Architektursoziologie [1. Aufl.] 9783839410318

Parallel zur Wiederentdeckung des Raumes als soziale Kategorie hat sich jüngst die Architektursoziologie als neue soziol

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German Pages 148 Year 2015

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Inhalt
I. Einleitung: Konkurrenz & Ignoranz von Architektur und Soziologie
1. Sozialtechnischer Anspruch der Architektur
2. »Antitechnische und antiästhetische Haltung« der Soziologie
3. Gegenstand und Grundfragen der Architektursoziologie
II. Zur Geschichte der Architektursoziologie avant la lettre
1. ›Architektursoziologie‹ in der Architektur
2. Deutschsprachige Soziologie (von Werner Sombart bis Walter Benjamin)
3. Französische Soziologie (von Gabriel Tarde bis Michel Foucault)
4. Amerikanische und britische Soziologie (von Thorstein Veblen bis Richard Sennett)
III. Neuere Ansätze der Architektursoziologie
1. Deutschsprachige Ansätze (von den Gender Studies bis zur Institutionenanalyse)
2. Französische Ansätze (von der ›Ethnologie der Einsamkeit‹ bis zur Akteur-Netzwerk-Theorie)
3. Amerikanische und britische Ansätze (vom Neomarxismus bis zur experimentellen architectural sociology)
IV. Herausforderungen der soziologischen Theorie
1. Architektur als Artefakt
2. Affektivität und Affekt-Neutralität der Architektur
3. Kreativität und Anti-Kreativität der Architektur
4. Symbolische Eigenlogik und Materialität der Architektur
V. Fallstudien zur Architektur als ›Medium‹ des Sozialen
1. Theorieperspektive
2. Vor-moderne Architektur: die antike Polis
3. Nicht-moderne Architektur: die Zelte der Tuareg
4. Post-moderne Architektur: das dekonstruktive Bauen
VI. Folgen für Architektur und Soziologie
1. Soziologische Aufklärung der Architektur
2. Umakzentuierung der Stadt- und Raumsoziologie
3. Chancen für die Gesellschaftstheorie
Anmerkungen
Literatur
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Architektursoziologie [1. Aufl.]
 9783839410318

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Heike Delitz Architektursoziologie

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2009 transcript Verlag, Bielefeld Korrektorat: Jennifer Niediek, Bielefeld Herstellung: Justine Haida, Bielefeld Druck: Aalexx Buchproduktion GmbH, Großburgwedel ISBN 978-3-89942-1031-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff.

Inhalt I. Einleitung: Konkurrenz & Ignoranz von Architektur und Soziologie 5 1. Sozialtechnischer Anspruch der Architektur 7 2. »Antitechnische und antiästhetische Haltung« der Soziologie 11 3. Gegenstand und Grundfragen der Architektursoziologie 16 II. Zur Geschichte der Architektursoziologie avant la lettre 24 1. ›Architektursoziologie‹ in der Architektur 25 2. Deutschsprachige Soziologie (von Werner Sombart bis Walter Benjamin) 31 3. Französische Soziologie (von Gabriel Tarde bis Michel Foucault) 41 4. Amerikanische und britische Soziologie (von Thorstein Veblen bis Richard Sennett) 51 III. Neuere Ansätze der Architektursoziologie 55 1. Deutschsprachige Ansätze (von den Gender Studies bis zur Institutionenanalyse) 2. Französische Ansätze (von der ›Ethnologie der Einsamkeit‹ bis zur Akteur-Netzwerk-Theorie) 65 3. Amerikanische und britische Ansätze (vom Neomarxismus bis zur experimentellen architectural sociology) 70 IV. Herausforderungen der soziologischen Theorie 1. Architektur als Artefakt 75 2. Affektivität und Affekt-Neutralität der Architektur 78 3. Kreativität und Anti-Kreativität der Architektur 82 4. Symbolische Eigenlogik und Materialität der Architektur 85

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V. 1. 2. 3. 4.

Fallstudien zur Architektur als ›Medium‹ des Sozialen Theorieperspektive 90 Vor-moderne Architektur: die antike Polis 97 Nicht-moderne Architektur: die Zelte der Tuareg 101 Post-moderne Architektur: das dekonstruktive Bauen 104

VI. Folgen für Architektur und Soziologie 112 1. Soziologische Aufklärung der Architektur 112 2. Umakzentuierung der Stadt- und Raumsoziologie 115 3. Chancen für die Gesellschaftstheorie 120 Anmerkungen 123 Literatur 126

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I. Einleitung: Konkurrenz & Ignoranz von Architektur und Soziologie »Es handelt sich um ein Problem unserer Zeit. Mehr noch: um das Problem unserer Zeit. Das Gleichgewicht unserer Gesellschaft hängt ab von der Lösung des Bauproblems. Fassen wir das Dilemma mit der Formulierung Baukunst oder Revolution zusammen; diese Formulierung ist vertretbar.« (Le Corbusier 1982 [1923]: 200) »Es steht uns ebensowenig frei, die Form unserer Häuser zu wählen, wie die der Kleidung [...]. Folglich könnte man höchstens der Liste der früher aufgezählten Erscheinungen eine Kategorie hinzufügen, die ebenfalls die Kennzeichen der soziologischen Tatbestände aufweist. Da diese Aufzählung keineswegs erschöpfend war, wäre ihre Hinzufügung nicht unerläßlich. Sie ist nicht einmal besonders nützlich; denn diese Arten des sozialen Daseins sind nur gefestigte Arten des sozialen Handelns.« (Durkheim 1961 [1895]: 113) Es ist und bleibt ein Paradox: Erst aktuell entfaltet sich eine systematische und explizite Architektursoziologie, ein genuin soziologisches Interesse für die Architektur sowohl in theoretischer als auch empirischer, gesellschaftsdiagnostischer Absicht. Das Paradox ist, dass die klassische Soziologie gerade in jener Zeit entstand und sich etablierte, in der die Architektur hingegen am Gegenstand der Soziologie – der ›Gesellschaft‹ – erhebliche Umwälzungen vornahm. Die Soziologie hat dies weitgehend nicht bemerkt. Die Architektur schuf in der Tat ungewohnte, traditionsgelöste, sichtbar artifizielle Lebenswelten. In ihr wählte sich die Gesellschaft ein durchgreifend ›modernes‹ Gesicht. Sicherlich passierte dies nicht flächendeckend. Der reale Anteil der Siedlungen im Stil 5

der ›Neuen Sachlichkeit‹ war im Gegenteil sehr klein. Aber die öffentliche Aufmerksamkeit lag doch auf diesen Architekturen, die sich vornahmen, ein neues Leben herbeizuführen und in ihren puren Wohnzimmern, ihren Glas- und Stahlmöbeln und den neuen haustechnischen Anlagen, in ihren Materialien, Farben und Formen eine durchgreifend zeitgenössische Gesellschaft gestalten wollten. Es gab Mustersiedlungen, die Millionen von Besuchern anlockten; eine außerordentliche publizistische Aufmerksamkeit; hoch emotional geführte Debatten – um die ›Dachlosigkeit‹, um das Baumaterial, um die Wohnungszuschnitte, um die Aufstelzung, das sichtbare Schweben, um die Lösung sowohl von der Erdoberfläche als auch von den Traditionen. In den neuen Siedlungen, aber auch in den Autobahnen und Schulen, Warenhäusern und Fabriken sah sich die Gesellschaft selbst mit neuen Augen: Sie erblickte sich in einer Gestalt, in der sie sich noch nie zuvor erblicken konnte. Hinzu kommt der offensiv formulierte Anspruch der Avantgarde, die Gesellschaft voranzutreiben, Lebensabläufe, Erinnerungen und selbst Gefühle jedes Einzelnen neu zu formen. »Bauen«, so hat es Walter Gropius ebenso apodiktisch wie durchaus nachvollziehbar formuliert, ist das »gestalten von lebensvorgängen« (Gropius 1927). Von diesen Umwälzungen hat die Soziologie – der es ja um die Diagnose und Reform der modernen Gesellschaft ging – kaum Kenntnis genommen. Sie hat sich auch allgemein der Architektur kaum zugewandt, während diese jenseits aller Aktualismen in jeder Gesellschaft allgegenwärtig ist. Es gibt in den 1920ern gerade einmal einen einzigen, unbeachtet gebliebenen Vorschlag einer expliziten »Soziologie der Baukunst« (Arens 1927/28). Und es gibt eine Stadtsoziologie, die sich merkwürdigerweise nicht systematisch und nicht explizit für die Architektur interessiert. Diese Lage der soziologischen Aufmerksamkeit hat sich auch nach 1945 nicht wesentlich geändert – nicht nur in der deutschen Soziologie, sondern auch in der französischen und englischsprachigen. Erst seit Kurzem (aber dafür umso schwungvoller) gibt es eine explizite Aufmerksamkeit für die ›Architektur der Gesellschaft‹. Dieses Paradox, die Kluft zwischen der Gesellschaftsbedeutsamkeit der Architektur und dem mangelnden Interesse der So6

ziologie, lässt sich erklären. Und sie ist zunächst aufzuklären, will man der Architektursoziologie ein Fundament geben. Es liegt wohl an der grundbegrifflichen Weichenstellung: der speziellen Modellierung des »Sozialen«, des Gegenstandes der Soziologie. Diese neue Wissenschaft von der Gesellschaft schafft sich einen spezifischen Blick, welcher die Architektur von vornherein gleich mehrfach ausschließt.

1. Sozialtechnischer Anspruch der Architektur Zunächst muss man sich aber den Anspruch und die Realität der architektonischen Umwälzungen noch einmal ganz vor Augen führen. Und man kann sich dabei einen Augenblick lang von aller Kritik zurückhalten, die immer schnell zur Stelle ist: damals wie zuweilen auch heute als Kritik am maßlosen Anspruch einiger ›Intellektueller‹; als Kritik an der Technisierung, der Entindividualisierung und ›Entseelung‹ des Lebens. Die Soziologie ist nicht nur eine kritische, sie ist auch eine diagnostische Wissenschaft: Sie ist die Selbstbeschreibung unserer Gesellschaft, um es mit Niklas Luhmann zu formulieren. Und dazu braucht sie zunächst einen interesselosen, kühlen Blick, eine, mit Max Weber gesprochen, werturteilsfreie Diagnose. Um dem Anspruch der Architektur ganz ins Auge zu blicken, schadet es dabei nicht, die Programmschriften, die Manifeste ernst zu nehmen, die ein Merkmal der Architektur des 20. Jahrhunderts sind und oft einen aggressiven Ton haben. Sicher ist der explizite Gegner der modernen Architektur vornehmlich die Architektur selbst: die Architektur des 19. Jahrhunderts in ihrem Stilchaos, ihrem Schein, ihrer ästhetischen ›Unwahrheit‹. Verschwinden soll aber nicht nur diese »chaotische uneinheitlichkeit« der Architektur. Verschwinden soll nicht nur das »trostlose chaos« der Großstadt (Gropius 1927). Verschwinden soll vielmehr das gesellschaftliche Chaos. Der architektonische Ordnungsversuch zielt auf nichts anderes als auf das Soziale. Das ästhetische Chaos ist für den Architekten in der Tat alles andere als ein ephemeres Phänomen. Vielmehr ist es Zeichen einer tieferen »Anarchie«: der sozialen Anarchie (vgl. van der Rohe 7

1986: 362ff.). Auch die Suche nach einem neuen Standard der Architektur zielt letztlich auf die Gesellschaft. Mit der Entfaltung einer neuen Formensprache verband die Architektur eine sozialtechnische Haltung: den Anspruch, die Gesellschaft zu ›ordnen‹. Dieser Anspruch, diese ›polizeyliche‹ Absicht, ist ein übergreifendes Dispositiv der modernen Architektur, es findet sich – in Deutschland – keineswegs nur in der Avantgarde (in der Suche nach der »Wohnung für das Existenzminimum«), sondern auch bei den Traditionalisten (in deren Suche nach der »Volkssiedlung« und dem »Gesicht des deutschen Hauses«). Die Architektur erstreckt sich im 20. Jahrhundert erstmals auf alle Bauaufgaben; und vor allem auch: auf alle sozialen Schichten. Einrechnen muss man in diesen gewaltigen Anspruch die Tatsache, dass es sich um eine Profession handelt: um eine auf das Neue geradezu konditionierte, akademisch geschulte Gruppe von Künstlern, die auch Ingenieure, und von Ingenieuren, die auch Intellektuelle sind. Mehr oder weniger verstehen sich die Architekten seither als diejenigen, die »alle wissenschaftlichen, technischen, wirtschaftlichen und gestalterischen probleme des bauens in einem kopf« sammeln und sie »planvoll zu einem einheitlichen werk in gemeinschaftsarbeit zu verschmelzen« haben (Gropius 1929). Die Architekten sind schließlich die Einzigen, denen systematisch »beigebracht wird, Pläne zu machen«, nämlich, zu entwerfen (Wright 1969: 211). Weit entfernt also, lediglich ein ästhetisches Phänomen zu sein und nur die Oberfläche der Gesellschaft zu betreffen, geht es in der Suche nach dem ›Bauwillen‹ der Zeit um die Gesellschaft. ›Baukunst oder Revolution‹ ist die mehr oder weniger explizite Idee vieler architektonischer Bewegungen dieser modernen Gesellschaft, einer Gesellschaft, die ungeahnte technische Möglichkeiten entfaltet, in einer ungeheuer kurzen, äußerst dynamischen Zeitspanne. Die Absicht ist, die neue ›Masse‹ zu ordnen. Dazu werden serielle Siedlungen in betriebswissenschaftlich angeleiteter Akkordarbeit geschaffen, Häuser mit serieller und vor allem ›zeitgemäßer‹ Innenausstattung, einer neuen Aufteilung der Lebensbereiche zur Erzeugung neuer Bedürfnisse, Bewegungen, Gefühle. Bis dahin ist es allerdings »noch ein weiter Weg«. Und alles, »was dazwischen steht, muß umgeformt oder überhaupt 8

erst geformt werden: Schaufenster, Häuser, Anlagen einer Stadt« (Biram 1919: 84). Den architektonischen Vorschlägen, dem Gestaltungsanspruch und den ersten Schritten zu seiner Verwirklichung gehen soziologische Beobachtungen voraus. Die Architekten entwickeln ein feines Sensorium für ihre Gesellschaft, sie saugen die soziologischen Diagnosen gierig auf und schwingen sich sogar selbst zu solchen auf. Insbesondere gehen sie von einer neuen »Massengesellschaft« aus: einer Gesellschaft, die in den Städten eine ungekannte Dichte erreicht und in bedrohlichem Maß dabei in soziale Ungleichheiten verstrickt ist. Der drohende Klassenkampf ist vielleicht letztlich der Grund für die seriellen Siedlungen, für die Transformation des Bauens vom Handwerk zur Industrie. Die »Klarstellung der gesellschaftsgeschichtlichen Tatsachen muß vorausgehen, damit das knappste Optimum der lebensnotwendigen Ware Wohnung und das Preisminimum für ihre Herstellung gefunden werden kann«. Es bedarf einer »neuen Prägung auf Grund der Kenntnis der natürlichen und gesellschaftsgeschichtlichen Minimumansprüche, die der Schleier der traditionell eingebildeten historischen Ansprüche nicht trüben darf. […] Die Frage nach dem Wohnungsminimum ist die nach dem elementaren Minimum an Raum, Luft, Licht, Wärme, die der Mensch braucht, um bei der Vollentwicklung seiner Lebensfunktionen durch die Behausung keine Hemmungen zu erfahren, also ein Minimum an modus vivendi an Stelle eines modus non moriendi.« (Gropius 1956: 89) Indem insbesondere die Avantgarde bei diesen Bemühungen alltäglichste Verrichtungen für optimierbar hält und sie auf den Prüfstand setzt, zieht eine kontingenzbewusste Haltung in den intimsten Bereich des Lebens ein: Alles kann faktisch offenbar anders gemacht werden, sogar die elementaren Vorgänge des Wohnens, des Zusammen-Lebens. Die technische Zeit verlangt in dieser Wahrnehmung auch in diesen Dingen geradezu einen neuen, experimentellen Tatsachensinn. Und sie bekommt ihn in ihrer modernen Architektur. Die sozialen Effekte dieser Architektur darf man daher nicht zu gering veranschlagen: Tatsächlich hat sich ja das architektonische Gesicht unserer Gesellschaft im Sinne dieser Architektur gewandelt. Tatsächlich hat sich der »Inter9

nationale Stil« weltweit verbreitet. Tatsächlich bauen wir heute in jener kreativistischen Haltung (radikalisiert im Dekonstruktivismus), die in den 1920er Jahren erfunden wurde – auch wenn es demonstrativ andere Bewegungen gibt, wie eine Welle des Wiederaufbaus im historischen Stil. Und auch dies ist eine Haltung, die in den 1920ern (in Abwehr der Avantgarde) erfunden wurde, indem man Goethes Gartenhaus zum ›Gesicht des deutschen Hauses‹ machte. Und tatsächlich benutzen wir heute die Einbauküchen, sitzen zum größten Teil nicht mehr in Stuckhöhlen, haben offene Räume, Vakuumreiniger, Duschen und Sportgeräte. Diese Architektur stellte die Gesellschaft auf die Probe; und sie zog nach und nach immer mehr Einzelne zu sich hinüber. Dabei waren die neuen Häuser zunächst äußerst gewöhnungsbedürftig. Sie wurden buchstäblich als extraterrestrisch wahrgenommen: vom ersten Versuchshaus des Bauhauses, dem »Haus am Horn« in Weimar, wenige Schritte von Goethes Gartenhaus entfernt, berichtet der Korrespondent der Frankfurter Zeitung 1923 von einem »Haus für Marsbewohner (oder Mars bewohnende Weltflüchtlinge)«. Im selben Atemzug spricht er von einem Haus, das »Sehnsucht weckt«. Heute sieht es aus wie ein gewöhnlicher Bungalow aus DDR-Zeiten. Nahezu alle der neuen Architekturen – insbesondere in dem Moment, in dem sie sich zu ganzen Siedlungen zusammenscharen (am Weißenhof, in Karlsruhe-Dammerstock) – provozieren derart: Sie erregen heftige Anti-Affekte und finden ebenso begeisterte Mitstreiter. Es gab und gibt den Kreis der Freunde des Bauhauses, in dem unter anderem Albert Einstein und auch Alfred Weber engagiert waren. Vieles ist uns heute allzu selbstverständlich, was damals neu, provokant, bemerkenswert war. Die Frage ist an dieser Stelle stets eine normative: ob man es ›gut‹ findet. Die Frage ist nicht, ob man es in der Tat mit einem Wandel von Architektur und Gesellschaft zu tun hat; dies war vielmehr vorausgesetzt, ›taken for granted‹. Und die Antwort bestand bereits in den 1920ern in einer klaren Alternative: Es ging auch im Streit der Architekten der 1920er (stellvertretend für Bauherren, Nutzer und die Allgemeinheit) ja nicht darum, dass man den revolutionären Akt der Architektur nicht erkannt hätte. Es ging vielmehr um die Reaktion auf diese Umwälzung: Man konnte sich mit Händen und Füßen gegen die Lö10

sung von Bautradition und -region wehren; oder sich faszinieren lassen von der Leichtigkeit, der Sportlichkeit, der technischen Ästhetik: dem neuen Leben, welches die Architektur versprach. »Ratgeber zur Wohnungsfrage Fordert ein Badezimmer auf der Sonnenseite, es sollte einer der größten Räume der Wohnung sein, so wie früher der Salon zum Beispiel: wenn möglich mit einer Wand, die nur aus Fenstern besteht und auf eine Terrasse zum Sonnenbaden hinausgeht: Waschbecken aus Porzellan, Bad, Duschen, Turnapparate. Nebenraum: Raum zum An- und Ausziehen. Zieht euch nicht in eurem Schlafzimmer um. Das ist nicht ganz appetitlich und bringt unangenehme Unordnung mit sich […]. Verlangt nackte Wände in eurem Schlafzimmer, in eurem großen Wohnraum und Eßzimmer. […] Fordert die Entfernung von jeglichen Gipsstuckkaturen und aller Facettenscheiben an den Türen […]. Fordert Vakuumreinigung. Kauft nur praktische Möbel […]. Verlangt für alle Räume Kippfenster. Bringt euren Kindern bei, daß das Haus nur wohnlich ist, wenn es Licht in Hülle und Fülle hat und wenn die Fußböden und Wände sauber sind. […] Fordert eine Garage für Auto, Fahrrad und Motorrad […]. Mietet Wohnungen, die etwas kleiner als die sind, an welche euch eure Eltern gewöhnt haben. Bedenkt die Ersparnis an Bewegungen, an Anordnungen und Gedanken.« (Le Corbusier 1982: 99ff.)

2. »Antitechnische und antiästhetische Haltung« der Soziologie Die Soziologie gründet sich wenige Jahre zuvor, gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland, Frankreich und den USA, als die Wissenschaft, die ihre eigene Gesellschaft beobachtet. Die Soziologie begründet sich als Seismograph der gesellschaftlichen Erschütterungen und als Erforscherin der Mechanismen des sozialen Lebens, der geheimnisvollen kollektiven Kräfte. Und auch die Soziologie zielt dabei (allerdings zumeist implizit) auf Integration, auf ›soziale Ordnung‹: bei Émile Durkheim (1858-1917) in Paris ebenso wie bei Ferdinand Tönnies (1855-1936) in der Nähe 11

Hamburgs oder bei Robert E. Park (1864-1944) in Chicago. Stets geht es ihr auch darum, der modernen Gesellschaft theoretisch und dann auch praktisch ein neues soziales Band zu geben, ein neues vinculum sociale. Und dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund des kommunistischen ›Gespenstes‹, der Gefahr der Revolution, der Massenunruhen. Nicht zu vergessen ist, dass Max Weber (1864-1920) wie andere führende deutsche Soziologen im »Verein für Socialpolitik« engagiert war. Die Soziologie sucht – sicher mehr oder weniger schwerpunktmäßig – nach einem Ersatz für die einst religiös und traditionell geschaffenen Bindungen. Tönnies und Durkheim schlagen die Berufsgenossenschaften vor. Georg Simmel (1858-1918) sieht demgegenüber das faktische soziale Band der Moderne im Geld: welches zweckrationale, unverbindliche, flüchtige Beziehungen schafft und damit ebenso viele Risiken wie Chancen für die Vergesellschaftung birgt. Indem sie auf ihre Weise die Gesellschaft ordnen will, tritt die moderne Architektur in direkte Konkurrenz zur Soziologie. Wolfgang Eßbach jedenfalls erklärt sich aus dieser Konkurrenz von Soziologie, Technik und Kunst die Tatsache, dass die Soziologie kein rechtes Verhältnis zu den Artefakten gefunden hat. Sie entfaltet vielmehr eine »antiästhetische und antitechnische Haltung«. Die »Soziologie hat sich grundbegrifflich als Theorie reiner Sozialwelt den Zugang zu technischen und ästhetischen Artefakten als Kulturleistungen des Menschen weitgehend verbaut und stattdessen in der Hauptsache am Bild religiöser Vergemeinschaftung ihr Kategoriengefüge aufgebaut« (Eßbach 2001: 123). Die klassische Soziologie hat das Soziale in der Tat für eine Architektursoziologie zu reduktiv gefasst, indem sie es als ›eigentliches Soziales‹ von anderen Bereichen der Wirklichkeit, insbesondere den Sachen abtrennt, während diese unser Leben durchdringen und umstellen. In dieser »soziozentrischen Projektion« (Castoriadis 1981: 208), in der Fassung des Sozialen als reine Interaktion oder Kommunikation, hat sich keine systematische Soziologie der Architektur entfalten können. Es ist daher im Blick auf die Architektur noch einmal neu zu klären, was dieses Soziale ist: »Auf welche Ebene bezieht es sich, welche Elemente schließt es ein, wer ist der Socius, von dem sich die Soziologie den Namen borgt?« (Seyfert 2008: 4687) 12

Man hätte am ehesten von der Stadtsoziologie eine Architektursoziologie erwartet, die sich doch vornimmt, die Besonderheit des großstädtischen Lebens im Vergleich zum Land, zu den tradierten Lebensverhältnissen und Gesellschaften zu erkennen. Die Stadtsoziologie ist allerdings eine vornehmlich empirische Disziplin; sie ist nicht ohne eine gewisse (zuweilen auch selbstkritisch festgestellte) Theorielosigkeit. Sie hat schon deshalb kaum begriffliche, konzeptionelle Anstrengungen entfaltet, um der Architektur der Gesellschaft gerecht zu werden. Die Stadtsoziologie hat aber auch empirisch kein systematisches Interesse für die Architektur etabliert: Sie hat zum Beispiel keine Methoden entfaltet, die der Architektur als nichtsprachliches Medium, in ihrem Körperbezug, als Artefakt adäquat sind. Vielmehr ist ihr Gegenstand das Soziale in der Stadt. Und auch die Techniksoziologie trifft ähnlich restriktive grundbegriffliche Fassungen. Sie konzipiert das Verhältnis von ›Technik‹ und ›Gesellschaft‹ zunächst dualistisch und übersieht dabei, dass jedes Artefakt nichts ohne das gesellschaftliche Ensemble ist, zu dem es gehört, und nichts ohne spezifische körperliche und geistige Fertigkeiten, die wiederum ohne die Artefakte nicht denkbar sind. Die Technik- oder Artefaktsoziologie, die mit Hans Freyer (1878-1969, im Übrigen der erste Inhaber eines expliziten Lehrstuhles für Soziologie in der Weimarer Republik) beginnt, konzentriert sich entsprechend der Dualität von Sozialem und Technik fast ausschließlich auf technische Artefakte; die Architektur wird allenfalls als »Gerät« konzipiert, insofern es Freyer darauf ankommt, die Geräte als »profane Artefakte« von der Kunst zu unterscheiden – womit er der Architektur kaum gerecht wird. Und ihm ist selbst bewusst, dass der Begriff des Gerätes »einiges unter sich befaßt, was der Sprachgebrauch […] nicht mehr zu den Geräten rechnet: z.B. ein Haus, ein Kleid, ein Schiff, eine Straße oder einen bebauten Acker« (Freyer 1923: 48ff.). Es gibt einen aufschlussreichen Fall in der Frage, wie diese ältere Artefakt- oder eher Techniksoziologie die Architektur konzipieren würde: Bernward Joerges hat eine Theorie der »Modifikation von Verhalten« durch die »gebaute Umwelt« entfaltet, in der Architektur als »technischer Sachverhalt« und als Produkt eines »technologischen Wissens« verstanden wird. Interessanterweise wird dabei 13

die Auffassung, die Architektur habe eine Verhaltenswirksamkeit, als weit verbreitete, »naive« Architekturtheorie bezeichnet – empirisch sei die »Determination sozialen Verhaltens durch die bauliche Umwelt« nicht belegbar (Joerges 1977: 11f.). Zu diskutieren wäre hier nicht nur das Architektur-, Wissenschafts- und Methodenverständnis, sondern auch die Auffassung von »Determination«. Die klassische Artefakt- und Techniksoziologie ist in der Tat überzeugt vom »Sachzwang« der Technik gegenüber dem Sozialen. Erst nach und nach wird dies aufgebrochen zugunsten des Konzeptes der »Vermittlung« gesellschaftlicher Strukturen durch die Dinge. Sachen, so Hans Linde, seien »Grundelemente« der Vergesellschaftung; in Sachverhältnissen seien demnach »Grundzüge gesellschaftlicher Ordnung« impliziert (Linde 1972: 14, 11f.). Dabei wird auch Linde die Architektur lediglich als ›Gerät‹ fassen. Eine soziologische Theorie der Architektur in all ihren Aspekten (auch des Symbolischen und der Kreativität) wäre daher wohl doch eher in der Kultursoziologie zu suchen gewesen. Die klassische Kultursoziologie allerdings interessiert sich für eher immaterielle, ideelle Kulturaspekte (Recht, Religion, Wissen), während sie die (technischen) Artefakte zur ›Zivilisation‹ und gerade nicht zur ›Kultur‹ zählt. Die Kultursoziologie versteht ›die Technik‹ als die entfremdende Macht, als das Entkultivierende. Auch aus dieser Reserve gegen die technische Entwicklung erklärt sich vielleicht die Zurückhaltung der Soziologie gegenüber der Architektur. Denn die Avantgarde der Architektur hat sich im 20. Jahrhundert gerade nicht mehr als ›Kunst‹ verstanden, sondern als ›Technik‹. Sie begreift sich etwa als nichts anderes als die Ausbildung einer effizienten, Wärme, Sauerstoff, Licht leitenden »Membran« (Ebeling 1926); oder als beschleunigte Form des Zusammensetzens von Teilen, die sie der Automobil- und Flugzeugfertigung abschaut, bei Gropius und Le Corbusier (die beide im Übrigen auch Autos entworfen haben); als serielle und industrielle Fertig-Produktion von ›Maschinen zum Wohnen‹. In dieser Selbststilisierung, der Ornamentlosigkeit und der Wendung gegen den ›Stil‹ hat sich die moderne Architektur selbsttätig aus der kultursoziologischen Beobachtung ausgeschlossen. Dabei geht es der Architektur natürlich nach wie vor um die (zeitgenössisch 14

›schön‹ sein sollende) Gestalt; auch wenn alle Kritiker die ›Kahlheit‹ als Verzicht auf einen ästhetischen Anspruch verstehen. Und das kreative, auf Neues gerichtete Handeln (das die Architektur auszeichnet, und das sie professionalisiert und einübt im Hinblick auf das Leben) gilt derselben Soziologie ebenfalls als ephemer – gemessen an der rationalen, Nutzen und Kosten kalkulierenden Handlung, welche die Rational-Choice-Theorie noch heute als ›allgemeine soziologische Erklärung‹ modelliert. Erst aktuell entdeckt die Soziologie das ›kreative Subjekt‹, die ›kreative Stadt‹ und überhaupt ›Kreativität‹. Max Weber hatte demgegenüber jedem Soziologen auf den Weg gegeben, sowohl die Affektivität als auch das kreative Handeln allenfalls als »Störungen« des nutzenkalkulierenden Handelns einzurechnen (Weber 1980: 2f.). Dabei war Weber selbst nicht weit entfernt von einer Architektursoziologie. Denn seine grundlegende gesellschaftsdiagnostische Frage ist, welche »Verkettung von Umständen« dazu geführt habe, dass »gerade auf dem Boden des Okzidents, und nur hier, Kulturerscheinungen auftraten«, die sich im 20. Jahrhundert als universell bedeutend herausstellten, insofern sie von den verschiedensten Kulturen aufgegriffen wurden (natürlich nicht ohne Verfremdungen). Jedenfalls lauten die berühmten Sätze Max Webers: »Nur im Okzident gibt es ›Wissenschaft‹«; nur hier habe sich die »rationale Chemie« entfaltet, nur hier das »kanonische« Recht. Nur der Okzident hat eine »rationale harmonische Musik« hervorgebracht. Und nur der Okzident hat nun die »Verwendung des gotischen Gewölbes als Mittel der Schubverteilung und der Überwölbung beliebig geformter Räume« als »konstruktives Prinzip großer Monumentalbauten« und als Grundlage eines architektonischen Stils entfaltet (Weber 1920: 2f.). Weber interessiert sich dann für die rationale Wirtschaft und für die rationale Musik. Die Frage nach der Ausbildung einer ›rationalen‹ und zugleich auch durchgreifend kreativistischen Architektur, die im 20. Jahrhundert in Gestalt des ›Internationalen Stiles‹ weltweit Resonanz erfährt, hätte er ebenso stellen können. Die ersten Anzeichen waren auch in seiner Zeit schon sichtbar. Er hat sie aber nicht gestellt. Es bedarf für die Architektursoziologie offenbar nichts weniger als einer Neujustierung der allgemeinen Soziologie: einer Neujustierung der Grundbegriffe des Sozialen. 15

3. Gegenstand und Grundfragen der Architektursoziologie Die Relevanz der Architektur (und genereller: des Gebauten) ist nicht nur in der Moderne, sondern in jeder Gesellschaft unübersehbar. Vieles, was man zunächst und zumeist von einer Gesellschaft sieht und greifen kann, ist das Gebaute (Gewebte, Genähte …), weshalb die Ethnologie auch noch im Strukturalismus – selbst bei Claude Lévi-Strauss – mit der Beschreibung der Hausformen beginnt. Die konkrete Gestalt der Institutionen; das je spezifische Gesicht der sozialen Segmentierungen und Hierarchien, der Differenz der sozialen Milieus und der sozialen Funktionssysteme, des Naturverhältnisses: Dies alles wird durch die Architektur hergestellt; insbesondere in jener gesteigert »artifiziellen Gesellschaft«, in der wir uns zu Beginn des 21. Jahrhunderts befinden. Grundlegend entstehen mit der Sesshaftwerdung »artefaktische Sozialstrukturen«, deren Signum das »Erfundene und Konstruierte, Kunstreiche, ja Arbiträre« ist. Und es sind nach der Analyse von Heinrich Popitz (1925-2002) vor allem folgende »vier Komponenten der neuen sozialen Organisation, die für die architektonische Gestalt der Stadt bestimmend werden«: »Stadtarchitektur ist Herrschaftsarchitektur. […] Stadtarchitektur ist Architektur von Warenlagern. […] Stadtarchitektur ist Produktionsarchitektur. […] Stadtarchitektur ist eine architektonische Verdichtung von Behausungen.« Hinzu kommen, vor allem seit dem 19. Jahrhundert, die Verkehrsarchitekturen und die Architektur der Infrastruktur. Mit all dem »erbaut sich der Mensch eine artifizielle Lebenswelt. Er baut sich ein.« (Popitz 1995: 134, 26f.) Radikalisiert wird diese artifizielle, wesentlich architekturkonstituierte Vergesellschaftung im 21. Jahrhundert. 2007 lebte nach einer Analyse der UN erstmals die Mehrheit der Menschheit in Städten. Und allein in China werden – in den nächsten zehn Jahren! – 400 Millionenstädte neu entstehen und geschätzte 1,3 Billionen Menschen dabei zu Städtern werden. Ähnlich verhält es sich mit den Metropolen in Südamerika. Es entfalten sich riesige urbane Lebenswelten mit einer bisher ungekannten Verdichtung von Menschen und Sachen. Dass wir in einer gesteigert artifiziellen Gesellschaft leben, gilt 16

natürlich auch bereits für die Zeit der Etablierung der Soziologie im späten 19. Jahrhundert, in dem diese Tatsache erstmals reflektiert wird – unter anderem von Friedrich Engels in der drastischen Beschreibung der Wohnverhältnisse des Londoner ›Lumpenproletariats‹. Am tiefsten hat wohl Georg Simmel die soziologische Bedeutung des zahlenmäßigen Anwachsens der Dinge und nicht zuletzt der Architektur begriffen: als kulturelle Kluft, die sich zwischen der wachsenden objektiven Kultur und dem beschränkten Fassungsvermögen des kleinen Subjekts auftut. Die »Tragödie« der modernen Gesellschaft ist für Simmel in der Tat die Tragödie der modernen Stadt mit ihrer quantitativen Explosion der Dinge. Von diesem Gedanken ist Simmel geradezu besessen. In der täglichen Umgebung ist eine solche »Summe von Geist verkörpert«, dass die Subjekte nicht mehr zu folgen vermögen. Und vor allem die Großstadt biete in ihren »Bauten und Lehranstalten, in den Wundern und Komforts der raumüberwindenden Technik, in den Formungen des Gemeinschaftslebens und in den sichtbaren Institutionen des Staates eine so überwältigende Fülle kristallisierten, unpersönlich gewordenen Geistes, dass die Persönlichkeit sich sozusagen dagegen nicht halten kann« (Simmel 1957: 241). Die visuelle Form der modernen Architektur – ihre Rechtwinkligkeit, ihr anschaulicher Rationalismus – macht die Eigenart der modernen Gesellschaft jedem Einzelnen erst sichtbar und begreiflich. Die Architektur ist zudem ein Artefakt, das sich mit unserem Leben und insofern auch mit den sozialen Interaktionen, den ›Wechselwirkungen‹ permanent verbindet; und ebenso eines, in das wir hineinschlüpfen oder »gleiten« (Fischer 2009: 403), in dem wir eher betroffene »Koexistenten« sind als instrumentelle Nutzer oder Ko-Aktanten. Notwendig ist, um dies zu sehen, die »Dekonstruktion der soziologischen Überdetermination des Sozialen«, der Fassung des Sozialen als reine Interaktion oder als reine Kommunikation. Notwendig ist zugleich die Verabschiedung von den dualistisch konzipierten, »massiven Begriffe[n] von Kunst und Technik« (Eßbach 1997: 13): einer Begriffsbildung, in der gerade die Architektur zerrissen wird. Und eine Fassung, in der man nie dazu kommt, präzise zu beschreiben, wie sich die Bewegungen, Handlungen und Gedanken der Akteure mit den Dingen verbin17

den, die ihre eigene Faszinationskraft haben. Die Architektursoziologie nimmt sich in der Tat gerade jenes Aspektes der Kultur an, der in der Bevölkerung zutiefst umstritten ist; an dem es von allen sozialen Angelegenheiten aktuell vielleicht die tiefste Anteilnahme gibt. Man sieht es an der hoch emotional geführten Debatte um die Rekonstruktion historischer Bauten, wie tief die Gesellschaft von der Architektur betroffen ist. Die Architektursoziologie muss daher auch die Expressivität der Architektur einrechnen: ihre symbolische Eigenlogik und ihre Affektivität. Zugleich muss sie die Kreativität ernst nehmen, also die Ausblendung des schöpferischen Handelns als einer sozial bedeutenden Handlungsweise für die soziologische Theorie revidieren. Notwendig ist mit anderen Worten eine begriffliche Anstrengung, eine soziologische Theorie der Architektur: eine Grundfrage der Architektursoziologie wird daher nicht zuletzt eine theoretische Bemühung sein, die Frage nach dem Verhältnis zwischen Architektur und Gesellschaft. Die Architektur drängt die Begriffsbildung, die Konzeption des Sozialen in neue Richtungen. Sie übt einen kognitiven Druck auf die Soziologie aus – gemeinsam mit anderen Artefakten und ihren soziologischen Theorien, aber doch vielleicht in einer besonderen Bedeutsamkeit. Das Gebaute erzwingt insbesondere nicht-cartesianische, nicht-konstruktivistische und nicht-rationalistische Denkweisen. Denn spätestens hier zeigt sich, dass das Soziale weder im Diskurs noch in der Kosten-Nutzen-Kalkulation einzelner Akteure aufgeht. Insofern hat eine Architektursoziologie einen Informationswert für die Soziologie insgesamt. Man muss dabei nicht zuletzt die bisher spezifisch für die Relation von Architektur und Sozialem zur Verfügung stehenden Begriffe überdenken: das Symbolische (und in ihm die Architektur) wird oft zu schnell als ›Ausdruck‹ der Gesellschaft konzipiert: als dasjenige, was nur noch sichtbar macht, was ohnehin schon der Fall ist (die Ungleichheit der Geschlechter, die Klassengesellschaft, den Kapitalismus, die Globalisierung). Man müsste hier genauer hinsehen. Eine Grundfrage wird demnach auch die nach den Zugkräften sein: Wer wird wohin gezogen, wo zeigt sich denn den Einzelnen zuallererst der Charakter ihrer sich stetig ein Stück weit wandelnden Gesellschaft? Und man müsste schließlich vielleicht noch einmal genau nachdenken, 18

die Grundfrage der Soziologie erneut stellen: Was ›ist‹, das heißt, wie konstituiert sich eine ›Gesellschaft‹ eigentlich? In all dem liegt zunächst der Vorschlag, den Gegenstand der Architektursoziologie so weit wie möglich zu fassen, um nicht vorschnell Phänomene auszuschließen. Dazu darf die Soziologie ihren Begriff der Architektur nicht an der (nur ästhetisch zu entscheidenden) Differenz von Architektur gegenüber dem ›Gebauten schlechthin‹ orientieren. Diese Unterscheidung ist es, welche die Architekturtheorie innerhalb der Architekturdisziplin umtreibt: um festzustellen, worin das ›Eigentliche‹ der Architektur besteht, was die Architektur als Kunst gegenüber den gewöhnlichen Bauten auszeichnet. Natürlich gibt es unter den Architekten und Architekturtheoretikern auch viele, die selbst soziologische Fragen stellen. Im Kern aber ist es augenscheinlich das Geschäft der Architekturtheorie, nach der Architektur zu fragen: »Architekten, Bauhistoriker, Architektur- und Kulturtheoretiker widmeten sich das gesamte 20. Jahrhundert hindurch dem Phänomen der modernen (später der postmodernen) Architektur und versuchten die Frage zu beantworten, was die moderne Architektur ihrem Kern nach ist.« (de Bruyn 2008: 9) Die Frage nach der sozialen Bedeutung aber, nach dem Zusammenhang von Architektur und Gesellschaft, vermag der Soziologie keine andere Wissenschaft abzunehmen: Sie stellt die Frage nach dem Sozialen; ihr Begriff der Gesellschaft und ihre Diagnosen sind entscheidend und werden von der Architekturtheorie übernommen. Für eine soziologische Beobachtung ist also, so der Vorschlag, das ›Gebaute‹ der Gegenstand: nicht nur die Architektur in einem hochkulturellen Sinn, nicht nur das, was von der Architekturtheorie als qualitätvoll geadelt wird. Und weiter noch, geht es nicht nur um Gebautes. Eine Architektursoziologie kann sich ebenso auch für das Gewebte, für das nicht in der Erde Verwurzelte, nicht Gemauerte und nicht Betonierte interessieren: für die Zelte, Hütten, Iglus und in die Erde gegrabenen Häuser der nicht modernen und nicht urbanen Gesellschaften. Die »Architektur ohne Architekten« (Rudofsky 1989) fällt also genauso legitim in das Aufgabengebiet wie andererseits die Tiefbau-Architektur: Straßen, Autobahnen, Brücken. Man könnte sich auch eine Soziologie der extraterrestrischen Architektur vorstellen, die die Raum19

schiffe beobachtet. Angesichts der Brisanz der Architektur, ihrer Bedeutung für das menschliche Leben ist die Architektursoziologie eine grundlegende soziologische Theorie- und Forschungsrichtung. Die Architektur wäre daher eher formal zu definieren: als Ausbildung eines Gehäuses für die verschiedensten Aktivitäten, als deren »Einfaltung« (Seitter 2002: 151), »Abschirmung« (Baecker 1990) oder »Separierung«, »Einrahmung« und selektierte Sichtbarmachung (Cache 1995: 23ff.); als »Baukörpergrenzziehung« (Fischer 2006). Architektur ist zunächst, ganz grundlegend, eine »große Mauerfaltung, die einen Innenraum umschließt, der selber durch vielfältige überwiegend horizontale und vertikale Mauerfaltungen […] unterteilt ist. Zwischen Teilraum und Teilraum viele Barrieren und schmale ventilartig schaltbare Zugänge; ebensoviele Wahrnehmungsblockierungen und daher viele Unterstellungen, Erinnerungen, Erwartungen«. Ein Haus ist »Präsentierungsanlage, die jeweils wenige Exemplare aus einem weitgespannten Kosmos der Dinge einbezieht: Leiber und Geräte, d.h. organische und anorganische, animalische und artifizielle Wesen« (Seitter 2002: 153ff.). Die ›Mauer‹ muss nicht aus Stein, sondern kann eben auch aus Holz, Häuten, Wolle, Schnee bestehen. Die Materialien gehen dabei mit ihren je eigenen Formen, Wahrnehmungen und Affekten einher; jedes hat seine visuellen, taktilen, akustischen Eigenschaften, die das Zusammenleben und -agieren betreffen und konkret zu beschreiben sind. Ein Beispiel ist der Beton: ein artifizieller Baustoff, der (scheinbar) bereits den Römern bekannt war, aber seit den 1920ern als ›nicht heimisch‹, ›hässlich‹, ›kalt‹ gilt, was architekturpsychologische Studien bis heute stets erneut bestätigen und was soziologisch aufzuklären wäre. Und es ist ein Baustoff, der in letzter Zeit alle möglichen (biomorphen) Formen und (schwebenden) Gestalten anzunehmen fähig ist, dank Hochverdichtung und computergestützter Berechnung, womit gewohnte Raum-, Arbeits- und Wohnformen gezielt außer Kraft gesetzt werden. Aktuell wird der Beton ›transluzent‹: mit Glasfasern durchsetzt, durchscheinend, erheblich weniger massiv. Architekten sprechen erneut von einer ›Revolution‹ der Architektur. Wie andere Artefakte hat jedes Gebäude in seinem Material, der Konstruktions- und Bauweise seine eigene 20

Genese, seine »Individualität« (Simondon 1958), die nicht zuletzt die einer je spezifischen Gesellschaft ist: ihrer Technologie und auch ihrer Eigentumsordnung. Zu berücksichtigen sind in der Analyse schließlich nicht nur die Grundrisse, nicht nur die Fassade, die Gestalt, die Materialien. Auch die Innenarchitektur ist ausschlaggebend: das Mobiliar, das sich dem Körper anschmiegt und sich mit ihm zu je spezifischen Stellagen und Aktivitäten respektive Ruheweisen, zu Körpertechniken verbindet, wobei auch die haustechnische Ausstattung einzurechnen ist. Andererseits hört die Architektur natürlich nicht am Gebäude auf. Auch der Städtebau ist eine architektonische Disziplin und ein architektursoziologischer Gegenstand. Die Soziologie der Architektur interessiert sich sicherlich entlang der Frage nach dem Verhältnis von Architektur und Sozialem vor allem für das Gebaute (respektive Gewebte, Geschichtete, Genähte …) selbst. Darauf wird im Folgenden der Akzent liegen. Angesichts der Untrennbarkeit von Materialität und Symbolizität (oder, mit Ernst Cassirer, von »Sinnlichkeit« und »Sinn«) wäre es in jedem Fall unzureichend, wenn die Architektursoziologie hier vom ›baulich-physischen‹ oder ›baulich-räumlichen‹ Aspekt spräche statt explizit von der (stets expressiven und somit symbolischen) Architektur. Und im Rahmen der Architektur selbst interessieren dann natürlich auch die Entwürfe und der Entwurfsprozess; bis zum Ungebauten, aber eindrücklich Visualisierten, das sich in der Geschichte der Architektur oft als äußerst wirkmächtig erwiesen hat. Andererseits ist neben dem Aufbau der Abbau, die Zerstörung, die Dekonstruktion von Architektur zu beobachten: die Abtragung durch militärische oder politische Entscheidungen und der langsame, von Irrelevanz zeugende Verfall. Eine Architektursoziologie kann sich aber auch für die Architekten interessieren: für die gesellschaftlich bedingte Genese dieser speziellen Profession; für das Selbstverständnis der Architekten in Hinsicht auf die Gesellschaft, für ihre Intellektuellenposition also; für die Dritten-Position im Tableau der Interaktionen (vgl. Fischer 2009: 390); für die Etablierung der Architektur als akademischer, künstlerischer und technischer Disziplin (vgl. zum Beispiel de Montlibert 1995; Champy 2001) oder für die Spezialisierung des »architektonischen Handelns« (Schmidtke 2006). 21

Ebenso spannend ist die Frage nach der sozialen Funktion der Handwerker, die ja mit ihren Fertigkeiten erst die großen Kathedralen und damit eine ganze materielle und ideelle Kultur in Gang gebracht haben (Warnke 1976). Denkbar ist auch eine Systemtheorie der Architektur: die Frage nach dem gesellschaftlichen Teilsystem Architektur oder eine Betonung der sozioökonomischen Aspekte, insbesondere der Eigentumsverhältnisse (auf denen im Folgenden sicherlich kein ausreichender Akzent liegt). Ebenso möglich ist eine Soziologie der architektonischen Utopien als Gesellschaftsutopien oder eine Wissenssoziologie der Architektur: die Frage nach der sozialen Standortgebundenheit und dem Kampf der Weltanschauungen (›Ideologien‹) in der Architektur. Diese Einführung schlägt nun vor, folgenden Gang durch die Soziologie der Architektur zu verfolgen: Zunächst wird ihre Geschichte erzählt, in der Versammlung der impliziten Klassiker oder der Architektursoziologie avant la lettre (II). Als implizite kommt die klassische Architektursoziologie gänzlich ohne eigene theoretische Bemühungen hinsichtlich der Relation von Architektur und Gesellschaft aus. Das kennzeichnet demgegenüber die neueren, insbesondere die expliziten Ansätze der Architektursoziologie, die ihrerseits skizziert werden (III). Spätestens hier, in den expliziten Ansätzen, zeigt sich, dass die Architektur eine Herausforderung für die allgemeine Soziologie ist. Sie stellt systematische theoretische Herausforderungen und fordert die Soziologie vielleicht am Ende zu nichts weniger als zu einer Umakzentuierung der soziologischen Grundbegriffe heraus: als Artefakt und als Kunst; in ihrer Affektivität und Kreativität; in ihrer Materialität und symbolischen Eigenlogik (IV). Aus einer bestimmten Theorieperspektive werden nach dieser Bestimmung des Innovationspotentials der Architektursoziologie für die Soziologie drei exemplarische Fallstudien skizziert, um anzudeuten, worauf die Soziologie der Architektur den Blick lenken könnte und inwiefern sie die Architektur dabei als sozial effektiv und daher soziologisch als zutiefst relevant zu verstehen hätte. Soziologisch adäquat, in ihrer ganzen Brisanz, ist die Architektur vielleicht nicht als Ausdruck, sondern als »Medium« des Sozialen anzusprechen (V). Die so in 22

ihrer historischen und aktuellen Vielfalt und ihren Theorieherausforderungen sichtbar gemacht und mit einem Theorievorschlag und Fallskizzen angereicherte Architektursoziologie hat Folgen. Sie ergänzt die Architekturausbildung, verändert Stadt- und Raumsoziologie und nicht zuletzt die Gesellschaftstheorie (VI).

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II. Zur Geschichte der Architektursoziologie avant la lettre Hat man die Bedeutung der Architektur für das Soziale in den Blick gerückt und hat man den Anspruch, den die Architektur hinsichtlich des Sozialen erhebt, ebenso wie den Soziozentrismus der Soziologie, ihre Herausforderung durch die Architektur verstanden, kann man sich noch einmal neu zur Geschichte der Soziologie zurückbeugen. Denn obwohl es keine systematische Aufmerksamkeit für die Architektur gab, gibt es eine ganze Reihe implizit architektursoziologischer Fallstudien, darunter auch (insbesondere in der deutschsprachigen Soziologie) Reaktionen auf die neue Architektur. Zudem ist ein einziger expliziter Architektursoziologe in der klassischen Zeit der Soziologie zu verzeichnen. Man muss allerdings nach dieser Architektursoziologie avant la lettre graben wie nach Trüffeln. Hinsichtlich der Relation von Architektur und Gesellschaft unternehmen diese ›Architektursoziologien‹ kaum Denkbemühungen; oft ist einfach vom »Spiegel« oder »Ausdruck« der Gesellschaft die Rede. Es wird hier daher im Folgenden stets eine bestimmte Lektüreart verfolgt, die vor allem auf diesen Punkt Wert legt: Welche soziale ›Aktivität‹ kommt der Architektur selbst zu, welche Aussagen lassen sich darüber also aus den impliziten Architektursoziologien ausfalten? Alle Ansätze sind gleichermaßen aktuell: Sofern man sich vergegenwärtigt, dass die Soziologie ein multiparadigmatisches Fach ist, unbeschadet immer erneuter Reduktionsversuche viele gleichberechtigte Theorien kennt, die je andere Facetten des Sozialen in den Fokus schieben, je andere Erklärungsansprüche und Kritiken der eigenen Gesellschaft haben. Dabei blitzen Juwelen auf: veritable Klassiker der Architektursoziologie, unter denen mindestens Werner Sombart, Georg Simmel, Walter Benjamin, Ernst Bloch, Norbert Elias in der deutschsprachigen; Erving Goffman, Anthony Giddens, Richard Sennett in der angloamerikanischen; Marcel Mauss, Maurice Halbwachs, René Maunier, Michel Foucault, Georges Bataille, Pierre Bourdieu in der französischen Soziologie zu nennen sind. Wohl, weil sich in Frankreich Ethnologie und Soziologie zunächst kaum getrennt haben, gibt es hier (anders als in Deutschland) keine Beobachtun24

gen der Avantgarde; dafür umso mehr Theorieansätze und Methoden. Ethnographische Studien kommen wie selbstverständlich auf die Hütten und Zelte zu sprechen, die sie bei den Bororo, Guayaki und Inuit finden. Sie stehen vor allem in der Tradition Émile Durkheims, der 1898 die »soziale Morphologie« vorgeschlagen hatte. Das soziale Leben beruhe, so Durkheim, schließlich stets auf einem »Substrat, das seiner Größe wie seiner Form nach bestimmt ist«: aus der »Masse der Individuen«, aus denen sich die Gesellschaft zusammensetzt; der »Art und Weise, wie sie sich auf dem Boden verteilen«, und der »Konfiguration der Dinge jeglicher Art, die auf die kollektiven Beziehungen wirken«. Das Substrat variiert unter anderem mit der »Bauweise der Städte und der Häuser«, und es »wirkt direkt oder indirekt auf alle sozialen Phänomene« ein. »Wir schlagen vor, diese Wissenschaft Soziale Morphologie zu nennen.« (Durkheim 1989) Vor der Soziologie selbst aber drängen sich soziologische Bemerkungen zunächst seitens der Architekten auf; vornehmlich – aber nicht nur – bei der ebenso entwerfenden wie schreibenden Avantgarde des 20. Jahrhunderts (den »Architekturliteraten«, wie der Vorwurf lautete).

1. ›Architektursoziologie‹ in der Architektur »die nachzügler verlangsamen die kulturelle entwicklung der völker und der menschheit, denn das ornament wird nicht nur von verbrechern erzeugt, es begeht ein verbrechen dadurch, daß es den menschen schwer an der gesundheit, am nationalvermögen und also in seiner kulturellen entwicklung schädigt. […] da das ornament nicht mehr organisch mit unserer kultur zusammenhängt, ist es auch nicht mehr der ausdruck unserer kultur.« (Loos 1997: 82) Die Emergenz der modernen Architektur hat sicher eine lange Geschichte. Man kann sie mindestens bis ins Mittelalter zurückführen, in dem der klassische Kanon, die Suche nach einer Au25

torität, technische und soziale Neuerungen zusammentrafen: »around the year 1000« (Tzonis 2004: 4). Denn der Bau der großen Kathedralen erfordert ein spezialisiertes Können, evoziert die Institutionalisierung des Architektenberufes im Gegensatz zu den Handwerkern, den Baumanagern, der politischen Bauverwaltung (Warnke 1976). Und es bildet sich zudem ein spezifisches Begehren: eine kreativistische und sozialtechnische Entwurfshaltung, die es (um es mit Max Weber zu sagen) so nur im Okzident gegeben hat. Das höfische und nachrevolutionäre Frankreich ist dabei den anderen europäischen Gesellschaften in der Akademisierung der Architektur, ihrer Ausrichtung auf das Neue und ihrer Soziologisierung zunächst voraus. Im 18. Jahrhundert enthält – worauf Foucault aufmerksam gemacht hat – bereits »jede Abhandlung über Politik und Regierungskunst ein oder mehrere Kapitel über Städtebau« sowie über den Bau von kommunalen und privaten Häusern (Foucault 2005a: 325). Die Architektur stellt sich den Problemen der Bevölkerung, der Gesundheit und des städtischen Lebens. Zugleich kommt es zu einer funktionalen Differenzierung der Bautypen und Räume, auch in dieser Hinsicht also zu neuen Sichtbarkeiten bis in intimste Räume hinein. Bereits der ›Revolutionsarchitekt‹ Claude Nicolas Ledoux (1736-1806) erhebt mit seiner Architektur einen weitreichenden sozialen Anspruch. An »zahlreichen Stellen« seines Werkes L’Architecture considérée sous le rapport de l’art, des mœurs et de la législation (1804), so schreibt Emil Kaufmann 1933, »spürt man die Leidenschaft«, den »furor architectonicus, der ihn besessen hat«. Denn während sein Lehrer, ›le petit Blondel‹ Jaques-François Blondel (Hofarchitekt von Ludwig XV., 1705-1774), dem angehenden Architekten 1771 noch empfiehlt, die »Meisterwerke unserer großen Vorgänger nachzuahmen« und dabei getreu den Statusunterschieden entsprechend zu bauen,1 spricht es Ledoux dem Architekten nun zu, »Berge zu versetzen und Sümpfe auszutrocknen«. Der Architekt ist für ihn der »Rivale des Schöpfers« mit der Fähigkeit und Aufgabe, die Gesellschaft neu zu gründen (zitiert bei Kaufmann 1985: 10, 13). Viele Architekturtheoretiker bemerken dann auch bereits bei Ledoux die Reduktion der Form, die Ornamentlosigkeit, die zum Credo der modernen Architektur werden wird. 26

Bemerkenswert ist wenig später Gottfried Sempers (1803-1879) ›Architektursoziologie‹, welche verschiedenen Gesellschaftstypen je eigene Bautypen zuordnet, ohne allerdings damit einen gesellschaftsstiftenden Anspruch zu verbinden. Semper differenziert (ganz in der Tradition der Baukunst, die jahrhundertelang nicht zuletzt Festungsbaukunst war) vornehmlich Arten der Fortifikation sowie der Palast- und Tempelarchitektur. Und er geht dazu von vier grundlegenden Elementen aus, die sich seiner Analyse zufolge in jeder Architektur finden: das wichtigste »Urelement« der Architektur ist der (sakrale) Herd, um den sich dann Dach, Wand und Wall respektive Umzäunung gruppieren. Je nachdem, welches dieser Elemente in einer Architektur betont wird, lässt sich die Gesellschaft ablesen: Kirchenstaat, Despotismus, Aristokratie, Militärstaat. So folgt Sempers Analyse zufolge die assyrische Palastanlage dem um das Lager des Feldherrn geordneten Kastensystem: Es ist die Architektur eines auf »sozialistischer Basis aufgebauten und vom Krieg als treibende Kraft abhängigen Militärstaats«, die dem »Einschachtelungsprincip« folgt (Semper 1851: 79). Bemerkenswert ist zweitens die vielleicht zum letzten Mal dezidiert anti-kreativistische Haltung: Semper zufolge ist es nämlich Unsinn, neue Stile erfinden zu wollen, insofern die ›alten‹ (die römische Antike) bereits den Höhepunkt erreicht haben. Allenfalls könne man vollenden, was damals abbrach. Noch einmal 50 Jahre später entfaltet Adolf Loos (1870-1933) eine an Herbert Spencer und Charles Darwin geschulte, sozialevolutionistische Kritik der Architektur, in der sich die kommende kreativistische Haltung zeigt: das Ansinnen, der Gesellschaft gezielt ein neues Gesicht zu geben. Der Vorwurf lautet, das Ornament sei ein »Verbrechen«. Und ein Verbrechen ist das Ornament, das heißt die Architektur, die sich zur Ausschmückung vergangener Stile bedient (wie es Semper in Vollkommenheit zeigte), dabei nicht allein und nicht einmal vordergründig aufgrund ästhetischer Erwägungen. Vielmehr ist das Ornament ein Verbrechen, weil es die Gesellschaft hemmt, insofern es die Einzelnen in veralteten Wohnungen festhält, sie im Stil und Habitus vergangener Jahrhunderte konditioniert. Zudem ist es eine wirtschaftlich unsinnige Verausgabung. »Ich habe«, so wird Loos feierlich deklamieren, »folgende erkenntnis gefunden und der welt 27

geschenkt: evolution der kultur ist gleichbedeutend mit dem entfernen des ornamentes aus dem gebrauchsgegenstande. […] das tempo der kulturellen entwicklung leidet unter den nachzüglern. ich lebe vielleicht im jahre 1908, mein nachbar aber lebt um 1900 und der dort im jahre 1880. es ist ein unglück für einen staat, wenn sich die kultur seiner einwohner auf einen so großen zeitraum verteilt.« (Loos 1997: 85, Hervorhebung im Original) Es bedarf einer zeitgemäßen Architektur, die sich nicht zuletzt durch ihre Artifizialität ausweist: Man braucht »glänzende weiße Mauern«. Daher muss man die akademische Architektur in ihrem Stilkanon und ihrer Ordnung der Formen, die Architektur als Kunst, verabschieden: um die Gesellschaft voranzubringen. Und Otto Wagner (1841-1918) erhebt 1895 den Königsanspruch der Architektur, der soziologisch, für diese bürgerliche Gesellschaft, erst noch zu analysieren wäre: »Als die Krone des modernen Menschen […] wurde der Architekt gepriesen […] und auch ich muß, auf die Gefahr hin, des Größenwahns geziehen zu werden, in das Preislied einstimmen.« (Wagner 1902: 17) Und zweitens wird auch bereits Otto Wagner (der Jugendstilarchitekt) in Hinsicht auf die Gesellschaft die Entledigung von den überkommenen Ornamenten fordern: Die »Dinge, welche modernen Anschauungen entsprossen sind […], stimmen vollkommen zu unserer Erscheinung, nach alten Vorbildern kopiertes und imitiertes nie.« Alles müsse daher den »Anforderungen der Gegenwart« entsprechen und »unser eigenes besseres, demokratisches, selbstbewußtes, ideales Wesen veranschaulichen« sowie die »kolossalen technischen und wissenschaftlichen Errungenschaften«. Die architektonische Moderne wird, so Wagner, eine »deutliche Änderung des bisherigen Empfindens, den beinahe völligen Niedergang der Romantik und das fast alles usurpierende Hervortreten des Verstandes bei allen unseren Werken deutlich zum Ausdrucke bringen müssen.« Und sehr selbstsicher heißt es weiter: Die Welt wird »bald und zur eigenen Überraschung dort anlangen«, wo sie die Architekten haben wollen (Wagner 1902: 62, 57, 65, Hervorhebung im Original). Sie werden sie mit hinüberziehen. Und sie haben sie hinübergezogen. Auf ihre Weise formulieren Wagner und Loos vielleicht das, was Michel Foucault in der Analyse der disziplinierenden Bautypen des bürgerlichen Jahr28

hunderts herausfand: dass die Bedeutung der Architekten für diese moderne Gesellschaft nämlich darin begründet liegt, dass die Architektur »nach und nach den Platz des Königs« einnimmt (Ewald 1991: 166). Walter Gropius (1883-1969) und Le Corbusier (d.i. Charles Jeanneret, 1887-1965) führen diese Sätze im Grunde nur fort, die im allgemeinen Dispositiv des architektonischen Denkens offenbar angekommen sind. Auch sie legitimieren ihre Innovationen im Verweis auf die gesellschaftlichen »Bedürfnisse«, die eine neue Architektur erforderten. Der von der Soziologie diagnostizierte »Geist der Zeit« ist es, dem die Architektur folgen muss. Die soziologische »Klarstellung der gesellschaftsgeschichtlichen Tatsachen« muss, so Gropius, »vorausgehen, damit das knappste Optimum der lebensnotwendigen Ware Wohnung und das Preisminimum für ihre Herstellung gefunden werden kann«. Und was die Architekten aus der soziologischen Diagnose entnehmen, ist ein »stetiges Fortschreiten der Vergesellschaftung ehemaliger Familienfunktionen, autoritativer, erzieherischer und hauswirtschaftlicher Art, und damit werden die ersten Anfänge einer genossenschaftlichen Epoche […] sichtbar.« (1956: 89, 87) In dieser Epoche bedarf es Gropius’ Argumentation zufolge notwendig der mehrstöckigen ›Kollektivwohnhäuser‹, mit genügend Abstand und Grünflächen für ›Licht, Luft, Wärme‹: derjenigen Wohnarchitektur, die sich im großen Maßstab nach 1945 durchsetzen wird. Nicht zuletzt ist es in dieser Hinsicht Le Corbusier, der mit der fulminanten und fulminant visualisierten »Stadt der Gegenwart für drei Millionen Einwohner« mit kristallinen Wolkenkratzern, Lufttaxis und Sportdächern eine durchkonstruierte, effiziente, säuberlich segmentierte und hierarchisierte, artifizielle Gesellschaft vor Augen stellt: anzuschauen in Paris 1922, in 19 Metern Breite. Diese Stadt ist eine Gesellschaftsvision. Sie folgt dem mehrfach geäußerten Gedanken Le Corbusiers, dass es die Architektur vermag, den sozialen Klassen ihr ›Ruhebett‹ zu schaffen und damit nichts weniger als soziale Harmonie zu bewerkstelligen. Der »Urinstinkt eines jeden ist darauf ausgerichtet, sich eine Ruhestätte zu schaffen. Die verschiedenen arbeitenden Klassen der Gesellschaft haben heute keine angemessene Ruhestätte mehr, weder der Arbeiter der Hand noch der des Geistes. So ist 29

der Schlüssel für die Wiederherstellung des Gleichgewichts ein Bauproblem: Baukunst oder Revolution. […] Die Revolution lässt sich vermeiden.« (Le Corbusier 1982: 25, 215) Die ville contemporaine ist das durchgeführte Exempel, welches der Moderne, der »Kollektivleidenschaft der Exaktheit« und dem ›geometrischen Zeitgeist‹ Rechnung trägt: Der Architekt zähmt so die »Bestie, die Großstadt« (Le Corbusier 1929: 134, VIII, 1) durch eine Trennung der Funktionen, durch einen völligen Neuaufbau der Stadt. Also muss man sich »an das Zentrum der Stadt machen und es ändern« (ebd., 87). Und man muss die Klassen, ihre Verkehrs- und Aufenthaltszonen trennen. Die ›verkehrsgerechte‹ Stadt, die Le Corbusier bereits 1922 entwirft, diese Stadt mit dem Bahnhof an Stelle von Kirche und Markt ist das implizite Vorbild aller weiteren Großstadtvisionen. Denn die »Stadt der Geschwindigkeit«, so hat es bereits Le Corbusier formuliert, ist die »Stadt des Erfolgs« (ebd., 145). Und auch die nicht als Avantgardisten und Architekturliteraten verschrienen Architekten (wie ein Fritz Schumacher in Hamburg) legen »soziologische« Analysen vor, um die Großstadt und damit die Gesellschaft auf wissenschaftlicher Grundlage neu zu formen. Zu erwähnen ist in enger Verbindung zu Le Corbusier und vor allem mit einer expliziten Architektursoziologie schließlich der tschechische Avantgardist und Architekturkritiker Karel Teige (1900-1951), der in der Propagierung der neuen Architektur aus marxistischer Perspektive auf deren affektive Kraft aufmerksam macht (1930) und selbst ausführliche Vorschläge zur Gestaltung des künftigen kollektiven Wohnens in der »Kleinstwohnung« beisteuert (Teige 2002 [1932]).2 Dieser »Architektursoziologie« geht es nicht um eine wissenschaftliche Analyse, die den Stellenwert der Architektur für das Soziale ›nur‹ herausgestrichen hätte. Teige ist durch und durch Marxist: »Nur der historische Materialismus kann als wirklich wissenschaftliche Soziologie bezeichnet werden, weil er die Gesetze der dialektischen Entwicklung der Gesellschaft und Kultur versteht.« (Teige 2002: 10) Entsprechend handelt es sich um eine politisch interessierte Kritik an der zögerlichen Avantgarde, die revolutionär erst dann sei, wenn sie ganz dem »Diktat des praktischen Lebens« unterliege, statt noch ästhetisch sein zu wollen. Ihre Aufgabe ist nicht die Entscheidung zwi30

schen Baukunst und Revolution; ihre Aufgabe ist nicht die »Melioration, sondern die Erneuerung, die Revolution. […] Die revolutionäre Befreiung der Architektur [wird] das Problem der Unterbringung des Menschen ohne Familie und ohne Nationalität lösen, seine im wesentlichen geselligere, kollektive Lebensweise.« Dieses Experiment wird in der UdSSR in der Tat gemacht. Le Corbusier hingegen wird antworten: »Ich sage Ihnen (lieber Teige), […] nach meinem Dafürhalten ist die Ästhetik eine grundlegende menschliche Funktion. Ich füge sogar an, daß sie mit ihrer Macht die Richtung unseres Lebens und alle Wohltaten, die der Fortschritt mit sich bringt, überflügelt.« (Zitiert bei Halik 1993: 96) Natürlich gibt es in der seither immer reichhaltigeren Architekturtheorie und Baugeschichte auch weiterhin vielfältige Bezüge zu soziologischen Fragen. Aber sie scheinen sich abzukoppeln von der Soziologie, folgen ihrem eigenen Code und erheben umso weniger den Anspruch einer Architektursoziologie: sie zu verfolgen, würde diese Einführung in die Architektursoziologie sicher sprengen.

2. Deutschsprachige Soziologie (von Werner Sombart bis Walter Benjamin) Obgleich gerade die deutsche Soziologie in ihren Grundbegriffen keine Berücksichtigung der Architektur nahelegt, entfaltet sie implizit architektursoziologische Beobachtungen. Ihr ist vor allem auch die zeitgleich entstehende Architektur nicht völlig entgangen. Siegfried Kracauer (1889-1966), selbst Architekt, erkennt als Sonderkorrespondent der Frankfurter Zeitung in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung das »anonyme Sein des der kapitalistischen Wirtschaft verpflichteten Massenmenschen«. Er ist skeptisch gegenüber dieser Architektur, ihren weitreichenden Veränderungsvorschlägen, will ihr allerdings einen emanzipativen Effekt nicht ganz absprechen. So zeige die Auflösung der Wände eine »noch ungegebene Struktur der Gesellschaft«; vielleicht kündigte diese Architektur in der Tat etwas Neues, eine neue, offene Gesellschaft an. Ansonsten kommentiert Kracauer aber recht bissig die Wohn- und 31

Lebensvorschläge (Kracauer 1990: 73f.). Auch architektonisch weniger anspruchsvolle Gebäude werden analysiert: etwa die »Arbeitsnachweise« (Arbeitsämter), deren Hinterhof-Lage und karges Mobiliar spezifische Bewegungen und Wahrnehmungen evozieren, mit den entsprechenden (exkludierenden) Affekten. Vor allem der Bruder Max Webers, Alfred Weber (1868-1958), betont ganz affirmativ die Neuheit der Avantgardearchitektur. In der Neuen Sachlichkeit drücke sich ein »umwälzend neues Lebensgefühl« aus: ein ungekannter »Panscientismus und Panhistorismus« sowie der Technizismus einer kulturhistorisch ganz neuen Gesellschaft. Dabei ist es für Weber vor allem die Verabschiedung der Heimat-, Erd- und Traditionsgebundenheit in der neuen Architektur sowie ihre »eigentümlich affektuelle« Bindung an die Technik, an neue Materialien, aber auch an die Natur (wie Weber richtig beobachtet, im Gegensatz zu allen Antimodernisten, die nur eine Entseelung der Architektur und eine Entfremdung des Menschen sehen), die eine neue Haltung auch zur Gesellschaft evozierten (A. Weber 2000, Hervorhebung im Original). Helmuth Plessner (1892-1985) zeigt sich ähnlich beeindruckt, als er 1932 anlässlich eines Vortrages am Bauhaus (zum Thema »Mensch und Umwelt«) Dessau besichtigt. In dieser ungewohnten Gestalt der Gesellschaft erkennt Plessner vor allem eine Tendenz zu einem neuen »Gleichgewicht« zwischen den Klassen (in der seriellen Form) und die Ankündigung einer neuen »Öffentlichkeit« (in den lichtdurchfluteten Wohnungen). An Stelle von Bauten »zum Anschauen« habe diese Architektur eine Gestalt mit einem »offenen Charakter« erfunden, die der Moderne, dem technischen Zeitalter entspricht. Die Gesellschaft führt sich in dieser Architektur ihre »unendlichen Möglichkeiten« vor Augen: die Erkenntnis, prinzipiell Überbietbares schaffen zu können, in der durchgreifenden Anerkennung der ›Künstlichkeit‹ der menschlichen Lebensform. Die Architektur suggeriere sogar ein »Leben auf einem Planeten, das weiter ist als unser Leben auf dieser Erde«: ein Leben, in dem sich scheinbar die Schwerkraft »zu überwinden beginnt«. Und Plessner sieht darin keine eskapistische oder romantische Gesellschaft, sondern eine Gesellschaft der »innerweltlichen Bejahung«. Die Bauten haben für ihn eine »utopisch-planetarische Stimmung«, eine »Leichtigkeit«. Sie 32

zeichnen jedem Einzelnen eine »neue Haltung zum Leben« vor: einen Ausgleich mit der »vollkommen neuwertigen« Umwelt (Plessner 2001: 79). Plessner hat darüber hinaus die Eigenlogik der Architektur im kulturphilosophischen Vergleich zu anderen Medien entfaltet (s.u., 86). Nach 1945 hat sich für Arnold Gehlen (1904-1976) die Gesellschaft des nun etablierten »technischen Zeitalters« in ihrer Architektur allseits sicht- und greifbar auf »Beton und Stahl« gepflanzt: in dieser Architektur zeigt sich die Gesellschaft, so Gehlen, die Möglichkeit ihrer »Emanzipation vom Selbstverständlichen«. Die Architektur verändert sogar den bisherigen »Zustand, Mensch zu sein« (Gehlen 2004b: 26f.). Entscheidend ist für Gehlen dabei das neue gesellschaftliche Verhältnis zur Technik: die Ausschaltung des Organischen wird in der Moderne – Gehlens Zeitdiagnose zufolge – zum Selbstzweck. Nichts anderes als die Architektur ist federführend an dieser Entfaltung der »Industriekultur«, indem sie es ist, die all ihre »bisherigen Axiome umkehrt, nach denen ein Haus auf einem Fundament steht und vier Ecken hat, nach denen ein Gewölbe konvex ist. Also baut man runde Häuser oder ovale, auf Stelzen stehende, in die Luft hinausragende Zimmergondeln und eingeschwungene Gewölbe.« Im Unterschied zur Kunst bleibt die Architektur dabei bezogen auf das alltägliche Leben: sie wird durch das »Praktische ihrer Zwecke« gehindert, »absolut« zu werden. Daher ist in ihr (anders als in der bildenden Kunst) noch »echter Fortschritt möglich«; und daher ist sie soziologisch relevant (ebd., 32). Und ganz grundsätzlich hat Gehlen die Architektur in einer bemerkenswerten Verabschiedung des Subjekt-Objekt-Denkens als den »chronischen Aktualisator« bestimmter Verrichtungen, vereinseitigter und kanalisierter Gewohnheiten gesehen: »Wer morgens in seine Werkstatt […] tritt, erlebt von da her aktualisiert und schon über die Entscheidungsschwelle gehoben die Kontinuität seines spezialisierten Verhaltens. Auch sehnt sich z.B. der pensionierte Beamte nicht nach dem Abstraktum ›Beschäftigung‹, sondern nach Dienstzimmer, Schreibtisch und Akten. Die Verselbständigung des Gewohnheitsgefüges, seine Eigenstabilität und die Anreicherung der Motive […] sind, von außen erlebt, die Auslöserwirkung des Gerätes, seine Sollsuggestion. […] Hiervon ist die gesamte Kooperation je33

der Gesellschaft abhängig.« (Gehlen 2004a: 24f.) Diese Sollsuggestion behält die Architektur über Jahrhunderte. »In einem hochstilisierten Barocksaal bewegt sich niemand unbefangen; seinerzeit war dieser Stil auf ebenso barocke Verhaltensformen abgestimmt, die jetzt verschwunden sind, aber die Sollsuggestion ist geblieben – sie setzt sich in Gehemmtheit um, die modernen Besucher stecken die Hände in die Hosentaschen.« (Ebd., 26) Der Plessner-Schüler Hans Paul Bahrdt (1918-1994) hat dann eine Architektursoziologie skizziert, welche die »ästhetische Kommunikation« der Bauwerke in Hinsicht auf die soziale Wirklichkeit analysieren würde. Es geht um die Problematisierung der herkömmlichen Sicht: »Ist die Kunst nur Ausdruck, Niederschlag dessen, was gilt? Befestigt sie aktiv die bestehende Ordnung, indem sie bewußt dem tatsächlichen in seinem Gewordensein die Würde des Normativen gibt? Oder aber läuft sie dem zähflüssigen sozialen und politischen Wandel ahnungsvoll oder gar provozierend und antreiberisch voran?« (Bahrdt 1974: 178, 170) Wird diese Idee zunächst für die Kunst entfaltet, spricht Bahrdt explizit auch von einer »Soziologie des Bauens«: Ihr Hauptthema ist nicht die Beziehung Bauherr-Architekt, nicht die Sozialökonomie des Bauens, nicht die Profession. Vielmehr: die »Baukunst als sozialer Vorgang« (ebd., 178f.), der man nicht gegenübersteht, sondern um die man sich bewegen muss und dabei, in der ästhetischen Betrachtung, zum ›Benutzer‹ wird. Vor allem aber ist Bahrdts Stadtsoziologie-Klassiker »Die moderne Großstadt« (1961) von allen sicher diejenige, die am meisten auf die Architektur eingeht. Und dies nicht nur diagnostisch, sondern auch normativ: Aus der Theorie der bürgerlichen Gesellschaft, die sich durch die bauliche Trennung des Öffentlichen vom Privaten konstituiert und – in Korrektur der Chicago School – durch unvollständige Integration, werden Planungshinweise gewonnen. Nach Bahrdt erfolgt nämlich die Sozialisierung und Verhaltensregulierung auch durch die Architektur; der Baublock ermöglicht die Polarität von Öffentlichkeit/Privatheit als Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft, schafft deren Subjekte und deren Form des Politischen. Es kommt daher – will man diese Gesellschaftsform nicht aufgeben – auf eine Architektur an, die Urbanität (im Sinne unvollständiger Integration, des Zulassens von Anonymität) evoziert. 34

Interessant sind über Reaktionen auf die je zeitgenössische Architektur hinaus Texte, die erlauben, die Architektur verschiedener Gesellschaften zu beobachten. Eine solche Theorie bietet vielleicht Werner Sombart (1863-1941), auch wenn er selbst seinen Aspekt nur für eine Gesellschaft betrachtet. Sombart ist der große Theoretiker des Kapitalismus; von allen hat er am stärksten die Tatsache der finanziellen Verausgabung im Baugeschehen erfasst, den Anteil des »Wohnluxus« an der Entfaltung der kapitalistischen Gesellschaft. Der Ausgangspunkt von Luxusproduktion und -konsum, und damit der Katalysator des Kapitalismus, ist die höfische Prachtarchitektur in Frankreich. »Obenan steht natürlich der Bauluxus. […] Insgesamt wurden für die königlichen Bauten während der Regierungszeit Ludwigs XIV. ausgegeben: […] 300 Mill. Fr. […] Der Löwenanteil der ganzen Summe entfällt natürlich auf Versailles, das mit den Gärten und Wasserkünsten etwa 100 Mill. Fr. gekostet hat.« Die Hauptfrage Sombarts ist nach dieser Erfassung des Ausmaßes des Bauluxus im Haushalt der Gesellschaften die nach dem »Weibchen«: Wer hat denn das Begehren nach Prachtgebäuden entfaltet; auf wen geht die »rasche Steigerung der Luxusausgaben« zurück? (Sombart 1913: 83f., 87) Das Palais ist, so Sombart, der »Sieg des Weibchens« in der höfischen Gesellschaft. Zunächst der Mätresse, die im luxuriösen »Nest« das »Männchen« an sich fesselt, zu sich lockt. Das Palais ist »Kurtisanenwerk«, und von ihm aus verbreitet sich das Begehren nach dem luxuriösen Heim, nach Konsum in das Bürgertum und die Gesamtgesellschaft. Für Sombart zeugte somit der architektonische Luxus, dieses »legitime Kind der illegitimen Liebe«, den modernen Kapitalismus (ebd., 137, 223). Sombart wird auch auf subjektformende Effekte eingehen: Die vornehme Architektur erzeugt selbst bei dem »letzten Knallprotzen« eine aristokratische Distinguiertheit (ebd., 109). Darüber hinaus skizziert Sombart eine Soziologie der Artefakte: Jede Institution ruhe auf einer »technischen Grundlage«, welche die Bewegungen, Wahrnehmungen und »Persönlichkeitskultur« der in ihr involvierten Individuen formt. So muss man für das Mönchtum eine notwendige und stets ganz »bestimmte Menge von Kirchen« annehmen, mitsamt dem Habitus, den die Bauten nahelegen (Sombart 1911: 69). Die impliziter bleibende ›Architektursoziologie‹ Georg Sim35

mels ist sowohl gesellschaftsdiagnostisch als auch sozialtheoretisch, im Blick auf Vergesellschaftung überhaupt, angelegt. Die »formale Soziologie« stellt zunächst die Frage der Möglichkeit von Vergesellschaftung im Hinblick auf räumliche Bedingungen. So sind das von einer Gruppe besetzte Territorium und dessen Bebauung nicht nur deren Ausdruck, sondern auch ihre »Wurzel«. Jede Vergesellschaftung basiert, so Simmel, auf einer baulichen »Fixierung«. Architekturen sind die »Drehpunkte« der Wechselwirkungen, verstetigen die Erinnerungen einer religiösen Gemeinschaft oder legitimieren soziale Über- und Unterordnungen (Simmel 1968: 472). Simmel entfaltet eine zweite, gesellschaftsdiagnostische Perspektive, die Maffesoli als »histologische« Soziologie angesprochen hat, als »Studium der Gesellschaft ausgehend von der Deskription ihrer Haut« (Maffesoli 1987: 464f.). Dazu muss man sich Simmels soziale Ontologie vergegenwärtigen: Auf der grundlegenden Ebene des Sozialen gibt es für ihn ein ›Meer‹ akuter Wechselwirkungen, denen gegenüber die Gesellschaft eine »psychische« Tatsache ist: die Vorstellung der Koexistenz. Diese ist – als psychische – auf eine anschauliche »Oberfläche« verwiesen. Die Soziologie hat daher von der Oberfläche ein »Senkblei« zu ziehen: am »Körper« der Gesellschaft ihre »Seele« zu erkennen (Simmel 1957: 231). Maffesoli hat hier nicht ohne Grund auf Simmels singuläre Soziologie der Sinne hingewiesen: Für Simmel sei die ›formale Soziologie‹ die Bemühung, das »Erscheinungsbild des Alltagslebens hervortreten zu lassen«, angesichts dessen, dass das »Wesentliche der Existenz sich durch den Schein konstituiert«. Die Soziologie könne und hätte sich daher davon leiten zu lassen, »wie ein gesellschaftlicher Gegenstand sich zu sehen gibt«, statt dahinter nach seinem Wesen, seiner Struktur zu fragen (Maffesoli 1988: 177f., Hervorhebung im Original). Norbert Elias (1897-1990) hat die Architektur in ähnlichem Sinn in der Tat als kultursoziologisches Instrument eingesetzt: als den »höchst anschaulichen Zugang zum Verständnis bestimmter gesellschaftlicher Beziehungen« der höfischen Gesellschaft. Manche Merkwürdigkeit dieser ganz auf »Repräsentation« angelegten Gesellschaft – die Souveränität des Königs, die affektzügelnde Einbindung des Adels in das Zeremoniell, die räumliche Mobilität bei hoher Integration, die starre soziale Mobilität, das Verhältnis 36

der Geschlechter – erkennt Elias an der Architektur von Versailles und der Hôtels: an den ›appartements privées‹, dem ›basse-cour‹, der ›porche‹, den Küchen und antichambres, dem »Paradeschlafzimmer«. In theoretischer Hinsicht werden die »Wohnstrukturen als Anzeiger gesellschaftlicher Strukturen« konzipiert: als das »weithin sichtbare Produkt« bestimmter ›Wohnbedürfnisse‹ – in der Voraussetzung, jede »soziale Einheit« erzeuge eine typische »Raumgestaltung« (Elias 1983: 70f.).3 Elias hat dabei weniger die Expressivität (die ja immerhin in seinem Fall die der absoluten Prachtarchitektur ist) im Blick, sondern die Lage der unzähligen Räume, die Bewegungen, die sie evozieren, die Rituale, die in ihnen ablaufen. Alle Prinzipien dieser Gesellschaft zeigen sich im Grundriss des Hauses ›des Königs‹, dem »Spitzenphänomen einer in allen ihren Äußerungen hierarchisch gegliederten Gesellschaft« (ebd., 70f.). Und obgleich er sich auf den Grundriss konzentriert, wird er auch auf die architektonischen Stile verweisen: die höfische Gesellschaft kennt nämlich fünf ›ordres d’architecture‹ (»das ionische, das dorische, das korinthische, ein dem korinthischen verwandtes unter dem Namen composite und das toscanische«, ebd., 90), deren Verwendung sie strikt reguliert, so dass hierarchische Position und soziale Funktion des Hausbesitzers sofort erkennbar sind. Implizit erlaubt es Elias auch, die Positivität der Architektur, ihren Beitrag zur Subjekt- und Gesellschaftsform zu verstehen. Jedenfalls wird Peter Gleichmann mit Elias in dieser Hinsicht einen eher ›verfemten‹ Teil des Sozialen beobachten: die »Verhäuslichung der körperlichen Verrichtungen«, die Abtrennung von Hygieneräumen mit ihren Effekten der ›Zivilisierung‹ und Individualisierung (Gleichmann 1977). Das vielleicht breiteste Interesse an der Architektur entfaltet Ernst Bloch (1885-1977), sich sowohl für die zeitgenössische Avantgarde als auch für die ›ewigen‹ Architekturen der ägyptischen Pyramiden und gotischen Kathedralen und für architektonische Utopien interessierend. In den architektonischen Stilen entdeckt Bloch einen je spezifischen sozialen Lebenswillen: eine »Überstarre« der ägyptischen Form, die der »Überfülle« der gotischen Form gegenübersteht und einem anderen religiösen und politischen »Überbau« entspricht. Und während diese klassischen architektonischen Formen keineswegs emanzipativ zu den37

ken sind – nichts Neues in die Welt bringen, sondern eine Gesellschaft mit der ganzen Suggestionskraft der Architektur zementieren – spricht er der aktuellen Architektur eine kreative Kraft nicht ab: Architektonische Entwürfe sind »konkrete«, vorwärts treibende Utopien (Bloch 1959: 301). Bloch ist hier affiziert von der klassischen Moderne, wobei er sie doch als »verfrüht« einstuft: In ihren Schiffsmetaphern, ihrer Leichtigkeit drücke sich die »Flucht« vor dem Faschismus aus. Und letztlich erzeuge diese Architektur wohl doch nur die kapitalistischen Subjekte: die seriellen Siedlungen schaffen dessen »normierte Termiten« (ebd., 859ff.). Vor allem der Marxismus – in dessen Umfeld Bloch gehört, in dem er gleichwohl eine eigene Position einnimmt – hat aus der Architektur stets einen ›Ausdruck‹ und eine ›Maske‹ gemacht. Für Theodor W. Adorno (1903-1969) objektivieren sich in der Architektur wie in der Kunst insgesamt stets nur die »gesellschaftlichen Strukturmomente« (Adorno 1998b: 374, 367): Architektur als Kunst vermag, so Adorno im Vortrag über den »Funktionalismus heute«, in keinem Fall mehr. Die Soziologie hat daher nicht nach den Wirkungen, sondern den sozioökonomischen Ursachen einer Architektur zu suchen. Eine emanzipative Architektur, wie sie die ›Neue Sachlichkeit‹ zu sein beanspruchte, hätte erst in einer anderen, nicht kapitalistischen Gesellschaft Erfolg. In dieser, der kapitalistischen, jedoch ist »alles bloß Nützliche […] verhext« (Adorno 1998a: 381, 390ff.). Hin und wieder kommt Adorno doch auf eine mögliche »große« Architektur zurück: auf ihr Potential, ›schön‹ (unentfremdet) zu sein, wie es Scharouns Berliner Philharmonie gelungen sei. Und manchmal klingt auch Adorno trotz allem Pessimismus und vielleicht in Bezug auf die Architektur wie Bloch: »Im ästhetischen Fürsichsein steckt das von kollektiv Fortgeschrittenem, dem Bann Entronnene. Jede Idiosynkrasie lebt, vermöge ihres mimetisch-vorindividuellen Moments, von ihrer selbst unbewußten kollektiven Kräften.« (Adorno 1973: 68f.) Die an diese ›Kritische Theorie‹ anschließenden, explizit architektursoziologischen Schriften der 1960er und 1970er Jahre nehmen eine eminent kritische Position gegenüber der Architektur ein, wobei sie wie Adorno selbst den »Funktionalismus« im 38

Blick haben, und zwar vornehmlich in städtebaulicher Dimension. Die Charta von Athen (eine Übereinkunft führender Architekten hinsichtlich des kommenden Städtebaus, verabschiedet 1933, nicht ohne den Einfluss ihres Sekretärs Le Corbusier) wird dabei zum stereotyp kritisierten ›Sündenfall‹ der modernen Architektur. Es handelt sich bei dieser ersten expliziten Architektursoziologie, die auf den Wiederaufbau respektive Umbau der Städte nach 1945 reagiert, auch um eine französische und italienische Bewegung. Aus ihr geht im Fall das französischen (autodidaktischen) Architekten Paul Virilio nicht nur ein wirkmächtiger Soziologe hervor. Vielmehr stammt auch das Motto der 68er – »Die Phantasie an die Macht« – aus dieser kritischen Architektursoziologie, die sich vornimmt, den Funktionalismus als »Ideologie« des »Spätkapitalismus« aufzudecken. Der Phantasie-Aufruf bezog sich in der Tat zunächst auf die Architektur. Es war Virilio, der der Architektur zurief, sie solle wieder schöpferisch werden (Virilio 1971a), statt weiter affekt- und phantasielos zu sein. Die zeitgenössische Architektur hingegen ist nichts anderes als der Überbau der Klassengesellschaft und als solcher eine gebaute »Sauberkeitsideologie«. Die »›funktionale‹ Aufgliederung, die die Hygiene im Inneren der Wohnung realisiert […], unterstützt implizit eine andere Aufgliederung: die Unterteilung in […] Gesellschaftsklassen.« (Virilio 1971b: 135) Die französischen und deutschen Soziologinnen und Soziologen konvergieren hier sehr stark, im Gegensatz zur marxistischen Soziologie in UdSSR und DDR (auf die diese Einführung nicht eingehen kann). In der BRD wird etwa die Suche nach der funktionsgerechten Form in der Neuen Sachlichkeit als ein warenzentrierter Fetischismus der Dinge entlarvt, gar – in ihr Suche nach dem Wesentlichen – als Rückfall in die Substanzontologie und damit in »vormoderne Gesellschaftsformen« (Horn 1968: 60). Überdies spiegele die »eindimensionale Ästhetik« der neuen Architektur nichts anderes als die Eindimensionalität der Gesellschaft, ihre alleinige Ausrichtung auf die Zweckrationalität (Berndt 1968: 40). Etwas später wird der Italiener Manfredo Tafuri dann im selben Tonfall die Avantgarde stets erneut vom Kapitalismus absorbiert sehen. Worauf es soziologisch ankommt, ist daher nicht die Architektur, sondern das Politische (Tafuri 1977).4 Ähnliche Gedanken ent39

wickelt Henri Lefebvre (s.u., 46). Was an dieser Architektursoziologie auffällt – die ja zwischen den Klassikern und uns steht – ist ihr Engagement; und es ist außerdem ihre Einseitigkeit: Stets geht es um die Architektur der »kapitalistischen Gesellschaft« in kritischer Absicht. Das Thema lag in der Luft, die Aufmerksamkeit war von ihm okkupiert; so weit, dass sich ein Niklas Luhmann vielleicht nur zu einer neuen Soziologie durchringen konnte, indem er sich rigoros von architektonischen Themen abschnitt: »Oder nehmen Sie die Stadt Bielefeld, das ist kein System. Also alle räumlichen, regionalisierenden Einheiten interessieren mich nicht so sehr. Wie man sich über Raum im Verhältnis zu Kommunikation Gedanken machen kann, das ist z.B. so ein Bereich«, der dann nicht interessiert (zitiert bei Huber 1991: 132f.). Zurück zu einem großen Klassiker: Walter Benjamin (18921940), der es einem allerdings auch nicht leicht macht. Man muss sich einiges selbst zusammenreimen: Benjamin hat sein architektursoziologisches Werk nicht vollendet oder wollte es nicht vollenden. Es handelt sich um ein Konglomerat aus Textstücken verschiedenster Thematik, um einen soziologischen Ludwig Wittgenstein gleichsam, der aber sorgsam seine Quellen angibt (im Gegensatz zu Wittgenstein). Mit dem Architekturkritiker und -liebhaber Sigfried Giedion identifiziert Walter Benjamin jeweils dominante Bautypen: die höfische Gesellschaft zentriert sich um das Schloss; die bürgerliche zunächst um das Museum, bevor sie ihre eigentlichen Bauaufgaben entdeckt: Bahnhöfe und Eisenbahnbrücken, Ausstellungshallen und Warenhäuser, die einen neuen Schritt der Architektur (als Ingenieur- und als Eisenbauten) bedeuten. Für Benjamin ist die Architektur einer Epoche in Material, Konstruktion, Funktion das »wichtigste Zeugnis der latenten ›Mythologie‹« der Gesellschaft, ihres Begehrens. Und die »wichtigste Architektur des 19. Jahrhunderts ist die Passage« (Benjamin 1991: 1002). Seine Idee ist: Wie prähistorische Gesteine den »Abdruck von Ungeheuern aus diesen Erdperioden tragen, so liegen die Passagen heute in den großen Städten wie Höhlen mit den Fossilien eines verschollenen Untiers: der Konsumenten aus der vorimperialen Epoche des Kapitalismus.« (Ebd., 670) Die Passagen sind die Bauten, die zuerst den Passanten in den Konsumenten verwandelten, ihn zum window shopping verführen. Hier ent40

stehen die Bewegungs- und Blickweisen des Konsumenten und die dazugehörige Bedürfnislage, zuerst im Flaneur, der im Tempo seiner Schildkröte durch den Warendschungel spaziert. Diese Architekturen erlauben einen noch ungetrübten Blick in die sich gerade entfaltende Warengesellschaft. Und sie erlauben es Benjamin zugleich, einen anderen historischen Materialismus zu entfalten: nämlich einen, der die dialektische Geschichtsphilosophie in sich »annihiliert hat« (ebd., 474, vgl. Schöttker 2009), also nicht mehr vom notwendigen gesellschaftlichen Fortschritt ausgeht. Es gibt in der klassischen Zeit der Soziologie offenbar einen einzigen expliziten Ansatz: die »Soziologie der Baukunst« von Franz Arens. Arens geht von der Tatsache aus, dass unsere Beziehungen zu Skulptur und Malerei von »leiser und ferner Natur« seien, während die Architektur mit unserem Leben »eng verwachsen« ist. Daher ist die Architektur soziologisch relevanter als andere Künste. Im Anschluss an die Wissenssoziologie und in Reaktion auf das Neue Bauen wird Arens aus dieser Voraussetzung eine Soziologie skizzieren, die sich vornehmlich für die sozialen Bedingungen der Architektur interessiert: für die Träger der Architekturstile im Anschluss an die Idee der »Seinsverbundenheit« des Denkens (Mannheim 1984) und für die soziale Stellung des Architekten, analog zu Mannheims ›frei schwebender Intelligenz‹ (Arens 1927/28: 132).

3. Französische Soziologie (von Gabriel Tarde bis Michel Foucault) Die Mahnung an die Soziologie, ein begriffliches Verhältnis zu den Artefakten zu finden, da das Soziale von ihnen gar nicht zu trennen ist, betrifft zwar auch die französische Soziologie. Durkheim habe die soziale Morphologie nur als »Vorhalle zur reinen Soziologie« konzipiert. Auch hier kämen »Kunst und Technik nur insoweit in den Blick«, als sie »Phänomene moralischer Natur sind, d.h. insoweit von ihnen ein Zwang ausgeht, der nicht restlos auf physikalische oder biophysiologische Vorgänge« zurückzuführen ist (Eßbach 2001: 126). Gleichwohl kommt Durkheim selbst bereits zu einer architektursoziologischen Affinität; und si41

cher ist die französische Soziologie der Materialität des Sozialen viel näher als die deutsche. Andererseits gibt es hier keine Reaktionen auf die Avantgarde, zumal auf Le Corbusiers Pläne für Paris. Eher als für den l’esprit nouveau interessiert sie sich für den langfristigen Wandel und grundlegende sozialtheoretische Analysen. Zunächst entfaltet Gabriel Tarde (1843-1904) architektursoziologische Gedanken: einerseits im Blick auf die ästhetische Seite der Architektur, ihre Pracht; und andererseits im Blick auf das Stilphänomen, auf übergreifende architektonische Formen. Weit entfernt, in (Re-)Produktion aufzugehen, legt es das soziale Leben auf Verausgabung an, so Tarde: »Der Überfluß, der Luxus, […] die Schönheit, die sich jede Nation und jede Epoche schafft, ist in jeder Gesellschaft das sozial Bedeutendste und der Grund für das Dasein alles übrigen.« (Tarde 2008: 76) Und daher sind die architektonischen Stile in Hinsicht auf die Gesellschaft aussagekräftig: »Hier der Spitzbogen, dort der Giebel und anderswo der Rundbogen: Das ist das zugleich sichtbarste und tiefgründigste Merkmal einer Gesellschaft.« In der Architektur entstehen je neue »Notwendigkeiten«, statt dass lediglich ›natürliche‹ Bedürfnisse befriedigt werden. Es sind gesellschaftliche ›Sehbedürfnisse‹, die in der Architektur erfüllt werden: etwa, wenn das »griechische Auge« plötzlich das »Bedürfnis« entwickelt, in »Säulen eine ionische oder korinthische Form zu sehen« (ebd., 77). Die Soziologie hätte so von den Bauformen auf die Eigenart der Gesellschaft zu schließen. Dabei schafft die Architektur einerseits einen immer »vollkommeneren Konformismus«; andererseits erzeugen architektonische Erfindungen neue Sozialformen: etwa die despotische Idee »große[r], mit Sklaven bevölkerte[r] Ländereien […], die von einem Palast aus beherrscht werden« (ebd., 208, 251). Beides folgt dem elementaren ›sozialen Gesetz‹, dass im Sozialen »alles« entweder als »Erfindung« oder als »Nachahmung« geschieht (ebd., 27). Womöglich hat schließlich Tarde den Sinn der ›sozialen Morphologie‹ am tiefsten verstanden, wenn er bemerkt, dass sich Gesellschaften durch ihre architektonische Gestalt unterscheiden: »China zum Beispiel misst in Länge und Breite 3000 Kilometer bei einer durchschnittlichen Höhe von nur ein oder

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zwei Metern, weil die Chinesen klein von Wuchs und ihre Gebäude ziemlich niedrig sind.« (Tarde 2009: 54) Dies alles bleibt nur angerissen; wie auch bei Durkheim zwar die ›architektursoziologische‹ Idee der ›sozialen Morphologie‹ vorliegt, er hinsichtlich der Bedeutung der Architektur gleichwohl schwankt. Zwar könne sich die Soziologie des »Interesses für Erscheinungen nicht entschlagen, die das Substrat des Kollektivlebens betreffen«. Eine Erweiterung der Kategorien um die Artefakte (und die Architektur) sei aber kaum »nützlich; denn diese Arten des sozialen Daseins sind nur gefestigte Arten des Handelns.« (Durkheim 1961: 113f.) Und obgleich Durkheim später die Bedeutung des symbolischen Aspekts der Artefakte und die Unabdingbarkeit räumlicher Trennungen für das Religiöse betont (Durkheim 1994: 417), werden erst seine Mitarbeiter ›Architektursoziologen‹. Marcel Mauss’ (1872-1950) Eskimostudie ist einer der intensivsten architektursoziologischen Texte. Die besondere Weise, in der diese Gesellschaft an den Boden fixiert ist, ihr Wechsel von Sommer- und Winterwohnung ist für Mauss nicht nur ›Ausdruck‹ der sozialen Beziehungen und nicht nur eine Folge des territorialen Milieus. Vielmehr gebührt dem Materiellen ein gewisser Vorrang in der Einrichtung der Gesellschaft. So ist die »Beziehung zwischen der Familie und dem Zelt« im Sommer so eng, dass die Struktur der Familie sich nach der des Zeltes »richtet« (Mauss 1989: 213); das Material der Zelte ermöglicht nur Räume für die Kernfamilie. Im Winter »wandeln sich die morphologische Gestalt der Gesellschaft, die Technik ihrer Wohnbauten und die Struktur der darin Schutz suchenden Gruppe ganz und gar; die Wohnungen sind nicht mehr dieselben, ihre Bewohner sind andere und sie sind auf eine völlig andere Weise über den Boden verteilt.« (Ebd., 214) Die Eskimo ziehen in größere, konzentriertere Häuser um ein Versammlungshaus (kashim). Die Enge der Häuser und die Aufhebung aller Trennungen im kashim führt zur »religiösen Überspanntheit«, zur Güter- und Frauengemeinschaft sowie einem »Band wirklicher Zuneigung« (ebd., 256). Noch die Klassifikation der Einzelnen entspricht der binären Spaltung des Lebens, da sie sich in Winter- und Sommergeborene teilen: ein Dualismus, der wiederum anhand des Wech-

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sels der Architektur gesetzt wird. Man muss die Männerzelte vergraben, sobald der Winter kommt; die Architektur ist tabu, um die je andere Gesellschaft einrichten zu können (zur Aktualisierung von Mauss s. Schroer 2009). André Leroi-Gourhan (1911-1986) kommt im Anschluss an Mauss zu einer Klassifizierung der Gesellschaften nach dem Verhältnis der Architektur zum Boden (Leroi-Gourhan 1945: 306319); und von René Maunier (1887-1951) aus, einem ›Schüler‹ von Mauss, hätte sich eine Stadtsoziologie entfalten können, welche die Materialität berücksichtigt. Für Maunier besteht die »Materie der Gesellschaft« aus drei Elementen: Individuen, Gruppen von Individuen und Dingen. »Das heißt aus der Realität, die weder die der Menschen noch die der Gruppen von Menschen ist. Gesellschaft ist nicht möglich ohne ein Ensemble der objektiven Bedingungen: materielle und immaterielle. Jede Gesellschaft hat eine geographische Basis, ein Verkehrssystem, ein Moral- und ein Rechtssystem; und diese Systeme sind verschieden von den humanen Elementen. […] Diese Dinge, mögen sie genuin sozialen Ursprungs sein (wie das Recht) oder extrasozialen Ursprungs (wie das Territorium), bestimmen das gesamte soziale Leben.« (Maunier 1910: 7) Maunier interessiert sich zudem, Bourdieu zuvorkommend und an Mauss anknüpfend, für die Häuser der Kabylen: Das Bauverfahren mit seinen materiell-symbolischen und technisch-magischen Operationen erzeugt stets erneut kollektive Bindungen und zugleich Statusunterschiede (Maunier 1926). Schließlich ist es derselbe Maunier, der die Frage nach der Erfindung und Diffusion stellt: Was wird – auch architektonisch – in den Kolonien übernommen; wogegen verwahren sich Gesellschaften, was für ein soziales Amalgam entfaltet sich also im Kontakt der Kulturen (Maunier 1949)? Würde man dies weiterführen, könnte man Gesellschaften an ihrer architektonischen Haltung diagnostizieren, das heißt daran, ob sie sich in ihrer Architektur gegen das Neue ›wehren‹ oder es mittels der Ausbildung einer kreativen Profession geradezu darauf ›anlegen‹, sich ein neues Gesicht zu verschaffen. Eher für die »Repräsentation«, die »Einprägung« des Sozialen in der Architektur interessiert sich Maurice Halbwachs (18771945): für die »Standsicherheit«, die das Gebaute dem Sozialen 44

schafft. Jede Gesellschaft teilt ihren »Raum auf ihre Weise, aber ein für allemal […], so daß sie einen festen Rahmen aufstellt, in dem sie ihre Erinnerungen einschließt« (Halbwachs 1967: 162). Keine Institution ist derart ohne ihre Architektur zu beschreiben; weit entfernt, ein bloßes »Gedankengebilde« zu sein, muss das Soziale sich vielmehr mit »menschlichem« und »unbelebtem Stoff« (»Bauwerken, Häusern, Plätzen«) »beschweren« (Halbwachs 2002: 15). So existiert das Christentum, eine immerhin 2000-jährige Institution, nur, indem es ganz konkrete Stätten ›erfindet‹ und diese immer erneut tradiert (Halbwachs 2003). Andererseits bedarf der soziale Wandel mitunter der Auslöschung der Architektur: Als »man die Herren und Nonnen von Port Royal zerstreute, war damit nichts getan, solange man nicht die Gebäude der Abtei dem Erdboden gleichgemacht hatte« (Halbwachs 1967: 129). Das Hauptwerk Pierre Bourdieus (1930-2002) berücksichtigt die Architektur (über die Wohnungseinrichtung und den -ort hinaus) in der Analyse der ›feinen Unterschiede‹ nicht, anders als Musik und bildende Kunst (Bourdieu 1987; vgl. jedoch Hillier/ Rooksby 2000). Erst später interessiert sich Bourdieu für die Größe des »angeeigneten Raums« sowie für architektonische »Oppositionen«, welche die »Struktur des Sozialraums« ausdrücken: es gibt, so Bourdieu, in einer hierarchisierten Gesellschaft »keinen Raum, der nicht hierarchisiert wäre«; wichtiger noch, basiert die »Beharrungskraft« sozialer Strukturen zutiefst auf ihrer »Einschreibung in den Raum«. In der Architektur »behauptet« sich die Macht: unbemerkt, mit einem »Naturalisierungseffekt« sich in den Körper einschreibend und von ihm »Ehrerbietung« erzwingend (Bourdieu 1997: 160, 163). Bourdieu in dieser Richtung weiterzulesen, hieße, die Architektur als zentrale Komponente der Machtverhältnisse ernst zu nehmen, und nicht nur die der Paläste und Gefängnisse. Es gibt weitere architektursoziologische Texte, insbesondere die Kabylen-Studie, nach der die Architektur es ist, welche in der Segmentierung und Evokation von Bewegungen die Ordnung des Sozialen erzeugt (Bourdieu 1993). Schließlich resultiert offenbar Bourdieus Schlüsselbegriff des »Habitus« (die in der Sozialisation erworbene, klassenspezifische Bewegungs-, Sprech- und Denkweise) aus architektursoziologi45

schen Überlegungen. Bourdieu entfaltet das Habituskonzept anhand der Wissens- und Bauform der Gotik. Hier existiere eine »innere Form«, die den Architekten unbewusst »Richtung und Ziel weist«. Es gibt einen »geometrischen Ort« der symbolischen Formen, so dass im scheinbar Individuellen (zumal der Architekten) das Kollektive steckt, mit anderen Worten: im Individuum der Habitus (Bourdieu 1974: 125, 132, 143; ders. 2000). Henri Lefebvre (1901-1991) hat neben anderen eine neomarxistische Architekturkritik etabliert. Der Architekt »kondensiert« demnach die bestehenden sozialen Beziehungen (Lefebvre 1972: 99); mit der Architektur gehen je spezifische Trennungen, Verbindungen, Konflikte und Rhythmen des Sozialen einher. Jede Architektur beruht dabei ihrerseits auf einer Produktionsweise, die sie reproduziert. So ist etwa die antike polis nicht eine beliebige Ansammlung von Menschen und Dingen, sondern ein spezifisches Konglomerat, das sich durch einen »Polyzentrismus« von Architektur und Sozialem auszeichnet (Lefebvre 1991: 31). Im zeitgenössischen Fall ist es die warenzentrierte Vergesellschaftung, die sich in der Architektur kondensiert. Worauf Lefebvre in seiner Kritik an dieser Architektur letztlich zielt, ist das ›Urbane‹, das nur entstehen kann, »wenn die staatliche Ordnung und die Strategie, die den Raum global organisiert und homogenisiert […], gestürzt werden. Aus diesem Grund mußte der Urbanismus sowohl als Maske wie als Werkzeug angeprangert werden. Als Maske des Staates und der politischen Aktion, als Werkzeug von Interessen, die sich hinter einer Strategie und in einer Sozio-Logik verbergen« (Lefebvre 1972: 190). Und der Benutzer? Er – und das ist das eigentliche Problem – ist außerordentlich passiv: Es ist eine Passivität, die sich aus der Architektur ergibt, aus der Verteilung der Einzelnen. Der Marxismus, aber auch die soziale Morphologie hat ihre Grenzen. Zumindest Gilbert Simondon (1924-1989) war dieser Auffassung: Die Soziologie bedürfe auch einer Lebenstheorie. »In jedem Fall beharren wir auf der Idee, nach der eine Humanwissenschaft in einer Energetik begründet sein muss, und nicht in auf einer Morphologie […]; man muss sich fragen, warum die Gruppen sich wandeln.« (Simondon 1989: 63) Die vitalistische Soziologie hat en passant weitere Aspekte der Architektur in Hin46

sicht auf das Soziale entfaltet. Georges Bataille (1897-1962) versteht in diesem Rahmen die Architektur zwar zunächst auch als »Ausdruck« der Gesellschaft (genauer: ihres Staatlichen). Zugleich spricht er ihr aber auch eine zwingende soziale Macht zu. Die Institutionen richten sich in den »Kathedralen und Palästen […] an die Vielheiten und zwingen diesen Ruhe auf«, wobei die Gebäude es sind, welche »häufig echte Angst« erregen. Das ›Volk‹, so Bataille, ist also nicht eigentlich gegen die Kirche, sondern gegen die Bauwerke feindselig: Sie sind die »wahren Gebieter« (Bataille 2005: 7f.). Der Aspekt der Verausgabung, der sich aus der allgemeinen ›Ökonomie‹ Batailles erklärt, erlaubt ihm zweitens eine Analyse der Konstitution von Ungleichheit: Die Pracht, die Gesellschaften in ihre Bauten investieren, verschafft den Einzelnen erst soziales Prestige. Prachtarchitektur ist zugleich eines der Mittel, Überschüsse abzubauen, zu verausgaben, und damit eine elementare menschliche Aktivität. Diese ist nämlich nicht zu reduzieren auf Prozesse der Produktion; entscheidend ist vielmehr die Konsumtion, die Bataille in zwei Bereiche aufteilt. »Der erste, der reduzierbar ist, umfaßt den für die Individuen einer Gesellschaft notwendigen Minimalverbrauch zur Erhaltung des Lebens […]: es handelt sich also einfach um die Grundvoraussetzung dieser letzteren. Der zweite Bereich umfaßt die sogenannten unproduktiven Ausgaben: Luxus, Trauerzeremonien, Kriege, Kulte, die Errichtung von Prachtbauten, Spiele, Theater, Künste […] stellen ebenso viele Tätigkeiten dar, die, zumindest ursprünglich, ihren Zweck in sich selbst haben.« Demnach ist es »notwendig, den Namen der Verausgabung diesen unproduktiven Formen vorzubehalten« (Bataille 1985: 12). Unter diesem Aspekt wird Bataille die Kunst wiederum in zwei Kategorien einteilen, deren erste die Architektur beinhaltet, die »tatsächliche« Ausgaben erfordert, während Bildhauerei und Malerei in diese zugleich die zweite, »symbolische« Verausgabung einführen (ebd., 14f.). Bataille ist ein Vitalist: der Nietzscheaner und Bergsonianer der Soziologie. Der Verschwendungsprozess ist in diesem Denken das elementare Prinzip des (sozialen) Lebens, auf das die Soziologie in ihrer Fixierung auf das rationale Handeln kaum eingegangen ist. Nicht zuletzt ist zu erwähnen, dass Bataille zufolge erst durch die Verschwendung als Übertretung des Nützli47

chen der Mensch erscheint: erst darin unterscheidet er sich vom Tier. Auch Michel Maffesoli entfaltet eine Soziologie der Vitalität; auch er interessiert sich für die materielle Form des Sozialen, wobei er sich ebenso eng an Halbwachs anschließt, wie Bataille sich an Mauss anschloss. Die Architektur garantiert als »schweigende Gesellschaft« gegenüber der Vitalität der Einzelnen erst die Stabilität des Sozialen (Maffesoli 1996: 133), und dies auch in der postmodernen Gesellschaft der flüchtigen Beziehungen. Sicher liegt das Interesse Maffesolis eher auf Nicht-Architektonischem: auf dem Ephemeren, den kleinen Erregungen, aus denen das vinculum sociale besteht, den Festen, Räuschen und winzigen Ekstasen. Die Bedeutung der Architektur ist dennoch nicht hoch genug einzuschätzen: »Die Stadt, der Raum, Induktor der Sozialität!« Die Stadt ist der »Knotenpunkt der ganzen Vergesellschaftung; es gibt ein konstantes Hin-und-Her zwischen der Stadt und der Sozialität«; Straßen, Plätze, Gebäude »strukturieren das Bild der Gesellschaft in einer äußerst präzisen Weise« (Maffesoli 1979: 27f.). Hier ist zum einen an den Form-Gedanken Maffesolis zu erinnern: die Idee der Histologie (s.o., 36). Von Maffesoli aus könnte man zudem die vorwärtstreibenden Effekte der Architektur berücksichtigen, die im kollektiven Imaginären liegen: das Imaginäre stiftet Sozialität, indem es vorgibt, was sein »könnte« (Maffesoli 1993: 3); dieses »hedonistische« Element, die kollektive Vorstellung, das gemeinsame Begehren bedarf stets der sichtbaren Materialisierung. Der Strukturalismus hat ebenfalls eine implizite Architektursoziologie entfaltet. Da ist zunächst eine ›Architektursoziologie‹ bei Claude Lévi-Strauss (geb. 1908), der sich die Gesellschaftsstruktur der Bororo anhand eines »theoretischen und vereinfachten Modells« der architektonischen Anordnung veranschaulicht: »Wie man weiß, besteht ein Bororo-Dorf im Idealfall aus acht kollektiven Hütten, von denen jede eine Familie beherbergt und die kreisförmig um einen Platz angeordnet sind, in dessen Mitte das Männerhaus steht.« In dieser zunächst einfach erscheinenden Anordnung klassifiziert und ›konzentriert‹, teilt und hierarchisiert sich die Gesellschaft auf äußerst komplexe (und, so wäre zu ergänzen, in den Körper sich einschreibende) Weise (Lévi-Strauss 48

1936). Auch Roland Barthes (1915-1980) interessiert sich für den sozialen »Text« der Architektur. Er wird die Begriffe prägen, die den Strukturalismus dazu führen, die Architektur als Sprache zu konzipieren. In diesem Denken ist das nichtsprachliche Medium ohne eigene semantische Fähigkeit. Der Eiffelturm etwa ist ein »fast leeres« Zeichen, das sich mit den verschiedensten Bedeutungen zu füllen vermag, ein Effekt der Imagination: »Blick, Objekt, Symbol, der Eiffelturm ist alles, was der Mensch in ihn hineinlegt […] ist er das reine Zeichen. […] Durch den Eiffelturm hindurch üben die Menschen jene große Funktion des Imaginären aus, die ihre Freiheit ist.« (Barthes/Martin 1970: 27, 83) Die Architektur als Sinne und Körper affizierendes Artefakt bleibt in dieser Konzeption allerdings unberücksichtigt, denn der Ansatz »kennt nur eine einzige Operation: das Lesen oder das Entziffern« (Barthes 2003: 92) – während jeder weiß, dass ein Haus kein Text ist. Barthes hat gleichwohl skizziert, dass spezifische Lebensweisen nicht ohne ihre Artefakte zu denken sind (etwa die der Mönche) und detailliert ihre Gefüge beschrieben: die Aktivität von Lampen und Betten, die verschiedene »Mikroräume« erzeugen (Barthes 2007: 184ff.). Das »Innovationspotential poststrukturalistischer Theorien für die Kunst- und Architektursoziologie liegt in ihrer Öffnung hin zu einer Soziologie der ästhetischen Form, der Sichtbarkeit und der Materialität« (Prinz/Schäfer 2008: 397). ›Nach‹ dem Strukturalismus kommt in der Theorienzählung der Soziologie der »Poststrukturalismus«. Es geht um die Wendung vom Text zu Materialität, Körper, Visualität, Affektivität, die insbesondere Foucaults Dispositivanalyse einleitet (mit einem im Übrigen lebensphilosophischen Grundton: einem »tiefsitzenden Nietzscheanismus«; Deleuze 1987b: 100).5 Foucault interessiert sich für die ebenso repressive wie produktive Macht, für die Zurichtungen und ›Züchtungen‹ menschlichen Lebens. Mit Überwachen und Strafen hat er sich zweifelsohne zum architektursoziologischen Klassiker gemacht, auf Augenhöhe mit Mauss und Benjamin. Foucault beschreibt die »Architektur des Gefängnisses, das Panoptikum, als eine Licht-Form, die die Zellen an der Peripherie durchflutet, den Zentralturm aber im Dunkeln beläßt und eine Einteilung vornimmt zwischen den Gefangenen, die gesehen 49

werden, ohne zu sehen, und dem beliebigen Beobachter, der alles sieht, ohne gesehen zu werden. Sowenig die Aussagen ablösbar sind von ihren Ordnungen, sowenig sind die Sichtbarkeiten von ihren Maschinen ablösbar.« (Deleuze 1987a: 82f.) Präzise wird gezeigt, wie die moderne Subjektform durch eine spezifische Architektur erzeugt wird, indem diese über den Körper (dem sie eine genau kalkulierte Sichtbarkeit verschafft) auf die subjektive Motivation und damit langfristig auf die Selbsthaltung der Einzelnen einwirkt. In der Gefängnisstudie ist der Aspekt der »Sichtbarkeit« zentral, der nicht ohne eine bestimmte Materialität auskommt. Es sind die Steine, welche die Individuen »gelehrig« machen, indem sie an die »Stelle des einfachen alten Schemas der Einschließung« ein »Kalkül der Öffnungen, Wände und Zwischenräume, der Durchgänge und Durchblicke« treten lassen und »Objekte einer Information« erzeugen (Foucault 1976a: 256). So wird das Krankenhaus zum »Heilmittel« und die Schule zum »Dressurmittel« (ebd., 223). Es geht nicht um einzelne Gebäude, sondern um das Dispositiv eines architektonischen Denkens. Und es geht nicht um eine Trennung von Sozialem und Artefakten, sondern um das ›soziotechnische‹ Konglomerat, nach dem sich Gesellschaften differenzieren lassen. Die Antike ist dann die »Zivilisation des Schauspiels«: der Tempel, Theater, Zirkusse, mit einer ›öffentlichen Lebensweise‹ in einer uns unbekannten sinnlichen Nähe. Sofern wir nicht mehr »auf der Bühne und nicht auf den Rängen« sind, sind wir »weit weniger Griechen, als wir glauben« (ebd., 278). Foucault hat darüber hinaus ein ganzes architektursoziologisches Forschungsprogramm entfaltet: den Gedanken, die Architekturgeschichte »im Rahmen einer allgemeinen Geschichte der techne« (im griechischen Sinn, als Lebenstechnik oder -form) zu behandeln und dies zum »Leitkonzept« der Soziologie zu machen (Foucault 2005a: 341). In der Tat arbeitet Foucault latent architektursoziologisch. Im Fall der École militaire sagen es ihm die »Mauern, dass es um den Kampf gegen Homosexualität« geht; für seine Archäologie des ärztlichen Blicks hatte er vor, bei der Krankenhausarchitektur zu beginnen. Stets geht es dabei um eine Bauweise, die als »Auge der Macht« einer Gesellschaft fungiert, deren Ökonomie es erforderlich mache, die ›Macht‹ in jedem Einzelnen zu verankern und sie bis »zu ihren Körpern […] zirkulieren 50

zu lassen« (Foucault 2003: 250). Daher enthalte ab dem 18. Jahrhundert, in der Etablierung der bürgerlichen Gesellschaft, jede »Abhandlung über Politik und Regierungskunst ein […] Kapitel über Städtebau, den Bau kollektiver Einrichtungen, Hygiene und den Bau von Privathäusern«, während die »Schlösser, die Spitäler, die Beinhäuser, die Zwangshäuser« außer Kurs kommen. Und nicht nur dies; sie veralten nicht nur. Vielmehr lässt sich die neue Ordnung »ohne ihre Auslöschung nicht errichten« (Foucault 2005a: 325). Die »Heterotopologie« schließlich erlaubt eine Gesellschaftsdiagnose entlang der Frage, welche Architekturen der Ausschließung aus dem Alltäglichen sie kennen (Bordelle, Kinos …); ob sie eher »Krisen-« oder »Abweichungsheterotopien« entfalten und welche Zeitlichkeit sie in ihnen erzeugen: die Rhythmik der Feste in provisorischen Bauten oder das Festhalten einer Vergangenheit in den Museen (Foucault 2005b).

4. Amerikanische und britische Soziologie (von Thorstein Veblen bis Richard Sennett) Bereits angesprochen wurde, dass die angloamerikanische klassische Soziologie kaum architektursoziologische Beobachtungen entfaltet. Zur selben Zeit wählt sich ihre Gesellschaft in ihren Kirchen und Parlamenten eine kontinentale, gotisch-antike Gestalt und wagt sich (in Chicago) mit Wolkenkratzern in ganz neue Dimensionen. Die Chicago School hat mit dem Manifest von Robert E. Park die stadtsoziologische Forschung weltweit ausgerichtet. Parks der Biologie entlehnte Kategorien (dominance, assimilation, succession, symbiosis) gaben die Themen vor: die Erforschung der räumlichen Entmischung und Polarisierung sozialer Gruppen, der »Segregation«. Die stadtsoziologische Forschung blickt seither sicher auf die »räumliche« Struktur der Stadt als Indikator der sozialen Verteilung; des Weiteren auf Ausstattung, Qualität, Preis, Dichte der Architektur, die aber selbst stets als »vorsozial« begriffen wird, als »physische« Bedingung des Sozialen. Damit fallen ihre Symbolizität und Affektivität unter den Tisch. Die Stadt habe, so heißt es im ›Manifest‹ der Chicago Scool, gewiss eine »physische Struktur«, die allerdings nicht darüber hinwegtäu51

schen dürfe, dass sie nur der Ausdruck des »city-building animal« sei: Ausdruck der Menschheit, speziell ihrer sozialen Relationen, noch spezieller: ihrer modernen Desintegration. Soziologisch gesehen, so heißt es für die Ohren aller Stadtsoziologen, ist die Stadt »not an artifact«, sondern ein »state of mind« (Janowitz 1925: ix; Park 1925: 1). Die Stadt ist für diese Soziologie eine Lebensweise, und zwar eine, die die Krise zum Prinzip macht (Makropoulos 1988: 15). Auch Louis Wirth, der andere große Autor der Chicago School, kultiviert diese voluntaristische oder soziozentrische Soziologie, aus der sich wohl keine Architektursoziologie entfalten konnte: »So lange wir Urbanismus mit der physikalischen Entität der Stadt identifizieren […], so lange kommen wir zu keiner adäquaten Konzeption des Urbanismus als einem Modus des Lebens.« Die Stadt sei vielmehr eine »relativ große, dichte und dauerhafte Niederlassung sozial heterogener Individuen« (Wirth 1938: 4). Es finden sich natürlich kursorische Bemerkungen zur Architektur: bei Thorstein Veblen (1857-1929) im Rahmen seiner Theorie der demonstrativen Verschwendung; bei Talcott Parsons (1902-1979) innerhalb der Überlegungen zum Subsystem Kultur, dessen Aufgabe Normerhaltung und kreativer Normenwandel ist, wobei die architektonischen Stile den »expressiven Symbolen« zugeordnet werden, die affektiv (cathectic, ›besetzend‹) wirken (Parsons/Shils 2001: 162ff.). Bei David Riesman (1909-2002), der Innenarchitekten als ›Freizeitberater‹ versteht. Und sicher handelt es sich bei der Middletown-Studie um eine implizite Architektursoziologie: eine Sozialanthropologie einer mittelgroßen Stadt mit einem Kapitel über die Wohnhäuser, deren Größe, Material, Ausstattung, Mentalität, Lebensweise, Aktivitäten, Eigentumsverhältnis, Bauprozess für verschiedene Schichten beschrieben werden, wobei vor allem die Zähigkeit der Gewohnheiten bemerkt wird. Was diese Fallstudie zu geben beansprucht, ist nichts weniger als ein adäquates Bild der amerikanischen Gesellschaft (Lynd/Lynd 1929). Was es augenscheinlich aber nicht gibt, ist die Beobachtung der Avantgarde – etwa eine Reaktion auf die Wolkenkratzer. Vor allem in der amerikanischen Soziologie hat niemand »systematisch die Rolle der Architekten in der Schaffung der […] sozialen Wirklichkeit« untersucht. Man hat offenbar 52

die »soziale Bedeutung der Architektur ignoriert« (Abbott 2000; dieselbe Diagnose bei King 1980: 4ff.). Ein soziologischer Klassiker mit der am meisten ›architektursoziologischen‹ Stadtsoziologie ist gleichwohl Anselm L. Strauss (1916-1996) (vgl. auch King 1980: 5), Schüler von Herbert Blumer und Begründer der ›Grounded Theory‹. In Images of the American City (Strauss 1961) wird am Fall Chicagos eine Soziologie der imaginären Stadt entfaltet, die deren symbolische Gestalt in ihrem historischen Wandel zutiefst zur Kenntnis nimmt. Nahezu oder bereits mit Klassikerstatus (je nachdem, wie man ihn definiert) und mit einem dezidierteren Blick auf die Architektur auch in ihrem Bezug zum Körper sind dann Erving Goffman, Anthony Giddens und Richard Sennett zu erwähnen. Goffman betont die Bedeutung räumlicher Trennungen für direkte Interaktionen. Neben dem Konzept der »Territorien des Selbst« (Goffmann 1974), das an der Architektur allerdings knapp vorbei streicht, sowie neben der Betonung der verschiedenen »Bühnen« der Interaktion, die auch das Mobiliar umfasst (Goffman 1983), hat Goffman auf die architektonische Konstitution sozialer Unterschiede aufmerksam gemacht. So werden etwa Herren- und Damenabteilungen in Konsumarchitekturen als »natürliche Folge des Unterschieds zwischen den Geschlechterkategorien hingestellt«, während sie diesen erst herstellen (Goffman 1994: 132). Architektursoziologisches Potential enthält Giddens’ Theorie der Verbindung von Akteur- und Strukturaspekt, der die räumlichen Strukturen nicht mehr als die »Arena« verstehen will, in der sich die Interaktionen entfalten, sondern als das »Medium«, das sie reproduziert (vgl. Gregory/Urry 1985: 3). Es geht hier um eine Konzeption, die sowohl die soziale Bedingtheit der Architektur als auch deren Effekte im Blick hält. Giddens thematisiert in Auseinandersetzung mit Foucault die Architektur vor allem hinsichtlich der Normalisierung der Körperbewegungen und der Klassifizierungen; allerdings bleibt er recht undetailliert (das Klassenzimmer als »Machtbehälter«, Giddens 1988: 188); zudem interessiert er sich nicht für die expressive Dimension der Architektur, entfaltet keine ›soziologische Ästhetik‹. Manche kritisieren zudem die voluntaristische Konzeption; für Giddens sei, so jedenfalls Thomas Gieryn, die physische Seite der Architektur soziologisch irre53

levant (Gieryn 2002: 38). Eine implizite ›Architektursoziologie‹ mit einem dezidierten Bezug auf den Körper findet sich bei Sennett. Die kulturhistorische Studie »Fleisch und Stein« sucht eine Verbindung von Körper- und Gesellschaftsvorstellungen anhand der Stadtbauweisen zu belegen. Zudem entfaltet Sennett die These vom ›Verfall des öffentlichen Lebens‹ im 20. Jahrhundert auch am ›Verfall‹ der öffentlichen Funktionen in der Architektur: die Verwischung von Innen und Außen durch Glasfassaden; die Vortäuschung öffentlicher Räume – die Architekten sind diejenigen, die eine ›verkehrte‹ Vorstellung der Öffentlichkeit umsetzen und allererst sichtbar machen (Sennett 1986, 1997). Diese tour de force durch die Architektursoziologie avant la lettre zeigt zweierlei: einerseits die Vielzahl von Ansätzen, wenn man sie erst einmal als solche ausfaltet; andererseits das Desinteresse an einer Klärung der Begriffe, des Gegenstandes, der Perspektive und Methoden einer Architektursoziologie. Hans Peter Thurn hat sich 1972 einen Überblick über die Architektursoziologie verschafft. Er nimmt darin eine etwas andere Einordnung der Architektursoziologie vor, nämlich anhand der Reichweite: Architektursoziologie wäre die ›Mesosoziologie‹ zwischen Stadt- und Wohnsoziologie. Auch hat Thurn eine andere Vorstellung, wozu eine Soziologie der Architektur führen soll: zur Hilfswissenschaft für Architektur und Stadtplanung. Das Fazit könnte er aber auch heute schreiben, bezogen auf den Stand bis vor kurzem: die »Fragen blieben notwendigerweise offen, insbesondere in jenem Bereich, der die eigentliche Architektur selbst betrifft« (Thurn 1972: 303). Aber die Fragen bleiben zu einem guten Teil wohl nur so lange offen, wie man die klassische Architektursoziologie nicht also solche sichtbar machte.

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III. Neuere Ansätze der Architektursoziologie »Es gibt die ›Architektursoziologie‹, man braucht sie nicht mehr zu gründen. Unübersehbar hat sich im deutschsprachigen Raum in den letzten Jahren eine Disziplin unter diesem Titel ausgebildet, mit einem ersten Kompendium, Texten zur Grundlegung und Methodik, mit ersten Fallstudien und einer einschlägigen Website.« (Fischer 2009: 385) Gegenüber den klassischen und auch den Ansätzen nach 1945 entfaltet sich aktuell eine explizite Architektursoziologie insbesondere (aber nicht nur) in der deutschsprachigen Soziologie. Hierzulande ist sie spätestens seit Bernhard Schäfers’ Lehrbuch (2003) sichtbar. Das ›Lehrbuch‹ schlägt folgende Definition der Architektursoziologie vor: Diese Soziologie untersuche die »Zusammenhänge von gebauter Umwelt und sozialem Handeln unter Berücksichtigung vorherrschender technischer, ökonomischer und politischer Voraussetzungen« (Schäfers 2003: 21f., Hervorhebung im Original). Es werden zudem vier Grundfragen der Architektursoziologie entfaltet: wie durch Gebäude »Aktivitäten unterstützt und räumlich rekonstruiert« werden, wie sich die Architektur im »Prozess der Zivilisation« entwickelte (das heißt unter welchen politischen und ökonomischen Bedingungen); welche soziale Bedeutung »Symbolsysteme« haben und schließlich, wie der Beruf des Architekten sich entfaltete. Insofern die Architektur der »sichtbarste Ausdruck des sozialen und kulturellen Wandels«, ist es demnach eine Aufgabe der Architektursoziologie, die Veränderungen des Sozialen »im Spiegel« der Veränderungen der Architektur zu untersuchen. Bedeutsam ist an diesem Vorschlag aber vielleicht weniger die Theoriekonzeption (auf die er nicht zielt), auch weniger die methodologische Herausforderung (über die man sich erst klar werden muss; der ausführlichste Vorschlag bisher: Schubert 2005). Vielmehr ist die Existenz des Lehrbuchs an sich wichtig, die aufgespannte Themenvielfalt sowie die Kenntnis der jüngeren Architektursoziologie der 1960er und 1970er Jahre, die in dieser Ein55

führung daher etwas kürzer dargestellt werden konnte, verkürzt auf ihren Generalnenner. Und nicht zuletzt ist die Betonung der Omnipräsenz der Architektur bemerkenswert: eine Betonung, die in der Soziologie bisher unüblich war, während die Tatsache offensichtlich ist. Ein weiterer wichtiger Schritt ist der Theorienband zur »Architektur der Gesellschaft« (Fischer/Delitz 2009; vgl. bereits Fischer/Makropoulos 2004), der verschiedene Theorien auf ihr Potential hinsichtlich einer Beobachtung und Gesellschaftstheorie der Architektur befragt, also die Theorienvielfalt der Soziologie für die Architektursoziologie zu erschließen sucht. Weitere Schritte zeichnen sich ab.6 Es ist nicht einfach, das Tableau zu zeichnen, ohne Wichtiges zu vergessen und Anderes zu verzerren. Noch fehlen die Monographien, noch die Fallstudien. Auch zur Methodologie der Architektursoziologie ist noch nicht viel zu berichten. Man könnte daher für den aktuellen Stand der Architektursoziologie Karl Mannheims Bemerkungen zur Wissenssoziologie paraphrasieren: Der architektursoziologische Aspekt ist gerade »noch zu neu, um ausschließlich bei dem Einzeldetail verweilen zu können, zu unfertig, um bereits eine Systematik […] zu ermöglichen. In immer neuen Ansätzen muss zunächst dieser Aspekt erprobt werden.« (Mannheim 1929: 49) Es gibt (der Komplexität des Phänomens entsprechend) dabei ein weites Spektrum: Perspektiven, die die Planungs- und Bauprozesse (inklusive aller Normierungen und ökonomischen Aspekte) in den Blick rücken, die Diskurse, den Architekten; und die, die sich auf den Baukörper selbst konzentrieren, unter anderem in der Frage, was die Architektur mit dem Körper macht, welche Bewegungen und Wahrnehmungen mit ihr einhergehen; oder, welche Expressivität, welche symbolische Bedeutung sie hat. Wie man sich je für Aspekte der Architektur (im Übrigen nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Methode) entscheiden muss, gibt es verschiedene Erkenntnisinteressen: es ist ein Unterschied, ob man eine vorwiegend gesellschaftsdiagnostische, -kritische oder -planerische Architektursoziologie vor Augen hat. Die Konzeption der Relation von Architektur und Gesellschaft wird anders ausfallen und es werden andere Phänomene im Blick stehen. Es ist im Übrigen auch ein Unterschied, ob die Autoren an sozial- oder planungswissenschaftlichen Fakultäten 56

schreiben. Dabei gibt es natürlich fließende Übergänge; auch eine gesellschaftskritische Architektursoziologie arbeitet gesellschaftsdiagnostisch und hat planerische Absichten, im Gegensatz vielleicht zu einer vorwiegend analytischen Sicht. Neben expliziten Architektursoziologien werden im Folgenden dabei auch Ansätze vorgestellt, die implizit architektursoziologisch arbeiten oder im Schwerpunkt anderes vorhaben. Neben deutschsprachigen wird erneut insbesondere auf französische und angloamerikanische Ansätze aufmerksam zu machen sein.

1. Deutschsprachige Ansätze (von den Gender Studies bis zur Institutionenanalyse) Mit einem kritischen, auf Veränderung von Architektur und Gesellschaft angelegten Blick geht die ›Frauenforschung‹ ins Rennen. Die Gender Studies (ein in viele Disziplinen eingedrungenes Forschungsthema, das gleichwohl einen genuin soziologischen Kern hat) haben seit den 1970er Jahren die Architektur kontinuierlich beobachtet (vgl. zum Beispiel Dörhöfer 1985; zuletzt dies. 2002). Es gibt sogar einen Lehrstuhl für »Architektursoziologie und Frauenforschung« in Hannover. Die Architektur ist für diese Soziologie die Symbolisierung der Geschlechterhierarchie und deren Auf-Dauer-Stellung (im schlechten Fall). Sie reproduziert die herrschenden Ungleichheiten und schreibt sie in die Körper ein, etwa in der Entfernung der Suburbs vom Stadt- und Gesellschaftszentrum oder in der Aufteilung der Wohnung. Und im guten Fall – auf den diese Soziologie es anlegt – ist die Architektur in der Lage, die Geschlechterverhältnisse zu ändern, Hierarchien aufzubrechen. Daher handelt es sich nicht allein um einen soziologischen Forschungsansatz. Es sind wesentlich Architektinnen beteiligt; auch ist es ein politisches Projekt. In mancher Hinsicht steht diese Architektursoziologie dabei in der Tradition, die um 1968 zu einem ersten Boom architektursoziologischer Publikationen führte; erneut oder seither geht es um die Beteiligung an der Planung (»gender planning«). Werner Sombarts ›geschlechtertheoretische‹ Analyse wird hier sicherlich kaum geteilt. Viel57

mehr geht es um die männliche Herrschaft. »Es spielt eine Rolle, wer plant und entwirft, baut und entscheidet: Alltagserfahrungen und persönliche Geschichte prägen Maßstäbe und Zielsetzungen, auch beim Planen und Entwerfen« (Zibell 2006); und dies sind weitgehend immer noch Männer. Die Gender Studies der Architekturforschung scheinen dabei weitgehend einer Denkweise zu folgen, in der die Architektur der perpetuierende ›Ausdruck‹ bereits ›bestehender‹ Sozialstrukturen ist, während sich in den Gender Studies ansonsten der Sozialkonstruktivismus durchgesetzt hat. Susanne Frank hingegen geht eher in dieser Richtung von einer Wechselwirkung von Architektur und Sozialem aus: »Einerseits werden Räume geschlechtlich definiert, andererseits die Geschlechter räumlich bestimmt.« Die Architektur schafft die Geschlechterhierarchie, indem sie ›eingebildete‹, aber handlungsleitende Unterschiede erst sichtbar macht (Frank 2003; 2009). Zwischen Gender Studies und Elias’ Zivilisationstheorie entfaltet sich auch eine historische Soziologie, die sich für den Wandel der Wohnarchitektur interessiert (im Übrigen geht es zumeist um die Wohnarchitektur) und der Bauweise eine hemmende ›Aktivität‹ zuschreibt: indem aktuelle Wohngrundrisse immer noch höfische Strukturen nachahmen, perpetuieren sie deren Geschlechterverhältnis (Weresch 2005). Die Cultural Studies sind zunächst auch eine neo-marxistische Theorie, und zwar in der Etablierung eines neuen Kulturbegriffs, der im Gegensatz zu Adorno nicht die ›große‹ Kunst der »Kulturindustrie« (respektive Massenkultur) vorzieht. Sie haben keinen Planungsoptimismus und keinen Kulturindustriepessimismus, sondern setzen auf subversive Momente des sozialen Lebens; es geht ebenso um die Normierungen wie um die Widerständigkeiten. Wie »dominant ein soziales System auch immer sein mag, die bloße Tatsache seiner Dominanz bedeutet eine Begrenzung oder Auswahl der Handlungsmöglichkeiten, die es abdeckt, so dass es per definitionem nicht alle sozialen Erfahrungen absorbieren kann, die daher stets einen potentiellen Raum für alternative Intentionen enthalten, welche noch nicht als soziale Institution oder gar als soziales Projekt artikuliert sind.« (Williams 1979: 252) Die Konzentration liegt eindeutig auf den Massenmedien, während die Architektur bisher kaum zum Forschungsgegen58

stand wurde. »Das bedeutet aber nicht, dass Architektur nicht doch einen Bezugspunkt der kultur- und medienwissenschaftlichen Überlegungen in den Cultural Studies bildet«. Vielmehr entdeckt Udo Göttlich in den Cultural Studies eine implizite Architektursoziologie, vor allem bei David Morley, der das Wohnzimmer als den Ort diskutiert habe, an dem sich vielfältige soziale Prozesse »durchdringen und zu einer eigenen Topologie des Alltags beitragen, aus der kulturelle Ordnungen und Identitäten hervorgehen« (Göttlich 2009: 289f.). Es stehen hier – auch architektursoziologisch – die neuen Medien im Blick: etwa in der Frage, was der Fernseher an der Einschachtelung des Menschen durch Architektur ändert. Aus Sicht der CS ist er der wesentliche Teil jener Technologien, die an der »›virtuellen Architektur‹ des Alltags«, an dessen spezifischer Ordnung beteiligt sind (ebd., 290). Dabei hat das Fernsehen eine paradoxe »mobilisierende« Funktion: es verbindet entfernte Orte, während der Ort, an dem es genutzt wird (das Private), ›mobil‹ wird (ebd., 296). Durch das Medium wird die Innenraum-Situation verändert und damit die soziale Interaktion. Günter Anders sprach vom ›negativen Familientisch‹. Aber auch öffentliche Räume werden anders: als öffentliche Fernsehgelegenheiten genutzt, wird in ihnen eine merkwürdige »Privatheit« erzeugt (ebd., 295). An diesem Punkt wird die ›Medienarchitektur‹ weiter zu beobachten sein: die Verwendung großflächiger Monitore als Fassade, wobei Architekturtheoretiker gern von einer erneuten ›Revolution‹ oder gar Abschaffung der Architektur sprechen. Mittlerweile scheint der kritische Ton, dem die CS entstammen, einem eher nüchternen, kultursoziologischen Ton gewichen zu sein. Kultursoziologischen Ansätzen geht es grundlegend um die Bedeutung der »Bedeutung«, um die soziale Effektivität des Symbolischen. Konzeptionell wird hier weniger von einer feststehenden Gesellschaftsstruktur (der ›Klassengesellschaft‹) ausgegangen (deren Architektur zu kritisieren wäre) als vielmehr von der symbolischen Konstitution der Gesellschaft in ihrer Architektur. Michael Makropoulos akzentuiert die kontingenzbewältigende und -steigernde Funktion der Architekturmoderne, die dazu führt, dass im 20. Jahrhundert (angesichts der ungewohnten Gestalt) eine Kultur des »generalisierten Möglichkeitssinns« ent59

steht, und zugleich (in der Serialität) eine »Normalisierungsgesellschaft«. Die klassische Moderne ist Makropoulos zufolge das »Medium« einer spezifischen Vergesellschaftung: der ›massenkulturellen‹ Selbstentfaltung, der »Massenkultur«. »Kaum irgendwo« habe sich das »ordnungs- und wirklichkeitsstiftende Unternehmen« der modernen, fordistischen Vergesellschaftung »sinnfälliger niedergeschlagen als in jenem Bereich, in dem die sozialtechnischen und ästhetischen Tendenzen, die diese strategische Disposition generiert hat, sowohl konzeptuell als auch empirisch miteinander verbunden wurden, nämlich in den vollendeten Artefakt-Welten der modernen Architektur« (Makropoulos 1997: 81f.). Indem diese Architektur alles auf Standardisierung und Rationalisierung – Einrichtung der Wohnung für das Existenzminimum und Ausrichten des Bauprozesses auf Beschleunigung – setzt, ist sie die »materielle Form einer Gesellschaft, die im doppelten Sinne auf Mobilität gegründet« ist: die eine »massenhafte räumliche Mobilität« ermöglicht und zugleich die soziale Mobilität anschaulich macht. Die moderne Gesellschaft und ihre serielle, sachliche, ›unverwurzelte‹ Architektur sind gleichermaßen auf die »Identifikation von Erfolg mit individuellem sozialen Aufstieg ausgerichtet« (Makropoulos 2008: 67f.). Die Betonung der Transformationsleistung der Architektur-Avantgarde ist bemerkenswert angesichts des sonstigen Ideologievorwurfs, der schnellen soziologischen Rede vom Scheitern der Architektur. Tatsächlich gehört die »Gestaltung artifizieller Wirklichkeiten durch die moderne Architektur zu den folgenreichsten Versuchen, unter der Voraussetzung technisch generierter Kontingenzerhöhung eine konsistente Einheit der Wirklichkeit herzustellen und die optimierungslogische Kontingenzerhöhung in eine gesellschaftlich operationalisierbare Form zu bringen« (ebd., 61). Norbert Elias’ Analyse der »Figurationen« und damit der »Zivilisation« einer Gesellschaft erweist sich architektursoziologisch weiterhin als attraktives Modell: als ein operationalisierbares Instrument, mit dem sich eine Gesellschaft erkennen lässt. Herbert Schubert schlägt mit Elias derart eine dezidiert »empirische« Architektursoziologie vor. Die Architektur wird dabei als sozialer Prozess konzipiert: als Prozess, der Aufschluss über den Stand der Sozio- und Psychogenese, der Affektregulationen einer Gesell60

schaft gibt. In der wachsenden Komplexität der Architekturproduktion zeigt sich demnach der gestiegene Grad der Integration, der gegenseitigen Abhängigkeiten und Affektkontrollen. Die Architekturproduktion ist dabei nicht nur ein Ausdruck des sowieso sich Vollziehenden, sondern auch derjenige Prozess, in dem sich die »Zivilisierung und Rationalisierung der Siedlungsräume« vollziehen. In der »sozialen Produktion von Raum fungiert die Architektur als Mittel, den einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft ihren Ort und ihre Stellung im Gemeinwesen zuzuweisen.« (Schubert 2005: 2f.; vgl. ders. 2009) In Frage stehen in der Systemtheorie (im Ansatz Dirk Baeckers7) weniger die Architektur als die Architekturtheorie (als Selbstbeobachtung der Architektur, die in der Architektursoziologie noch einmal beobachtet wird) und die Architekturdebatten. In der ersten Hinsicht geht es um die Autonomie der Architektur in einer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft. In der modernen Architektur zeigt sich entsprechend dieser Autonomie nichts ›anderes‹ als deren eigene Differenzproduktion. Es zeigt sich also in der Architektur gar nichts: Es drücken sich keine sozialen Strukturen aus. Funktion, Ästhetik, Solidität, die klassischen Bestimmungen der Architektur – die auf Vitruvs »Zehn Bücher über Architektur« um 30 v.u.Z. zurückgehen – werden der Architektur zunehmend äußerlich, bis sie sich nur noch als »Abschirmung im Medium des Raums« definiert: als pure Differenz von Innen/Außen. Damit ist die Architektur wesentlich eine »Technik«, insofern sie im Gegensatz zu jeder Kunst ihre »konstituierende Differenz von Innen und Außen nicht zur Disposition stellen kann« (Baecker 1991: 100). Die architektonische Leitunterscheidung Innen/Außen betrifft aber auch, wie Baecker jüngst ergänzt, die »soziale Organisation«: die Abschirmung von Sichtbarkeiten und Zugänglichkeiten (Baecker 2009: 205). Die materielle »Form« der Architektur ist selbst daher eine »soziale Form«; sie »sortiert Ereignisse, nämlich das Drinnensein, das Draußensein und den Übergang« von Aktivitäten. Architektur ist Kommunikation. Sie ist – in der Theoriesprache der Systemtheorie – ein soziales System. Architektonische Prozesse sind »Operationen, die nicht nur bauliche Veränderungen vornehmen, sondern auch die Gesellschaft fortsetzen, so oder so« (durch Weiterbau oder Ab61

bruch). Und daher ist etwa unsere »Gesellschaft […] nach dem Abriss des Palasts der Republik nicht mehr dieselbe« wie zuvor (Baecker 2009: 195); sie hat ein anderes Politisches, eine andere Geschichte. Weiterhin kommuniziert die Architektur Stratifikation und Exklusion/Inklusion: An ihr »müsste sich ablesen lassen, mit welchem Ehrgeiz Positionen markiert und der Kontakt mit anderen und weiteren Positionen offen gehalten wird«. Nicht zuletzt ergibt sich aus der »Schutzfunktion der Architektur das Postulat eines Kontextes«: des »Ausgriffs auf eine Gemeinschaft und der Inanspruchnahme von einer Gemeinschaft«. Der Architektur kommt hier, wie Baecker mit dem Schwarmintelligenz-Biologen Pierre-P. Grassé sagt, eine »stigmergetische Funktion« zu (stigmata, griech. Zeichen): die Nutzung des nicht nur kognitiven, sondern auch affektiven Gehalts von Zeichen zur Regulierung sozialen Verhaltens. Nicht nur durch Interaktion, sondern indirekt, »über die Variation der Umwelt«, werden Bewegungen und Gefühle kanalisiert (ebd., 205-207). Explizit eine Architektursoziologie schlägt Joachim Fischer vor; ebenfalls in den Termini der Systemtheorie und nicht ohne in sie ein Fremdelement einzubauen: und zwar aus der Theoriesprache Helmuth Plessners, der das menschliche Lebewesen als »exzentrische Positionalität« bestimmt hatte. Es geht angesichts der unumgänglichen Körperlichkeit des Menschen um eine Korrektur des Luhmann’schen Kommunikationsbegriffs durch das »schwere« Medium Architektur: die Architektur ist das den »leichten« Medien (Geld, Liebe, Sprache usw.) ko-evolutive Medium, das Sinngehalte kommuniziert, die nur in ihm kommuniziert werden können. Und dies auch in der Moderne, die sich – weit entfernt, sich allein im Datenverkehr zusammenzufinden – als »unaufräumbar« und »unausräumbar« erweist (Fischer 2009: 405). Penetrant halten sich in ihr vergangene Gesellschaften präsent; penetrant ist der Körper anwesend. Diese Soziologie argumentiert in der Systemtheorie mit der Philosophischen Anthropologie: dem Beharren auf der (gegenüber dem Tier in sich gebrochenen, distanzierten) körperlichen Existenz des Menschen in der soziologischen Theorie, seiner Angewiesenheit auf raumbildende und expressive Hüllen. Und sie beharrt auf der Eigenlogik der Architektur als »Medium der Welt- und Selbsterschließung«. Architek62

tur funktioniert nicht wie Sprache, Bild, Musik (was alle Rekonstruktionsbefürworter vergessen, die von der ›Aufführung‹ eines Bauwerkes sprechen wie von einer Partitur). Ebenso wenig sei die Architektur als ›Artefakt‹ recht verstanden. Vielmehr sei die »Baukörpergrenze« wesentlich: die »künstliche Umschließung«, in der »Welt und Selbst angeordnet« werden, in der das »menschliche Lebewesen die Gefährdetheit und Gleichgewichtslosigkeit seiner körperlichen Existenz« sichert und in der es zugleich »sein Erscheinen in der Welt« expressiv reguliert, in der »Baukörpergrenze« im Sinne von Funktion und Ausdruck. Damit wird die Architektur selbst als Kommunikation begriffen: die Baukörper stehen in einer »Als-Ob-Kommunikation« zu- und gegeneinander, so dass die Architektur nicht nur »›gebaute Umwelt‹ der Mitwelt« ist, sondern selbst »Mitwelt«. Die Bauten haben füreinander »Mitweltcharakter« (ebd., 395f., 400f.). Und die Subjekte? Sie sind eher deren »Gleiter« als deren Leser oder Nutzer: Ihre »Wahrnehmung und Bewegung gleitet an den Baukörpern entlang, schlüpft in sie hinein und wieder hinaus – und dabei gleitet die architektonische Sinnofferte beiläufig in die Menschen hinein.« (Ebd., 403) Differenzen der Gesellschaft (der Funktionen, Stratifikationen, Generationen) werden so vor jeder Diskursivierung kommuniziert. Wegen der Bedeutsamkeit der Architektur muss man die Architektursoziologie ins »Zentrum der Soziologie schleusen« (Fischer 2009: 394). Es schließen sich erste Gesellschaftsdiagnosen an. Angesichts des neu aufgebauten Potsdamer Platzes wird die Wiederherstellung der »bürgerlichen Gesellschaft« nach zwei antibürgerlichen Gesellschaften beobachtet: als Gesellschaft, die sich zu ihrem Ursprung in der »europäischen Stadt« zurückbeugt und sich im Einbau historischer Spuren zugleich »kontingenzgewitzt« macht (Fischer 2004a: 31). Die Kommunikationsofferte der sozialistischen Architektur hingegen lautet im Fall der Prager Straße in Dresden: Gleichheit, Solidarität, Herrschaft des Proletariats und kosmonautischer Aufbruch. Diese Architektur kommuniziert die »utopische Energie« des sozialistischen Gesellschaftsprojektes (Fischer 2004b). Es ist kontingenzgewitzt, wenn wir sie stehen lassen: als das Andere unserer eigenen Gesellschaft. Eher implizit verfolgt die unter anderem an Cassirer und Geh63

len anknüpfende »Theorie und Analyse institutioneller Ordnung« Karl-Siegbert Rehbergs eine Architektursoziologie: Architekturen sind als »Raumsymbole« einer der »symbolischen Mechanismen«, in denen sich soziale Beziehungen institutionalisieren. Das Symbolische ist dabei die ›Existenzweise‹ der sozialen Ordnung. »Es geht ganz generell um die – grundsätzlich stets als unwahrscheinlich anzunehmende – Stabilisierung sozialer Beziehungen, vor allem auf der Basis einer Sichtbarmachung und Selbstsymbolisierung bestimmter Ordnungsprinzipien. Somit werden Institutionen nicht als Organisationen […], sondern als symbolische Ordnungen verstanden. […] Es drückte sich in diesem Gedanken originär dasselbe gesellschaftliche Problem aus, das auch Émile Durkheim bewegte, dass nämlich gesellschaftliche Stabilitätszustände einer ideativen und moralischen Integration bedürften.« (Dauss/Rehberg 2009: 109f.; vgl. Rehberg 1994) Worum es geht, sind »Geltungsüberschüsse«: das, was Durkheim die kollektive Kraft nannte, die Normativität, der (produktive und keineswegs nur repressive) ›Zwang‹ des Sozialen, aus dem sich Subjektformierungen, Motive, Einstellungen ergeben. Dieser Zwang bedarf der (gleichsam magischen) Visualisierung: »Institutionelle Stabilisierungen bleiben eng geknüpft an eine besondere Form der durch Sichtbarkeit suggestiv verstärkten Ordnungs›Magie‹.« (Dauss/Rehberg 2009: 111) Institutionalisierungen (deren Kardinalfall wohl die katholische Kirche ist) bedürfen der Anschaulichkeit, aber auch des Verborgenen. Es handelt sich stets um Selektionen, um Ausgrenzungen anderer Möglichkeiten hinsichtlich des Sozialen. Gerade daraus resultiert, so Rehberg, ihr »Geltungsüberschuss«. Institutionen sind also essentiell auf ihre selektive Darstellung verwiesen. Ohne Architektur (die Unsichtbares präsent macht und unsichtbar bleiben Sollendes abschirmt) ist keine größere Institution denkbar. Neben dem räumlichen Aspekt hat jede Institutionalisierung einen zeitlichen: Institutionen richten sich ihre eigene Geschichte zu, selektieren diese ebenso, wie sie die visuelle Sichtbarkeit selektieren. Zu zeigen ist in der Analyse dann konkret, mit welchen Mechanismen und Medien (neben Architektur unter anderem Texte, Riten, Bilder) die ›Identität‹ des Sozialen erzeugt wird, welche Kämpfe dabei ausgefochten werden (gerade Architekturen können besetzt und 64

zu »Gegen-Symbolen« werden, ebd., 111ff.), und nicht zuletzt: welche Rückgriffe im Fall der Architektur plausibel sind (vgl. zu konkreten Studien Dauss 2007; Peters 2010). Auch eine Professionssoziologie kann die Architektur (wie auch Zeichnungen) selbst in den Blick nehmen: als Ergebnis architektonischen Handelns, das mit der objektiven Hermeneutik als aussagekräftiges »Protokoll« interpretierbar ist. Oliver Schmidtke geht es in Abgrenzung von den bisherigen Professionssoziologien, die die Architektur als Kunst- oder Technikdisziplin verstehen, um eine »genuin soziologische« Perspektive. Architektur ist zunächst die grundlegende Lösung des »Sesshaftigkeitsproblems«: die »Innen-Außen-Abgrenzung«. Sofern damit öffentlich und privat getrennt wird, handelt es sich zugleich um ein soziales Problem. Mit den ersten Hochkulturen habe dieses Problem eine »Krise« erreicht: nämlich die Herausforderung, repräsentativ zu bauen, woraus die Profession Architektur historisch resultiere. Architektonische Stile sind Routinen, die die »Krise der Gestaltungsaufgabe von vornherein entschärfen« (Schmidtke 2009: 111); neue Entwürfe der Versuch, das Problem besser zu lösen; Architekten die Spezialisten für die Innen/Außen-Abgrenzung. Methodisch raffiniert wird in dieser Architektursoziologie an konkreten Fällen das jeweilige ›Gelingen‹ der Problemlösung beurteilt. Allerdings: das ›Problem‹, als dessen Lösung die Architektur verstanden ist – gerade wenn es als »universales Problem der Sozialität« (ebd., 435) definiert wird –, ist nicht ohne einen grundsätzlichen Bias zu haben, insofern diese Soziologie die Architektur und damit Kultur und Sozialität (!) den sesshaften Gesellschaften vorbehält.

2. Französische Ansätze (von der ›Ethnologie der Einsamkeit‹ bis zur Akteur-Netzwerk-Theorie) Im Französischen findet man unter dem Titel »sociologie de l’architecture« zunächst eine Professionssoziologie, die die Akademisierung des Architekten in Frankreich nachzeichnet (des vielleicht letzten Generalisten, Champy 2001). Eher den Akzent auf 65

das Gebaute legt der kanadische Soziologe Michel Freitag. Die Realität einer »Gesellschaft« konstituiert sich Freitag zufolge in einer Dialektik zwischen der symbolischen (»mode de reproduction culturel-symbolique«) und praktischen Ordnung (»mode de régulation politico-institutionnel«) des Sozialen. Die Architektur »präsentiert«, so Freitag, die »Einheit« dieser beiden Gesellschaftsfunktionen und damit: die Einheit der Gesellschaft. Gegenüber den alten Stilen (Gotik, Barock) sei diese Repräsentationsfunktion in der dezentralisierten Gesellschaft allerdings in eine »Krise« geraten (Freitag 1992).8 Interessant sind über diese beiden singulären expliziten Ansätze hinaus bereits nahezu klassische, aber implizit architektursoziologische Studien. Zunächst Marc Augés im Anschluss an Foucault formulierte Beobachtung der »Heterotopien« am Ende des 20. Jahrhunderts: der Shopping Malls, Flughäfen, Autobahnkreuzen und der vielfältigen mobilen Architekturen (»beweglichen Behausungen«), in denen Augé die für die Gegenwart bezeichnenden ›Nicht-Orte‹ sieht, die dazu dienen, die menschlichen Körper möglichst zu beschleunigen und derart eine Welt der »einsamen Individualität« schaffen (Augé 1994: 93). Auch Michel de Certeaus ›Handlungstheorie‹ ist fast schon klassisch; sie betont (ebenfalls herausgefordert durch Foucault) die Subversionen der Architektur, deren kreative Inbesitznahme. Es handelt sich »darum, die untergründigen Formen ans Licht zu bringen, welche die zersplitterte, taktische und bastelnde Kreativität von Gruppen und Individuen annimmt, die heute von der ›Überwachung‹ betroffen sind. Diese Praktiken und Listen von Konsumenten bilden letztlich das Netz einer Antidisziplin, die das Thema des vorliegenden Buches ist.« (De Certeau 1998: 6f.) Statt nur aus Disziplinierungen setzt sich das Soziale, so Certeau, aus vielen »Arten des Wilderns« zusammen, vielfältigen Praktiken, unter anderem des »Gehen[s] in der Stadt« (ebd., Kap. 7). Diese Finten reichen weit zurück, bis zu den »Verstellungskünsten von Pflanzen oder Fischen. Vom Grunde der Ozeane bis zu den Straßen der Megapolen sind die Taktiken von großer Kontinuität.« (Ebd., 23) In Hinsicht auf die Architektur haben der semiologische Ansatz, der das Gehen mit dem Lesen gleichsetzt, sowie der konstruktivistische Ansatz, für den ›Raum‹ das Ergebnis von Bewegungen ist, sicher Grenzen; sie bieten gleichwohl einen ganzen 66

Katalog für die Analyse der Beziehung zwischen ›Koexistent‹ und Architektur. Jean Baudrillard und Paul Virilio scheint als Theoretiker der neuen Medien, der Irrealisierung, der ›Ablösung‹ des Raumes und des Körpers zunächst wenig mit einer Architektursoziologie zu verbinden. Indes hat Baudrillard – ähnlich wie Gaston Bachelard (1992) – die Affektivität der architektonischen Dinge, insbesondere der Innenarchitektur analysiert: »In der Ausgestaltung des Wohnraums spiegeln sich die Familien- und Gesellschaftsstrukturen einer Epoche wider. Das typisch bürgerliche Interieur hat ein patriarchalisches Gepräge.« (Baudrillard 1991: 23) Und nicht zuletzt hat Baudrillard die aktuelle Architektur kritisch analysiert, die eine »virtuelle Architektur« sei: weit entfernt von der architektonischen ›Wahrheit‹, insofern man es mit einer computergenerierten Form zu tun hat, die an jedem Platz stehen und jeden Inhalt beherbergen könnte. »Das Guggenheim [in Bilbao] ist eine räumliche Chimäre, das Produkt von Maschinen, welche die Überhand über die architektonische Form gewonnen haben.« (Baudrillard 2003: 132f.) Interessant ist hier einerseits die Gegenwartsanalyse, die an der Architektur vorgenommen wird: die »Ästhetisierung der Gesellschaft« und das »Klonen« der Lebensräume. Es handelt sich dabei um eine Gesellschaft, die sich Baudrillard zufolge von den »realen« sozialen Relationen entfernt hat (ebd., 134). Andererseits stellt Baudrillard die architektursoziologisch zentrale Frage nach der Relation von Architektur und Gesellschaft (allerdings ohne eine Antwort zu versuchen), und zwar am Beispiel der Twin Towers. Sind diese »eine Antizipation? Tragen Architekten nicht die Realität, sondern die Fiktion einer Gesellschaft in sich? […] Oder drücken sie bloß aus, was es bereits gibt? In diesem Sinne stelle ich die Frage, ob es eine Wahrheit der Architektur gibt.« (Ebd., 126) In jedem Fall, so Baudrillard, ist die Architektur das perfekte Medium der gegenwärtigen visuellen Kultur: Sie schafft die Ikonen, die in der individuellen Wahrnehmung die soziale Wirklichkeit konstituieren. Baudrillard spricht im Gegenzug vom ›Ende‹ der Architektur als Kunst. Man habe es im ›digitalen‹ Zeitalter mit einer Architektur zu tun, in der sich die Frage nach ihrer ›Wahrheit‹ nicht mehr stelle: Sofern die Architektur hier nicht mehr mit der Differenz von Sichtbar/Un67

sichtbar spiele, sondern die Realität gleich ganz substituiere. Stararchitekturen sind gleichwohl in den Augen Baudrillards die ›Superfetische‹, die die Identität unserer Gesellschaft herstellen. Paul Virilio war selbst Architekt, bevor er sich dem medialen Wandel zuwandte. Und in der Tat scheint er von einer ›Tötung‹ der Architektur durch die neuen Medien auszugehen: Die Theorie der Geschwindigkeit verbindet sich mit der Idee, das Gebaute habe sich zugunsten des Virtuellen überlebt. Die mobilen Maschinen seien heute das ›eigentliche‹ Medium des Raumes; die audiovisuellen Technologien das ›eigentliche‹ Medium des Territoriums; die Zeit habe den Primat vor dem Raum. Allenfalls das Fahrzeug ist als konkreter Raum (wie lange?) noch von Bedeutung, während der ›virtuelle Raum‹ die Koexistenz menschlicher und architektonischer Körper auflöse. Paradoxerweise steht eine Architektur-Affektivität am Anfang dieser Kulturdiagnostik, für die der Krieg der Vater aller Dinge ist (der stetigen Beschleunigung und Technisierung des menschlichen Körpers): die tiefgreifende Faszination für Bunker. Übrigens hatte Victor Hugo bereits 1832 die Architektur ›sterben‹ sehen: »Schweigend betrachtete der Archidiakon […] den riesenhaften Bau, dann zeigte er mit der Rechten seufzend das offene gedruckte Buch auf dem Tisch und mit der Linken Notre-Dame, ließ den Blick traurig vom Buch zur Kirche wandern und sagte: Dieses, o weh, wird jenes töten.« (Hugo 1996: 252) Last but not least: Zwischen Frankreich und England stehen die Science Technology Studies (STS) der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT). Der Anspruch ist hoch: Es geht um eine »neue Soziologie für eine neue Gesellschaft«, um eine »Soziologie der Assoziationen« an Stelle der »Soziologie des Sozialen« (Latour 2007). Die ANT beobachtet das Artifizielle in seinen vielfältigen Verbindungen mit Akteuren, wobei Ideen, Organisationen, Erwartungen, kollektive Imaginationen mit einbezogen werden. Es geht zudem um eine genetische Perspektive: um die »Ko-Evolution« von Gesellschaft, (technischen) Artefakten und Wissen, aus der sich die jeweilige Assoziation nachvollziehen lässt. In theoretischer Hinsicht wird dabei an Stelle der Dualismen (Subjekt/Objekt, Ding/ Akteur) eine ›flache‹ Ontologie angenommen: Im Sozialen gibt es, so Latour, keinen Wechsel des Maßstabes, eine Perspektive, 68

die sich im Übrigen eng an diejenige von Gilles Deleuze anschließt. Was bei Deleuze das »Rhizom« ist, ist bei Latour das »Netzwerk«; dem »Gefüge« (s.u., 95) entspricht die »Assoziation«. Die Soziologie habe stets einseitig beobachtet, indem sie bedacht war, das Soziale von den Dingen zu isolieren. Stattdessen »assoziieren« sich Individuen, Artefakte und Quasi-Objekte. Der Akteur ist also stets nur ein Aspekt des Netzwerks. Man hätte dann die Interaktionen nach folgendem Muster zu beobachten: 1. Keine Interaktion ist »isotopisch« (örtlich isoliert). Im Fall der Architektur kommen Baumaterial, Handwerker, Ingenieure immer von anderen Lokalitäten. 2. Keine Interaktion ist »synchron«, sondern sie reicht über die Gegenwart hinaus. 3. Interaktionen sind nicht »synoptisch«, nicht überschaubar. 4. Interaktionen sind nicht »homogen«, sie bestehen aus der erwähnten Assoziation. 5. Sie sind nicht »isobar«: Manche sind Gewohnheiten, während andere durch Zwang ablaufen (Latour 2007: 344f.). Seit kurzem hat der Ansatz explizit die Architektur im Blick; er schlägt im Einfügen des nicht menschlichen »Agenten« eine spezifische Architektursoziologie vor. Zu untersuchen wären dann konkrete Genesen der Architektur mit ihren außer architektonischen Vorgaben, Einschränkungen, Spielräumen (Material, Baurecht, Finanzielles …) vom Entwurfsprozess bis zur Werkplanung. Es ginge darum, die Architektur in der Genealogie der (begonnenen, verworfenen, erfolgreichen) Entwürfe zu betrachten, mit allen widerspenstigen Materialien, Technologien, Ansprüchen. Und andererseits stünde das Gebäude selbst im Blick, als »Regler« von Bewegungen, Wahrnehmungen, Aufmerksamkeiten. Denn die Architektur vermag es, die Menschenströme so zu kanalisieren, als »würde eine neue produktive Kraft im Zeit-Raum entstehen« (Latour/Yaneva 2008: 86; vgl. Yaneva/Guy 2008). Dabei »ruht« ein Gebäude nie, auch wenn es fertiggestellt ist: Es wird »renoviert, verfälscht oder verwandelt«. Nie nimmt es die »Gestalt dieses euklidischen Raumes an, der seine ›reale materielle Essenz‹ darstellen sollte und dem man dann eine ›symbolische‹, ›menschliche‹, ›subjektive‹ oder ›ikonische‹ Dimension hätte hinzufügen können« (Latour/Yaneva 2008: 80, 83). Explizit richtet sich dies gegen die Architekturtheorie, die nur an die Architektur denkt; die Phänomenologie, welche zwar die Menschen betrachtet, die Materialität 69

aber außen vor lässt; gegen jede Architektursoziologie, die – und sei es analytisch – Zeichenebenen, geschichtliche, stilistische und sonstige Aspekte vom ›baulich-physikalischen‹ trennt.

3. Amerikanische und britische Ansätze (vom Neomarxismus bis zur experimentellen architectural sociology) Das britische und vor allem amerikanische Feld ist schwerer überschaubar (und wird hier ganz sicher nicht erschöpfend dargestellt): Es gibt viele Überschneidungen zwischen Raum-, Architektur- und Stadtsoziologie, der sociology of designed, built und physical environment, während wenige die Architektur explizit ins Zentrum stellen. Zumeist handelt es sich im Zusammenhang mit der Globalisierungsdebatte um Theorien der ›sozialen Konstitution‹ des Raumes, die zum Teil wiederum an neomarxistische Theorien (vor allem Lefebvres) anknüpfen. David Harvey gilt hier neben Manuel Castells als derjenige, der den Raum in die Stadtsoziologie zurückgeführt habe. Harvey ergänzt die klassische Perspektive C. Wright Mills, der sich für die alltägliche ›soziologische Imagination‹ interessierte – für das Gesellschaftsbild, das in den Köpfen in der Verknüpfung der Epochen und sozialen Sphären entsteht – durch die ›geographische Imagination‹ (Harvey 2005): ein Ansatz, der sich architektursoziologisch ausbauen ließe, indem man nach dem Bild der Gesellschaft fragt, das die Architektur evoziert. Castells hat zunächst den städtischen respektive architektonischen Raum als ›Projektion‹ und ›Produkt‹ des Kapitalismus sichtbar gemacht, bevor er die Diagnose der ›Netzwerkgesellschaft‹ entfaltet. Mit der neuen Finanz-Ökonomie gehe eine grundlegende Transformation des Raumes einher: der (informationelle) ›Raum der Ströme‹ ersetzte den (architektonischen) ›Raum der Plätze‹. Die Global Cities sind Ergebnis dieses sozialen Wandels, wie auch die – Identität stiften sollende, kompensierende – ›postmoderne‹ Architektur (Castells 2001). Ähnliche raum- und architekturtheoretische Neujustierungen des Marxismus werden seit den 1980er Jahren vielfach entfaltet: in der Überzeugung, dass die aktuelle Gesellschaft aufgrund der Dyna70

mik der Finanzströme und digitalen, schnellen Medien eine ›Gesellschaft in Bewegung‹ sei (vgl. zum Beispiel Urry/Lash 1994; King 20049; zu einem Überblick Eckhardt 2004). Saskia Sassen etwa wird ebenfalls auf die Architektur der ›Global City‹ als Identifikationsmarker eingehen, die sie allerdings weniger als bloße Kompensation denn als eine Notwendigkeit der globalen Ökonomie versteht. Stets geht es in dieser Debatte um die visuelle Dimension der Architektur, eine Tatsache, die in der Architektur selbstkritisch reflektiert wird. Die Grenze dieser Globalisierungstheorien für die Architektursoziologie ist sicher der oft metaphorische Architektur- und Raumbegriff: Castells etwa spricht von der ›Architektur der Netzwerke‹, in einer Denkweise, die im Übrigen in ihrer Betonung des Visuellen völlig jenseits der Körper und Artefakte bleibt. Es sind neben diesen (und anderen) impliziten auch einige explizite Architektursoziologien zu nennen: zunächst der interdisziplinäre Band »Buildings and Society: Essays on the Social Development of the Built Environment« von Anthony Douglas King (1980), der diverse Fallstudien um die beiden Fragen versammelt, was man durch die Architektur über eine Gesellschaft erfahren kann und was andererseits über die Architektur zu erfahren ist, wenn man ihren sozialen Kontext beobachtet. Die Einleitung gibt einen kurzen Überblick über die soziologisch interessante Architekturtheorie und Baugeschichte. Es folgen Fallstudien zu verschiedenen Bautypen (Bungalows, Hindutempel, Krankenhäuser …), welche die Beziehung zwischen Architektur und Gesellschaft »demonstrieren« und nebenbei für methodische Fragen hilfreich sind, weniger aber nach einem genuin soziologischen Zugang, nach einer Klärung des Verhältnisses von Gesellschaft und Architektur suchen (ebd.: 9). Im Anschluss an George Herbert Meads (1863-1931) symbolischen Interaktionismus gibt es dann den (bisher allerdings nur skizzierten) Versuch, den Bezug der Architektur zum Denken, Fühlen und Verhalten der Einzelnen zu klären. Erstens erlaube es Mead, den wechselseitigen Bezug zwischen Architektur und ›Selbst‹ zu denken; zweitens, zu erklären, was Architektur bedeutet; drittens sei mit Mead der Gedanke zurückzuweisen, dass die Architektur ein bloßer Hintergrund des sozialen Verhaltens sei. Gebäude sind vielmehr als »Agenten« zu 71

verstehen, sie formen »Gedanken und Aktionen« (Bugni/Smith 2006: 123f.). Dezidiert steht hier – wie auch in weiteren Ansätzen – im Übrigen die professionelle Architektur, nicht das Gebaute schlechthin im Blick. Und das Ziel ist eine ›Sozialtherapie‹: Die Soziologie soll im Entwurf integriert sein, um der Architektur einen ›Humanismus‹ abzuringen, also Gebäude, die gemäß der soziologischen Theorie des symbolischen Interaktionismus eine Identifikation, ein ›stabiles Selbst‹ ermöglichen (Bugni/Smith 2002; ebenso bereits Gans 1977). Demgegenüber hält sich Thomas Gieryn in analytischer Distanz: Die Frage ist (mit und gegen Giddens, mit Bourdieu und der Akteur-Netzwerk-Theorie), was Gebäude ›tun‹. Neben ›profanen‹ Dingen (Klima-, Einbruchs-, Ausbruchsschutz, Gewinn) stabilisieren sie die Gesellschaft. Allerdings höchst »imperfekt«: Gebautes wird zerstört, umgebaut, umgedeutet (Gieryn 2002: 35). Der Liverpooler Soziologe Paul Jones hat (wie Baudrillard und dabei vor allem mit Bourdieu argumentierend) demgegenüber dezidiert die landmark buildings im Blick: Gebäude wie die von Daniel Libeskind haben ihren zu untersuchenden Anteil an der Konstitution politischer Identität (Jones 2009) und ihre ökonomische Rolle. Methodisch sind für diese Architektursoziologie die Diskurse zentral: »If people don’t discuss a building, they don’t care about it.« (Jones 2006: 561ff.) Es interessiert dann (zumindest methodisch) weniger der Bezug zum Körper, die Sichtbarkeit, die Materialität der Architektur. Eine Architektursoziologie im Anschluss an Bourdieu liegt in der Tat nahe – eine am Stil, dem Renommee der Architekten interessierte Analyse, mithin die Ausweitung der Frage nach dem symbolischen Kapital auf die Architektur. Im angloamerikanischen Raum wird dabei nicht zuletzt eine Grenze der Theorie von Bourdieu thematisiert, der Avantgarden nämlich keinen Platz in seiner Theorie der sozialen Ungleichheitsproduktion einräume. Und stets geht es um Architekturkritik: Man könne die »stumme Mitschuld der Architektur« an der Produktion sozialer Unterschiede nicht »ausradieren«, sie aber sichtbar machen (Dovey 2005: 294). Judith R. Blau hat eine vielbeachtete Pionierstudie der Architekten-Soziologie vorgelegt, eine Untersuchung von 150 Architekturbüros in New York (Blau 1984), in der die ganze soziale Komplexität dieses Berufes sichtbar wird. Nur zu erwähnen bleibt demge72

genüber der Vorschlag einer »experimentellen Architektursoziologie«: ein Vorschlag, der innerhalb der Bemühungen der 1980er zu verstehen ist, die Theorienvielfalt der Soziologie auf 1 zu reduzieren. Es geht um die Mathematisierung der Soziologie, um ihre Annäherung an die ›harten Wissenschaften‹. Und dabei ist die Architektur nur der prototypische Fall; die Architektursoziologie soll das »erste Kapitel in der objektiven, experimentellen Soziologie« schreiben (Ankerl 1981: 8).

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IV. Herausforderungen der soziologischen Theorie Die Architektur ist – die Vielfalt der Ansätze zeigt es – eine komplexe Angelegenheit: Sie ist Kunst, Wissenschaft, Technik, Sozialtechnik, Artefakt; sie hat einen ökonomischen, juridischen, hygienischen, technologischen, einen Klassen-, Geschlechts- und Generationen-Aspekt, kurz: sie ist (wie Marcel Mauss sagen würde) ein ›totales‹ soziales Phänomen. In mehrfacher Hinsicht fordert dieses totale Phänomen die allgemeine Soziologie, das heißt die soziologische Theorie neu heraus: Sie führt zu neuen Begriffen und Denkweisen. Und sie führt vielleicht zu nicht weniger als einer neuen Definition des ›Sozialen‹ gegenüber den klassischen Konzeptionen, die es als reine Interaktion oder als reine Kommunikation fassen. Es ist dies eine Operation, die natürlich auch in anderem Kontext, insbesondere im Nachdenken der AkteurNetzwerk-Theorie über die Rolle der Artefakte im Sozialen eingeführt wurde (s.o., 68f.). Am Phänomen der Architektur aber treffen mehrere Herausforderungen des klassischen soziologischen Denkens wie in einem Brennglas zusammen: nicht nur die Frage, welchen Status man den Artefakten gibt (1), sondern auch die nach der Rolle der Affektivität und Emotionalität im Sozialen (2), nach dem kreativen Handeln (3), nach der Materialität und nichtsprachlichen Symbolizität (4). Mindestens vier Neujustierungen verlangt die Architektur also von der soziologischen Theorie. Insofern die Klassiker der Architektursoziologie hier keine Überlegungen zur Verfügung stellen, sondern auf die explizite grundbegriffliche Klärung des Verhältnisses von Architektur und Gesellschaft verzichtet haben; und insofern die aktuellen Ansätze sehr vielfältig sind und dabei bisher eher selten auf eine theoretische Soziologie der Architektur zielen, lohnt es sich, den Blick zu schärfen: den Blick für die Frage, in welcher Weise die Architektur das Soziale ganz grundsätzlich betrifft. Die Architektur ist bei all dem nicht nur eine Herausforderung an die soziologische Theorie. Sie ist ebenso eine Herausforderung der Methodenentwicklung: Handelt es sich doch um ein nichtsprachliches Medium, das auch im Bild nicht aufgeht, so dass die Methoden der visuellen Soziologie sich als wenig hilfreich erweisen könnten – ganz zu schweigen von Interviews und 74

Fragebögen, da es sich wesentlich um körperlich Wahrgenommenes handelt. Dieser Punkt wird angesichts der aktuellen Offenheit und Neuheit der architektursoziologischen Frage hier nicht weiter verfolgt: Zukünftige empirische Forschungen werden sicher ihre Methoden und erkenntnistheoretischen Überlegungen entfalten, die der Architektur adäquat sind.

1. Architektur als Artefakt Zunächst hat man es mit einem Artefakt zu tun (ars factum): die Architektur ist die künstlich geschaffene Umwelt des menschlichen Lebens, relativ dauerhaft, körperlich, taktil, visuell wahrnehmbar, stets präsent. Am ehesten scheint daher zunächst die Soziologie der Artefakte geeignet, zur Architektursoziologie erweitert zu werden. Und zwar nicht, weil sich die moderne Architektur (in ihren Avantgarden) als Technik begreift. Sondern weil die Artefaktsoziologie die begriffliche Weichenstellung der Soziologie revidiert, die ihren Gegenstandsbereich (das Soziale) generiert, indem sie es von den Dingen abgrenzt, es als reine ›Kommunikation‹, ›Wechselwirkung‹, ›Motivation‹, ›Intention‹ fasst. Damit sind aber nicht nur die Dinge, sondern auch alle Angelegenheiten des organischen Körpers aus dem sozialen Prozess herausdestilliert. In jedem Fall gehört die Architektur mit zum Sozialen: Sie ist Teil eines untrennbaren soziotechnischen Konglomerats, steht dem Sozialen und darin den Einzelnen nicht fremd gegenüber. Vielmehr formt sie beides mit. Oder, um es mit Cornelius Castoriadis zu sagen: »Jede Gesellschaft erschafft ihre innere und äußere Welt, und in dieser Schöpfung spielt die Technik weder eine bloß instrumentale noch lediglich eine kausale Rolle; sie ist eine ihrer Dimensionen.« Die technischen Dinge ihrerseits sind – und davon sind die architektonischen nicht ausgenommen – »nichts [...] ohne das technische Ensemble«, zu dem sie gehören, und nichts ohne die zu ihrer »Verwendung vorausgesetzten körperlichen und geistigen Fertigkeiten« (Castoriadis 1981: 207f.). Die Soziologie hat hier allerdings ihre ebenso grobschlächtigen wie hartnäckigen Dualismen: Sie trennt (bis heute) zwischen Sub75

jekt/Objekt, Technik/Gesellschaft, Natur/Gesellschaft, Individuum/Gesellschaft. Artefakte sind für die Soziologie demnach (passive) ›Objekte‹ des ›eigentlichen‹ Sozialen. Wirkmächtig war auch hier die frühe Weichenstellung der soziologischen Theorie: ›Sozial‹ handelt für Max Weber (und damit für die meisten soziologischen Handlungstheoretiker), wer sich am anderen Subjekt orientiert. Die Interaktion zwischen Akteuren und Artefakten ist innerhalb dieses bis heute selbstverständlichen Rahmens undenkbar: »Nicht jede Art von Handeln […] ist ›soziales‹ Handeln […]. Äußeres Handeln dann nicht, wenn es sich lediglich an den Erwartungen des Verhaltens sachlicher Objekte orientiert. Das innere Sichverhalten ist soziales Handeln nur dann, wenn es sich am Verhalten anderer orientiert.« (Weber 1980: 11) Und müsste man sich etwa zwischen Luhmann (Kommunikation) und Weber (Interaktion) oder aber Latour (menschliche und nichtmenschliche Aktanten) entscheiden, würden vermutlich auch heute noch die meisten die erste Seite der Unterscheidung wählen. Dabei hatte bereits Émile Durkheim davor gewarnt, in den Artefakten oder kulturellen Objekten nur etwas zu sehen, das dem eigentlichen Sozialen noch ›angehängt‹ wäre. Das soziale Leben sei vielmehr »nur dank eines umfangreichen Symbolismus möglich« (Durkheim 1994: 116f.), und ebenso nur dank eines materiellen ›Substrats‹ der Gesellschaft, welches die Routinen aufrechterhält, die Vorstellung des Kollektivs in der Anschauung verankert, die Gemeinsamkeiten der Einzelnen erst sichtbar macht. Für die Erforschung dieses ›materiellen Substrats‹ schlägt Durkheim eine eigene Wissenschaft vor: die soziale Morphologie. Im Fall der Architektur ist es doch eindeutig: Wir können uns das Soziale (etwa die sozialen Systeme wie Wirtschaft, Recht, Religion oder die Institutionen) nur schwer ohne ihre je spezifische Architektur denken. Auch vergangene Gesellschaften haben für unsere Vorstellung weitgehend das Gesicht ihrer Bauten; und nicht weniger gilt dies für fremde Kulturen. In die theoretische Konzeption des sozialen ›Seins‹ ist dies allerdings auch bei Durkheim nicht eingedrungen: Das Soziale ist für ihn und die französische Schule der Soziologie das verbindende Kollektivgefühl: die Institutionen, Sitten, Normen und Gebräuche, die Zwänge, die sich nicht aus den Einzelnen erklären. 76

Architektur und Ingenieurbau haben indes seit dem 19. Jahrhundert zu einer imposanten Vermehrung und Verdichtung der Dinge beigetragen: Sie haben die Morphologie, die Gestalt der Gesellschaft verändert. In ihnen hat sich die Gesellschaft selbst verändert. Michael Makropoulos hat hier auf den Kontingenz-Effekt der Architektur aufmerksam gemacht. In den durchkonstruierten, antitraditionalistischen Formenwelten der neuen Siedlungen und Stadtzentren wird das »zentrale Ereignis der Moderne«, nämlich die »Geschichte der Abstraktion«, jedem Einzelnen durchsichtig. Die Architektur ist es, die (zusammen mit den Automobilen sowie den Rundfunk-Geräten) den »Durchbruch zur ›kompletten Gegennatürlichkeit‹« schafft (Makropoulos 1997: 74f.). In der Tat sind die Prinzipien der Avantgarde, die tabula rasa, die Konstruiertheit, das Bewusstsein, ganz neu anfangen zu können, nirgends anders als in den »vollendeten Artefaktwelten« der neuen Architektur am aufdringlichsten spürbar. Von der Form über die Bewegungsweise bis zum Material: Alles wird hier disponibel und zum Teil mit Stoppuhr überprüft. Die avantgardistische Architektur hat einen »rationalistisch begründeten demiurgischen Zug« (ebd., 91), eine gleichsam cartesianische, alles einklammernde und auf den Prüfstein setzende Haltung, in welcher sie die Mustersiedlungen mit ihren Musterküchen, Musterschlafzimmern, Musterwohnzimmern, Musterausblicken, Mustermöbeln und ebenso ihren Musteraktivitäten und Mustergefühlen schuf. Eine zentrale architektursoziologische Frage ist, welche Effekte diese Artefakt-Welten hatten: was an ihnen provozierte und was alsbald übernommen und zum allgemeinen Dispositiv wurde, so dass wir uns unseres Anders-Gewordenseins durch diese Architektur gar nicht mehr bewusst sind. Die Einbauküche jedenfalls hat sich durchgesetzt und mit ihr ein spezifisches Geschlechterverhältnis und eine spezifische Bewertung der Hausarbeit gegenüber anderen Aktivitäten, etwa dem Sport. Diese Architektur hat auch in anderen Aspekten das elementare Lebensmilieu faktisch verändert, so sehr sich auch die Bewohner zunächst dagegen zu wehren suchten, und so viel sie auch umbauten und umnutzten: Etwas von der neuen Idee ist, so wäre zu vermuten, an ihnen hängen geblieben (vgl. den Fall der Siedlung Pessac von Le Cor77

busier: Boudon 1971, 1979). Während für Max Weber etwa die Dinge soziologisch allenfalls den Sinn haben, den man ihnen verlieh, sie also als reine Instrumente aufzufassen sind, haben diese zweifellos ihr Eigenleben: eine ihnen inhärente Widerständigkeit, ein Potential, eine Aktivität. Die Bezüge von Dingen und Akteuren als Interaktionen gleichberechtigter ›Aktanten‹ in den Blick zu nehmen, hat sich die Artefaktsoziologie vorgenommen. Dabei hat sie allerdings vornehmlich technische und wissenschaftliche ›Dinge‹ im Blick. Sie konzentriert sich daher kaum auf die expressive, ebenso symbolische wie affektive Dimension, welche die (Innen-)Architektur als Kunst gezielt kultiviert, die aber auch ganz grundsätzlich jedem Gebauten anhaftet.

2. Affektivität und Affekt-Neutralität der Architektur Einrechnen muss man im Fall der Architektur daher die Expressivität: die sowohl symbolische als auch affektive Bedeutung. Die Ausdrucksfähigkeit der Architektur ist oft in ihrer ornamentalen Dimension gesehen worden. Aus dieser Sicht ist die ornamentlose Architektur der Moderne, der ›Funktionalismus‹, ausdrucksund affektlos, nichtssagend. Allerdings liegt die Eigenlogik der Architektur, ihr Bedeutungsvermögen nicht im Ornament, das vielmehr dem Bild zuzuordnen ist. Die Architektur hat ihre ganz eigene Art, zu bedeuten. Als Kunst schafft die Architektur Wahrnehmungen und Bewegungen und damit Affekte. Gilles Deleuze (1925-1995) und Félix Guattari (1930-1992) zumindest verstehen die Kunst darin, dass sie Wahrnehmungen und Affekte eher erfindet als nur noch auslöst. »Von aller Kunst wäre zu sagen: Der Künstler ist Zeiger von Affekten, Erfinder von Affekten, Schöpfer von Affekten.« (Deleuze/Guattari 1996: 207) »Affekte« bezeichnen bei Baruch de Spinoza (1632-1677) die Arten, auf die ein Körper andere Körper erregt oder von ihnen erregt wird, wobei sie dessen »Wirkungsmacht« mehren oder mindern (Spinoza 1999: 221). Von Gefühlen oder aber von Affekten zu sprechen, ist der Unterschied, ob man ›im‹ Subjekt ansetzt oder aber die Relation verschiedener Körper betrachtet. Affekte erklären sich demnach 78

nicht aus dem Subjekt. Sie entstammen nicht allein seinem ›Inneren‹, sondern sind eher in der Beziehung zwischen Subjekt und Objekt anzusiedeln. Kunstwerke schaffen Affektionen, denen man sich nicht entziehen kann und die nicht aus einem selbst resultieren. Die Literatur ›erfindet‹ etwa den Affekt des »NichtMenschlich-Werdens des Menschen«: in dem kurzen, aber umso intensiveren Moment, in dem sich ein Wal-Werden beim Lesen von Melville oder ein Käfer-Werden beim Lesen von Kafka vollzieht. Für Deleuze und Guattari beginnt die Kunst nun in der Tat mit der Architektur: Sie ist »die erste der Künste« (Deleuze/ Guattari 1996: 204, 222f.), insofern sie alle anderen Künste einrahmt. Und ihre Affektivität hat – wie zweifelsohne auch diejenige der anderen Künste, aber wegen ihrer Omnipräsenz und ihrer Eigenlogik in einer besonderen Art und Weise – soziale Effekte. Es ist etwa anzunehmen, dass grundsätzlich jede differenzierte, das heißt jede geteilte Gesellschaft in ihren Institutionen verwiesen ist auf die Fähigkeit der Architektur, zu erregen, zu faszinieren: die Einzelnen in diesem sinnlich wahrnehmbaren, stets präsenten Medium an sich zu binden. Insofern die Architektur Körperhaltungen und Wahrnehmungen auf Dauer stellt, sie immer erneut auslöst, institutionalisiert sie die Affekte, macht die Einzelnen zu je verschiedenen vergesellschafteten Wesen mit je spezifischen Bedürfnissen und Begierden. Kirchenbauten etwa haben ihre ganz eigene Affektivität, ohne die ein ›Eindringen‹ des Glaubens in die Einzelnen schwer vorstellbar ist. Anders formuliert, erzeugen diese Gebäude die gläubigen Subjekte mit und sind natürlich ganz gezielt darauf angelegt. Auch die Architektur der Moderne besitzt die Kraft, Affekte zu schaffen, die Einzelnen zu erregen: in ihrem Fall ornamentlos, einfach im ›Spiel der unter dem Licht versammelten Baukörper‹. Le Corbusier hat zwar die Architektur als ›Maschine‹ verfremdet. Allerdings ist er nicht einen Zentimeter von ihrer affektiven Dimension abgerückt. Das Wohnhaus ist sicher zunächst eine ›Maschine‹, ebenso wie das Automobil eine ist: »Das Haus ist eine Maschine zum Wohnen […] Ein Sessel ist eine Maschine zum Sitzen, Waschbecken sind Maschinen zum Waschen.« (Le Corbusier 1982: 80) Le Corbusier ist allerdings weit davon entfernt, die Architektur nicht als Kunst zu denken: Architektur ist es vielmehr 79

erst, wenn die ›Maschine‹ uns erregt. In Perfektion hat dies bereits die vormoderne Architektur erreicht. Le Corbusier hat daher den Parthenon als die Maschine zur Erzeugung von Affekten verstanden: Er ist die perfekte machine à émouvoi. Diese Architektur hat eine solche Großartigkeit erreicht, dass sie noch heute, nach zweieinhalb Jahrtausenden, unmittelbar berührt. An ihre Form knüpfen sich »keine Symbole«; zu ihrem Verständnis braucht man keinen Code; es gibt hier nichts zu lesen, zu entziffern. Diese Architektur »zermalmt und beherrscht« einfach alles. Womöglich vermag es am ehesten ein Architekt, dafür Worte zu finden: Er habe, schreibt Le Corbusier in seinem Tagebuch, noch nie in seinem Leben das »Aufsteigen einer solchen Monochromie erlebt. Der Körper, der Geist, das Herz sind außer Atem, zu sehr ergriffen.« Die »von einer grausamen Starrheit gekennzeichnete Gesteinsvorlagerung erdrückt und erfüllt« einen »mit Schrecken, dem Gefühl einer jenseits alles menschlichen liegenden Fatalität«, und »mit der Gewalt eines Kampfes verblüfft« den Betrachter diese »gigantische Erscheinung«. Dann sind plötzlich »zweitausend Jahre weggewischt und eine bittere Poesie ergreift dich; den Kopf in den Armen vergraben, niedergesunken […], erfährst du die furchtbare Erschütterung und bleibst zitternd davor zurück.« (Le Corbusier 1991: 323, 327) Architektur vermag es, ›schreckliche‹ Maschinen zu schaffen. Sicherlich haben allerdings auch andere Artefakte ihre Affektivität. Man denke nur an die berühmte Analyse von Roland Barthes zur Citroën DS: diesem Auto, das »offenkundig vom Himmel gefallen« ist (Barthes 2003: 76ff.). In keinem Fall sind auch dies bloß technische oder bloß instrumentelle, lediglich benutzte Artefakte. Aber die Architektur nimmt doch erneut eine Sonderstellung ein: Nirgends sonst gibt es einen derartigen Streit, eine derartige emotionale Aufladung und vor allem derartig negative Affekte wie im Fall der Architektur – bis hin zu Morddrohungen. Bindung durch Affektivität (oder: Charisma) wiederum gilt der klassischen Soziologie, die eine zunehmend auf ›Rationalität‹, ›Kalkül‹ und ›Verfahren‹ setzende Gesellschaft diagnostiziert, als veraltet (oder zumindest als unsicherer Kandidat in der Frage nach der sozialen Ordnung). So suggeriert es Max Webers Diagnose einer zunehmenden Rationalisierung. Erneut hat Max We80

ber hier also eine Weichenstellung der Soziologie vorgenommen: Er hat die Affektivität zwar berücksichtigt, aber sie nur als »Ablenkung« vom kalkulierbaren und als solchem ganz verstehbaren Handeln zu konzipieren vermocht. Will die Soziologie etwa eine Börsenpanik erklären, so seien die Affekte als »›Störungen‹« des zweckrational erwartbaren Verlaufs einzurechnen (Weber 1980: 2f.). Affekte als ›Verschmutzungen‹ des zweckrationalen Handelns zu verstehen, dürfte nun allerdings kaum geeignet sein, ihre fundamentale soziale Bedeutung zu berücksichtigen. Es gibt gegenüber neueren Ansätzen10 nur wenige klassische soziologische Theorien, welche die Affektivität als Grundlage des sozialen Zusammenhalts betonen. Man hätte sich vielleicht noch einmal neu zu Spinoza oder auch zu David Hume (1711-1776) zurückzubeugen. Am deutlichsten hat wohl unter den Soziologen Émile Durkheim die Bedeutung des Affektiven für die Entstehung »sozialer Tatsachen« erkannt: in der kollektiven Erregung, die er in seinem Spätwerk am Fall des Totemismus analysiert (Durkheim 1994). Und auf Dauer gestellt wird diese zunächst rituell gemachte Erfahrung der ›kollektiven Kraft‹ sicher am wirkmächtigsten durch die Architektur: Die Kirchenbauten lösen die Rituale ab oder machen sie (die stets sporadisch stattfinden) zumindest weniger wichtig. Sie ›falten‹ sie ein. In ihrer großen Architektur stellt sich die Gesellschaft ihre kollektive Kraft selbst vor Augen: das Überschießende, das sich aus der Summe einzelner Handlungen kaum erklärt (für den Kathedralenbau vgl. Warnke 1976). Diese Einrechnung der affektiven Dimension expliziert im Übrigen das, was in raumsoziologischen und architekturphilosophischen Überlegungen der Begriff der ›Atmosphäre‹ zu leisten sucht: die Antwort darauf, wie die Architektur auf uns wirkt, in welcher Weise sie anrührt oder aber abstößt, langweilt, anödet. Es gibt nun freilich auch Gesellschaften, die keine expressive, keine erregende Architektur kennen, sich vielmehr eine affektivneutrale Architektur schaffen. Und auch sie sind ein legitimer Gegenstand der Soziologie, zumal in einer historischen oder gesellschaftsvergleichenden. Eine nicht expressive und wenig erhebende Architektur schaffen sich zum Beispiel die Nomaden der afrikanischen Wüste mit ihren hüfthohen Zelten (s.u., 101ff.); ebenso die Inuit in ihren unscheinbaren Winterhäusern, die 81

kaum anders als Erdhügel aussehen. Oder man nehme die chinesischen Troglodyten: eine Gesellschaft, die sich mittels ihrer Architektur in die Erde einsenkt, gewissermaßen eine ›negative‹ Architektur entfaltet. Immerhin 30 Millionen Menschen leben (gerade noch) in China in diesen in den Lehm eingegrabenen Häusern. Es ist eine Architektur, die die meisten Tätigkeiten unterhalb der Erdoberfläche hält und dabei eine seltsame ›Gestalt‹ der Gesellschaft schafft: Kein Haus in Sicht, keine prachtvollen Fassaden, Türme und Dächer, sieht man lediglich Löcher und rauchende Felder (vgl. Cressey 1955: 263). Es handelt sich bei dieser NichtExistenz großer, erhebender Bauwerke selbstverständlich nicht um ein soziales Ungenügen, etwa um ein Scheitern der Gesellschaft, ihr Feststecken in vorpolitischen und vorzivilisatorischen Verhältnissen (wie es bei Friedrich Ratzel und selbst noch bei Hannah Arendt zuweilen hinsichtlich der nomadischen Gesellschaften anklingt, die keine gebaute Hochkultur hinterlassen). Vielmehr haben diese Architekturen ihre eigene soziale Effektivität: Gerade in dieser nicht-affektiven Architektur steckt ein sozialer Mechanismus. Man könnte vermuten, dass sich die Gesellschaft hier gegen ihre latente Spaltung und Verungleichung wehrt – indem sie sich sozusagen ›verbietet‹, einzelne Gebäude immer größer und prachtvoller zu machen; indem sie sich eine affektneutrale Architektur schafft (diese Idee werde ich zumindest unten für den Fall der Wüstennomaden entfalten).

3. Kreativität und Anti-Kreativität der Architektur Gesellschaften treten nie auf der Stelle. Aber es gibt Gesellschaften, die es auf das Neue geradezu anlegen, während andere ihren Wandel mit aller Kraft verleugnen. Gesellschaften unterscheiden sich in dem Maß, in dem sie Neues erfinden und dafür ausdifferenzierte Rollen und Professionen haben. Es gibt, wie George Kubler es ausdrückt, verschiedene »systematische Alter« von Gesellschaften. Und diese hängen nicht zuletzt am Alter der Dinge, an der Geschwindigkeit und dem Rhythmus, mit denen die Dinge ausgetauscht oder repliziert werden; an der Frage, welche »Primärobjekte« bewahrt werden oder wie viele neue »Reihen« es 82

gibt; welche Dinge sich durch den Wandel der Zeit hindurch behaupten – und damit auch, welche gesellschaftlichen Strukturen. Die Architektur stellt dabei den »größten Teil unserer primären Objekte dar, da sie immobil und häufig unzerstörbar« ist (Kubler 1982: 81). Architekturen erlauben es, mit anderen Worten, in besonderer Weise, die Kontinuität des Sozialen zu konstituieren, nicht zuletzt, indem sie Routinen in die Körper einschreiben. Darauf hat vor allem Maurice Halbwachs (1967) den Akzent gelegt; der Begriff des »kollektiven Gedächtnisses« ist wesentlich ein architektursoziologischer Begriff. Aber die Architektur transformiert zugleich auch die Gesellschaft. In ihrer Avantgarde »rafft sich ein sozialer Wandel, der Zug der Zeit, der gespenstisch seine Gleise vor sich her wirft«, auf, macht sich zuallererst den Einzelnen sichtbar und verschafft sich Resonanz – oder bricht ab, bleibt folgenlos (Fischer 2009: 391). Die Architektur ist spätestens im 20. Jahrhundert (seit ihrer Professionalisierung und seit ihrer Autonomisierung als Kunst gegenüber den anderen Künsten) eine kreativistische Disziplin, die gezielt neue Lebensräume und Formen schafft. Andererseits gibt es in jeder Hochkultur Neues. Auch die antiken Tempel waren zu ihrer Zeit neu und sie müssen auch so empfunden worden sein (auch wenn das Alte als Altes mehr wert war). Die Architektur bricht auch hier schon gezielt mit der Replikation, in ihr schafft sich die Gesellschaft eine neue Gestalt, erschafft sich selbst auf neue Weise. Und ganz grundsätzlich handelt es sich bei jeder Architektur nicht einfach um eine Selbstverständlichkeit, die sich aus dem organischen Wesen und der Umweltrelation des Menschen ergibt. Es ist Cornelius Castoriadis zufolge vielmehr »weder ›normal‹ noch ›anormal‹«, dass es Häuser gibt, sondern auch dies muss als ›willkürlich‹ verstanden werden. »Unstreitig wird jedesmal die Rationalität des Realen genutzt.« Gleichwohl »bedarf es einer ›absoluten Setzung‹ des Hauses«. Es mag sich um aufdrängende, als ›obligatorisch‹ scheinende Lösungen handeln, aber zugleich gilt doch: dass es für den »Menschen keine obligatorischen Probleme gibt«, weil es keinen Fixpunkt der menschlichen ›Bedürfnisse‹ gibt, sondern »diese nicht unabhängig von ihrem Gegenstand bestimmbar sind, nicht unabhängig von der Imagination und der ihr zur Verfügung stehen83

den Techniken« (Castoriadis 1981: 205). In der je verschiedenen Bautechnik wird nie etwas nachgeahmt, was die Natur ohnehin bietet; es wird erfunden. Dass jede Architektur eine Erfindung ist, rechnet sich die Architektur nur eben lange nicht zu (die Götter haben die Tempel geschaffen). Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts bildet sich die Idee heraus, Neues schaffen zu müssen. Die Architektur hat sich seither zu einer professionell kreativen Disziplin entwickelt: Studenten werden nicht mehr trainiert, Altes kunstvoll zu imitieren, sondern Neues zu schaffen. Hier muss man sich den Akt der architektonischen Imagination, des Entwerfens recht vor Augen führen: es ist kein Vorherlaufen möglicher Wirklichkeiten, keine zielstrebige Planung. Vielmehr entdeckt sich die Raumgestalt im Probieren; es handelt sich um einen Einbruch des Neuen, Unvorhersehbaren, um ein Emergenzphänomen: vielleicht gerade dann, wenn dies den vielfältigen Bedingungen des Bauens (Nutzung, Baurecht, Statik, Kosten usw.) unterliegt. »Man muß vom kreativen Schaffen sprechen als etwas, das seinen Weg zwischen zwei Unmöglichkeiten sucht. […] Ein Schöpfer ist jemand, der seine eigenen Unmöglichkeiten schafft und gleichzeitig Mögliches.« (Deleuze 1993: 194) Entwerfen ist das ›Finden‹ einer Raumgestalt und damit einer Gestalt des Gesellschaftlichen, die sich nicht einfach aus den sozio-ökonomischen Verhältnissen oder Machthierarchien ergibt, sondern eine Eigenlogik entwickelt. Spätestens die Architektur des 20. Jahrhunderts erfordert daher eine Reflexion über die Eigenart des kreativen Handelns. Die Soziologie kennt natürlich Theorien der Erfindung; aber soweit man sehen kann, geht es dabei vornehmlich um technische Erfindungen.11 Hans Joas hat demgegenüber eine allgemeine Theorie des kreativen Charakters des Handelns entfaltet, die sich allerdings explizit nicht für kulturelle Bereiche (wie etwa die Architektur) interessiert, sondern dezidiert auf das politische (demokratische) Handeln zielt. Zudem interessiert sie sich – im Anschluss an den Pragmatismus – gerade für die Entstehung von Routinen, weniger für die Herausforderung durch das Neue (Joas 1996). Eine soziologische Theorie der Kreativität, welche die Effekte der erfinderischen Haltung für Gesellschaften sichtbar macht und sich dabei für Innovationen in allen Bereichen der So84

zialität interessiert, ist daher erst zu entfalten. Heinrich Popitz immerhin differenziert die »gestaltbildende Phantasie« von anderen Formen der Kreativität und fasst sie als »Suche nach Gehalten und Weisen des Bewirkens« (Popitz 1997: 91f.) – nur: Was soll genau bewirkt werden? Hier kann man sich erneut an Deleuze und Guattari halten, die der Kunst nicht nur die Fähigkeit zuschreiben, zu affizieren, sondern dies auf je neue Weise: In ihrer Kreativität geht es der Architektur um neue Wahrnehmungen und Affekte. Auch hier gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen modernen und nicht-modernen Gesellschaften. Sicherlich sind auch nicht-moderne Gesellschaften in ihrer Architektur ›erfinderisch‹: Sie verstehen es etwa meisterhaft, mit den natürlichen Gegebenheiten fertig zu werden. Gleichwohl ›wehren‹ sie sich in ihrer Architektur (wie in ihren Riten und Mythen) zutiefst auch gegen das Neue: gegen einen Wandel ihrer Gestalt. Pierre Clastres hat im bemerkenswerten Konservatismus nicht moderner (oder ›primitiver‹, wie er noch sagt) Gesellschaften in der Tat einen sozialen Mechanismus gesehen: »Was aber will die primitive Gesellschaft durch ihren Konservatismus bewahren? Sie will sich ihr Sein selbst bewahren.« (Clastres 2008: 75)

4. Symbolische Eigenlogik und Materialität der Architektur Des Öfteren fiel bisher der Begriff der Materialität: jener sicherlich etwas weite Begriff der neueren soziologischen Theorien, der für eine Hinwendung zur materiellen – also ›stofflichen‹ – Eigenlogik der Artefakte, insbesondere der Kommunikationsmedien, und auch für die Hinwendung zur Eigenlogik des Körpers steht: Die Dinge sind ebenso wenig wie der Körper bloße Einschreibeflächen der Diskurse und Sozialisationspraktiken (im Fall des Körpers). Sie haben in Abhängigkeit von ihrem konkreten Material vielmehr ihre Widerständigkeit und ihr eigenes Potential. Auch die Materialien Holz, Beton, Stahl oder Glas sind keine passiven Stoffe, die in eine je beliebige Form gebracht werden könnten; sie haben ihr energetisches Potential und damit ihre ganz ei85

gene Form- und Informations-Tendenz, um es mit Gilbert Simondon zu sagen (1958). Sie haben damit aber auch eine je eigene Symbolizität: ein Sinnpotential, das von den Eigenschaften des Materials nicht völlig zu trennen ist (anders, als es der Begriff des Materiellen impliziert: als trennbar vom Immateriellen). Bereits von Ernst Cassirer (1994) stammt die Einsicht, dass die Zeichenhaftigkeit, die Symbolizität nicht ohne die Materialität zu haben ist: dass ›Sinn‹ und ›Sinnlichkeit‹ nicht zu trennen, sondern vielmehr stets verschränkt sind – auch wenn Cassirer selbst sicher noch eine Priorität des Sinnes mitdenkt, die ›Erfüllung‹ des Materiellen mit Sinn. Eine Theorie der symbolischen Medien, die deren Materialität noch tiefer mitdenkt, hat parallel zu Cassirer Helmuth Plessner entfaltet, in seiner bisher kaum rezipierten »Ästhesiologie des Geistes« (Plessner 1981). Es gibt dieser Medientheorie zufolge eine Eigenlogik des Materiellen, eine je von der Materialität abhängige Art und Weise, etwas auszusagen. Die beteiligten Sinne sind bei den verschiedenen kulturellen Medien andere; die Bedeutung ist eine andere. Architektur ist in jedem Fall kein Text: Sie hat eine andere Art, etwas auszusagen als gesprochene Sprache und Schrift. Gerade deshalb wird sie ständig diskursiviert, gedeutet und umgedeutet, beschrieben und theoretisiert. Architektur selbst also ist weder sprachanalog noch ›sprachlos‹. Anders als der Strukturalismus meint, erhält die Architektur ihre Bedeutung keineswegs nur durch semiotische Prozesse, und wäre selbst, ohne diese, ›leer‹. Es handelt sich vielmehr um ein nonverbales, visuelles und kinästhetisches Medium, das zumeist in der Gewohnheit, »optisch und taktisch unbewusst«, wahrgenommen wird (Benjamin 1955: 173). Architektur ist weder ein sprachliches Medium, noch geht nun ihre Materialität – die ›harte‹ Grundlage ihrer Expressivität und Sinnhaftigkeit – in der Visualität auf. Und dies gerade behaupten Architekturtheoretiker aktuell: eine Auflösung der Architektur in der Bildlichkeit. Charles Jencks spricht wirkmächtig vom iconic landmark building. »Ein neuer Typ der Architektur hat sich in den letzten zehn Jahren entwickelt […], der das traditionelle architektonische Monument herausfordert.« (Jencks 2005: Cover) Mit Jencks spricht man seither auch vom ›Bilbao-Effekt‹ der zeitgenössischen Architektur. Frank Gehrys Guggenheim-Gebäude in 86

Bilbao markiere den Punkt, an dem sich die Architektur zunehmend auf das ›Spektakel‹ konzentriere, auf Ikonen ohne Funktion und ›Inhalt‹. Und obgleich zugestanden wird, dass dies eine alte architektonische Strategie ist (man denke nur an die Pyramiden), wird die Häufung solcher Gebäude doch als neue Qualität bemerkt (vgl. ebd., 23). Die heutige Architektur konzentriere sich allein auf die Oberfläche; man habe es mit einer ›Bildarchitektur‹ zu tun. Nun, die genuine Logik der Architektur, von der sie sich nicht lossagen kann, liegt nicht im Bild. Die Bedeutung der Gebäude zeigt sich sicher stets im Visuellen: in ihrer Farbigkeit, der Differenz von Licht und Schatten. Immer ist aber zu ihrem Verständnis die eigene Bewegung nötig, sei es imaginär oder real. Architektur wird gesehen, durchschritten, betastet; wir liegen, sitzen, stehen in ihr. Es ist also wesentlich die Dreidimensionalität neben der Visualität: die Taktilität und Kinästhetik, mit der die Architektur uns betrifft. Helmuth Plessner hat die genuin architektonische Bedeutung daher im Bezug zum Körper gesehen: in der »Einschmiegung«, im »Mitgehen, Abtasten, Ausgefülltsein«, in den »tausend Arten, in Haltungen zu leben und durch Haltungen dem schwingenden Bild der Räume und Flächen eine unmittelbare Beziehung zu mir zu geben«, bedeutet Architektur (Plessner 1981: 266f.). In ihrer Affektivität ist Architektur unmittelbar wirksam; in ihrem Körperbezug ebenso. Diese Eigenlogik der Architektur wird sicherlich sehr früh entdeckt und spätestens im Barock zum Programm. Aber erst im 20. Jahrhundert wird sie reflexiv: indem jetzt die Beeindruckung durch die Bewegung theoretisch ausformuliert wird (vgl. Müller 2004). Die Architektur versteht sich nun als die Gestaltung von Raum und Zeit. Sie will umschritten und »von oben sowie von unten« betrachtet werden; aus Containern in Spiegelsymmetrie werden fließend ineinander übergehende Räume, in denen auch die Grenze zwischen Innen und Außen perforiert wird. Die Architektur befreit sich von Tradition, Monumentalität, Symmetrie. Entfaltet wird eine neue Transparenz, die das Auge verwirrt (und insofern in der Tat als neu empfunden worden sein muss): Der Blick wird durch die Durchsichtigkeit der Stahlstützen »beunruhigend […] auseinandergezogen« (Rowe 1998: 54). Statt der massiven Körper drängt die Architektur nun auf das ›Negieren‹ der Volumen durch sicht87

bar papierdünne Flächen. Statt tektonischer ›Stabilität‹ ist visuelles Schweben das Entwurfsprinzip. Die Architektur enthält sich des Ornaments, das sie nun den Bildhauern zurechnet; sie löst sich von der Zentralperspektive, die sie nun dem Bild zurechnet. Es wird jetzt thematisiert, dass es sich bei der Architektur nicht um diese ›graphische Illusion‹ handelt, die sich um einen ›abstrakten Mittelpunkt kristallisiert‹, wie ihn die Zentralperspektive als Logik des Bildes voraussetzt. Und es wird jetzt reflektiert, dass man es nicht mit einer darstellenden Kunst (mit Ornamenten als dem Zentrum der Architektur) zu tun hat, sondern eben mit derjenigen Kunst, die bereits im bewegten Blick, im Tasten und Gehen ›verstanden‹ wird. Der ›Koexistent‹ der Architektur wird nun explizit eingerechnet: Er hat »vorn zwei Augen, die 1,60 m über dem Erdboden nach vorn blicken. […] Vor sich blickend, geht unser Mensch, bewegt er sich vorwärts, handelt, geht seiner Beschäftigung nach und registriert auf seinen Wegen zugleich alle nacheinander auftauchenden architektonischen Manifestationen.« (Le Corbusier 1962: 29) Das, was Architektur ›sagt‹, ist zunächst nichts anderes als eben die Nahelegung von Körperhaltungen und Bewegungen; die Schaffung von Sichtbarkeiten und der mit ihnen einhergehenden Affekte. Gegenüber dem Bild handelt es sich um ein Medium, in dem die Souveränität des Auges relativiert ist. Und statt gegenständlicher Aussagen wie in der Sprache geht es hier um die Affinität von Raumgestalt, Körperhaltung und ›innerer‹ Haltung. Nicht in jedem Raum kann man sich – nicht ohne Aufwand, nicht ohne ›Antiprogramm‹ – beliebig verhalten. Das alles ist vielleicht eine Binsenwahrheit, die allerdings hinsichtlich der Konzeption der Architektursoziologie Folgen hat. Es ist ein Unterschied, ob man eher an der kommunikativen Oberfläche der Architektur ansetzt, an ihrem Bezug zum Körper und seinen Aktionen oder an den Sichtbarkeiten, die sie dem Körper verschafft. Diese Eigenlogik der Architektur, ihr Bezug zu Körper und Wahrnehmung ist eine Herausforderung für die soziologische Theorie, die allzu oft konstruktivistisch verfährt und damit grundlegend im cartesianischen Paradigma verbleibt. Der Körper ist – selbst in der Soziologie des Körpers! – für die Soziologie in der Tat oft etwas Passives, entweder als ›Umwelt‹ der sozialen Systeme oder als ›Einschrei88

befläche‹ gesellschaftlicher Diskurse – während es doch seine Begehren sind, seine Erregungen, seine Beeinträchtigungen und Bewegungen, seine Energien, die der ›Grund‹ des Sozialen sind.

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V. Fallstudien zur Architektur als ›Medium‹ des Sozialen Es bleibt, das Potential der Architektursoziologie an exemplarischen Fällen anzudeuten. Dabei werde ich nicht umhin kommen, eine bestimmte eigene Perspektive zu verfolgen: die Architektur nämlich als ebenso konstitutives wie transitives (veränderndes, vorantreibendes) »Medium des Sozialen« zu verstehen (Delitz 2009a). Diese Perspektive – welche die skizzierten Herausforderungen der Architektur für die soziologische Theorie aufzunehmen sucht, sie also sowohl als Artefakt als auch in ihrer Affektivität, Kreativität und symbolischen Eigenlogik zu berücksichtigen beansprucht – muss zunächst skizziert werden, bevor in die Fallstudien eingestiegen wird. In ihnen geht es dann um drei verschiedene Zeiten, Gesellschaften, Architekturen: um die vormoderne griechische polis (über deren Architektur und Gesellschaft vielleicht nie genug nachgedacht werden kann); um den nichtmodernen Fall nomadischer Gesellschaften (die in Vielem anders sind als wir); und um unsere zeitgenössische Avantgarde. Ersichtlich wird mit einer derart weiten Perspektive ein Soziologieverständnis verfolgt, für welches eine historische Soziologie genauso fruchtbar ist (in der Frage, wie wir zu dem geworden sind, was wir sind) wie ein Gesellschaftsvergleich (in der Frage, was uns gegenüber Anderen kennzeichnet).

1. Theorieperspektive Den Fallstudien liegt eine spezifische Denkweise zugrunde, die sich vor allem aus Frankreich speist. Es geht auch um Foucault, aber vor allem um das Denken, das der französische Philosoph Henri Bergson (1859-1941) in die soziologische Theorie einbrachte. Am prominentesten wird es von Gilles Deleuze und Cornelius Castoriadis entfaltet; des Weiteren von Gilbert Simondon, Maurice Pradines, André Leroi-Gourhan, Raymond Ruyer. Es handelt sich um ein grundlegend nicht-cartesianisches Denken, das den Körper, seine Affekte und Begehren in die soziologische Analyse einzubeziehen vermag. Zweitens handelt es sich um ein diffe90

renztheoretisches Denken: um einen dynamischen, vitalistischen Differentialismus, um ein Denken des ständigen Anders-Werdens des (sozialen) Lebens. Um das adäquate Denken der dynamischen, unvorhersehbaren ›kreativen‹ menschlichen Realität kreist Bergsons ganzes Werk. Und auch die Soziologie des Denkansatzes kreist darum: Soziale Wirklichkeit ist unvorhersehbar, irreversibel, ereignishaft. Diese französische Philosophie des Lebens vermeidet (als differenztheoretische) zunächst die Ausdrucksbegrifflichkeit: es geht nicht um das Denken der Identität (etwas ist Ausdruck von etwas), sondern um das der dynamischen Differenz (immer wird etwas anders). Diese Denkweise vermeidet weiter eine dualistische Fassung des Sozialen, die Trennung von Technik/Gesellschaft, Natur/Gesellschaft, Subjekt/Objekt: An dessen Stelle tritt ein Immanenzdenken. Alles befindet sich auf einer Ebene des Seins. Vor allem Deleuze entfaltet im Anschluss an Bergson derart ein soziologisches Denken des Ereignisses (statt der Gesetze); des Werdens (statt des Seins); der Differenz (statt des Sich-Selbst-Gleichens). Sowohl für die Frage nach der Funktion des Symbolischen für die Gesellschaft als auch für die Fassung des Verhältnisses von Akteuren und Dingen ergeben sich daraus neue Möglichkeiten. Weder Bergson noch Deleuze oder Castoriadis sind selbst zentral auf die Architektur eingegangen. Man kann ihre Konzepte aber übertragen. Zunächst lässt sich die Kritik herkömmlicher, identitäts- oder repräsentationslogischer Denkweisen übernehmen. Die theoretische Überzeugung in den folgenden Fallstudien ist demnach: dass die Architektur im Sozialen einen Unterschied macht, eine ›Differenz‹ einführt, das heißt, dass die Gesellschaft in ihrer je neuen Architektur ein Stück anders wird. Und zugleich – und sehr viel grundlegender – ist jede Gesellschaft auf ihre spezifische Architektur verwiesen: konstitutiv, existentiell. Fasst man die Architektur demgegenüber als ›Spiegel‹ oder ›Ausdruck‹ einer Gesellschaft, ist das methodisch sicher richtig. Theoretisch hat man ihr damit aber eine passive Rolle zugeschanzt: Sie ist die Hülle, die weder etwas hinzufügt noch wegnimmt, eine Kopie des ›eigentlichen Sozialen‹, das unabhängig und vor ihr existiert. Dies wird weder den Vergesellschaftungsprozessen gerecht noch der Avantgarde-Funktion der Architektur in der Moderne: der Tatsa91

che, dass diese ganz neue Gestalten und Lebensräume vor Augen stellt. Grundlegend geht es um den Gedanken, dass die sozialen Strukturen nicht einfach irgendwo schon ›da‹ sind und nur noch sichtbar gemacht werden müssten, sondern sich vielmehr erst in der Architektur (neben anderen Medien, vor allem der Sprache) konstituieren. Es ›gibt‹ keine vorgegebene soziale Struktur: weder Klassen noch Schichten und auch keine fixen Subjekte, Identitäten, Institutionen. Auf der elementaren Ebene des (sozialen) Lebens gibt es vielmehr ein ständiges Werden der Begehren, Perzeptionen, Affektionen der Einzelnen, ein soziales »Magma« (Castoriadis 1984: 310 u.ö.). Dieses Denken öffnet Cornelius Castoriadis den Blick für die Notwendigkeit des Symbolischen, für dessen sozialkonstitutive Funktion, die Angewiesenheit der Einrichtung der Gesellschaft und ihrer Subjekte auf Anschauliches. Denn die Gesellschaft ist (so Castoriadis) eine ›imaginäre Institution‹: Sie ist eine Bedeutung, eine Vorstellung, die mit der Segmentierung und Klassifizierung der Einzelnen einher geht, also höchst reale Folgen hat. Das ›Imaginäre‹ ist nun auf das ›Symbolische‹ und dieses auf das ›Reale‹ (Materielle) verwiesen. Architektursoziologisch gewendet: In ihrer Architektur erkennt sich erst eine Gesellschaft als diese Gesellschaft; sie wählt sich in ihr eine Gestalt, die ihr keineswegs äußerlich ist. Welche architektonische Gestalt die Gesellschaft hat, hat einen Effekt auf die werdenden Subjekte; auf deren Selbsteinteilung und Zuordnung zu Milieus und Schichten, auf deren Zeitlichkeit, auf die Verortung in der Generationenfolge, im Verhältnis von Herkunft und Zukunft. Anders formuliert: Nimmt man das Werden als Grundcharakteristikum des (sozialen) Lebens an, entfalten sich Gesellschaften nicht gesetzmäßig (weder aus Widersprüchen noch evolutionär); es sind kontingente Selbstschöpfungen. Die Gesellschaft schöpft sich selbst, und zwar immer wieder neu. Das Soziale wird auf seiner grundlegenden Ebene daher als ›wesentliche Unbestimmtheit‹ gedacht: aufgrund der Vitalität der Einzelnen. Weit entfernt, es mit ›der‹ Gesellschaft zu tun zu haben (bei der sich dann die Frage stellen würde, was ihre ›Einheit‹ sei, und an welchem Punkt diese aufhörte) ist das Gesellschaftliche vielmehr 92

»Selbstveränderung und sonst nichts« (ebd., 363). Auf dieser Ebene besteht selbst noch diejenige »Gesellschaft, die nur auf ihre Konservierung bedacht scheint«, nur, »indem sie sich unaufhörlich verändert« (ebd., 343). Die ›Gesellschaft‹ als solche ist allerdings darauf verwiesen, sich die Selbstveränderung zu ›verleugnen‹. Es handelt sich um die Setzung eines gleichbleibenden Nach- und Nebeneinanders der Einzelnen. Alles, so Castoriadis, »spielt sich so ab, als könne sich die Gesellschaft nicht als sich selbst erschaffende, als Institution ihrer selbst« erkennen (ebd., 360). Als eine ›Gesellschaft‹ existiert das Gesellschaftliche vielmehr nur, insofern es sich eine Identität schafft, sich fixiert: sich sowohl über die Kommunikation unter Anwesenden hinweg als auch über die Lebenszeit der Individuen hinaus eine kollektive Identität schafft. Diese ›Institution‹ der mit sich identischen Gesellschaft ist auf ein entsprechendes Symbolisches angewiesen; das Symbolische bedarf seinerseits der Materialität. Jede Gesellschaft schafft sich eine Zeit und eine Geschichte, die untrennbar von ihr ist, so dass man es mit einem ›Gesellschaftlich-Geschichtlichen‹ zu tun hat. Jede Gesellschaft teilt Dinge und Menschen ein, klassifiziert sie, ganz grundlegend mittels der Sprache und der Mengenlogik. Jede Gesellschaft besteht nun aber auch nur dadurch, dass sie sich eine räumliche Gestalt gibt. »Die Ausgedehntheit des Gesellschaftlich-Geschichtlichen ist kein ›Rahmen‹, in dem sich Gesellschaftlich-Geschichtliches erstreckt, sondern eben die Art und Weise, in der sich das Gesellschaftlich-Geschichtliche selbst entfaltet. Denn das Gesellschaftlich-Geschichtliche erschafft sich als Figur, das heißt als Verräumlichung, und als Anderssein/Anderswerden dieser Figur, das heißt als Zeitlichkeit.« (Ebd.: 370) Die Architektur ist diese Gestalt der Gesellschaft. Zwar sind auch alle anderen Medien an der Herstellung der Gesellschaft beteiligt; aber der Architektur, so müsste man Castoriadis an dieser Stelle ergänzen, kommt dabei doch eine besondere Funktion zu: Sie separiert die Aktivitäten, weist ihnen einen Ort zu; schafft eine dauerhafte Sichtbarkeit. In der Frage nach der spezifischen Gesellschaft, die sich in ihrer Architektur herstellt, wären viele Aspekte zu beobachten: wie wird die Einteilung der Epochen und Gesellschaften hergestellt; welche Aspekte des Sozialen sind präsent; wie wird die Grenze 93

von Innen/Außen (öffentlich/privat) bewerkstelligt; welches Naturverhältnis schafft sich eine Gesellschaft. Es wird in der Absenkung der Troglodyten ein anderes sein als in der modernen Dachterrasse, welche ein ästhetisches Verhältnis zur ›Landschaft‹ evoziert. Die imaginäre Institution der Gesellschaft konzentriert sich dabei um jeweils bestimmte Ideen: letztlich um ein ›zentrales gesellschaftliches Imaginäres‹: eine Bedeutung, die alle anderen wie ein schwarzes Loch krümmt und bestimmt, welche ›Subjekte‹, welche Weltanschauung, welches Sozialverhältnis eine Gesellschaft hat. Das zentrale Imaginäre kann zum Beispiel ›Gott‹ sein: eine Bedeutung, die alles durchdringt, den Raum, die Zeit, das Soziale. Die Kathedralen mit ihren Lichtverhältnissen, ihren Dimensionen, dem Kontrast zu Architektur und geographischem Milieu sind dann alles andere als bloße ›Kopien‹ einer bereits vorhandenen Gesellschaftsstruktur. Sie erzeugen vielmehr deren Subjekte mit: eine Tatsache, die konkret historisch zu verfolgen wäre. Und sofern sich die kapitalistische Gesellschaft im zentralen Imaginären der »Rationalität« instituiert (ebd., 268), bedarf auch sie einer entsprechenden Architektur. Der Kapitalismus ist eine effektive, metrische Zeit und die Geschichtsvorstellung der Unendlichkeit (ebd., 350f.). Und er braucht eine Architektur, die sichtlich rationell, seriell, artifiziell ist; die Bodenständigkeit abgelegt hat, sich auf Stahlstützen stellt, mit Flachdach und Schiffsdetails die Sehgewohnheit irritiert und in all dem die kontingenzbewussten Subjekte einer auf Wachstum, Effizienz, Neuheit angelegten Gesellschaft schafft. Eine zweite, nur analytisch von der Gestalt trennbare Ebene betrifft die Tatsache, dass die Architektur den Körper, dessen Bewegungen und Wahrnehmungen ständig umgibt. Die Architektur ist weder der Gesellschaft äußerlich noch dem sozialen Handeln: Sie ist weder ein bloßes ›Objekt‹ noch ein passiver Container, in dem die Interaktionen einfach ablaufen. Jede Architektur formt Techniken des Körpers und verschafft ihm jeweils bestimmte Sichtbarkeiten. Es handelt sich dabei um eine »muskuläre Konditionierung« (Leroi-Gourhan 1980: 357). Auf dieser Ebene ist der kinästhetische und taktile Aspekt der Architektur mindestens ebenso wichtig wie der visuelle. Begrifflich bedarf es hier einer Theorie, welche das Zusammenwirken von Dingen, Körpern und 94

Diskursen beschreibt: Überlegungen, wie sie die neueren Artefakt-Theorien bereits für andere Dinge entfaltet haben. Die Architektur ist ein Ko-Existent unser Handlungen, ein »socius« (Seyfert 2008: 4687; ebenso Deleuze/Guattari 1992: 455). Die Soziologie pflegt in dieser Hinsicht allerdings noch immer ihren oben skizzierten Soziozentrismus: indem sie das Soziale als ›Interaktion‹ oder ›Kommunikation‹ fasst. Es ist daher eine Artefakt-Theorie als alternative Sozial- und Handlungstheorie nötig: eine andere Bestimmung dessen, aus welchen Elementen das ›Soziale‹ besteht und welche Beziehungen diese Elemente eingehen. In der Tat gibt es kein isoliertes ›soziales Sein‹, vielmehr stets Gefüge, wie Deleuze/Guattari sagen: Gefüge aus materiellen Systemen (terrestrischen, artifiziellen, menschlichen, pflanzlichen und tierischen Körpern) und Aussagen oder Diskursen. Deleuze und Guattari selbst haben nun kein Architekturgefüge, sondern das nomadische Gefüge »Mensch-Pferd-Bogen« beschrieben (Deleuze/Guattari 1992: 558): Es kanalisiert, diszipliniert und optimiert die tierischen und menschlichen Bewegungskräfte und ihre kognitiven und sinnlichen Vermögen, schafft spezifische Materialströme; einen spezifischen Bezug zum Boden, einen glatten, nicht durch Mauern gekerbten und fixierten Raum und wird von spezifischen Aussagengefügen durchquert und hat spezifische Affekte. Ohne diese Gefüge wäre die nomadische Gesellschaft nicht adäquat zu beschreiben. Aber sie wäre es auch nicht ohne ihre spezifischen architektonischen Gefüge (s.u., 101ff.). Ebenso wäre also für die Architektur je zu formulieren, wie sich Gebäude mit menschlichen und tierischen Bewegungen, ihren taktilen, visuellen und akustischen Wahrnehmungen, Affekten und mit den gesellschaftlichen Diskursen zu ›Gefügen‹ verbinden. Grundlegend ist dabei auch das je konkrete Baumaterial zu berücksichtigen, das kein bloßer ›Stoff‹ ist, der sich in beliebige ›Formen‹ bringen lässt, sondern dem eine Formtendenz innewohnt. Man muss daher neben dem Cartesianismus (dem Dualismus Subjekt/Objekt, Ideen/ Körper) das hylemorphistische Denken verlassen, den Dualismus Form/Materie, ein Denken, demzufolge sich der Materie jede Form aufdrücken lässt (Simondon 1958). In der Frage nach der Spezifik der architektonischen Gefüge schlägt Bernard Cache im Anschluss an Deleuze vor, drei Funk95

tionen zu differenzieren: Die Architektur führt ein Intervall in ein Territorium ein (Rahmung). Ihre grundlegende Funktion ist damit die Separation von Aktivitäten und Subjekten. Der ›Raum‹, das ist für eine Architektursoziologie dann der ganz konkrete, materiell gefasste und abgetrennte Raum. Das Element hierzu ist die Außenwand. In gewisser Weise ist, so Cache, die Mauer (respektive Zeltwand) die Basis der sozialen »Koexistenz«, und damit die Basis des »sozialen Raums« oder der »Gesellschaft« (Cache 1995: 24). Die zweite Funktion ist die Selektion: Fenster respektive Zeltöffnungen wählen Blicke aus. Der ›Rahmung‹ läuft die ›Entrahmung‹ entgegen, die Öffnung zum Territorium. Löst die erste Bewegung das soziale Leben vom Territorium ab, etabliert die zweite eine spezifische Verbindung zu ihm. Die dritte Funktion ist das Arrangement von Architektur und Individuum im Inneren durch Innenwände und Mobiliar, die innere »Replikation« von Separation und Selektion (Cache 1995: 23ff.). Möbel und Wände sind am direktesten mit unseren Körpern verbunden, sie sind sein primäres assoziiertes Milieu. Die Architektur gibt der Gesellschaft derart nicht nur eine Gestalt; über ihren Bezug zum Körper ist sie beteiligt an der Schaffung der je spezifischen Aktionen und Subjekte. Am Fall der Disziplinararchitekturen hat Foucault gezeigt, wie dies historisch konkret zu denken sein könnte. In beiden Aspekten – von Gestalt und Gefüge – wird die Architektur in den folgenden, äußerst kursorischen Fallstudien in jedem Fall nicht als (bloßer) Ausdruck der Gesellschaft angesprochen. Der Akzent liegt auf ihrer sozialen Effektivität: auf der Angewiesenheit der Vergesellschaftung auf gerade diese Architektur mit diesen Gefügen, mit dieser Affektivität und dieser Kreativität. Verschafft die Architektur den sozialen Sphären und Teilungen gezielt eine Expressivität, oder verhindert sie dies? Ist die Architektur auf den sozialen Wandel angelegt oder vielmehr auf die Auf-Dauer-Stellung tradierter Verhältnisse? Auch vormoderne und nicht-moderne Gesellschaften haben ihre je spezifischen Bauten. Die Architektursoziologie wird nicht an ihrer Kenntnisnahme vorbeikommen, gerade, wenn es um die Eigenart der modernen Vergesellschaftung geht, die sich sicherlich am ehesten im Vergleich erkennen lässt. In dieser Hinsicht besteht der stärkste 96

Kontrast sicher zwischen sesshaften, urbanen Gesellschaften und nomadischen Gesellschaften. Zweitens gibt es einen starken Kontrast vormodern urbaner Gesellschaften gegenüber der Moderne: durch ihre Ausbildung einer professionellen Kreativität, der Architektur als akademischer Entwurfs-Disziplin.

2. Vor-moderne Architektur: die antike Polis 12 Die Gesellschaft ist Selbstschöpfung: das Erfinden von Institutionen und Lebensweisen. In dieser Hinsicht haben die Griechen Außerordentliches geschaffen. Sie haben die Demokratie erfunden, und damit unsere Vorstellung des Politischen, insofern sie das Politische nicht mehr auf ein Außen zurückführten, sondern es als Selbstgesetzgebung erkannten (vgl. Castoriadis 2006: 149). Autonomie ist die soziale Erfindung und das zentrale Imaginäre der Griechen; aber auch Exklusion und Heteronomie, in den ersten Kolonien. Die Griechen gestatten uns »kein Ausruhen«: wir partizipieren an ihren Idealen und ihren Schatten (Castoriadis 1984: 305). Die antike griechische Gesellschaft ist daher oft beschrieben worden. Nicht immer hat man dabei die Architektur zur Kenntnis genommen13 – während doch jede Gesellschaft ihre Architektur braucht und nicht ohne sie zu denken ist. In ungeheuer kurzer Zeit verwandelten sich die Gesellschaft und ihr gebautes Gesicht, die rämliche Gestalt, auf der im Folgenden der Akzent liegen wird. »Der Frieden mit den Peloponnesiern (445 v.u.Z.) bestätigt Athens Übermacht. 450 erbaut Phidias die Statue der Athena; 447-438 errichtet man den Parthenon; 445 wird die lange Mauer wieder aufgebaut.« (Castoriadis 2007: 10f.) Dabei sind insbesondere die Tempel und die Agora völlig neu und müssen so auch empfunden worden sein. Die Griechen schufen sich mit dieser Architektur »neue Falten im sozialen Stoff« (Deleuze 1993: 228f.): eine Gesellschaft, die sich auf den Rängen, der Bühne, dem Platz konstituiert. Sucht man nach dem zentralen Prinzip dieser Gesellschaft, dann wird man stets die Trennung des Privaten vom Öffentlichen betonen: Es ist eine Gesellschaft, die sich in der politischen Teilhabe konstituiert. Paul Veyne hat die griechische polis in dieser Hinsicht mit einem Schiff vergli97

chen, in dem jeder mitrudert (Veyne 1988: 18). Dazu bedarf es einer entsprechenden Architektur: Bauwerken, die eine bestimmte Sichtbarkeit schaffen, mit Säulen (an Stelle geschlossener Wände), Sitzstufen (statt geheimer Kammern) und affektiven Kultgebäuden in Sichtweite, die den Stolz um das Gemeinsame hervorrufen. Die polis braucht einen »völlig neuen sozialen Raum, einen öffentlichen Raum, der um die agora […] mit dem dort befindlichen Staatsherd angeordnet ist«, so dass sich die Macht in der »Mitte« befindet (Vidal-Naquet 1989: 210). Es geht zunächst um die Sichtbarkeit der Ungeteiltheit der Macht, der Beteiligung aller. Hinsichtlich dieser politischen Eigenart ist zentral, dass man es eben nicht mit einem Palast, sondern einem Platz zu tun hat: Es ist eine Gesellschaft, die sich architektonisch gegen die Teilung der Gesellschaft, gegen die Herrschaft ›wehrt‹, indem sie in ihrer gebauten Gestalt keine Abtrennung der Macht zulässt, sondern das Politische in voller Sichtbarkeit etabliert. Und dazu bedarf es einer bestimmten Architektur in einer bestimmten Anordnung zueinander. Es bedarf eines offenen Platzes. Um andererseits das Politische (Gemeinsame) vom Privaten (Partikularen) zu trennen, bedarf es auch der Atriumhäuser mit ihrer völligen Einfaltung der häuslichen Tätigkeiten, ihrer Entfernung aus der öffentlichen Sichtbarkeit. Die Agora muss frei sein von allen Alltagsgeräuschen, Waren und »Banausen«, wie es Aristoteles ausdrückt (1981: VII.12). Notwendig ist also für diese Gesellschaft die architektonische Separierung der Aktivitäten zur Reproduktion des Lebens, nicht zuletzt die (architektonisch vollzogene) Ausgrenzung der Sklaven sowie der Frauen aus dem öffentlichen Raum.14 Es bedarf der Affektivität, der Schönheit der öffentlichen Gebäude im Verhältnis zu den Privatgebäuden, bei denen allzu großer Prunk dann auch verboten war. Denn diese Gesellschaft beruht nicht nur auf der Kluft zwischen Privat/Gemeinsam; sie beruht vielmehr auch auf der Priorität des Gemeinsamen, Öffentlichen. Die Agora braucht eine Verausgabungsarchitektur, bei der man nicht umhin kam, sie zu bewundern. Hier muss man auch den Anblick einrechnen, den der Tempelberg – in sorgfältiger Distanz – bietet. Der Parthenon kann die Athener nicht so gleichgültig gelassen haben, wie es in der Stadtführung Pausanias’ 98

(144-160) scheint, der das Äußere gar nicht erwähnt, sondern sogleich zum Inneren übergeht (Pausanias 1972: 24.5). Der Parthenon war gewiss kein Bau, der die Größe der Athener nur ›spiegelte‹: An ihm wird sich ihre Dynamik, ihr Könnensbewusstsein erst gebildet haben, und er wird sie jeden Tag aufs Neue affiziert haben (Meier 1995: 452). Dabei ist es nicht zweitrangig, dass es sich um eine religiöse Architektur handelt. Das Verhältnis von Politik und Kult ist in dieser Gesellschaft ungetrennt, bei klarer Dominanz des Politischen. Tragödie, Philosophie und Architektur entstanden in dem Moment, in dem das Verhältnis Religion-Politik respektive Götter-Menschen problematisch wurde. Es zählt jetzt, im 5. Jahrhundert v.u.Z., nicht mehr das rituelle Wort. Auch wenn das Orakel stets befragt wird, muss die Entscheidung in der Versammlung selbst getroffen werden (Vidal-Naquet 1989: 211). Die gebaute Stadt der Griechen war alles andere als übersichtlich, gemessen an damaligen Verhältnissen. »Der Empirie der Stadt als gebauter Form folgend, wird man an innere Stufung, Mehrstöckigkeit denken müssen. Technisch-architektonische und politische Bestimmungen müssen in ihren Korrespondenzen und Fügungen bedacht werden, damit die urban-politische Gemeinschaftsimagination machbar ist.« (Eßbach 1997: 16) Man muss sich die (relative) Urbanität dieser Gesellschaft vor Augen stellen: die Vielzahl der Dinge und Architekturen. Aus ihr ergaben sich erst das Problem der Besitzungleichheit und die Lösung der Frage der politischen Gleichheit, die die Demokratie darstellt. Und man muss auch die Dinge berücksichtigen, die eine ganz spezifische Vergangenheit herstellten: Die Griechen ›brauchten‹ zu ihrer Selbstidentifikation ihre Heroenstatuen, die ihnen auf Schritt und Tritt begegneten. Und sie brauchten ebenso ihre Herd-Altare, die sie mit dem Boden verwurzelten und damit den Gegensatz des Eigenen zum Fremden, den Barbaren stifteten. Ein Rundtempel mit dem Staatsherd findet sich auch auf der Agora. Und da die griechische polis aus Stadt und Land besteht, sind auch die peripheren Architekturen wichtig. Die urbane Ausstattung soll sich, so Aristoteles, auf dem Land wiederholen (Aristoteles 1981: VII.12). Es geht hier um eine Einheitsstiftung in der Anschauung und um eine rationale Ordnung, um Artifizialität. In der kleisthenischen Reform, der Umstellung der Selbsteinteilung 99

der Gesellschaft vom Verwandtschafts- auf das Territorialsystem geht es um die Einführung einer komplizierten räumlichen Symmetrie, die Parteilichkeit verhindern soll. Die Stämme werden nach territorialer Zugehörigkeit geordnet, wobei jeder gleichermaßen am Zentrum und an den Grenzen der polis partizipiert. Um Artifizialität und damit um Rationalität geht es auch in der Einführung von Baunormen durch Hippodamus. »Der politische Körper der antiken Stadt wird künstlich in symmetrische Teile verfaßt.« (Eßbach 1997: 16) Beides sind Maßnahmen, mit denen sich diese Gesellschaft neu ordnet. Und sie denkt dabei immer auch an außenpolitische Dinge: an Befestigung, an den Feind. Man muss die griechische Gesellschaft in ihrem Kampfcharakter sehen, sie eher mit der Triere vergleichen, jenem Kampfschiff, mit dem die Griechen die Perser schlugen, als mit einem Handelsschiff. Veyne hat das Wort ›Demokratie‹ nicht ohne Grund durch das der ›Militanz‹ ersetzt: Die polis ist eine Gesellschaft, die sich in der dauernden kriegerischen Abgrenzung gegen andere erschafft, und insofern wenig mit unserem Demokratieverständnis gemein hat. Daher sind für diese Gesellschaft, für ihr Selbstverständnis, ebenso die ›langen Mauern‹ zentral wie es die Agora und die Akropolis sind. Man wird schließlich annehmen können, dass die Affektivität der Architektur sowie die Dynamik, mit der sie vorangetrieben wurde, zentral war; dass sie Legitimität schuf und stärker noch: dass sie den Athenern selbst erst klar machte, was sie sich ›zu tun‹ gaben, was sie sein wollten. Die Griechen brauchten die Artifizialität und den Glanz ihrer Architektur: Die Potenz ihrer Gesellschaft wurde ihnen selbst erst deutlich angesichts ihrer Werke. »Wir sind in und durch die Liebe zur Schönheit und Weisheit, wie wir auch in und durch das Handeln sind, das diese Liebe hervorruft.« (Castoriadis 1990: 325f.) Mit diesen Bauten und den mit ihnen einhergehenden Bewegungen und Sichtbarkeiten schafften sie es, den ›Barbaren‹ ihre Lebensweise nahezulegen, sie zu kolonialisieren. Mauern und Kultbauten an der Peripherie; neue Städte, welche die Gestalt ihrer Gesellschaft und diese selbst in fremde Gesellschaften einbrachten: Die Griechen kerbten die Räume nach ihrem Muster. Mauern, Agora, Tempel schufen eine spezifische räumliche Gestalt, die mit spezifischen Begehren und Affek100

ten einherging, nicht zuletzt mit dem Stolz, ein Athener zu sein.

3. Nicht-moderne Architektur: die Zelte der Tuareg 15 Ein Zeitsprung, ein Architektur- und Gesellschaftssprung; und ein Aspektsprung, insofern im Folgenden eher das Gefüge interessiert: Die Tuareg, die Kamel züchtenden, Salz und Datteln tauschenden Nomaden der Sahara, tragen alles mit sich herum, auch ihre Architektur. Sie wohnen – in der Wüste – in hüfthohen Zelten aus Ziegenhäuten, die mit einigen Hölzern im Sand befestigt sind. Während der Wanderungen, die den größten Teil des Jahres einnehmen und über einen halben Kontinent verlaufen, werden sie auf dem Rücken der Kamele verstaut. Im Inneren der Zelte herrscht ein Gedrängel tierischer und menschlicher Körper; es gibt nur ungenügende visuelle und keinerlei akustische Trennungen. Dabei ist der Platz der Frauen (der Hüterinnen des Zeltes, die mit ihm gleichsam verschmelzen) und Männer und der verschiedenen Statusgruppen streng reglementiert. Bis auf das hölzerne, verzierte Bett, das auch als Tragegestell dient, ist alles aus weichem Material. Die Häute und Stoffe geben dem »nomadischen Leben seine Einheit«, sie ermöglichen seine »symbolische und visuelle Stabilität« (Milovanoff 1978). Im Wind schwingende Zierbänder bringen auch noch in das Innere des Zeltes Bewegung. Die Zelte selbst bewegen sich ständig; sie sind wenig widerständig; kaum expressiv (unscheinbare, aneinandergenähte Hautfetzen); nicht funktional differenziert. Gleichwohl ist diese Architektur sozial effektiv: Mit ihr geht eine spezifische Gesellschaft einher, spezifische Begehren, Überzeugungen, Klassifikationen. Diese Architektur ist (wie jede) nur zusammen mit dem geographischen Milieu zu denken: dem weiten Raum der Wüste, der Existenz bestimmter Tiere, der Kamele, deren Produkte und Affekte (Ausdauer, Geschwindigkeit, Genügsamkeit, Tragfähigkeit) die Tuareg ausnutzen. Und sie ist nicht ohne den mangelnden Pflanzenwuchs zu denken, der die Sesshaftigkeit verhindert. Aber auch die Gesellschaft selbst scheint sich die Sesshaftigkeit zu ver101

wehren: Nomaden verbieten sich regelrecht, feste Gebäude zu errichten. Die Nomaden sind daher »deterritorialisiert par excellence«: Sie haben ein anderes Subjektkonzept als die Sesshaften und auch ein anderes als der Migrant, der zwischen zwei Fixierungen schwankt (Deleuze/Guattari 1992: 525). Das Territorium ›enthält‹ für den Nomaden in der Tat keine Wohnung: nicht so, wie es etwa einen großen Stein (unveränderlich, gewiss) enthält. Diese Gesellschaft steht zwischen den Typologien, die die Soziologie kennt: sie gibt sich eine strikte Hierarchie, wobei sie keine zentrale Gewalt kennt; sie hat einen Monotheismus, den sie kaum praktiziert; ist segmentär und hierarchisch zugleich. In dieser Architektur, die einen weichen, fließenden Raum schafft, konstituiert sich ein dynamisches Sozial- und Selbstverhältnis. Für den Nomaden befindet sich alles im Fluss, im Gegensatz zur Suggestion der Stabilität des Sozialen und des Selbst, welche die sesshafte Architektur einbringt. Sicher gibt es dabei eine strikte Anordnung der Zelte, in der sich die Anordnung des Sozialen konstituiert. Auch diese Gesellschaft kommt nicht ohne soziale Trennungen aus, nicht ohne eine Klassifikation der Einzelnen. Sie ist in ihrer Architektur vielmehr stark hierarchisiert, und dies auf mehreren Ebenen: Im Inneren der Zelte wird strikt zwischen den Geschlechtern getrennt. Und auf der zweiten Ebene, innerhalb des Lagers, werden die Zelte U-förmig verteilt, wobei es zwar keine erkennbare Regel zu geben scheint; aber der Älteste und Angesehenste sucht sich doch seinen Platz als Erster aus, gefolgt vom Nächsthöheren. Und um sie ordnen sich die jeweiligen Sklaven sowie am äußersten Rand die Handwerker, so dass sich eine konzentrische räumlich-soziale Struktur ergibt. Obwohl nun die Tuareg diese strenge, auch durch die Anordnung der Zelte hergestellte Hierarchie kennen, verschwinden in der Imagination des Sozialen tendenziell doch die Trennungen. Das Soziale ist in der Tat wesentlich dynamisch. Die soziale Positionierung richtet sich vor allem nach der Raumentfaltung (im Zelt/außerhalb) und Aktivität (Arbeit am Platz/freies Umherschweifen). Und vor allem wird sie als zutiefst wandelbar vorgestellt: Sklaven werden eines Tages frei und Herren umgekehrt Sklaven sein (vgl. Claudot-Hawad 2004). Diese Imagination des Sozialen entspricht dem weiten Raum, der nicht durch Mauern 102

gekerbt ist, der flachen Gestalt, welche die notwendig einstöckigen Zelte schaffen, und der Geschwindigkeit, die sie erlauben. Entsprechend der stetigen Bewegung des Nomaden ist auch die räumliche Kontur der Gesellschaft flexibel; die Grenze ist für den Nomaden keine Barriere, sondern der Ort zum Schmieden neuer Allianzen, das Bewegungsfeld des kollektiven Aufstiegs. Auch Herkunft und Zukunft und die Einteilung der Zeit folgen der Bewegung. Die Tuareg nehmen einen ewigen Kreislauf an, in dem sich alle Dinge und Wesen befinden. Und da die Zelte sich nicht eingraben, nicht fixiert sind, ist auch das Absolute nicht mit einem Ort verbunden: Diese Architektur bietet »kein günstiges Terrain für die Religion« (Deleuze/Guattari 1992: 526f.). Der Targi hat einen ›schlecht praktizierten‹ Islam und ansonsten seine Dämonen und Ahnen der Zelte. Die soziale Ordnung der Gesellschaft wird von den Tuareg interessanterweise nun selbst mit architektonischen Metaphern gefasst (womit die Aussagengefüge im Blick stehen): Das Zelt liefert die Begriffe für die soziale Einheit, dessen Funktionen und Teile. Die ›Funktion‹ der Gesellschaft entspricht in diesem Denken der des Zeltes (Schutz); ihre Ressource dem Zeltboden (der Raum der Wüste); ihr vinculum sociale, ihr Verbindendes wird mit dem Zeltspannseil verglichen (vgl. Claudot-Hawad 2004). Wie das Zelt eine zentrale Stütze hat, ohne weitere Stützen und Spannseile aber nicht hält, gibt es nicht eine Spitze der Macht, sondern eine Stammes-Konföderation. Um das Politische dieser Gesellschaft zu formulieren (was sie sich zu ›tun‹ vorgeben), muss man sich zudem an die tierischen Gefüge, die Reitkamele halten, die die Zelte transportieren und ein »Geschwindigkeitsgefüge« bilden (Deleuze/Guattari 1992: 558). Und man darf sich nicht über ihren kriegerischen Charakter täuschen. Die Tuareg haben ihre Raubzüge wie die Seenomaden ihre Piraterie: Sie gehören zu ihrer sozialen Existenz. Die Raubzüge stiften die sozialen Beziehungen und führen ihnen ständig erneut soziale Energie zu (Claudot-Hawad 2007: 29). Pierre Clastres sieht im auffallenden Bezug solch ›segmentärer‹ Gesellschaften zur Gewalt eine zutiefst politische Logik: Es geht der Gesellschaft darum, die staatliche Logik (die Einrichtung einer Zentralgewalt: unsere Logik) zu durchkreuzen. Das politische 103

Imaginäre der nomadischen Gesellschaften ist nicht die »Einheit« eines Territoriums. Vielmehr handelt es sich um die entgegengesetzte Logik der »Fliehkraft«. Es ist eine Gesellschaft, die sich konstitutiv, und dies gewaltsam, zerstreut, die sich permanent gegen den Staat »wehrt« (Clastres 2008: 77ff.; ders. 1976). Die Zelte in ihrer Mobilität, ihrem geringen Widerstand, ihrer Nicht-Affektivität sind derart ein kollektiver Hemmungsmechanismus gegen die Einrichtung eines auf Dauer gestellten Ortes der Macht und gegen die Teilung der Gesellschaft. Anders als die Sesshaften ›wehrt‹ sich die Gesellschaft in dieser Architektur, in der es keine visuellen und akustischen Raumteilungen gibt, zugleich auch gegen die scharfe und unumstößliche Trennung zwischen Herren und Sklaven, Frauen und Männern (die bei den Griechen auch architektonisch zu beobachten ist). Und im Gegensatz zu uns ist die Zelt-Architektur nicht auf Kreativität angelegt. Vielmehr wehrt sich die Gesellschaft auch zutiefst gegen das Neue, indem sie sich Gewohnheiten schafft, die am anschaulichen Außenhalt der Architektur stets erneut erzeugt werden. Schließlich geht es im Gegensatz zu uns und zur Antike nicht um eine faszinierende Architektur: die Zelte sind nicht besonders affektiv. Die nomadische Art zu ›bauen‹ verbindet sich derart vielfach mit dem Gegenteil des Sesshaften, deren Architektur daher auch ein »regelrechter Transformator« der nomadischen Existenz ist (Deleuze/Guattari 1992: 532).

4. Post-moderne Architektur: das dekonstruktive Bauen 16 Noch ein Sprung: Die ›dekonstruktive‹ Architektur ist gegenwärtig das provokanteste und erfolgreichste Avantgarde-Phänomen. Soziologisch handelt es sich zweifellos um eine Spektakel-Architektur, die Aufmerksamkeit erzielt und damit der Ökonomie der Gegenwart in Vielem entspricht. Es gibt hier (wie auch beim umgekehrten Phänomen des historisierenden Wiederaufbaus von Gebäuden und Ensembles) eine außerordentlich große Diskrepanz zwischen Fachwelt und Bevölkerung. Die Architektur-Disziplin ist weitgehend begeistert (insbesondere vielleicht die Stu104

denten); die Auftraggeber sowieso, während viele ›Laien‹ verstört sind. In Vielem erinnert die Debatte an die 1920er Jahre: Der Sichtbeton wird als kalt und ›unmenschlich‹ empfunden; die gewundenen Dächer werden kritisiert, da sie kein skulpturaler Selbstzweck seien; ›Urbanität‹ werde durch diese Spektakel-Architektur nicht erzeugt, sondern zerstört. Es sind zwei Varianten zu unterscheiden: eine mit Kanten, Brüchen und Falten arbeitende Architektur, die ›unangepasst, rauh, durchstoßen‹ aussehen will (dekonstruktiv im engen Sinn), und eine Variante mit biomorphen Formen. Insbesondere die ›harten‹ Architekturen des Wiener Büros Coop Himmelb(l)au sind auf Provokation angelegt. Aber auch für die ›weichere‹ Variante gilt, dass es ›Volksentscheide‹ (gegen einen Hadid-Entwurf für Basel), negative Körperreaktionen (gegen ihre Feuerwache in Weil a.R.) und Antiprogramme gibt. In beiden Fällen geht es der Architektur durch die Schrägstellung von Wänden, Stützen und Fußböden um ein ›dynamisches‹ Aussehen; die architektonischen Körper versuchen, sich im Raum zu bewegen, und dies stets ein Geschoss über dem Boden. Dekonstruktiv ist diese Architektur vor allem im Kontext der europäischen Stadt; sowohl bezüglich der Moderne als auch der antimodernen, restaurativen Bemühungen. Mittlerweile wird sie mit anderen Titeln belegt, es setzt sich zudem die ›weichere‹ Variante durch: Man spricht von der Architektur der Falte, des ›Blobs‹ (blasenförmige Baukörper), der Deformation oder vom morphogenetic design. Und es gibt sie jenseits der historischen Städte: in den Millionenstädten am Golf und in China, wo der Begriff der ›Dekonstruktion‹ nur noch die nicht-euklidische Form trifft. Es handelt sich in jedem Fall um eine »kommentarbedürftige« Architektur (Gehlen 1986: 162ff.), weil die Funktionen kaum ersichtlich sind, die statische Anschauung irritiert wird und die inzwischen gewohnten geometrischen, knappen Formen der Moderne außer Kraft gesetzt sind. Schwindende religiöse und politische Überzeugungen, der globalisierte Kapitalismus, das Begehren der Kunst nach dem Neuen: Deshalb leben wir in der Epoche der Stararchitektur, so zumindest Charles Jencks (2005). Es ist zweifellos eine Architektur, die ein hohes kulturelles Kapital voraussetzt: ein Distinktionsmedium des Bildungsbürgers. Ohne Frage hat diese Architektur etwas mit der 105

Globalisierung und der postfordistischen Wirtschaftsweise, der dazugehörigen Ästhetisierung und Individualisierung des Konsums (Schrage 2003) sowie dem Leitbild des ›kreativen‹ Subjekts zu tun (Bröckling 2007). Sowohl die Leitmetaphern als auch die Leitautoren sind dieselben; es geht um Differenz statt um Identität, um eine Ersetzung der Vorstellung baumartiger Hierarchien durch das Netzwerk oder das Rhizom (das Wurzelsystem ohne Hauptwurzel, mit Deleuze/Guattari). Aber es handelt sich noch um anderes. Bemerkenswert bleibt dieser spezifische Gestus: diese extraterrestrische Geste, das Aussehen wie von einem anderen Stern. Vor der Kritik könnte es interessant sein, sich in diese Architektur hineinzuversetzen – immerhin in die Gestalt, die sich unsere Gesellschaft in ihrer zeitgenössischen Architektur ›wählt‹. Die Frage ist, welches Imaginäre sich hier durch die Architekten hindurch – stellvertretend, durch die Aussagengefüge mit ihrer Zeit verbunden – artikuliert. Die Architektur hat einen wuchtigen Schwebegestus. Hob die klassische Moderne ihre Baukörper auf Stützen und zurückgesetzte Sockel, so handelt es sich nun um eine extraterrestrisch anmutende Architektur. Gezielt wird im »Anti-GravitationsKunstgriff« (Jencks 1988: 33) entworfen: als würden sich die Baukörper wie Aliens absenken, kurz vor dem Aufsetzen zum Stillstand kommen oder seien abgestürzt. Zu Entwurf, Diskussion, Nutzung dieser Architektur bedarf es neuer Metaphern, wozu auf die Kategorien der ›Falte‹ und der ›Ströme‹ zurückgegriffen wird. Dekonstruiert wird auch die funktionale Anschauung: Räume sind undefiniert, fordern Nutzungs- und Möblierungsweisen heraus. Keineswegs geht es um form follows function. Noch einmal unternimmt es die Architektur, neu zu beginnen. Und sie scheint dabei von der ›Geschichte‹ der Architektur und damit Gesellschaft noch weniger zu bewahren als die klassische Avantgarde. Allenfalls das Material entspricht der Moderne: Beton, Stahl, Glas, artifizielle, nicht ›bodengebundene‹ Baustoffe, die mit neuen Technologien biomorphe Formen erlauben. In jedem Fall geht es nicht um die Nachahmung von Raumschiffen. Eher geht es um eine Kritik der Architektur, ihrer Homogenität (im Fall der Moderne) und Behübschung (im Fall der Rekonstruktion) – und damit um eine Gesellschaftskritik. Visuell 106

handelt es sich zudem um die Dynamisierung der Formen, wobei es nicht weniger als um eine neue ›soziologische Imagination‹ geht, indem die Ordnungen, Segmentierungen, Klassifizierungen in der Anschauung in Bewegung kommen; indem Gewohnheiten irritiert werden. Darum vielleicht der Gestus des Außerirdischen. Es handelt sich hier nicht nur um eine Gesellschaft, die sich »auf Beton und Stahl umpflanzte« (Gehlen 2004b: 27; s.o., 36): nicht nur also um eine artifizielle, sondern um eine gesteigert artifizielle Gesellschaft. Die Architektur schafft zudem eine spezifische Zeitlichkeit: Die Gebäude sind Parasiten der europäischen und modernen Stadt. Die Gesellschaft stellt sich in diesen finanziell, kognitiv, diskursiv aufwendigen Architekturen Neues vor Augen: steigert ihr Könnensbewusstsein. An die Stelle eindeutiger Trennungen von Innen/Außen tritt die ›Faltung‹ der Fassade: auch dies, um neue Möglichkeiten zu eröffnen. Hinsichtlich der Körperbewegungen sind die offenen, undefinierten Plätze auffällig, ein öffentlicher Raum in der Idee, gleichermaßen die Axialität der Moderne und die Winkel der europäischen Stadt durch unbestimmt bleibende ›Vektoren‹ zu ersetzen. Soweit kursorisch zur Gestalt. Für die Gefüge muss man zudem konkrete Gebäude vor Augen haben. Am leichtesten erkennbar ist es am Fall des BMW-Werks in Leipzig; am radikalsten zeigt sich die mögliche Evokation neuer Lebensweisen und eines neuen Selbstbildes in einem bisher unrealisierten Projekt, dem »Spiral-Haus« (beides von Zaha Hadid). Der Entwurf einer spiralförmigen Villa zeigt am Fall des Wohnens die neuen Gefüge, die Innovation hinsichtlich des Alltagslebens und die Herausforderung der Routinen des Zusammenlebens. Obgleich das Projekt bisher nicht realisiert wurde, hat es bereits Nachahmer gefunden; es wird mit seinen ›Nachahmungsstrahlen‹ (vgl. Tarde 2008: 16) nicht zuletzt auf die Architekturstudenten wirken. Die Gestalt dieser Wohnarchitektur hat kein ›Gesicht‹ im herkömmlichen Sinn: Es gibt keine Fenster, sondern eine sich gleichbleibende Membran, eine Glashaut. Im Inneren ergibt sich ein Wandelgang an der Fassade: ein Spaziergang mitten in der Stadt, der in der niederländischen Botschaft in Berlin (Rem Koolhaas) verwirklicht wurde. Diese Wohn-Architektur kennt vor allem keine vordefinierten Räume mehr; von der spiral107

förmigen Ebene werden gleichermaßen Fußboden, Decke und Wand gebildet, in der Art eines Möbiusbandes, einer konstruktiven und funktionalen ›Falte‹. Auf diesem räumlichen Kontinuum spielen sich alle Lebensprozesse ab. Das geht nicht ohne Kompromisse: Aus technischen Gründen muss man das Bad fixieren, ebenso das Kochen und Abwaschen, während alle anderen Aktivitäten räumlich ungetrennt bleiben. Das gilt nicht zuletzt für die Bewegungsräume: Treppen, Eingangsflächen gehören zum Bewegungsraum des gesamten Gebäudes (ein Prinzip, das im Übrigen bereits für die heute noch herausfordernden Villen Le Corbusiers oder Mies van der Rohes gilt). Die Lebensbereiche flottieren frei. »Löcher zwischen Haut und Spirale und zwischen den verschiedenen Ebenen des Wohnhauses« schaffen eine Sichtbarkeit, in der nahezu alles »gleichzeitig offen und verborgen« ist (Hadid 1996). Es gibt vor allem keine eindeutigen Geschosse mehr: womit sich die Architektur anschickt, vertikale Hierarchien aufzuweichen. Diese Räume erlauben keine eindeutige Identifikation: Es gibt keinen Rückzugsraum (den wir uns als notwendig vorstellen). Die Architektur bringt Fixierungen in Bewegung, hinterfragt soziale Beziehungen, erfordert Aushandlungen zwischen Generationen und Geschlechtern. Nicht zuletzt wird sie die Bewegungssozialisation, das Gehen-Lernen herausfordern. Seit 2005 realisiert ist die BMW-Fabrik in Leipzig; im Unterschied zu den anderen ›carchitectures‹ handelt es sich hier wesentlich um ein Fabrikationsgebäude. Visuell dominiert zunächst das angesprochene Fliegen großer Massen, allerdings gilt dies nur für einen kleinen Teil, das Zentralgebäude des Werkes (Zaha Hadid), das sich zwischen herkömmlichen Boxen hervorschiebt. Das Wellblech-verkleidete Gebäude erscheint Architekturkritikern wie ein Wal oder ein Raumschiff auf organisch geformten Betonstützen. Die architektonische Raffinesse entpuppt sich innen, wo man schnell eine ungewohnte Schrankenlosigkeit bemerkt: ein nahtloses Ineinandergreifen der Ebenen, der Arbeiter und Angestellten sowie der Artefakte (vor allem halbfertige Autos und Industrieroboter). Die offene Raumgestalt erlaubt über weite Strecken Sichtkontakt. Werktore sind ersetzt durch hüfthohe Barrieren; Besucher und Kunden gehen durch denselben Eingang wie

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Arbeiter und Angestellte. Innen ragt in das Foyer die ›Bürolandschaft‹: ansteigende Ebenen, auf denen sich wandlose Büros auf einem kontinuierlich ansteigenden Band befinden (an Stelle herkömmlicher Bürozellen), welches zudem in die Produktionsbereiche verflochten ist. Karossen gleiten in magischem Blau über den Angestellten durch den Raum. Schräge Stützen verbinden sich mit schiefen Wandscheiben und Rampen zu einer Dynamik, die von technizistischen Materialien (Aluminium, Beton) und Farben (grau, blau) gesteigert wird. Decken und Böden suggerieren in den Details Montagebahnen; auch die spartanische Ausstattung, das harte Material der Sitzgelegenheiten erzeugen einen transitorischen Ort. Sicher gibt es weiterhin räumliche Trennungen (zwischen dieser ›durchmischten‹ Zone und den ›schmutzigen‹ Aktivitäten, der Lackiererei). Die Grundidee, die diese Architektur umsetzt, ist gleichwohl die dynamische, strömende Assoziation aller Aktivitäten und damit aller Mitarbeiter; und nicht zuletzt der Kunden. Diese Industriearchitektur entspricht dem Postfordismus: flache Hierarchien, das lern-, team-, kommunikationsfähige Subjekt, gegenseitige Kontrolle, Effizienz und Innovation. Und sie spiegelt diese Aussagenströme nicht einfach, macht sie vielmehr jedem Einzelnen erst sichtbar und körperlich erfahrbar. Womit man es hier zu tun hat, ist eine architektonische Sozialtechnik: eine Architektur, welche durch die Konditionierung des Körpers und seiner Wahrnehmung die Einteilung in Arbeiter und Angestellte zu vermeiden sucht, gezielt die ›soziologische Imagination‹ der Einzelnen betrifft. Langfristig will diese Architektur ›Arbeiter‹ und ›Angestellte‹ durch das Selbstverständnis des ›Mitarbeiters von BMW‹ ersetzen. In Hans Paul Bahrdts Frage nach dem »Gesellschaftsbild des Arbeiters« von 1957 zeigt sich die Selbsteinteilung der Einzelnen in ›Angestellte‹ und ›Arbeiter‹ noch deutlich. Und es zeigt sich ebenso deutlich, dass diese Klassifizierung und Hierarchisierung durch die Einzelnen auch an der Architektur liegt; denn die Arbeiter unterscheiden sich in Bahrdts Studie von denen »im Büro« als von denen »da oben«, die in uneinsichtigen Räumen arbeiten und von denen man daher nicht genau weiß, was sie eigentlich tun (Bahrdt u.a. 1957: 111ff.). Die Statusdifferenzen

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sind keineswegs nur ein Ergebnis der Lohndifferenzen, die ja weitgehend unsichtbar bleiben. Vielmehr kommt es auf das Symbolische an. Architektursoziologisch müsste man vermuten, dass es nicht zuletzt an der Architektur liegt, wie sich die Einzelnen in der Gesellschaft verorten, segmentieren und klassifizieren. Und es liegt nicht zuletzt an den Gefügen, welche Subjektform und Selbsteinschätzung sich bildet: In dieser Fabrikarchitektur verbinden sich die Artefakte mit den menschlichen Körpern derart, dass bisherige Klassifizierungen sich möglicherweise aufweichen zugunsten des angezielten ›Teamworks‹ (dem Leitbild der postfordistischen Betriebsführung). In der Tat scheinen sich die Arbeiter bereits selbst nicht mehr zwischen (einfachen) ›Einlegern‹ und (höheren) ›Instandhaltern‹ zu segmentieren, während die Frage der Trennung von Arbeitern und Angestellten und damit der Imagination einer stark geschichteten Gesellschaft offen ist. Das Gefüge evoziert aber bereits jetzt neue Kommunikations- und Kontrollweisen, neue Bewegungslinien und Sichtbarkeiten zwischen den verschiedenen Bereichen. Und die Architektur erzeugt bereits Widerstände, worin vielleicht das deutlichste Zeichen ihrer sozialen Brisanz liegt: Die Angestellten bringen persönliche Elemente in die Büroflächen ein, die Arbeiter schaffen sich verdunkelte Räume im permanenten Kampf gegen Architektur und ›Führungskräfte‹. Diese Architektur – diese spezifische Formensprache und Raumbildung – ist soziologisch interessant: in der Frage nach dem aktuellen ›zentralen Imaginären‹, nach dem, was unsere Gesellschaft in ihrem tiefsten Inneren zusammenhält, was offenbar unsere Begehren sind. Sicher ist dieses Imaginäre hier allenfalls angedeutet (die soziale Dynamik, die Verabschiedung von den Schichten und Klassen, die Artifizialitäts- und Kontingenzsteigerung): Es bedarf empirischer Forschungen. Und man muss die Resonanz dieser Architektur erst abwarten, das heißt ihre Verbreitung in die Gesamtgesellschaft, vor allem in die Wohngebäude. Was diese Architektur dann tun wird, wohin sie uns ziehen wird (die wir geneigt sind, sie als ›Spektakelarchitektur‹ abzutun), kann man noch nicht wissen: so zumindest mein Plädoyer für die Architektursoziologie, die statt vorschneller Kritik und Planungshilfs-Attitüde ihren analytischen Blick bewahren könnte. Und viel110

leicht darf sie sich auch ab und an faszinieren lassen, um sich in den Gegenstand einzuschmeicheln. In jedem Fall handelt es sich auch bei dieser Architektur nicht um den bloßen Spiegel einer sowieso schon ablaufenden Gesellschaftsentwicklung. Erstens macht jede Architektur die jeweilige Gesellschaft zuallererst sichtbar (unter anderem in ihrem Bezug zur eigenen Vergangenheit und zur Natur); schreibt deren Ordnungen des Nebeneinanders, deren Klassifikationen und Differenzierungen in die Körperbewegung und Wahrnehmung ein (nicht zuletzt in die der Neuankömmlinge, weshalb es wohl aktuell auch viele Architektur-Wettbewerbe gerade für Kindergärten gibt). Diese ›dekonstruktive‹ Architektur behauptet trotz aller Verabschiedung der klassischen Moderne zweitens ein emanzipatives Potential: einen Willen zur Veränderung des Sozialen, der nun punktuell und allein durch die affektive Kraft der Architektur, die Verwirrung der Bewegungsund Blickroutinen eingreifen soll und der auf die soziologische Imagination zielt.

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VI. Folgen für Architektur und Soziologie Eine Architektursoziologie hat Folgen für die Soziologie und die Architektur. Sie zwingt erstens – das ist der Punkt bereits im vierten Kapitel – die soziologische Theoriebildung zu einigen Korrekturen. Sie bietet zweitens der Gesellschaftstheorie ein bisher weitgehend ungenutztes Diagnoseinstrument in der Frage, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben. Drittens bringt die Architektursoziologie die bisher um das Gebaute wie um den heißen Brei herumschleichenden Teildisziplinen der Soziologie auf neue Theoriefundamente und Perspektiven: vor allem Stadt- und Raumsoziologie, aber auch die Soziologie der Landschaft. Gleichbedeutend mit diesen Aufgaben kann die Soziologie der Architekturdisziplin und deren Ausbildung ihr Wissen zur Verfügung stellen – nicht in normativer Absicht, sondern entlang der Idee der soziologischen Aufklärung: Sie macht die soziale Bedingtheit, Funktionen und Effekte der Architektur durchsichtig.

1. Soziologische Aufklärung der Architektur Diese Einführung plädiert nicht dafür, die erste Aufgabe der Architektursoziologie in einer Kritik der Architektur zu sehen. Das stellt sie in den Gegensatz zu den Ansätzen der 1960er und 1970er Jahre: zur Architektursoziologie als Ideologiekritik der ›funktionalistischen‹ Architektur. Gestützt auf sozialpsychologische Studien wurde hier die Architektur der Nachkriegsmoderne als zutiefst in den Kapitalismus verstrickt kritisiert. In gesellschafts- und erkenntnistheoretischer Hinsicht baute diese Architektursoziologie auf dem dogmatisch engen Fundament des Neomarxismus mit einem klaren Feindbild, einer stets im Vorhinein geklärten Vorstellung des ›Richtigen‹, ›Unentfremdeten‹, der Überzeugung von der Determination des Sozialen durch Produktions- und Eigentumsverhältnisse auf – denen gegenüber die Architektur als Überbau- und Herrschaftsphänomen galt. Demgegenüber wäre zu betonen: Solange sich die Architektursoziologie als Soziologie versteht, muss sie unvoreingenommen, ›objektiv‹ sein, solange wie der Soziologe respektive die Soziologin nicht in 112

die Intellektuellen-Funktion schlüpft. In ihrer Funktion als Wissenschaft braucht die Soziologie analytische Distanz, und dies zu jeder Architektur. Sie muss sich insbesondere ästhetischer Urteile enthalten, die vielmehr Aufgabe der Architektur selbst sind, welche hier ihre eigene Reflexivität eingebaut hat: in Gestalt von Wettbewerben, Architekturkritik und -theorie. Die Soziologie hat auch nicht über die ›Legitimität‹ der Rekonstruktion historischer Gebäude zu entscheiden: Das ist Aufgabe der Denkmalpflege und ihrer Theorie. Seit Max Weber nennt man dieses Bemühen um soziologische Objektivität, die sich um der Distanz willen der Kritik enthält, das Postulat der ›Werturteilsfreiheit‹. Das heißt nicht, dass die Architektursoziologie keinen Bezug zur Gesellschaft und keine Funktion hätte. Sofern die Soziologie insgesamt (mit Niklas Luhmann gesprochen) dasjenige Unternehmen ist, in der sich die moderne Gesellschaft selbst beobachtet, beobachtet die Gesellschaft in der Architektursoziologie – mit dem Ohr am Puls der Zeit! – ihre Architektur: um in ihr ihr Imaginäres, ihre tiefsten Begehren (Castoriadis) zu erfahren, um das gebaute Gesicht zu erkennen, das sich die Gesellschaft gerade dabei ist zu schaffen (was Kritik – aber als reflexive – keineswegs ausschließt17). Die Architektursoziologie kann sich hier fruchtbringend in die Reflexion der Disziplin, bereits in der Architekturausbildung, einbringen. Die Soziologie könnte also, wie es auch Joachim Fischer vorschlägt (vgl. im Folgenden 2009: 387-394), in das Curriculum der Architektur einziehen: nicht, um selbst in Entwürfe einzugreifen, sondern um über deren soziale Bedingtheiten und Folgen aufzuklären. Architektursoziologie kann und hat verständlich zu machen, in welcher Gesellschaft sich die Architekten bewegen. Sie hat den ›Zug der Zeit‹ auszufahren, der sich durch die zeitgenössische Architektur hindurch gerade erst sichtbar macht. Im idealen Fall wäre die Architektursoziologie also eine Selbstaufklärung der architektonischen Kreativität, die aus soziologischer Sicht immer die einer bestimmten Gesellschaft ist: Der architektonische Stil ist eingebettet in den ›Denkstil‹ (Karl Mannheim) einer Epoche, verhaftet einer episteme, einer Art und Weise, zu denken und zu sehen, um es mit Michel Foucault zu sagen. Die Architektur selbst kann nicht sehen, was sie nicht sehen kann: was in ihrer Epoche zu sagen und zu denken unmöglich ist 113

und warum sie andererseits etwa gerade jetzt zu den Metaphern der ›Falte‹ greift, es eine architektonische Resonanz für die philosophischen Denkfiguren des Rhizoms und der Differenz gibt. Aber eine historische Soziologie könnte es. Zweitens kann die Soziologie der Architektur sichtbar machen – aufklären –, welche ›Kommunikationen‹ die Gebäude selbst vollziehen: insofern sich durch »jede Destruktion, jeden Abriss, jede Um-, Neu- und Rekonstruktion […] etwas im Kommunikationssystem der Baukörper und damit auch im Verhältnis der Bewohner zueinander« verschiebt (Fischer 2009: 409). Die Soziologie macht für den Architekten transparent, dass es sich bei den eigenen Entwürfen – und seien sie noch so sehr auf architektonische Ästhetik aus – stets auch um eine soziale Distinktionshandlung handelt, um die sichtund tastbare, dauerhafte Schaffung und Etablierung der ›feinen Unterschiede‹ (Bourdieu). Kazimir Malewitsch hatte dafür ein feines Gespür, weshalb er vorschlug, jegliche Unterschiede im Bauen aufzuheben: Die Architektur sollte weder Vorder- noch Rückseite, noch Oben und Unten haben, sondern schwerelos schweben (Malewitsch 1989: 61ff.). Das war in der Tat das initiative Projekt der sowjetischen Architektur-Avantgarde, nämlich durch die Architektur die Einzelnen gleich zu machen. Drittens kann die Soziologie in der Frage behilflich sein, welche Nutzungen und damit welche sozialen Figurationen eine Architektur evoziert oder verunmöglicht. Zugleich macht die Soziologie die Logik der funktionalen Teilsysteme der Gesellschaft verstehbar: die rechtlichen, ökonomischen, sozialen, politischen, ökologischen Anforderungen des Entwerfens, die neben den genuin bautechnischen Anforderungen von Statik und Bauphysik je ihrer eigenen Codierung folgen (Fischer 2009: 391). Dies ist sicher bereits eine Aufgabe der Architekten selbst: eine Aufgabe ihrer Entwurfs-Intelligenz, die aber durch die Implementierung der soziologischen Intelligenz, des Wissens um die sozialen Konflikte und Konfigurationen in einer komplexen Gesellschaft nur gewinnen kann. Auch wird durch eine historische Soziologie die Genese und Funktion der Bautypen verstehbar, und zugleich deren aktuelle Dominanz, die verstärkte Nachfrage nach bestimmten Baufunktionen, während andere verschwinden ›wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand‹ (Foucault). Nicht zuletzt kann die Soziologie 114

die Figur des Architekten »soziologisieren« (Fischer 2009: 389): die Architekturdisziplin in ihrer historischen Gewordenheit durchsichtig machen, wie es erneut Michel Foucault für andere Disziplinen durchgeführt hat; insbesondere sichtbar zu machen, dass die kreativistische Haltung der modernen Architektur etwas zutiefst Kontingentes ist, sich aus einer bestimmten, bürgerlichen, auf Individualität setzenden Gesellschaft erklärt und an deren Existenz gebunden ist. In den kollektivistischen Gesellschaften konnte man es beobachten, das Aufgehen des Architekten im Planungskollektiv. Insgesamt gewänne die Architektur Einblick in die Tatsache, dass die Gesellschaft einerseits durch sie hindurch stets mitbaut; und dass sie sich andererseits im Medium ihrer zeitgenössischen Architektur erst über sich selbst klar wird – und sich zugleich transformiert, ein Stück weit anders wird.

2. Umakzentuierung der Stadt- und Raumsoziologie Die Architektursoziologie hat zweitens Folgen für diejenigen Disziplinen der Soziologie, die der Architektur am nächsten sind, ohne sie bisher adäquat zu berücksichtigen. Sie bringt zunächst die Stadtsoziologie erst auf ihren ›eigentlichen‹ Gegenstand. Denn eine Disziplin, die sich um die Stadt dreht, wird kaum an deren gebauter Materialität vorbeigehen können, zumal in einer artifiziellen Gesellschaft. Nun hat die Stadtsoziologie vornehmlich die Menschen, nicht die Sachen vor Augen, wenn sie an die Stadt denkt. Sie hat sich hier an die Fersen der Chicago School geheftet und zugleich eine kanonische Rezeption Simmels entfaltet. Interessant ist für sie demnach das Soziale in der Stadt, vornehmlich entlang der räumlichen Verteilungen. Bereits Robert E. Park hatte die Stadt soziologisch nicht als Artefakt, sondern als Geisteszustand bestimmt: als eine Menge bestimmter Gebräuche, Traditionen, Gefühle. Die Annahme ist, es gäbe dabei »natürliche Kräfte«, die typische räumliche Verteilungen hervorbringen. Selbst an dem Punkt, an dem auffällt, dass die Großstadt vor allem durch ihre »visuelle Geschwindigkeit« beeindruckt, wird dies nicht weiter verfolgt (Park 1925: 21). Was die Stadtsoziologie beobachtet, ist 115

die Stadt als Lebensform. In diesem Labor sozialen Lebens kann der Soziologe wie ein Naturforscher »endemische« Streiks beobachten; die Ersetzung der Sitten durch das Recht; Alkoholmissbrauch, Oberflächlichkeit, Amoralität. Die »Exzentriker sind die normalen Einwohner der Stadt« (ebd., 40). Diese Soziologie verzichtet ausdrücklich darauf, die materiell-»räumliche Dimension von Städten als konstitutiv für den Gegenstand Stadt zu begreifen« (Krämer-Badoni 1992: 1). Und Werner Sombart zeigt sich angesichts dessen bereits 1930 skeptisch: Es handele sich bei der Stadtsoziologie um nichts anderes als um die »Beschreibung einer statistischen Gruppe«, »fleißig« durchgeführt, aber ohne »fruchtbaren Gesichtspunkt« (Sombart 1931). So forsch würde man es selbst nicht formulieren. Ohne Zweifel gibt es in stadtsoziologischen Publikationen Bemerkungen zur Architektur: etwa im Nachdenken über die »europäische Stadt«, die Global Cities, in der Wohnsoziologie. Aber diese Bemerkungen sind nicht explizit (der Begriff Architektur kommt nicht vor). Und es handelt sich nicht um konzeptionelle Bemühungen: nicht um systematische Überlegungen zur Architektur der Gesellschaft. Neben Georg Simmel hätte unter den Klassikern am ehesten die französische Soziologie eine Stadtsoziologie erlaubt, welche die Materialität, die Artefakte in anderer Weise berücksichtigt. Der Architektur käme in einer solchen Stadtsoziologie eine besondere analytische Position zu, insofern sie es ist, welche die Einzelnen am Boden fixiert, sie »territorialisiert« (Deleuze/Guattari 1992: Kap. 12). In ihrer Architektur segmentiert sich die Gesellschaft anschaulich in Schichten, Gruppen, Milieus, Institutionen und soziale Sphären. In ihrer Architektur macht eine Gesellschaft ihre Einzelnen zurechenbar, macht sie zu ›Subjekten‹ mit einem spezifischen Identitätskonzept, einem anderen als etwa die Nomaden mit ihren beweglichen Heimen. Erst die aktuelle, raumsoziologisch transformierte Stadtsoziologie scheint sich der Architektur zu nähern. Diese neuere Raumsoziologie (die vor allem von Helmut Berking, Martina Löw und Markus Schroer entwickelt wird) verknüpft Simmel mit Giddens, Bourdieu und Foucault und erzeugt damit eine erhebliche Resonanz in anderen Fächern, insbesondere die Konzeption von Martina Löw, die den ›Raum‹ als genuin »soziologischen Gegen116

stand«, als »Organisation des Nebeneinanders« fasst. Der Raum ist in diesem ›genuin‹ soziologischen (oder auch: soziozentrischen) Zugriff eine ›soziale‹ Tatsache: Er ist nicht einfach da, sondern wird konstituiert, mit ebenso materiellen wie symbolischen Aspekten. Die Veränderung räumlicher Strukturen wird hier als Wandel des Sozialen, die räumliche Verteilung als soziale Verteilung interpretiert. Die Raumsoziologie macht damit Effekte des (gebauten) Raumes sichtbar, der sozial produziert ist und dann je verschieden wahrgenommen wird: Aus bestimmten räumlichen Strukturen (etwa den suburbanen Wohngebieten) ergibt sich eine »Verinselung« der Raumerfahrung, die zu einer neuen Gesellschaftsvorstellung führt. Oder es ergibt sich aus der Sprengung der engen Gassen ein weiter Platz, der aus einem »Gottesraum« einen »Sicherheitsraum« macht, mit einer entsprechend anderen Wahrnehmung der Gesellschaft (Löw 2001: 83, 171). Die Aufmerksamkeit liegt hier ganz auf der Raumkonstitution, in der Abgrenzung gegen ›verdinglichte‹ Raumvorstellungen, die die soziale Produktion des Raumes vergessen. Der Raumbegriff umfasst dabei nicht nur und nicht explizit die Architektur. Vielmehr geht es begrifflich abstrahierend um den Raum als »Anordnung von Objekten«, speziell von »Gütern und Menschen«, worunter auch tierische und pflanzliche Körper fallen; auch können die Räume regionale oder anthropologische Dimensionen besitzen (ein Mensch als »Körperraum« in der Anordnung von Organen, ebd., 115, 157). Ebenso interessiert sich diese Raumsoziologie für »virtuelle Räume« (ebd., 93). Sie vermeidet einerseits die Begriffe des Ausdrucks; die räumlichen Strukturen sind keine passiven Zeugnisse der sozialen Struktur, sondern strukturieren das Soziale selbst. Andererseits vermeidet die Raumsoziologie den Begriff der Architektur und sprengt deren Raumbegriff. An Stelle des Planens und Errichtens (auch) von Architektur steht der Begriff des ›Spacing‹; an Stelle der Wahrnehmung (auch) von Architektur der Begriff der ›Synthese‹. Worauf die Raumsoziologie sicher aufmerksam macht, ist die Ordnung der Gesellschaft entlang räumlicher Dimensionen. Aber sie neigt zu einem »Raumvoluntarismus«: Die »materielle Seite des Raums darf in einer soziologischen Raumanalyse nicht unberücksichtigt bleiben, wenn man sich nicht allein auf die soziale Herstellung des 117

Raums kaprizieren will. Es geht nicht nur darum zu sehen, wie der Raum sozial hergestellt wird, sondern auch darum zu berücksichtigen, was der Raum selbst vorgibt.« (Schroer 2006: 175, 177f.) Man könnte das Verhältnis von Raum- und Architektursoziologie daher zunächst als eines der Ergänzung verstehen: Es sind andere Perspektiven auf andere Punkte des Prozesses, die verfolgt werden – mit denselben Fragen: danach, wie eine Gesellschaft ihre Einzelnen im Nebeneinander anordnet und klassifiziert. Löw und Berking haben jüngst den Schritt von der Raumsoziologie zur Soziologie der Städte vollzogen, also die Stadtforschung umakzentuiert. Raumsoziologisch ist die Stadt eine je spezifische »Form der Grenzziehung und Verdichtung«. Städte sind je bestimmte Anordnungen von ›Gütern und Menschen‹ oder je bestimmte Räume. Sie unterscheiden sich durch ihre »Dichte« etwa vom Dorf und haben in sich noch einmal Differenzen. Man bewege sich, so Löw, in dieser Stadt »anders […] als in einer anderen« (Löw 2008: 240f.). Es gibt also eine ›Eigenlogik‹ der Städte in körperlicher und kognitiver Hinsicht. Dies ist soziologisch relevant, insofern es auf je andere Vergesellschaftungsmodi in den Städten schließen lässt, statt global von ›der‹ modernen Lebensform auszugehen. Explizit kommt die Architektur in dieser Stadtsoziologie vor: allerdings nicht in ihrer Materialität (als Artefakt, in ihrem Körperbezug), sondern in ihrer visuellen Dimension. In einer »Lage, in der die Konkurrenz zwischen Städten deutlich zugenommen hat, wird die Inszenierung des Eigenen zum Wettbewerbsprinzip. Bilder als symbolische Verdichtungsleistungen […] überlagern die Materialität der Räume« (ebd., 241) – während die Bewegungen doch von den Baukörpern evoziert werden; die ›Dichte‹ wesentlich eine Frage der Relation von Bauten ist; und diese immer auch ihre symbolische Dimension haben. Implizit ist diese Raum- und Stadtsoziologie auch eine Architektursoziologie (vgl. auch dies. 2009). So gesehen, müssten eine ›recht verstandene‹ Raumsoziologie und eine raumtheoretische Stadtsoziologie zumindest auch architektursoziologisch argumentieren: Es ist der konkrete, materielle, der architektonisch hergestellte Raum, der das Soziale im Nebeneinander segmentiert, hierarchisiert und stabilisiert. Oder anders formuliert: Die

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Architektur geht der Raumerfahrung stets vorweg, so dass die Architektur- die Raumsoziologie »fundiert« (Fischer 2009: 401). Eine an der Materialität des Sozialen interessierte Architektursoziologie hat schließlich auch Berührungen mit der (noch kaum etablierten) Soziologie der Landschaft. Soziale Entwicklungen und »Naturverhältnisse […] materialisieren sich in Landschaften; sie nehmen räumliche Gestalt an.« Landschaften sind »Schauplatz« und »Einsatz« in je verschiedenen »Naturpolitiken« (Kaufmann 2005: 13; vgl. bereits Gröning/Herlyn 1996). Es geht dieser Landschaftssoziologie um eine Erweiterung der Raumsoziologie im Hinblick auf die »Territorialisierungsprozesse«: mit anderen Worten, um die »räumlichen Formungen gesellschaftlicher Naturverhältnisse« (Kaufmann 2005: 17). Landschaft und Natur sind für diese Soziologie die »›phänomenale Außenseite‹ gesellschaftlicher Prozesse«. Demgegenüber hatte die klassische Geographie sich umgekehrt auf die Bedingungen konzentriert, die der Gesellschaft von der Natur aufgezwungen werden. Eine je spezifische Vergesellschaftung mit ihrer Geschwindigkeit, Aggressivität, ihrem Politischen ergibt sich Friedrich Ratzel (18441904) zufolge wesentlich aus den Bedingungen der Erde: Es ist ein Gesellschafts-Unterschied, ob man es mit einem genügsamen Inselstaat oder einem Reiche stürzenden, Kulturen überschwemmenden Volk der kargen Steppe zu tun hat (Ratzel 1882: 216). Die aktuelle Landschaftssoziologie schließt demgegenüber an die neuere Raumsoziologie an, der zufolge der ›Raum‹ erst in der Wahrnehmung konstituiert wird. Ihr geht es innerhalb dieses Raumverständnisses um die »Mischungen von Natur mit Kultur, von Körperlich-Dinglichem mit Sozialem« (Kaufmann 2005: 13), und zwar sowohl um die Beobachtung der je spezifischen »Sozialisierung von Landschaft« (ihrer Ästhetisierung) als auch der »landschaftlichen Materialisierung des Sozialen« (ebd., 19). Abgesehen von der hier nicht zu entscheidenden Debatte zwischen ›Raumdeterminismus‹ (wie er Ratzel vorgeworfen wird) und ›Raumvoluntarismus‹ (wie er der Raumsoziologie zuweilen vorgeworfen wird) würde die Landschaftssoziologie in jedem Fall durch eine »Soziologie der Landschaftsarchitektur« ergänzt. Denn man hat es zumindest in den westlichen Gesellschaften

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längst mit einer Kulturlandschaft zu tun, einer artifiziellen Natur, die zunehmend von einer speziellen Profession gestaltet wird: der Landschaftsarchitektur.

3. Chancen für die Gesellschaftstheorie Über diese speziellen Disziplinen hinaus (die sich zuweilen explizit des gesellschaftstheoretischen Anspruchs zugunsten empirischer Forschungen enthalten) hat die Architektursoziologie Folgen für die Gesellschaftstheorie und -diagnose: in Konsequenz auch der oben genannten Herausforderungen der soziologischen Theorie oder der allgemeinen Soziologie, ihrer Grundbegriffe und Grunddenkfiguren. Sie ist ein »gesellschaftstheoretisches Korrektiv der Theoriebildung der Moderne« (Fischer 2009: 407). Faktisch ist die Architektur stets umstritten. Gerade in der aktuellen deutschen Gegenwartsgesellschaft scheint es (abgesehen wohl nur vom Atomstreit) keine Debatte zu geben, die eine solch hohe allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Insofern die Architektursoziologie sichtbar macht, dass sich jede Gesellschaft architekturgestützt konstituiert und sich auch die Moderne durch eine »Ko-Evolution von leichten und schweren Kommunikationsmedien« auszeichnet (ebd.: 410), statt durch eine Ablösung der ›alten‹ durch die ›neuen‹ Medien, insofern sind auch in der Moderne Architekturdebatten nichts Nebensächliches. Und insofern ist die Architektursoziologie nicht nur eine weitere Subdisziplin für empirische Forschungen. Sie fordert vielmehr sowohl die Sozialtheorie (s.o., Kap. IV) als auch die Gesellschaftstheorie, die Diagnose heraus. Wollte man die eigene Gegenwartsgesellschaft adäquat erkennen, ohne Verkürzungen – zum Beispiel als Informationsgesellschaft, wobei der Augenmerk nur auf einem Merkmal einer doch höchst komplexen Art der Vergesellschaftung liegt –, käme man an der Architektur nicht vorbei: auch die moderne Gegenwartsgesellschaft konstituiert sich nicht nur in den ›neuen‹ Medien. Auch und gerade sie ist eine urbane, artifizielle, also: architekturgestützte Art der Vergesellschaftung. Man hätte daher in der Gesellschaftsdiagnose auch (natürlich nicht nur) von der Architektur aus das »Senkblei« in die unsichtbare »Seele« der Gesellschaft 120

zu ziehen (Simmel 1957: 231), in deren letzte Bedeutungen und dominante Vergesellschaftungsprinzipien. Architektur ist, mit Michel Maffesoli (s.o., 36) gesprochen, die sicht- und greifbare ›Haut‹ der Gesellschaft: An ihr muss die Soziologie ihren ›histologischen Schnitt‹ machen, im Wissen, dass es die Haut ist, die das ›Tiefste‹ ist; dass sich jede Gesellschaft symbolisch konstituiert. An ihrer gebauten Oberfläche entscheidet sich mit, wie die Einzelnen sich einordnen, verstehen, welche soziale Sphäre sie als dominant erachten und welche Motive sie demnach entwickeln. An ihren architektonischen Gefügen andererseits entscheidet sich mit, in welcher Weise die alltäglichen Interaktionen und Selbsthaltungen ablaufen, welche Konturen sie haben, welchen Spielraum der Subversion es gibt (das Thema Michel de Certeaus). Nicht zuletzt anhand seiner stets präsenten gebauten Gestalt setzt sich das Gesellschaftliche selbst als eine je bestimmte Gesellschaft: Es schafft sich sein ›zentrales Imaginäres‹ aus der Vielfalt der Möglichkeiten. Dieses Imaginäre, die zentrale Bedeutung oder das tiefste Begehren, das eine Gesellschaft auszeichnet, hätte eine Diagnose der Gegenwartsgesellschaft als allererstes herauszufinden. So gesehen – weil sich die Gesellschaft hinsichtlich ihrer Ordnung des Neben- und Nacheinanders, ihrer Artifizialität, ihrer sozialen Differenzierung eine je spezifische räumliche Gestalt schafft und sich darin erschafft – könnte die Gesellschaftstheorie nicht länger an der Architektur vorbeisehen. Jede Architektur erzeugt (neben und mit den anderen Medien) die Welt und die Subjekte einer je spezifischen Gesellschaft: Sie diszipliniert sie (die Fälle, die Foucault und Elias beschrieben), erzeugt deren Begehren mit (der Fall, den Benjamin beschrieb) und deren Bindungen (die Fälle, die Sombart und Mauss analysierten), zieht aber auch den Zorn der Einzelnen auf sich (wofür sich Bataille interessierte) oder ermöglicht deren Anders-Werden (der Fall, den Plessner und Bloch vor Augen hatten). Mit Gilles Deleuze könnte man jede Epoche und Gesellschaft als die je spezifische ›Faltung‹ von Kräften verstehen. In diesem Denken, in dem nichts der ›Ausdruck‹ von etwas anderem, ›Eigentlichen‹ ist, bedeutet eine neue Architektur nichts weniger als eine neue »Falte im sozialen Stoff« (Deleuze 1993: 228f.). 121

Angesichts der theoretischen Herausforderungen und der bisherigen Ausrichtung der Soziologie scheint die Architektursoziologie demgegenüber gerade noch in einer gleichsam spinozistischen Lage: Was die Architektur vermag, das hat bislang noch niemand genau bestimmt. So könnte man es mit Spinoza, dem Affekttheoretiker par excellence, sagen. Spinoza hatte im 17. Jahrhundert konstatiert, es habe noch niemand systematisch erkundet, was der menschliche Körper allein vermag, welcher aktive Anteil also dem Körper im Zusammenspiel mit dem ›Geist‹ zukommt: »Allerdings, was der Körper kann, hat bislang noch niemand bestimmt; d.h., die Erfahrung hat bislang niemanden darüber belehrt, was der Körper bloß nach Gesetzen der Natur […] verrichten kann […]. Noch einmal, niemand weiß, in welcher Weise und mit welchen Mitteln der Geist den Körper bewegt, auch nicht, wie viele Grade von Bewegung er dem Körper mitteilen und mit welcher Geschwindigkeit er ihn bewegen kann.« (Spinoza 1999: 229) Für Spinoza ist etwa die Frage, ob der Körper allein Kirchen bauen kann, offen: Es hat eben noch niemand festgestellt, woher die Energien kommen, was die wirklich treibende Kraft ist. Insofern die Klassiker stets nur implizit eine Architektursoziologie entfalteten und damit ohne begriffliche Reflexionen auskamen, und insofern die architektursoziologische Welle der 1970er Jahre recht dogmatisch war, scheint es so, als hätte auch noch niemand systematisch und theoretisch fundiert festgestellt, was die Architektur hinsichtlich des Sozialen vermag: welche Motivationen, Einteilungen, Hierarchien mit ihr eher geschaffen als nur noch ›ausgedrückt‹ werden. Das ist die Aufgabe der aktuell schwungvoll startenden Architektursoziologie, auf deren Forschungen man gespannt sein darf – ebenso wie man gespannt sein darf, wie die Gestalten und Lebensräume der Architektur demnächst aussehen werden. Die Anfänge – und viel mehr – sind gemacht.

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Anmerkungen 1

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Der ›große Blondel‹ ist demgegenüber François Blondel (1618-1686), der einen vierbändigen Cours d’architecture verfasste (Amsterdam 1698) und im Übrigen eine Schrift des Titels: »Die Kunst Bomben zu werffen/Das ist: Neu-ausgefundene Art die Weiten und Höhen der Würffe und BogenSchüsse/nach allerhand Elevationen der Stücke oder Böller zu finden: Sammt beygefügten Mathematischen Demonstrationen von der Natur und Eigenschafft aller Würffe und deren Bewegung; und Ableinung der hiewieder vorzubringen seyenden Einwürffe« (1686). Vgl. ders. 1968, eine »Poesie des Bauens« entwerfend: einer Alltagsarchitektur, die den »ganzen Menschen« affiziert und den »sozialistischen Lebensstil« hervorbringen wird. Elias trug bereits 1927 bei Marianne Weber »Über die Soziologie der gotischen Architektur« vor; der Vortrag ist nicht erhalten. 1932 hat im Übrigen Freyer (wie Plessner) einen Vortrag am Bauhaus gehalten, wie man aus der bauhausZeitschrift 3/1931 erfahren kann. Ein Überblick bei Hans P. Thurn, der die Aufgabe der Architektursoziologie ebenfalls in der ›Verbesserung der gebauten Umwelt‹ sieht: »Soziologie der Architektur ist […] zugleich Hilfsdienst für die Architektur als sowohl die Kritik an ihr«; sie muss sicherstellen, dass die »Architekturproduzenten« auf die gesellschaftliche Entwicklung »sinnvoll« reagieren (Thurn 1972: 303, 330). Siehe zur ›poststrukturalistischen‹ Theorieoption für die Architektursoziologie auch Delitz 2009a (vgl. dazu in diesem Band Kap. V): eine soziologische Theorie der Architektur im Anschluss an Foucault sowie vor allem an Deleuze und Castoriadis. Sicher ist Baudrillard in dieser (»vitalistischen«) Hinsicht weniger ›Poststrukturalist‹, während andererseits Maffesoli einzurechnen wäre: Es ist ein Problem der Theorienbezeichnung Poststrukturalismus. Der Potsdamer-Platz-Band (Fischer/Makropoulos 2004) hingegen zielt an einem konkreten Phänomen auf den Theorienvergleich, nicht auf die Architektursoziologie. Die Ar123

beitsgemeinschaft »Architektursoziologie« in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (gegründet 2007) veranstaltet jährlich Workshops (der nächste zu Methoden der Architektursoziologie); einige Beiträge sind bisher publiziert in Rehberg 2006 und 2008. Hinzu kommt das 2008 gegründete Nachwuchsnetzwerk »Stadt, Raum, Architektur. Soziologische und sozialwissenschaftliche Perspektiven« mit eigenen Veranstaltungen. Zuletzt ist vielleicht auch mein programmatischer Aufsatz (2005) erwähnenswert. 7 Vgl. jedoch Ziemann/Göbel 2004, die architektursoziologische Korrektur der Systemtheorie bei Fischer 2005; 2009 sowie die (programmatisch allerdings vorsoziologisch bleibende) systemtheoretische Architekturtheorie bei Dürfeld 2008. 8 Auch in Frankreich kündigt sich derzeit ein Aufschwung der Architektursoziologie an. Vgl. das Themenheft »Sociologie et architecture: matériau pour une comparaison européenne«. Espaces et Sociétés n 142 (2010) und das Forschungsprojekt der Ecole d’Architecture de Paris-la Villette: »La constitution d’une sociologie de l’architecture« (www. let.archi.fr). 9 Thomas A. Markus und Anthony D. King haben 1999 bei Routledge eine Serie gegründet, die Architektur als ›soziales Objekt‹ analysiert und dabei die Themen »gender, race, sexuality, body, identity, place« im postkolonialen und globalen Kontext behandelt: »The Architext Series«. 10 Die Soziologie der Affekte wird vor allem im Englischen und Französischen unter dem Eindruck von Gilles Deleuze und im Anschluss an Bergson, Simondon, Spinoza einerseits (Massumi 2002, auch Brahami 2008), unter dem Eindruck von Ernesto Laclau und im Anschluss an Lacan andererseits vorangetrieben. Zur Theoriediskussion in der deutschen Soziologie siehe vor allem Reckwitz 2003, ders. 2006 (Nachwort), Stäheli 2007a, 2007b; die Beiträge in Moebius/Reckwitz 2008, in Hinsicht auf die Architektur insbesondere: Schäfer/Prinz 2008. Parallel gibt es die eher subjekttheoretische »Soziologie der Emotionen« (vgl. die Themenhefte: So-

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ziale Systeme 10 [1/2004] und Österreichische Zeitschrift für Soziologie 33 [2/ 2008]). »Die Soziologie der Innovation versteht sich als eine fokussierende Fortführung der Techniksoziologie und ebenso als deren Erweiterung und Überschreitung.« (Braun-Thürmann 2005: 9) Zum Folgenden ausführlicher Delitz 2009b. Tonio Hölscher betont dies gegen alle »Idealisten«, welche die polis mit den Menschen gleichsetzen, statt die Architektur als »Voraussetzung« dieser Gesellschaft zu verstehen (1998: 11ff.). Vidal-Naquet sieht darin das Neue der attischen polis gegenüber dem ›archaischen‹ Sparta mit seinem Kontinuum von Freien/Unfreien; 1989: Kap. 3. Zum Folgenden ausführlicher Delitz 2009c. Zum Folgenden ausführlicher Delitz 2009d. Eine theoretisch reflektierte Soziologie hat sich seit der klassischen Wissenssoziologie die soziale Bedingtheit der eigenen Urteile zu vergegenwärtigen: insbesondere, wenn sie Gesellschaftskritik üben will. Zur Möglichkeit einer reflektierten Gesellschaftskritik mit Luhmann und Foucault siehe Gebhardt u.a. 2006. Das gilt auch für die Architektursoziologie, wenn sie durch die Architekturkritik auf die Kritik der Gesellschaft zielt.

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