einen Konferenzbeitrag von David-Léon Cahun übersetzen, in dem es um die „turanischen“ Ursprünge jener Sprache ging, die den „arischen“ (d. h. hier: indogermanischen) Sprachen auf dem Gebiet des heutigen Frankreich vorausgegangen sei.49 Eine andere Studie, die Mustafa Kemal gewissenhaft las – das 1932 in zwei Bänden erschienene L’Origine des langues, des religions et des peuples des Kapuzinerpaters Hilaire de Barenton (Étienne Boulé) –, behandelte vornehmlich die sumerische Sprache und ihre linguistischen „Nachkommen“.50 Alle diese Abhandlungen überzeugten Mustafa Kemal davon, dass das moderne Türkisch den Gipfel eines evolutionären Prozesses darstellte, der mit jener Ursprache der frühesten Menschheit begonnen hatte, von der alle späteren Sprachen abstammten. Im Jahr 1932 wurde auf Mustafa Kemals Initiative hin mit der Türk Dili Tetkik Cemiyeti eine „Gesellschaft zur Erforschung der türkischen Sprache“ gegründet (seit 1936 Türk Dil Kurumu, „Institut für die türkische Sprache“). Der erste Leiter dieser Institution, deren Aufgabe die weitere Bearbeitung des oben skizzierten Forschungsfeldes war – natürlich immer mit Blick auf eine Untermauerung der Türkischen Geschichtsthese –, war der von Mustafa Kemal persönlich ernannte Samih Rif῾at, der schon lange behauptet hatte, die indogermanische und die semitische Sprachfamilie hätten sich aus dem Proto-Türkischen entwickelt, das vor Tausenden von Jahren in Zentralasien gesprochen worden sei.51 Der 1. Türkische Sprachkongress, der 1932 stattfand und per Rundfunkübertragung auf öffentlichen Plätzen von Menschen im ganzen Land mitverfolgt werden konnte,52 kam immer wieder auf diese Theorie zurück und erklärte schließlich die großangelegte Sammlung eines authentischen türkischen Wortschatzes offiziell zu seiner obersten Priorität. Die Regierung wies daraufhin den gesamten

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Verwaltungsapparat der Republik an, „unverfälschte türkische Wörter“ zu sammeln und an die zuständigen Stellen weiterzuleiten. Diese Wortlisten sollten in den unterschiedlichen Dialektgebieten der turksprachigen Provinzen zusammengetragen sowie aus Volksmärchen und alten Dokumenten gewonnen werden; letztlich sollten sie als „echt türkischer“ Ersatz für die vielen Wörter fremden Ursprungs dienen, die das Türkische gegenwärtig „verschmutzten“ – vor allem für jene Fremd- und Lehnwörter, die aus dem Arabischen oder Persischen stammten. Wenn sich zum Austausch für ein fremdes Wort kein authentisches Turkwort finden ließ, sollte die „Gesellschaft zur Erforschung der türkischen Sprache“ ein neues Wort auf Grundlage einer existierenden türkischen Wurzel bilden.53 Ein ähnlicher Versuch, „unverfälschte“ türkische Wörter als Ersatz für ihre arabischen oder persischen Äquivalente zu sammeln, war bereits in der hamidischen Ära, 1894, unternommen worden – mit geringem Erfolg.54 Diesmal jedoch strebte eine entschlossene Initiative mit stark nationalistischen Zügen nicht weniger als eine umfassende – und dauerhafte – Säuberung der türkischen Sprache an. Die Idee, das gestelzte osmanische Türkisch zu „entschlacken“ und gewissermaßen seine turksprachlichen Fundamente freizulegen, lässt sich bis in die Tanzîmât-Ära zurückverfolgen. Allerdings mündeten damals die weite Ausbreitung neuer literarischer Genres wie etwa des Romans, die Rezeption westlicher Wissenschaften sowie Bemühungen, das osmanische Recht nach europäischem Vorbild zu kodifizieren, bald in einer noch artifizielleren Sprache mit noch mehr Entlehnungen aus dem Persischen und Arabischen. Nach der Revolution der Jungtürken entstand in Mustafa Kemals Heimatstadt Saloniki eine literarische Bewegung namens Genc Kalemler (wörtlich „Jungstifte“, im übertragenen Sinne „Jungdichter“). Ihre Anhänger entwickelten das Programm einer „Neuen Sprache“ (Yeni Lisan), für die strukturelle Einfachheit und eine ausschließliche Orientierung an der Grammatik des Türkischen kennzeichnend waren.55 Obwohl damals eine Minderheit der „Jungen Dichter“ für eine Säuberung der gesamten türkischen Sprache plädiert hatte, bei der arabische und persische Entlehnungen durch alttürkisches Vokabular ersetzt werden sollten, hatte die Mehrheit – zu der auch Ziya Gökalp gehörte, dessen nationalistische Ideen Mustafa Kemal stark beeinflussten – sich für eine graduelle Vereinfachung

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ohne extreme „Säuberungsmaßnahmen“ ausgesprochen.56 Wie auf etlichen anderen Gebieten entschied sich Mustafa Kemal jedoch auch beim Thema Sprachreform für die radikalste Vorgehensweise, die zu haben war. In einer Notiz zu einer 1930 verfassten Studie zur Frage der Sprachreform hob er hervor, dass „die türkische Sprache vom Joch fremder Zungen befreit“ werden müsse.57 Zweifellos ging sein tatsächliches Ziel noch weit über eine bloße Sprachreform hinaus. In seinen eigenen Worten beabsichtigte er, „die osmanische [Sprache] vernichtend zu schlagen“.58 Wortlisten türkischer Ausdrücke, die aus verschiedenen Dialekten oder aus alten Schriften oder Volkssagen gesammelt worden waren, erschienen ab 1934 in der neuen Zeitschrift Tarama Dergisi (der Titel lässt sich nur schwer wörtlich übersetzen, bedeutet aber ungefähr so viel wie „Zeitschrift für Sprachlese“ im Sinne einer Sammlung, Ernte oder Sortierung). Von offizieller Seite wurde angeordnet, dieser neue Wortschatz solle diejenigen osmanischen Wörter arabischen oder persischen Ursprungs ersetzen, die in einem der wichtigsten modernen Wörterbücher des osmanischen Türkisch, dem Kâmûsi Türkî von Şemseddin Sami Frashëri, enthalten waren. In den meisten Fällen wurde für ein einzelnes arabisches oder persisches Wort mehr als eine neue Alternative vorgeschlagen, und man bat die geneigte Leserschaft, der staatlichen Sprachbehörde ihre jeweiligen Präferenzen mitzuteilen. Zusätzlich wurden Radiosender und Tageszeitungen angewiesen, Wortvorschläge aus den Reihen ihrer Hörer und Leser zu sammeln. Bald waren auf diese Weise rund 125 000 angeblich „echt türkische“ Wörter zusammengekommen, die rund 7000 etablierte Wörter fremden Ursprungs ersetzen sollten.59 Bis zum Zusammentreten des 2. Türkischen Sprachkongresses 1934 war eine Sprachverwirrung von babylonischen Ausmaßen entstanden. Die offiziellen Verlautbarungen der Regierung waren für philologisch nicht Vorgebildete so gut wie unverständlich; selbst kultivierte Kreise hatten mit der Deutung vieler Zeitungsartikel ihre liebe Not. In der Absicht, den Menschen bei der Suche nach „echt türkischen“ Synonymen für die ausgesonderten arabischen und persischen Wörter ein Hilfsmittel an die Hand zu geben, erschienen 1935 osmanisch–türkisch/türkisch–osmanische Taschenwörterbücher. Diese Wörterbücher behandelten das osmanische Türkisch (denn das war die Sprache vor der Reform ja gewesen) effektiv wie eine Fremdsprache.60 Im Jahr 1934 beschloss Mustafa Kemal, dass

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er seinen Geburtsnamen „Mustafa“ nicht länger benutzen wolle, da dieser nicht türkisch sei. Was seinen später angenommenen Eigennamen „Kemal“ anging – der aus genau demselben Grund angreifbar erschien –, so beeilte sich ein offizielles Kommuniqué festzustellen, dass dieser keineswegs „Kemal“ sei – das arabische Wort für „Perfektion“ – sondern, so zumindest die Verlautbarung, auf ein gewisses alttürkisches Wort zurückgehe – „Kamâl“ –, das so viel wie „Befestigung“ bedeute.61 Eine Zeitlang unterzeichnete der Präsident also sämtliche Dokumente als „Kamâl“. Alle diese neuen Regeln und alten Begriffe schufen jedoch in der alltäglichen Praxis derart große Kommunikationshemmnisse, dass Mustafa Kemal beschloss, den Modernisierungsprozess zu bremsen und einige der aussortierten Wörter wieder einzuführen; doch die Türkisierung als ganze ging weiter. Als 1935 dieser sprachwissenschaftliche Wirrwarr auf seinem Höhepunkt angelangt war, entschieden Mustafa Kemal und seine Linguisten, eine höchst innovative Sprachthese vorzustellen, welche die Türkische Geschichtsthese in ihrer selbstbewussten Behauptung, die „Weltzivilisation“ sei türkischen Ursprungs, unterstützen sollte. Zu diesem Zweck beauftragten sie einen zwar etwas dubiosen, dafür aber umso extravaganteren Gelehrten aus Wien, Hermann Feodor Kvergić mit Namen, der auf der Grundlage der Psychoethnologie eine vollmundige Theorie der türkischen Sprache entwickeln sollte. Wie schon der Titel des recht kurzen Aufsatzes andeutete, den Doktor Kvergić nach einer Weile maschinenschriftlich bei Mustafa Kemal einreichte – La Psychologie de quelques éléments des langues turques („Über die Psychologie einiger Wesensmerkmale der Turksprachen“) –, gründeten seine linguistischen Forschungen im Wesentlichen auf der Psychoanalyse Sigmund Freuds, ergänzt durch gerade sehr populäre deutsche Theorien über Lautsymbolik sowie Ansätze aus der Psychoethnologie.62 Kvergićs These sollte als „Sonnensprachtheorie“ zu zweifelhaftem Ruhm gelangen. Sie besagt, dass die ersten Menschen irgendwann begonnen hätten, mittels Gesten und Lauten auf Objekte zu verweisen – zum Beispiel, indem sie das meistverehrte Objekt ihrer Lebenswelt, die Sonne, mit dem Ausruf „Aa!“ bezeichneten –, und Kvergić behauptete, dass das Ur-Türkische die erste Sprache gewesen sei, in der solche Laute, die sich später zu Wörtern verfestigt hätten, geäußert worden seien. Unter Mustafa Kemals Anleitung wurde die Sonnensprachtheorie

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zur Untermauerung der großspurigen Behauptung herangezogen, das Türkische sei die erste und ursprüngliche Sprache der Menschheit – wodurch gleichzeitig die Entlehnung von Wörtern aus den europäischen Sprachen theoretisch gerechtfertigt werden konnte, gingen diese doch in letzter Instanz alle auf das Proto-Türkische zurück. Inkonsequenterweise jedoch wurde die Sonnensprachtheorie – die durchaus auch die Abstammung der semitischen Sprachen von den Turksprachen postulierte – zu keiner Zeit zur Rechtfertigung von arabischen Lehnwörtern im Türkischen eingesetzt.63 Kvergić kam dank einer umfassenden populären Vermittlung seiner Theorie in der Türkei zu einiger Berühmtheit, und die türkische Regierung trug ihm schließlich auf, eine kontrastive Analyse des Türkischen und anderer bedeutender Sprachen durchzuführen, anstatt weiter an einem Wörterbuch der Turksprachen mitzuarbeiten. Der serbische Linguist aus Wien leistete der Sache des türkischen Nationalismus wertvolle Dienste, doch das republikanische Regime trieb seine Ideen auf eine Weise bis zum Äußersten, die er sich wohl nicht hatte träumen lassen. Wieder einmal wird deutlich, dass ein Gelehrter, der in der gesamteuropäischen Geistesgeschichte nur eine kleine Nebenrolle spielte, in der Öffentlichkeit des späten Osmanischen Reiches oder der Türkischen Republik durchaus in eine Hauptrolle schlüpfen konnte. Die Sonnensprachtheorie wurde hauptsächlich eingesetzt, um die kühnen Behauptungen zu erhärten, die sich aus der Türkischen Geschichtsthese ergaben: dass die Türken nämlich die erste Zivilisation der Menschheitsgeschichte begründet hätten und dass die Relikte anderer alter Kulturen im Grunde nur die weite Verbreitung jener frühen türkischen Hochkultur belegten.64 Die Anthropologen hatten dies „bewiesen“, indem sie Schädel vermaßen; die Archäologen, indem sie Überreste aus alter Zeit freilegten;65 die Historiker hatten die ältesten Texte neu interpretiert; nun trugen die Philologen ihren Teil bei, indem sie die anmaßende These aufstellten, ProtoTürkisch sei die Ursprache der Menschheit gewesen.66 Sowohl die Sonnensprachtheorie als auch die Türkische Geschichtsthese erfuhren weitere Bestätigung, als Mustafa Kemal auf die Arbeit James Churchwards hingewiesen wurde, eines amerikanischen Abenteurers, Mystikers und Okkultisten britischer Abstammung, der angab, auf dem Gebiet der „Psychoarchäologie“ zu arbeiten. So hatte er Studien über

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den sagenhaften Kontinent Mu verfasst, wo, wie er behauptete, einst eine Zivilisation namens „Lemuria“ geblüht habe. Churchward zufolge waren es Abkömmlinge lemurischer Flüchtlinge gewesen, die in Mexiko und anderen Weltgegenden so beeindruckende Grabhügel hinterlassen hatten. Der türkische Geschäftsträger in Mexiko machte Mustafa Kemal auf diese Theorie aufmerksam, woraufhin der Präsident unverzüglich türkische Übersetzungen von Churchwards wichtigsten Studien über den „verlorenen Kontinent“, dessen „Kinder“ sowie deren „kosmische Kräfte“ und „ehrwürdige Symbole“ in Auftrag gab: The Lost Continent of Mu, The Children of Mu, Cosmic Forces as They Were Taught in Mu und The Sacred Symbols of Mu. Mustafa Kemal schien Churchwards Behauptung, die ersten Menschen hätten auf dem Kontinent Mu gelebt, selbst angezweifelt zu haben; immerhin notierte er am Seitenrand: „Woher will er das wissen?“67 Plausibler erschienen ihm da schon Churchwards Bemerkungen über den von ihm vermuteten uigurischen Ursprung der prähistorischen Sprachen sowie über eine Ähnlichkeit von alttürkischen Runen und den Symbolen, die er angeblich in Indien auf Schreibtafeln der ansonsten unbekannten Naacal-Kultur entdeckt hatte, mit den „Niven-Tafeln“, auf die der Mineraloge und Hobbyarchäologe William Niven in Mexiko gestoßen war. Das konnte für Mustafa Kemal nur eines bedeuten: Die ersten Türken hatten die Zivilisation nicht nur in Europa, Asien und Afrika verbreitet, sondern waren bis in die Neue Welt vorgedrungen.68 Gleichermaßen überzeugte ihn die gründliche Lektüre der Studie des französischen Universalgelehrten Brasseur de Bourbourg über die Mayasprache davon, dass diese sich aus dem Proto-Türkischen entwickelt habe.69 Die türkische Abstammung der südamerikanischen Ureinwohner und ihrer Sprachen wurde so zu einer weiteren Facette der Türkischen Geschichtsthese, wenn auch nicht zu einer allgemein anerkannten.70 Trotz ihrer wissenschaftlichen Unzulänglichkeit blieb die Sonnensprachtheorie in der Türkei bis zu Mustafa Kemals Tod von Bedeutung. Türkische Sprachwissenschaftler erarbeiteten Lehrbücher, die auf ihr basierten; ab 1936 wurde sie auch an der Universität Ankara gelehrt.71 Die amtliche Tageszeitung Ulus („Die Nation“) druckte, wie andere Blätter auch, eine Serie von Artikeln, durch welche die breite Öffentlichkeit mit der Sonnensprachtheorie vertraut gemacht werden sollte.72 Und obwohl

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jene nach Mustafa Kemals Tod bald aufgegeben wurde, gingen die Bemühungen, das Türkische von fremden Einflüssen zu säubern, weiter (wenn auch etwas langsamer als zuvor). Zudem verschob sich ihr Schwerpunkt: Anstatt immer mehr neue Wörter zu erfinden, bemühte man sich jetzt erst einmal um die allgemeine Verbreitung der gerade erst eingeführten. Die Sprachreform als ganze stärkte die Türkische Geschichtsthese, durch welche die alte, muslimisch-osmanische Identität der Nation durch eine neue, rein türkische ersetzt werden sollte. In den denkwürdigen Worten des unlängst verstorbenen Geoffrey Lewis war diese Reform tatsächlich „ein katastrophaler Erfolg“.73 Sie fabrizierte eine beinahe gänzlich neue Sprache, die es den nachfolgenden Generationen so gut wie unmöglich machen sollte, irgendetwas von dem zu verstehen, was vor der Reform zu Papier gebracht und veröffentlicht worden war, einschließlich der gesamten osmanischen Literatur und Geschichtsschreibung. Selbst die Verfassung der neuen Republik musste 1945 in das „Neutürkische“ übersetzt werden; 1963 geschah dasselbe mit Mustafa Kemals Hauptwerk Nutuk. Mustafa Kemal war die treibende Kraft hinter den beiden Zwillingsthesen zur türkischen Sprache und Geschichte, welche der Ideologie des neuen Staates zugrunde lagen. Man könnte sie mit einiger Berechtigung sogar als seine „Leib- und Magenprojekte“ bezeichnen. In den Worten eines der führenden Mitglieder der Türkischen Historischen Gesellschaft war „die Türkische Geschichtsthese von dem unvergleichlichen türkischen Genie [d. i. Mustafa Kemal] aus dem Dunkel vieler Jahrhunderte ans Licht gebracht worden“,74 während es sich bei der Sonnensprachtheorie, in den Worten des Generalsekretärs des Instituts für die türkische Sprache, um „eine Erfindung [aus] unseres großen Führers erhabenem Genius“ handelte.75 Die Tatsache, dass Atatürk zwei Monate vor seinem Tod einen beträchtlichen Teil seiner Anteile an einer großen türkischen Bank zum Stiftungsvermögen der beiden noch heute bestehenden offiziellen Sprach- und Geschichtsinstitute bestimmte, macht deutlich, wie sehr ihm diese Projekte am Herzen lagen.76 Mustafa Kemal hoffte, der neue türkische Nationalismus auf szientistischer, geschichts- und sprachwissenschaftlicher Grundlage werde die Voraussetzungen für eine neue Zivilreligion bilden – ein Konzept, das er in Anlehnung an die moralité civique des französischen Soziologen Émile

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Durkheim entwickelt hatte. Ihm mag dabei auch das Modell des japanischen Shintoismus nach den Meiji-Reformen vor Augen gestanden haben, eines Staatskultes, der das Bild Japans als einer einzigartigen, unvergleichlichen Nation fest in der japanischen Vorstellungswelt verankerte. Obwohl er rein säkular war, ließ der türkische Nationalismus doch die Entstehung einer Art von Patriotismus erwarten, deren höchstes Gut der bedingungslose Einsatz des Individuums für seinen Staat darstellte. Anstelle des alten religiösen Rahmens, in dem der imperiale Glanz des Osmanischen Reiches präsentiert zu werden pflegte, sollte nun eine durch und durch moderne Form der Heldenverehrung, gestützt auf sakrosankte Nationalsymbole, die Legitimität der Republik verbürgen und den Türken so eine neue, eine Nationalseele schenken. Am Ende sollte ein jeder Türke aufstehen und stolz erklären: „Mein Türkentum ist meine Religion.“ Allerdings stand der bilderstürmerische Säkularismus der neuen Republik in einem eklatanten Spannungsverhältnis zu dem sakralen Anspruch des neuen Nationalismus, auf dem diese Republik fußte. So definierten zwar viele Gründungsdokumente des neuen Staates – darunter seine Verfassung und das Programm der Republikanischen Volkspartei – das erwähnte Türkentum im Sinne von säkularer Staatsbürgerschaft; die Begrifflichkeit jedoch, in der sie dies taten, war eine von heiliger Ehre, ewigem Ruhm und rassischer Überlegenheit.77 Selbst wenn der neue Nationalismus nicht derart säkular gewesen wäre, hätte er aber dennoch ein problematisches Verhältnis zum Islam gehabt. Schließlich erhob der neue türkische Nationalismus – darin dem japanischen Staatsshintoismus nicht unähnlich, der ein „Monopol des Sakralen“ anstrebte und darum mit dem Buddhismus aneinandergeriet – starke Ansprüche auf die Sphäre des Sakralen und somit auf Bereiche, die traditionell der Islam für sich beansprucht hatte. Wie Durkheim war auch Mustafa Kemal der Ansicht, dass ein Nationalismus, durch den die Bürger eines säkularen Staates diesem in einer Art Staatskult huldigten, durchaus die Rolle der Religion übernehmen konnte.78 Diese neue Zivilreligion war Mustafa Kemal so wichtig, dass er von 1929 bis 1933 persönlich die Führung übernahm, als es um die Ausarbeitung einiger Lehrbücher für Staatsbürgerkunde ging. Er selbst stellte sie zusammen; veröffentlicht wurden sie unter dem Namen seiner Adoptivtochter. In dem wichtigsten dieser Werke, Vatandaş İçin Medenî Bilgiler („Bürgerkunde für

Die Türken haben eine gemeinsame Moral. Dieser hohe Grad an Sittlichkeit wird von keiner anderen Nation erreicht. … Wenn ich „Moral“ sage, dann meine ich nicht eine Moral, wie man sie aus Büchern lernen kann. … Die Moral steht über den Individuen, sie kann nur gesellschaftlich, national sein. … Man hat behauptet, religiöse Einheit könne bei der Heranbildung einer Nation eine Rolle spielen; am Beispiel der türkischen Nation beobachten wir allerdings das Gegenteil.81 Mustafa Kemal hoffte, dass die Türken, indem sie den republikanischen Idealismus, der das Herzstück seiner neuen Zivilreligion war, für sich übernahmen, die Türkei zu neuen Höhen führen würden. Er wusste wohl, dass die Einführung dieser Zivilreligion die türkische Gesellschaft nicht über Nacht würde verändern können; noch ließ sich damit derart kurzfristig die Legitimität des neuen Regimes begründen. Darum wollte er, wie bereits beschrieben, dem gerade eingeführten Staatskult durch eine Reihe unterstützender Kulte, personeller wie institutioneller, einen festen Rückhalt in der türkischen Gesellschaft geben. Zuerst kam der Kult um die Vernunft – inspiriert von der Französischen und der Amerikanischen Revolution, aber auf szientistische Begriffe gebracht. Dieser Kult war notwendig sowohl als Impuls zu einer türkischen Renaissance als auch zur Abwehr jeglichen religiösen „Störfeuers“, das die Aufklärer um Mustafa Kemal in ihrer Arbeit hätte behindern können. Wie Moses Mendelssohn sah Mustafa Kemal die Aufklärung als einen Erziehungsprozess auf Grundlage der reinen Vernunft; doch glaubte er fest daran, dass seine eigene Revolution – und

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den Staatsbürger“), führt er eine Definition des französischen Historikers und Religionswissenschaftlers Ernest Renan an, der die Nation beschrieben hatte als schlicht eine Gruppe von Menschen, die eine geteilte – ruhmreiche wie schmähliche – Vergangenheit und eine gemeinsam angestrebte Zukunft vereinten: „dans le passé, un héritage de gloire et de regrets à partager, dans l’avenir un même programme à réaliser.“79 Im Folgenden beschreibt er die türkische Nation als „die größte, die älteste und die reinste“ der Weltgeschichte und wiederholt auch die nationalistischen Thesen zu Sprache und Religion.80 Er bemühte sich zudem, eine säkulare Theorie der Moral nach Art von Durkheims „kollektiven Vorstellungen“ zu entwerfen:

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die Aufklärung, die ihr zwangsläufig folgen werde – die entsprechenden Umwälzungen im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts noch übertreffen würden. Den Grund für diese Überlegenheit sah er darin, dass seine Vorläufer lediglich Newton als Vorbild gehabt hatten, er selbst jedoch von den neuesten Erkenntnissen der Naturwissenschaften und den Theorien Darwins und Huxleys profitieren konnte. Auch darin ging Mustafa Kemal über Mendelssohn hinaus, dass er die Grenzen der Vernunft bedenkenlos bis an ihr Äußerstes dehnte. Er sah sich selbst als den Sendboten einer nationalen Renaissance und Aufklärung (Begriffe, die von den Kemalisten seit den 1930er-Jahren gebraucht wurden, um das Lebenswerk ihres Übervaters zu charakterisieren)82, als den Beförderer zweier historischer Prozesse mithin, die an den Türken bedauerlicherweise vorbeigegangen waren, als sie sich in Europa zum ersten Mal ereignet hatten. Er sah sich als Nachfolger Friedrichs des Großen, Josephs II., Katharinas der Großen – als Nachfolger allerdings, der die Verdienste dieser Vorläufer noch weit übertraf, indem er nicht nur der Fackelträger der Aufklärung sein wollte, sondern die Flamme der Vernunft durch seine eigene intellektuelle und ideologische Arbeit gewissermaßen selbst noch anfachte. Parallel zu diesem Kult der Vernunft entwickelte sich der Kult der Republik, der wiederum lose an das französische Konzept des esprit républicain angelehnt war. Die Republik war, wie Mustafa Kemal immer wieder erklärte, mehr als nur eine Verwaltungsmaschinerie; sie war zugleich „das einzige Werkzeug, um jetzt und in Zukunft das Wohlergehen und Gedeihen der türkischen Nation in Freiheit zu bewahren“.83 Da dies so war, war es die Pflicht aller Bürger, der Nation zu dienen. Um der Bevölkerung die republikanischen Tugenden einzuimpfen, pries die neue Regierung diese in den höchsten (und idealisierendsten) Tönen. Der Zusatz „republikanisch“ verlieh neugeschaffenen Institutionen auf unkomplizierte Weise ein wenig revolutionären Glanz und unterstrich ihre Abgrenzung von den osmanischen Vorgängerinstitutionen. So wurde die Regierung zur „republikanischen Regierung“, wurden Staatsanwälte zu „republikanischen Staatsanwälten“. Im Jahr 1924 fügte Mustafa Kemals Volkspartei ihrem Namen das Zauberwort hinzu und firmierte fortan als „Republikanische Volkspartei“. Die Seeleute der türkischen Kriegsmarine trugen Mützen, auf denen die Initialen „T. C. B.“ prangten (für „Seemann der Türkischen Republik“). Gleicher-

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maßen ersetzte an allen vormalig osmanischen Repräsentationsbauten die Abkürzung „T. C.“ (für Türkiye Cumhuriyeti, „Türkische Republik“) das alte Sultansmonogramm (tuğra) der Osmanen. Ein dritter Institutionenkult, um dessen Begründung sich Mustafa Kemal bemühte, betraf seine Regierungspartei. Als ehemaliges Mitglied des KEF war ihm die Bindungskraft einer solchen Organisation durchaus vertraut. Wie so viele Anführer von Einheitsparteien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sah er seine Partei als „die Repräsentantin des ganzen türkischen Volkes … und des allgemeinen Interesses der gesamten Nation“.84 Er glaubte, dass die Republikanische Volkspartei „der ganzen Nation großartige Dienste“ leistete, sowohl als repräsentative Instanz als auch durch ihre Rolle bei der Ausgestaltung einer Nationalideologie und deren Vermittlung.85 Dennoch gab es eine unauflösliche Spannung zwischen Mustafa Kemals Wunsch nach einem Parteienkult im Stil des KEF einerseits und der Entstehung eines Personenkultes um ihn selbst andererseits. Der Institutionenkult des KEF hatte auf dessen System der kollektiven Führung beruht, dazu auf seinen geheimen, sagenumwobenen Ritualen. Im Gegensatz dazu wurde die Republikanische Volkspartei eben nicht als mysteriöser Geheimbund wahrgenommen, sondern als „die Partei Mustafa Kemals“. Und obwohl sie sich einer beträchtlichen Mitgliederzahl erfreute, konnte die Partei, was die öffentliche Zuneigung anging, ihrem charismatischen Anführer letztlich nicht das Wasser reichen. Mustafa Kemal wusste nur zu gut, welch große Zugkraft ein Personenkult entwickeln konnte; nicht umsonst war er in der Epoche Sultan Abdülhamids II. aufgewachsen. Er hatte den beflügelnden und verbindenden Effekt der hamidischen Ideologie beobachten können, und das auf einem Territorium von Albanien bis nach Basra. Geschickt hatte Abdülhamid von sich das Bild eines frommen Kalifen, Vaters und Retters der Muslime in aller Welt entworfen. Nun war es Mustafa Kemal, der als Vater und Retter aller Türken auftrat. Im November 1934 verlieh ihm die Große Türkische Nationalversammlung den Nachnamen „Atatürk“, wörtlich „Vatertürke“.86 Unter diesem Namen sollte er allgemeine Berühmtheit erlangen. In der Namensgebung „Atatürk“ kristallisiert sich ein starker Personenkult, der die Bevölkerung – unter Zuhilfenahme moderner Technik – auf Mustafa Kemals Führungsanspruch einschwor. Seine offensichtlichsten Ausprä-

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gungen fand dieser Personenkult im visuellen Bereich. Nachdem nun die traditionelle muslimische Abneigung gegenüber abbildlichen Darstellungen weggefallen war, die seine osmanischen Vorgänger fast völlig davor hatte zurückschrecken lassen, sich über ihre prachtvollen Monogramme hinaus darstellen zu lassen, ließ Mustafa Kemal sein eigenes Bild überall in der Türkei verbreiten; so war er in nahezu jedem Wohn-, Amts- oder Geschäftsgebäude im ganzen Land gegenwärtig. Seine Standbilder und Büsten zierten öffentliche Plätze, sein Porträt jede Amtsstube. Im Jahr 1923 verwarf Mustafa Kemal das islamische Skulpturenverbot als nicht mehr zeitgemäß. In der neuen Zeit werde, wie er verlautbaren ließ, die türkische Nation „bis zu den äußersten Grenzen der Bildhauerei vorstoßen, die einen Baustein des Fortschritts darstellt, und alle Enden unseres Landes sollen die [Errungenschaften] seiner Kinder in vortrefflichen Skulpturen feiern“.87 Die erste Statue Mustafa Kemals wurde 1926 an der Istanbuler Landspitze Sarayburnu, der sogenannten „Serailspitze“, aufgestellt, in unmittelbarer Nähe zu den Gärten des Topkapı-Palastes Vielsagenderweise blickt der Landesvater hier in Richtung Anatolien – und kehrt dem ehemaligen Sultanspalast den Rücken zu.88 Kaum einen Monat später wurde in Konya ein weiteres Standbild enthüllt. Diesen ersten Denkmalen folgten andere, zumeist in den größeren Städten, die Mustafa Kemal mit seinen größten Errungenschaften zeigten. Dazu kam noch eine Reihe von „Siegesmalen“, die in verschiedenen Teilen der Türkei errichtet wurden und in deren Bildprogramm er als der herausragende Held des Befreiungskrieges erschien, sowie Büsten und Masken unterschiedlicher Größe, die oft in Schulen, Parks oder öffentlichen Gebäuden platziert wurden.89 Der österreichische Bildhauer Heinrich Krippel sowie der italienische Künstler Pietro Canonica schufen viele der frühen Skulpturen von Mustafa Kemal.90 In den Studios der türkischen Maler entstand eine Fülle von Gemälden, auf denen der Präsident wahlweise als militärischer Befehlshaber, Staatsmann oder Anführer zu sehen war, der gerade die Nation vor der Auslöschung bewahrte, die Türkische Revolution befehligte (wobei ihm nicht selten eine „Türkische Marianne“ mit der türkischen Flagge zur Seite stand) oder die Dankesbekundungen des Volkes angesichts seiner außergewöhnlichen Verdienste als Führer und Vater der Nation entgegennahm.91 Während die Originalgemälde in öffentlichen Gebäuden oder größeren Museen ausge-

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stellt waren, wurden die populärsten unter ihnen in hoher Auflage reproduziert und hingen dergestalt in Schulen, Banken, Kaffeehäusern und an anderen Orten des öffentlichen Lebens. Auch Mustafa Kemals vielzitierte Bonmots tauchten jetzt in der Öffentlichkeit auf, entweder auf großen Plakaten, als Inschriften oder als Wandmalereien. Im Jahr 1924 wurden die ersten Briefmarken mit seinem Konterfei ausgegeben;92 1927 kamen auch Banknoten mit seinem Porträt in Umlauf.93 Für die späten 1920er-Jahre lässt sich ohne Übertreibung behaupten, dass Mustafa Kemal die einzige Person war, deren Abbild in der türkischen Öffentlichkeit präsent war. Häuser, in denen er logiert, Orte, die er besucht oder an denen er Reden gehalten hatte, wurden zu Kultstätten; Gegenstände, die er benutzt hatte, zu verehrungswürdigen Reliquien. Eine Fülle von Ehrentiteln, die seinem Namen beigelegt wurden – Büyük („der Große“), Dahi („Genie“), Eşsiz („der Einzigartige“), Halâskâr („Erlöser“), Münci („Retter“), Ulu („der Höchste“), Yaratıcı („Schöpfer“), Yüce („der Erhabene“) und schließlich Beşeriyet Harikası („Wunder der Menschheit“) – verstärkte die religiöse Aura, die ihn umgab, noch weiter. Trotz der beträchtlichen Bemühungen, mit denen Mustafa Kemal seine Ideen unter das türkische Volk zu bringen versuchte, war er doch zurückhaltend, was deren Ausgestaltung zu einer vollwertigen Ideologie betraf. Ein Grund für diese Zurückhaltung war der pragmatische Ansatz seines ganzen Programms, ein anderer seine Verachtung für jede Art von Dogmatismus. Außerdem gab es in diesem Fall schlicht keine großen Denker und keine Bibliothek von Werken, die als Gründerfiguren oder als Grundlage einer ausgefeilten und durch subtile philosophische Argumente untermauerten und durchtheoretisierten Ideologie hätten dienen können. Obwohl Mustafa Kemals Anhänger versuchten, sein Hauptwerk Nutuk („Die Rede“) zu solch einem Grundlagentext zu erklären, waren sie damit wenig erfolgreich, denn Nutuk war im Wesentlichen eine detaillierte Nacherzählung des Türkischen Befreiungskrieges und seiner Nachwirkungen aus der Sicht des neuen Führers der Türkei. Das daraus entstandene Buch von mehreren hundert Seiten – das zusätzlich noch Hunderte von Dokumenten enthält, die der Schilderung zusätzliche Glaubwürdigkeit verleihen sollen – ähnelt einer Kreuzung aus einer geschichtswissenschaftlichen Monografie und einem Memoirenband.94 Mit Ausnahme der abschließenden Rede an die Jugend,

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der Mustafa Kemal die Zukunft dieser neuen Republik anvertraut,95 ist es so gut wie unmöglich, in diesem trockenen und schmucklosen Werk den Willen zur literarischen Form zu entdecken. Im Verlauf der Jahre haben türkische Intellektuelle und Staatsmänner dennoch versucht, aus Mustafa Kemals Ansichten von der „Türkischen Revolution“ so etwas wie Ansichten über die Revolution und somit eine kohärente Ideologie zu konstruieren. Die ersten solchen Versuche wurden noch zu Mustafa Kemals Lebzeiten in den 1930er-Jahren unternommen. 1932 begann eine Gruppe linker Intellektueller, eine Zeitschrift namens Kadro („Kader“) herauszugeben, in der die Türkische Revolution durch eine mehr oder minder marxistische, jedenfalls historisch-materialistisch gefärbte Brille gedeutet wurde. Die Herausgeber von Kadro ließen sich außerdem von dem anti-imperialistischen, autoritären und neu-merkantilistischen Nationalismus des Kreises um Hans Zehrer inspirieren, den Herausgeber der deutschen Zeitschrift Die Tat.96 In den Worten von Şevket

Abb.13  Die Titelseite von Mustafa Kemals Hauptwerk Nutuk (1927).

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Süreyya (Aydemir), einem der Vordenker der Gruppe, war es deren Ziel, „unsere Revolution in eine solche zu verwandeln … die auf einer schlüssigen Gedankenfolge beruht [und] …, indem wir [diese] Gedankenfolge zur Ideologie steigern, diese zur Grundlage unserer Revolution zu machen“.97 Die Gruppe gab offen zu, dass die Türkische Revolution nicht das Produkt einer Ideologie gewesen war; vielmehr habe sie eine gleichsam natürliche Reaktion auf die Ausbreitung des Kapitalismus und dessen zwangsläufige Folgeerscheinung, den Kolonialismus, dargestellt. Am Ende habe die Türkische Revolution einen entscheidenden Sieg über dieses zweifache Übel bedeutet.98 Aus diesem Grund könne „der türkische revolutionäre Staat kein bourgeoiser Staat sein, wie ihn die Französische Revolution hervorgebracht hat, noch ein proletarischer Staat, wie er aus der kommunistischen Revolution hervorging, sondern wurde zum ersten Beispiel für die gelungene Befreiung einer technologisch rückständigen Quasi-Kolonie“.99 Die Mitarbeiter von Kadro erklärten außerdem, alle nationalen Befreiungsbewegungen ähnelten einander; so könne die Türkische Revolution zum Vorbild für die kolonisierten Völker Asiens und Afrikas werden.100 Dieser eigentlich recht pädagogische Impetus, die aus der Erfahrung des türkischen Volkes gezogenen Lehren zu formalisieren, legte die Formulierung einer Ideologie nahe, die auch anderen unterdrückten Völkern von Nutzen sein konnte.101 Nach Ansicht der Intellektuellen von Kadro entsprach die Türkei – anders als die gespaltenen Gesellschaften des Westens – dem Idealbild einer klassenlosen Gesellschaft. In Anbetracht dessen sei es die Aufgabe der unter der Führung Mustafa Kemals versammelten Intellektuellen, die vom Staat geweckten Triebkräfte des revolutionären Wandels zu bündeln und zu lenken.102 Doch obwohl der Präsident das Erscheinen von Kadro zunächst erlaubt hatte, gefielen ihm dessen Versuche nicht, aus seinem Lebenswerk eine Ideologie zu destillieren; die marxistischen Überzeugungen der Redaktion missfielen ihm noch mehr. Schließlich, 1935, riss sein Geduldsfaden und er ordnete die Einstellung der Zeitschrift an.103 Zur gleichen Zeit versuchte eine andere Zeitschrift, die von den Halkevleri („Volkshäusern“) genannten staatlichen Erwachsenenbildungsinstituten herausgegeben wurde – der wichtigsten Indoktrinierungsinstanz des neuen Regimes –, eine politisch eher rechtsorientierte, „kemalistische“ Ideologie zu entwickeln. Den politischen Funktionären und Intellektuellen,

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die diese Zeitschrift Ülkü („Das Ideal“) im Jahr 1933 aus der Taufe hoben, schwebte eine völkische Ideologie nach dem Muster des deutschen Nationalsozialismus oder des italienischen Faschismus vor. Obwohl ihre Position dem Bolschewismus gegenüber von einem tiefsitzenden Hass gekennzeichnet war, bedienten sie sich doch vorbehaltlos bei den sowjetischen Methoden der Massenindoktrination. Der ideologische Kopf dieser Bewegung, Mehmet Recep (Peker), ein ehemaliger Offizier und nun Generalsekretär der einzigen politischen Partei im Land, war von Hitlers NSDAP genauso beeindruckt wie von Mussolinis Partita Nazionale Fascista. Obgleich er die Einzigartigkeit des türkischen Falls eingestand (und damit Mustafa Kemals Maxime „Uns kann man nur mit uns selbst vergleichen“ aufzugreifen schien),104 sah Mehmet Recep in jenen Vorbildern aus Deutschland und Italien seine eigenen Ambitionen für die Republikanische Volkspartei beispielhaft verwirklicht. 1934 begann er am „Institut für die Geschichte der Türkischen Revolution“ eine Vorlesungsreihe und erarbeitete ein Lehrbuch, das die Grundlagen des Kemalismus vermitteln sollte.105 Obwohl er sich die ideelle Führerschaft Mustafa Kemals über diese neue Bewegung erhoffte, bestand doch nur geringer Zweifel daran, dass er die Gelegenheit ergreifen wollte, selbst ein mächtiger Parteisekretär zu werden, wie es Josef Stalin in der Kommunistischen Allunionspartei der Bolschewiki war, der späteren KPdSU.106 Allerdings verhinderte Atatürk, dass der Rivale seine Ideen vor dem 1935 zusammengetretenen Parteikongress vorstellen konnte, und entfernte Mehmet Recep im darauffolgenden Jahr von seinem Posten als Generalsekretär.107 Doch der setzte seine Aktivitäten zusammen mit einigen Getreuen unverdrossen fort, im Zeichen einer szientistischen, korporatistischen, etatistischen und solidaristischen Ideologie, die ihren Ausdruck in einem Personenkult um Atatürk finden sollte. Der Solidarismus Alfred Fouillées und Léon Bourgeois’ übte auf die intellektuellen Zirkel der frühen Türkischen Republik einen starken Einfluss aus.108 Laut einem der Anführer dieser rechtslastigen Spielart des Kemalismus war es „eine der vornehmsten Pflichten eines türkischen Intellektuellen, an der Ausarbeitung des Kemalismus durch wissenschaftliche Methoden mitzuarbeiten … und diesen zu einer echten Sozialtechnik werden zu lassen“.109 In den Worten von Şevket Aziz (Kansu), seines Zeichens der führende Anthropologe jener Zeit, sollte „[d]iese reine, männliche und

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starke Ideologie, die wir ‚Nationalkemalismus’ nennen wollen“, die Biosoziologie und sogar die Eugenik nutzen, um eine neue, auf das Prinzip der Solidarität gegründete Gesellschaft zu schaffen.110 Die Anhänger dieser „solidaristischen Schule“ des Kemalismus waren der Meinung, die größte Errungenschaft der Türkischen Revolution sei „ihr Ausdruck eines echten [National-]Genies und nicht … die Manifestation durch einen Propheten, der nur die Ausgeburt einer unterdrückten psychischen Krankheit gewesen ist“ – ein wenig schmeichelhafter Seitenhieb gegen den Propheten Muḥammad.111 Mustafa Kemal übernahm in diesem Modell die Aufgabe des „ersten großen Führers und Entdeckers einer Therapie gegen diese sozialen Übel“.112 Nach Meinung der Solidaristen kam es einer Ideologie, die inspiriert war von „dem ersten Genie, das die Seele eines Gesellschaftsführers mit dem Geist eines Intellektuellen vereint“, nur zu, solidaristisch und korporatistisch gestaltet zu werden,113 unter Ablehnung von Individualismus, Liberalismus und Sozialismus.114 Diese Ideen liefen auf eine türkische Variante des Totalitarismus hinaus, die den vergleichbaren europäischen Ideologien jener Zeit vieles verdankte. Die solidaristische Lesart des Kemalismus sollte sich als langlebiger erweisen als andere Fassungen – und das, obwohl Mustafa Kemal stets seine Distanz wahrte. Als der Präsident 1938 starb, erhielt diese Interpretation des Kemalismus ein ideologisches Quasimonopol. Trotz der versöhnlicheren Haltung gegenüber den Linkskemalisten, die Atatürks Nachfolger İsmet İnönü kennzeichnete, blieb der Rechtskemalismus doch die Grundlage der zwischen 1938 und 1950 so vehement propagierten offiziellen Staatsideologie der Türkischen Republik. Dieser Kemalismus vertrat im Wesentlichen die Umgestaltung der Gesellschaft durch einen autoritären Fortschrittskult unter der Führung eines Einparteienregimes. Seine ideologischen Kerngehalte umfassten eine szientistische Weltanschauung, eine Neuinterpretation des türkischen Nationalismus – die hauptsächlich auf einer anthropologisch verbrämten Rassenlehre beruhte – sowie einen zähen Personenkult. Bis zu seinem Tod war Mustafa Kemal unbeabsichtigerweise – aber keineswegs zufällig – zum verehrten Stifter einer neuen Religion geworden: des Kemalismus. In den Augen vieler gebildeter junger Türken war er ein neuer Prophet und der Überbringer einer regelrechten Heilsbotschaft. Wie ein türkischer Schulinspektor der englischen Schriftstellerin und Türkei-

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kennerin Grace Ellison erklärte: „Unser Gazi ist jetzt unser Prophet; mit dieser Person aus Arabien haben wir nichts mehr am Hut. Die Religion Mohammeds ist etwas für Araber, schön und gut; aber für uns ist das nichts.“ Als Ellison erstaunt nachfragte: „Aber haben Sie denn keinen Glauben?“, antwortete der Mann: „Aber ja doch … an den Gazi, die Wissenschaft, die Zukunft meines Landes und an mich selbst!“115 Mit anderen Worten war Mustafa Kemal, ganz unabhängig von seinen eigentlichen Intentionen, nicht einfach ein Ideologe geworden, sondern ein Prophet, der mitten im 20. Jahrhundert die doppelte Heilslehre von Szientismus und Nationalismus predigte, die Zwillingspfeiler einer neuen Religion namens Kemalismus. Diese war, wie der Parlamentsabgeordnete Şeref Aykut 1936 in seinem Buch Kamâlism schrieb, „eine Religion zum Leben“.116 Noch 1945 enthielt das vom Institut für die türkische Sprache herausgegebene Wörterbuch die folgende Definition einer metaphorischen Bedeutung von „Religion“: „Eine feste Überzeugung, ein verinnerlichtes Ideal. Der Kemalismus ist die Religion des Türken.“117 Auch literarische Werke erhoben den Personenkult um den Staatspräsidenten zur Ersatzreligion. Behçet Kemal Çağlars Mevlid verklärte Mustafa Kemal als Propheten, indem es das berühmte gleichnamige Vorbild nachahmte, das Süleyman Çelebi (gest. 1422) zur Verherrlichung des Propheten Muḥammad gedichtet hatte.118 Ein Gedicht des Abgeordneten der Republikanischen Volkspartei Kemalettin Kamu brachte Ähnliches zum Ausdruck: Çankaya [Mustafa Kemals Präsidentenresidenz] – hier erlangte Moses’ Geist seine Vollendung Hier fuhr Jesus auf Weder Wunder noch auch Zauber Lass nur dem Araber die Kaaba Çankaya ist uns genug.119 In der Rückschau lässt sich feststellen, dass Mustafa Kemal eine der größten Gesellschaftsreformen der Neuzeit angestoßen hat. Nicht nur als Staatsmann, sondern auch als autodidaktischer Denker hat er eine immense Arbeit in die intellektuelle Vorbereitung dieses Großprojekts investiert.

Als Autodidakt war er ein wenig wählerischer „Allesfresser“, der Ideen aus allen möglichen Bereichen unsystematisch miteinander verknüpfte. Dabei beschäftigte er sich mit so unterschiedlichen Themenbereichen und Konzepten wie Geschichte und Sprache, Nation und Rasse, Religion und Naturwissenschaften. Er gelangte zu Schlussfolgerungen, über die er dann mit seinem engsten Gefolge diskutierte; oft geschah dies bei ausgedehnten Abendessen, die sich bis weit in die Nacht zogen. Da er in gewissem Sinne Schüler und Lehrer zugleich war, lässt sich sein dilettantischer Intellektualismus wohl am besten in der Maxime ausdrücken: Qui docet discit – wer lehrt, lernt. Aber der Umstand, dass es wohl am Ende immer seine eigenen, oftmals durchaus eigenwilligen Ansichten waren, die sich bei dieser Art von Gedankenaustausch durchsetzten, lässt uns an eine andere antike Weisheit denken: Rex non potest peccare – frei übersetzt: Der Alte hat immer recht. Die Endgültigkeit von Mustafa Kemals Verlautbarungen war

Abb. 14 Präsident Mustafa Kemal bei der Arbeit in seiner Privatbibliothek in Çankaya (1931).

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derart unumstritten, dass im Jahr 1933 – unter dem Vorwand einer Universitätsreform – die Regierung Dutzende Professoren entließ, die es entweder gewagt hatten, verdeckte Kritik an den ungewöhnlichen Vorstellungen ihres Staatsoberhaupts zu üben – oder diese schlicht nicht enthusiastisch genug beklatscht hatten.120 Nach Mustafa Kemals Tod revidierten die intellektuellen Parteigänger des Kemalismus nach und nach viele der bizarren Geschichtsthesen und Sprachtheorien, die zur Mitgift der Bewegung gehörten, und ließen sie schließlich ganz fallen. Die Art von türkischem Nationalismus jedoch, die so entscheidend von ihnen geprägt worden war, florierte in der Türkei auch weiterhin und wurde von einem beträchtlichen Bevölkerungsanteil als eine Hauptkomponente seiner kollektiven Identität angenommen. Heutzutage erinnern sich wohl nur noch sehr wenige Menschen in der Türkei an die einst hitzigen Debatten um brachykephale Schädel, die Hethiter, türkische Blutgruppen, die türkischen Wurzeln tlaskaltekischer Dialekte oder die erdumspannende mission civilisatrice der jungsteinzeitlichen Proto-Türken. Das liegt jedoch nicht in erster Linie daran, dass die ihnen zugrunde liegenden Theorien irgendwann als unwissenschaftlich verworfen wurden. Vielmehr erwies es sich als praktisch unmöglich, eine Mehrheit der Bevölkerung für derart verstiegene und esoterische Lehren zu begeistern. Man mochte bedeutende Institutionen nach den Sumerern und den Hethitern benennen (die türkischen Großbanken „Sümerbank“ und „Etibank“ wurden 1933 beziehungsweise 1935 gegründet) – der sprichwörtliche „Mann auf der Straße“ würde darum noch lange keine tiefe emotionale Bindung zu diesen frühen Hochkulturen aufbauen. Im Vergleich zu den Osmanen, die die Kemalisten am liebsten ganz aus den Geschichtsbüchern verbannt hätten, lag der Erinnerungsort, an dem die Proto-Türken angeblich die älteste Sprache der Menschheit gesprochen hatten, einfach zu fern in der Vergangenheit. Weniger als ein Jahr nach Mustafa Kemals Tod im Jahr 1938 beschloss die türkische Regierung, die einhundertste Wiederkehr der legendären Tanzîmât-Reformen gebührend zu feiern. Das signalisierte den Wunsch des republikanischen Establishments, die osmanische Vergangenheit wieder zu einem Teil der türkischen Geschichte zu machen.121 Beim 3. Türkischen Geschichtskongress 1943 befasste sich eine beträchtliche Anzahl der gehaltenen Vorträge mit Fragen der osmanischen Geschichte.122

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Schritt für Schritt gliederte das Regime die frühosmanische Geschichte wieder in die ruhmreiche Vergangenheit des türkischen Volkes ein und ließ sogar die spätosmanischen Reformen gelten – als Vorboten der republikanischen Reformen, das heißt genau so, wie zahlreiche heutige Historiker das Verhältnis zwischen den beiden Reformperioden beurteilen. Obwohl ein solcher Deutungsansatz eine scharfe Abkehr von den Ideen Mustafa Kemals bedeutete, verstärkte er doch unter der türkischen Bevölkerung die Überzeugtheit von der großen weltgeschichtlichen Mission der Türken, die so vielen anderen Völkern die Zivilisation gebracht hatten. Und noch etwas anderes verstärkte dieser Richtungswechsel: das Bewusstsein, angesichts einer solch glorreichen Vergangenheit, dass ein wie auch immer geartetes „Türkentum“ die eigentliche Grundlage einer türkischen Identität sei. Nach Mustafa Kemals Tod kam es zu einer ähnlichen Entradikalisierung, was die feindselige Haltung des Staates dem Islam gegenüber sowie die rassistischen Untertöne des türkischen Nationalismus anging. Im Jahr 1944 wurde eine Reihe führender türkischer Rassisten vor Gericht gestellt. Nach 1950 bemühte sich die republikanische Führung zunehmend, ihre Beziehungen zum institutionellen Islam zu verbessern. 1983 ging die türkische Regierung sogar so weit, eine neue Kulturpolitik einzuläuten, die den türkischen Nationalismus mit dem Islam versöhnen und die beiden Ideologien als die unzertrennlichen Grundlagen einer türkischen Nationalkultur wiederherstellen sollte.123 Wenig überraschend stellte sich in den späten 1990er-Jahren eine Gegenbewegung ein, die es sich zum Ziel setzte, die reine Lehre des Kemalismus wieder zum Leben zu erwecken. Dieser ultrasäkulare, xenophobe Neonationalismus erlangte unter dem Namen Ulusalcılık traurige Berühmtheit. Obwohl diese Bewegung in offiziellen Kreisen einigen Einfluss gewinnen konnte, gelang es ihr kaum, in der türkischen Gesellschaft tatsächlich Wurzeln zu schlagen. Der andauernde Streit um das offizielle Siegel der Stadt Ankara steht beispielhaft für anhaltende Differenzen, was die (Nicht-) Umsetzung des Kemalismus in der politischen Praxis angeht.124 Im Jahr 1973 hatte ein Ankaraner Bürgermeister mit einer Vorliebe für den türkischen Nationalismus frührepublikanischer Art die sogenannte „Hethitische Sonne“, die stilisierte Darstellung einer der bei Alaca Höyük gefundenen Bronzestandarten, zum Emblem seiner Stadt gemacht. 1995 ersetzte einer

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seiner Nachfolger von der konservativen Partei AKP die Sonnenscheibe durch die Silhouette einer Moschee. Ein sich an diese Entscheidung anschließender Rechtsstreit endete 2008 mit einem Gerichtsurteil, das die Änderung annullierte und unter expliziter Bezugnahme auf das geistige Erbe Mustafa Kemals anordnete, die „Hethitische Sonne“ wieder scheinen zu lassen.125 Bis auf eine kurze Unterbrechung hat der Personenkult um Mustafa Kemal bis heute angehalten. Im Dezember 1938 erklärte Atatürks Nachfolger İsmet İnönü den im Vormonat verstorbenen Staatsgründer zum „Ewigen Führer“ (Ebedî Şef)126 und sich selbst – worin er möglicherweise bewusst die Bezeichnungen Lenins als „Führer der Revolution“ und Stalins als „Führer der fortschrittlichen Menschheit“ imitierte – zum „Führer der Nation“. Eine Zeitlang ersetzte auf Banknoten und Briefmarken das Bild des neuen Präsidenten das gewohnte Atatürk-Porträt. Mit der Zeit gelangte der Atatürk-Kult jedoch zu einer wahren Renaissance. Mit den Worten des dritten Präsidenten der Türkischen Republik, Celâl Bayar, dessen Partei bei den Wahlen von 1950 erstmals die Republikanische Volkspartei schlug: „Atatürk zu lieben ist der Kultus der ganzen Nation.“127 Atatürks Bildnis kehrte auf Banknoten und Briefmarken zurück, und ein 1951 verabschiedetes Gesetz machte die Beleidigung von Atatürks Andenken zu einem Straftatbestand.128 Der Kemalismus diente zudem als ideologische Rechtfertigung für die diversen Staatsstreiche und Interventionen des türkischen Militärs in den Jahren 1960, 1971, 1980 und 1997. Die Schlüsselfiguren des Militärputsches von 1980 betrieben sogar die vollumfängliche Rückkehr zu der Heldenverehrung der 1930er-Jahre. Mustafa Kemals mangelndem Verständnis für jegliche Art von Dogmatismus zum Trotz ist der Kemalismus als doktrinär-rigide Weltanschauung zum widerständigsten Vermächtnis des Staatsgründers geworden. An den Militärschulen der Türkei lehren heute Pflichtkurse das „Atatürkistische Gedankensystem“, nach einer im Offizierskorps verbreiteten Ansicht das Herzstück der militärischen Ausbildung. Ebenso sind alle Universitätsabsolventen verpflichtet – gleichgültig, an welcher Fakultät sie eingeschrieben sind – vor der Verleihung ihres Diploms eine Prüfung über die Geschichte der Türkischen Revolution und die Grundlagen von Atatürks Denken abzulegen. Der Präsident der Türkischen Republik sowie die Parlamentsab-

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geordneten geloben in ihrem Amtseid, „den Prinzipien und Reformen Atatürks treu zu bleiben“.129 Der unveränderbare Artikel 2 der gegenwärtigen Verfassung der Republik Türkei aus dem Jahr 1982 hebt den „Nationalismus Atatürks“ als einen der wichtigsten Grundsätze der Republik hervor; Artikel 42 spezifiziert, dass „Bildung und Erziehung im Einklang mit den Prinzipien und Reformen Atatürks erfolgen“ sollen.130 Allerdings hat mit der Zeit das Erbe des „Ewigen Führers“ einiges von seiner Verbindlichkeit eingebüßt. Der heutige Kemalismus sollte darum vielleicht eher als der Versuch von Teilen des türkischen Establishments verstanden werden, die Probleme und Herausforderungen der Gegenwart unter Verweis auf Atatürks Worte und Taten zu deuten; und so füllt jeder Interpret das ohnehin schwer zu definierende Konzept „Kemalismus“ auf eine andere, auf seine eigene Weise. So kommt es, dass in Abhängigkeit von Sprecheridentität und Redeanlass der Geist des Kemalismus zur Unterstützung etatistischer oder liberaler Positionen beschworen werden kann; von Nationalisten oder Sozialisten; zugunsten der Religion oder der Wissenschaft; mit elitärer oder populistischer Stoßrichtung.

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8.

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Lange Zeit haben die muslimischen Osmanen, aus der Perspektive des Westens betrachtet, das vollkommen Andere verkörpert. Ungeachtet dieser Wahrnehmung war jedoch das Land der Osmanen ein im Wesentlichen europäisches. Entsprechend bezeichneten ja selbst seine europäischen Gegner den „kranken Mann am Bosporus“ auch als the Sick Man of Europe beziehungsweise l’homme malade de l’Europe.1 Es ließe sich sogar plausiblerweise behaupten, dass zu allen Zeiten nicht Anatolien, sondern Rumelien das wahre Herzstück des Osmanischen Reiches gewesen war. Das, was die Europäer so gern als „die europäische Türkei“ bezeichneten, nämlich Rumelien, umfasste etliche der am dichtesten besiedelten und kosmopolitisch geprägten Metropolregionen der ganzen Region. Dazu gehörte Mustafa Kemals Heimatstadt Saloniki genauso wie die Städte Durrës, Edirne (Adrianopel), Ioannina, Manastır (Bitola), Shkodra und Skopje. Noch 1878 war es die Donau, die das Osmanische Reich vom Rest Europas trennte. Selbst nach dem Berliner Kongress desselben Jahres, der die europäischen Besitzungen des Reiches empfindlich reduzierte, kontrollierten die Osmanen noch immer weite Teile Südosteuropas. Und trotz der umfangreichen Gebietsverluste, die sie seit dem Ende des 17. Jahrhunderts erlitten hatten, sahen die Osmanen ihr Reich weiterhin als Verbindung zweier gleichwertiger Teile, Rumeliens und Anatoliens, die mit der Hauptstadt Istanbul das Kronjuwel des Osmanenreiches flankierten. Die arabische Peripherie trat, nicht nur dieser Vorstellung nach, weit in den Hintergrund. Als die europäischen Großmächte im Jahr 1908 über die Makedonienfrage beratschlagten und eine Reihe von Reformen beschlossen, rechtfertigten die Anführer des Komitees für Einheit und Fortschritt (KEF) ihren Entschluss zur Revolution folgendermaßen:

Diese geradezu prophetisch zu nennende Analyse sagte die drastischen Veränderungen, die sich im Anschluss an die Balkankriege von 1912/13 ergeben sollten, präzise voraus. Nach der „balkanischen Katastrophe“, wie diese Ereignisse in der Sprache der osmanischen Führung bezeichnet wurden, war das einzig verbliebene europäische Teilterritorium des Reiches – nämlich der Südosten Thrakiens – zu unbedeutend, als dass er den weiteren Gebrauch der Bezeichnung „europäische Türkei“ gerechtfertigt hätte. Aus einer westlichen Perspektive betrachtet, hatte sich das Osmanische Reich nach Osten hin zurückgezogen, in Richtung seiner Ursprünge, und war damit, zum großen Entsetzen seiner Herrschaftseliten, zu einem asiatischen Staat geworden. Um von Istanbul an die Adria zu gelangen – vormals die natürliche Grenze des Osmanenreiches nach Westen – musste man nun, in Abhängigkeit von der gewählten Reiseroute, zwei oder drei fremde Länder durchqueren. Von den europäischen Großstädten des Reiches blieben lediglich Adrianopel (Edirne) und Istanbul selbst in osmanischer Hand. In den Jahren 1913/14 zog die osmanische Regierung auf Anraten ihrer deutschen Militärberater kurzzeitig in Erwägung, die Hauptstadt in das zentralanatolische Konya zu verlegen oder sogar nach Damaskus.3 Obwohl diese radikale Idee während des Ersten Weltkriegs noch nicht umgesetzt wurde, entsprach sie doch auf das Genaueste Mustafa Kemals Bestrebungen nach dem Türkischen Unabhängigkeitskrieg. Wenn man bedenkt, dass das verbliebene europäische Hoheitsgebiet der Türkei auf Karten der

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Die Unabhängigkeit Makedoniens würde den Verlust der Hälfte des Osmanischen Reiches und damit dessen völligen Untergang nach sich ziehen. … Ohne Makedonien als Verbindungsstück wäre Albanien naturgemäß verloren. Da unsere Grenze sich somit bis vor die Tore Istanbuls verschieben müsste, könnte Istanbul nicht Hauptstadt bleiben. Die Verlegung unserer Hauptstadt von Europa nach Asien jedoch würde uns aus dem Kreis der europäischen Mächte ausschließen und uns zu einem zweit- oder drittklassigen asiatischen Kleinstaat werden lassen. Wenn wir also, was der Himmel verhüte, Rumelien verlieren sollten, dann würde die souveräne Macht des Osmanischen Reiches auf das Einflussniveau etwa Irans beschnitten werden.2

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neuen Republik kaum genug Platz für den Buchstaben „T“ bot, war es nur vernünftig, die Hauptstadt nach Ankara zu verlegen. Jetzt, da ihr Regierungssitz in Asien lag und die Bevölkerung, nach dem Wegfall der vormals bedeutenden christlichen und jüdischen Minderheiten, sich größtenteils aus Muslimen zusammensetzte, war die Türkei, aus europäischer Sicht, zu einem durchschnittlichen Land des Nahen Ostens geworden, weit draußen am südöstlichen Rand Europas. Mustafa Kemal hielt dennoch an dem alten KEF-Grundsatz fest, dass der europäische Charakter der Türkei für ihr Überleben unverzichtbar sei. Auch er war davon überzeugt, dass die Verwandlung der Türkei in eine asiatische Macht nach dem Vorbild Irans tatsächlich ihr Ende bedeuten würde. Doch was konnte man schon gegen geografische Gegebenheiten ausrichten? Für Mustafa Kemal blieb der grundsätzlich europäische Charakter der Türkei bestehen; nur musste dieser nun eben kulturell statt geografisch zum Ausdruck kommen. Diese Einstellung erinnert übrigens an das heute verbreitete israelische Gefühl, zum Westen zu gehören, obwohl man im Osten zu Hause ist. Ähnlich den aschkenasischen Juden Israels, die sich besonders stark für die Vorstellung von der Zugehörigkeit ihres Landes zur westlichen Welt eingesetzt haben,4 war Mustafa Kemal, dessen Geburtsort ja im europäischen Teil der Türkei lag, dazu bestimmt, den türkischen Staat und die türkische Gesellschaft nach Maßgabe der europäischen Kultur zu formen. Seine Bemühungen in dieser Hinsicht gehören nach wie vor zu den bedeutendsten geistigen und gesellschaftlichen Reformprogrammen des frühen 20. Jahrhunderts, das an solchen Projekten ja nun nicht gerade arm gewesen ist. Seine Impulse zur Verwestlichung des türkischen Staates übertrafen sogar noch die radikalsten Vorhaben der osmanischen Avantgarde während der Zeit der Zweiten Verfassung. Das späte Osmanische Reich hatte in seinem Streben nach Aufnahme in die europäische Staatengemeinschaft wechselnde Fortune gehabt. Zu den Erfolgen zählte etwa die diplomatische Anerkennung des Reiches, im Dritten Pariser Frieden von 1856, als einer signifikanten Größe im europäischen Gleichgewicht der Mächte. Selbst in Ägypten, das mittlerweile zu einer autonomen Provinz des Osmanischen Reiches geworden war, besaß der Khedive Ismail Pascha, genannt „der Prächtige“, genug Selbstbewusstsein, um bei der Eröffnung des Suezkanals 1869 zu erklären, Ägypten

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habe sich nun „vom afrikanischen Kontinent losgesagt und mit Europa vereinigt“.5 Doch belegten solche Momentaufnahmen nur, dass die Türkei, um wirklich zu einem festen Bestandteil der westlichen Welt zu werden, sich einer umfassenden kulturellen und gesellschaftlichen Transformation würde unterziehen müssen. Dementsprechend hatte das große Verwestlichungsprojekt Mustafa Kemals zwei ambitionierte Ziele: erstens, die türkische Bevölkerung davon zu überzeugen, dass die Türkei zu Europa gehöre, und zweitens, die westliche Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die westliche und die türkische Kultur Teil eines Kontinuums seien. Sein Projekt hatte also zwei Hauptaspekte, von denen der eine politischideologischer, der andere gesellschaftlich-kultureller Natur war. Auf ideologischem Gebiet war Mustafa Kemal bestrebt, alles zu vermindern, was die Türkei als nicht-europäisch gekennzeichnet hätte. Der Islam war in dieser Hinsicht offenkundig ein Hauptproblem. In der Tat hatten die meisten der zahlreichen Reformbewegungen, die das Osmanische Reich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts erlebt hatte, auf Ideologien beruht, die ihnen gewissermaßen den Brückenschlag über die immense religiöse Kluft ermöglichten, die sich zwischen den osmanischen Muslimen und den europäischen Christen auftat. So sahen etwa die osmanischen Positivisten des 19. Jahrhunderts – wie auch viele türkische Sozialisten des 20. Jahrhunderts – ihre Ideologie als ein Instrument an, um die religiöse Barriere zum Westen einzureißen und Europa gleichsam die Hand zu reichen. Der Szientismus, dem sich Mustafa Kemal so leidenschaftlich verschrieb, war in dieser Hinsicht weniger hilfreich, da seine Anhänger international nicht so gut organisiert waren wie etwa die Positivisten oder die Sozialisten. Auch die Türkische Geschichtsthese, derzufolge die Türken einst die menschliche Zivilisation begründet hätten, sollte auf kultureller Ebene die tiefe Verbundenheit der Türkei mit Europa besiegeln. Eine gemeinsame Vergangenheit, die über Tausende von Jahren weit in die Zeit vor dem Aufkommen von Christentum und Islam zurückreichte, konnte, so die Überlegung, über die Feststellung gemeinsamer kultureller Ursprünge schließlich zur Anerkennung einer kulturellen Nähe in der Gegenwart führen. Wenn man die Geschichte betrachtete, wie H. G. Wells es tat, dann hatte das, was in der Jungsteinzeit geschehen war, letztlich größeres Gewicht als die Lehre Jesu oder die islamischen Eroberungen. Ob derartige

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Vorstellungen geeignet waren, einer Mehrheit der türkischen Muslime eine europäische Identität einzuimpfen, darf wohl stark bezweifelt werden; zu glauben, solch fragwürdige Theorien hätten tatsächlich den europäischen Blick auf die Türkei beeinflussen können, erscheint in der Rückschau geradezu absurd. Konsequenterweise wurden die merklich politisierten, pseudowissenschaftlichen Theorien des republikanischen Regimes – einige wenige Ausnahmen bestätigen auch diese Regel – von der westlichen Forschung vollkommen ignoriert. Während Mustafa Kemals Reformen als außenpolitische Strategie versagten, stießen sie im eigenen Land auf überraschend hohe Zustimmung. Ein großer Teil der türkischen Elite entwickelte unter Mustafa Kemals Herrschaft tatsächlich ein gewisses Gefühl der Zugehörigkeit zur westlichen Welt. So erreichten also die republikanischen Theorien zur türkischen Geschichte und Sprache – obwohl sie zu keiner Zeit etwas anderes als krasse wissenschaftliche Irrtümer waren – doch ihr wichtigstes Ziel: Sie überzeugten die gebildeten Schichten der umgestalteten türkischen Gesellschaft, sich gewissermaßen eine neue Identität zuzulegen, sämtliche Verbindungen zum Orient zu kappen und den Okzident von ganzem Herzen anzunehmen. Dennoch reichte es natürlich nicht aus, die Türken von ihrer Zugehörigkeit zum Westen zu überzeugen, um die Türkei tatsächlich zu einem Teil des Westens zu machen. Dazu musste schon die Türkei als ganze die westliche Zivilisation annehmen und somit – in den Augen des Abendlandes – unbestreitbar zu einem Teil Europas werden. In dieser Hinsicht stach Mustafa Kemal unter den muslimischen Leitfiguren des 20. Jahrhunderts heraus. Der langjährige malaysische Premierminister Mahathir bin Mohamad beispielsweise ist für die von ihm so genannten „asiatischen Werte“ eingetreten – ein Konzept, das der deutschen Vorstellung von „Zivilisationskritik“6 ähnelt – und propagierte einen stark antiwestlich gefärbten, autoritären Industrialisierungs- und Wachstumskult, der eine angeblich überlegene Kultur – nämlich die asiatische – gegen die verachtenswerte globale Zivilisation ausspielte.7 Nach Mustafa Kemals Auffassung fasste die menschliche „Zivilisation“ zwar alle Kulturen in sich,8 aber geformt wurde sie doch von den fortschrittlichsten unter diesen Kulturen – den europäischen. Sein neuer türkischer Nationalismus verherrlichte die türkische Kultur als den Ursprung der modernen europäischen Zivilisation, und nicht

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als etwas dieser Zivilisation Entgegenstehendes. Wie jene spätosmanischen Befürworter einer „Pauschalverwestlichung“, die der Meinung gewesen waren, dass es „keine andere Zivilisation gibt – Zivilisation bedeutet europäische Zivilisation“,9 hatte sich Mustafa Kemal die Vorstellung angeeignet, die allgemeine Zivilisation sei eine unitarische, homogenisierende Kraft. Er glaubte, dass all jene Aspekte einer einheimischen, nicht-westlichen Kultur, die sich mit der allgemeinen Zivilisation in Widerstreit befanden, abgeschafft gehörten. Als natürliche Konsequenz dieser Überzeugung lehnte er die bloße Vorstellung einer „nichtwestlichen Moderne“ entschieden ab, obwohl er doch selbst in einem herausragenden Modellfall dieses Phänomens, dem späten Osmanischen Reich nämlich, aufgewachsen war! Für Mustafa Kemal bedeutete die Annahme der europäischen Zivilisation zugleich die Auslöschung derjenigen Elemente einheimischer Traditionen, die mit dem westlichen Verständnis von Moderne konfligierten. Unter diesen problematischen Elementen fanden sich selbstverständlich zahlreiche Bräuche und Überlieferungen des Islam. In der muslimischen Welt war Mustafa Kemal in seinem Vorhaben, sein Land durch gesellschaftlichen und kulturellen Wandel zu modernisieren, nicht allein. Aber er hatte im Vergleich mit anderen zeitgenössischen muslimischen Staatsoberhäuptern und Kulturreformern wie etwa Reza Schah Pahlavi in Iran oder dem afghanischen König Amanullah Khan einen entscheidenden Vorteil: Er konnte sein Reformgebäude auf den Fundamenten errichten, welche das späte Osmanische Reich im Verlauf der vorangegangenen 150 Jahre hinterlassen hatte. Bis zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war es den osmanischen Reformern gelungen, eine ganz eigene Spielart der Moderne zu entwickeln, die, wenn sie auch in der Regel die unteren Schichten der Gesellschaft nicht zu durchdringen vermochte, so doch von den Eliten akzeptiert war. So hatten sie ein hybrides Rechtssystem geschaffen, das westliche Jurisprudenz mit islamischer Rechtslehre verband, und einen bürokratischen Apparat nach europäischem Vorbild eingerichtet. Auch das Aufkommen vieler weiterer „westlicher“ Phänomene wurde befördert oder doch zumindest zugelassen: privater Unternehmen, einer ansehnlichen sozialistischen Bewegung, die Entstehung von Gewerkschaften, populärwissenschaftlichen Journalen, einer Frauenrechtsbewegung, einer Kunsthochschule, von Lotterien, Kinos, Theatern – und von

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Zeitungen, in denen sich sogar Annoncen für Miederwaren fanden. Vom letzten Kalifen wird berichtet, er habe Frauenakte gemalt und Instrumentalkonzerte komponiert. Sicher: Allzu viele dieser Veränderungen betrafen nur die Elite – und die osmanische Elite war proportional wesentlich kleiner als ihre europäischen Pendants –, aber sie waren doch greifbar. Dass Mustafa Kemals modernistische Vision in den Reihen seiner Mitstreiter, von denen die meisten den Großteil ihres Lebens in der europäischen Türkei verbracht hatten, auf große Zustimmung stieß, bedeutete natürlich noch nicht, dass dasselbe in Anatolien auch der Fall sein würde – diesem so gänzlich anderen Landstrich, den als die Wiege der Zivilisation zu feiern der neue türkische Nationalismus nicht müde wurde. Tatsächlich hat Mustafa Kemal, der ja ausschließlich in Rumelien und der kaiserlichen Hauptstadt Istanbul sozialisiert worden war, in den ersten dreißig Jahren seines Lebens nicht ein einziges Mal einen Fuß auf anatolischen Boden gesetzt. Seine Militärzeit in Syrien und der Kyrenaika hinterließ bei ihm den starken – aber falschen – Eindruck, dass das türkische Kernland des Reiches doch wohl zivilisierter und moderner sein müsse als diese arabischen Provinzen. Weit gefehlt! Die späte Begegnung des Staatspräsidenten mit dem wesentlich konservativeren und rückständigeren Teil seines Vaterlandes verursachte dementsprechend eine gewisse Bestürzung. Im Jahr 1918 schrieb Mustafa Kemal, dass er, hätte er die Macht erst einmal ergriffen, „die völlige Revolution unseres gesellschaftlichen Lebens in Gestalt eines plötzlichen Handstreichs“ vollbringen wolle.10 Und so kam es tatsächlich: Als Führer der Nation setzte er ein radikales Programm ins Werk, dessen einziger Zweck die rasche Umsetzung der besagten Revolution war. Wenn er seine Mission erst einmal vollendet haben würde, dachte er, würde die Türkei unwiderruflich zu einem Teil des Westens geworden sein – ganz unabhängig von ihrer geografischen Lage. Wie die jungtürkischen „Verwestlicher“ in der Zeit der Zweiten Verfassung glaubte Mustafa Kemal, der westliche Lebensstil sei mitnichten eine Konsequenz der sozioökonomischen Gegebenheiten in bestimmten Gesellschaften, sondern vielmehr selbst eine Determinante dieser Gegebenheiten. Dieser These zufolge würde die Einführung westlicher Sitten einen gesellschaftlichen und kulturellen Strukturwandel herbeiführen, der über kosmetische Änderungen weit hinausging. Nur wenn man diese Über-

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zeugung im Hinterkopf behält, kann man auch nur ansatzweise verstehen, warum in den späten 1920er-Jahren auf einmal eine Flut von Büchern erschien, die den Türken ein für alle Mal erklären wollten, wie sie sich „westlich“ kleiden oder verhalten und wie sie „westlich“ leben sollten. So veröffentlichte etwa 1927 der führende „Pauschalverwestlicher“ Abdullah Cevdet eine türkische Übertragung von Gaston Jollivets und Marie-Anne L’Heureux’ Pour bien connaître les usages mondains, welcher der türkische Leser entnehmen konnte, wie man einer Dame einen Handkuss gibt, einen Gesellschaftsbesuch abstattet, formvollendet Silvester feiert, nach dem zweiten Gang eines Diners Médoc serviert, sich als Dame mit Gymnastik rank und schlank hält oder mit religiösen Mischehen umgeht.11 Das illustrierte Propagandamagazin La Turquie kemaliste (kamâliste), das ab 1934 und bis über Atatürks Tod hinaus erschien, suchte in Bildern zu belegen, wie sehr sich die türkischen Frauen oder türkische Dörfer angeblich ihren europäischen Vorbildern angenähert hatten. Mihri İffet Pektaş, eine der ersten türkischen Parlamentarierinnen, hat diese Epoche des Wandels aus ihrer persönlichen Perspektive als eine Ära voranschreitender Aufklärung beschrieben.12 Den Einwohnern der meisten türkischen Dörfer dürfte jedoch das in jener Propagandazeitschrift beschriebene und abgebildete „fortschrittliche Dorf“ in vielerlei Hinsicht fremd gewesen sein.13 In der Theorie stellte sich die Sache folgendermaßen dar: Wenn erst einmal alle türkischen Frauen und alle türkischen Dörfer so aussahen wie ihre „aufgeklärten“, „modernen“ und „fortschrittlichen“ Vorbilder, würde das Land als ganzes ein tatsächlicher Bestandteil der westlichen Welt werden. Die Staatsführung war der Ansicht, dass diejenigen, die diese Moderne nicht in ihrer Gänze annehmen wollten (oder konnten), in der Türkei von morgen keine Überlebenschance haben würden. Die Zeit ist über diesen letztlich unproduktiven Ansatz von der Art aut disce aut discede – „Lern’ oder verschwinde!“ – gnädig hinweggegangen. Die meisten „Zivilisierungsmaßnahmen“ der republikanischen Regierung wurden von der Masse der türkischen Bevölkerung als feindselige Akte aufgefasst, die nichts weiter bezweckten als die willkürliche Abschaffung ehrwürdiger muslimischer Traditionen. Zum großen Missfallen der Kemalisten lehnte das Volk die Aufnahme dieser von oben oktroyierten Moderne schlichtweg ab und hielt still und heimlich an seinen Traditionen fest.

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Nachdem die Republikanische Volkspartei 1925 de facto eine Monopolstellung in der türkischen Politik errungen hatte, begann die eigentliche Hochphase derjenigen Reformen, die das türkische Volk in den Kreisen der „Weltzivilisation“ – wie Mustafa Kemal sie sich vorstellte – konkurrenzfähig machen sollten. Während einer Rundreise durch das Land im Sommer jenes Jahres machte er es sich zur Gewohnheit, stets einen Panamahut zu tragen. In einer öffentlichen Stellungnahme erklärte er, der Hut als solcher stelle einen unverzichtbaren Bestandteil jedweder zivilisierten und weltgewandten Garderobe dar, mitnichten sei er unislamisch und im Übrigen dem Tragen eines Fes vorzuziehen, der ja ohnehin ein im Ursprung griechisches Kleidungsstück sei.14 Tatsächlich hatte noch Sultan Mahmud II. (reg. 1808–1839) den Fes – einen kegelstumpfförmigen Filzhut – unter Strafandrohung als allgemeine männliche Kopfbedeckung im Osmanischen Reich durchsetzen müssen. In der Zwischenzeit hatte der Fes jedoch, indem er als Symbol der Unterscheidung von Muslimen und nichtmuslimischen Europäern angesehen wurde, eine religiöse Konnotation angenommen. In einer Gesellschaft, die über Jahrhunderte von strengsten Kleiderordnungen reglementiert worden war, kam das Tragen eines Hutes nach europäischer Mode durch einen muslimischen Mann einem Sakrileg und Glaubensabfall gleich. Das „Hutgesetz“ von 1925 verpflichtete alle Staatsbediensteten, Hüte zu tragen, und zwar als „eines der sichtbaren Zeichen des Kampfes gegen Fanatismus und Unwissen“ sowie als ein Vehikel des „Zugangs zur Familie der Weltzivilisation“.15 Diese Reform rief heftigere Reaktionen hervor, als es die Abschaffung des Kalifats ein knappes Jahr zuvor getan hatte.16 Die Konservativen ließen sich durch die diversen wohlwollenden Erklärungen, die in der Hutfrage von den türkischen religiösen Autoritäten abgegeben wurden, nicht im Mindesten beeindrucken (hierzu gehörten etwa zahlreiche Bezugnahmen auf Muḥammad ῾Abduhs schon 1903 in seiner legendären „Transvaal-fatwā“ geäußerte Einschätzung, das Tragen eines Hutes verstoße nicht gegen die Vorschriften des Islam, es sei denn, es geschehe in der Absicht, die religiösen Gebräuche der Nichtmuslime zu imitieren).17 Was folgte, war ein beispiellos scharfes Vorgehen gegen jegliche Ablehnung der Reform. Dutzende von Hutgegnern wurden vor republikanische „Unabhängigkeitstribunale“ gestellt und verurteilt; viele der Rädelsführer organisierter Proteste gegen die Hutreform

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sogar zum Tode.18 Im Gegenzug wurde das Fes-Verbot – dem allgemeinen Unmut zum Trotz – so rigoros durchgesetzt, dass der Fes schon bald aus der türkischen Öffentlichkeit verschwunden war. In Mustafa Kemals Augen stellte dieses Ergebnis einen Sieg über die Feinde der Zivilisation dar – über all jene, die deren Segnungen töricht ablehnten. Im Jahr 1932 sorgte Mustafa Kemal für schwere diplomatische Verstimmungen zwischen der Türkischen Republik und dem Königreich Ägypten, als er den ägyptischen Botschafter bat, anlässlich eines Banketts zum neunten Jahrestag der Proklamation der Republik seinen Tarbusch (die ägyptische Variante des Fes) zu Hause zu lassen.19 Die Stellung und das Erscheinungsbild der türkischen Frauen bildeten für Mustafa Kemal zwei weitere Hauptpunkte auf seiner politischen Agenda. Schon 1916 hatte er in einer der rückständigsten Gegenden Anatoliens seine Parteinahme für die Emanzipation der Frau und die Abschaffung des Schleiers erklärt.20 Obwohl er dabei lediglich einige der Hauptargumente wiedergab, die in der gegen die Verschleierung geführten Kampagne vorgebracht worden waren – die „Verwestlicher“ hatten sich nämlich in dieser heiklen Frage bereits eine langgezogene Auseinandersetzung mit den religiösen Fundamentalisten geliefert –,21 scheint Mustafa Kemal doch den Entschluss gefasst zu haben, seinen Überzeugungen gemäß zu handeln, sobald die Zeit reif war. In der Frauenfrage jedoch entschied er sich – anders als im Fall der Hutreform – für eine vorsichtige Vorgehensweise, die zu einem allmählichen und über viele Jahre ablaufenden Reformprogramm führen sollte. Zuerst kam die Einführung einer modifizierten Variante des Schweizerischen Zivilgesetzbuches im Jahr 1926, die den türkischen Frauen weitreichende Rechte einräumte. Es folgten weitere gesetzliche Regelungen, die zur Gleichstellung der Frau in diversen Lebensbereichen führen sollten. Frauen erhielten das aktive Wahlrecht – lange vor vergleichbaren Regelungen in vielen westlichen Ländern! – und durften sich ab 1930 auf der Kommunalebene auch zur Wahl stellen; 1934 folgte das passive Wahlrecht auf nationaler Ebene. Parallel zu diesen gesetzgeberischen Maßnahmen propagierte die Regierung ein Bild der neuen „republikanischen Frau“: gebildet, national-patriotisch, modisch-westlich gekleidet, berufstätig, säkular – und ganz und gar beseelt vom esprit républicain. Was aus heu-

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tiger Sicht am stärksten auffällt: Frömmigkeit, diese höchste Zierde im Tugendkanon der osmanischen Frau, spielte nicht mehr die geringste Rolle. Dabei unternahm die Regierung nichts, um dieses Ideal einer inneren und äußeren Verwandlung der türkischen Frau in der Realität durchzusetzen. Insbesondere machte Mustafa Kemal keinerlei Anstalten, sich für die Abschaffung des Schleiers einzusetzen – und das, obwohl er die traditionelle Tracht muslimischer Frauen lächerlich gemacht hatte, die aus den Türken seiner Meinung nach das Gespött Europas machte.22 Als 1935 einige radikale Mitglieder der Republikanischen Volkspartei ein Gesetz zum Verbot der traditionellen Frauenkleidung zur Abstimmung bringen wollten, versagte er ihnen seine Unterstützung.23 Diese Vorsicht beweist, dass er die außergewöhnliche Delikatesse dieser Frage sehr wohl verstand, die noch heute einen Hauptstreitpunkt zwischen Konservativen und Kemalisten in der Türkei darstellt. Das von der republikanischen Führung vertretene Frauenbild zeichnete nicht so sehr die Vorkämpferinnen einer feministischen Bewegung oder Gleichstellungsagenda als das weibliche Ideal, sondern jene Frauen, die sich in den Dienst des Republikanismus gestellt hatten; jene Frauen, die sich, in Mustafa Kemals Worten, als „Mütter der Nation“ ausgezeichnet hatten.24 Beispielhaft für diese Herangehensweise mag der exzessive Gebrauch stehen, den die frühe Republik – in Anlehnung an französische Gepflogenheiten – von der Figur einer „Türkischen Marianne“ machte, welche die Türkei beziehungsweise die Türkische Republik verkörpern sollte. So kam es, dass die republikanische Frauenbewegung weit weniger feministisch ausgerichtet war als ihre spätosmanische Vorläuferin von 1908–1914. Im Jahr 1913 war die Leitfigur des osmanischen Feminismus, Belkıs Şevket, in traditionell muslimischer Kleidung in einem Militärflugzeug mitgeflogen, um zu beweisen, dass „die Frauen des Orients sich gegenüber ihren europäischen Schwestern nicht mit dem zweiten Rang zufriedengeben werden“.25 Zum Vergleich: Die republikanische Vorzeigefrau des Jahres 1937 war die Kampfpilotin Sabiha Gökçen, eine der Adoptivtöchter Mustafa Kemals; sie trug eine türkische Uniform und warf Bomben auf kurdische Aufständische ab. Als republikanisches Idealbild der „Neuen Frau“ war Gökçen ihren westlichen Geschlechtsgenossinnen offensichtlich weit voraus – nicht jedoch als Feministin.26 Ganz so, wie das hamidische Regime mittels der

Abb. 15 Sabiha Gökçen, eine der Adoptivtöchter Mustafa Kemals, in Fliegeruniform (1938).

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staatlich gelenkten Frauenzeitschrift Hanımlara Mahsus Gazete („Zeitung für die Dame“) versucht hatte, einen neuen Typus von muslimischer Frau zu erschaffen – eine fromme Hausfrau und Mutter, die in muslimischen Geschäften einkaufte und ebenso fromme Kinder großzog –, so bemühte sich auch die republikanische Regierung, in den von ihr gänzlich kontrollierten Medien das Bild einer modernen „republikanischen Frau“ zu verbreiten. In einem ähnlichen Bestreben, diesem Idealbild zum Durchbruch zu verhelfen, adoptierte Mustafa Kemal neben Sabiha Gökçen noch einige weitere Mädchen und junge Frauen als seine Töchter. Sie konnten in der türkischen Öffentlichkeit nahbarere Vorbilder abgeben als die elegante und in Europa ausgebildete Präsidentengattin Latife (Uşşaki), mit der Mustafa Kemal von Januar 1923 bis August 1925 für eine kurze Zeit verheiratet war – nicht zuletzt, weil die meisten der einschlägigen Reformen erst nach 1925 eingeleitet wurden. Auch die Wahlen zur „Miss Türkei“, die erstmals 1929 von der halboffiziellen Zeitung Cumhuriyet („Die Republik“) veranstaltet wurden, schufen Vorbilder für das weibliche Erscheinungsbild. Ein eindrückliches Beispiel hierfür war die Schönheitskönigin Keriman Halis, die 1932 in Belgien zur „Miss Universe“ gekürt werden sollte. Als Verkörperung einer „ausnehmend rein bewahrten Schönheit der türkischen Rasse“, wie Mustafa Kemal sich auszudrücken beliebte,27 zeigte Keriman Halis nicht nur der „zivilisierten Welt“ das neue, westliche Gesicht der modernen Türkei, sondern personifizierte zugleich den Wahrheitsanspruch des offiziellen türkischen Geschichtsbildes. Später erhielt sie von Mustafa Kemal den Familiennamen „Ece“, nach einem alttürkischen Wort für „Königin“. Ein weiteres weibliches Rollenvorbild war die Geschichtslehrerin (später -professorin) Âfet İnan, eine weitere Adoptivtochter des Staatspräsidenten. Sie wurde durch ihre Forschungs- und Vortragstätigkeit eine der zuverlässigsten Verteidigerinnen der Türkischen Geschichtsthese. Anlässlich des 1. Türkischen Geschichtskongresses tadelte sie gestandene Professoren, die es gewagt hatten, die offizielle staatliche Geschichtslehre anzuzweifeln. Allerdings tat auch sie dies nicht als Feministin, sondern in ihrer Eigenschaft als ein echt republikanisches Vorbild für gebildete Frauen im Staatsdienst.28 Auf ähnliche Weise verkörperten alle siebzehn von Atatürk 1935 handverlesenen weiblichen Parlamentsabgeordneten den

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von der Regierung präferierten Idealtypus der politisch engagierten Frau als Vorkämpferin für die Interessen der Republik. Diese Frauen waren weder Feministinnen noch genuine Politikerinnen. Tatsächlich hatte es Mustafa Kemal noch 1923 einigen feministisch inspirierten Frauen ausgeredet, eine politische Partei zu gründen.29 Dennoch nahmen weibliche Abgeordnete im Jahr 1935 ganze 4,5 Prozent der Sitze in der Großen Türkischen Nationalversammlung ein,30 eine Quote, die erst 2007 übertroffen werden sollte. Die Regierung unterstützte die Frauenbewegung, insofern diese sich dem republikanischen Programm verpflichtete und sich ohne Vorbehalte oder Kritik dem offiziellen Regierungskurs anschloss. So richtete zum Beispiel die Türkische Frauenunion – 1924 als landesweite Organisation gegründet – 1935 den 12. Kongress der Internationalen Frauenallianz aus, der damit erstmals außerhalb West- oder Mitteleuropas stattfand. Durch dieses Engagement erwies die Frauenunion der türkischen Regierung einen wichtigen Dienst, unterstrich es doch die Zugehörigkeit der Türkei zur westlichen Welt.31 Derselben Regierung missfielen jedoch schon die leicht feministisch getönten Referate einiger türkischer Kongressdelegierter so sehr, dass die Türkische Frauenunion nur zwei Wochen nach Ende des Kongresses aufgelöst wurde. Ihre Führung ließ verlauten – zweifellos in der Hoffnung, sich so bei den Regierungsvertretern einzuschmeicheln –, da die Frauen der Türkei nunmehr alle nur denkbaren juristischen und politischen Rechte erhalten hätten, bestehe kein Bedarf mehr an einer solchen Frauenorganisation.32 Rückblickend kann man sagen, dass die Anführerinnen der spätosmanischen Frauenbewegung – obwohl sie sich in traditionelle Gewänder hüllten – moderne Auffassungen vertraten und wichtige Forderungen stellten, was das Verhältnis der Geschlechter in der türkischen Gesellschaft anging. Die republikanischen Pionierinnen hingegen, die in ihren „eleganten Kostümen“ und modischen Hüten so europäisch daherkamen, verkörperten die Moderne auf eine gänzlich andere Weise. Da die „Frauenfrage“ als ganze kulturell überaus heikel war, entschied sich die Regierung, den von ihr präferierten weiblichen Idealtypus nicht durch kontroverse Gesetzesänderungen, sondern als Rollenvorbilder und lebende Verkörperungen im wahrsten Sinne des Wortes unter das Volk zu bringen. Obwohl es der türkischen Führung so bis zu einem gewissen Maße gelang, die Zahl (gut aus-)gebildeter, eu-

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ropäisch geprägter Frauen in der Bevölkerung zu erhöhen, entsprach doch stets eine Minderheit der türkischen Frauen dem republikanischen Ideal. Ein großer Teil der türkischen Bevölkerung blieb durch und durch seinen Traditionen verhaftet. In einem weiteren Versuch, die türkische Gesellschaft zu modernisieren, forderte Mustafa Kemal seine Landsleute auf, sich Familiennamen zu geben. Wie in vielen muslimischen Ländern, so waren diese auch im Osmanischen Reich unüblich gewesen. Stattdessen konnte man Einzelpersonen durch eine verwirrenden Vielzahl unterschiedlicher Namen und Umschreibungen bezeichnen: ihren Eigennamen; eine Kombination aus Geburts- und Eigennamen; eine Kombination, die ein Adjektiv zur Kennzeichnung des Geburtsortes mit dem Eigennamen verknüpfte; eine Kombination aus dem eigenen Geburtsnamen und demjenigen des Vaters oder aber eine Kombination aus einem Patronym (Vaternamen), das Rückschlüsse auf die Herkunft zuließ, und einem Eigennamen. Es überrascht nicht, dass dieses verwickelte System oft für Verwirrung sorgte oder zu Verwechslungen führte, wenn zwei Personen denselben Namen trugen. Das Gesetz über die Einführung von Familiennamen vom Juni 1934 machte diesem Verwirrspiel ein Ende und verlieh jedem Türken noch dazu eine Identität nach europäischem Muster. Als das Familiennamengesetz verabschiedet wurde, standen die offiziellen Thesen zur türkischen Sprache und Geschichte im Zenit ihres Einflusses, was viele Türken dazu bewog, sich bei der Wahl eines Nachnamens von den ältesten türkischen Überlieferungen inspirieren zu lassen. Mustafa Kemal stieß zudem eine Reihe kultureller Reformen an, die der Türkei ein „westlicheres“ Erscheinungsbild geben sollten. Seine Entscheidung, anstelle der über Jahrhunderte verwendeten arabisch-persischen Schrift ein modifiziertes lateinisches Alphabet einzuführen, war Ausdruck eines Bestrebens, noch ein weiteres religiös aufgeladenes Symbol früherer Zeiten zu eliminieren. Die Turkvölker hatten die arabisch-persische Schrift schon lange vor den Osmanen angenommen, wobei Letztere die Verwendung dieser etablierten Konsonantenschrift einfach weiterführten, ohne je die Frage nach ihrer tatsächlichen Eignung für die türkische Sprache zu stellen – für eine Sprache, die immerhin einen weitaus reicheren Vokalbestand kennt als das Arabische oder das Persische. Erst mit der wachsenden Alphabetisierung innerhalb der osmanischen Gesellschaft sowie der

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Herausbildung einer Zeitungssprache in der aufkommenden osmanischen Presse der Tanzîmât-Ära stellte sich auch eine ernsthafte öffentliche Debatte über die Tauglichkeit des arabisch-persischen Alphabets zur Verschriftung des Türkischen ein. In den 1860er-Jahren entwickelten osmanische, aserbaidschanische und iranische Intellektuelle eine Reihe von Projekten zur Schriftreform, doch erbrachten diese Vorstöße keinerlei nennenswerte Ergebnisse.33 Während des Ersten Weltkriegs leitete Enver Pascha eine Kommission zur Entwicklung eines neuen Alphabets, in dem die für das arabische Alphabet charakteristische Unterscheidung von initialen, medialen und finalen Buchstabenformen – also einer Fülle unterschiedlicher Symbole, je nachdem, ob der betreffende Buchstabe am Anfang, in der Mitte oder am Ende eines Wortes auftritt – eingeebnet werden sollte. Stattdessen sollten, entgegen der üblichen Praxis des Arabischen wie des Persischen, allen Buchstaben – auch den Vokalen – eigene, jedoch in sämtlichen Positionen gültige Zeichen zugeordnet und diese zudem voneinander getrennt geschrieben werden. Diese Reformschrift wurde eine Zeitlang verwendet, bald jedoch als unpraktisch verworfen.34 Bereits zur Zeit der Zweiten Verfassung hatten führende Anhänger verwestlichender Reformen eine radikalere Lösung vorgeschlagen: die Einführung eines gänzlich neuen, in seiner Substanz lateinischen Alphabets. Das KEF sprach sich scharf gegen eine solche Reform aus, da die Annahme des lateinischen Alphabets durch nationalistische Albaner jenen geholfen hatte, ihre Stammesbrüder unterschiedlicher Religionen zusammenzuschweißen. Das Komitee erhielt Unterstützung vonseiten einiger frommer albanischer Muslime sowie von den religiösen Autoritäten des Osmanischen Reiches, die 1910 in einer fatwā äußerten: wenn ein Muslim ein anderes als das arabische Alphabet verwende, versündige er sich an seiner Religion.35 Als nun progressive Kräfte 1914 diese frühere Debatte aufgriffen und wiederum vorschlugen, im ganzen Osmanischen Reich das lateinische Alphabet einzuführen, forderten sie die religiöse Partei gezielt heraus, indem sie erklärten, zwischen der Schrift und der Religion bestehe kein notwendiger Zusammenhang. Das KEF unterband die Veröffentlichung derart aufrührerischer Artikel umgehend.36 Trotz ihrer starken modernistischen Sympathien hielten die Anführer des KEF den islamischen Charakter der osmanischen Schrift für zu wichtig, als dass sie daran hätten rühren wollen.

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Als er 1907 auf dem Weg nach Beirut in Jerusalem Halt machte, erörterte Mustafa Kemal diese Fragen offenbar mit Eliezer Ben-Jehuda, der als überzeugter Zionist die treibende Kraft hinter der Wiederbelebung des Hebräischen als gesprochener Sprache war. Bei derselben Gelegenheit schwor Mustafa Kemal angeblich, dass er, sollte er jemals in eine Machtposition gelangen, das lateinische Alphabet notfalls unter Zwang einführen wolle, anstatt sich mit halbherzigen Kompromissen zufriedenzugeben.37 Als nach der Errichtung der Republik die Debatte um die Schriftreform wieder aufflammte, schloss sich Mustafa Kemal den Befürwortern eines lateinischen Alphabets an und verwarf konservative Gegenargumente mit dem Hinweis: „Das arabische Alphabet ist nicht von [dem Erzengel] Gabriel gebracht worden.“38 Im Sommer 1928 sprach Mustafa Kemal ein endgültiges Machtwort in der Schriftreformfrage, indem er in einer bahnbrechenden Rede in Istanbul die arabisch-persische Schrift als „unverständliche Zeichen“ verhöhnte, „die wir nicht verstehen können und die unseren Geist in einen Fesselring aus Stahl zwingen“.39 Gegen die vielfach geäußerte Bitte, doch wenigstens eine ausgedehnte Übergangs- und Eingewöhnungsphase zu gewähren, drängte Mustafa Kemal auf einen abrupten Wechsel sowie eine umfassende Mobilisierung zur (Re-)Alphabetisierung der Massen. Um diesen epochalen Umbruch, diesen Aufbruch zu neuen Ufern auch symbolisch deutlich zu machen, ordnete er an, die Namen sämtlicher unter türkischer Flagge fahrender Schiffe unverzüglich in lateinischer Schrift zu überstreichen. Zwei Monate später bestätigte die Große Türkische Nationalversammlung ein Gesetz zur sofortigen Einführung der „internationalen“ Buchstaben.40 Als Resultat entfernte sich die Türkei – die sich ja von Ländern umgeben sah, in denen weiterhin diverse nicht-lateinische Alphabete in Gebrauch waren – weiter von der Welt des Islam und näherte sich dafür Europa an. Eine vordergründig bedeutungslose Änderung im türkischen Kalender symbolisierte noch eine weitere einschneidende Kulturreform auf Mustafa Kemals Geheiß: Im Dezember 1925 wechselte die Türkei auch offiziell zum Gregorianischen Kalender41 mit seiner Zeitrechnung ab Christi Geburt und schaffte zugleich die beiden traditionellen islamischen Zeitrechnungen ab, die bis dahin im Land hauptsächlich in Gebrauch gewesen waren: den „Hidschra-Kalender“, der in traditionellen arabischen Lunarmonaten (à

Abb. 16  Mustafa Kemal lehrt das neue Alphabet in Kayseri (1928).

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rund 28 Tagen) die Jahre ab der Flucht des Propheten Muḥammad von Mekka nach Medina im Jahr 622 n. Chr. zählt, und den 1840 als Teil der Tanzîmât-Reformen eingeführten Rumî-Kalender (Rumî Takvim), der die Solarmonate (à rund 30 Tagen) des Julianischen Kalenders mit der abweichenden Jahreszählung des Hidschra-Kalenders verknüpft. Zeitungen und Zeitschriften hatten allerdings bereits in spätosmanischer Zeit begonnen, Daten und Jahreszahlen zusätzlich zu den traditionellen Formen auch in gregorianischer Zählung anzugeben, und selbst die Hohe Pforte hatte seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Großteil ihrer diplomatischen Korrespondenz unter Verwendung des Gregorianischen Kalenders geführt. Dennoch verursachte die umfassende Umstellung auf den christlichen Kalender eine Erschütterung des allgemeinen Zeiterlebens, die wohl nur noch von dem Gefühl eines Abgeschnittenwerdens von der islamischen Tradition übertroffen wurde. Diese Erschütterung betraf auch den Bereich des kulturellen Gedächtnisses, in dem sie einige Verwirrung stiftete. So konnten die Angehörigen der jüngeren Generation schon bald bestimmte volkstümliche Bezeichnungen geschichtlicher Ereignisse nicht mehr verstehen: so etwa die Rede vom „Krieg von Anno ’93“, wie unter Bezugnahme auf das RumîJahr 1293 der Russisch-Osmanische Krieg von 1877/78 genannt wurde, der in jenem Jahr begann. Ähnliches galt für die „Revolution von 1324“ – die jungtürkische Revolution von 1908, die im Rumî-Jahr 1324 stattgefunden hatte – oder die „Fünfzehner“ – jene osmanischen Soldaten, die im Jahr 1315 nach der Hidschra (1897–1898) geboren und unmittelbar vor dem Eintritt des Osmanischen Reiches in den Ersten Weltkrieg als erste zu den Waffen gerufen worden waren. Die Übernahme der westlichen Uhr- und Tageszeiten anstelle der Ezanî-Zeiteinteilung nach dem regelmäßigen muslimischen Gebetsruf (ezan), die jeweils zu Sonnenaufgang ihren Anfang nahm, trug das ihre zu einer gründlichen Ent-Islamisierung der türkischen Zeitwahrnehmung bei.42 Der letzte Schlag folgte im Mai 1935 mit dem Wechsel des Wochenfeiertags vom (muslimischen) Freitag zum (christlichen) Sonntag.43 Wie diese Beispiele veranschaulichen, verlangte Mustafa Kemal von den Türken nicht weniger als eine völlige Verinnerlichung der „internationalen“ Kultur und ihrer Werte, und zwar in allen Bereichen des täglichen Lebens. Er wollte ihnen, um ein von Jürgen Habermas eingeführtes Konzept zu bemühen, neben der sozialen auch die „ästhetische Moderne“44 bringen;

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von einer kausalen Verknüpfung beider Phänomene war er dabei überzeugt. Darum betrieb Mustafa Kemal derart leidenschaftlich einen tiefgreifenden Wandel in der Architektur; darum propagierte er Bildhauerei und Malerei nach europäischem Vorbild; darum legte seine Regierung ein Reformprogramm auf, durch das die Türken an die homophone westliche Musik herangeführt werden sollten.45 Im Jahr 1914, er war osmanischer Militärattaché in Sofia gewesen, hatte Mustafa Kemal eine Vorstellung von Georges Bizets Oper Carmen besucht. Sowohl die Aufführung als auch das gerade erst fertiggestellte, neubyzantinische Theatergebäude beeindruckten ihn zutiefst. Nun war es nicht so, dass eine Vorliebe für westliche Musik in der spätosmanischen Gesellschaft etwas vollkommen Unerhörtes gewesen wäre – Sultan Abdülhamid II. beispielsweise war ein großer Opernliebhaber und lud Berühmtheiten wie den belgischen Koloratursopran Blanche Arral zu Privatdarbietungen in seinen Palast ein;46 aber er hatte keinerlei Interesse daran, die westliche Musik auch bei seinen Untertanen bekannt zu machen. Im Gegensatz dazu wollte Mustafa Kemal, der türkische Volkslieder schätzte und nur eine Handvoll Arien überhaupt kannte – darunter „Recondita Armonia“ aus Giacomo Puccinis Tosca –, die westliche Musik zur bevorzugten Musik des Durchschnittstürken machen.47 Für ihn stellte sich dabei keineswegs die Frage des persönlichen Geschmacks; hier ging es um nichts Geringeres als den Fortschritt an sich. Es heißt, Mustafa Kemal habe nach seinem Opernbesuch in Sofia geäußert, nun verstehe er, wie die Bulgaren im Vorjahr das Heer des Sultans hätten schlagen können.48 Entsprechend richtete er schon kurz nach Ausrufung der Republik ein musikalisches Reformprogramm ein. 1924 verlegte er die Hofkapelle des Sultans (später das „Sinfonieorchester des Präsidenten der Republik“) nach Ankara. Im selben Jahr wurde in der neuen Hauptstadt eine „Schule für Musiklehrer“ (Musiki Muʻallim Mektebi) eingerichtet.49 Das osmanische Darü᾽l-elhân („Haus der Melodien“) wurde zum „Städtischen Istanbuler Konservatorium“, dessen „orientalischer“, der traditionellen Diwanmusik verpflichteter Zweig 1926 geschlossen wurde. Die Schließung der SufiTekken 1925 hatten der Vermittlung und Aufführung traditioneller Musik bereits zuvor einen herben Schlag versetzt. Als er 1928 die berühmte ägyptische Sängerin Munīra al-Mahdiyya hörte, kommentierte er das mit den

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Worten: „Diese orientalische Musik … diese primitive Musik reicht nicht aus, um dem Geist und den intensiven Gefühlen eines Türken Ausdruck zu verleihen“50, und entschloss sich zu einer noch radikaleren Maßnahme. Das Regime begann, talentierte junge Musiker zum Studium nach Europa zu schicken. Ab den späten 1920er-Jahren schuf ein führender türkischer Komponist, Cemal Reşit (Rey), Orchesterstücke nach westlichem Geschmack, aber über türkische Themen, darunter seine Scènes turques.51 Im Juni 1934 wurde eine große Musikgala veranstaltet, welche die Musikreform mit der Türkischen Geschichtsthese verknüpfen sollte. Mustafa Kemal hatte bei dem Komponisten Adnan Saygun eigens eine Oper in Auftrag gegeben, die beim Staatsbesuch des Schahs von Persien in jenem Sommer aufgeführt werden sollte. Der Titel des Librettos lautete Özsoy („Der wahre Ahn“); Mustafa Kemal selbst hatte es bearbeitet. Passend zum türkisch-iranischen Anlass der Aufführung beruhte es zum Teil auf Firdausīs persischem Nationalepos Shāhnāme und zum Teil auf der alttürkischen Mythologie und brachte die Überzeugung auf die Bühne, Türken und Iraner seien in Wahrheit Brüder, die auf dieselbe Abstammung zurückblickten. Ein paar Monate später gab Mustafa Kemal in einer Rede zur Parlamentseröffnung das Signal zu einer weitaus drastischeren Reform. Indem er die traditionelle Musik alla turca scharf angriff, drängte er die zuständigen Stellen, die „türkische Nationalmusik“ doch aufzuwerten, um sie am Geschehen der „internationalen Musik“ teilhaben zu lassen.52 Das Innenministerium reagierte zwei Tage später in einem offiziellen Kommuniqué: Inspiriert von den aufgeklärten Bemerkungen Seiner Exzellenz des Gazi in puncto der traditionellen Musik hat das Innenministerium allen betroffenen Parteien mitgeteilt, dass mit Wirkung vom heutigen Abend die traditionelle Volks- und Diwanmusik [alaturka musiki] vollends aus dem Radioprogramm gestrichen wird. Stattdessen dürfen nur noch solche nationalen Musiken gesendet werden, die sich der westlichen Kompositionstechnik bedienen und deren Interpreten mit der westlichen Art des Musizierens vertraut sind.53 Auch die regionalen und örtlichen Behörden erließen strenge Aufführungsverbote gegen die monophone türkische Musik und erwogen kurzzei-

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tig sogar, selbst Schallplattenaufnahmen traditioneller Musik zu verbieten. Zudem unterbanden sie jegliche Versuche, traditionell-monophone Musik unter solchen bewusst irreführenden Bezeichnungen wie „moderne alaturka-Musik“ zur Aufführung zu bringen. Währenddessen lud Atatürk den gefeierten deutschen Komponisten und Musiktheoretiker Paul Hindemith in die Türkei ein. Als „entarteter“ Komponist war Hindemith in Deutschland mit dem nationalsozialistischen Regime aneinandergeraten; seine Werke waren im deutschen Rundfunk mit einem Sendeverbot belegt worden. Nun also sollte er die Türkei bereisen und das türkische Musikleben durch die Einrichtung neuer Institutionen reformieren.54 Auf die Empfehlung Hindemiths, der 1938 dauerhaft ins Exil gehen sollte, wurde 1936 das Ankaraner Staatskonservatorium eröffnet. Trotz all dieser Bemühungen zeigte die türkische Öffentlichkeit jedoch nur geringes Interesse an der Musikreform und hörte anstelle der reglementierten türkischen Radiosender nun eben Radio Kairo. Und obgleich die Behörden im September 1936 das generelle Sendeverbot für traditionelle türkische Musik wieder aufhoben, bestand ein Großteil des gesendeten Programms auch weiterhin aus homophoner westlicher (Kunst-)Musik, ergänzt um deren neue türkische Nachahmungen. Mit Necil Kâzım Akses’ Oper Bay Önder („Herr Führer“) gab es zudem einen Versuch, Musik im westlichen Stil zum Propagandainstrument zu machen; Atatürk hatte auch in diesem Fall von 1934 das Libretto eigenhändig überarbeitet. Allerdings brachten diese Initiativen dem Regime vergleichsweise wenig Gewinn und das gesamte Projekt der staatlichen Musikpropaganda wurde, poco a poco, aufgegeben.55 Die Musikreform war der Versuch, die westliche Musik durch staatliche Einflussnahme in der Türkei heimisch zu machen und die Beliebtheit dieser „internationalen“ Kunstform in der türkischen Bevölkerung zu steigern. Dabei zog die Reform zwar nicht gegen ein bestimmtes religiös-traditionalistisches Konzept zu Felde, doch wie so viele andere kulturelle Projekte der kemalistischen Ära war sie Ausdruck einer tiefempfundenen Sehnsucht, die Türkei zu einem Teil der westlichen Welt werden zu lassen. All diese sozialtechnologischen Bestrebungen – von denen nicht wenige aus heutiger Sicht einigermaßen weltfremd erscheinen – erwuchsen aus der starken, ideologisch begründeten Selbstverpflichtung, der Türkei „die Zivilisation“ zu bringen – notfalls unter Zwang – und das Land so zu einem Teil

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der „zivilisierten Welt“ zu machen. Die von Mustafa Kemal angestoßenen, weitreichenden Reformen erstreckten sich auf alle Bereiche des Lebens: von der Sprache zur Schrift, von der Mode zur Kunst, vom Geschichtsbild zum Zeitempfinden, vom Zugehörigkeitsgefühl bis hin zur Identitätskonstruktion. Es wäre allzu bequem, diese Reformen einfach abzutun, sie zu Oberflächlichkeiten zu erklären, deren Wirkung jenseits einer verschwindend kleinen Elite ohnehin versandet sei, ohne in die weitere Gesellschaft einzudringen. Trotz ihrer eher begrenzten unmittelbaren Massenwirkung nämlich führten sie auf Dauer zu einer drastischen Umgestaltung der türkischen Gesellschaft und schufen zudem eine neue Elite mit einer neuen Weltanschauung. Ein Europäer, der im Jahr 1938 Ankara besucht hätte, würde die Stadt als weitaus „westlicher“ empfunden haben, als dies noch 1918 in der – wohlgemerkt durchaus kosmopolitischen – Residenzstadt des Osmanenreiches der Fall gewesen wäre. Der neue, moderne Teil Ankaras mit seinen kubistischen, funktionalen Bauten ähnelte einer europäischen Stadt mittlerer Größe.56 Seine Bevölkerung – in der Mehrzahl Staatsbeamte – kleidete sich europäisch, gestaltete ihr Leben und ihre Freizeit nach europäischem Muster. Nevzat Tandoğan, der 1929 zum Gouverneur der Provinz Ankara ernannt worden war, verbot schäbig oder traditionell (!) gekleideten Personen den Zutritt du diesem neuen, gewissermaßen klinisch reinen Stadtteil.57 Ein europäischer Besucher würde sich in der Lage gesehen haben, einige in dem neuen lateinischen Alphabet verfasste Schilder zu entziffern (wie etwa „telefon“); er hätte an einem Freitag wie gewohnt seinen Geschäften nachgehen und die örtlichen Datumsangaben verstehen können. Man mag einwenden, dass Ankara damals keineswegs repräsentativ für den Rest der Türkei gewesen ist. Tatsächlich hatten Mustafa Kemals drastische Direktiven außerhalb der Hauptstadt nur geringe Wirkung (vergleichbar Reza Schah Pahlavis Verbot aller Fotografien, die „nicht-westliche“ Ansichten Irans zeigten).58 Gewiss, obwohl sie die Propagandabühne für sich hatte, konnte die republikanische Regierung doch nicht innerhalb weniger Jahre die türkische Gesellschaft als ganze vollkommen umwälzen. Ihre volkspädagogischen Einrichtungen (wie etwa die Volkshäuser und Gemeinschaftsräume) waren nicht in der Lage, eine noch immer vorwiegend analphabetische und stark traditionalistische Landbevölkerung

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zu indoktrinieren.59 Andererseits gingen Mustafa Kemals Reformen weit über die größtenteils „kosmetischen“ Maßnahmen des iranischen Schahs hinaus, und ihr Einfluss war auch jenseits klar umrissener „Vorzeigezonen“ zu spüren.60 Ein Großteil der türkischen Elite verinnerlichte die neuen, modernen Werte tatsächlich und hielt deren Annahme noch dazu für die einzig mögliche Form der Modernisierung. Dieser Teil der Bevölkerung unterhielt zwar nur lose Verbindungen zu den eher traditionalistischen Teilen der Gesellschaft, war jedoch – verglichen mit seinen iranischen oder afghanischen Entsprechungen – relativ groß. Und mit der Zeit animierte die staatlich verordnete Moderne sogar die Vertreter der Tradition zu einer Reaktion. Die Bedeutsamkeit des Aufkommens einer neuen Elite sowie von städtischen Ober- und Mittelschichten, bei denen eine enthusiastische Unterstützung der neuen Ideologie die Regel war, sollte nicht unterschätzt werden. Diese Teile der türkischen Gesellschaft – und die Ideologie, die sie jeweils vertraten – haben die moderne Türkei seit Begründung der Republik beherrscht und geprägt. Obwohl die verwestlichenden Reformen Atatürks zu einer Säkularisierung und Entislamisierung der Türkei beigetragen haben, ließen sie doch keine vollkommen unislamische Gesellschaft zurück. Die Reformen betrafen die frommen Muslime und andere Konservative genauso wie alle anderen; im Gefolge von Mustafa Kemals Reformprogramm entstand daher auch in der Türkei ein dezidiert neuer und neuartiger Islam, wie Clifford Geertz ihn mit Blick auf Marokko und Indonesien so scharfsichtig beschrieben hat.61 In der Frühphase der Reformen äußerte der ägyptische Religionsführer Muḥammad al-Ghunaymī al-Taftāzānī gar die Befürchtung, der Koran werde in der Türkei bald nur noch im Museum zu bewundern sein.62 Es sollte anders kommen. Anstatt in der Versenkung zu verschwinden, bestimmte der türkische Islam über die Jahre sein Verhältnis zur Moderne neu. Während des revolutionären Umbruchs zur Zeit der frühen Republik hätten sich wohl nur wenige vorstellen können, dass dereinst eine islamisch-konservative Partei – die AKP – die Türkei auf den Pfad der EU-Mitgliedschaft führen würde. Während also Mustafa Kemals Vision, die Türkei zu einem Teil des Westens zu machen, nicht vollkommen umgesetzt wurde, war doch der Versuch bei weitem kein Fehlschlag. Obwohl auch in der heutigen Türkei eine kleine

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Gruppe von Überzeugten zäh an der Türkischen Geschichtsthese aus den 1930er-Jahren festhält, sieht der Großteil der türkischen Bevölkerung die Türkei als ein eindeutig europäisches Land. Die entgegengesetzte Ansicht, die Türkei sei ein Teil Asiens, wird von vielen Türken als absurd, wenn nicht sogar als beleidigend angesehen. Als der europäische Fußballverband UEFA zwischen 1954 und 1962 mehrere türkische Aufnahmegesuche ablehnte und stattdessen eine Mitgliedschaft der Türkei bei seinem asiatischen Pendant AFC nahelegte, wiesen die türkischen Funktionäre dieses Ansinnen folglich in den schärfsten Tönen zurück und stellten ausdrücklich fest, die Türkei gehöre nicht zu Asien und habe auch niemals zu Asien gehört. Vor nicht allzu langer Zeit rief eine Bemerkung des damaligen französischen Präsidenten Nicholas Sarkozy – „Ich finde nicht, dass die Türkei ein Anrecht darauf hat, der Europäischen Union beizutreten, denn sie ist kein europäisches Land“ – in der türkischen Öffentlichkeit einen Aufschrei der Empörung hervor und wurde von Politikern und Intellektuellen aller Parteien und Überzeugungen auf das Schärfste verurteilt.63 Eine große Mehrheit der Türken ist der Ansicht, dass jedwedes Infragestellen des europäischen Wesens der Türkei allein der Ignoranz und tiefsitzenden Vorurteilen entspringt. Doch wie das bisherige EU-Beitrittsverfahren der Türkei gezeigt hat, sieht – ganz im Gegenteil – die Mehrzahl der Europäer diese keineswegs als einen Teil Europas. Mustafa Kemal hat also mit Blick auf sein Hauptziel, in weiten Teilen der türkischen Gesellschaft ein neues Zugehörigkeitsgefühl zu Europa zu erwecken, Erfolg gehabt; jedoch ist es ihm nicht gelungen, im Gegenzug auch die Europäer davon zu überzeugen, dass die türkische Gesellschaft ihre Kultur und Werte teilt.

Atatürk und kein Ende: Ein Fazit Wie diese Studie gezeigt hat, spielte Mustafa Kemal Atatürk eine überragende Rolle bei der Überführung der spätosmanischen Staats- und Gesellschaftsordnung in das republikanische System der modernen Türkei. Wie sie aber ebenso gezeigt hat, war diese Rolle keineswegs die eines abgeklärten Weisen, der mit gänzlich neuen Ideen und einem nie dagewesenen Regierungsprogramm die Bühne betrat. Erstens war Atatürk beileibe kein Denker vom Rang eines Auguste Comte, Karl Marx oder Wladimir Iljitsch Lenin. Er war kein politischer und kein Sozialphilosoph, der eine systematische Theorie zu allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens entwickelt hätte. Er war noch nicht einmal ein glühender Anhänger irgendeiner bestimmten, konsistenten Ideologie. Ebenso wenig versuchte er, eine bestehende Philosophie auf ihre Anwendbarkeit innerhalb einer gegebenen Gesellschaft hin umzudeuten, wie es in Brasilien geschehen war, als der Positivismus dort zur offiziellen Staatslehre erhoben wurde. Womöglich würde ein politischer Philosoph oder Politiktheoretiker Atatürks Ideen – ungeachtet ihrer erprobten pragmatischen Qualitäten – inhaltlich etwas dünn finden. Schließlich war Atatürk kein Theoretiker, sondern ein Praktiker: ein bodenständiger Anführer, der zwar eine Vision verwirklichen wollte, sich dabei aber nicht auf eine bestimmte Ideologie verließ, sondern viele unterschiedliche Hebel in Bewegung setzte – manche davon das Resultat wissenschaftlich fragwürdiger oder einander widersprechender Konstruktionen –, um an sein Ziel zu gelangen. Die schiere Größe von Mustafa Kemals Lebensleistung darf uns überdies nicht blind werden lassen gegenüber einer wichtigen Tatsache: Die von ihm verwirklichte Vision hat keineswegs bei ihm auch ihren Ursprung gehabt. Schon den Reformern aus der Zeit der Zweiten Verfassung hatte eine Utopie nach Art

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der „geplanten Demokratie“ Karl Mannheims vorgeschwebt, in der eine szientistische Gesellschaft vorbehaltlos ihre Traditionen verwerfen und von ganzem Herzen eine Moderne annehmen werde, wie sie die „internationale Zivilisation“ verkörperte. Mustafa Kemal brachte diese Utopie als „autoritärer Retter“ des von Krieg und Auflösung bedrohten Staates zur Reife; seine doppelte Rolle war also die eines Deuters und Vollstreckers. Genauer gesagt, war er die Leitfigur, welche die intellektuelle Utopie einer kleinen Randgruppe zum politischen Programm erhob und dieses dann, nachdem er erst einmal an die Spitze des Staates gelangt war, rigoros umsetzte. Dementsprechend stellte der von Atatürk angeführte Strukturwandel des türkischen Staates trotz der gewaltigen Erschütterungen, die er verursachte, keinen völligen Bruch mit der spätosmanischen Vergangenheit dar, sondern bildete – in einigen wichtigen Hinsichten – deren konsequente Fortführung. Die Auffassungen, von denen sich Mustafa Kemal leiten ließ, waren schon lange vor den republikanischen Reformen en détail in der osmanischen Öffentlichkeit diskutiert worden; keineswegs waren sie Neuerungen, die der Gründer der Republik im stillen Kämmerlein ausgebrütet hatte. Jedoch: Hätte es den Ersten Weltkrieg nicht gegeben, der ungehindert gemächliche Gang des osmanischen Gesellschaftswandels hätte diesen Ideen wohl, aller Wahrscheinlichkeit nach, in den 1920er-Jahren noch nicht zum Durchbruch verholfen. Es waren die grundstürzenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen durch den Ersten Weltkrieg, die ihnen im Verein mit dem Kollaps des Osmanischen Reiches eine ungeahnte Konjunktur bescherten. Dieselben schweren Erschütterungen des ganzen osmanischen Staatsgebäudes schwächten auch all jene Strukturen, die wohl andernfalls dazu geneigt hätten, radikale Reformen aktiv zu verhindern. Der Aufstieg Mustafa Kemals zur Macht fiel nicht nur zeitlich mit dem Niedergang des Osmanischen Reiches zusammen, sondern wurde durch diesen, den Türkischen Unabhängigkeitskrieg sowie den sich anschließenden Staatsbildungsprozess überhaupt erst ermöglicht. Die missliche Lage, in die das Osmanische Reich in den Jahren nach dem Waffenstillstand von Moudros zunehmend geriet, verlangte nach einer beherzten und einfallsreichen Führung im Widerstand gegen den von alliierter Seite beabsichtigten Diktatfrieden. Eine neue politische Ordnung wollte geschaffen, ein überaus schwieriger Feldzug geplant sein – ganz zu

Ein Fazit

schweigen von der Herkulesaufgabe, das ehemalige Kernland des Osmanischen Reiches in einen modernen Nationalstaat zu verwandeln. Mustafa Kemals bemerkenswerte Leistungen als Soldat und Führer der Nation, der in einem scheinbar aussichtslosen Krieg gekämpft und gesiegt hatte, haben ihm zweifellos geholfen, sich jene unanfechtbar-unfehlbare Aura anzueignen, die später das Signum seiner Regierung werden sollte. Von der westlichen Geschichtswissenschaft als unbedeutende Nachkriegsepisode irgendwo im Nahen Osten weitgehend ignoriert, richtete der Kampf, den Mustafa Kemal so unerwartet zu einem triumphalen Abschluss führte, doch eine erste Herausforderung an die Adresse der scheinbar unverwundbaren Siegermächte und ihre einseitig diktierte neue Weltordnung. Nur eine Führungspersönlichkeit mit einer solch beeindruckenden Schaffensbilanz konnte eine Utopie verwirklichen, wie sie Mustafa Kemal vorschwebte. Hier erweist sich Robert Tuckers Konzept des „Situationismus“,1 demzufolge die in einer gegebenen Gesellschaft obwaltenden Verhältnisse die Charakteristik der Führungspersönlichkeit an der Spitze jener Gesellschaft maßgeblich vorherbestimmen, als plausibler Erklärungsansatz – und als wesentlich plausibler jedenfalls, als es die zur Analyse von Atatürks steiler Karriere üblicherweise herangezogenen Narrative vom „Aufstieg eines Großen Mannes“ jemals sein könnten. Atatürks Schlüssel zum Erfolg lag, anders gesagt, nicht in der Originalität seiner Ideen, sondern in der Singularität der Chance, die er zu ihrer Umsetzung ergriff. Aus einem Amalgam von Szientismus, Materialismus, Sozialdarwinismus, Positivismus, Türkismus und weiteren populären Theorien und Weltanschauungen formte Mustafa Kemal sein ebenso eklektisches wie hochfliegendes Referenzsystem zur Deutung der Vergangenheit und Vorwegnahme der Zukunft. Er war kein Marxist, aber er entwickelte mit der Zeit eine ähnlich grenzenlose Zuversicht hinsichtlich der Vorhersagekraft seiner eigenen Überzeugungen. Das galt insbesondere für die Frage, wohin der Lauf der Welt im Allgemeinen gehen und welche Rolle seine eigene Nation in diesem evolutionären Prozess spielen werde. Sein unerschütterlicher szientistischer Glaube an (angebliche) Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Evolution lieferte die Gewissheit, die er benötigte, um seine Zukunftsvision absolut zu setzen und somit zu einer objektiven – und also zu erfüllenden – Forderung der Moderne zu erklären. Atatürk war tatsächlich

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davon überzeugt, dass dieses von ihm verfolgte höchste Ideal nicht nur das beste, sondern auch das für die türkische Gesellschaft unmittelbar maßgebliche sei. Wie andere Utopisten vor ihm ließ er sich weder von Details oder unliebsamen Tatsachen noch von latenten Widersprüchen davon abhalten, die Umsetzung seiner großen Vision zu betreiben. Und um die Moderne, den tragenden Pfeiler dieser Vision, zu verstehen und zu deuten, ließ er sich von diversen geistigen und politischen Strömungen inspirieren, die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert die gebildete Öffentlichkeit Europas und des Osmanenreiches durchdrangen: von Thomas Huxleys moralisch verstandenem Darwinismus; den deutschen Vulgärmaterialisten; H. G. Wells’ kosmologischer Konfrontation des Menschen in der Geschichte mit den Formen von Raum und Zeit; Gustave Le Bons Elitismus; dem Nationalismus in seinen Spielarten; der anthropologischen Rassenlehre; dem Autoritarismus des frühen 20. Jahrhunderts sowie den Ideen der Aufklärung. All diese Theorien und Welterklärungsmodelle gestatteten es ihm, in Windeseile selbst ein visionäres Rahmenwerk zu zimmern, das zu der Wirklichkeit, in der er lebte, in einem eklatanten Widerspruch stand. Die meisten seiner Vorstellungen hatte Mustafa Kemal den europäischen wie osmanischen Popularisierern großer Theorien zu verdanken. So lernte er zum Beispiel Szientismus und Sozialdarwinismus durch die Vermittlung Ludwig Büchners und H. G. Wells’ kennen; den Elitismus durch Gustave Le Bon; den Nationalismus aus osmanischen Zeitschriften und den Solidarismus aus den Schriften Ziya Gökalps. In vielen Fällen wurde er auf ursprünglich europäische Konzepte durch Debatten aufmerksam, die innerhalb des Osmanischen Reiches ausgetragen wurden und in deren Verlauf osmanische Intellektuelle versuchten, diese importierten Konzepte auf die Verhältnisse in ihrer Heimat zu übertragen. Außerdem schreckte Mustafa Kemal nicht davor zurück, sich auch Theorien so dubioser Forscher wie des Doktors Kvergić anzueignen oder gar aus den Schriften okkulter Autoren wie James Churchward zu schöpfen, solange es der Untermauerung seiner eigenen Thesen diente. Die wissenschaftliche Qualität und Redlichkeit solcher Hilfsthesen war für ihn nur von geringem Belang, denn in Atatürks Augen zählte nur eines: die Verwirklichung seiner großen Vision. Die diversen Weltanschauungen und Menschenbilder, die er sich auf dem Weg dorthin aneignete, waren eher Mittel zur Ausführung seines epochalen Plans,

Ein Fazit

nicht Zwecke an sich. Entsprechend kannte seine intellektuelle Neugier keine Grenzen: Als Visionär nahm er, was immer brauchbar erschien, aus welcher Quelle es auch immer stammen mochte, wenn es nur sein politisches Programm befördern und letztlich die Verwirklichung seiner Utopie herbeiführen würde. Atatürk war ein Produkt der gesellschaftlichen Wirklichkeit seiner Zeit. Die Umgebung, in der er lebte, brachte ihn dazu, bestimmte Versatzstücke zur Vervollkommnung seines Ideals auszuwählen. Mustafa Kemals Saloniker Herkunft, seine Erziehung und Ausbildung an säkularen und Militärschulen, sein Armeedienst, seine Beteiligung an der jungtürkischen Bewegung und seine Mitgliedschaft im Komitee für Einheit und Fortschritt (KEF) – jeder einzelne dieser Faktoren spielte eine wesentliche Rolle bei der Ausgestaltung seiner Ansichten und Meinungen, bei der Entwicklung seiner dennoch ganz persönlichen Utopie. So spiegelten, wenig überraschend, seine Neigungen und Ambitionen als Homme de Lettres die Spannung zwischen Tradition und Moderne, die seit der Tanzîmât-Zeit für die osmanische Gesellschaft kennzeichnend gewesen war. Typisch für diese Hintergründe waren zudem ein unnachgiebiger Szientismus, der die Religion als das Haupthindernis auf dem Weg zur menschlichen Glückseligkeit ansah; das Geltenlassen nur einer einzigen – der westlichen – Moderne unter Ausschluss aller Alternativen sowie die Sehnsucht nach einer autoritären Organisation, die durch eine Monopolisierung der nationalen Politik das hehre Ziel verfolgen sollte, dem Gemeinwohl zu dienen. Nicht alle, die ähnlich sozialisiert wurden, verfolgten dieselben Ziele, und mancher „Verwestlicher“, dem ein mehr oder weniger ähnliches Ideal vorschwebte, hatte einen gänzlich anderen Werdegang. Doch der Verlauf seiner Entwicklung vom muslimischen Jungen aus Saloniki zum Führer des türkischen Nationalismus prägten ganz ohne Zweifel sowohl Atatürks Überzeugungen als auch seine Fähigkeit, sie in die Tat umzusetzen. In diesem neuen Idealstaat sollte es ein (dem Anspruch nach) naturwissenschaftlich fundierter Nationalismus sein, der als Ersatzreligion einen uneingeschränkten Herrschaftsanspruch erhob. So etwas hatten die Reformer in der Zeit der Zweiten Verfassung nach 1908 niemals vorgeschlagen: Atatürks Konzeption des idealen Staates als eines wesenhaft türkisch-nationalen war kühn und ohne Beispiel. Und doch war Mustafa Kemal, alles in allem,

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ein Kind seiner Zeit, der Epoche des Nationalismus. Wie so viele gebildete junge Leute seiner Generation war er beeinflusst von den Thesen Émile Durkheims; also nahm er an, dass zwar die Wissenschaft früher oder später über die Religion triumphieren werde, es jedoch Aufgabe des Nationalismus sei, neue Identitäten als Ersatz für die verlorenen religiösen bereitzustellen. Ein säkularer Nationalstaat, in dem die Religion eine verschwindend kleine – und irgendwann tatsächlich ganz verschwindende – Rolle spielte, stellte nach seiner Ansicht das Idealbild eines politischen Gemeinwesens dar. Nach seinen eigenen Worten durften die Prinzipien eines solchen Idealstaats keinesfalls verwechselt werden mit „den Dogmen jener Bücher, die uns, wie man sagt, der Himmel gesandt hat“, denn sie waren nicht durch Hilfe „vom Himmel oder aus der unsichtbaren Welt [inspiriert], sondern [kamen] mitten aus dem Leben“.2 Naturgemäß stand diese szientistisch-nationalistische Vorstellung im offenen Widerspruch zum Islam. In diesem Sinne hat es seine gute Berechtigung, Atatürk als einen der bedeutendsten Um- und Neugestalter der modernen islamischen Welt zu bezeichnen. Er stand vor ganz ähnlichen Dilemmata wie die muslimischen Modernisten seiner Zeit. Aber sein Blickwinkel war dem ihren völlig entgegengesetzt. Während Muḥammad ῾Abduh sich noch darüber den Kopf zerbrach, wie denn nur die moderne westliche Hutmode mit dem Islam in Einklang zu bringen sei, war Mustafa Kemal schon fest entschlossen, den Islam im Bedarfsfall an die Hutmode anzupassen. Seiner Ansicht nach würde nur ein Islam, der sich der Moderne gegenüber öffnete – ja der diese sogar enthusiastisch begrüßte –, die Massen von der Notwendigkeit überzeugen können, ihm auch weiterhin zu folgen. Auch Mustafa Kemals Bemühungen um eine islamische Reformation, die zurück zu den Quellen gehen und aus den Urtexten ihres Glaubens Argumente zur Rechtfertigung der Moderne gewinnen sollte, unterschieden sich dramatisch von den vergleichbaren Reformbewegungen des frühen 20. Jahrhunderts. Die Salafisten beispielsweise sprachen sich für eine ähnliche Rückkehr zu den Quellen aus; allerdings taten sie dies in der Absicht, letzten Endes einen unverfälschten, vormodernen Islam wiederherzustellen. Atatürk hingegen versuchte nicht, islamische Antworten auf die Fragen und Herausforderungen der Moderne zu finden; er wollte vielmehr den Islam so umgestalten, dass dieser die Moderne voll und ganz in sich aufnehmen konnte.

Ein Fazit

Dennoch war Mustafa Kemal der Ansicht, dass selbst ein umfassend reformierter Islam keine bestimmende Rolle mehr in der Gesellschaft spielen sollte. Die von ihm begründete Republik hing einer Variante von laïcité an, die das Vorbild der Französischen Republik an Radikalität noch weit übertraf; und sie stellte die institutionalisierte Religion unter eine strikte staatliche Kontrolle. Das war ein hartes Programm für eine überwiegend muslimische Gesellschaft des frühen 20. Jahrhunderts. Und doch waren Atatürks Nachahmer in der zweiten Jahrhunderthälfte – zu nennen wäre hier etwa Ḥabīb Būrqība, 1957 bis 1987 erster Präsident der Tunesischen Republik – deutlich weniger erfolgreich, was die Säkularisierung ihrer jeweiligen Gesellschaftsordnung anging. Zum Teil lässt sich dies unter Verweis auf die Unterschiede zwischen dem türkischen Kernland des Osmanischen Reiches und den (noch) stärker traditionalistisch geprägten arabischen Provinzen erklären. Bezeichnenderweise waren schon lange vor Atatürks Reformen nicht wenige osmanische Bräuche in den arabischen Gegenden des Reiches als Blasphemie und Götzenverehrung verurteilt worden. Und doch trugen, obwohl das osmanische Kernland nach dem Ersten Weltkrieg für Reformen fraglos reif war, die von Mustafa Kemal Atatürk forcierten Umwälzungen in Kultur und Gesellschaft für damalige Verhältnisse ungewöhlich drastische Züge. Die Radikalität von Atatürks Programm bedingte den autoritären Charakter seiner politischen Überzeugungen. Wie viele andere Staatsreformer und Staatenbildner hatte auch er nur wenig Geduld mit abweichenden Meinungen oder Kritik. Er betrachtete die Republikanische Volkspartei als sein hauptsächliches Reformwerkzeug und bestand folglich auf deren absoluter Vorherrschaft. Wie die Anführer des KEF, die ihre demokratische Gesinnung fahrenließen, sobald diese den Erfolg ihrer Agenda zu gefährden schien, griff Mustafa Kemal zur Einparteienherrschaft, um sein Programm ohne Kompromisse umsetzen zu können. Da seine Mission – in seinen Augen – dem Gebot der historischen Vorsehung folgte, waren ihm alle Mittel recht, ihren Erfolg zu gewährleisten. Am 10. November 1938 starb Mustafa Kemal Atatürk im Alter von 57 Jahren. Es war ihm vergönnt gewesen, einen beträchtlichen Teil seines großen Plans in die Tat umzusetzen. Sein Vermächtnis lebt bis heute fort, in der Türkei und – in geringerem Maße – in der ganzen muslimischen Welt.

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Seine Beiträge als Theoretiker haben sich zwar nie zu einem kohärenten System gefügt, aber dennoch sind unter dem Etikett eines „Kemalismus“ oder – seit neuestem – eines „Atatürkismus“ diverse Interpretationen seines Lebenswerkes hervorgetreten. Obwohl das politische Establishment der Türkei alles darangesetzt hat, den Kemalismus zu einer vollwertigen Staatsideologie auszubauen – insbesondere nach 1960 –fällt es oft schwer, die wandelbare offizielle Lehre des Kemalismus mit Atatürks tatsächlichem Erbe in Beziehung zu setzen. Das soll beileibe keine Unterschätzung der einschneidenden gesellschaftlichen Umwälzung bedeuten, die Mustafa Kemal betrieben hat; noch soll es deren Bedeutung für die heutigen Verhältnisse schmälern. In dem unbeirrbaren Streben nach der Verwirklichung seiner Utopie hat Mustafa Kemal Atatürk eine drastische Umgestaltung von Staat und Gesellschaft der Türkei ins Werk gesetzt. Weder die Türkei noch die islamische Welt als ganze werden die Spuren dieses Vorhabens jemals verleugnen können.

Anmerkungen Der Kemalismus in einer postkemalistischen Türkei 1 Der Begriff millet bezeichnete ursprünglich ausschließlich Glaubensgemeinschaften, eine Verwendung, die bis ins 19. Jahrhundert vorherrschte (beispielsweise „die muslimische millet“ oder „die griechisch-orthodoxe millet“); erst später nahm er die zusätzliche Bedeutung „(politische) Nation“ an. Während also millî im heutigen Türkisch eigentlich „national“ heißt, verwenden die Anhänger der islamistischen Bewegung den Begriff in seiner alten, mittlerweile archaischen Bedeutung, um die islamische Glaubensgemeinschaft zu bezeichnen. Die Eigenbenennung Millî Görüş, die im Deutschen mitunter als „Nationale Sicht“ übersetzt wird, sollte also besser als „Sicht der Glaubensgemeinschaft“ wiedergegeben werden. Da es offenkundig um eine Identifikation mit der muslimischen Glaubensgemeinschaft geht, übersetze ich den Terminus mit „Islamische Sicht“. 2 Zuvor waren islamistische Parteien bereits an Koalitionsregierungen beteiligt gewesen. 3 Im Jahr 2023 jährt sich die Gründung der Türkischen Republik zum einhundertsten Mal.

Mustafa Kemal zwischen Forschung und Fiktion: Eine Einleitung 1

„Ata’nın Silueti Varken Hayvan Otlatmak İhanet“, Hürriyet, 1. Juli 2003.

2 Sevilay Yükselir, „O Söz Atatürk’ e Ait Değil Ama Atatürk’çe Bir Söz!“, 26. Februar 2008. Zugriff am 27. Februar 2008 via http://www.gazeteport.com.tr/Yazarlar/News/Gp_162225. 3 Metin Özata, Atatürk ve Tıbbiyeliler (İzmir: Umay Yayınları, 2007); Mithat Atabay, Atatürk ve Meteoroloji (Ankara: DMİ Yayınları, 2002); Anıl Çeçen, Atatürk ve Avrasya (Istanbul: Cumhuriyet Kitapları, 1999); Cemil Sönmez, Atatürk᾽te Çocuk Sevgisi (Ankara: Atatürk Araştırma Merkezi, 2004). 4 Hasan Fahri, Atatürk Bir Anti-Koministti (Istanbul: Su Yayınları, 1978); Remzi Çaybaşı, Sosyalist Akım, Atatürk ve Anayasa (Istanbul: Batur Matbaası, 1967). 5 Haydar Seçkin, Atatürk᾽ü Kur᾽anda Aradım ve Buldum (İzmit: H. Seçkin Yayınları, 1995); Güneş Kazdağlı, Atatürk ve Bilim (Istanbul: Beyaz Yayınları, 1998). 6 Zeki Arıkan, „1908 Jön Türk Devrimi ve Mustafa Kemal“, Cumhuriyet, 11.09.2008. 7 Siehe „Dünyanın Siyasî Durumu, 27/29. IX. 1932“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 3, hg. v. Nimet Unan (Ankara: Türk İnkılâp Tarihi Enstitüsü Yayınları, 1954), 92–94; und Şevket Süreyya Aydemir, İkinci Adam, Bd. 2, 1938–1950 (Istanbul: Remzi Yayınları, 1979), 83–87. 8 Cemil Koçak, „Atatürk Hakkında Bazı Belgeler: Ali Rıza Bey, Anıtkabir, MacArtur ile Mülakat“, Toplumsal Tarih 10/119 (2003): 25–26. 9 Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bde. 1–30 (Istanbul: Kaynak Yayınları, 1998–2011). 10 M. Kemal Atatürk᾽ün Karlsbad Hatıraları, hg. v. Ayşe Afetinan (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1983), 29–61. 11 Atatürk᾽ün Not Defterleri, Bde. 1–12 (Ankara: Genelkurmay ATASE Yayınları, 2004–2009).

12 Klaus Kreiser, Atatürk. Eine Biographie (München: C. H. Beck, 2008). 13 Andrew Mango, Atatürk (London: John Murray, 1999). 14 Şerafettin Turan, Kendine Özgü Bir Yaşam ve Kişilik Mustafa Kemal Atatürk (Istanbul: Bilgi Yayınevi, 2004).

1. Eine kosmopolitische Kinderstube: Saloniki im Fin de Siècle 1 Speros Vryonis Jr., „The Ottoman Conquest of Thessaloniki in 1430“, in Continuity and Change in Late Byzantine and Early Ottoman Society, hg. v. Anthony Bryer und Heath Lowry (Washington, D.  C.: Dumbarton Oaks Research Library and Collection, 1986), 281–321. 2 Gershom Scholem, Sabbatai Zwi. Der mystische Messias, übers. v. Angelika Schweikhart (Frankfurt a. M.: Jüdischer Verlag, 1992 [1957/73]). 3 Meropi Anastassiadou, Salonique, 1830–1912 Une ville ottomane à l’âge des Réformes (Leiden: Brill, 1997), 95–97. 4 Apostolos E. Vacalopoulos, A History of Thessaloniki, übers. v. T. F. Carney (Thessaloniki: Institute for Balkan Studies, 1972), 100–101. 5 Iv[an] Snegarov, Solun v bŭlgarskata dukhovna kultura istoricheski ocherk i dokumenti (Sofia: Pridvorna Petchatnitsa, 1937), 77ff.

7 Duncan M. Perry, The Politics of Terror The Macedonian Liberation Movements, 1893– 1903 (Durham, NC: Duke University Press, 1988), 38–39. 8 Douglas Dakin, The Greek Struggle in Macedonia, 1897–1913 (Thessaloniki: Institute for Balkan Studies, 1966), 199–209. 9 Şerif Mardin, „Super Westernization in Urban Life in the Ottoman Empire in the Last Quarter of the Nineteenth Century“, in Turkey Geographic and Social Perspectives, hg. v. Peter Benedict, Erol Tümertekin und Fatma Mansur (Leiden: Brill, 1974), 422ff. 10 Vacalopoulos, A History of Thessaloniki, 115–119. 11 Roderic H. Davison, Reform in the Ottoman Empire, 1856–1876 (Princeton, N. J.: Princeton University Press, 1963), 131–135. 12 „Ma῾arif-i Umumiye Nizamnâmesidir“, in Düstûr, I/2 (Istanbul: Matbaa-i Âmire, 1289 [1872]), 184–219. 13 Zur Neugestaltung Salonikis im Zuge der Tanzîmât-Reformen, siehe Anastassiadou, Salonique, 89ff., sowie Alexandra Yerolympos und Vassilis Colonas, „Un urbanisme cosmopolite“, in Salonique, 1850–1918 La „ville des Juifs“ et le réveil des Balkans, hg. v. Gilles Veinstein (Paris: Autrement, 1993), 158–176. 14 Yaron Ben Na’eh, „Hebrew Printing Houses in the Ottoman Empire“, in Jewish Journalism and Printing Houses in the Ottoman Empire and Modern Turkey, hg. v. Gad Nassi (Istanbul: Isis Press, 2001), 86. 15 Türkmen Parlak, Yeni Asır᾽ın Selânik Yılları Evlâd-ı Fatihan Diyarları (İzmir: Yeni Asır, 1986), 113ff. 16 Mark Mazower, Salonica, City of Ghosts Christians, Muslims, and Jews, 1430–1950 (London: HarperCollins, 2004), 219. 17 A. a. O , 220. 18 Kurt Grunwald, Türkenhirsch A Study of Baron Maurice de Hirsch, Entrepreneur and Philanthropist (Jerusalem: Israel Program for Scientific Translations, 1966), 28ff.

Anmerkungen

6 Zina Markova, Bŭlgarskata ekzarhia, 1870–1879 (Sofia: Bŭlgarska Akademia na Naukite, 1989), 79–83.

237

19 Snegarov, Solun v bŭlgarskata dukhovna kultura, 60–61. 20 Sidiroula Ziogou-Karastergiou, „Education in Thessaloniki: The Ottoman Period, 1430– 1912“, in Queen of the Worthy Thessaloniki History and Culture, hg. v. I. K. Hassiotis (Thessaloniki: Paratiritis, 1997), 354–355. 21 Şerafettin Turan, Kendine Özgü Bir Yaşam ve Kişilik Mustafa Kemal Atatürk (Istanbul: Bilgi Yayınevi, 2004), 19–20; Andrew Mango, Atatürk (London: John Murray, 1999), 26–30. 22 Şevket Süreyya Aydemir, Tek Adam Mustafa Kemal, Bd. 1, 1881–1919 (Istanbul: Remzi Kitabevi, 1981), 31. 23 İhsan Sungu, „Atatürk᾽ün Babası Ali Efendi ve Mensup Olduğu Selânikli Asâkiri Milliye Taburu“, Belleten 3/10 (1. April 1939): 289–348. 24 Falih Rıfkı Atay, Çankaya Atatürk᾽ün Doğumundan Ölümüne Kadar (Istanbul: Sena Matbaası, 1960), 17. 25 Mango, Atatürk, 29. 26 „Hayatına Ait Hatıralar, Januar 1922“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri Tamim ve Telgrafları, Bd.  5, hg.  v.  Sadi Borak und Utkan Kocatürk (Ankara: Türk İnkılâp Tarihi Enstitüsü Yayınları, 1972), 84. 27 Marc David Baer, The Dönme Jewish Converts, Muslim Revolutionaries, and Secular Turks (Stanford, Calif.: Stanford University Press, 2010), 48–49. 28 „Hayatına Ait Hatıralar, Januar 1922“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 5, 85. 29 Aydemir, Tek Adam, Bd. 1, 48–49.

Anmerkungen

30 „Hayatına Ait Hatıralar, Januar 1922“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 5, 85.

238

31 Ebd. 32 Osman Ergin, Türkiye Maarif Tarihi, Bd.  2, Tanzimat Devri Mektepleri (Istanbul: Osmanbey Matbaası, 1940), 423. 33 Aydemir, Tek Adam, Bd. 1, 63–64. 34 „Hayatına Ait Hatıralar, Januar 1922“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 5, 85. 35 Ali Fuat Cebesoy, Sınıf Arkadaşım Atatürk Okul ve Genç Subaylık Hâtıraları (Istanbul: İnkılâp ve Aka, 1967), 7. 36 M. Tayyib Gökbilgin, Rumeli᾽de Yürükler, Tatarlar ve Evlâd-ı Fâtihan (Istanbul: Edebiyat Fakültesi Yayınları, 1957), 255–256. 37 Mehmet Zeki Pakalın, „Evlâd-ı Fatihân“, Osmanlı Tarih Deyimleri ve Terimleri Sözlüğü, Bd. 1 (Istanbul: Millî Eğitim Basımevi, 1983), 572. 38 „Subay ve Kumandan ile Konuşmalar“, in Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bd. 1, 1903–1915 (Istanbul: Kaynak Yayınları, 1998), 165. 39 Diese Formel taucht häufig in der zeitgenössischen Presse auf. Vgl. etwa „Londra᾽dan“, Mizan 27 (05.07.1897): 1. 40

Aydemir, Tek Adam, 1, 39.

2. Das Volk in Waffen: Vom Werdegang eines osmanischen Offiziers 1 Deutsch im Original (Anm. d. Übers.). 2 Mehmed Es῾ad, Mir᾽at-ı Mekteb-i Harbiye (Istanbul: Artin Asadoryan, 1310 [1892–93]), 166–167. 3 Ebd. 4 Şerafettin Turan, Kendine Özgü Bir Yaşam ve Kişilik Mustafa Kemal Atatürk (Istanbul: Bilgi Yayınevi, 2004), 44.

5 Mehmed Es῾ad, Mir᾽at-ı Mekteb-i Harbiye, 8–12. 6 Turan, Kendine Özgü Bir Yaşam, 46. 7 Ebd. 8 Colmar von der Goltz, Denkwürdigkeiten (Berlin: E. S. Mittler und Sohn, 1929), 112ff. 9 Colmar von der Goltz, Das Volk in Waffen. Ein Buch über Heerwesen und Kriegführung unserer Zeit (Berlin: R[udolf] von Decker, 1899 [11883]), 47. 10 A. a. O., 56–57. 11 A. a. O., 46. 12 Klaus Kreiser, Atatürk. Eine Biographie (München: C. H. Beck, 2008), 43. 13 [Colmar] von der Goltz, Millet-i Müsellaha Asrımızın Usûl ve Ahvâl-i Askeriyesi, übers. v. Mehmed Tahir (Istanbul: Matbaa-i Ebüzziya, 1301 [1886]). 14 Ali Fu᾽ad, „Ordu ve Millet“, Asker 1/1 (3. September 1908): 16. 15 Ali Fuat Cebesoy, Sınıf Arkadaşım Atatürk Okul ve Genç Subaylık Hâtıraları (Istanbul: İnkılâp ve Aka, 1967), 108, 114–117. 16 „Subay ve Kumandan ile Konuşmalar“, in Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bd. 1, 1903–1915 (Istanbul: Kaynak Yayınları, 1998), 169. 17 A.  a.  O., 163; und Afetinan [Âfet İnan], „Atatürk᾽ü Dinledim“, Belleten 14/56 (Oktober 1950): 508.

19 Hikmet Bayur, „İkinci Meşrutiyet Dönemi Üzerine Bazı Düşünceler“, Belleten 23/90 (April 1959): 269; Kreiser, Atatürk, 42. 20 Cebesoy, Sınıf Arkadaşım Atatürk, 12. 21 Siehe M. Şükrü Hanioğlu, The Young Turks in Opposition (New York: Oxford University Press, 1995), 23–28. 22 „Tasfiye-i Rüteb-i Askeriye Kanunu“, in Düstûr, II/1 (Istanbul: Matbaa-i Osmaniye, 1329 [1911]), 421–423. 23 [Hamdi Ertuna], 1911–1912 Osmanlı-İtalyan Harbi ve Kolağası Mustafa Kemal (Ankara: Kültür ve Turizm Bakanlığı Yayınları, 1985), 101ff. 24 „Subay ve Kumandan ile Konuşmalar“, in Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bd. 1, 162–165. 25 Rahmi Apak, Yetmişlik Bir Subayın Hatıraları (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1988), 80–81. 26 Ellis Ashmead Bartlett, With the Turks in Thrace (New York: G. H. Doran, 1913), 169. 27 A[ndrei] S[ergeevich] Avetian, Germaniskii imperialism na blizhnem vostoke kolonial᾽naia politika germanskogo imperializma i missia Limana fon Sandersa (Moskau: Mezhdunarodnye otnosheniia, 1966), 66ff. 28 Mustafa Aksakal, The Ottoman Road to War in 1914 The Ottoman Empire and the First World War (Cambridge: Cambridge University Press, 2008), 94. 29 Kendi Mektuplarında Enver Paşa, hg. v. M. Şükrü Hanioğlu (Istanbul: Der Yayınları, 1989), 174–175. 30 [İsmail] Hakkı Hafız, Bozgun (Istanbul: Matbaa-i Hayriye ve Şürekâsı, 1334 [1914]), 20–21, 51. 31 Catherine Rouvier, Les Idées politiques de Gustave Le Bon (Paris: Presses Universitaires de France, 1986), 255–257. 32 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 20, 279–294 und Bd. 7, 483–484. Mustafa Kemals persönliche Bibliothek enthielt zudem Le Bons Werke L’Évolution de la

Anmerkungen

18 Atatürk᾽ün Anıları „Büyük Gazimizin Büyük Hayatından Hatıralar“, hg. v. İsmet Görgülü (Ankara: Bilgi Yayınevi, 1997), 28–29.

239

matière (1905) und L’Évolution des forces (1912). Siehe Atatürk᾽ün Özel Kütüphanesinin Kataloğu Anıtkabir ve Çankaya Bölümleri (Ankara: Başbakanlık Kültür Müsteşarlığı, 1973), 43. 33 M. Kemal Atatürk᾽ün Karlsbad Hatıraları, hg. v. Ayşe Afetinan (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1983), 43. Diese Aussage erinnert stark (wenn auch mit einer entscheidenden Abweichung) an Le Bons Bemerkung „Le véritable progrès démocratique n’est pas d’abaisser l’élite au niveau de la foule, mais d’élever la foule vers l’élite“ [Der wahre demokratische Fortschritt besteht nicht darin, die Elite auf das Niveau der Masse herabzuziehen, sondern vielmehr darin, die Masse in Richtung der Elite zu erheben], die Mustafa Kemal in seiner türkischen Ausgabe von Le Bons Hier et Demain  unterstrichen hat. Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg.  v.  Recep Cengiz, Bd.  7, 484; Gustave Le Bon, Hier et Demain pensées brèves (Paris: Ernest Flammarion, 1918), 155. 34 Lord [Patrick] Kinross, Ataturk A Biography of Mustafa Kemal, Father of Modern Turkey (New York: William Morrow, 1978), 4. 35 Gustave Le Bon, Les Incertitudes de l’heure présente (Paris: Ernest Flammarion, 1923), 128. 36 Yusuf Hikmet Bayur, Atatürk: Hayatı ve Eseri, Bd. 1, Doğumundan Samsun᾽a Çıkışına Kadar (Ankara: Güven Basımevi, 1963), 43–46; Celâl Bayar, Ben de Yazdım Millî Mücadeleye Giriş, Bd. 2 (Istanbul: Baha Matbaası, 1966), 506–508.

Anmerkungen

37 Turan, Kendine Özgü Bir Yaşam, 91–93.

240

38 Mithat Sertoğlu, „Balkan Savaşı Sonlarında Edirne᾽nin Kurtarılması Hususunda Hemen Teşebbüse Geçilmesi İçin Atatürk᾽ün Harbiye Nezaretini Uyarışına Dair Bilinmeyen Bir Belge“, Belleten 32/128 (Oktober 1968), 467.

3. Kraft und Stoff: Der jungtürkische Kampf gegen den Islam 1 Hakkı Tarık Us, Meclis-i Mebusan, 1293 = 1877, Bd. 2 (Istanbul: Vakit Kütüphanesi, 1954), 407. 2

Deutsch im Original (Anm. d. Übers.).

3 Zu weiteren Details siehe Frederic Gregory, Scientific Materialism in Nineteenth Century Germany (Dordrecht: D. Reidel, 1977); und Dieter Wittich, Vogt, Moleschott, Büchner. Schriften zum kleinbürgerlichen Materialismus in Deutschland, 2 Bde. (Berlin: AkademieVerlag, 1971). 4 M. Şükrü Hanioğlu, „Blueprints for a Future Society: Late Ottoman Materialists on Science, Religion, and Art“, in Late Ottoman Society The Intellectual Legacy, hg.  v.  Elisabeth Özdalga (London: RoutledgeCurzon, 2005), 32, 90. 5

A. a. O , 86–89.

6 A[bdullah] Cevdet, „Herkes İçün Kimya“, Musavver Cihan 4 (23. September 1891): 30–3, und 34 (27. April 1892): 266–268. 7

Siehe beispielsweise Musavver Cihan 43 (30. August 1892): 344.

8 Mustafa Kemal las später eine französische Übersetzung von Drapers A History of the Intellectual Development of Europe. Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg.  v.  Recep Cengiz, Bd. 12 (Ankara: Anıtkabir Derneği Yayınları, 2001), 469–474. 9

Hanioğlu, „Blueprints“, 44–45.

10 Siehe Orhan Okay, Beşir Fuad İlk Türk Pozitivist ve Natüralisti (Istanbul: Dergâh Yayınları, 2008), 68–71. 11 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 8, 439–440; Kraft und Stoff oder Grundzüge der natürlichen Weltordnung, 16. Aufl. (Leipzig: Theodor Thomas, 1888),

267–269. Mustafa Kemals persönliche Bibliothek enthielt ein Exemplar der französischen Übersetzung von Kraft und Stoff. Siehe Atatürk᾽ün Özel Kütüphanesinin Kataloğu Anıtkabir ve Çankaya Bölümleri (Ankara: Başbakanlık Kültür Müsteşarlığı, 1973), 41. 12 Die Rede ist von Der Mensch und seine Stellung in der Natur in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, oder Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir? Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 22, 125–224. Mustafa Kemal hat wiederum die französische Übersetzung gelesen: L’Homme selon la science son passé, son présent, son avenir ou, d’où venons-nous? Qui sommes-nous? Où allons-nous? Exposé très simple suivi d’un grand nombre d’éclaircissements et remarques scientifiques (Paris: C. Reinwald, 1885). 13 Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 8, 396–407; sowie [Paul-Henri Dietrich d’Holbach], Le Bon sens du curé Meslier, suivi de son testament (Paris: Au Palais des Thermes de Julien, 1802), 175, 178, 181–183, 287–289, 291, 300–302. 14 Ruşen Eşref Ünaydın, Atatürk Tarih ve Dil Kurumları Hâtıralar; VII. Türk Dil Kurultayında Söylenmiştir (Ankara: T.D.K., 1954), 53; H. G. Wells, The Outline of History Being a Plain History of Life and Mankind, Bd. 1 (New York: Review of Reviews, 1924), 23ff. Mustafa Kemal hat auch die französische Übersetzung von Ernst Haeckels Ewigkeit. Weltkriegsgedanken über Leben und Tod, Religion und Entwicklungslehre gelesen. Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 20, 263–277.

16 „Samsun Öğretmenleriyle Konuşma, 22.XI.1924“, a. a. O., 197. 17 [Halide Edib], The Turkish Ordeal Being the Further Memoirs of Halidé Edib (New York: Century, 1928), 170. 18 „Subay ve Kumandan ile Konuşmalar“, in Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bd. 1, 1903–1915 (Istanbul: Kaynak Yayınları, 1998), 168. 19 Ebd. 20 Şerafettin Turan, Atatürk᾽ün Düşünce Yapısını Etkileyen Olaylar, Düşünürler, Kitaplar (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1982), 23. 21 Mustafa Kemal hat die französische Übersetzung von Carlyles On Heroes, Hero-worship and the Heroic in History gründlich gelesen; die Charakterisierung Muḥammads fand er überzeugend. Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 23, 149ff; Les Héros, le culte des héros et l’héroïque dans l’histoire, übers. v. J.-B.-J. Izoulet-Loubatières (Paris, o. J. [1916]), 71ff. 22 Es ist überaus bemerkenswert, dass Mustafa Kemal bei seiner augenscheinlich begeisterten Lektüre einer französischen Übersetzung von Dozys Studie Het Islamisme genau jene Passagen angestrichen hat, die sich eingehender mit der zitierten These auseinandersetzen. Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 19, 84–88; Essai sur l’histoire de l’Islamisme, übers. v. Victor Chauvin (Paris: Maisonneuve, 1879), 22ff. 23 M. Şükrü Hanioğlu, Bir Siyasal Düşünür Olarak Doktor Abdullah Cevdet ve Dönemi (Istanbul: Üçdal Neşriyat, 1981), 325ff. 24 Sulaymān Musā, Al-Ḥusayn ibn Alī wa᾽l-thawra al- Arabīya al-kubrā (Amman: Lajnat Tārīkh al-Urdunn, 1992), 134. 25 M. Şükrü Hanioğlu, „Garbcılar: Their Attitudes toward Religion and Their Impact on the Official Ideology of the Turkish Republic“, Studia Islamica 86/2 (August 1997): 147. Eine detaillierte Darstellung dieses Treffens findet sich bei Abdullah Cevdet, „Gazi Paşa᾽nın Köşkünde“, İctihad 194 (15. Dezember 1925): 3813–3816. 26 Ibrahim Temo, Atatürkü N᾽için Severim? (Medgidia: o. V., 1937), 8.

Anmerkungen

15 Siehe beispielsweise „Tarsus᾽da Gençlerle Konuşma, 21 III.1923“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 2, 1906–1938, hg. v. Nimet Unan (Ankara: Türk İnkılâp Tarihi Enstitüsü Yayımları, 1952), 133.

241

27 Abdullah Cevdet, „Şehzâde Mecid Efendi Hazretleri᾽yle Mülâkat“, İctihad 57 (20. März 1913): 1257. 28 Bryan S. Turner, „Islam, Capitalism and the Weber Theses“, British Journal of Sociology 25/2 (Juni 1974): 241. Siehe auch Felicitas Opwis, „Changes in Modern Islamic Theory: Reform or Reformation?“ in An Islamic Reformation?, hg. v. Michaelle Browers und Charles Kurzman (Lanham, Md.: Lexington Books, 2004), 39ff. 29 Şeyh ῾Ubayd Allāh [al]-Afghānī, Kavm-i Cedîd Kitabü᾽l-Mevâiz (Istanbul: Şems Matbaası, 1331 [1913]), 5–6. 30 „Türkiye᾽de Cumhuriyet ve Şarklılık, Garplılık Meselesi, 27. IX.1923“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 3, 1918–1937, hg. v. Nimet Unan (Ankara: Türk İnkilâp Tarihi Enstitüsü Yayımları, 1954), 64. 31 Celâl Nuri, „Şime-i Husumet“, İctihad 88 (22. Januar 1914): 1949–1951. 32 Abdullah Cevdet, „Şime-i Muhabbet“, İctihad 89 (29. Januar 1914): 1979–1984. 33 „Mu῾aşeret Edeblerinden“, Yirminci Asırda Zekâ 1 (18. März 1912): 13ff. 34 Keçecizâde İzzet Fu᾽ad, „Meclis-i Meb῾usan Re᾽isi Ahmed Rıza Beyefendi᾽ye“, İştihad 132 (28. November 1918): 2827. 35 Abdullah Cevdet, „Yara ve Tuz“, İştihad 132: 2826. 36 A[bdullah] C[evdet], „[Cevab]“, İctihad 96 (19. März 1914): 2827. 37 „İnebolu᾽da Bir Konuşma, 28. VIII. 1925“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 2, 214.

Anmerkungen

38 [Kılıçzâde Hakkı], „Pek Uyanık Bir Uyku“, İctihad 55 (6. März 1913): 1226–1228, und 57 (20. März 1913): 1261–1264.

242

39 Siehe beispielhaft „Şecaât Nedir?“, Türk 163 (23. Mai 1907): 2. 40 [Şerafeddin Mağmumî], „Düşündüm ki“, Türk 7 (17. Dezember 1903): 1; „Da῾wā al-khilāfa: ta῾rīb maqālat nushirat fī jarīdat (Turk) al-gharrā᾽“, al-Manār 6/24 (3. März 1904): 954–958. 41 Ziya Gökalp, „Türk᾽e Göre Din“, İslâm Mecmuası 2/22 (25. Februar [1915]): 552. 42 Mansurizâde Sa῾id, „İslâm Kadını: Ta῾addüd-i Zevcât İslâmiyetde Men῾ Olunabilir“, İslâm Mecmuası 1/8 (1914): 233–238. 43 Cavit Orhan Tütengil, „Atatürk ve Ziya Gökalp Bağlantıları“, Türk Dili 27/302 (1. November 1976): 579–584. 44 Düstûr, II/9 (Istanbul: Evkaf Matbaası, 1928), 762–781. 45 Ruşenî [Barkın], Din Yok Milliyet Var Benim Dinim, Benim Türklüğümdür. 46 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 8, 466. 47 M. Şükrü Hanioğlu, Preparation for a Revolution The Young Turks, 1902–1908 (New York: Oxford University Press, 2001), 341. 48 A. a. O., 211. 49 A. a. O., 211–212. 50 Tevfik Sedad [Ziya Gökalp], „Turan“, Genc Kalemler 6 (März 1911): 167. 51 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 12, 475–484. 52 Fethi Tevetoğlu, Ömer Naci (Ankara: Kültür ve Turizm Bakanlığı Yayınları, 1987), 33. 53 Faik Reşit Unat, „Ne Mutlu, Türküm Diyene!“, Türk Dili 13/146 (November 1963): 77. 54 Mehmed Emin, Türkçe Şiirler (Istanbul: Matbaa-i Ahmed İhsan ve Şürekâsı, 1334 [1916]), 41–42. Mustafa Kemal las diese Gedichtsammlung in ihrem Erscheinungsjahr 1916. Siehe Atatürk᾽ün Hatıra Defteri, hg. v. Şükrü Tezer (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1972), 86. 55 Atatürk᾽ün Not Defterleri, Bd. 2, Harp Akademisi Öğrencisi Mustafa Kemal᾽in Not Defteri (Ankara: Genelkurmay ATASE Yayınları, 2004), 26ff.

56 Ali Fuat Cebesoy, Sınıf Arkadaşım Atatürk Okul ve Genç Subaylık Hâtıraları (Istanbul: İnkılâp ve Aka, 1967), 99–100; Unat, „Ne Mutlu, Türküm Diyene!“, 77–78. 57 Afet İnan, „Atatürk ve Tarih Tezi“, Belleten 3/10 (1. April 1939): 244. 58 Carlton J. H. Hayes, A Generation of Materialism, 1871–1900 (New York: Harper, 1941)

4. Von Kriegen zum Weltkrieg: Ein Held betritt die Bühne 1 „Madam Corinne᾽e Mektup, Sofia, 12. Januar 1914“, in Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bd. 1, 1903–1915 (Istanbul: Kaynak Yayınları, 1998), 179. 2

von der Goltz, Das Volk in Waffen, 240.

3 „Subay ve Kumandan ile Konuşmalar“, in Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bd. 1, 169. 4

Ebd.

5 Ruşen Eşref [Ünaydın], Anafartalar Kumandanı Mustafa Kemal ile Mülâkat (Istanbul: Hamit Matbaası, 1930), 30–31. 6 Siehe Mustafa Kemals Berichte in Sofya Askerî Ataşesi Mustafa Kemal᾽in Raporları, Kasım 1913–Kasım 1914, hg. v. Ahmet Tetik (Ankara: ATASE Yayınları, 2007), 403ff.

8 Yavuz Özdemir, Bir Savaşın Bilinmeyen Öyküsü Sarıkamış Harekâtı (Erzurum: Erzurum Kalkınma Vakfı Yayınları, 2003), 47–51, 71ff; N[ikolai], G[eorgievich] Korsun, Kavkazskii front Pervoi mirovoi voiny (Moskau: Izdatel᾽stvo Tranzitkniga, 2004), 7–432. 9 Zu den Hintergründen siehe Dardanelles Commission, First Report, Cd. 8490 (London: HM Stationery Office, 1917), 15ff. 10 E. Keble Chatterton, Dardanelles Dilemma The Story of the Naval Operations (London: Rich and Cowan, 1935), 114. 11 Military Operations Gallipoli, Bd. 1, Inception of the Campaign to May 1915, hg. v. C. F. Aspinall-Oglander (London: William Heinemann, 1929), 28. 12 „The Prime Minister“, Times, 10. November 1914. 13 Victor Rudenno, Gallipoli Attack from the Sea (New Haven, Conn.: Yale University Press, 2008), 47–56. 14 Military Operations Gallipoli, Bd. 1, 98–100. 15 A. a. O., 162ff. 16 [Mustafa Kemal], Arıburnu Muharebeleri Raporu, hg. v. Uluğ İğdemir (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1968), 22ff. 17 [Mustafa Kemal], Anafartalar Muharebatı’na Ait Tarihçe, hg. v. Uluğ İğdemir (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1962), 31ff. 18 Harb Mecmuası 1/11 (Juli 1332 [1916]): 162. 19 Pertev Demirhan, Generalfeldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz. Das Lebensbild eines großen Soldaten. Aus meinen persönlichen Erinnerungen ([Göttingen]: Göttinger Verlagsanstalt, 1960), 232. 20 „Başkumandan Vekili Enver Paşa᾽ya Mektup, 3. Mai 1915“, in Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bd. 1, 218. 21 Ebd. 22 Şerafettin Turan, Kendine Özgü Bir Yaşam ve Kişilik Mustafa Kemal Atatürk (Istanbul: Bilgi Yayınevi, 2004), 139. 23 A. a. O., 132.

Anmerkungen

7 Salih Bozok und Cemil S. Bozok, Hep Atatürk᾽ün Yanında Baba Oğul Bozok᾽lardan Anılar (Istanbul: Çağdaş Yayınları, 1985), 175.

243

24 „Anafartalar Grubu Kumandanı Miralay Mustafa Kemal Bey“, Harb Mecmuası 1/2 (Dezember 1331 [1915]): 22. Zusätzlich zu diesem Foto taucht Mustafa Kemal – ohne Namensnennung – auch in einer anderen Aufnahme auf, die ihn bei der Ehrung gefallener osmanischer Soldaten zeigt. Siehe „Çanak Kal῾a᾽da Kireç Tepe᾽de“,Harb Mecmuası, 1/4 (Januar 1331 [1916]): [49]. 25 Atatürk᾽ün Anıları „Büyük Gazimizin Büyük Hayatından Hatıralar“, hg. v. İsmet Görgülü (Ankara: Bilgi Yayınevi, 1997), 32. 26 A. a. O., 32–39. 27 A. a. O., 40–43, 168. 28 Turan, Kendine Özgü Bir Yaşam, 142. 29 Hikmet Bayur, „Mustafa Kemal᾽in Falkenhayn᾽la Çatışmasiyle İlgili Henüz Yayınlanmamış Bir Raporu“, Belleten 20/80 (Oktober 1956): 619–632. 30 „Rapor, 20. September 1917“, in Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bd. 2, 1915–1919 (Istanbul: Kaynak Yayınları, 1999), 120–125. 31 Atatürk᾽ün Anıları „Büyük Gazimizin Büyük Hayatından Hatıralar“, 74, 81–82, 94. 32 A. a. O., 96. 33 Hikmet Bayur, „Mustafa Kemal᾽in Üç Mektubu“, Belleten 24/93 (Januar 1960): 136–137.

Anmerkungen

34 Eine aufschlussreiche Analyse dieses Militärunternehmens findet sich bei Gregory A. Daddis, „Armageddon’s Lost Lessons: Combined Arms Operations in Allenby’s Palestine Campaign“, Air Command and Staff College Wright Flyer Paper 20 (Februar 2005), 1–2, 21–25.

244

35 A Brief Record of the Advance of the Egyptian Expeditionary Force under the Command of General Sir Edmund H. H. Allenby, G.C.B., G.C.M.G., July 1917 to October 1918 (London: His Majesty’s Stationary Office, 1919), 25–36. 36 A  tatürk ile İlgili Arşiv Belgeleri (Ankara: Başbakanlık Osmanlı Arşivi Daire Başkanlığı, 1982), 20, 119. 37 Süleyman Hatipoğlu, Filistin Cephesi᾽nden Adana᾽ya Mustafa Kemal Paşa (Istanbul: Yeditepe, 2009), 36–47. 38 Atatürk᾽ün Anıları „Büyük Gazimizin Büyük Hayatından Hatıralar“, 122–123. 39 Ruşen Eşref [Ünaydın], Anafartalar Kumandanı Mustafa Kemal ile Mülâkat (Istanbul: Hamit Matbaası, 1930), 26. 40 A. a. O., 48. 41 Erik Jan Zürcher, „Atatürk as a Young Turk“, New Perspectives on Turkey 22/41 (2009), 223–225. 42 Hikmet Bayur, „1918 Bırakışmasından Az Önce Muş[s]tafa Kemal Paşa᾽nın Başyaver Naci Bey Yulo [Yolu] ile Padişaha Bir Başvurması“, Belleten 21/84 (Oktober 1957): 563–565.

5. Islamischer Kommunismus? Der Türkische Befreiungskrieg 1 „Turquie: Convention d’armistice 30 Octobre 1918“, Guerre Européenne Documents 1918 Conventions d’armistice passées avec la Turquie, la Bulgarie, l’Autriche-Hongrie et l’Allemagne par les puissances Alliées et associées (Paris: Ministère des Affaires Étrangères, 1919), 7–9. 2 [İsmet İnönü], İsmet İnönü Lozan Barış Konferansı Konuşma, Demeç, Makale, Mesaj, Anı ve Söyleşileri, hg. v. İlhan Turan (Ankara: Atatürk Araştırma Merkezi, 2003), 19–20. 3 Harry N. Howard, The Partition of Turkey A Diplomatic History, 1913–1923 (Norman: Oklahoma University Press, 1931), 236–237.

4

The Ottoman Dominion (London: T. Fisher Unwin, 1917), 3.

5 Tarık Zafer Tunaya, Türkiye᾽de Siyasal Partiler, Bd.  2, Mütareke Dönemi, 1918–1922 (Istanbul: Hürriyet Vakfı Yayınları, 1986), 245–248. 6

Nutuk Gazi Mustafa Kemal Tarafından (Ankara: o. V., 1927), 57.

7 William C. Widenor, Henry Cabot Lodge and the Search for an American Foreign Policy (Berkeley und Los Angeles: University of California Press, 1980), 300ff. 8 W[illiam] E[wart] Gladstone, Bulgarian Horrors and the Question of the East (London: John Murray, 1876), 61–62. 9 John Grigg, Lloyd George From Peace to War, 1912–1916 (Berkeley und Los Angeles: University of California Press, 1985), 132. 10 David Lloyd George, War Memoirs of David Lloyd George, Bd. 4, 1917 (Boston: Little, Brown, 1934), 42–43. 11 David Lloyd George, Through Terror to Triumph Speeches and Pronouncements of the Right Hon. David Lloyd George, M.P., since the Beginning of the War, hg. v. F. L. Stevenson (London: Hodder and Stoughton, 1915), 55. 12 Siehe Procès contre le Mechveret et la Jeune Turquie (Paris: Librairie Marescq Ainé, 1897), 25ff. 13 İsmail Ramiz, „Ahmed Rıza Beyle Mülâkat“, Vakit (16. September 1922). 14 Howard, The Partition of Turkey, 237. 16 Atatürk᾽ün Anıları „Büyük Gazimizin Büyük Hayatından Hatıralar“, hg. v. İsmet Görgülü (Ankara: Bilgi Yayınevi 1997), 137–155. 17 „Mustafa Kemal Paşa ile Mülâkat“, in Mustafa Kemal Atatürk᾽ün İlk Gazetesi Minber Açıklamalı Çevirisi, hg. v. Erol Kaya (Istanbul: Ebabil Yayınları, 2007), 334. 18 „Meclis-i Meb῾usanın Feshi Hakkında İrade-i Seniyye, 21. Dezember 1918 / No. 3425“, in Düstûr, II/11 (Istanbul: Evkaf Matbaası, 1928), 72. 19 Siehe Mustafa Kemal Atatürk᾽ün İlk Gazetesi Minber Açıklamalı Çevirisi. 20 Atatürk᾽ün Anıları „Büyük Gazimizin Büyük Hayatından Hatıralar“, 187. 21 Eine detaillierte Darstellung der Problematik findet sich bei Bülent Tanör, Türkiye᾽de Kongre İktidarları, 1918–1920 (Istanbul: Yapı ve Kredi Bankası Yayınları, 1998), 105ff. 22 Erik Jan Zürcher, „The Vocabulary of Muslim Nationalism“, International Journal of the Sociology of Science 137 (1999): 81–92. 23 Atatürk ile İlgili Arşiv Belgeleri (Ankara: Başbakanlık Osmanlı Arşivi Daire Başkanlığı, 1982), 22–25. 24 A. a. O., 26–32, 34–40; sowie Nutuk, 28. 25 Atatürk ile İlgili Arşiv Belgeleri, 51–52. 26 M. Şükrü Hanioğlu, Preparation for a Revolution The Young Turks, 1902–1908 (New York: Oxford University Press, 2001), 109–114. 27 „Erzurum Kongresinin Tutanak ve Kararları“, hg. v. Hayri Mutluçağ, Belgelerle Türk Tarihi Dergisi 11/61 (Oktober 1972): 6–8. 28 Nutuk, 75ff. 29 Sivas Kongresi Tutanakları, hg. v. Uluğ İğdemir (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1969), 101–102. 30 Faik Reşit Unat, „Anadolu ve Rumeli Müdafaai Hukuk Cemiyetinin Kuruluşuna Ait Vesikalar: Umumî Kongre Beyannâmesidir“, Tarih Vesikaları 1/1 (Juni 1941): 7–8. 31 Nutuk, 82–85.

Anmerkungen

15 A. a. O., 235–236.

245

32 A. a. O., 145–149. 33 Winston S. Churchill, The World Crisis, 1918–1928 The Aftermath (New York: Charles Scribner’s Sons, 1929), 397. 34 „Kendisinin ve Rauf Beyin İstanbul᾽a Gitmiyeceklerine Dair, 7.I.1920“, in Atatürk᾽ün Tamim Telgraf ve Beyannameleri, Bd. 4, 1917–1938, hg. v. Nimet Arsan (Ankara: Türk İnkılâp Tarihi Enstitüsü Yayınları, 1964), 149–150. 35 „Rusya ile Mün῾akid 16 Mart 1337 Tarihli Muhadenet Mu῾ahedenâmesi ve Bunu Musaddık Kanun“ (Gesetz No. 141 vom 21. Juli 1921), in Türkiye Cumhuriyeti Sicill-i Kavânini, hg. v. Karakoç Sarkiz, Bd. 1 (Istanbul: Cihan Matbaası, 1926), 73–78. 36 Kâzım Karabekir, İstiklâl Harbimiz (Istanbul: Merk Yayıncılık, 1988), 426–427. 37 Nutuk, 365. 38 „Meclis-i Meb῾usanın Feshi Hakkında İrade-i Seniyye, 13. April 1920 / No. 3826“, in Düstûr, II/12 (Istanbul: Evkaf Matbaası, 1927), 38–39. 39 Karabekir, İstiklâl Harbimiz, 426–427. 40 Nach der Übertragung von Hartmut und Katharina Bobzin (München: C. H. Beck, 2010) (Anm. d. Übers.). 41 „Men῾-i Müskirât Kanunu“ (Gesetz No. 22 vom 14. September 1920), in Karakoç, ed., Sicill-i Kavânin, Bd. 1, 12–13.

Anmerkungen

42 „Büyük Millet Meclisinin Bütün İslâm Âlemine Beyannamesi, 9.V.1920“, in Atatürk᾽ün Tamim Telgraf ve Beyannameleri, Bd. 4, 323–326.

246

43 Karabekir, İstiklâl Harbimiz, 607–609; Klaus Kreiser, Atatürk. Eine Biographie (München: C. H. Beck, 2008), 153–155. 44 Koranzitat nach der Übertragung von Hartmut und Katharina Bobzin (2010) (Anm. d. Übers.). „B.M.M. Şeriye Encümeni Tarafından Hazırlanan ve Mecliste Kabul Edilen İslâm Alemine Beyanname, 9.V.1920“, in Atatürk᾽ün Tamim Telgraf ve Beyannameleri, Bd. 4, 322. 45 Siehe M. Naem̆ Q̆ureshi, Pan-Islam in British Indian Politics A Study of the Khilafat Movement, 1918–1924 (Leiden: Brill, 1999), 439–442. 46 A. a. O., 246–248; Alptekin Müderrisoğlu, Kurtuluş Savaşının Malî Kaynakları (Ankara: Atatürk Kültür, Dil ve Tarih Yüksek Kurumu, 1990), 558ff. 47 „Türk Milletini Teşkil Eden Müslüman Öğeler Hakkında, May 1, 1920“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 1, T.B.M. Meclisinde ve C.H.P. Kurultaylarında, 1919–1938 (Istanbul: Türk İnkılâp Tarihi Enstitüsü Yayımları, 1945), 70–71. 48 Detailliertere Darstellungen Mirsäyet Soltanğälievs finden sich bei Alexandre Bennigsen und Chantal Lemercier-Quelquejay, Sultan Galiev, le père de la révolution tiers-mondiste les inconnus d’histoire (Paris: Fayard, 1986), 129 ff; und A[rtur] V[ladimirovitch] Sagadaev, Mirsait Sultan-Galiev i ideologinatsional᾽no-osvoboditel᾽nogo dvizheniiaa Nauchnoanaliticheskii obzor (Moskau: Akademiia nauk, 1990), 33ff. 49 „RSFSC Dışişleri Halk Komiseri Çiçerin᾽e, 22. Oktober 1920“, in Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bd. 10, 1920–1921 (Istanbul: Kaynak Yayınları, 2003), 64. 50 „Erzurum Milletvekili Durak ve Arkadaşlarının, Şark Cephesi Kuvvetlerinin Mütecavizlere Karşı Mukabele Etmemeleri Sebeplerinin Bildirilmesi Hakkındaki Sual Takriri Üzerine, 14. August 1920“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 1, 92. 51 Tarık Zafer Tunaya, Devrim Hareketleri İçinde Atatürk ve Atatürkçülük (Istanbul: Turhan Kitabevi, 1981), 95–97. 52 Mehmet Perinçek, Atatürk᾽ün Sovyetler᾽le Görüşmeleri (Istanbul: Kaynak Yayınları, 2005), 272. 53 A. a. O., 274, 277, 299–301.

Sovyet Arşiv Belgeleriyle

54 „İki Komünizm“, in Kurtuluş Savaşı᾽nın İdeolojisi Hakimiyeti Milliye Yazıları, hg. v. Hadiye Bolluk (Istanbul: Kaynak Yayınları, 2003), 90–91. 55 Congress of the Peoples of the East, Baku, September 1920 Stenographic Report, übers. v. Brian Pearce (London: New Park, 1977), 82. 56 Mete Tunçay, Türkiye᾽de Sol Akımlar I, Bd. 1, 1908–1925 (Istanbul: BDS Yayınları, 1991), 100. 57 A. a. O., 102. 58 A. a. O., 92–94. 59 Mehmet Perinçek, Atatürk᾽ün Sovyetler᾽le Görüşmeleri, 273. 60 Tunçay, Türkiye᾽de Sol Akımlar I, Bd. 1, 104–105. 61 A. a. O., 94. 62 Weitere Details bietet Taha Akyol, Ama Hangi Atatürk (Istanbul: Doğan Yayıncılık, 2008), 214–298. 63 Siehe Taha Akyol, Atatürk’ün İhtilal Hukuku (Istanbul: Doğan Kitap, 2012), 225–226. 65 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg.  v.  Recep Cengiz, Bd.  7 (Ankara: Anıtkabir Derneği Yayınları, 2001), 313, 320; J[ean]-J[acques] Rousseau, Du Contrat social ou principes du droit politique (Amsterdam: Mark Michel Rey, 1762), 31ff, 137. (Die deutschen Zitate folgen der Ausgabe Jean-Jacques Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, übers. und hg. v. Hans Brockard und Eva Pietzcker (Stuttgart: Reclam, 2003 [1977]), 27–30, 39–42, 110. [Anm d. Übers.]) Siehe auch Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, Bd. 8, hg. v. Recep Cengiz, 262ff; Babanzâde İsmail Hakkı, Hukuk-i Esasiyye (Istanbul: Müşterekü᾽l-Menfa῾a Osmanlı Matbaası, 1329 [1911]), 274ff. 66 Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 40; Rousseau, Du Contrat social ou principes du droit politique, 49. Zu Mustafa Kemals Rezeption dieser Stelle, siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, Bd. 7, hg. v. Recep Cengiz, 288. 67 Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bd. 9, 1920 (Istanbul: Kaynak Yayınları, 2002), 323–327. 68 Siehe Gustave Le Bon, La Révolution française et la psychologie des révolutions (Paris: E. Flammarion, 1912), passim. Wie Le Bon kommentiert: „Quoique l’expérience de la Révolution ait été catégorique, beaucoup d’esprits, hallucinés par leurs rêves, souhaitent de la recommencer“ [Obgleich die Erfahrung der Revolution eine einschneidende gewesen war, wünschten viele kluge Köpfe, von ihren Träumen benebelt, erneut eine Revolution zu beginnen.] (321). 69 Siehe M[ark] V[en’iaminovich] Vishniak, Vserossiiskoe uchreditel’noe sobranie (Paris: Sovremennyia zapiski, 1932). 70 Gazi Mustafa Kemal Paşa Hazretleri᾽nin Bir Hitabesi Halkçılık, Halk Hükûmeti, Hakimiyet Bilâ Kayd ü Şart Milletindir (Ankara: Hakimiyet-i Milliye Matbaası, 1338 [1922]), 40. 71 „Faik Reşit Unat, „Atatürk᾽ün Toplamak İstediği ‚Meclisi Müessisanʻ“, Belleten 21/83 (Juli 1957): 483–487. 72 Nutuk, 366. 73 Hanioğlu, Preparation for a Revolution, 195. 74 „Teşkilât-ı Esasiye Kanunu“ (Gesetz No. 85 vom 20. Januar 1921), in Karakoç, ed., Sicill-i Kavânin, Bd. 1, 39–41. 75 Deutsche Übersetzung nach Klaus Kreiser und Christoph K. Neumann, Kleine Geschichte der Türkei (Stuttgart: Reclam, 2003), 384 (Anm. d. Übers.). 76 „İstiklâl Mahkemeleri Hakkında Kanun“ (Gesetz No. 21 vom 11. September 1920), a. a. O.,

Anmerkungen

64 Mete Tunçay, „Atatürk᾽e Nasıl Bakmak“, Toplum ve Bilim I/4 (1977): 90–91.

247

11–12; und „İstiklâl Mehâkimi Kanunu“ (Gesetz No. 249 vom 31. Juli 1921), a. a. O., 139– 142. 77 Siehe T.B.M.M. Gizli Celse Zabıtları, Bd. 2, 17 Mart 1337 (1921) – 25 Şubat 1337 (1922) (Ankara: T. İş Bankası Kültür Yayınları, 1985), 164–185. 78 Nutuk, 369–370. 79 İhsan Güneş, Türkiye Büyük Millet Meclisi᾽nin Düşünsel Yapısı, 1920–1923 (Eskişehir: Anadolu Üniversitesi Yayınları, 1985), 116–135. 80 Nutuk, 370. 81 Ahmet Demirel, Birinci Meclis᾽te Muhalefet İkinci Grup (Istanbul: İletişim Yayınları, 1995), 381–391. 82 A. a. O , 379ff. 83 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg.  v.  Recep Cengiz, Bd.  6, 43; Erich Ludendorff, Kriegführung und Politik (Berlin: E. S. Mittler und Sohn, 1922), 58. 84 Siehe beispielsweise Mustafa Kemals Schreiben an Stalin vom 14. Dezember 1920 sowie seinen Brief an den „Genossen Lenin“ vom 18. Dezember 1920, abgedruckt in Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bd. 10, 160, 171. 85 „Rusya ile Mün῾akid 16 Mart 1337 Tarihli Muhadenet Mu῾ahedenâmesi ve Bunu Musaddık Kanun“, in Karakoç, ed., Sicill-i Kavânin, Bd. 1, 73–78.

Anmerkungen

86 „M. V. Frunze’s Mission to Turkey“, International Affairs 6/7 (Juli 1960): 119–122.

248

87 „Afganistanla Mün῾akid 1 Mart 1337 Tarihli İttifak-ı Tedafüî Mu῾ahedenâmesi ve Bunu Musaddık Kanun“ (Gesetz No. 140 vom 21. Juli 1921), in Karakoç, ed., Sicill-i Kavânin, Bd. 1, 72–73. 88 Nutuk, 384. 89 „Türk-Fransız Anlaşması“, in Tarihçeleri ve Açıklamaları ile Birlikte Türkiye᾽nin Siyasal Andlaşmaları, Bd. 1, 1920–1945, hg. v. İsmail Soysal (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1983), 50–60. 90 Nevile Henderson, Water under the Bridges (London: Hodder & Stoughton, 1945), 109. 91 Mevlüt Çelebi, Milli Mücadele Döneminde Türk-İtalyan İlişkileri (Ankara: Dışişleri Bakanlığı, SAM, 1999), 227–238. 92 A. a. O., 311–318. 93 „Sivas Kongresi Kararları ve Bir Amerikan Tetkik Heyetinin Gönderilmesi Hakkında, 9.IX.1919“, in Atatürk᾽ün Tamim, Telgraf ve Beyannameleri, Bd. 4, 57. 94 Desmond Stewart, The Middle East Temple of Janus (Garden City, N. Y.: Doubleday, 1971), 230. 95 Churchill, The World Crisis, 1918–1928 The Aftermath, 415. 96 Hanioğlu, Preparation for a Revolution, 226–227. 97 Afet [Âfet İnan], „Gerilla Hakkında İki Hatıra“, Belleten 1/1 (1. Januar 1937): 11. 98 Nutuk, 318–341. 99 T.B.M.M. Gizli Celse Zabıtları, Bd. 2, 164–185. 100 „Büyük Millet Meclisi Re᾽isi Başkumandan Mustafa Kemal Paşa Hazretleri᾽ne Gazilik Ûnvânı İta῾ ve Rütbe-i Müşirî Tevcihine Dair Kanun“ (Gesetz No. 153 vom 19. September 1921), in Türkiye Büyük Millet Meclisi Kavânin Mecmuası, Bd. 1 (Ankara: Büyük Millet Meclisi Matbaası, 1925), 179. 101 Churchill, The World Crisis, 1918–1928 The Aftermath, 435. 102 Siehe David Walder, The Chanak Affair (London: Hutchinson, 1969), 187ff; sowie Charles Harington, Tim Harington Looks Back (London: John Murray, 1940), 112–117, 150ff.

6. Die säkulare Republik 1 Resolutions of the All India Muslim League from October 1937 to December 1938, hg. v. Liaquat Ali Khan (Delhi: Muslim League Printing Press, o. J. [1944]), 65. 2 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 3, 132–490; Bd. 4, 1–422 (Ankara: Anıtkabir Derneği Yayınları, 2001). Die Übersetzung von Caetanis mehrbändiger Studie über den Islam traf auf harsche Kritik aus konservativen Kreisen. Eine detaillierte Widerlegung von Caetanis Thesen bietet etwa M. Âsım Köksal, Müsteşrık Caetani᾽nin Yazdığı İslâm Tarihi᾽ndeki İsnad ve İftiralara Reddiye (Ankara: Balkanoğlu Matbaacılık, 1961). Das staatliche türkische Präsidium für Religionsangelegenheiten hat diese Widerlegung 1986 neu herausgegeben. 3 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 3, 210ff ; Leone Caetani, Annali dell’Islām, Bd. 1, Introduzione dell’anno 1. al 6. H. (Mailand: Ulrico Hoepli, 1905), 202– 208. Siehe auch Mustafa Kemals eigene Anmerkungen in Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bd. 24, 1930–1931 (Istanbul: Kaynak Yayınları, 2008), 198, sowie eine maschinenschriftliche Notiz in seiner persönlichen Bibliothek. Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 9, 58–62; Caetani, Annali dell’Islām, Bd. 1, 198ff. 4 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 3, 204ff.; Caetani, Annali dell’Islām, Bd. 1, 200–203. Siehe auch Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar Özel İşaretleri, Uyarıları ve Düştüğü Notlar İle, hg. v. D. Gürbüz Tüfekçi (Ankara: Türkiye İş Bankası Kültür Yayınları, 1983), 341; Caetani, Annali dell’Islām, Bd. 1, 218.

6 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg.  v.  Recep Cengiz, Bd.  3, 291–293; Caetani, Annali dell’Islām, Bd. 1, 390–391. 7 Siehe Mustafa Kemals Notizen aus dem Jahr 1930 in Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bd. 24, 60– 65; Tarih II Ortazamanlar (Istanbul: Devlet Matbaası, 1931), 79ff. Mustafa Kemals Exzerpt fasst verschiedene Abschnitte aus dem ersten Band von Caetanis Hauptwerk zusammen und diente später als Vorlage für die im Lehrbuch enthaltene Darstellung des Islam. 8 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 3, 291ff.; Caetani, Annali dell’Islām, Bd. 1, 391. 9

Tarih II Ortazamanlar, 143.

10 Âfetinan [Ayşe Âfet İnan], Medenî Bilgiler ve M. Kemal Atatürk᾽ün El Yazıları (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1969), 364–366. In einem persönlichen Brief vom 16./17. August 1931 formulierte Mustafa Kemal eine sogar noch radikalere Sicht auf den Islam; siehe Atilla Oral, Atatürk’ün Sansürlenen Mektubu (Istanbul: Demkar Yayınevi, 2011), 67–68. 11 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Gürbüz Tüfekçi, 246; Babanzâde İsmail Hakkı, Hukuk-i Esasiyye, 133. 12 Afet [Âfet İnan], Vatandaş İçin Medenî Bilgiler, Bd. 1 (Istanbul: Devlet Matbaası, 1931), 41–42. Nachdem Mustafa Kemal die folgenden Verse Voltaires gelesen hatte: „La mort du fils des rois suffit à ma vengeance / Étouffons dans son sang la fatale semence“ [Der Königssöhne Tod ist meine schönste Rache; / erstickt die schlimme Brut in ihres Blutes Lache!], kommentierte er dies mit „Das Volk wird den Tag noch erleben, an dem es seine Könige auslöscht“. Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 24, 3; Théatre de Voltaire, Bd. 2 (Paris: Librairie Garnier Frères, 1927), 124. 13 Mustafa Kemal las eine türkische Übersetzung von Fouillées berühmter Studie unterschiedlicher Nationalcharaktere, Esquisse psychologique des peuples Européens, die der Anthroposoziologie und ihrer These, der Überlebenskampf sei das grundlegende Gesetz einer jeden Gesellschaft, subtil den Kampf ansagte, mit großem Interesse und „in einer einzigen Nacht“. Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 5, 303–354.

Anmerkungen

5 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg.  v.  Recep Cengiz, Bd.  3, 264–265; Caetani, Annali dell’Islām, Bd. 1, 375–376.

249

14 Mustafa Kemal hat die türkische Übersetzung von Gides Cours d’économie politique zumindest überflogen. Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg.  v.  Recep Cengiz, Bd.  7, 335–342. 15 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Gürbüz Tüfekçi, 470. 16 „Millete Beyanname, 12. September 1922“, in Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bd.  13, 1922 (Istanbul: Kaynak Yayınları, 2004), 274. 17 A. a. O., 275. 18 Nutuk, 420. 19 Qamaruddin Khan, Al-Mawardi’s Theory of the State (Lahore: Islamic Book Foundation, 1983), 42–43. 20 Im Jahr 1250 spielten die mamlukischen ʿulamā᾽eine entscheidende Rolle, als es darum ging, die Herrschaft des dritten Mamlukenherrschers Sayf al-Dīn Qutuz als Emir des muslimischen Heeres zu legitimieren. Siehe Yūsuf ibn Tagrī-Birdī, Al-Nujūm al-zāhirah fī mulūk Miṣr wa-al-Qāhirah, Bd. 7 (Kairo: Maṭba῾at Dār al-Kutub al-Miṣriyya, 1938), 72–73. Nach der Errichtung eines Scheinkalifats in Kairo ernannten die Kalifen der Form nach die mamlukischen Herrscher; a. a. O., 111–113. 21 Nutuk, 422. 22 Ebd.

Anmerkungen

23 [Halide Edib], The Turkish Ordeal Being the Further Memoirs of Halidé Edib (New York: Century, 1928), 168.

250

24 Mustafa Kemal scheint den Großteil seines Wissens dem ersten Band von de Guignes’ mehrbändiger Studie entnommen zu haben, den er mit Interesse gelesen hat. Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 16, 323ff. Später las er die türkische Übersetzung desselben Bandes; siehe Bd. 6, 103ff. 25 Mustafa Kemal hat sich später gegen die Bezeichnung der ersten vier Kalifen als „rechtgeleitet“ ausgesprochen; stattdessen, so sein Vorschlag, sollten sie einfach als die „Vier Kalifen“ bezeichnet werden. Siehe Atatürk᾽ten Düşünceler, hg. v. Enver Ziya Karal (Ankara: Türkiye İş Bankası Kültür Yayınları, 1956), 92. 26 Hilâfet ve Saltanat Mes᾽elesi Hakkında Türkiya Büyük Millet Meclisi Re᾽isi Gazi Mustafa Kemal Paşa Hazretleri᾽nin Nutukları (Ankara: Türkiya Büyük Millet Meclisi Matbaası, 1341/1338 [1922]); Nutuk Muhteviyâtına Aid Vesâik Gazi Mustafa Kemal Tarafından (Ankara: o. V., 1927), 269–276. 27 ῾Alī ῾Abd al-Rāziq, Al-Islām wa-uṣūl al-ḥukm baḥth fī al-Khilāfah wa-al-hukūmah fī al-Islām (Kairo: Maṭba῾at Misr, 1925). Eine detaillierte Analyse von ῾Abd al-Rāziqs Schlüsselargument bietet Souad T. Ali, A Religion, Not a State Ali Abd al-Raziq’s Islamic Justification of Political Secularism (Salt Lake City: University of Utah Press, 2009), 70–89. 28 Mahmut Esat Bozkurt, Atatürk İhtilâli Türk İnkılâbı Tarihi Enstitüsü Derslerinden (Istanbul: İstanbul Üniversitesi Yayınları, 1940), 442–443. Der Übersetzer von ῾Abd al-Rāziqs Buch ins Türkische gab dessen Lesern folgende Anmerkung mit auf den Weg: „Dieses Werk ist ein Leuchtfeuer, das die neuen Horizonte aufscheinen lässt, welche die große türkische Revolution in der Welt der Wissenschaft und Philosophie erschlossen hat.“ Ömer Rıza [Doğrul], „Mütercimin İfadesi“, in ῾Alī ῾Abd al-Rāziq, İslâmiyet ve Hükûmet Din ve Devlet, Hilâfet ve Saltanat, Siyaset ve İslâmiyet (Istanbul: Kütübhane-i Sûdî, 1927), 5. 29 Fazlur Rahman, Islam (London: Weidenfeld and Nicolson, 1966), 229. 30 „Saltanatın İlgası ve Hilâfetin Hanedân-ı Âl-i Osman᾽a Aidiyeti Hakkında Büyük Millet Meclisi Kararı“ (1./2. November 1922), in Türkiye Cumhuriyeti Sicill-i Kavânini, hg. v. Karakoç Sarkiz, Bd. 1 (Istanbul: Cihan Matbaası, 1926), 149–150.

31 T.B.M.M. Gizli Celse Zabıtları, Bd.  3 (6 Mart 1338 [1922] – 27 Şubat 1338 [1923]) (Ankara: T. İş Bankası Kültür Yayınları, 1985), 1042–1065. 32 Nutuk, 424–425. 33 Der angesehene Rechtsgelehrte ῾Abd al-Razzāq Aḥmad al-Sanhūrī hat dieses Konzept nach der Abschaffung des Kalifats 1924 theoretisch ausgearbeitet. Siehe A[hmad] Sanhoury, Le Califat son évolution vers une société des nations orientale (Paris: P. Geuthner, 1926), 586–607. 34 Qureshi, Pan-Islam in British Indian Politics, 336–341. 35 Rashīd Riḍā, Al-Khilāfa aw al-imāma al- uẓmā (Kairo: Maṭba῾at al-Manār, 1341 [1923]), 76, 90–106. 36 Gazi Mustafa Kemal Atatürk᾽ün 1923 Eskişehir-İzmit Konuşmaları, hg. v. Arı İnan (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1982), 65, 71. 37 David Walder, The Chanak Affair (London: Hutchinson, 1969), 351. 38 „Halk Partisi᾽ni Kurmak Hakkındaki Kararını Açıklaması, 6.XII.1922“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 2, 1906–1938, hg. v. Nimet Unan (Ankara: Türk İnkılâp Tarihi Enstitüsü Yayımları, 1952), 46–48. 39 Nutuk, 436–437. 40 Erik Jan Zürcher, Political Opposition in the Early Turkish Republic The Progressive Republican Party, 1924–1925 (Leiden: Brill, 1991), 80–94.

42 Mete Tunçay, T.C.᾽nde Tek Parti Yönetimi᾽nin Kurulması (Istanbul: Cem Yayınevi, 1989), 273–282. 43 Bozkurt, Atatürk İhtilâli, 139. 44 „Balıkesir᾽de Halkla Konuşma, 7.II.1923“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 2, 93–95. 45 „İzmir᾽de Halka Nutuk, 2. Februar 1923“, in Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bd.  15, 1923 (Istanbul: Kaynak Yayınları, 2005), 58–61, 68. 46 „Ankara Şehrinin Makarr-ı İdare İttihazı Hakkında Karar“ (13. Oktober 1923), in Karakoç, ed., Sicill-i Kavânin, Bd. 1, 336. 47 „20 Kânûn-i Sânî 1337 Tarihli Teşkilât-ı Esasiye Kanunu᾽nun Bâzı Mevaddının Tavzihen Ta῾diline Dâir Kanun“ (Gesetz No. 264 vom 29. Oktober 1923), in Karakoç, ed., Sicill-i Kavânin, Bd. 1, 348. 48 Ebd.; siehe auch Nutuk, 435–436. 49 Nutuk, 425. 50 A. a. O., 512–513. 51 „Konya Gençleriyle Konuşma, 20.III.1923“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, 2, 146. 52 Nutuk, 429ff. 53 [Eşref Edib], Hilâfet-i İslâmiye ve Büyük Millet Meclisi (Ankara: Ali Şükrü Matbaası, 1339 [1923]), 8–11, 22–23. 54 A. a. O., 27–28. 55 Nutuk, 429, 431–432, 436; und 1923 Eskişehir-İzmit Konuşmaları, 61–62. 56 A. a. O., 83. 57 [Çelebizâde Mehmed Seyyid], Hilâfet ve Hakimiyet-i Milliye (Ankara: o. V., 1923), 75. 58 A. a. O., 58–59. 59 A. a. O., 59–60. In der Tat scheinen verlässliche Quellen diese Ansicht zu bestätigen. Siehe Ismā῾īl ibn Kathīr, al-Bidāyah wa-al-nihāyah fī al-Tarīkh, Bd.  13 (Kairo: Maṭba῾at al-

Anmerkungen

41 Ali Fethi Okyar, Serbest Cumhuriyet Fırkası Nasıl Doğdu, Nasıl Fesh Edildi? (Istanbul: o. V., 1987), 79–83.

251

Sa῾adah, o. J. [1939]), 231–232; sowie Tāj al-Dīn Subkī, Ṭabaqāt al-Shāfi īyah al-kubrā, Bd. 3 (Kairo: Maṭba῾at ῾Īsā al-Bābī al-Ḥalabī wa shurakā᾽, o. J. [1964]), 215, 245. 60 [Çelebizâde Mehmed Seyyid], Hilâfet ve Hakimiyet-i Milliye, 72. 61 Arnold J. Toynbee, Survey of International Affairs, 1925, Bd. 1 (Oxford: Oxford University Press, 1927), 571–572. 62 T.B.M.M. Gizli Celse Zabıtları, Bd. 4 (2 Mart 1339 [1923] – 25 Teşrin-i evvel 1939) (Ankara: T. İş Bankası Kültür Yayınları , 1985), 314ff. 63 Toynbee, Survey of International Affairs, 1925, 59. 64 „İnkılâbın Mübrem Mantıkı“, Hakimiyet-i Milliye, 27. Februar 1924. 65 Mete Tunçay, „İkinci Meclis Tutanaklarında İlginç Bir Montaj Olayı“, Toplumsal Tarih 10/105 (2002): 24–25. 66 [Mehmed Seyyid], Türkiye Büyük Millet Meclisi᾽nin 3 Mart 1340 Tarihinde Mün akid İkinci İctima ında Hilâfetin Mahiyet-i Şer iyyesi Hakkında Adliye Vekili Seyyid Bey Tarafından İrâd Olunan Nutuk (Ankara: Türkiye Büyük Millet Meclisi Matbaası, o. J. [1924]), 4, 10–11. Eine detaillierte Analyse von Mehmed Seyyids Argumentation findet sich bei Sami Erdem, „Cumhuriyet᾽e Geçiş Sürecinde Hilafet Teorisine Alternatif Yaklaşımlar: Seyyid Bey Örneği, 1922–1924“, Dîvân 1/2 (1996): 119–146. 67 Seyyid Bey Tarafından İrâd Olunan Nutuk, 13–14. 68 A. a. O., 52.

Anmerkungen

69 A. a. O., 62–63.

252

70 „Hilâfetin İlgasına ve Hanedân-ı Osmanî᾽nin Türkiye Cumhuriyeti Memâliki Haricine Çıkarılmasına Dair Kanun“ (Gesetz No. 431 vom 3. März 1924), in Karakoç, ed., Sicill-i Kavânin, Bd. 1, 448. 71 „Telgraf, März 1924“, in Atatürk᾽ün Bütün Eserleri, Bd.  16, 1924 (Istanbul: Kaynak Yayınları, 2005), 236–237; Nutuk, 515. 72 Siehe Sylvia G. Haim, „The Abolition of the Caliphate and Its Aftermath“, in Thomas W. Arnold, The Caliphate (New York: Barnes and Noble, 1967), 224–244. 73 „Şer῾iye ve Evkaf ve Erkân-ı Harbiye-i Umumiye Vekâletlerinin İlgasına Dâir Kanun“ (Gesetz No. 429 vom 3. März 1924), in Karakoç, ed., Sicill-i Kavânin, Bd. 1, 446. 74 Afet [Âfet İnan], Vatandaş İçin Medenî Bilgiler, Bd. 1 (Istanbul: Devlet Matbaası, 1931), 12. 75 Charles H. Sherrill, A Year’s Embassy to Mustafa Kemal (New York: Charles Scribner’s Sons, 1934), 193–196. Siehe auch Rıfat N. Bali, New Documents on Atatürk Atatürk as Viewed through the Eyes of American Diplomats (Istanbul: Isis Press, 2007), 156. 76 Şevket Süreyya Aydemir, Tek Adam Mustafa Kemal, Bd. 3, 1922–1938 (Istanbul: Remzi Kitabevi, 1981), 496. 77 „Dördüncü Toplantı Yılını Açarken, 1. März 1923“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 1, T.B.M. Meclisinde ve C.H.P. Kurultaylarında, 1919–1938 (Istanbul: Türk İnkılâp Tarihi Enstitüsü Yayımları, 1945), 289. 78 Ein neunbändiger tafsīr (Korankommentar) mit dem Titel Hak Dini Kur᾽an Dili („Die Religion Gottes und die Sprache des Islam“) erschien zwischen 1935 und 1938, verfasst von Elmalılı Muhammed Hamdi Yazır. Eine zwölfbändige Übersetzung von Ahmad ibn Ahmad Zabīdīs (gest. 1488) al-Tajrīd al-sarīh li-ahādīth al-Jāmi al-sahīh (der gekürzten Fassung einer berühmten Zusammenstellung ausgewählter Hadithe, der Sahīh des Bukhārī), die Babanzâde Ahmed Na῾im (Bde. 1–3) und Kâmil Miras (Bde. 4–12) angefertigt hatten, wurde zwischen 1928 und 1948 veröffentlicht. 79 Dücane Cündioğlu, Türkçe Kur᾽an ve Cumhuriyet İdeolojisi (Istanbul: Kitabevi, 1998), 239–240.

80 Dücane Cündioğlu, Bir Siyasî Proje Olarak Türkçe İbadet, Bd. 1, Türkçe Namaz, 1923–1950 (Istanbul: Kitabevi, 1999), 92–93. 81 Mustafa Kemal zeigte sich beeindruckt von Goethes Epigramm „Wie einer ist, so ist sein Gott,/Darum ward Gott so oft zu Spott“ (aus den Zahmen Xenien IV), als er ihm – als „Tel est l’homme, tel est son Dieu…“ – in einer türkischen Ausgabe eines Werks von Alfred Fouillée begegnete und als Randnotiz festhielt: „Seele der Nation – Religion, Philosophie, Literatur“. Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 5, 324; Alfred Fouillée, Psychologie du peuple Français (Paris: Félix Alcan, 1898), 200. 82 „Tekye ve Zâviyelerle Türbelerin Seddine ve Türbedârlıklar ile Bir Takım Ûnvanların Men῾ ve İlgasına Dair Kanun“ (Gesetz No. 677 vom 30. November 1925), in Türkiye Cumhuriyeti Sicill-i Kavânini, hg. v. Karakoç Sarkiz, Bd. 2 (Istanbul: Cihan Matbaası, 1926), 18. 83 „Kastamonu᾽da İkinci Bir Konuşma, 30.VIII.1925“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 2, 218.

85 Nutuk, 434. Mustafa Kemal zitiert hier H. G. Wells, The Outline of History Being a Plain History of Life and Mankind, Bd. 4 (New York: Review of Reviews, 1924), 1297. Der mit „The Next Stage of History“ überschriebene Abschnitt (1289ff.) scheint Mustafa Kemal tief beeindruckt zu haben. Auf seine Anweisung hin wurde für seinen persönlichen Gebrauch eine türkische Übersetzung dieses Abschnitts angefertigt. Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 8, 327–337. 86 „Teşkilât-ı Esasiye Kanunu“ (Gesetz No. 491 vom 20. April 1924), in Karakoç, ed., Sicill-i Kavânin, Bd. 1, 538, 540–541. 87 „20 Nisan 1340 Tarihli Teşkilât-ı Esasiye Kanun[un]un 2, 16, 26 ve 38nci Madde-i Kâimeleri Hakkında Kanun“ (Gesetz No. 1222 vom 11. April 1928), in Türkiye Cumhuriyeti Sicill-i Kavânini, hg.  v.  Karakoç Sarkiz, Bd.  4 (Istanbul: Cihan Matbaası, 1928), 229–230. Obgleich Mustafa Kemal seine Entscheidung, den Artikel über den Islam als Staatsreligion zu streichen, hauptsächlich unter Verweis auf das antiklerikale französische Konzept der laïcité rechtfertigte, stand er darin auch unter dem Einfluss John Stuart Mills oder, genauer gesagt, unter dem Einfluss einer türkischen Übersetzung von dessen On Liberty, in welcher der Übersetzer Mill das Konzept einer Staatsreligion verdammen lässt. Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 8, 430; John Stuart Mill, On Liberty (London: Longmans, 1921), 32. 88 „Mehâkim-i Şer῾iyenin İlgasıyla Mehâkimin Teşkilâtına Aid Ahkâmı Mu῾addel Kanun“ (Gesetz No. 469 vom 8. April 1924), in Karakoç, ed., Sicill-i Kavânin, Bd. 1, 509–511. 89 Gesetz No. 1222 vom 11. April 1928, in Karakoç, ed., Sicill-i Kavânin, Bd. 4, 230. 90 Cümhuriyet Halk Fırkası Nizamnamesi ve Programı (Ankara: T B M.M. Matbaası, 1931), 31. 91 „20 Nisan 1340 Tarihli Teşkilatı Esasiye Kanununun Bazı Maddelerinin Değiştirilmesine Dair Kanun“ (Gesetz No. 3115 vom 13. Februar 1937), in Türkiye Cumhuriyeti Sicilli Kavanini, hg. v. Sarkiz Karakoç, Bd. 18 (Istanbul: Cihan Kitaphanesi, 1938), 76.

7. Nationalismus und Kemalismus 1 Grace Ellison, Turkey To-Day (London: Hutchinson, o. J. [1928]), 24. 2 [Halide Edib], The Turkish Ordeal Being the Further Memoirs of Halidé Edib (New York: Century, 1928), 168. 3

Ellison, Turkey To-Day, 24.

Anmerkungen

84 Rashīd Riḍā, Tafsīr al-Qur᾽ān al-ḥakīm al-mushtahar bi-sm Tafsīr al-Manār (Kairo: Dār alManār [1947], 1954), 12 Bde. Teile dieses Kommentars wurden während der Zeit der Zweiten Verfassung ins Türkische übersetzt. Siehe Muḥammad ῾Abduh, „῾Asr Sure-i Celîlesinin Tefsîri“, Sırat-ı Mustakim 3/73 (27. Januar 1910): 323–324ff.

253

4 [Munis] Tekin Alp [Moiz Kohen], Kemalizm (Istanbul: Cumhuriyet Matbaası, 1936), 18–21. 5 Türk Tarihinin Ana Hatları, hg. v. Afet et al. (Istanbul: Devlet Matbaası, 1930), 1–3. 6 Tarih, I: Tarihtenevvelki Zamanlar ve Eski Zamanlar (Istanbul: Devlet Matbaası, 1931), 23–24; H. G. Wells, The Outline of History Being a Plain History of Life and Mankind, Bd. 1 (New York: Review of Reviews, 1924), 121–136. 7 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg.  v.  Recep Cengiz, Bd.  2 (Ankara: Anıtkabir Derneği Yayınları, 2001), 134–490. Mustafa Kemal überflog zunächst die französische Übersetzung von Wells’ Buch, Esquisse de l’histoire universelle (Paris: Payot, 1925). Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 12, 433–453. Seine Handbibliothek enthielt aber auch zwei Exemplare der englischen Ausgabe von 1925. Atatürk᾽ün Özel Kütüphanesinin Kataloğu Anıtkabir ve Çankaya Bölümleri (Ankara: Başbakanlık Kültür Müsteşarlığı, 1973), 464. 8 Tarih, I, 35–36. 9 A. a. O., 20.

Anmerkungen

10 Türk Tarihinin Ana Hatları, 606.

254

11 Mustafa Kemal hat eine ganze Reihe von Büchern aus dieser Reihe gelesen, darunter L’Évolution de l’humanité Synthèse collective Introduction générale (1920); J[oseph] Vendryes, Le Langage Introduction linguistique à l’histoire (1921); Lucien Febvre, La Terre et l’ évolution humaine (1922); L[ouis] Delaporte, La Mésopotamie les civilisations babylonienne et assyrienne (1923); Gustave Glotz, La Civilisation Égéenne (1923); A[uguste] Jardé, La Formation du peuple Grec (1923); A[lexandre] Moret und G[eorges] Davy, Des Clans aux empires (1923); Jacques de Morgan, L’Humanité préhistorique (1924); Eugène Pittard, Les Races et l’histoire (1924); Clément Huart, La Perse antique et la civilisation Iranienne (1925); A[lexandre] Moret, Le Nil et la civilisation Égyptienne (1926); Ferdinand Lot, La Fin du monde antique et le début du moyen âge (1927); und Henri Hubert, Les Celtes et l’expansion Celtique (1932). 12 Tarih, I: Tarihtenevvelki Zamanlar ve Eski Zamanlar; II: Ortazamanlar; III: Yeni ve Yakın Zamanlarda Osmanlı-Türk Tarihi; IV: Türkiye Cümhuriyeti (Istanbul: Devlet Matbaası, 1931). 13 Şemsettin Günaltay, „Türk Tarih Tezi Hakkındaki İntikatların Mahiyeti ve Tezin Kat᾽î Zaferi“, Belleten 2/7–8 (Oktober 1938): 337–365. 14 Frappante Ähnlichlichkeiten finden sich etwa bei Fritz Graebner, Das Weltbild der Primitiven; eine Untersuchung der Urformen weltanschaulichen Denkens bei Naturvölkern (München: Ernst Reinhardt, 1924), 105ff. 15 „Maarif Vekili Esat Beyefendinin Açma Nutku“, in Birinci Türk Tarih Kongresi Konferanslar Müzakere Zabıtları ([Ankara]: Maarif Vekâleti, 1932), 6. 16 M. Saffet Engin, Kemalizm İnkilâbının Prensipleri Büyük Türk Medeniyetinin Tarihî ve Sosyolojik Tetkikine Methal, Bd. 1 (Istanbul: Cumhuriyet Matbaası, 1938), 52. Siehe auch „Ulusal Ökonomya Kurumlu Ökonomyadır“, Kadro 3/35–36 (Dezember 1934 – Januar 1935): 4. 17 Nureddin Ardıç, Antakya-İskenderun Etrafındaki Türk Davasının Tarihî Esasları (Istanbul: Tecelli Matbaası, 1937), 7ff. 18 Tayfur Sökmen, Hatay᾽ın Kurtuluşu İçin Harcanan Çabalar (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1978), 70. 19 Diese Behauptung hatte eine weitere Quelle in der frühneuzeitlichen Theorie, die Türken seien Nachfahren der Trojaner. Eine detaillierte Darstellung des Themas findet sich bei Margaret Meserve, Empires of Islam in Renaissance Historical Thought (Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 2008), 22ff.

20 Eine neue Studie bietet ausführliche Informationen zur Verwendung der Anthropologie als Mittel der Nationsbildung in der Frühzeit des republikanischen Regimes: Zafer Toprak, Darwin’den Dersim’e Cumhuriyet ve Antropoloji (Istanbul: Doğan Kitap, 2012). Während der Verfasser wertvolle Hinweise liefert, bedient er doch zugleich einen hochproblematischen, apologetischen Diskurs; so heißt es etwa über die Türkische Geschichtsthese, diese habe „dazu gedient, den zivilisierten Charakter der Menschen in diesem Land zu beweisen und […] ein Verlangen zum Ausdruck gebracht, die Moderne für sich anzunehmen“ (A. a. O., 204). 21 Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 21, 123–215. 22 Alfred C. Haddon, The Races of Man and Their Distribution (Cambridge: Cambridge University Press, 1924), 27, 96. Mustafa Kemal hat eine französische Übersetzung dieser Studie gelesen und die entsprechenden Passagen angestrichen (neben vielen weiteren). Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 23, 1–30. 23 George Montandon, La Race – les races mise au point d’ethnologie somatique (Paris: Payot, 1933), 233–236. Bei der Lektüre dieses Buches faszinierte Mustafa Kemal vor allem der Abschnitt über die „mongolide Rasse“. Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 23, 58ff.; George Montandon, L’Ethnie française (Paris: Payot, 1935), 9.

25 Eugène Pittard, Race and History An Ethnological Introduction to History (New York: Alfred A. Knopf, 1926), 3–4, 116. 26 A. a. O., 17ff. 27 Siehe etwa Eugène Pittard, „Quelques nouveaux crânes Grisons de la Valée du Rhin“, Bulletin de la Société d’anthropologie de Lyon 21 (1902): 249–268. Pittard ermunterte türkische Anthropologen, auf der Suche nach den Vorfahren des türkischen Volkes auch die anthropometrische Methode einzusetzen. Siehe Eugène Pittard, „Neolitik Devirde Küçük Asya ile Avrupa Arasında Antropolojik Münasebetler“, Belleten 2/5–6 (April 1938): 38. 28 Pittard, Race and History, 320. 29 A. a. O., 324. Siehe auch Eugène Pittard, Les Peuples des Balkans esquisses anthropologiques (Paris: Attinger Frères, o. J. [1916]), 95. 30 Pittard, Race and History, 323ff.; Pittard, Les Peuples des Balkans, 95 ff.; Pittard, „Comparaison de quelques caractères somatologiques chez les Turcs et les Grecs“, Revue Anthropologique 25 (1915): 447–454. 31 Eine erweiterte Ausgabe in türkischer Sprache erschien 1947. 32 Darin bemerkt Pittard: „Mlle Afet en prit l’initiative. Atatürk en fut le réalisateur“. [Mademoiselle Afet hat [diese Studie] angestoßen. Atatürk hat [sie] umgesetzt.] Siehe „Préface“, Afet [İnan], L’Anatolie, le pays de la „Race“ turque Recherches sur les caractères anthropologiques des populations de la Turquie Enquête sur 64.000 individus (Genf: Imprimerie Albert Kundig, 1939), vii. 33 Eugène Pittard, „Atatürk᾽ün Hatırâsını Tazim“, Belleten 3/10: 187–188. Siehe auch HansLukas Kieser, „Türkische Nationalrevolution, anthropologisch gekrönt: Kemal Atatürk und Eugène Pittard“, Historische Anthropologie 14/1 (2006): 105–118. 34 Şevket Aziz, „Antropoloji Tedrisatı Hakkında“, Türk Antropoloji Mecmuası 7/12 (September 1931): 114. 35 İkinci Türk Tarih Kongresi, İstanbul 20–25 Eylül 1937 Kongrenin Çalışmaları, Kongreye Sunulan Tebliğler (Istanbul: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1943), v, xxxix.

Anmerkungen

24 Mustafa Kemal las Pittards Les Races et l’histoire (Paris: La Renaissance du Livre, 1924), das in Henri Berrs Reihe L’Évolution de l’humanité erschienen war, mit dem größten Interesse und unterstrich so gut wie jeden zweiten Satz. Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 22, 225–486.

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36 Şevket Aziz Kansu, Türk Antropoloji Enstitüsü Tarihçesi (Istanbul: Maarif Matbaası, 1940), 4. 37 Şevket Aziz, „Türklerin Antropolojisi“, Birinci Türk Tarih Kongresi, 277–278. 38 Siehe etwa Şevket Aziz, „Alelade Prognatisma ve Türk Kafalarının Prognatisması“, Türk Antropoloji Mecmuası 6/9 (März 1930): 5–14. 39 Siehe etwa Şevket Aziz, „Antropoloji Tedrisatı Hakkında“, 115. 40 Şevket Aziz Kansu, „Anadolu᾽nun Irk Tarihi Üzerine Antropolojik Bir Tetkik“, Belleten 3/9 (Januar 1939): 127–131; Şevket Aziz Kansu, „Hittite᾽lerin Kraniolojik Tetkikatına Methal“, Türk Antropoloji Mecmuası 6/10 (September 1930): 3–16. 41 Nureddin et al., „Türk Irkı ile İstanbul᾽da Yaşayan Diğer Irkların Tedkikleri“, Türk Antropoloji Mecmuası 1/2 (März 1926): 5–8. 42 Sâî Mustafa Çelebi, Yapılar Kitabı Tezkiretü᾽l-Bünyan ve Tezkiretü᾽l-Ebniye (Mimar Sinan᾽ın Anıları), hg. v. Hayati Develi (Istanbul: K Kitaplığı, 2003), 122. 43 „Mimar Sinan: Büyük Mimarın Kafa Tası Mezarından Çıkarıldı“, Akşam, 5. August 1935. 44 M[ichail] M[ichailowitsch] Gerassimow, „Portret Tamerlana: opyt skul᾽pturnogo vosproizvedeniya na kraniologicheskoi osnove“, Kratkie soobshcheniia istorii material’noi kul’tury 17 (1947): 14–21. 45 Siehe Saim, „Dilbirliği“, Türk Antropoloji Mecmuası 7/ 12 (September 1931): 1–62.

Anmerkungen

46 Jerzy S. Łątka, Pasza z Lechistanu Mustafa Dzėlaleddin (Konstanty Borzęcki) (Krakau: Społeczny Instytut Historii i Kultury Turcji, 1993), 113ff.

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47 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 17, 368 ff; Moustapha Djelaleddin, Les Turcs anciens et modernes (Paris: Libraire Internationale, 1870), 252ff. 48 Zusätzlich zu dieser Studie nahm sich Mustafa Kemal höchstpersönlich zwei lateinische Wörterbücher vor, um Paralellen zwischen dem Türkischen und dem Lateinischen zu entdecken. Es waren dies: A. Ernout und A. Meillet, Dictionnaire étymologique de la langue latine histoire des mots (Paris: Librairie C. Klincksieck, 1932); und L[ouis] Quicherat und A[médée] Daveluy, Dictionnaire Latin-Français (Paris: Librairie Hachette, 1910). Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 22, 63–102. 49 Léon Cahun, Fransa᾽da Arî Dillere Takaddüm Etmiş Olan Lehçenin Turanî Menşei, übers. v. Ruşen Eşref [Ünaydın] (Istanbul: Cumhuriyet Matbaası, 1930). 50 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 22, 57–62. 51 Beim 1. Türkischen Sprachkongress 1932 (noch als Türk Dili Kurultayı, „Kongress über türkische Sprache“) griff er diese These auf; siehe „Türkçenin Ârî ve Samî Lisanlarla Mukayesesi“, in Birinci Türk Dili Kurultayı Tezler Müzakere Zabıtları (Istanbul: Devlet Matbaası, 1933), 21–64. 52 Ruşen Eşref Ünaydın, Türk Dili Tetkik Cemiyeti᾽nin Kuruluşundan İlk Kurultaya Kadar Hâtıralar (Ankara: Recep Ulusoğlu Basımevi, 1943), 35. 53 Siehe „Türk Dili Tetkik Cemiyeti Nizamnamesi“, Türk Dili 1/1 (April 1933) 52/„Söz Derleme Talimatnamesi“, Türk Dili 1/1: 49–51; „Söz Derleme Talimatını Tamamlayıcı Tamim“, Türk Dili 1/1: 52. 54 Agâh Sırrı Levend, Türk Dilinde Gelişme ve Sadeleşme Evreleri (Ankara: Türk Dil Kurumu Yayınları, 1960), 143ff. 55 Yusuf Ziya Öksüz, Türkçenin Sadeleşme Tarihi Genç Kalemler ve Yeni Lisan Hareketi (Ankara: Türk Dil Kurumu Yayınları, 1995), 85ff. 56 A. a. O., 150–151. 57 Sadri Maksudi, Türk Dili İçin Türk Dilindeki Sözleri Toplama, Dizme, Türk Dilini Ayırtlama, Türkçe Köklerden Bilgi Sözleri Yaratma İşi Üzerinde Düşünceler (Istanbul:

Türk Ocakları İlim ve Sanat Heyeti Neşriyatı,1930), i–ii; und „Gazi ve Türk Dili“, Öz Dilimize Doğru 1/1 (15. Mai 1932): 3. 58 Geoffrey Lewis, The Turkish Language Reform A Catastrophic Success (New York: Oxford University Press, 1999), 49. 59 Tarih IV: Türkiye Cümhuriyeti, 264. 60 Siehe Osmanlıcadan Türkçeye Cep Kılavuzu (Istanbul: Devlet Matbaası, 1935) und Türkçeden Osmanlıcaya Cep Kılavuzu (Istanbul: Devlet Basımevi, 1935). Siehe auch „Osmanlıcadan Türkçeye ve Türkçeden Osmanlıcaya Cep Kılavuzları“, Türk Dili 3/16 (April 1936): 8–11. 61 „Atatürkün Öz Adı: Arabca Kemal Değil Türkçe Kamâldır“, Akşam, 5. Februar 1935. 62 Siehe Jens Peter Laut, „Noch einmal zu Dr. Kvergić“, Turkic Languages 6 (2002): 124ff.; Jens Peter Laut, Das Türkische als Ursprache? Sprachwissenschaftliche Theorien in der Zeit des erwachenden türkischen Nationalismus (Wiesbaden: Harrassowitz, 2000), 109, 116ff; İlker Aytürk, „Turkish Linguists against the West: The Origins of Linguistic Nationalism in Atatürk’s Turkey“, Middle Eastern Studies 40/6 (November 2004): 16. 63 Siehe etwa Naim Hâzım Onat, „Türk Dilinin Samî Dillerle Münasebeti“, Türk Dili 3/14 (Dezember 1935): 1–103.

65 Çiğdem Atakuman, „Cradle or Crucible: Anatolia and Archeology in the Early Years of the Turkish Republic, 1923–1938“, Journal of Social Archeology 8/2 (2008): 214–235; Klaus Kreiser, Atatürk. Eine Biographie (München: C. H. Beck, 2008), 280. 66 „Ursprache“: Deutsch im Original (Anm. d. Übers.); Jens Peter Laut, Das Türkische als Ursprache?, 150ff. 67 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 10, 273; James Churchward, The Lost Continent of Mu The Motherland of Man (New York: Ives Washburn, 1931), 5–6. 68 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg.  v.  Recep Cengiz, Bd.  10, 265ff.; James Churchward, The Lost Continent of Mu, 7–8, 17–21, 23, 28–32, 34, 44–48, 50–52, 57–59, 61–68, 70, 75–78, 80, 85, 88, 90, 93, 96, 100, 119–120, 123, 129–138, 141–147, 149–150, 152–153, 158; James Churchward, Cosmic Forces as They Were Taught in Mu The Ancient Tale that Religion and Science are Twin Sisters (Mount Vernon, N. Y.: Baker and Taylor, 1934), 13–16; James Churchward, The Children of Mu (New York: Ives Washburn, 1933), 16–17, 20, 53–55, 57, 60–63, 67–68, 70, 73, 75, 77, 82–84, 86–88, 90–101, 131, 133, 140, 155–156, 159, 171–174, 177, 180, 183, 188–189, 192–193, 205–207, 209, 212, 216–217, 221–222, 242; James Churchward, The Sacred Symbols of Mu (New York: Ives Washburn, 1933), 15, 25–29, 32–33, 57, 69–70, 74, 104, 118–119, 152, 161, 200, 209, 240–241. Mustafa Kemal stützte diese Idee durch Pittards Thesen über die Abstammung der mexikanischen Ureinwohner. Siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 22, 471ff.; und Pittard, Les Races et l’histoire, 546ff. 69 Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, Bd. 20, 135–201; M [Charles Étienne] Brasseur de Bourbourg, Dictionnaire, grammaire et chrestomathie de la langue Maya précédés d’une étude sur le système graphique des indigènes du Yucatan (Mexique) (Paris: Maisonneuve, 1872), 46ff. Hasan Reşit Tankut, ein Parlamentsabgeordneter, der sich auf dieselben Abschnitte aus Churchwards Büchern und Eduard  K. Pekarskijs mehrbändigem Slovar’ Iakutskogo Iazyka („Wörterbuch der jakutischen Sprache“) bezog, die auch Mustafa Kemal mit großem Interesse studiert hatte (siehe Atatürk᾽ün Okuduğu Kitaplar, hg. v. Recep Cengiz, Bd. 10, 1–152 ), behauptete, dass selbst die Wörter „Mu“ und „Maya“ türkisch seien und darum die mit ihnen bezeichneten Völker türkischer Abstammung. Siehe H. R. Tankut, „Maya Alfabesi ve Mayaların Türk Orijini“, Türk Dili 5/27–28 (Februar 1938): 18.

Anmerkungen

64 Ş. Günaltay und H. R. Tankut, „Dil ve Tarih Tezlerimiz Üzerine Bazı İzahlar“, Türk Dili 5/29–30 (Juni 1938): 1–67.

257

70 Siehe Tahsin Ömer, „Meksikada Müstamel Maya Dilindeki Türkçe Kelimeler Hakkında İzahat“, Türk Dili 3/12 (August 1935): 89–94. 71 Abdülkadir İnan, Güneş-Dil Teorisi Ders Notları (Istanbul: Devlet Basımevi, 1936). 72 „1936 Kışı Sonunda Kurumun Çalışmaları“, Türk Dili 3/16 (April 1936): 1–2. 73 Lewis, The Turkish Language Reform, 2–3. 74 Şemsettin Günaltay, „Türk Tarih Tezi Hakkındaki İntikatların Mahiyeti ve Tezin Kat᾽î Zaferi“, 338. 75 İlker Aytürk, „H. F. Kvergić and the Sun-Language Theory“, Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft 159/1 (2009): 35. 76 Mazhar Leventoğlu, Atatürk᾽ün Vasiyeti (Istanbul: Bahar Matbaası, 1968), 49, 101. 77 Cemil Koçak, „Kemalist Milliyetçiliğin Bulanık Suları“, in Modern Türkiye᾽de Siyasi Düşünce, Bd. 4, Milliyetçilik, hg. v. Tanıl Bora und Murat Gültekingil (Istanbul: İletişim Yayınları, 2002), 37–43.

Anmerkungen

78 Man weiß, dass Durkheim Atatürk indirekt beeinflusst hat. Siehe Robert F. Spencer, „Culture Process and Intellectual Current: Durkheim and Atatürk“, American Anthropologist 60/4 (1958): 640–657. Es scheint aber auch eine direkte Beeinflussung stattgefunden zu haben: Atatürk las in den 1930er-Jahren Durkheims Werke De la division du travail social (1893); L’Éducation morale (1925); ‚L’Allemagne au-dessus de tout la mentalité allemande et la guerre (1915) und Le Suicide étude de sociologie (1897). Siehe Şerafettin Turan, Atatürk᾽ün Düşünce Yapısını Etkileyen Olaylar, Düşünürler, Kitaplar (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1982), 21.

258

79 Wie Mümtaz’er Türköne hervorgehoben hat („Bir Millet Olmak“, Zaman, 13. November 2011) verwendet Mustafa Kemals Text ein wörtliches, aber nicht als solches ausgewiesenes Zitat aus Renans Schrift Qu’est-ce qu’une nation? von 1882. Siehe Âfetinan [Ayşe Âfet İnan], Medenî Bilgiler ve M. Kemal Atatürk’ün El Yazıları (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1969), 380; sowie Ernest Renan, Qu’est-ce qu’une nation? et autres écrits politiques, hg. v. Raoul Girardet (Paris: Imprimerie nationale, 1996), 241. 80 Afet [Âfet İnan], Vatandaş İçin Medenî Bilgiler, Bd. 1 (Istanbul: Devlet Matbaası, 1931), 7, 8–12. 81 A. a. O., 12. 82 Siehe etwa Melâhat Özgü, „Atatürk Devrimleri, Sanat Alanında Bir Renaissance᾽dır“, Türk Dili 17/194 (November 1967): 120–130; und Ahmet Taner Kışlalı, „Kemalist Devrim ve Türk Aydınlanması“, in Dünya ve Türkiye Açısından Atatürk, hg. v. Suna Kili (Istanbul: Yapı Kredi Yayınları, 1996), 33–43. 83 Afet [Âfet İnan], Vatandaş İçin Medenî Bilgiler, 43. 84 Âfetinan, Medenî Bilgiler ve M. Kemal Atatürk᾽ün El Yazıları, 425. 85 A. a. O., 425–426. 86 „Kemal Öz Adlı Cümhur Reisimize Verilen Soy Adı Hakkında Kanun“ (Gesetz No. 2587 vom 24. November 1934), in Düstûr, III/16 (Ankara: Başvekâlet Matbaası, 1935), 4. 87 „Bursa᾽da Şark Sinemasında Halkla Konuşma, 22.I.1923“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 2, 1906–1938, hg. v. Nimet Unan (Ankara: Türk İnkılâp Tarihi Enstitüsü Yayımları, 1952), 66. 88 Gültekin Elibal, Atatürk ve Resim Heykel (Istanbul: İş Bankası Kültür Yayınları, 1973), 196–197. 89 A. a. O., 206ff. 90 Siehe Burcu Dogramaci, Kulturtransfer und nationale Identität. Deutschsprachige Architekten, Stadtplaner und Bildhauer in der Türkei nach 1927 (Berlin: Gebr. Mann

Verlag, 2008), 266–275; und Semavi Eyice, Atatürk ve Pietro Canonica Eserleri ve Türkiye Seyahatnâmesi ile Atatürk᾽e Dair Hatıraları (Istanbul: Eren Yayıncılık, 1986), 8–13. 91 Elibal, Atatürk ve Resim Heykel, 59ff. 92 Pulhan Türk Pulları Kataloğu, XII, hg.  v.  Ali Nusret Pulhan (Istanbul: Fen Fakültesi Basımevi, 1973), 278. 93 Tanju Demir, „Cumhuriyet Dönemi Paralarında Siyaset ve İdeoloji, 1923–1950“, in 75 Yılda Para᾽nın Serüveni, hg. v. Mustafa Sönmez (Istanbul: Tarih Vakfı Yayınları, 1998), 15–23. 94 Nutuk Gazi Mustafa Kemal Tarafından (Ankara: o. V., 1927); sowie Nutuk Muhteviyâtına Aid Vesâik Gazi Mustafa Kemal Tarafından (Ankara: o. V.,1927). 95 Nutuk, 542–543. 96 „Kadro ve Die Tat“, Kadro 1/6 (Juni 1932): 5. Wie der sogenannte „Tatkreis“ um Zehrer (der in der Nachkriegszeit zu einem engen Vertrauten Axel Springers werden sollte), priesen die Leitartikler von Kadro die nationale Autarkie, welche sie zum bestimmenden Merkmal jeder zukunftsfähigen Wirtschaftsordnung erklärten. Siehe Şevket Süreyya, İnkılâp ve Kadro İnkılâbın İdeolojisi (Ankara: Muallim Ahmet Halit Kitaphanesi, 1932), 16–17. Man sollte überdies nicht vergessen, dass zwar die totalitären Regime im Europa der Nachkriegszeit die Ideologen des aufstrebenden Kemalismus beeinflussten – dass aber andersherum auch Mustafa Kemal und das Vorbild der Türkei einen Einfluss auf die Ideologien etwa in Deutschland und Italien ausübten; siehe Stefan Ihrig, Atatürk in the Nazi Imagination (Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 2014). 98 Ahmet Hamdi, „Kapitalizm (Emperyalizm) ile Millet İktısat Rejimi ve Ferdiyetçilik ile Devletçiliğin Manaları“, Kadro 2/18 (Juni 1933): 45. 99 Vedat Nedim, „Devletin Yapıcılık ve İdarecilik Kudretine İnanmak Gerekir“, Kadro 2/15 (März 1933): 13. 100 Şevket Süreyya, „Millî Kurtuluş Hareketleri Hakkında Bizim Tezimiz“, Kadro 1/12 (Dezember 1932): 43. 101 Siehe etwa „Çin ve Hindistan“, Kadro 1/1 (Januar 1932): 46; und „Kadro“, Kadro 1/5 (Mai 1932): 4. 102 Siehe Vedat Nedim, „Sınıflaşmamak ve İktisat Siyaseti“, Kadro 1/11 (November 1932): 17–21; Vedat Nedim, „Mefhum Teşkilâtı Değil Madde Teşkilâtı“, Kadro 1/8 (August 1932): 13–17; und „Türk İnkılâbında Gazi ve Bizim Bir İnanımız“, Kadro 2/24 (Dezember 1933): 3–4. 103 İlhan Tekeli-Selim İlkin, Bir Cumhuriyet Öyküsü Kadrocuları ve Kadro᾽yu Anlamak (Istanbul: Tarih Vakfı Yurt Yayınları, 2003), 420–424. 104 „Bakanlar Kurulunun Görev ve Yetkisini Belirten Kanun Teklifi Münasebetiyle, 1. Dezember 1921“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 1, T.B.M. Meclisinde ve C.H.P. Kurultaylarında, 1919–1938 (Istanbul: Türk İnkılâp Tarihi Enstitüsü Yayımları, 1945), 191. 105 [Recep Peker], Recep Peker᾽in İnkılab Dersleri Notları (Ankara: Ulus Basımevi, 1935). 106 Außerdem plädierte er für einen offenen Krieg gegen den Liberalismus und die Hegemonie der Einheitspartei in allen Bereichen des politischen Lebens. Siehe C.H.P. Genel Sekreteri R. Peker᾽in Söylevleri (Ankara: o. V., 1935), 3ff. 107 Hasan Rıza Soyak, Atatürk᾽ten Hatıralar, Bd. 1 (Ankara: Yapı ve Kredi Bankası Yayınları, o. J. [1973]), 58. 108 Ertan Aydın, „Peculiarities of Turkish Revolutionary Ideology in the 1930s: The Ülkü Version of Kemalism“, Middle Eastern Studies 40/5 (September 2004): 66–67. Siehe auch den Abschnitt „Solidarité“ in Afet [Âfet İnan], Vatandaş İçin Medenî Bilgiler, Bd. 1, 98–101. 109 Nusret Köymen, „Kemalizm ve Politika Bilgisi“, Ülkü 7/41 (Juli 1936): 323–324.

Anmerkungen

97 Süreyya, İnkılâp ve Kadro, 46.

259

110 Şevket Aziz, „Biyososyoloji“, Ülkü 3/16 (Juni 1934): 253–262. 111 „İnkılâp Ülkülerini Yayma Yolunda“, Ülkü 2/7 (August 1933): 25. 112 Şevket Aziz, „Türk Topraklarının Adamı“, Ülkü 4/20 (Oktober 1934): 81–82. 113 Nusret Köymen, „Kemalizmin Hususiyetleri“, Ülkü 7/42 (August 1936): 417. 114 Fikret Adanır, „Kemalist Authoritarianism and Fascist Trends in Turkey during the Interwar Period“, in Fascism Outside Europe The European Impulse against Domestic Conditions in the Diffusion of Global Fascism, hg. v. Stein Ugelvik Larsen (New York: Boulder, 2001), 335ff. 115 Grace Ellison, Turkey To-Day, 187. 116 Şeref Aykut, Kamâlizm C.H. Partisi Programının İzahı (Istanbul: Muallim Ahmet Halit Kitap Evi, 1936), 3. 117 T.D.K. Türkçe Sözlük Türk Dil Kurumu Lûgat Kolu Çalışmalariyle Hazırlanmıştır (Istanbul: Cumhuriyet Basımevi, 1945), 153. 118 Osman Ergin, Türkiye Maarif Tarihi, Bd. 5 (Istanbul: Osmanbey Matbaası, 1943), 1532– 1534. Çağlar schrieb in diesem Genre auch Lyrik; siehe „Bizim Mevlût“, Yücel 13/76 (Juni 1941): 168: „Dir Gott, der du einst in Samsun anladetest, Grüße!/ … Der wahre Geburtstag eines jeden Türken ist der 19. Mai“. 119 K  emâlettin Kâmi Kamu Hayatı, San᾽atı ve Şiirleri, hg. v. Gültekin Sâmanoğlu (Ankara: Kültür ve Turizm Bakanlığı Yayınları, 1986), 77. 120 Ali Arslan, Darülfünun᾽dan Üniversite᾽ye (Istanbul: Kitabevi, 1995), 331–353.

Anmerkungen

121 Tanzimat I (Istanbul: Maarif Vekâleti, 1940), v–vii.

260

122 Siehe III. Türk Tarih Kongresi, Ankara 15–20 Kasım 1943 Kongreye Sunulan Tebliğler (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1948), 124–130, 229–268, 367–379, 441–518, 556–562, 590–598, 648–688, 700–703. 123 Milli Kültür Özel İhtisas Komisyonu Raporu (Ankara: Başbakanlık Devlet Planlama Teşkilatı, 1983), 26–27, 140–143, 517–523. 124 Wendy Shaw, „The Rise of the Hittite Sun: A Deconstruction of Western Civilization from the Margin“, in Selective Remembrances Archaeology in the Construction, Commemoration, and Consecration of National Pasts, hg. v. Philip L. Kohl, Mara Kozelsky und Nachman Ben-Yehuda (Chicago: University of Chicago Press, 2007), 163ff. 125 „Hitit Güneşi Manevrası Yargıdan Döndü“, 11. April 2008; Zugriff am 17. Juni 2008 via http://www.yapi.com.tr/Haberler/haber_Detay_60927.html. 126 İnönü᾽nün Söylev ve Demeçleri, Bd. 1, T.B.M. Meclisinde ve C.H.P Kurultaylarında, 1919– 1946 (Istanbul: Türk Devrim Tarihi Enstitüsü Yayımları, 1946), 331; Cemil Koçak, „Tek Parti Yönetimi, Kemalizm ve Şeflik Sistemi: Ebedî Şef/Millî Şef“, in Modern Türkiye᾽de Siyasî Düşünce, Bd. 2, Kemalizm, hg. v. Ahmet İnsel (Istanbul: İletişim Yayınları, 2001), 119–137. 127 Celâl Bayar᾽ın Söylev ve Demeçleri, Bd.  1, 1921–1938, Ekonomik Konulara Dair, hg. v. Özel Şahingiray (Ankara: Doğuş Ltd. Ortaklığı, 1955), 241. 128 „Atatürk Aleyhine İşlenen Suçlar Hakkında Kanun“ (Gesetz No. 5816 vom 31. Juli 1951), in Türkiye Cumhuriyeti Sicilli Kavanini, Bd. 32 (Istanbul: Cihan Kitaphanesi, 1951), 240. 129 Artikel 103 beziehungsweise 81 der Verfassung der Republik Türkei von 1982; siehe T. C. 1982 Anayasası 1993 Değişiklikleriyle, hg. v. A. Şeref Gözübüyük (Ankara: Turhan Yayınevi, o. J. [1993]), 88, 71. 130 Artikel 2 bzw. 42; a. a. O., 23, 47.

8. Die Türkei und der Westen 1 Diese Bezeichnungen gehen, ihrer ursprünglichen, französischen Form nach, auf den russischen Zaren Nikolaus I. zurück, der im Januar 1853 dem britischen Botschafter Sir George Hamilton Seymour gegenüber das Osmanische Reich als un homme malade bezeichnete. 2 M. Şükrü Hanioğlu, Preparation for a Revolution The Young Turks, 1902–1908 (New York: Oxford University Press, 2001), 236. 3 Tarık Zafer Tunaya, Türkiye᾽de Siyasal Partiler, Bd. 3, İttihat ve Terakki, Bir Çağın, Bir Kuşağın, Bir Partinin Tarihi (Istanbul: Hürriyet Vakfı Yayınları, 1989), 480–483. 4 Siehe Amnon Raz-Krakotzkin, „The Zionist Return to the West and the Mizrahi Jewish Perspective“, in Orientalism and Jews, hg. v. Ivan Davidson Kalmar und Derek J. Penslar (Waltham, Mass.: Brandeis University Press, 2005), 162–181; sowie Sammy Smooha, „Jewish Ethnicity in Israel: Symbolic or Real?“ in Jews in Israel Contemporary Social and Cultural Patterns, hg. v. Uzi Rebhun und Chaim I. Waxman (Hanover, N. H.: Brandeis University Press, 2004), 47–80. 5 Arthur Silva White, The Expansion of Egypt under Anglo-Egyptian Condominium (New York: New Amsterdam, 1900), 63. 6 Deutsch im Original (Anm. d. Übers.).

8 „Kültür Hakkında, 29.X.1923“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd.  3, 1918–1937, hg. v. Nimet Unan (Ankara: Türk İnkilâp Tarihi Enstitüsü Yayımları, 1954) , 67. 9 Abdullah Cevdet, „Şime-i Muhabbet“, İctihad 89 (29. Januar 1914): 1984. 10 M. Kemal Atatürk᾽ün Karlsbad Hatıraları, hg. v. Ayşe Afetinan (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1983), 43. 11 Gaston Jollivet, Marie-Anne L’Heureux, Mükemmel ve Resimli Âdâb-ı Mu aşeret Rehberi, übers. v. Abdullah Cevdet (Istanbul: Yeni Matbaa, 1927), 115–116, 147–195, 316–318, 241, 367; und Gaston Jollivet, Marie-Anne L’Heureux, Muhtelit İzdivaclar, übers. v. Abdullah Cevdet ([Istanbul]: o. V., 1928), 1–4. 12 Mihri Pektaş, „Turkish Woman“, La Turquie Kemaliste 32–40: 10–14. 13 Siehe Nusret Köymen, „Forward Progressive Village“, La Turquie Kemaliste 32–40 (August 1939 – Dezember 1940):15–20. Siehe auch „La Question de l’éducation au village“, La Turquie Kamâliste 20 (August 1937): 22–26. 14 „İnebolu᾽da Bir Konuşma, 28.VIII.1925“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 2, 1906– 1938, hg. v. Nimet Unan (Ankara: Türk İnkılâp Tarhi Enstitüsü Yayımları, 1952), 213. 15 Şerafettin Turan, Kendine Özgü Bir Yaşam ve Kişilik Mustafa Kemal Atatürk (Istanbul: Bilgi Yayınevi, 2004), 473; und „Şapka İktisası Hakkında Kanun“ (Gesetz No. 671 vom 25. November 1925), in Türkiye Cumhuriyeti Sicill-i Kavânini, hg. v. Karakoç Sarkiz, Bd. 2 (Istanbul: Cihan Matbaası, 1926), 15. 16 Mete Tunçay, T.C.᾽nde Tek Parti Yönetimi᾽nin Kurulması (Istanbul: Cem Yayınevi, 1989), 152–159. 17 Charles C. Adams, „Muḥammad ῾Abduh and the Transvaal Fatwā“, in The MacDonald Presentation Volume (Princeton, N. J.: Princeton University Press, 1933), 16–17. 18 Ergün Aybars, İstiklâl Mahkemeleri, Bd. 2, 1920–1927 (İzmir: Dokuz Eylül Üniversitesi Yayınları, 1988), 406–418. 19 Bilâl N. Şimşir, Doğunun Kahramanı Atatürk (Istanbul: Bilgi Yayınevi, 1999), 112ff. 20 Atatürk᾽ün Hatıra Defteri, hg. v. Şükrü Tezer (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1972), 75.

Anmerkungen

7 Mark R. Thompson, „The Survival of ‚Asian Valuesʻ as ,Zivilisationkritikʻ“, Theory and Society 29/5 (2000): 651–686.

261

21 Siehe etwa Abdullah Cevdet, „Tesettür Mes᾽elesi“, Mehtab 4 (14. August 1911): 29–31; Selâhaddin Âsım, „Tesettür ve Mahiyeti“, İctihad 100 (16. April 1914): 2255–2258; „Tesettür Mes᾽elesine Cevab“,Sırat-ı Mustakim 6/156 (31. August 1911): 413–417; Mehmed Fahreddin, „Medeniyet-i İslâmiye᾽den Bir Sahife yahud Tesettür-i Nisvân“, Sırat-ı Mustakim 6/141 (18. Mai 1911): 164–165ff. 22 „Konya Kadınları ile Konuşma, 21.III.1923“, 149–150, und „Kastamonu᾽da İkinci Bir Konuşma, 30.VIII.1925“, 219–220, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 2. 23 C.H.P. Dördüncü Büyük Kurultayı Görüşmeleri Tutulgası, 9–16 Mayıs 1935 (Ankara: Ulus Basımevi, 1935), 144–148, 151–152, 154–155. 24 „Konya Kadınları ile Konuşma, 21.III.1923“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 2, 153. 25 Belkıs Şevket, „Tayarân Ederken“, in Nevsâl-i Millî, hg. v. T. Z. (Istanbul: Artin Asadoryan, 1330 [1914]), 438–440. 26 Siehe Sabiha Gökçen, Atatürk᾽le Bir Ömür, hg.  v.  Oktay Verel (Istanbul: Altın Kitaplar Yayınevi, 1994), 135ff. 27 „Gazi Hz.nin Beyanatı: Reisicumhur Hz. Evvelki Akşam Başmuharririmizi Kabul Buyurdular“, Cumhuriyet, 3. August 1932. 28 Birinci Türk Tarih Kongresi Konferanslar Müzakere Zabıtları (Ankara: Maarif Vekâleti, 1932), 50–51.

Anmerkungen

29 Yaprak Zihnioğlu, Kadınsız İnkılap Nezihe Muhiddin, Kadınlar Halk Fırkası, Kadın Birliği (Istanbul: Metis Yayınları, 2003), 147–149.

262

30 Nermin Abadan-Unat, „Social Change and Turkish Women“, in Women in Turkish Society, hg. v. Nermin Abadan-Unat (Leiden: Brill, 1981), 19. 31 Leila J. Rupp, „Challenging Imperialism in International Women’s Organization, 1888– 1945“, in Identity Politics in the Women’s Movement, hg. v. Barbara Ryan (New York: New York University Press, 2001), 249. 32 Zihnioğlu, Kadınsız İnkılap, 258. 33 Agâh Sırrı Levend, Türk Dilinde Gelişme ve Sadeleşme Evreleri (Ankara: Türk Dil Kurumu Yayınları, 1960), 153–158. 34 A. a. O , 360. 35 A. a. O , 363–364. 36 Siehe „Latin Harfleri“, Hürriyet-i Fikriye 7 (2. April 1914): 15ff.; und Kılıçzâde Hakkı, „İzmir İktisad Kongresi᾽nde Harfler Mes᾽elesi“, İctihad 154 (1. Juni 1923): 1375. 37 Nuyan Yiğit, Atatürk᾽le 30 Yıl İbrahim Süreyya Yiğit᾽in Öyküsü (Istanbul: Remzi Kitabevi, 2004), 20–21; Uluğ İğdemir, Atatürk᾽ün Yaşamı, Bd. 1, 1881–1918 (Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, 1980), 23–25. Ben-Jehudas Sohn gibt eine abweichende Darstellung dieses Austauschs; siehe Jacob M. Landau, Jews, Arabs, Turks Selected Essays (Jerusalem: Magnes Press, 1993), 197–198. 38 Levend, Türk Dilinde Gelişme, 397. 39 „Türk Yazı İnkılâbı Hakkında Konuşma, 8.VIII.1928“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 2, 254. François Georgeon hat darauf hingewiesen, dass die von Mustafa Kemal bei dieser Gelegenheit für das arabisch-persische Alphabet gebrauchte Metapher eines „stählernen Rings“ bereits 1883 von Ernest Renan verwendet worden war, der bei einer Konferenz zum Thema L’Islamisme et la Science an der Sorbonne die Ansicht vertreten hatte, der Islam sei mit der modernen Wissenschaft unvereinbar (siehe François Georgeon, Des Ottomans aux Turcs Naissance d’une nation [Istanbul: Les Éditions Isis, 1995], 218–219). 40 „Türk Harfleri Kanunu“ (Gesetz No. 1353 vom 3. November 1928), in Türkiye Cumhuriyeti Sicilli Kavanini, hg. v. Karakoç Sarkiz, Bd. 5 (Istanbul: Cihan Matbaası, 1930), 3–4.

41 „Takvimde Tarih-i Mebde᾽nin Tebdili Hakkında Kanun“ (Gesetz No. 698 vom 26. Dezember 1925), in Karakoç, ed., Sicill-i Kavânin, Bd. 2, 27. 42 „Günün 24 Saate Taksimine Dair Kanun“ (Gesetz No. 697 vom 26. Dezember 1925); a. a. O., 27. 43 „Ulusal Bayram ve Genel Tatiller Hakkında Kanun“ (Gesetz No. 2739 vom 27. Mai 1935), in Düstûr, III/16 (Ankara: Başvekâlet Matbaası, 1935), 1171. 44 Jürgen Habermas, „Modernity versus Postmodernity“, übers. v.  Seyla Ben-Habib, New German Critique 9/22 (1981): 9ff. [Bei dem zitierten Text handelt es sich um eine Übersetzung von Habermas’ Paulskirchen-Rede zur Annahme des Theodor-W.-Adorno-Preises der Stadt Frankfurt am 11. September 1980, „Die Moderne – ein unvollendetes Projekt“, abgedruckt etwa in Jürgen Habermas, Die Moderne – ein unvollendetes Projekt. Philosophischpolitische Aufsätze, 3. Aufl. (Leipzig: Reclam, 1994), 32–54 (Anm. d. Übers.)]. 45 Eine Analyse der sich daraus ergebenden späteren Entwicklung bietet Patrick Bartsch, Musikpolitik im Kemalismus. Die Zeitschrift „Radyo“ zwischen 1941 und 1949 (Bamberg: University of Bamberg Press, 2011). 46 Blanche Arral, The Extraordinary Operatic Adventures of Blanche Arral, hg. v. Ira Glackens und William R. Moran (Portland, Ore.: Amadeus Press, 2002), 200–203. 47 Osman Ergin, Türkiye Maarif Tarihi, Bd. 5 (Istanbul: Osmanbey Matbaası, 1943), 1520ff.; Gönül Paçacı, „Cumhuriyet᾽in Sesli Serüveni“, in Cumhuriyet᾽in Sesleri, hg. v. Gönül Paçacı (Istanbul: Tarih Vakfı, 1999), 25.

50 „Türk Yazı İnkılâbı Hakkında Konuşma, 8.VIII.1928“, in Atatürk᾽ün Söylev ve Demeçleri, Bd. 2, 255. 51 Yılmaz Aydın, Türkiye᾽nin Avrupa ile Müzik İlişkileri Işığında Türk Beşleri (Ankara: Müzik Ansiklopedisi Yayınları, 2003), 25ff. [Die Scènes turques sur des airs populaires de danses d᾽Anatolie, so ihr vollständiger Titel, sind beispielsweise in einer Einspielung des türkischen Pianisten Vedat Kosal erschienen (Anm. d. Übers.)]. 52 „Reisicumhur Gazi Hazretlerinin T.B.M. Meclisinin IVüncü Devre Dördüncü Toplantı Yılını Açış Nutku“, in Atatürk᾽ün T.B.M.M. Açık ve Gizli Oturumlarındaki Konuşmaları, Bd. 2, hg. v. Kâzım Öztürk (Ankara: Kültür Bakanlığı Yayınları, 1992), 1096–1097. 53 Atatürk ile Küğ Belgeler ve Veriler, hg. v. Gültekin Oransay (İzmir: Küğ Yayını, 1985), 49. Siehe auch „Alaturka Musikiye Paydos!“ Vakit, 2. November 1934; sowie John Morgan O’Connell, Alaturka. Style in Turkish Music (1923–1938) (Aldershot: Ashgate, 2013). 54 Michael H. Kater, Composers of the Nazi Era Eight Portraits (New York: Oxford University Press, 2000), 31ff.; sowie Bartsch, Musikpolitik im Kemalismus, 47ff., 248. 55 Füsun Üstel, „1920’li ve 30’lu Yıllarda ‚Millî Musikiʻ ve ‚Musiki İnkılabıʻ“, in Cumhuriyet in Sesleri, 48. 56 Sibel Bozdoğan, Modernism and Nation Building Turkish Architectural Culture in the Early Republic (Seattle: University of Washington Press, 2001), 223–225. 57 L. Funda Şenol Cantek, „Yaban“lar ve Yerliler Başkent Olma Sürecinde Ankara (Istanbul: İletişim Yayınları, 2003), 218–224. 58 Vincent Monteil, Iran ‚Petite Planète (Paris: Éditions du Seul, 1957), 13. 59 Sefa Şimşek, Bir İdeolojik Seferberlik Deneyimi Halkevleri, 1932–1951 (Istanbul: Boğaziçi Üniversitesi Yayınevi, 2002), 224–225. 60 Einen überaus anregenden Vergleich zwischen den beiden Fällen Türkei und Iran unternehmen Touraj Atabaki und Erik J. Zürcher, Men of Order Authoritarian Modernization under Atatürk and Reza Shah (London: I. B. Tauris, 2004).

Anmerkungen

48 Turan, Kendine Özgü Bir Yaşam, 126. 49 Bartsch, Musikpolitik im Kemalismus, 43.

263

61 Clifford Geertz, Islam Observed Religious Development in Morocco and Indonesia (Chicago: University of Chicago Press, 1971), 1ff. 62 Gotthard Jäschke, „Der Islam in der neuen Türkei. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung“, Die Welt des Islams 1/1–2 (1951): 168–169. 63 „Making France a Power for the Future-I“, National Interest Online, 17. April 2007; Zugriff am 9. Januar 2009 via http://www.nationalinterest.org/Article .aspx?id=14044.

Atatürk und kein Ende: Ein Fazit 1 Robert C. Tucker, „Personality and Political Leadership“, Political Science Quarterly 92/3 (1977): 383–393.

Anmerkungen

2 „Reisicumhur Kemal Atatürk᾽ün T.B.M. Meclisinin Vinci Devre Üçüncü Toplantı Yılını Açış Nutku“, in Atatürk᾽ün T.B.M.M. Açık ve Gizli Oturumlarındaki Konuşmaları, Bd. 2, hg. v. Kâzım Öztürk (Ankara: Kültür Bakanlığı Yayınları, 1992), 1135.

264

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 (S. 44):

Saloniki um die Jahrhundertwende. Quelle: IRCICA Fotoğraf Arşivi Merkez Derleme Koleksiyonu, no. 251. Abb. 2 (S. 55):

Die Kaiserliche Militärakademie von Konstantinopel während der letzten Jahre des 19. Jahrhunderts. Quelle: İ.Ü. Nadir Eserler Kütüphanesi, Yıldız Albümleri, no. 91011/0004. Abb. 3 (S. 58):

Freiherr Colmar von der Goltz und Mustafa Kemal bei Militärmanövern in Manastır (1909): (1) Freiherr Colmar von der Goltz; (2) Adjutant Major Mustafa Kemal. Quelle: Pertev Demirhan, Generalfeldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz. Das Lebensbild eines großen Soldaten. Aus meinen persönlichen Erinnerungen (Göttingen: Göttinger Verlagsanstalt, 1960), 112–113. Abb. 4 (S. 71):

Frontispiz und Titelseite von Ludwig Büchners Kraft und Stoff (hier aus der Auflage von 1888; das Buch erschien erstmals 1855). Abb. 5 (S. 78):

Die Aufteilung der ehemaligen europäischen Provinzen des Osmanischen Reiches nach den Balkankriegen von 1912/13.

Abb. 6 (S. 89):

Major Enver Bey (1908). Quelle: Resimli Kitab 4/22 (10. [23.] Juni 1326 [1910]): 817. Abb. 7 (S. 95):

Oberst Mustafa Kemal an den Dardanellen (1915). Quelle: http://www.tccb. gov.tr/sayfa/ata_ozel/fotograf/, Bild 3. Abb. 8 (S. 122)

Abbildungsverzeichnis

Echte Bolschewiki und Simulanten: Eine sowjetische Delegation in Ankara (1921). Quelle: Nachlass Clarence K. Streit (Clarence K. Streit Papers), Library of Congress, DLC/PP 1994: 064.150.

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Abb. 9 (S. 131):

Die Aufteilung des Osmanischen Reiches nach dem Vertrag von Sèvres (1920). Abb. 10 (S. 143):

Diese Postkarte aus dem Jahr 1922 zeigt Mustafa Kemal gemeinsam mit zwei anderen muslimischen Helden. V. l. n. r.: Scheich Aḥmad al-Sanūsī (gest. 1933), Feldmarschall Mustafa Kemal, Sultan Saladin (Ṣalāḥ ad-Dīn Yūsuf ibn Ayyūb, gest. 1193). Quelle: Nachlass Clarence K. Streit (Clarence K. Streit Papers), Library of Congress, DLC/PP 1994: 064.173. Abb. 11 (S. 154):

Die Türkei und die anderen Nachfolgestaaten des Osmanischen Reiches nach dem Vertrag von Lausanne (1923). Abb. 12 (S. 176):

Eugène Pittard beim Zweiten Türkischen Geschichtskongress (1937). Quelle: La Turquie Kemaliste 21–22 (Dezember 1937): 4. Abb. 13 (S. 192):

Die Titelseite von Mustafa Kemals Hauptwerk Nutuk (1927).

Abb. 14 (S. 197):

Präsident Mustafa Kemal bei der Arbeit in seiner Privatbibliothek in Çankaya (1931). Quelle: http://www.tccb.gov.tr/sayfa/ata_ozel/fotograf/, Bild 58. Abb. 15 (S. 213):

Sabiha Gökçen, eine der Adoptivtöchter Mustafa Kemals, in Fliegeruniform (1938). Quelle: La Turquie Kemaliste 30 (April 1939): 29. Abb. 16 (S. 219):

Abbildungsverzeichnis

Mustafa Kemal lehrt das neue Alphabet in Kayseri (1928). Quelle: Fotoğrafla Atatürk (Istanbul: Cumhuriyet, 1939) [Bild 101].

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Ta b e l l e n ü b e r s i c h t

Tabelle 1 (S. 124):

Mustafa Kemals Verwendung sozialistischer Terminologie, April 1920 bis Januar 1923. Quelle: Taha Akyol, Ama Hangi Atatürk (Istanbul: Doğan Kitap, 2008), 543. Tabelle 2 (S. 125):

Mustafa Kemals Verwendung sozialistischer Terminologie, Januar 1923 bis November 1927. Quelle: Taha Akyol, Ama Hangi Atatürk (Istanbul: Doğan Kitap, 2008), 546. Tabelle 3 (S. 125):

Mustafa Kemals Verwendung islamischer Terminologie, April 1920 bis Januar 1923. Quelle: Taha Akyol, Ama Hangi Atatürk (Istanbul: Doğan Kitap, 2008), 548. Tabelle 4 (S. 126):

Mustafa Kemals Verwendung islamischer Terminologie, April 1923 bis November 1929. Quelle: Taha Akyol, Ama Hangi Atatürk (Istanbul: Doğan Kitap, 2008), 549.

Hinweise zum Register

Die muslimischen Untertanen der osmanischen Sultane führten in der Regel keinen Familiennamen. Eine Person konnte zuerst einmal unter ihrem Eigennamen bekannt sein (z. B. „Mustafa“); sie konnte aber auch durch eine Kombination von Geburts- und Eigenname bezeichnet werden (z. B. „Ali Rıza“) oder durch die Verbindung eines Herkunftsadjektivs, das den Geburtsort bezeichnete, mit ihrem Eigennamen (z. B. „Langazalı Hüseyin Ağa“, also „Hüseyin Ağa aus Langaza“); durch eine Kombination eines Ehrentitels mit dem Eigennamen (z. B. „Çakırcalı Mehmed“) oder durch die Kombination eines Patronyms, das Rückschlüsse auf die Herkunft der jeweiligen Person zuließ, mit dem Eigennamen (z. B. „Sofuzâde Feyzullah“, also „Feyzullah, der von Sofu abstammt“). Den Kern bildet jedoch immer der Eigenname, gegebenenfalls ergänzt durch einen Geburtsnamen. In dem nachfolgenden Register sind die Namen osmanischer Muslime daher alphabetisch nach ihrem Eigennamen geordnet: „Ali Rıza“, nicht „Rıza, Ali“; „Hüseyin Ağa Langazalı“, nicht „Langazalı Hüseyin Ağa“; „Mehmed Çakırcalı“, nicht „Çakırcalı Mehmed“; „Feyzullah Sofuzâde“, nicht „Sofuzâde Feyzullah“. Eine Ausnahme stellen all jene Personen dar, die das Gesetz über die Einführung von Familiennamen vom 21. Juni 1934 beziehungsweise dessen Inkrafttreten am 1. Januar 1935 noch erlebten. Ihre Namen sind im Register in der folgenden Form aufgeführt: „Kansu, Şevket Aziz“ (nicht „Şevket Aziz“).

Register

Abbasidisches Kalifat/abbasidische Kalifen 150, 160; Zerstörung durch die Mongolen 159 ‘Abd al-Rāziq, ‘Alī 151 ‘Abd al-Salām, ‘Izz al-Dīn ibn 160 ‘Abduh, Muḥammad 166, 232; „Transvaal-fatwā“ von 210 Abdülaziz (osman. Sultan, reg. 1861–1876) 43 Abdülhamid II. (osman. Sultan, reg. 1876–1909) 43, 85f., 158, 189, 221; Opposition gegen den Personenkult um 57; Panislamismus von 47; Auflösung der osman. Abgeordnetenkammer durch 67 Abdullah Cevdet 74, 76, 209 Abdullah Pascha 62 Abdülmecid (osman. Sultan, reg. 1839–1861) 35, 37 Abdülmecid Efendi (letzter Kalif) 162, 158f. Adrianopel siehe Edirne Afghanistan 133 Afrika 48, 108, 121, 193, 205 Aga Khan III. 160 Ägypten, Britische Besetzung von 85; ʿulamā ͗ der Mamlukenzeit 148, 250 Anm.20 Ahmed Cemal Pascha 63, 87 Ahmed, Hafız (Großvater väter-

licherseits von Mustafa Kemal Atatürk) 38 Ahmed Muhtar Pascha, Gazi 86 Ahmed Niyazi 86 Akademie der Historischen Wissenschaften 109 Akses, Necil Kâzım 223 Al-Azhar-Universität (Kairo) 152 al-Bukhārī 23, 252 Anm.78 Al-Islām wa-usūl al-ḥukm (‘Abd al-Rāziq) 151, 250 Anm.27 al-Mahdiyya, Munīra 221 al-Māwardī 148 al-Sādāt, Muḥammad Anwar 86 al-Sanhūrī, ‘Abd al-Razzāq Aḥmad 251 Anm.33 al-Taftāzānī, Muḥammad al-Ghunaymī 225 Albaner 146, 217 Albanien 189, 203 Alexander (König von Griechenland, reg. 1917–1920) 137 Alexandrette (İskenderun) 108, 134 Alexandrette, Sandschak von 174 Ali Rıza (Vater von Mustafa Kemal Atatürk) 38–40 ‘Alī, Sayyid Amīr 160 „Alla Franca“ 33, 40 „Alla Turca“, auch alaturka 40, 222 Alliance Israélite Universelle 37

Verdrängung durch ein modifiziertes lateinisches Alphabet (modernes türkisches oder „Gazi-Alphabet) 77, 168, 178–186, 216–218 Ardahan 111f., 117 Armenien siehe Demokratische Republik Armenien Armenier 106, 108, 111, 114, 132; armenische Nationalisten 109 Arral, Blanche 221 Aserbaidschan 132, 157 Asian Football Confederation (AFC) 226 Asien 91, 108, 121, 176, 193, 203f.; siehe auch Zentralasien Asır („Das Jahrhundert“, Zeitung) 36 Asquith, Herbert 91 Atatürk, Mustafa Kemal 22f., 86, 87, 253 Anm.81; Abkehr vom Osmanismus 48; als Jungtürke 67, 70, 230; Annahme des Namens „Kemal“ 42f.; Bewunderung der Japaner 57; Gegnerschaft zu Islamismus und Bolschewismus 121, 163; Verleihung des Ehrentitels „Atatürk“ („Vatertürke“) 189; Geburtsumstände 38; Befürworter einer umfassenden Verwestlichung 50, 75; Kindheit und Erziehung 39–42; kosmopolitische Prägung 46; Tod 233; Kritik am Mythos 23; Spenden an die Gesellschaften für türkische Geschichte und Sprache 185; fatwā gegen 113; als Vorsitzender des Repräsentativkomitees der Vereinigung zur Verteidigung der Rechte in den Ostprovinzen 115f.; Gesundheitszustand 98; Ikonografie und Bildpropaganda, 189–191; Anführer im Kampf gegen eine Teilung der Türkei 112f.; Erbe in der heutigen Türkei 28, 200f., 234; Opposition

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Alliierte 100–103, 105, 116f., 120; diplomatische Zielsetzung nach dem Ersten Weltkrieg 108f., 111; siehe auch Dardanellen Allindische Muslimliga, Stellungnahme zum Tod von Mustafa Kemal Atatürk 142f. Allindisches Khilāfat-Komitee 120 Amanullah Khan (König von Afghanistan, reg. 1919–1929) 207 Anatolien (Kleinasien) 44, 48, 107f., 111f., 135, 150, 157, 202; Ägäische Regionen von 138; als Wiege der türkischen Zivilisation 208; Ostanatolien 111; Westanatolien 112, 139 Anatolier, Klischees über, Anatolier stereotyp 21; Abstammung der Anatolier von einer ‚brachykephalen Rasse’ 175 Anatolisch-Rumelische Gruppe zur Verteidigung der Rechte 130 Anatolisch-Rumelische Vereinigung zur Verteidigung der Rechte 115, 155; als provisorische Regierung in Anatolien 116 Anjumans (iranische Bauern- und Handwerkerräte) 114 Ankara 117, 140, 152; als Hauptstadt der Republik Türkei 157, 204; Streit um das offizielle Siegel der Stadt 199f.; städtebauliche Modernisierung 224; siehe auch Vertrag von Ankara (1921) 134 Ankaraner Staatskonservatorium 223 Anthropologie, rassenkundliche 174f., 230; Rolle bei der Schaffung einer neuen türkischen Identität 174–178; Anthropometrie 175 Araber 80, 99, 103, 108, 146, 150; anti-osmanische Stimmung 103 Arabischer Aufstand (1916) 73, 97 Arabisch-persisch-osmanische Schrift,

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gegen den Imperialismus 121; Opposition gegen den Personenkult um Abdülhamid II 57; Panislamismus 119f.; Personenkult um 200; Faible für europäische Kleidung 76; als „Retter und Gazi“ 170; Statuen 190; Ehrentitel 152, 191, 200; als türkischer Nationalist 105, 132, 143–145; Werke: Nutuk („Die Rede“) 156, 185, 191; Vatandaş İçin Medenî Bilgiler („Bürgerkunde für den Staatsbürger“), 186f.; siehe auch Atatürk, Mustafa Kemal, und die Begründung der Türkischen Republik; Atatürk, Mustafa Kemal, geistige Entwicklung; Atatürk, Mustafa Kemal, militärische Ausbildung und Karriere; Atatürk, Mustafa Kemal, politische Karriere und diplomatische Erfolge;Atatürk, Mustafa Kemal, als Reformer; Atatürk, Mustafa Kemal, Werke über Atatürk, Mustafa Kemal, als Reformer 207–210, 221–226; Einführung des Gregorianischen Kalenders 168, 218, 220; Abschaffung der arabisch-persisch-osmanischen Schrift , auch arabisch-persisch 77, 168, 178–186, 216–218; Schließung der Derwisch-Tekken 165; Konzept einer neuen Zivilreligion 185–187; Konflikte mit dem Islam 232–233; Einführung einer „ästhetischen Moderne“ in der Türkei 220; Hutreform/„Hutgesetz“ (1925, Abschaffung des Fes) 168, 210f.; Gesetz über die Einführung von Familiennamen (1934) 216; Reform der traditionellen türkischen Musik 221–223; Ersetzung der Majalla durch das Schweizerische Zivilgesetzbuch 77, 211; Emanzipation der Frau und Abschaffung

des Schleiers 211–215; Islam als Quelle der Modernisierung 77–80 Atatürk, Mustafa Kemal, geistige Entwicklung 26–28, 240 Anm.8, 240f. Anm.11, 241 Anm.12, 254 Anm.11, 196–198, 229–231; Glaube an eine übergeordnete, „Weltzivilisation“ 210; Entwicklung der türkischen Geschichtsthese 185, 205; Einfluss des (Sozial-)Darwinismus, 71, 157, 170–172, 229f.; Einfluss von: Alfred Cort Haddon 174f., 255 Anm.22; Émile Durkheim 185–187., 232, 258 Anm.78; Eugène Pittard 175f.; George Montandon 175, 255 Anm.23; Gustave Le Bon 63f., 127; Ernest Renan 186f., 258 Anm.79, 262 Anm.39; H. G. Wells 253 Anm.85, 171, 254 Anm.7; John StuartMill 253 Anm.87; Joseph de Guignes 149, 250 Anm.24; Léon Cahun 82;Leone Caetani 144; Mehmed Emin (Yurdakul) 83; Einfluss der Reformation auf Atatürks politisches Denken 163f.; Einfluss von Szientismus und Vulgärmaterialismus 68–71, 79 144f.; Einfluss der „Verwestlicher“ 75, 77, 143f., 208; Interesse am Ursprung der Sprache 178–185, 256 Anm.48, 257 Anm.69; Interesse an Rassenkunde 174f.; Einstellung gegenüber Kommunismus und Bolschewismus 121, 123; Ansichten zur Religion 28, 70–73, 80, 157f., 162–164; als spiritus rector der türkischen Sprach- und Geschichtsthesen 185f.; als Utopiker 229–231; Interpretation der Aufklärung 188 Atatürk, Mustafa Kemal, militärische Ausbildung und Karriere: Kommandeur in Edirne und Diyar-ı Bekir 96; Oberbefehlshaber der türk.,

Staaten 133; revisionistisches Geschichtsbild 173f. Atatürk, Mustafa Kemal, und die Begründung der Türkischen Republik 145f.; Versuche, Atatürks Ideen in eine kohärente Ideologie zu überführen 193–196; Errichtung einer säkularen Republik 167f.; die Dritte Französische Republik als Vorbild der Türkischen Republik 147f.; Trennung von Sultanat und Kalifat 152 Atatürk, Mustafa Kemal, Werke über: Biografien 23; Quellenmaterial und Quellenmangel 25f.; Saloniker Herkunft 43–45; türkische Geschichtsschreibung 24; Einzelstudien zu diversen Themen 24f. Atatürk-Gedenktag 113 Atatürkismus 14, 234 Atatürkistisches Gedankensystem, Lehrstoff an türkischen Militärschulen 200f. Aufklärung 170, 230 Australien 92f. Autarkie 259 Anm.96 Aydemir, Şevket Süreyya 192f. Aykut, Şeref 196 Bagdad 51 103 Balkan 35, 85, 146; siehe auch Balkankriege Balkankriege (1912/13) 61f., 64, 75, 87, 117, 175, 203; Erster Balkankrieg (1912) 48 Banque de Salonique 35 Banque Impériale Ottomane 35 Barenton, Hilaire de 179 Batumi 117 Bay Önder („Herr Führer“ [Akses]) 223 Bayar, Celâl 200 Baibars (Mamlukensultan, reg. 1260–1277) 160

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Streitkräfte während der griech. Invasion 137f.; Kommandeur der 2. Armee 97; Kommandeur der 7. Armee in Syrien 98f.; Einsatz bei Gallipoli 91–93 Kritik an der osman. Militärführung 94, 96; Erziehung an Militärschulen 41–43, 51; Militärattaché für Bulgarien, Serbien und Montenegro 65; militärische Erfolge 96f., 99f.; Opposition gegen deutsche Militärreformer 57; Beförderung zum Feldmarschall 140; Rückeroberung von Muş und Bitlis 96; Kadett an der Kaiserlich-Osmanischen Militärakademie 51; Meinungen zur Rolle des Militärs in der Gesellschaft 64f. Atatürk, Mustafa Kemal, politische Karriere und diplomatische Erfolge 130, 132, 136f., 227f.; autoritärer Charakter seiner Politik 227f., 233f.; Ablehnung des Sozialismus bei gleichzeitigem „rhetorischen Sozialismus“ 121–123; gesellschaftspolitisches Umgestaltungsprogramm 156; Beziehungen zu Italien 135f.; Ziel einer Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten 136; diplomatische Probleme mit den Alliierten 133f.; diplomatischer Triumph mit Friedensvertrag von Lausanne 153; erster Präsident der Türkischen Republik 157; Gründung der Volkspartei (später Republikanische Volkspartei), 155; Idealisierung der Französischen Revolution und eines populistischen Republikanismus 126–128 Verhandlungen mit und Beziehungen zu der Sowjetunion 123, 132f. Personenkult 189–191; Beziehungen zu muslimischen

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Beirut 35 Belkıs Şevket 212 Ben-Jehuda, Eliezer 218 Berliner Kongress (1878) 31, 47, 202 Berr, Henri, Herausgeber der Reihe L’Évolution de l’Humanité 172, 254 Anm.11 Beşir Fu’ad 70 Biosoziologie 194f. Bitlis, Einnahme durch die Russen 96 Bolschewismus/Bolschewiki 93, 102, 111, 130, 145, 194; siehe auch Kommunismus Le Bon, Gustave 63f., 230, 240 Anm.32; Abneigung gegenüber der Französischen Revolution 127; Einfluss auf Mustafa Kemal 63f. Bonomi, Ivanhoe 135 Bosnien, nationalistische Erhebungen in 47 Boule, Pierre-Marcellin 175 Bourbourg, Brasseur de 184 Bourgeois, Léon 194 Briand, Aristide 134 Büchner, Ludwig 68, 70, 168, 230 Bulgaren 81, 221 Bulgarien 31, 47, 88, 110, 117; Annexion Ostrumeliens durch 85; Ansprüche makedonischer Bulgaren auf Saloniki 47; Gewalt zwischen Muslimen und Christen in 47; „Bulgarische Gräuel“ 107 Būrqība, Habīb 233 Bursa 51, 139, 147 Caetani, Leone 144, 249 Anm.3, 144 Çağlar, Behçet Kemal 196 Cahun, David-Léon 82, 179 Canonica, Pietro 190 Carlyle, Thomas 72 Carmen (Bizet) 221 Çelikalay, İsmail Şükrü 159

Central National Mohammadan Association (Indien) 160 Chanakkrise (Çanakkrise) 141 Christen 205; Spannungen zwischen Muslimen und, 33, 46f. Churchill, Winston 89, 93, 116; Meinung zu Mustafa Kemal 140 Churchward, James 230; wichtigste Studien 184; „Psychoarchäologie,” 183 Cicero 36 Clemenceau, Georges 153; schwindende Sympathien für das Komitee für Einheit und Fortschritt (KEF) 107f. Combes, Émile 168 Comte, Auguste 227 Conflict between Religion and Science (Draper) 69 Convention nationale (Frankreich, 1792–1795) 129 Cumhuriyet („Die Republik“, Zeitung) 214 Damaskus, 11, 51, 81, 119, 203 Dardanellen, Schlacht bei den 90f.; alliierte Landeoperation bei Gallipoli 92f.; alliierte Schiffsverluste 92; Anerkennung der osman. Leistung 93f.; Gesamtzahl der Opfer 92 Darwinismus 68f., 170–172, 177 Darwin’sche Biogeografie 174f.; siehe auch Sozialdarwinismus Das Volk in Waffen (von der Goltz) 53f. Demokratische Republik Armenien (vormals Teil des russischen Zarenreiches) 104, 111f. Demokratische Republik Georgien 112 Deutschland 90, 110 Die Dämonen (Besy [Dostojewski]) 68 Die Gegenwart (dt. Zeitschrift) 69 Die Natur (dt. Zeitschrift) 69 Die Tat (dt. Zeitschrift) 192

Ece, Keriman Halis 214 Edirne (Adrianopel) 51, 86, 139, 202f. El Lunar („Der Monat“, Zeitung) 36 Ellison, Grace 195 Enseignements psychologiques de la guerre européenne (Le Bon) 64 Entente, Entente-Mächte 111f., 137 Enver Bey siehe İsmail Enver Pascha Enver Pascha siehe İsmail Enver Pascha Ereğli, Steinkohleabbau bei 135 Eritrea 85 „Erste Gruppe“ 130; als „Wohlfahrtsausschuss“/Comité de salut public 130; siehe auch Anatolisch-Rumelische Gruppe zur Verteidigung der Rechte Erster Weltkrieg 57, 62, 82, 87f., 92, 99, 103, 107, 136, 138, 142, 158, 203, 217, 228; siehe auch Dardanellen Erzurum 51, 117; Einnahme durch die Russen 96; siehe auch Kongress von Erzurum (1919) Eşref Edib siehe Fergan, Eşref Edib Essai sur l’inégalité des races humaines (Gobineau) 174 Ethnologie, Klassischer Diffusionismus 173f.

ethno-racisme 175 Eugenik 195 Europäische Türkei siehe Rumelien Europäische Union (EU) 225f. Falkenhayn, Erich von 97 Familiennamen siehe Gesetz über die Einführung von Familiennamen (1934) Faschismus in Italien 194 Fedajin („die Opferbereiten“, Spezialeinheit des KEF) 97 Fergan, Eşref Edib 159 Ferry, Jules 168 Fes, Verdrängung durch europäische Hutmode (sog. „Hutreform“) 168, 210f. Feyzullah, Sofuzâde 38 Fortschrittliche Republikanische Partei 155 Fouillée, Alfred 147, 194, 249f. Anm.13 Frankreich 106f., 128, 134; Errichtung eines De-facto-Protektorats um Tunis 85; Verhandlungen mit der Türkei nach dem Ersten Weltkrieg 134f.; Sieg der laïcité (1905) 168; Dritte Republik als Vorbild für die Türkische Republik 147 Französische Revolution (1789–1799) 126f., 130, 193 Freimaurer 67 Freud, Sigmund 182 Friede von Brest-Litowsk (1918) 102 Fruchtbarer Halbmond 146 Fu’ād (Sultan von Ägypten, reg. 1917–1922; König von Ägypten, reg. 1922–1936) 162 „Fünfzehner“ (osman. Soldaten im Ersten Weltkrieg) 220 Gandhi, Mohandas („Mahatma“) 120 Geertz, Clifford 225

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Din Yok Milliyet Var: Benim Dinim, Benim Türklüğümdür („Es gibt keine Religion, nur die Nationalität: Mein Türkentum ist meine Religion“, Barkın) 80 Dönme 30; siehe auch Saloniki, sabbatianische Dönme-Gemeinde in Dostojewski, Fjodor Michailowitsch 68 Dozy, Reinhart 72, 241 Anm. 21 Draper, John William 69 Duckworth, John Thomas 90 Durkheim, Émile 79, 185 Durrës 202 Duruy, Jean-Victor 34

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Gemeinschaftsräume (republ. Reformeinrichtung) 224 George, David Lloyd, 103, 107f., 135, 153; Unterstützung Griechenlands gegen die Türkei 137; als „der Mann, der den Krieg gewann“ 107 Georgien siehe Demokratische Republik Georgien Georgier 111 Gerassimow, Michail 178 Gesellschaft für osmanische Freiheit 81 Gesellschaft zur Erforschung der türkischen Geschichte (später Türk Tarih Kurumu, „Türkische Historische Gesellschaft“) 172, 177, 185 Gesellschaft zur Erforschung der türkischen Sprache (später Türk Dil Kurumu, „Institut für die türkische Sprache“) 179f., 196 Gesetz über die Einführung von Familiennamen (1934) 216 Gide, Charles 147 Giolitti, Giovanni 135 Gladstone, William Ewart 107 Gobineau, Comte de 174 Gökçen, Sabiha (Adoptivtochter von Mustafa Kemal) 212 Goltz, Colmar von der 53f., 57f., 63f., 87, 93 Gonce-i Edeb („Die Knospe der Gelehrsamkeit“, Zeitschrift) 36 Grey, Edward 104 Griechen 81, 105, 108f., 132, 173f.; griechische Nationalisten, 109; Ähnlichkeiten zwischen der griechischen und der türkischen „Rasse“ 175 Griechenland 85, 104, 117, 136, 174; und die Megali Idea („Große Idee“) des griechischen Irredentismus 137; Invasion Kleinasiens (1919) 137f.; Unabhängigkeitskrieg gegen das

Osmanische Reich (1821) 31; siehe auch Griechisch-Türkischer Krieg (1919‑1922) Griechische Orthodoxie 31; und das Bulgarische Exarchat 31 Griechisches Gymnasium (Saloniki) 37 Griechisch-Türkischer Krieg (1919– 1922) 134–138; Opferzahlen 140; griechische Offensive gegen die türkische Westfront 139f.; Rolle türkischer Milizen und Freischärler 139 Großbritannien 105f., 117, 135; und das Komitee für Einheit und Fortschritt (KEF) 111; Besetzung Ägyptens 85; Unterstützung Griechenlands gegen die Türkei 105, 136; siehe auch Chanakkrise (Çanakkrise) Große Nationalversammlung (später Große Türkische Nationalversammlung) 118, 131, 133, 140, 150, 167, 218; Abschaffung des Sultanats 129; Ernennung Mustafa Kemals zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte 129; Alkoholverbot 118; Verleihung des Titels „Atatürk“ an Mustafa Kemal 189; als „verfassunggebende Versammlung“ 128; Bestätigung einer fatwā zur Absetzung Mehmeds VI. als Kalifen 151f.; islamische Prägung 118; Initiative zur Trennung von Sultanat und Kalifat 148f.; Regierung ohne politische Parteien 129f.; Beschluss zur Abschaffung des Kalifats 161f.; weibliche Abgeordnete 214f. Grundlegendes Organisationsgesetz (1921) 128f. „Gruppe des Volkes“ 130 „Gruppe Reform“ 130 „Gruppe Solidarität“ 130 Guignes, Joseph de 149, 250 Anm.24

Habermas, Jürgen 220 Haddon, Alfred Cort 174f., 255 Anm.25 Haeckel, Ernst 171 Hā’il 103 Hakimiyet-i Milliye („Nationale Souveränität“, Zeitung) 127 Hamidisches Regime; auch „hamidische Ära, Herrschaft, Ideologie“ 107, 114, 138, 189, 212 Hanbalī-Recht 80 Hanımlara Mahsus Gazete („Zeitung für die Dame“, Zeitschrift) 214 Harb Mecmuası („Kriegsanzeiger“, Zeitschrift) 94 Hasan Tahsin Pascha 61 Hayes, Carlton 83 Hedschas 97, 99, 103 Herakleia Pontikē siehe Ereğli Hermes (Zeitung) 36 Herzegowina, nationalistische Aufstände in der 47 Hethiter 177, 198 L’Heureux, Marie-Anne 209 Hier et Demain (Le Bon) 64 Hilâfet-i İslâmiye ve Büyük Millet Meclisi („Das islamische Kalifat und die Große Nationalversammlung“, Eşref Edib) 159; Gegenschrift von Mehmed Seyyid 159f. Hindemith, Paul 223 Hindenburg, Paul von 100 Hirsch, Maurice de, Baron (Moritz Freiherr von Hirsch auf Gereuth) 37 Histoire de la civilisation en Europe (Guizot) 74 Histoire générale des Huns, des Turcs, des Mogols et des autres Tartares occidentaux (de Guignes) 149, 250 Anm.24

Hodscha (Hoxha), Enver 86 Holbach, Baron d’ 70, 163, 168 Hür Fikir („Freies Denken“, Zeitschrift) 163 Ḥusayn ibn ‘Alī (Scherif von Mekka) 72, 162 Hüseyin Ağa, Langazalı 41 Huxley, Thomas Henry 171, 177, 230 İbrahim Edhem Pascha 86 İctihad (etwa „Urteilsfindung“, Zeitschrift) 72f., 163 Imperialismus 121, 142 İnan, Ayşe Âfet (Adoptivtochter von Mustafa Kemal) 25f., 175, 214 Indischer Nationalkongress, 104 İnönü, İsmet 66, 105, 160, 195; Ernennung Mustafa Kemal Atatürks zum „Ewigen Führer“ 200 Institut für die Geschichte der Türkischen Revolution 194 Internationale Frauenallianz, 12. Kongress (1935) 215 Introduction à l’histoire de l’Asie: Turcs et Mongols; des origines à 1405 (Cahun) 82 Ioannina 202 Iqbal, Muhammad 142 İrade-i Milliye („Nationaler Wille“, Zeitung) 127 Irak 103, 150 Iran 150, 204, 224 Islam 30, 69, 76, 160, 163, 186, 202, 218, 225; als „arabische Religion“ 80, 145; Versuche einer Rekonstruktion als materialistische Philosophie 72f.; zentrale Stellung in der osman. Kultur 73f.; Konflikte mit der Modernisierung 232f.; gesellschaftliche Verflechtung 165f.; Panislamismus 47, 143; als Quelle der Modernisierung 77–80; Theorien über die Entstehung

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Guizot, François 74 Guyau, Jean-Marie 72

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des 72; Türkifizierung des 80, 163, 166 İsmail Enver Pascha 61–65, 87f., 94, 100, 123, 153, 217; Verachtung für Mustafa Kemal 65 Istanbul 32, 35, 91, 157, 202 Istanbuler Konservatorium, Städtisches (zuvor das osmanische Darü’l-elhân [„Haus der Melodien“]) 221 Italien 85, 104, 135, 173 İzmir (Smyrna) 35; griechische Besetzung von 112f., 138

300

Jam‘īyyat al-‘Ulamā’ 161 Janitscharen 55, 60 Japan 83; Angriffsethik des kōgeki seishin („Kampfgeist“) 87; (Staats-)Shintoismus 186 Jemen 103 Jollivet, Gaston 209 Juden 47, 72; aschkenasische Juden 30, 204; Vertreibungen aus Spanien und Portugal in das Osmanische Reich 29; sephardische Juden 30; siehe auch Alliance Israélite Universelle Judentum 144 Julikrise 88 Jungtürken 67, 70, 83, 104, 231; und der Vulgärmaterialismus 67f.; Einfluss des Türkismus auf 80f.; Stellung zum (christlichen) Westen und zur Verwestlichung des Osmanischen Reiches 74f. Jungtürkische Revolution (1908) 24, 60f., 73, 81, 85f., 114, 130, 220 Kadro („Kader“, Zeitschrift), 192f., 259 Anm.96 Kaiserlich-Osmanische Bank siehe Banque Impériale Ottomane Kaiserlich-Osmanische Hofkapelle

(später „Sinfonieorchester des Präsidenten der Republik“) 221 Kaiserlich-Osmanische Medizinische Hochschule 69 Kaiserlich-Osmanische Militärakademie 51–53, 59, 70 Kalifat, Abschaffung durch Mustafa Kemal 158–162; Bedeutung für das türkische Volk 158f.; Trennung vom Sultanat 147–151,159 Kamâlism (Aykut) 196 Kamu, Kemalettin 196 Kâmûs-i Türkî (Şemseddin Sami Frashëri) 181 Kansu, Şevket Aziz 176f., 194 Kapitalismus 121, 193 Kars 111f., 117 Kaukasus 87f., 91, 97, 102, 120, 150; russischer Kaukasus 133 Kayseri 219 Kemal Yeri („Kemals Stätte“) 94 Kemalismus 194, 198f., 234; als ideologische Grundlage militärischer Putschversuche (1960, 1971, 1980 und 1997) 200; als Mustafa Kemals bleibendes Vermächtnis 200f. „Nationalkemalismus” 194; als „die Religion des Türken“ 196f.; Linkskemalismus, auch Linkskemalisten, linkskemalistisch 195; Rechtskemalismus, auch Rechtskemalisten, rechtskemalistisch 195 Khilāfat-Bewegung 120, 162 Khilāfat-Konferenz 152 Kılıçoğlu (Kılıçzâde), İsmail Hakkı 74, 77 Komintern 123 Komitee für Einheit und Fortschritt (KEF) 54, 60, 62, 69, 79, 86, 100, 103, 109–113, 130, 138, 155,169, 189, 231, 233; Einfluss von Gustave Le Bon 64; Verbindungen zum

L’Anatolie, le pays de la “Race” turque: Recherches sur les caractères anthropologiques des populations de la Turquie: Enquête sur 64,000 individus (İnan) 176 L’Aurore (Zeitung) 107 L’Origine des langues, des religions et des peuples (de Barenton) 179

La Langue étrusque; sa place parmi les langues (de Vaux) 179 La Psychologie de quelques éléments des langues turques (Kvergić) 182 La Turquie Kemaliste (Kamâliste) (Zeitschrift, Ankara) 209 laïcité 147, Verankerung in der türkischen Verfassung (1937) 167f. Landwirtschaftsbank (Ziraat Bankası) 35 Lausanne siehe Vertrag von Lausanne (1923) Le Bon sens (Baron d’Holbach) 163 Le Déséquilibre du monde (Le Bon) 64 Le Fil de l’épée (de Gaulle) 64 Le Radical (Zeitung) 107 Lenin, Wladimir Iljitsch 227 Les Turcs anciens et modernes (Mustafa Celâleddin Pascha) 178 Lewis, Geoffrey 185 Lodge, Henry Cabot 106 Lois psychologiques de l’évolution des peuples (Le Bon) 64 Luther, Martin 164 Lyssenkoismus siehe Mendel’scher Lyssenkoismus MacArthur, Douglas 24f. Machiavelli, Niccolò 146 Mahathir bin Mohamad, Eintreten für „asiatische Werte“ 206 Mahmud II. (osman. Sultan, reg. 1808–1839) 210 Majalla (osman. Rechtssystem) 77 Makedonen (antik) 29f. Makedonien (Region) 31, 47, 50, 81, 138f.; Ansprüche makedonischer Bulgaren und der Griechen auf Saloniki 47; Bedeutung für das Osmanische Reich 202f. Makedonier (neuzeitlich) 30f., 47, 81 Malik Şah (seldschuk. Sultan, reg. 1072–1092) 150

Register

osman. Militär 60f.; Ursprünge 69; und der Türkismus 81f., 172 Komitee für osmanische Einheit 69 Kommission für sharīʿa und Justiz 149 Kommunismus 121; Verwendung durch das KEF 122f. Kommunistische Partei der Türkei (TKP) 123 Kommunistische Partei der Türkei (regimetreue Neugründung), mit der Gründung einer „offiziellen“ 123 „Kongress der Völker des Ostens“ (Baku, 1920) 122 Kongress von Erzurum (1919) 114, 116f., 128 Kongress von Sivas (1919) 115–117, 128, 136 Konstantin (König von Griechenland, reg. 1913–1917 und 1920–1923) 137 Konya 203 Koran 144f., 225; moderne Interpretation 166; türkische Übersetzung 164f., 252 Anm.78 Rassismus 175, 199 Kraft und Stoff (Büchner) 68, 70, 240f. Anm.11 Kreiser, Klaus 26 Krimkrieg (1853–1856) 85, 87 Krippel, Heinrich 190 Kurden 104, 108, 120, 132, 146 Kuwait 85 Kvergić, Hermann Feodor 182f., 230 Kyrenaika 48, 61, 65, 86, 208 Kyrill (Heiliger) 36

301

Register 302

Manastır 35, 43, 202; militärische Oberschule 51 Mango, Andrew 26 Marx, Karl 227 Marxismus-Leninismus 145 Massawa 85 Materialismus 67f., 83, 229; spätosman. Variante des 68; türkische Zeitschriften 50–51; Triumph der Wissenschaft über die Religion 69; siehe auch Vulgärmaterialismus Mazedonien (Republik), dem heutigen Bitola in 43 Mecelle-i Mu‘allimîn („Allgemeine Lehrerzeitung“, Zeitschrift) 36 Mehmed II. (osman. Sultan, reg. 1444–1446 und 1451–1481) 158 Mehmed VI., Vahideddin (osman. Sultan, reg. 1918–1922) 98, 150, 151 Mehmed Efe, Çakırcalı 138 Mehmed Seyyid, Çelebizâde 159f., 161f. Mendel’scher Lyssenkoismus 172 Mendelssohn, Moses 187f. Menschheitsgeschichte, revisionistische Interpretation der 173; Mesopotamien 93, 96 Metternich, Klemens Wenzel von 32 Mevlid (Çağlar) 196 Mexiko 184 Mezra‘a-i Maarif („Das Feld der Erziehung“, Zeitschrift) 36 Mill, John Stuart 253 Anm.87 Millerand, Alexandre 134 Ministerium für sharīʿa-Angelegenheiten und fromme Stiftungen 151, 161 Miss-Türkei-Wettbewerb 214 Mittelmächte 107, 110 Mittelmeer-Expeditionskorps (Mediterranean Expeditionary Force), auch „alliiertes Expeditionskorps“ 92, 94 Moleschott, Jacob 68

Montandon, George 175 Montesquieu 126 Morgan, Jacques Jean-Marie de 172 Mossul 104, 153 Mu῾āwiya I. (umayyad. Kalif, gest. 680) 169 Muḥammad (Prophet) 23, 45, 144, 150, 159, 195f., 220; angebliche „muskuläre Hysterie“ 72, 241 Anm.22 Muḥammad Ali Pascha 103 Muş, Einnahme durch die Russen 96 Musavver Cihan („Illustrierte Welt“, Zeitschrift) 69 Musée d’Ethnographie de Genève 175 Muslime 30, 114f., 152, 205; und der Kommunismus 121; Einfluss auf Elementarschulen in Saloniki 37f.; Indische Muslime 120,152; nichtarabische osmanische Muslime 111; Widerstand gegen die Tanzîmât-Reformen durch muslimische Unterschichten und Kleriker 33f.; in Rumelien 45; Sunniten 148, 152, 158; Spannungen zwischen Christen und Muslimen 33, , 47; Transfer der wirtschaftlichen Macht von Muslimen zu Nichtmuslimen 49f. Muslimischer Völkerbund, Idee für einen, muslimisches Gegenstück 152 Mustafa Celâleddin Pascha 178 Namık Kemal 43 Narodniki 63 Nationalismus 196, 230; antinationalistische Organisationen 116; neu-merkantilistischer 192;separatistischer 81; siehe auch Nationalismus, türkischer

Oktoberrevolution siehe Russische Revolution von 1917 Ömer Naci 82 On Liberty (Mill) 253 Anm.87 „Organisation Vaterland und Freiheit“ 81

Osman Pascha, Gazi 86, 100 Osmanische Abgeordnetenkammer 67, 118 Osmanische Verfassung (1876) 128 Osmanischer Roter Halbmond 109 Osmanisches Kalifat 120 Osmanisches Reich 29, 69, 228, 233; Verhältnis zu Bulgaren und Makedoniern 31, 47; Wirtschaftsleben 49f.; Zusammenbruch 102f.; europäische Prägung und Streben nach Europa 43f.,74–77, 203f., 227, 232; Friedensschluss mit den Alliierten (1920) 102; Zeit der Zweiten Verfassung (1908–1918) 81,145, 149, 163, 204, 208, 217, 228, 231; als „kranker Mann am Bosporus“ 202, 261 Anm.1; Schwächung durch den Russisch-Osmanischen Krieg (1877–78) 85; Frauenbewegung im spätosman. Reich 212, 215f.; siehe auch Osmanisches Reich, Militär und Konflikte; Osmanisches Reich, Tanzîmât-Reformära (1839–1876) Osmanisches Reich, Militär und Konflikte, Armee (im späten 19. Jh.) 60f.; politischer Einfluss des osman. Militärs 53f.; Türkismus unter osman. Offizieren 54; Reformimpulse innerhalb, des osman. Militärs 61–63; Erfolge im Ersten Weltkrieg 62; Militärreformen 54, 56, 77f. Osmanisches Reich, Tanzîmât-Reformära (1839–1876) 31–34, 54, 118, 198, 217; Bildungsreformen 34–37; Auswirkungen der Reformen in Saloniki 37f.; Provinzgesetz (1864) 35; Verordnung zur öffentlichen Bildung (1869) 34; Nebeneinander von Alt und Neu in der Reformära 45f.; Widerstand, gegen die Reformen 33

Register

Nationalismus, türkischer 80, 134, 135f., 198; und die Kurden 120; und Mustafa Kemals neue Zivilreligion 185–187 ; neuer 170f., 185f., 206, 208; Durchführung von Wahlen aufgrund von 116f.; Rolle einer staatlich gelenkten Geschichtswissenschaft, 171f.; Unterstützung durch Muslime in Zentralasien und Indien 119f.; Ulusalcılık (Neonationalismus) 199; siehe auch Nationalismus und türkische Sprachdebatte; Türkische Teilung, Widerstand gegen Nationalismus und türkische Sprachdebatte 178–185, 216–218; amerikanische Sprachen 184; Gruppe Genc Kalemler („Jungstifte“) 180; Vereinfachung des osman. Türkisch 180–182; „turanische“ Ursprünge der „arischen“ Sprachen in Frankreich 179; türkische Anthropologen auf der Suche nach der Ursprache 183; „Sonnensprachtheorie“ und Türkische Geschichtsthese 184f. Nationalpakt 117, 132f. Nationalsozialismus, NSDAP, nationalsozialistische 194 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 194 Nehama, Judah 36 Nehru, Jawaharlal 142 Neuseeland 92f. Niven, William 184 Niyazi Bey siehe Ahmed Niyazi Nutuk („Die Rede“, Mustafa Kemal) 156, 185, 191

303

Register

Osmanisch-Griechischer Krieg (1897) 85 Osmanismus 48, 146; Verfechter des 109 Österreich-Ungarn 90 Ostrumelien, Annexion durch Bulgarien 85 Özsoy („Der wahre Ahn“, Saygun) 222

304

Pahlavi, Reza Schah, auch Schah von Persien 207, 222, 224f. Palästina 97f., 103 Papillault, Georges 177 Pariser Frieden, Dritter (1856) 204 Pariser Friedenskonferenz (1919) 106 Partei der liberalen Verständigung 116 Partito Nazionale Fascista (Italien) 194 „Pauschalverwestlicher“ 209 Peker, Mehmet Recep 194; Opposition gegen den Liberalismus 295 Anm.106 Pektaş, Mihri İffet 209 Perser 80, 103; siehe auch Iran Peter der Große 32 Pittard, Eugène 175f., 255 Anm.27 Poincaré, Raymond 134 Półkozic-Borzęcki, Konstanty siehe Mustafa Celâleddin Pascha Polnische Verfassung (1921) 176 Polygamie 80, 167 Populismus 127 Positivismus 69, 144, 227, 229 Pour bien connaître les usages mondains (L’Heureux) 209 Präsidium für Religionsangelegenheiten 164f.; Themenvorgabe für Freitagspredigten durch 164f. Rahman, Fazlur 151 Rechtgeleitete Kalifen 150, 152, 161 Reformation, protestantische 74 Religion 33f., 73f., 77, 164–168, 186f.,

196, 232.; siehe auch Islam, als „arabische Religion“; Atatürk, Mustafa Kemal, Ansichten zur Religion; Religion und Wissenschaft Religion und Wissenschaft 69–72; Triumph der Wissenschaft über die Religion 69; „Religion, wie sie dem Türken entspricht“ (Ziya Gökalp) 79 Renan, Ernest, über Nationen 187, 252 Anm.79; über Islam und Wissenschaft 187, 258 Anm.49 Republikanische Volkspartei siehe Volkspartei Republikanismus 19f., 126f., 152, 158, 212 Rey, Cemal Reşit 222 Riḍā, Rashīd 79, 152, 166 Rif-Republik 157 Rousseau, Jean-Jacques 126, 146 Rumänien, 72 Rumelien (europäische Türkei) 44f., 49, 61, 202f., 208 Rumelier, rumelische Muslime als „Kinder der Eroberer“ (evlâd-ı fatihân) 44f.; Stereotype 44 Rumî-Kalender 220 Russische Revolution von 1917 (Oktoberrevolution) 96 Russisch-Japanischer Krieg (1904/5) 83 Russisch-Osmanischer Krieg (1877/78) 31, 47, 86, 220 Russland 32, 39, 62, 62, 85, 88, 93, 102, 104, 111, 121–123 Sakarya (Sangarios), Fluss 139f. Salafismus 163, 166 Saloniki 45, 202; griechische Annexion 47; als multikulturelle Stadt 29–31, 35, 45f.; als Wirtschaftsstandort 37f.; Schulsystem 36f.; Dönme-Gemeinde 30, 38, 46 Saloniki–Mitrovica, Eisenbahnlinie 37

Sufiorden (ṭarīqas) 165 Süleyman Çelebi 196 Süleyman Pascha 82 Sumerer 177, 198 Sykes-Picot-Sasonow-Abkommen (1916) 102, 104 Syrien 98f., 103, 134, 208 Szientismus 70, 74f., 85, 144f., 165, 169 170, 172, 178, 196, 205, 229–231 Tābāh-Krise (1906) 90 Tag der Jugend und des Sports 113 Talmud-Thora-Seminar 37 Tandoğan, Nevzat 224 Tarama Dergisi („Zeitschrift für Sprachlese“) 181 Tarih-i Âlem („Weltgeschichte“, Süleyman Pascha) 82 Teceddüd-Partei („Erneuerung“) 110 The Outline of History (Wells) 171 Thrakien 90, 117, 139, 141, 203 Timur (mongol. Herrscher, reg. 1370–1405) 57, 178 Torretta, Pietro Tomasi della 135 Tosca (Puccini) 221 Totalitarismus 195 Trabzon 96 Treitschke, Heinrich von 57 Tripolis (Libyen) 157 Tscherkessen 120 Tschitscherin, Georgi 121 Tucker, Robert 229 Tuhfetü’l-Edebiye li-Evlâdi’l-Vataniye („Das Geschenk der Literatur an die Kinder des Patriotismus“, Zeitschrift) 36 Tunis 85 „Turan“ (Ziya Gökalp) 82 Turan, Şerafettin 26 Türk („Der Türke“, Zeitschrift) 79 Türk Dil Kurumu („Institut für die türkische Sprache“) 179 siehe

Register

Samih Rif ‘at 179 Sanders, Otto Liman von 62, 91, 94, 99 Sarkozy, Nicolas 226 Saygun, Adnan 222 Scènes turques (Rey) 222 Schwarzmeerprovinzen 114 Schweizerisches Obligationenrecht (1881) 167 Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB, 1912) 77, 162, 167, 211 Science pour tous („Wissenschaft für alle“, Zeitschrift) 69 Selânik („Saloniki“, Zeitschrift) 36 Şemsi-Efendi-Schule (Saloniki) 40f. Şerafeddin Mağmumî 69 Serben 81 Sforza, Carlo 135 Shāhnāme (Firdausī) 222 Sherrill, Charles 164 Shkodra 202 Sinan, Mimar 178 Situationismus (Robert Tucker) 229 Skopje 35, 202 Solidarismus/solidarité 194, 230, 259f. Anm.108 Soltanğäliev, Mirsäyet 121 Sonnensprachtheorie 182–185 Souveränität 104, 114, 126f., 149, 159; Afghanistans 133; und das Kalifat 151, 161; der Türkei 104, 135, 150 Sowjetunion, Verhandlungen mit Mustafa Kemal 123, 132f.; Beziehungen zur Türkei 121, 132f. Sozialdarwinismus 53, 71, 229f. Sprache siehe arabisch-persischosmanische Schrift, Verdrängung durch ein modifiziertes lateinisches Alphabet; Nationalismus, türkischer, Sprachproblematik Sprenger, Aloys 72 Springer, Axel 259 Suezkanal 87, 204

305

Register 306

Gesellschaft zur Erforschung der türkischen Sprache Türk Tarih Kurumu („Türkische Historische Gesellschaft“) 26; siehe auch Gesellschaft zur Erforschung der türkischen Geschichte Türk Tarihinin Ana Hatları („Grundzüge der türkischen Geschichte“) 172 Türkçülüğün Esasları („Grundlagen des Türkismus“, Gökalp) 163 Türkei siehe Türkische Republik Türken 79, 107f., 144, 199; als „kaukasische, arische, brachykephale Rasse“ 171, 175, 177; und Griechen 174f., 254f. Anm.19; siehe auch Türkische Geschichtsthese; Jungtürken Türkisch-Afghanischer Bündnisvertrag (1921) 133 Türkische Frauenunion 215 Türkische Geschichtsthese 83, 172, 205; und die Sonnensprachtheorie 182–185 Türkische Nationalversammlung siehe Große Nationalversammlung Türkische Republik 11, 14, 22, 64, 110, 152f.; Abschaffung alter Institutionen und Gebräuche 165–168; Einführung neuer Kalender und Gesetze 168, 211, 218, 220; Emanzipation der Frau 211–216; und Europa/die EU 204f., 225f.; die „Hutreform“ 168, 210f.; Ikonografie 188f.; Normalisierung des Verhältnisses zum Islam 199; und Mustafa Kemals „Kult der Republik“ 187f.; Verleugnung und schließliche Akzeptanz der osmanischen Vergangenheit 173f., 198f.; Beziehungen zur Sowjetunion 132f.; siehe auch GriechischTürkischer Krieg (1919–1922)

„Türkische Revolution“ 191–193; Versuche einer marxistischen Interpretation 192f.; Versuche einer „rechten“ Interpretation 193f. als Vorbild für Revolutionen in den kolonialisierten Ländern Asiens und Afrikas 192f., und der Solidarismus 194 Türkische Teilung, Widerstand gegen 112; Mustafa Kemals Führungsrolle 112f.; Regional- und Nationalkongresse (in Erzurum und Sivas) 115f., 128, 136 Türkische Verfassung (1924) 167 Türkische Verfassung (1982) 201 Türkischer Befreiungskrieg (1919– 1922, auch Türkischer Unabhängigkeitskrieg) 106, 138, 142, 146, 191; siehe auch Griechisch-Türkischer Krieg (1919–1922) Türkischer Geschichtskongress, Dritter (1943) 198 Türkischer Geschichtskongress, Erster (1932) 172, 177, 214 Türkischer Sprachkongress, Erster (1932) 179 Türkischer Sprachkongress, Zweiter (1934) 181 Türkismus 81–83, 93, 109, 172, 229 UEFA (Union of European Football Associations) 226 ‘ulamā’ 76, 103, 119, 148, 151f., 161, 165f. Ülkü („Das Ideal“, Zeitschrift) 193 Ulus („Die Nation“, Zeitschrift) 184 Umayyaden 169 Unabhängigkeitstribunale 129, 160, 210 Uşşaki, Latife (Ehefrau Mustafa Kemals) 214

Waffenstillstand von Moudros (1918) 99, 102f., 105f., 115, 117, 133, 228

Wahhabismus 163 Wahhabiten 103 Wells, H. G. 70, 171f., 230, 253 Anm.85 Wilson, Woodrow 102, 105f., 126, 143, 152f.; Vierzehn Punkte 104f., 116; politische Schwächung durch die Wahlen von 1918 106; über Gewaltenteilung 126; siehe auch Vereinigung für die Wilson’schen Prinzipien Wissenschaft 69; Triumph über die Religion 69, 232 Wycliffe, John 164 Yakub Paşa Medresesi (Schule in Saloniki) 37 Yeni Hayat („Neues Leben“, Gökalp) 163 Yeni Mecmua („Neuer Anzeiger“, Zeitschrift) 100 Yurdakul, Mehmed Emin 83 Zaman („Die Zeit“, Zeitung) 36 Zehrer, Hans 192 Zentralasien 82, 119, 120, 150, 179; als Wiege der Zivilisation 173; Migration der Turkvölker aus 177 Zionisten 108 Zivilisationskritik 206 Ziya Gökalp 79, 82, 163, 180, 230 Zübeyde (Mutter Mustafa Kemal Atatürks) 38–43 Zweite Gruppe 130 Zweiter Weltkrieg 14f., 24, 63, 99 Zwi, Sabbatai 30

Register

Vatandaş İçin Medenî Bilgiler („Bürgerkunde für den Staatsbürger“, Mustafa Kemal/İnan) 186 Vaux, Bernard Carra de 179 Venizelos, Eleftherios 137 Vereinigte Staaten 105 Vereinigung für die Wilson’schen Prinzipien 106 Vereinigung zur Verteidigung der Rechte in den Ostprovinzen 114; Repräsentativkomitee 115f. Vereinigungen zur Verteidigung der nationalen Rechte 111, 115 Vertrag von Ankara (1921) 134 Vertrag von Brest-Litowsk siehe Friede von Brest-Litowsk (1918) Vertrag von Lausanne (1923) 153 Vertrag von Moskau (1921) 117, 132f. Vertrag von Rawalpindi (1919) 133 Vertrag von Sèvres (1920) 132, 135 Vertrag von Versailles (1919) 105 Vierzehn Punkte siehe Wilson, Woodrow, Vierzehn Punkte VMRO (Vnatrešna Makedonska Revolucionerna Organizacija, „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation“) 31 Vogt, Carl 68, 177 Volkshäuser 193, 224 Volkspartei (später Republikanische Volkspartei) 153, 155, 161, 162, 170, 194, 200, 220; als „Partei Atatürks“ 188f., 233 Voltaire 70 Vserossiiskoe Uchreditel’noe Sobranie („Allrussische Verfassunggebende Versammlung“, 1918) 128 Vulgärmaterialismus 67f., 70, 79, 144, 177, 230

307

Z e i t t af e l

1880 oder 1881 Mustafa wird in Saloniki geboren 1889

Gründung des „Komitees für osmanische Einheit“, der ersten Vorläuferorganisation des späteren „Komitees für Einheit und Fortschritt“ (KEF) 1896

Mustafa Kemal schließt die militärische Vorbereitungsschule in Saloniki ab und schreibt sich an der Militäroberschule von Manastır ein 1897

Osmanisch-Griechischer Krieg 1899

Mustafa Kemal schließt die Militäroberschule ab und wird Kadett an der Kaiserlich-Osmanischen Militärakademie 1902

Mustafa Kemal erhält sein Offizierspatent und belegt den Stabslehrgang der Militärakademie 1905/06

Eintritt Mustafa Kemals in die osmanische Armee; in Damaskus tritt auf sein Betreiben hin die vierköpfige „Organisation Vaterland und Freiheit“ zusammen 1908

Revolution der Jungtürken 1908–1918

Zeit der Zweiten Verfassung

1911/12

Entsendung einer Gruppe osmanischer Offiziere, darunter Mustafa Kemal, nach Tripolis durch das KEF 1912/13

Balkankriege 1913

November: Entsendung des Oberstleutnants Mustafa Kemal als Militärattaché nach Sofia 1913/14

Reform der osmanischen Armee durch den preußischen General Otto Liman von Sanders 1914

November: Eintritt des Osmanischen Reiches in den Ersten Weltkrieg Januar: Mustafa Kemal wird Divisionskommandeur; Februar: Entsendung an die Dardanellen; März: Ankunft des alliierten MittelmeerExpeditionskorps an den Dardanellen; April: Landung der Alliierten auf der Gallipoli-Halbinsel; Dezember: endgültiger Rückzug der Alliierten 1916

Frühjahr: Versetzung Mustafa Kemals an die anatolisch-kaukasische Ostfront; Juni: Arabischer Aufstand in den südlichen Provinzen des Osmanischen Reiches 1917

Februar/Oktober: Russische Revolution; Juli: geplante Entsendung einer Expeditionsarmee unter Mustafa Kemal in das westarabische Hedschas, stattdessen kurzzeitige Verwendung in Palästina und Syrien; Oktober: Mustafa Kemal kehrt nach Istanbul zurück; Dezember: Teilnahme Mustafa Kemals an einem Staatsbesuch in Berlin 1918

Januar: Präsident Woodrow Wilson stellt vor dem amerikanischen Kongress seine „Vierzehn Punkte“ vor; Oktober: Waffenstillstand von Moudros, Ausscheiden des Osmanischen Reiches aus dem Ersten Weltkrieg 1919

Mai: griechische Besetzung von İzmir (Smyrna), Landung Mustafa Kemals in Samsun; Juli: Kongress von Erzurum; September: Kongress

Zeittafel

1915

309

von Sivas; Dezember: Neuwahlen, Erdrutschsieg der „Bewegung zur Verteidigung der nationalen Rechte“ 1919–1922

Türkischer Befreiungskrieg bzw. Unabhängigkeitskrieg gegen die Griechen 1920

Januar: Zusammentreten der neuen Osmanischen Abgeordnetenkammer; Februar: „Nationalpakt“; März: alliierte Besetzung Istanbuls; April: Einberufung der Großen (Türkischen) Nationalversammlung in Ankara, Gründung der „Ersten Gruppe“; Juni: griechische Offensive in Westanatolien und Ostthrakien; August: Vertrag von Sèvres, Friedensschluss der Alliierten mit dem Osmanischen Reich; September: „Kongress der Völker des Ostens“ in Baku

Zeittafel

1921

310

Januar: Verabschiedung des „Grundlegenden Organisationsgesetzes“, erneuter griechischer Vorstoß; März: Vertrag von Moskau zwischen der nationalistischen türkischen Regierung und der Sowjetunion, ebenso Vertrag mit Italien; August: Ernennung Mustafa Kemals zum Oberbefehlshaber der osmanischen Streitkräfte; September: Sieg über die Griechen vor Ankara, Mustafa Kemal wird von der Großen Türkischen Nationalversammlung zum Feldmarschall und Gazi ausgerufen; Oktober: Vertrag von Ankara (mit Frankreich) 1922

April: geheimer Handelsvertrag Italiens mit der kaiserlich-osmanischen Regierung; August: türkische Offensive und Vorstoß in Richtung Westen; September: Sieg über die Griechen; November: Abschaffung des Sultanats, Auflösung des Osmanischen Reiches 1923

April: Neuwahlen; Juli: Friedensvertrag von Lausanne; September: Gründung der „Volkspartei“ (ab 1924: „Republikanische Volkspartei“); Oktober: Abzug der Alliierten aus Istanbul, Ankara wird Hauptstadt, knapp zwei Wochen später Ausrufung der Türkischen Republik mit Mustafa Kemal als ihrem ersten Präsidenten 1924/25

Abschaffung des Kalifats, Aufhebung der religiösen Schulen und Orden, Abschaffung der sharīʿa-Gerichte

1924–1936 Hochzeit der republikanischen Musikreformen 1925

Juni: Verbot der Fortschrittlichen Republikanischen Partei und damit der einzig bestehenden Opposition; Beginn der Einparteienregierung 1924–1936

Hochzeit der republikanischen Musikreformen 1925/26

„Hutreform“ und Verbot des traditionellen Fes als Kopfbedeckung; Einführung des Gregorianischen Kalenders; weitgehende Übernahme des Schweizerischen Zivilgesetzbuches durch die Türkische Republik; Einführung des aktiven (und 1930/34 des passiven) Wahlrechts für Frauen 1926

1927

Oktober: Mustafa Kemal hält seine große, mehrtägige Rede (Nutuk) vor der Nationalversammlung 1928

Schriftreform und Einführung des lateinischen Alphabets 1929–1933

Mustafa Kemal überwacht persönlich die Ausarbeitung neuer Schulbücher für den Geschichts- und Gesellschaftskundeunterricht 1930

August: Gründung der Freien Republikanischen Partei; November: Auflösung der Freien Republikanischen Partei 1931

Gründung einer „Gesellschaft zur Erforschung der türkischen Geschichte“ (seit 1935: „Türkische Historische Gesellschaft“); in der Folgezeit massive Propagierung der „Türkischen Geschichtsthese“ 1932

1. Türkischer Sprachkongress; Gründung einer „Gesellschaft für die Erforschung der türkischen Sprache“ (seit 1936: „Institut für die türkische Sprache“)

Zeittafel

Juni: Nach einem vereitelten Attentat auf Mustafa Kemal werden neben den unmittelbar Beteiligten auch viele andere Oppositionelle vor Gericht gestellt und mundtot gemacht

311

1932

1. Türkischer Geschichtskongress; Einführung des türkischen Gebetsrufes (ezan) 1934

Juni: Gesetz über die Einführung von Familiennamen; November: Verleihung des Ehrentitels „Atatürk“ an Mustafa Kemal 1935

Aufnahme der ersten weiblichen Abgeordneten in die Große Türkische Nationalversammlung 1936

Aufnahme der Sonnensprachtheorie in die universitären Lehrpläne 1937

Aufnahme des Laizismus in die türkische Verfassung 1938

Zeittafel

10. November: Mustafa Kemal Atatürk stirbt in Istanbul; Dezember: Atatürks Nachfolger İsmet İnönü ernennt jenen postum zum „Ewigen Führer“ der türkischen Nation

312

Über den Autor M. Sükrü Hanioglu ist einer der international namhaftesten Experten für die Geschichte des späten Osmanischen Reiches und lehrt seit 1990 als Garrett Professor in Foreign Affairs am Departement of Near Eastern Studies der Princeton University, N. J. Bevor er in die Vereinigten Staaten zog hat er an der Universität Istanbul gelehrt. Tobias Gabel hat in Gießen und Milwaukee (USA) Englische Philologie, Neuere Geschichte und Philosophie studiert. Neben seiner Tätigkeit als Literaturwissenschaftler arbeitet er freiberuflich als Lektor und Übersetzer.

Über den Inhalt Im Jahr 1923 wird Mustafa Kemal der erste Präsident der neu gegründeten Republik Türkei. Als Machtpolitiker und Symbolfigur eines neuen starken Nationalbewusstseins treibt er die Veränderung und Modernisierung seines Landes nach westlichem Vorbild voran. Er bricht mit alten Traditionen, schafft Sultanat und Kalifat ab, orientiert sich an europä-ischer Gesetzgebung und sorgt für die Gleichstellung der Frauen – Veränderungen, die ihm den Beinamen Atatürk (Vater der Türken) einbrachten und einen regelrechten Personenkult um ihn generierten. M. Sükrü Hanioglu legt hier eine tiefgehende und differenzierte Biographie dieses beeindruckenden Staatsmannes vor. Er zeigt, welche Strömungen und Ideen den Gründer der modernen Türkei beeinflussten, in welchem historischen Klima er lebte, um schließlich ein Land von Grund auf zu verändern. Dabei blickt er auch auf die Wirkung und Wahrnehmung Atatürks in der heutigen Türkei. Für die deutsche Ausgabe wurde der Band umfassend aktualisiert und um ein Vorwort erweitert.