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German Pages 977 [980] Year 2008
Riedel · Janiak Anorganische Chemie
Erwin Riedel · Christoph Janiak
Anorganische Chemie mit DVD 7. Auflage
Walter de Gruyter · Berlin · New York
Autoren Prof. em. Dr. Erwin Riedel Institut für Anorganische und Analytische Chemie Technische Universität Berlin Straße des 17. Juni 135 10632 Berlin [email protected]
Prof. Dr. Christoph Janiak Institut für Anorganische und Analytische Chemie Universität Freiburg Albertstr. 21 79104 Freiburg [email protected]
WasserBei der auf dem Einband dargestellten chemischen Reaktion bedeuten Sauerstoff und Wasser. Es handelt sich um die alchemistischen Symbole stoff, von C. F. Kielmeyer aus dem Ende des 18. Jahrhunderts.
Das Buch enthält 420 nummerierte zweifarbige Abbildungen, 102 nummerierte Tabellen sowie Schemata und Formeln.
ISBN 978-3-11-018903-2 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:..dnb.d-nb.de abrufbar. Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. © Copyright 2007 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Satz: META Systems GmbH, Wustermark. Druck und Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer“ GmbH, Bad Langensalza. Einbandgestaltung: Cmalsy, Kommunikation und Gestaltung, Bremen.
Vorwort zur 7. Auflage
In der 7. Auflage wurde der Umfang des Buches nur wenig erweitert und der Aufbau beibehalten. Wie in den bisherigen Auflagen sind Verbindungen und Verbindungsklassen durch Fettdruck gekennzeichnet, wichtige Begriffe und Sachverhalte durch Farbdruck hervorgehoben. Beispiele sind grau unterlegt. Bei den Abbildungen ist die Farbe nicht plakativ, sondern informativ. Beim Repetieren soll durch Lesen des Farbteils in Verbindung mit den Abbildungen Wesentliches rasch zu erfassen sein. Einige Abschnitte und viele Daten im Buch sind neu oder wurden aktualisiert. Es gibt neue Tabellen und neue oder verbesserte Abbildungen. Von den vielen Ergänzungen einige Beispiele: Erweiterung des PSE bis zum Element 118. Isotopenanalyse. Kernspintomographie. Neue Phosphormodifikationen. Hochdruckmodifikation von Stickstoff. Neue Synthesen hochreiner Diamanten. Korrosion. Transportreaktionen. Partialdruckmessung von Sauerstoff mit Festelektrolyten. Meerwasserentsalzung. Gashydrate. Katalysatoren für Dieselfahrzeuge. Erstes binäres Azid mit Actinoiden. Kulturgeschichte von Münzmetallen. Biologische Bedeutung von Elementen und Verbindungen. Neue Abschnitte: Elemententstehung Erweiterte Valenzbindungstheorie (Dreielektronenbindung) Elektrische Lichtquellen, Leuchtstoffe (LEDs) Laser Nanotechnologie Bereich Umweltprobleme: Im Abschnitt Globale Umweltprobleme wird besonders die drängende Klimaänderung neu behandelt. Besprochen werden Ursachen, Gegenmaßnahmen und Klimarahmenkonventionen. Der Abschnitt Regionale Umweltprobleme enthält jetzt außer dem Thema Luft auch die Themen Wasser, Wald, Verkehr und Baudenkmäler. DVD Eine Neuheit ist die beiliegende DVD. Sie enthält alle Abbildungen aus dem Buch, Fotografien von Mineralien mit Kristallzeichnungen und mineralogischer Beschreibung, sowie Kurzbiografien und Bilder bedeutender Naturwissenschaftler. Außerdem ist ein interaktives Periodensystem der Elemente als illustratives Nachschlagewerk mit über 500 Fotografien der Elemente und ihrer Verbindungen enthalten. Den Mitarbeitern des Umweltbundesamtes danken wir für die Ermittlung neuer Daten zum Abschnitt Umweltprobleme. Prof. Th. M. Klapötke, Univ. München, war
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Vorwort
ein stets hilfreicher und kritischer Diskussionspartner, insbesondere für den Abschnitt Erweiterte Valenzbindungstheorie. Prof. H. Lesch, Univ. München, verdanken wir Anregungen zum Abschnitt Elemententstehung. Herr Dipl.-Met. H. Claude, Meteorologisches Observatorium Hohenpeissenberg, übermittelte uns erfreulicherweise Daten zum Ozonloch. Dr. J. Dirksen, Univ. Freiburg, hat dankenswerterweise geholfen, für die DVD die Fotos von Elementen und ihrer Verbindungen aus der Sammlung des Inst. für Anorganische und Analytische Chemie zu erstellen und Frau Dipl.-Chem. K. Kazmierczak und Herrn A. Paske danken wir für ihre Hilfe bei der Dateneingabe. Die elektronische Umsetzung mit Ideenbeiträgen zum interaktiven Periodensystem wurde engagiert von Herrn L. Mecklenburg durchgeführt. Zahlreiche Bilder der Naturwissenschaftler erhielten wir von der Gesellschaft Deutscher Chemiker und der Nobel-Stiftung. Die vorbildliche Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Verlages muss ebenfalls dankbar erwähnt werden. Berlin, Juli 2007
Erwin Riedel Christoph Janiak
Inhalt
1. Atombau 1.1 Der atomare Aufbau der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Der Elementbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2 Daltons Atomtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Der Atomaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Elementarteilchen, Atomkern, Atomhülle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Chemische Elemente, Isotope, Atommassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Massendefekt, Äquivalenz von Masse und Energie . . . . . . . . . . . . . 1.3 Kernreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Radioaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Künstliche Nuklide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3 Kernspaltung, Kernfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4 Kosmische Elementhäufigkeit, Elemententstehung . . . . . . . . . . . . . 1.4 Die Struktur der Elektronenhülle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 Bohr’sches Modell des Wasserstoffatoms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Die Deutung des Spektrums der Wasserstoffatome mit der Bohr’schen Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.3 Die Unbestimmtheitsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.4 Der Wellencharakter von Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.5 Atomorbitale und Quantenzahlen des Wasserstoffatoms . . . . . . . . . 1.4.6 Die Wellenfunktion, Eigenfunktionen des Wasserstoffatoms . . . . . . 1.4.7 Aufbau und Elektronenkonfiguration von Mehrelektronen-Atomen 1.4.8 Das Periodensystem (PSE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.9 Ionisierungsenergie, Elektronenaffinität, Röntgenspektren . . . . . . .
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1 1 2 4 4 6 9 11 12 19 20 25 27 27
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31 36 38 39 45 53 58 63
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69 69 73 76 85 91 93 93 95 98 99 103 110 117 124 126
2. Die chemische Bindung 2.1 Die Ionenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Allgemeines, Ionenkristalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Ionenradien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Wichtige ionische Strukturen, Radienquotientenregel . . 2.1.4 Gitterenergie von Ionenkristallen . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5 Born-Haber-Kreisprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Die Atombindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Allgemeines, Lewis-Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Bindigkeit, angeregter Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Dative Bindung, formale Ladung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Das Valenzschalen-Elektronenpaar-Abstoßungs-Modell 2.2.5 Überlappung von Atomorbitalen, σ-Bindung . . . . . . . . 2.2.6 Hybridisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.7 π-Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.8 Mesomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.9 Polare Atombindung, Dipole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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128 134 138 160 164 166 166 169 175 176 176 178 182 184 186 188 188 196 206 206 212 212 212 215 220 227 236 240
Stoffmenge, Konzentration, Anteil, Äquivalent . . . . . . . . . . . . . . . . Ideale Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustandsdiagramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktionsenthalpie, Standardbildungsenthalpie . . . . . . . . . . . . . . . . Das chemische Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Das Massenwirkungsgesetz (MWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3 Verschiebung der Gleichgewichtslage, Prinzip von Le Chatelier 3.5.4 Berechnung von Gleichgewichtskonstanten . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.2 Konzentrationsabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit . . . 3.6.3 Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit . . . . . . 3.6.4 Reaktionsgeschwindigkeit und chemisches Gleichgewicht . . . . 3.6.5 Metastabile Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.6 Katalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.1 Lösungen, Elektrolyte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.2 Leitfähigkeit, Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.3 Löslichkeit, Löslichkeitsprodukt, Nernst’sches Verteilungsgesetz 3.7.4 Säuren und Basen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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245 249 254 262 270 270 272 276 281 295 295 295 299 302 304 306 310 310 312 315 319
2.3 2.4
2.5 2.6 2.7
2.2.10 Die Elektronegativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.11 Atomkristalle, Molekülkristalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.12 Molekülorbitaltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.13 Erweiterte Valenzbindungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . Van der Waals-Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der metallische Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Eigenschaften von Metallen, Stellung im Periodensystem 2.4.2 Kristallstrukturen der Metalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Atomradien von Metallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4 Die metallische Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4.1 Elektronengas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4.2 Energiebändermodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4.3 Metalle, Isolatoren, Eigenhalbleiter . . . . . . . . . . 2.4.4.4 Dotierte Halbleiter (Störstellenhalbleiter) . . . . . . 2.4.5 Metallcluster, Clustermetalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.6 Intermetallische Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.6.1 Schmelzdiagramme von Zweistoffsystemen . . . . . 2.4.6.2 Häufige intermetallische Phasen . . . . . . . . . . . . . Vergleich der Bindungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wasserstoffbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methoden zur Strukturaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.1 Symmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.1.1 Molekülsymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.1.2 Kristallsymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.2 Röntgenbeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.3 Schwingungsspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.4 Kernresonanzspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.5 Photoelektronenspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Die chemische Reaktion 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5
Inhalt 3.7.5 pH-Wert, Ionenprodukt des Wassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.6 Säurestärke, pKs-Wert, Berechnung des pH-Wertes von Säuren 3.7.7 Protolysegrad, Ostwald’sches Verdünnungsgesetz . . . . . . . . . . 3.7.8 pH-Wert-Berechnung von Basen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.9 Reaktion von Säuren mit Basen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.10 pH-Wert-Berechnung von Salzlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.11 Pufferlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.12 Säure-Base-Indikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.13 Säure-Base-Reaktionen in nichtwässrigen Lösungsmitteln . . . . 3.7.14 Der Säure-Base-Begriff von Lewis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8 Redoxvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.1 Oxidationszahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.2 Oxidation, Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.3 Aufstellen von Redoxgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.4 Galvanische Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.5 Berechnung von Redoxpotenzialen: Nernst’sche Gleichung . . . 3.8.6 Konzentrationsketten, Elektroden zweiter Art . . . . . . . . . . . . 3.8.7 Die Standardwasserstoffelektrode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.8 Die elektrochemische Spannungsreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.9 Gleichgewichtslage bei Redoxprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.10 Die Elektrolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.11 Elektrochemische Stromquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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321 322 326 328 330 331 334 336 338 339 341 341 344 346 347 349 351 353 355 361 362 370
4.1 Häufigkeit der Elemente in der Erdkruste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Wasserstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Allgemeine Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Vorkommen und Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Physikalische und chemische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Wasserstoffisotope . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Ortho- und Parawasserstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.6 Wasserstoffverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Gruppe 18 (Edelgase) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Vorkommen, Gewinnung, Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Edelgasverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3.1 Edelgashalogenide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3.2 Oxide, Oxidfluoride und Oxosalze des Xenons . . . . . . . . . . . 4.3.3.3 Verbindungen mit XedO-, XedN-, XedC-, XedS-, XedAu-, KrdO-, KrdN- und KrdC-Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3.4 Struktur und Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Gruppe 17 (Halogene) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Die Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3.1 Physikalische Eigenschaften, Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3.2 Chemisches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3.3 Darstellung, Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4 Interhalogenverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5 Polyhalogenidionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.6 Halogenide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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395 396 399 399 400 400 400 402 404 406 408 409
4. Die Elemente der Hauptgruppen
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Inhalt 4.4.7 Sauerstoffsäuren der Halogene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.8 Oxide der Halogene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.9 Sauerstofffluoride . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.10 Pseudohalogene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Gruppe 16 (Chalkogene) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3 Die Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3.1 Sauerstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3.2 Schwefel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3.3 Selen, Tellur, Polonium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3.4 Positive Chalkogenionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.4 Sauerstoffverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.5 Wasserstoffverbindungen von Schwefel, Selen und Tellur 4.5.6 Oxide des Schwefels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.7 Sauerstoffsäuren des Schwefels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.8 Oxide und Sauerstoffsäuren von Selen und Tellur . . . . . . 4.5.9 Halogenverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Gruppe 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.3 Die Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.3.1 Stickstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.3.2 Phosphor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.3.3 Arsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.3.4 Antimon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.3.5 Bismut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.4 Wasserstoffverbindungen des Stickstoffs . . . . . . . . . . . . 4.6.5 Hydride des Phosphors, Arsens, Antimons und Bismuts 4.6.6 Oxide des Stickstoffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.7 Sauerstoffsäuren des Stickstoffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.8 Halogenverbindungen des Stickstoffs . . . . . . . . . . . . . . 4.6.9 Schwefelverbindungen des Stickstoffs . . . . . . . . . . . . . . 4.6.10 Oxide des Phosphors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.11 Sauerstoffsäuren des Phosphors . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.12 Halogenverbindungen des Phosphors . . . . . . . . . . . . . . 4.6.13 Schwefel-Phosphor-Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.14 Phosphor-Stickstoff-Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.15 Verbindungen des Arsens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.15.1 Sauerstoffverbindungen des Arsens . . . . . . . . . 4.6.15.2 Schwefelverbindungen des Arsens . . . . . . . . . . 4.6.15.3 Halogenverbindungen von Arsen . . . . . . . . . . 4.6.16 Verbindungen des Antimons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.16.1 Sauerstoffverbindungen des Antimons . . . . . . . 4.6.16.2 Schwefelverbindungen des Antimons . . . . . . . . 4.6.16.3 Halogenverbindungen des Antimons . . . . . . . . 4.6.17 Verbindungen des Bismuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.17.1 Sauerstoffverbindungen des Bismuts . . . . . . . . 4.6.17.2 Halogenverbindungen des Bismuts . . . . . . . . . 4.6.17.3 Bismutsulfide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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412 418 421 422 423 423 424 424 424 430 434 435 435 441 444 448 455 457 460 460 461 462 462 463 466 468 469 469 476 477 482 487 489 490 492 500 502 502 504 504 505 506 507 507 507 508 508 508 509 509
Inhalt 4.7 Gruppe 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.3 Die Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.3.1 Kohlenstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.3.2 Silicium, Germanium, Zinn, Blei . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.4 Grafitverbindungen, Fullerenverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.5 Carbide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.6 Sauerstoffverbindungen des Kohlenstoffs . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.6.1 Oxide des Kohlenstoffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.6.2 Kohlensäure und Carbonate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.7 Stickstoffverbindungen des Kohlenstoffs . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.8 Halogen- und Schwefelverbindungen des Kohlenstoffs . . . . . . 4.7.9 Wasserstoffverbindungen des Siliciums . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.10 Sauerstoffverbindungen von Silicium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.10.1 Oxide des Siliciums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.10.2 Kieselsäuren, Silicate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.10.3 Technische Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.11 Halogenverbindungen und Schwefelverbindungen des Siliciums 4.7.12 Germaniumverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.13 Zinnverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.13.1 Zinn(IV)-Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.13.2 Zinn(II)-Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.14 Bleiverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.14.1 Blei(II)-Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.14.2 Blei(IV)-Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8 Gruppe 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.3 Die Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.3.1 Modifikationen, chemisches Verhalten . . . . . . . . . . . . . 4.8.3.2 Darstellung und Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.4 Verbindungen des Bors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.4.1 Metallboride, Borcarbide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.4.2 Wasserstoffverbindungen des Bors (Borane) . . . . . . . . . 4.8.4.3 Carbaborane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.4.4 Sauerstoffverbindungen des Bors . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.4.5 Halogenverbindungen des Bors . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.4.6 Stickstoffverbindungen des Bors . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.5 Aluminiumverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.5.1 Wasserstoffverbindungen des Aluminiums . . . . . . . . . . . 4.8.5.2 Sauerstoffverbindungen des Aluminiums . . . . . . . . . . . . 4.8.5.3 Halogenverbindungen des Aluminiums . . . . . . . . . . . . . 4.8.5.4 Aluminiumsalze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.6 Galliumverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.7 Indiumverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.8 Thalliumverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.9 Gruppe 2 (Erdalkalimetalle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.9.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.9.2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.9.3 Die Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
510 510 511 512 512 518 521 524 526 526 529 531 532 532 533 533 535 543 547 549 550 550 551 552 552 553 555 555 557 557 558 563 566 568 571 578 579 583 585 587 588 589 591 593 594 595 595 596 596 597 598
XII
Inhalt
4.9.3.1 Physikalische und chemische Eigenschaften . . . 4.9.3.2 Darstellung und Verwendung . . . . . . . . . . . . . 4.9.4 Berylliumverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.9.5 Magnesiumverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.9.6 Calciumverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.9.7 Bariumverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10 Gruppe 1 (Alkalimetalle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10.2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10.3 Die Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10.3.1 Physikalische und chemische Eigenschaften 4.10.3.2 Darstellung und Verwendung . . . . . . . . . . 4.10.4 Verbindungen der Alkalimetalle . . . . . . . . . . . . . . . 4.10.4.1 Hydride . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10.4.2 Sauerstoffverbindungen . . . . . . . . . . . . . . 4.10.4.3 Hydroxide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10.4.4 Halogenide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10.4.5 Salze von Oxosäuren . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11 Umweltprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.1 Globale Umweltprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.1.1 Die Ozonschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.1.2 Der Treibhauseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.1.3 Rohstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.2 Regionale Umweltprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.2.1 Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.2.2 Wasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.2.3 Wald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.2.4 Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.2.5 Baudenkmäler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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598 599 601 603 606 611 612 612 613 614 614 615 617 617 618 621 621 623 627 628 628 636 643 644 644 653 655 656 657
5. Die Elemente der Nebengruppen 5.1 Magnetochemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Materie im Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Magnetisches Moment, Bohr’sches Magneton . . . 5.1.3 Elektronenzustände in freien Atomen und Ionen, Russel-Saunders-Terme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4 Diagmagnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.5 Paramagnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.6 Spinordnung, Spontane Magnetisierung . . . . . . . 5.2 Mößbauer-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Neutronenbeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Komplexverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Aufbau und Eigenschaften von Komplexen . . . . 5.4.2 Nomenklatur von Komplexverbindungen . . . . . . 5.4.3 Räumlicher Bau von Komplexen, Isomerie . . . . . 5.4.4 Stabilität und Reaktivität von Komplexen . . . . . 5.4.5 Die Valenzbindungstheorie von Komplexen . . . . 5.4.6 Die Ligandenfeldtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.6.1 Oktaedrische Komplexe . . . . . . . . . . . . . 5.4.6.2 Tetraedrische Komplexe . . . . . . . . . . . . . 5.4.6.3 Quadratisch-planare Komplexe . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . 659 . . . . . . . . . . . . . . . . 659 . . . . . . . . . . . . . . . . 661 . . . . . . . . . . . . . . . .
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662 665 665 669 674 678 680 680 682 683 687 689 690 690 700 702
Inhalt
5.5
5.6 5.7
5.8
5.9
5.4.6.4 Termdiagramme, Elektronenspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.7 Molekülorbitaltheorie von Komplexen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.8 Charge-Transfer-Spektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Metallcarbonyle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1 Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2 Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3 Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.4 Carbonylmetallat-Anionen, Metallcarbonylhydride . . . . . . . . . . . . . . 5.5.5 Metallcarbonylhalogenide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.6 Nitrosylcarbonyle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . π-Komplexe mit organischen Liganden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.1 Aromatenkomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.2 Alkenkomplexe, Alkinkomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.1 Korngrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.2 Versetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.3 Punktfehlordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.3.1 Eigenfehlordnung in stöchiometrischen binären Ionenkristallen . 5.7.3.2 Fehlordnung in nichtstöchiometrischen Verbindungen . . . . . . 5.7.4 Spezifische Defektstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.5 Elektrische Eigenschaften von Defektstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.5.1 Ionenleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.5.2 Hopping-Halbleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.5.3 Hochtemperatursupraleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.6 Nanotechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gruppe 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.2 Die Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.3 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.4 Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.5 Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.6 Kupferverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.6.1 Kupfer(I)-Verbindungen (d10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.6.2 Kupfer(II)-Verbindungen (d9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.6.3 Kupfer(III)-Verbindungen (d8), Kupfer(IV)-Verbindungen (d7) . 5.8.7 Silberverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.7.1 Silber(I)-Verbindungen (d10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.7.2 Silber(II)-Verbindungen (d9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.7.3 Silber(III)-Verbindungen (d8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.8 Goldverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.8.1 Gold(I)-Verbindungen (d10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.8.2 Gold(III)-Verbindungen (d8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.8.3 Gold(V)-Verbindungen (d6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gruppe 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9.2 Die Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9.3 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9.4 Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9.5 Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9.6 Zinkverbindungen (d10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9.7 Cadmiumverbindungen (d10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
703 708 712 713 714 715 717 719 720 721 721 722 722 723 724 724 725 726 728 729 732 732 735 737 737 743 743 744 745 745 747 748 748 750 752 752 752 754 755 755 756 757 758 758 758 759 760 761 761 762 764
XIV
Inhalt
5.9.8 Quecksilberverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9.8.1 Quecksilber(I)-Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . 5.9.8.2 Quecksilber(II)-Verbindungen . . . . . . . . . . . . . 5.10 Gruppe 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10.2 Die Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10.3 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10.4 Darstellung und Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10.5 Scandiumverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10.6 Yttriumverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10.7 Lanthanverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.11 Die Lanthanoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.11.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.11.2 Verbindungen mit der Oxidationszahl C3 . . . . . . . . . 5.11.3 Verbindungen mit den Oxidationszahlen C2 und C4 5.11.4 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.11.5 Darstellung, Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.11.6 Elektrische Lichtquellen, Leuchtstoffe . . . . . . . . . . . 5.12 Gruppe 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12.2 Die Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12.3 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12.4 Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12.5 Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12.6 Verbindungen des Titans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12.6.1 Sauerstoffverbindungen des Titans . . . . . . . . 5.12.6.2 Halogenverbindungen des Titans . . . . . . . . . 5.12.6.3 Schwefelverbindungen des Titans . . . . . . . . . 5.12.6.4 Titannitrid TiN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12.6.5 Titancarbid TiC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12.7 Verbindungen des Zirconiums und Hafniums . . . . . . 5.13 Gruppe 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.13.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.13.2 Die Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.13.3 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.13.4 Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.13.5 Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.13.6 Verbindungen des Vanadiums . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.13.6.1 Sauerstoffverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . 5.13.6.2 Halogenide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.13.7 Verbindungen des Niobs und Tantals . . . . . . . . . . . . 5.13.7.1 Sauerstoffverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . 5.13.7.2 Halogenverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.14 Gruppe 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.14.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.14.2 Die Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.14.3 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.14.4 Darstellung, Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.14.5 Verbindungen des Chroms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.14.5.1 Chrom(VI)-Verbindungen (d0) . . . . . . . . . . 5.14.5.2 Chrom(V)-Verbindungen (d1) . . . . . . . . . . .
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764 764 766 769 769 770 770 770 771 771 771 772 772 776 777 780 781 782 784 784 785 786 786 788 788 788 791 792 792 792 793 794 794 795 795 795 796 797 797 799 800 800 802 804 804 805 805 805 807 807 810
Inhalt 5.14.5.3 Chrom(IV)-Verbindungen (d2) . . . . . . . . . . . . . . . 5.14.5.4 Chrom(III)-Verbindungen (d3) . . . . . . . . . . . . . . . 5.14.5.5 Chrom(II)-Verbindungen (d4) . . . . . . . . . . . . . . . . 5.14.5.6 Laser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.14.6 Verbindungen des Molybdäns und Wolframs . . . . . . . . . . . . 5.14.6.1 Oxide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.14.6.2 Isopolymolybdate, Isopolywolframate . . . . . . . . . . 5.14.6.3 Heteropolyanionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.14.6.4 Bronzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.14.6.5 Halogenide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15 Gruppe 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15.2 Die Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15.3 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15.4 Darstellung, Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15.5 Verbindungen des Mangans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15.5.1 Mangan(II)-Verbindungen (d5) . . . . . . . . . . . . . . . 5.15.5.2 Mangan(III)-Verbindungen (d4) . . . . . . . . . . . . . . . 5.15.5.3 Mangan(IV)-Verbindungen (d3) . . . . . . . . . . . . . . . 5.15.5.4 Mangan(V)-Verbindungen (d2) . . . . . . . . . . . . . . . 5.15.5.5 Mangan(VI)-Verbindungen (d1) . . . . . . . . . . . . . . . 5.15.5.6 Mangan(VII)-Verbindungen (d0) . . . . . . . . . . . . . . 5.15.6 Verbindungen des Rheniums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15.6.1 Sauerstoffverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15.6.2 Sulfide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15.6.3 Halogenverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15.6.4 Hydride . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16 Gruppe 8K10 Die Eisengruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16.2 Die Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16.3 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16.4 Darstellung, Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16.4.1 Darstellung von metallischem Eisen . . . . . . . . . . . . 5.16.4.2 Herstellung von Nickel und Cobalt . . . . . . . . . . . . 5.16.5 Verbindungen des Eisens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16.5.1 Eisen(II)- und Eisen(III)-Verbindungen (d6, d5) . . . 5.16.5.2 Eisen(IV)-, Eisen(V) und Eisen(VI)-Verbindungen (d4, d3, d2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16.6 Verbindungen des Cobalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16.6.1 Cobalt(II)- und Cobalt(III)-Verbindungen (d7, d6) . 5.16.6.2 Cobalt(IV)- und Cobalt(V)-Verbindungen (d5, d4) . 5.16.7 Verbindungen des Nickels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16.7.1 Nickel(II)-Verbindungen (d8) . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16.7.2 Nickel(III)- und Nickel(IV)-Verbindungen (d7, d6) . 5.17 Gruppe 8K10 Die Gruppe der Platinmetalle . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.17.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.17.2 Die Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.17.3 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.17.4 Darstellung, Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.17.5 Verbindungen der Metalle der Osmiumgruppe . . . . . . . . . . 5.17.6 Verbindungen der Metalle der Iridiumgruppe . . . . . . . . . . .
XV
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XVI
Inhalt
5.17.7 Verbindungen der Metalle der Platingruppe 5.18 Die Actinoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.18.1 Gruppeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 5.18.2 Verbindungen des Urans . . . . . . . . . . . . . .
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Anhang 1 Einheiten · Konstanten · Umrechnungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 887 Anhang 2 Relative Atommassen · Elektronenkonfigurationen · Schema zur Ermittlung der Punktgruppen von Molekülen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 892 Anhang 3 Herkunft der Elementnamen · Nobelpreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 899 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 907 Formelregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 951
1 Atombau
1.1 Der atomare Aufbau der Materie 1.1.1 Der Elementbegriff Die Frage nach dem Wesen und dem Aufbau der Materie beschäftigte bereits die griechischen Philosophen im 6. Jh. v. Chr. (Thales, Anaximander, Anaximenes, Heraklit). Sie vermuteten, dass die Materie aus unveränderlichen, einfachsten Grundstoffen, Elementen, bestehe. Empedokles (490 Q 430 v. Chr.) nahm an, dass die materielle Welt aus den vier Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer zusammengesetzt sei. Für die Alchimisten des Mittelalters galten außerdem Schwefel, Quecksilber und Salz als Elemente. Allmählich führten die experimentellen Erfahrungen zu dem von Jungius (1642) und Boyle (1661) definierten naturwissenschaftlichen Elementbegriff. Elemente sind Substanzen, die sich nicht in andere Stoffe zerlegen lassen (Abb. 1.1).
Abbildung 1.1 Wasser kann in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt werden. Diese beiden Stoffe besitzen völlig andere Eigenschaften als Wasser. Wasserstoff und Sauerstoff lassen sich nicht weiter in andere Stoffe zerlegen. Sie sind daher Grundstoffe, Elemente.
Die 1789 von Lavoisier veröffentlichte Elementtabelle enthielt 21 Elemente. Als Mendelejew 1869 das Periodensystem der Elemente aufstellte, waren ihm 63 Elemente bekannt. Heute kennen wir 117 Elemente (siehe dazu Legende der Abb. 1.39), 88 davon kommen in fassbarer Menge in der Natur vor. Die Idee der Philosophen bestätigte sich also: die vielen mannigfaltigen Stoffe sind aus relativ wenigen Grundstoffen aufgebaut. Für die Elemente wurden von Berzelius (1813) Elementsymbole eingeführt.
2
1 Atombau
Beispiele: Element
Elementsymbol
Sauerstoff (Oxygenium) Wasserstoff (Hydrogenium) Schwefel (Sulfur) Eisen (Ferrum) Kohlenstoff (Carboneum)
O H S Fe C
Die Elemente und Elementsymbole sind in der Tabelle 1 des Anhangs 2 enthalten.
1.1.2 Daltons Atomtheorie Schon der griechische Philosoph Demokrit (460 Q 371 v. Chr.) nahm an, dass die Materie aus Atomen, kleinen nicht weiter teilbaren Teilchen, aufgebaut sei. Demokrits Lehre übte einen großen Einfluss aus. So war z. B. auch der große Physiker Newton davon überzeugt, dass Atome die Grundbausteine aller Stoffe seien. Aber erst 1808 stellte Dalton eine Atomtheorie aufgrund exakter naturwissenschaftlicher Überlegungen auf. Daltons Atomtheorie verbindet den Element- und den Atombegriff wie folgt: Chemische Elemente bestehen aus kleinsten, nicht weiter zerlegbaren Teilchen, den Atomen. Alle Atome eines Elements sind einander gleich, besitzen also gleiche Masse und gleiche Gestalt. Atome verschiedener Elemente haben unterschiedliche Eigenschaften. Jedes Element besteht also aus nur einer für das Element typischen Atomsorte (Abb. 1.2).
Abbildung 1.2 Eisen besteht aus untereinander gleichen Eisenatomen, Schwefel aus untereinander gleichen Schwefelatomen. Eisenatome und Schwefelatome haben verschiedene Eigenschaften, die in der Abbildung durch verschiedene Farben angedeutet sind. 1 cm3 Materie enthält etwa 1023 Atome.
Chemische Verbindungen entstehen durch chemische Reaktion von Atomen verschiedener Elemente. Die Atome verbinden sich in einfachen Zahlenverhältnissen. Chemische Reaktionen werden durch chemische Gleichungen beschrieben. Man benutzt dabei die Elementsymbole als Symbole für ein einzelnes Atom eines Elements. In Kap. 3 werden wir sehen, dass eine chemische Gleichung auch beschreibt, welche Stoffe in welchen Stoffmengenverhältnissen miteinander reagieren.
1.1 Der atomare Aufbau der Materie
3
Beispiele: Ein Kohlenstoffatom verbindet sich mit einem Sauerstoffatom zur Verbindung Kohlenstoffmonooxid: C C O Z CO Ein Kohlenstoffatom verbindet sich mit zwei Sauerstoffatomen zur Verbindung Kohlenstoffdioxid: C C 2O Z CO2 Bei jeder chemischen Reaktion erfolgt nur eine Umgruppierung der Atome, die Gesamtzahl der Atome jeder Atomsorte bleibt konstant. In einer chemischen Gleichung muss daher die Zahl der Atome jeder Sorte auf beiden Seiten der Gleichung gleich groß sein. CO und CO2 sind die Summenformeln der chemischen Verbindungen Kohlenstoffmonooxid und Kohlenstoffdioxid. Aus den Summenformeln ist das Atomverhältnis C : O der Verbindungen ersichtlich, sie liefern aber keine Information über die Struktur der Verbindungen. Strukturformeln werden in Kap. 2 behandelt. Die Atomtheorie erklärte schlagartig einige grundlegende Gesetze chemischer Reaktionen, die bis dahin unverständlich waren. Gesetz der Erhaltung der Masse (Lavoisier 1785). Bei allen chemischen Vorgängen bleibt die Gesamtmasse der an der Reaktion beteiligten Stoffe konstant. Nach der Atomtheorie erfolgt bei chemischen Reaktionen nur eine Umgruppierung von Atomen, bei der keine Masse verloren gehen kann. Stöchiometrische Gesetze Gesetz der konstanten Proportionen (Proust 1799). Eine chemische Verbindung bildet sich immer aus konstanten Massenverhältnissen der Elemente. Beispiel: 1 g Kohlenstoff verbindet sich immer mit 1,333 g Sauerstoff zu Kohlenstoffmonooxid, aber nicht mit davon abweichenden Mengen, z. B. 1,5 g oder 2,3 g Sauerstoff. Gesetz der multiplen Proportionen (Dalton 1803). Bilden zwei Elemente mehrere Verbindungen miteinander, dann stehen die Massen desselben Elements zueinander im Verhältnis kleiner ganzer Zahlen. Beispiel: 1 g Kohlenstoff reagiert mit 1 · 1,333 g Sauerstoff zu Kohlenstoffmonooxid 1 g Kohlenstoff reagiert mit 2 · 1,333 g Z 2,666 g Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid Die Massen von Kohlenstoff stehen im Verhältnis 1 : 1, die Massen von Sauerstoff im Verhältnis 1 : 2. Nach der Atomtheorie bildet sich Kohlenstoffmonooxid nach
4
1 Atombau
der Gleichung C C O Z CO. Da alle Kohlenstoffatome untereinander und alle Sauerstoffatome untereinander die gleiche Masse haben, erklärt die Reaktionsgleichung das Gesetz der konstanten Proportionen. Kohlenstoffdioxid entsteht nach der Reaktionsgleichung C C 2O Z CO2. Aus den beiden Reaktionsgleichungen folgt für Sauerstoff das Atomverhältnis 1 : 2 und damit auch das Massenverhältnis 1 : 2.
1.2 Der Atomaufbau 1.2.1 Elementarteilchen, Atomkern, Atomhülle Die Existenz von Atomen ist heute ein gesicherter Tatbestand. Zu Beginn des Jahrhunderts erkannte man aber, dass Atome nicht die kleinsten Bausteine der Materie sind, sondern dass sie aus noch kleineren Teilchen, den sogenannten Elementarteilchen, aufgebaut sind. Erste Modelle über den Atomaufbau stammen von Rutherford (1911) und Bohr (1913). Man nahm zunächst an: Elementarteilchen sind kleinste Bausteine der Materie, die nicht aus noch kleineren Einheiten zusammengesetzt sind. Sie sind aber ineinander umwandelbar, also keine Grundbausteine im Sinne unveränderlicher Teilchen. Man kennt gegenwärtig einige Hundert Elementarteilchen. Für die Diskussion des Atombaus sind nur einige wenige von Bedeutung. Später erkannte man aber, dass noch einfachere Grundbausteine existieren. Protonen und Neutronen z. B. werden aus Quarks aufgebaut. Die Atome bestehen aus drei Elementarteilchen: Elektronen, Protonen, Neutronen. Sie unterscheiden sich durch ihre Masse und ihre elektrische Ladung (Tabelle 1.1). Tabelle 1.1 Eigenschaften von Elementarteilchen Elementarteilchen
Elektron
Proton
Neutron
Symbol
e
p
n
Masse
0,9109 · 10 Q 30 kg 5,4859 · 10 Q 4 u
1,6725 · 10 Q 27 kg 1,007277 u
1,6748 · 10 Q 27 kg 1,008665 u
leicht
schwer, nahezu gleiche Masse
Qe negative Elementarladung
Ce positive Elementarladung
Ladung
keine Ladung neutral
Das Neutron ist ein ungeladenes, elektrisch neutrales Teilchen. Das Proton trägt eine positive, das Elektron eine negative Elementarladung. Die Elementarladung ist die bislang kleinste beobachtete elektrische Ladung. Sie beträgt e Z 1,6022 · 10 Q 19 C
1.2 Der Atomaufbau
5
e wird daher auch als elektrisches Elementarquantum bezeichnet. Alle auftretenden Ladungsmengen können immer nur ein ganzzahliges Vielfaches der Elementarladung sein. Protonen und Neutronen sind schwere Teilchen. Sie besitzen annähernd die glei1 der Protoche Masse. Das Elektron ist ein leichtes Teilchen, es besitzt ungefähr 1800 nen- bzw. Neutronenmasse. Atommassen gibt man in atomaren Masseneinheiten an. Eine atomare Massenein1 der Masse eines Atoms des Kohlenstoffnuklids 12C (zum heit (u) ist definiert als 12 Begriff des Nuklids vgl. Abschn. 1.2.2). Masse eines Atoms 126 C Z 12 u 1 u Z 1,6606 · 10 Q 27 kg Die Größe der atomaren Masseneinheit ist so gewählt, dass die Masse eines Protons bzw. Neutrons ungefähr 1 u beträgt. Atome sind annähernd kugelförmig mit einem Radius von der Größenordnung 10 Q 10 m. Ein cm3 Materie enthält daher ungefähr 1023 Atome. Man unterscheidet zwei Bereiche des Atoms, den Kern und die Hülle (Abb. 1.3).
Abbildung 1.3 Schematische Darstellung eines Atoms. Die Neutronen und Protonen sind im Atomkern konzentriert. Der Atomkern hat einen Durchmesser von 10 Q 14 Q 10 Q 15 m. Er enthält praktisch die Gesamtmasse des Atoms. Bei richtigem Maßstab würde bei einem Kernradius von 10 Q 3 m der Radius des Atoms 10 m betragen. Nahezu der Gesamtraum des Atoms steht für die Elektronen zur Verfügung. Wie die Elektronen in der Hülle verteilt sind, wird später behandelt.
Die Protonen und Neutronen sind im Zentrum des Atoms konzentriert. Sie bilden den positiv geladenen Atomkern. Protonen und Neutronen werden daher als Nukleonen (Kernteilchen) bezeichnet. Atomkerne sind nahezu kugelförmig, ihre Radien sind von der Größenordnung 10 Q 14 Q 10 Q 15 m. Der im Vergleich zum Gesamtatom sehr kleine Atomkern enthält fast die gesamte Masse des Atoms. Die Protonenzahl (Symbol Z) bestimmt die Größe der positiven Ladung des Kerns. Sie wird auch Kernladungszahl genannt. Protonenzahl Z Kernladungszahl
6
1 Atombau
Die Gesamtanzahl der Protonen und Neutronen bestimmt die Masse des Atoms. Sie wird Nukleonenzahl (Symbol A) genannt. Die ältere Bezeichnung Massenzahl soll nicht mehr verwendet werden. Nukleonenzahl Z Protonenzahl C Neutronenzahl Die Elektronen sind als negativ geladene Elektronenhülle um den zentralen Kern angeordnet. Fast das gesamte Volumen des Atoms wird von der Hülle eingenommen. Die Struktur der Elektronenhülle ist ausschlaggebend für das chemische Verhalten der Atome. Sie wird eingehend im Abschn. 1.4 behandelt. Atome sind elektrisch neutral, folglich gilt für jedes Atom Protonenzahl Z Elektronenzahl Das Kernmodell wurde 1911 von Rutherford entwickelt. Er bestrahlte dünne Goldfolien mit α-Strahlen (zweifach positiv geladene Heliumkerne; vgl. Abschn. 1.3.1). Die meisten durchdrangen unbeeinflusst die Metallfolien, nur wenige wurden stark abgelenkt. Die Materieschicht konnte also nicht aus dichtgepackten massiven Atomen aufgebaut sein. Die mathematische Auswertung ergab, dass die Ablenkung durch kleine, im Vergleich zu ihrer Größe weit voneinander entfernte, positiv geladene Zentren bewirkt wird.
1.2.2 Chemische Elemente, Isotope, Atommassen In der Daltonschen Atomtheorie wurde postuliert, dass jedes chemische Element aus einer einzigen Atomsorte besteht. Mit der Erforschung des Atomaufbaus stellte sich jedoch heraus, dass es sehr viel mehr Atomsorten als Elemente gibt. Die meisten Elemente bestehen nämlich nicht aus identischen Atomen, sondern aus einem Gemisch von Atomen, die sich in der Zusammensetzung der Atomkerne unterscheiden. Das Element Wasserstoff z. B. besteht aus drei Atomsorten (Abb. 1.4). Alle Wasserstoffatome besitzen ein Proton und ein Elektron, die Anzahl der Neutronen ist unterschiedlich, sie beträgt null, eins oder zwei.
Abbildung 1.4 Atomarten des Wasserstoffs. Alle Wasserstoffatome besitzen ein Proton und ein Elektron. Die Neutronenzahl ist unterschiedlich, sie beträgt null, eins oder zwei. Die Atomarten eines Elementes heißen Isotope. Wasserstoff besteht aus drei Isotopen. Isotope haben die gleiche Elektronenhülle.
1.2 Der Atomaufbau
7
Ein chemisches Element besteht aus Atomen mit gleicher Protonenzahl (Kernladungszahl), die Neutronenzahl kann unterschiedlich sein. Die für jedes Element charakteristische Protonenzahl wird als Ordnungszahl (Z) bezeichnet. Für die Elemente bis Z Z 116 ist die Folge der Protonenzahlen lückenlos (vgl. S. 60). Atome mit gleicher Protonenzahl verhalten sich chemisch gleich, da sie die gleiche Elektronenzahl und auch die für das chemische Verhalten entscheidende gleiche Struktur der Elektronenhülle besitzen. Die Kerne erfahren bei chemischen Reaktionen keine Veränderungen. Eine durch Protonenzahl und Neutronenzahl charakterisierte Atomsorte bezeichnet man als Nuklid. Für die Nuklide und Elementarteilchen benutzt man die folgenden Schreibweisen: Nukleonenzahl Protonenzahl
Elementsymbol oder
Nukleonenzahl
Elementsymbol
Protonenzahl Z Kernladungszahl Neutronenzahl Z Nukleonenzahl Q Protonenzahl Beispiele: Nuklide des Elements Wasserstoff: Nuklide des Elements Kohlenstoff: Neutron: Proton: Elektron:
1 0n 1 1H 0 K1 e
1 2 3 1 H, 1 H, 1 H 12 13 14 6 C, 6 C, 6 C
oder oder
1
H, 2 H, 3 H C, 13 C, 14 C
12
oder einfacher n oder einfacher p oder einfacher e
Die natürlich vorkommenden Nuklide der ersten 10 Elemente sind in der Tabelle 1.2 aufgeführt. Es gibt insgesamt 340 natürlich vorkommende Nuklide. Davon sind 270 stabil und 70 radioaktiv (vgl. Abschn. 1.3.1). Nuklide mit gleicher Protonenzahl, aber verschiedener Neutronenzahl heißen Isotope. Beispiele: Isotope des Elements Wasserstoff: Isotope des Elements Stickstoff:
1 2 3 1 H, 1 H, 1 H 14 15 7 N, 7 N
Die meisten Elemente sind Mischelemente. Sie bestehen aus mehreren Isotopen, die in sehr unterschiedlicher Häufigkeit vorkommen (vgl. Tabelle 1.2). Eine Reihe von Elementen (z. B. Beryllium, Fluor, Natrium) sind Reinelemente. Sie bestehen in ihren natürlichen Vorkommen aus nur einer Nuklidsorte (vgl. Tabelle 1.2). Isobare nennt man Nuklide mit gleicher Nukleonenzahl, aber verschiedener Protonenzahl. Beispiel: 14 14 6 C, 7 N
8
1 Atombau
Tabelle 1.2 Nuklide der ersten zehn Elemente Ordnungszahl Z Kernladungszahl
Element
Nuklidsymbol
1
Wasserstoff H
1
H H 3 H
1 1 1
0 1 2
1 2 3
1,007825 2,01410
2
Helium He
3
He He
2 2
1 2
3 4
3,01603 4,00260
0,00013 99,99987
4,00260
3
Lithium Li
6
Li Li
3 3
3 4
6 7
6,01512 7,01600
7,42 92,58
6,941
4
Beryllium Be
9
Be
4
5
9
9,01218
5
Bor B
10
B B
5 5
5 6
10 11
10,01294 11,00931
19,78 80,22
10,811
6
Kohlenstoff C
12
C C 14 C
6 6 6
6 7 8
12 13 14
12 13,00335
98,89 1,11 Spuren
12,011
7
Stickstoff N
14
N N
7 7
7 8
14 15
14,00307 15,00011
99,63 0,36
14,00674
8
Sauerstoff O
16
O O 18 O
8 8 8
8 9 10
16 17 18
15,99491 16,99913 17,99916
99,759 0,037 0,204
15,9994
9
Fluor F
19
F
9
10
19
18,99840
10
Neon Ne
20
Ne Ne 22 Ne
10 10 10
10 11 12
20 21 22
19,99244 20,99395 21,99138
2
4
7
11
13
15
17
21
ProNeuNukle- Nuklidtonen- tronen- onen- masse bzw. zahl zahl in u Elektronenzahl
Atomzahlanteil (Isotopenhäufigkeit) in %
Mittlere Atommasse in u
99,985 0,015 Spuren
1,00794
100,0
100 90,92 0,26 8,82
9,01218
18,99840 20,1797
Der Zahlenwert der mittleren Atommasse in u ist gleich der relativen Atommasse Ar.
Die Atommasse eines Elements erhält man aus den Atommassen der Isotope unter Berücksichtigung der natürlichen Isotopenhäufigkeit. 1 der Atommasse des NukDie relative Atommasse Ar eines Elements X ist auf 12 12 lids C bezogen Ar (X) Z
mittlere Atommasse von X 1 12
(Nuklidmasse von 12C)
1.2 Der Atomaufbau
9
Die Zahlenwerte von Ar sind identisch mit den Zahlenwerten für die Atommassen, gemessen in der atomaren Masseneinheit u. Die relativen Atommassen der Elemente sind in der Tabelle 1 des Anhangs 2 angegeben. Die Atommasse eines Elements ist nahezu ganzzahlig, wenn die Häufigkeit eines Isotops sehr überwiegt (vgl. Tabelle 1.2). Für die Anzahl auftretender Isotope gibt es keine Gesetzmäßigkeit, jedoch wächst mit steigender Ordnungszahl die Anzahl der Isotope, und bei Elementen mit gerader Ordnungszahl treten mehr Isotope auf. Das Verhältnis Neutronenzahl : Protonenzahl wächst mit steigender Ordnungszahl von 1 auf etwa 1,5 an. Es ist ein immer größerer Neutronenüberschuss notwendig, damit die Nuklide stabil sind. Kerne mit 2, 8, 20, 28, 50, 82, 126 Neutronen oder Protonen (magische Nukleonenzahlen) sind besonders stabil. Bei ihnen tritt eine erhöhte Anzahl stabiler Nuklide auf; den Rekord hält Zinn (Z Z 50) mit 10 stabilen Isotopen. Stabile Endprodukte der radioaktiven Zerfallsreihen (vgl. Tabelle 1.3) z. B. sind Nuklide mit den magischen Nukleonenzahlen 82 und 126. Die Nuklide 42 He , 168 O , 28 14 Si zeigen auffällig große kosmische Häufigkeiten (vgl. Abb. 1.12). Eine Erklärung liefert das Schalenmodell. Den magischen Zahlen entsprechen energetisch bevorzugte Nukleonenschalen. Daher ist bei diesen Nukliden auch die Neigung zur Neutronenaufnahme gering (kleiner Neutroneneinfangquerschnitt). Eine Isotopentrennung gelingt unter Ausnützung der unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften der Isotope, die durch ihre unterschiedlichen Isotopenmassen zustande kommen. (Zum Beispiel durch Diffusion, Thermodiffusion, Zentrifugieren). Zum Isotopennachweis benutzt man das Massenspektrometer. Gasförmige Teilchen werden ionisiert und im elektrischen Feld beschleunigt. Durch Ablenkung in einem elektrischen und anschließend in einem magnetischen Feld erreicht man, dass nur Teilchen mit gleicher spezifischer Ladung (Quotient aus Ladung und Masse) an eine bestimmte Stelle gelangen und dort nachgewiesen werden können. Die Teilchen werden also nach ihrer Masse getrennt, man erhält ein Massenspektrum. Die Massenspektrometrie dient nicht nur zur Bestimmung der Anzahl, Häufigkeit und Atommasse (Genauigkeit bis 10Q6 u) von Isotopen, sondern auch zur Ermittlung von Spurenverunreinigungen, zur Analyse von Verbindungsgemischen, zur Aufklärung von Molekülstrukturen und Reaktionsmechanismen. Die Isotopenanalyse ist auch geeignet für Altersbestimmungen (s. S. 18), zur Herkunftsbestimmung archäologischer Proben und neuerdings zur Lebensmittelüberwachung. Die mittleren Isotopenverhältnisse der Elemente in Lebensmitteln (Wasserstoff, Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel) hängen von ihrer geographischen, klimatischen, botanischen und (bio-)chemischen Entstehung ab. Daher wird die Isotopenanalyse zur Überprüfung der Herkunft und zum Nachweis von Fälschungen verwendet. Dazu bestimmt werden z. B. die Isotope 2H, 13C und 18O.
1.2.3 Massendefekt, Äquivalenz von Masse und Energie Ein 42 He-Kern ist aus zwei Protonen und zwei Neutronen aufgebaut. Addiert man die Massen dieser Bausteine, erhält man als Summe 4,0319 u. Der 42 He-Kern hat
10
1 Atombau
jedoch nur eine Masse von 4,0015 u, er ist also um 0,030 u leichter als die Summe seiner Bausteine. Dieser Massenverlust wird als Massendefekt bezeichnet. Massendefekt tritt bei allen Nukliden auf. Die Masse eines Nuklids ist stets kleiner als die Summe der Massen seiner Bausteine. Der Massendefekt kann durch das Einsteinsche Gesetz der Äquivalenz von Masse und Energie E Z mc 2 gedeutet werden. Es bedeuten E Energie, m Masse und c Lichtgeschwindigkeit im leeren Raum. c ist eine fundamentale Naturkonstante, ihr Wert beträgt c Z 2,99793 · 108 m s Q 1. Das Gesetz besagt, dass Masse in Energie umwandelbar ist und umgekehrt. Einer atomaren Masseneinheit entspricht die Energie von 931 · 106 eV Z 931 MeV. 1 u a 931 MeV. Der Zusammenhalt der Nukleonen im Kern wird durch die sogenannten Kernkräfte bewirkt. Bei der Vereinigung von Neutronen und Protonen zu einem Kern wird Kernbindungsenergie frei. Der Energieabnahme des Kerns äquivalent ist eine Massenabnahme. Wollte man umgekehrt den Kern in seine Bestandteile zerlegen, dann müsste man eine dem Massendefekt äquivalente Energie zuführen (Abb. 1.5). Die Kernbindungsenergie des He-Kerns beträgt 28,3 MeV, der äquivalente Massendefekt 0,03 u. Dividiert man die Gesamtbindungsenergie durch die Anzahl der Kernbausteine, so erhält man eine durchschnittliche Kernbindungsenergie pro Nukleon. Für 42 He beträgt sie 28,3 MeV.4 Z 7,1 MeV.
Abbildung 1.5 Zwei Protonen und zwei Neutronen gehen bei der Bildung eines He-Kerns in einen energieärmeren, stabileren Zustand über. Dabei wird die Kernbindungsenergie von 28,3 MeV frei. Gekoppelt mit der Energieabnahme des Kerns von 28,3 MeV ist eine Massenabnahme von 0,03 u.
Abb. 1.6 zeigt den Massendefekt und die Kernbindungsenergie pro Nukleon mit zunehmender Nukleonenzahl der Nuklide. Ein Maximum tritt bei den Elementen Fe, Co, Ni auf. Erhöht sind die Werte bei den leichten Nukliden 4He, 12C und 16O. Durchschnittlich beträgt die Kernbindungsenergie pro Nukleon 8 MeV, der Massendefekt 0,0085 u. Freie Nukleonen haben im Mittel eine Masse von ca. 1,008 u, im Kern gebundene Nukleonen haben aufgrund des Massendefekts im Mittel eine Masse von 1,000 u, daher sind die Nuklidmassen annähernd ganzzahlig (vgl. Tabelle 1.2).
1.3 Kernreaktionen
11
Abbildung 1.6 Die Kernbindungsenergie pro Nukleon für Kerne verschiedener Massen beträgt durchschnittlich 8 MeV, sie durchläuft bei den Nukleonenzahlen um 60 ein Maximum, Kerne dieser Nukleonenzahlen sind besonders stabile Kerne. Die unterschiedliche Stabilität der Kerne spielt bei der Gewinnung der Kernenergie (vgl. Abschn. 1.3.3) und bei der Entstehung der Elemente (vgl. Abschn. 1.3.4) eine wichtige Rolle. Der durchschnittliche Massenverlust der Nukleonen durch ihre Bindung im Kern beträgt 0,0085 u, die durchschnittliche Masse eines gebundenen Nukleons beträgt daher 1,000 u.
1.3 Kernreaktionen Bei chemischen Reaktionen finden Veränderungen in der Elektronenhülle statt, die Kerne bleiben unverändert. Da der Energieumsatz nur einige eV beträgt, gilt das Gesetz der Erhaltung der Masse, die Massenänderungen sind experimentell nicht erfassbar. Bei Kernreaktionen ist die Veränderung des Atomkerns entscheidend, die Elektronenhülle spielt keine Rolle. Der Energieumsatz ist etwa 106 mal größer als bei chemischen Reaktionen. Als Folge davon treten messbare Massenänderungen auf, und es gilt das Masse-Energie-Äquivalenzprinzip. Beispiel: Bei der Bildung eines He-Kerns erfolgt eine Energieabgabe von 28,3 MeV, dies entspricht einer Massenabnahme von 0,03 u. Für 1 mol gebildete 42 He-Kerne, das sind 6 · 1023 Teilchen (vgl. Abschn. 3.1), beträgt die Massenabnahme 0,03 g. Ist bei einer chemischen Reaktion die Energieänderung 10 eV, dann erfolgt pro Mol nur eine Massenänderung von 10 Q8 g.
12
1 Atombau
1.3.1 Radioaktivität 1896 entdeckte Becquerel, dass Uranverbindungen spontan Strahlen aussenden. Er nannte diese Erscheinung Radioaktivität. 1898 wurde von Pierre und Marie Curie in der Pechblende, einem Uranerz, das radioaktive Element Radium entdeckt und daraus isoliert. 1903 erkannten Rutherford und Soddy, dass die Radioaktivität auf einen Zerfall der Atomkerne zurückzuführen ist und die radioaktiven Strahlen Zerfallsprodukte der instabilen Atomkerne sind. Instabile Nuklide wandeln sich durch Ausstoßung von Elementarteilchen oder kleinen Kernbruchstücken in andere Nuklide um. Diese spontane Kernumwandlung wird als radioaktiver Zerfall bezeichnet. Instabil sind hauptsächlich schwere Kerne, die mehr als 83 Protonen enthalten. Bei den natürlichen radioaktiven Nukliden werden vom Atomkern drei Strahlungsarten emittiert (Abb. 1.7).
Abbildung 1.7 Natürliche Radioaktivität. Schwere Kerne mit mehr als 83 Protonen sind instabil. Sie wandeln sich durch Aussendung von Strahlung in stabile Kerne um. Bei natürlichen radioaktiven Stoffen treten drei verschiedenartige Strahlungen auf. Vom Kern werden entweder α-Teilchen, Elektronen oder elektromagnetische Wellen ausgesandt. Die spontane Kernumwandlung wird als radioaktiver Zerfall bezeichnet.
1.3 Kernreaktionen
13
α-Strahlung. Sie besteht aus 42 He-Teilchen (Heliumkerne). β-Strahlung. Sie besteht aus Elektronen. γ-Strahlung. Dabei handelt es sich um eine energiereiche elektromagnetische Strahlung. Reichweite und Durchdringungsfähigkeit der Strahlungen nehmen in der Reihenfolge α, β, γ stark zu. Reichweite in Luft: α-Strahlung 3,5 cm, β-Strahlung 4 m. γ-Strahlung wird nur von Stoffen hoher Dichte absorbiert, z. B. von Blei der Dicke mehrerer cm. Kernprozesse können mit Hilfe von Kernreaktionsgleichungen formuliert werden. Beispiele: α-Zerfall: β-Zerfall:
226 222 4 88 Ra $% 86 Rn C 2 He 40 40 0 19 K $% 20 Ca C K1 e
Die Summe der Nukleonenzahlen und die Summe der Kernladungen (Protonenzahl) müssen auf beiden Seiten einer Kernreaktionsgleichung gleich sein. Die beim β-Zerfall emittierten Elektronen stammen nicht aus der Elektronenhülle, sondern aus dem Kern. Im Kern wird ein Neutron in ein Proton und ein Elektron umgewandelt, das Elektron wird aus dem Kern herausgeschleudert, das Proton verbleibt im Kern. 1 0n
$% 11 p C K10 e
Der radioaktive Zerfall ist mit einem Massendefekt verbunden. Die der Massenabnahme äquivalente Energie wird von den emittierten Teilchen als kinetische Energie aufgenommen. Beim α-Zerfall von 226 88 Ra beträgt der Massendefekt 0,005 u, das αTeilchen erhält die kinetische Energie von 4,78 MeV. Im Gegensatz dazu haben bei einem β-Zerfall die emittierten Elektronen keine scharfe Energie, sondern kontinuierliche Energiewerte bis zu einer Grenzenergie, die dem Massendefekt entspricht. Da dies den Energieerhaltungssatz verletzt, postulierte Pauli 1930, dass beim β-Zerfall zusammen mit dem Elektron ein weiteres Teilchen entsteht, das keine Ladung und Ruhemasse besitzt, das Antineutrino v˜ (Antiteilchen s. Abschn. 1.3.2). n $% p C e C v˜ Der Energieerhaltungssatz fordert, dass die Summe der Energien des Elektrons und des Antineutrinos konstant ist. Kernreaktionen können in der Nebelkammer sichtbar gemacht werden. Sie enthält übersättigten Alkoholdampf oder Wasserdampf, und auf der Bahn eines Kernteilchens entsteht ein „Kondensstreifen“, da es durch Zusammenstöße mit Gasmolekülen Ionen erzeugt, die als Kondensationskeime wirken. Radioaktive Verschiebungssätze Die Beispiele zeigen, dass beim radioaktiven Zerfall Elementumwandlungen auftreten. Beim α-Zerfall entstehen Elemente mit um zwei verringerter Protonenzahl (Kernladungszahl) Z und um vier verkleinerter Nukleonenzahl A.
14
1 Atombau A Z E1
4 $% AK4 ZK2 E2 C 2 He
Beim β-Zerfall entstehen Elemente mit einer um eins erhöhten Protonenzahl, die Nukleonenzahl ändert sich nicht. A Z E1
A $% ZC1 E2 C K10 e
Der γ-Zerfall führt zu keiner Änderung der Protonenzahl und der Nukleonenzahl, also zu keiner Elementumwandlung, sondern nur zu einer Änderung des Energiezustandes des Atomkerns. Befindet sich ein Kern in einem angeregten, energiereichen Zustand, so kann er durch Abgabe eines γ-Quants (vgl. Gl. 1.22) einen energieärmeren Zustand erreichen. Das bei einer radioaktiven Umwandlung entstehende Element ist meist ebenfalls radioaktiv und zerfällt weiter, so dass Zerfallsreihen entstehen. Am Ende einer Zerfallsreihe steht ein stabiles Nuklid. Die Glieder einer Zerfallsreihe besitzen aufgrund der Verschiebungssätze entweder die gleiche Nukleonenzahl (β-Zerfall) oder die Nukleonenzahlen unterscheiden sich um vier (α-Zerfall). Es sind daher vier verschiedene Zerfallreihen möglich, deren Glieder die Nukleonenzahlen 4n, 4n C 1, 4n C 2 und 4n C 3 besitzen (Tabelle 1.3). Die in der Natur vorhandenen schweren, radioaktiven Nuklide sind Glieder einer der Zerfallsreihen. Tabelle 1.3 Radioaktive Zerfallsreihen Zerfallsreihe
Nukleonenzahlen
Ausgangsnuklid
Stabiles Endprodukt
Abgegebene α
Teilchen β
Thoriumreihe Neptuniumreihe
4n 4nC1
4 4
4nC2
8
6
Actinium-Uran-Reihe
4nC3
208 82 Pb 209 83 Bi 206 82 Pb 207 82 Pb
6 7
Uran-Radium-Reihe
232 90 Th 237 93 Np 238 92 U 235 92 U
7
4
Die Neptuniumreihe kommt in der Natur nicht vor (vgl. S. 19). Sie wurde erst nach der Darstellung von künstlichem Neptunium aufgefunden. Die einzelnen Glieder der Uran-Radium-Reihe zeigt Tabelle 1.4. Außer bei den schweren Elementen tritt natürliche Radioaktivität auch bei eini87 gen leichten Elementen auf, z. B. bei den Nukliden 31 H, 146 C, 40 19 K, 37 Rb. Bei diesen Nukliden tritt nur β-Strahlung auf. Aktivität, Energiedosis, Äquivalentdosis Die Aktivität A einer radioaktiven Substanz ist definiert als Anzahl der Strahlungsemissionsakte durch Zeit. Ihre SI-Einheit ist das Becquerel (Bq). 1 Becquerel ist die Aktivität einer radioaktiven Substanzportion, in der im Mittel genau ein Strahlungsemissionsakt je Sekunde stattfindet. 1 Bq Z 1 sK1
1.3 Kernreaktionen
15
Die früher übliche Einheit war das Curie (Ci; 1 g Radium hat die Aktivität 1 Ci). 1 Ci Z 3,7 · 1010 Bq Z 37 GBq Die Energiedosis D ist die einem Körper durch ionisierende Strahlung zugeführte massenbezogene Energie. Die SI-Einheit ist das Gray (Gy). 1 Gy Z 1 JkgK1 Für die Strahlenwirkung muss die medizinisch-biologische Wirksamkeit (MBW) durch einen Bewertungsfaktor q berücksichtigt werden. Strahlungsart
Bewertungsfaktor q
Röntgen-Strahlen, γ-Strahlen β-Strahlen Protonen Neutronen unbekannter Energie α-Strahlen, schwere Ionen
1 1 5 10 20
Durch Multiplikation der Energiedosis mit dem Bewertungsfaktor der Strahlung erhält man die Äquivalentdosis Dq mit der SI-Einheit Sievert (Sv): Dq Z q · D. Die max. tolerierbare Strahlenbelastung beträgt für beruflich strahlenexponierte Personen 20 mSv.Jahr. Die Belastung durch natürliche Radioaktivität beträgt in Deutschland im Mittel 2,2 mSv.Jahr. Fast die gesamte zivilisatorische Strahlenbelastung von ca. 1,9 mSv.Jahr stammt aus medizinischer Anwendung. Die Einheiten Rad (rd) für die Energiedosis und Rem (rem) für die Äquivalentdosis sind nicht mehr zugelassen (vgl. Anhang 1). Radioaktive Zerfallsgeschwindigkeit Der radioaktive Zerfall kann nicht beeinflusst werden. Der Kernzerfall erfolgt völlig spontan und rein statistisch. Dies bedeutet, dass pro Zeiteinheit immer der gleiche Anteil der vorhandenen Kerne zerfällt. Die Anzahl der pro Zeiteinheit zerfallenen dN Kerne K ist also proportional der Gesamtanzahl radioaktiver Kerne N und einer dt für jede instabile Nuklidsorte typischen Zerfallskonstante λ dN K Z λN (1.1) dt Durch Integration erhält man Nt
t dN Z K Eλdt N0 N 0 N0 ln Z λt Nt
E
Nt Z N0 eKλt
(1.2) (1.3) (1.4)
N0 ist die Anzahl der radioaktiven Kerne zur Zeit t Z 0, Nt die Anzahl der noch nicht zerfallenen Kerne zur Zeit t. Nt nimmt mit der Zeit exponentiell ab (vgl. Abb. 1.8). Der radioaktive Zerfall ist ein Beispiel für eine Reaktion 1. Ordnung (s. Abschn. 3.6).
16
1 Atombau
Abbildung 1.8 Graphische Wiedergabe des Zerfalls einer radioaktiven Substanz in a) linearer b) logarithmischer Darstellung. Der Zerfall erfolgt nach einer Exponentialfunktion (Gleichung 1.4). Radium hat eine Halbwertzeit von t1.2 Z 1600 Jahre. Sind zur Zeit t Z 0 1022 RaAtome vorhanden, dann sind nach Ablauf der 1. Halbwertzeit 0,5 · 1022 Ra-Atome zerfällen. Von den noch vorhandenen 0,5 · 1022 Ra-Atomen zerfällt in der 2. Halbwertzeit wieder die Hälfte. Nach Ablauf von zwei Halbwertzeiten 2 · t1.2 Z 3200 Jahre sind 0,25 · 1022 Ra-Atome, also 25%, noch nicht zerfallen.
Als Maß für die Stabilität eines instabilen Nuklids wird die Halbwertszeit t1.2 benutzt. Es ist die Zeit, während der die Hälfte eines radioaktiven Stoffes zerfallen ist (Abb. 1.8).
1.3 Kernreaktionen
Nt1.2 Z
N0 2
17
(1.5)
Die Kombination von Gl. (1.3) mit Gl. (1.5) ergibt t1.2 Z
0,693 ln 2 Z λ λ
(1.6)
Die Halbwertszeit ist für jede instabile Nuklidsorte eine charakteristische Konstante. Die Halbwertszeiten liegen zwischen 10K9 Sekunden und 1014 Jahren (s. z. B. Tabelle 1.4). Radioaktives Gleichgewicht In einer Zerfallsreihe existiert zwischen einem Mutternuklid und seinem Tochternuklid ein radioaktives Gleichgewicht. Die Anzahl der pro Zeiteinheit zerfallenden Kerne des Mutternuklids 1 K
dN1 Z λ1 N1 dt
ist natürlich gleich der Anzahl der gebildeten Kerne des Tochternuklids 2. Für die Anzahl der pro Zeiteinheit zerfallenden Kerne des Tochternuklids 2 gilt K
dN2 Z λ2 N2 dt
Zu Beginn des radioaktiven Zerfalls ist die Bildungsgeschwindigkeit der Kerne 2 größer als ihre Zerfallsgeschwindigkeit. Mit wachsender Anzahl der Kerne 2 nimmt ihre Zerfallsgeschwindigkeit zu. Schließlich wird ein Gleichgewichtszustand erreicht, für den gilt Bildungsgeschwindigkeit Z Zerfallsgeschwindigkeit der Kerne 2 der Kerne 2 dN2 dN1 Z K dt dt λ1 N1 Z λ2 N2
K
und bei Berücksichtigung von Gl. (1.6) (t1.2)1 N1 Z N2 (t1.2)2 In einer Zerfallsreihe ist das Mengenverhältnis zweier Kernarten durch das Verhältnis ihrer Halbwertszeiten bestimmt. Beispiel: Uran-Radium-Zerfallsreihe (vgl. Tabelle 1.4)
18
1 Atombau
238 92 U
234 234 234 #######% 9 90 Th #####% 91 Pa #####% 92 U t1.2 Z 24,1 Tage
t1.2 Z 4,5 · 10 Jahre
t1.2 Z 1,17 min
230 ######% 5 90 Th $% t1.2 Z 2,47·10 Jahre
N( 238 U)
N( 234 Th) N( 238 U) N( 234 U)
Z
Z
365 $ 4,5 $ 109 Tage 24,1 Tage 4,5 $ 109 Jahre
2,47 $ 105 Jahre
Z 6,8 $ 1010
Z 1,8 $ 104
Altersbestimmungen Da die radioaktive Zerfallsgeschwindigkeit durch äußere Bedingungen wie Druck und Temperatur nicht beeinflussbar ist und auch davon unabhängig ist, in welcher chemischen Verbindung ein radioaktives Nuklid vorliegt, kann der radioaktive Zerfall als geologische Uhr verwendet werden. Es sollen zwei Anwendungen besprochen werden. 14 C-Methode (Libby 1947). In der oberen Atmosphäre wird durch kosmische Strahlung aufgrund der Reaktion (vgl. Abschn. 1.3.2) 14 7N C n
$% 146 C C p
in Spuren radioaktives 14C erzeugt. 14C ist ein β-Strahler mit der Halbwertszeit t1.2 Z 5 730 Jahre, es ist im Kohlenstoffdioxid der Atmosphäre chemisch gebunden. Im Lauf der Erdgeschichte hat sich ein konstantes Verhältnis von radioaktivem CO2 zu inaktivem CO2 eingestellt. Da bei der Assimilation die Pflanzen CO2 aufnehmen, wird das in der Atmosphäre vorhandene Verhältnis von radioaktivem Kohlenstoff zu inaktivem Kohlenstoff auf Pflanzen und Tiere übertragen. Nach dem Absterben hört der Stoffwechsel auf, und der 14C-Gehalt sinkt als Folge des radioaktiven Zerfalls. Misst man den 14C-Gehalt, kann der Zeitpunkt des Absterbens bestimmt werden. Das Verhältnis 14C : 12C in einem z. B. vor 5 730 Jahren gestorbenen Lebewesen ist gerade halb so groß wie bei einem lebenden Organismus. Radiokohlenstoff-Datierungen sind mit konventionellen Messungen bis zu Altern von 60 000 Jahren möglich. Durch Isotopenanreicherung konnte die Datierung bis auf 75 000 Jahre ausgedehnt werden. Die Methode ist also besonders für archäologische Probleme geeignet. Die Altersbestimmung von Tonscherben ist durch die Analyse eingelagerter Lipide möglich. Alter von Mineralien. 238 92 U zerfällt in einer Zerfallsreihe in 14 Schritten zu stabilem 206 P b (Tabelle 1.4). Dabei entstehen acht α-Teilchen. Die Halbwertszeit des 82 9 ersten Schrittes ist mit 4,5 · 10 Jahren die größte der Zerfallsreihe und bestimmt die 9 Geschwindigkeit des Gesamtzerfalls. Aus 1 g 238 92 U entstehen z. B. in 4,5 · 10 Jahren 238 206 0,5 g 92 U, 0,4326 g 82 Pb und 0,0674 g Helium (aus α-Strahlung). Man kann daher 238 4 238 aus den experimentell bestimmten Verhältnissen 206 82 Pb. 92 U und 2 He. 92 U das Alter von Uranmineralien berechnen.
1.3 Kernreaktionen
19
Tabelle 1.4 Uran-Radium-Zerfallsreihe Nuklid
Halbwertszeit t1.2
Nuklid
Halbwertszeit t1.2
Nuklid
238 92 U
4,51 · 109 Jahre
226 88 Ra
1600 Jahre
214 84 Po
234 90 Th 234 91 Pa 234 92 U 230 90 Th
24,1 Tage 1,17 Minuten 2,47 · 105 Jahre
222 86 Rn 218 84 Po 214 82 Pb 214 83 Bi
3,83 Tage 3,05 Minuten 26,8 Minuten
210 82 Pb 210 83 Bi 210 84 Po 206 82 Pb
8,0 · 104 Jahre
19,7 Minuten
Halbwertszeit t1.2 1,64 · 10K4 Sekunden 21 Jahre 5,01 Tage 138,4 Tage stabil
87 40 40 Bei anderen Methoden werden die Verhältnisse 87 38 Sr. 37 Rb bzw. 18 Ar. 19 K ermittelt. Durch Messung von Nuklidverhältnissen wurden z. B. die folgenden Alter bestimmt: Steinmeteorite 4,6 · 109 Jahre; Granodiorit aus Kanada (ältestes Erdgestein) 4,0 · 109 Jahre; Mondproben 3,6K4,2 · 109 Jahre. 232 235 9 10 Jahre, Wie bei 238 92 U betragen die Halbwertszeiten von 90 Th und 92 U 10 K10 alle drei Zerfallsreihen (vgl. Tabelle 1.3) sind daher in der Natur vorhanden. Im Gegensatz dazu ist die Neptuniumreihe bereits zerfallen, da die größte Halbwertszeit in 6 der Reihe (t1.2 von 237 93 Np beträgt 2 · 10 Jahre) sehr viel kleiner als das Erdalter ist.
1.3.2 Künstliche Nuklide Beim natürlichen radioaktiven Zerfall erfolgen Elementumwandlungen durch spontane Kernreaktionen. Kernreaktionen können erzwungen werden, wenn man Kerne mit α-Teilchen, Protonen, Neutronen, Deuteronen (21 H-Kerne) u. a. beschießt. Die erste künstliche Elementumwandlung gelang Rutherford 1919 durch Beschuss von Stickstoffkernen mit α-Teilchen. 14 4 7 N C 2 He
$% 178 O C 11 H
Dabei entsteht das stabile Sauerstoffisotop 178 O. Eine andere gebräuchliche Schreibweise ist 147 N (α, p) 178 O. Die Kernreaktion 9 4 4 Be C 2 He
$% 126 C C n
führte 1932 zur Entdeckung des Neutrons durch Chadwick. Die meisten durch erzwungene Kernreaktionen gebildeten Nuklide sind instabile radioaktive Nuklide und zerfallen wieder. Die künstliche Radioaktivität wurde 1934 von Joliot und I. Curie beim Beschuss von Al-Kernen mit α-Teilchen entdeckt. Zunächst entsteht ein in der Natur nicht vorkommendes Phosphorisotop, das mit einer Halbwertszeit von 2,5 Minuten unter Aussendung von Positronen zerfällt 27 4 13 Al C 2 He
$% 30 15 P C n;
30 15 P
0 C $% 30 14 Si C 1 e
Positronen (eC) sind Elementarteilchen, die die gleiche Masse wie Elektronen besitzen, aber eine positive Elementarladung tragen.
20
1 Atombau
Elektronen und Positronen sind Antiteilchen. Es gibt zu jedem Elementarteilchen ein Antiteilchen, z. B. Antiprotonen und Antineutronen. Treffen Teilchen und Antiteilchen zusammen, so vernichten sie sich unter Aussendung von Photonen (Zerstrahlung). Umgekehrt kann aus Photonen ein Teilchen-Antiteilchen-Paar entstehen (Paarbildung). Schon 1933 fanden Joliot und Curie, dass aus einem γ-Quant der Mindestenergie 1,02 MeV ein Elektron-Positron-Paar entsteht. Durch Kernreaktionen sind eine Vielzahl künstlicher Nuklide hergestellt worden. Zusammen mit den 340 natürlichen Nukliden sind zur Zeit insgesamt ungefähr 2 600 Nuklide bekannt, davon sind ca. 2 200 radioaktiv. Die größte Ordnungszahl der natürlichen Elemente besitzt Uran (Z Z 92). Mit Hilfe von Kernreaktionen ist es gelungen, die in der Natur nicht vorkommenden Elemente der Ordnungszahlen 93K116 und 118 (Transurane) herzustellen (vgl. Abschn. 1.3.3 und Anhang 2, Tabelle 1). Technisch wichtig ist Plutonium. Die äußerst kurzlebigen Elemente mit Z R 107 wurden durch Reaktion schwerer Kerne hergestellt, z. B. Meitnerium mit Z Z 109 nach 209 58 266 83 Bi (26 Fe, n) 109 Mt
Künstliche radioaktive Isotope gibt es heute praktisch von allen Elementen. Sie haben u. a. große Bedeutung für diagnostische und therapeutische Zwecke in der Medizin. Zum Beispiel werden 131I (Iod) zur Schildrüsenfunktionsprüfung, 226Ra (Radium) und 60 Co (Cobalt) zur Strahlentherapie verwendet. Als Indikatoren dienen sie z. B. zur Aufklärung von Reaktionsmechanismen und zur Untersuchung von Diffusionsvorgängen in Festkörpern. Eine wichtige spurenanalytische Methode ist die NeutronenAktivierungsanalyse (Empfindlichkeit 10K12 g.g). Das in Spuren vorhandene Element wird durch Neutronenbeschuss zu einem radioaktiven Isotop aktiviert. Die charakteristische Strahlung des Isotops ermöglicht die Identifizierung und quantitative Bestimmung des Elements.
1.3.3 Kernspaltung, Kernfusion Eine völlig neue Reaktion des Kerns entdeckten 1938 Hahn und Straßmann beim Beschuss von Uran mit langsamen Neutronen: 235 92 U C n
$% 236 92 U* $% X C Y C 1 bis 3n C 200 MeV
Durch Einfang eines Neutrons entsteht aus 235 92 U ein instabiler Zwischenkern (* bezeichnet einen angeregten Zustand), der unter Abgabe einer sehr großen Energie in zwei Kernbruchstücke X, Y und 1 bis 3 Neutronen zerfällt. Diese Reaktion bezeichnet man als Kernspaltung (Abb. 1.9). X und Y sind Kernbruchstücke mit Nukleonenzahlen von etwa 95 und 140. Eine mögliche Reaktion ist 236 92 U*
%$92 142 36 Kr C 56 Ba C 2n
Der große Energiegewinn bei der Kernspaltung entsteht dadurch, dass beim Zerfall des schweren Urankerns in zwei leichtere Kerne die Bindungsenergie um etwa 0,8 MeV pro
1.3 Kernreaktionen
21
Abbildung 1.9 Kernspaltung. Beim Beschuss mit Neutronen spaltet der Urankern 235U durch Einfang eines Neutrons in zwei Bruchstücke. Außerdem entstehen Neutronen, und der Energiebetrag von 200 MeV wird frei.
Nukleon erhöht wird (vgl. Abb. 1.6). Für 230 Nukleonen kann daraus eine Bindungsenergie von etwa 190 MeV abgeschätzt werden, die bei der Kernspaltung frei wird. Bei jeder Spaltung entstehen Neutronen, die neue Kernspaltungen auslösen können. Diese Reaktionsfolge bezeichnet man als Kettenreaktion. Man unterscheidet ungesteuerte und gesteuerte Kettenreaktionen. Bei der ungesteuerten Kettenreaktion
Abbildung 1.10 Schema der ungesteuerten Kettenreaktion. Bei jeder 235U-Kernspaltung entstehen durchschnittlich drei Neutronen. Davon lösen im Mittel zwei Neutronen neue Kernspaltungen aus (k Z 2). Die Zahl der Spaltungen wächst dadurch lawinenartig an.
22
1 Atombau
führt im Mittel mehr als eines der bei einer Kernspaltung entstehenden 1 bis 3 Neutronen zu einer neuen Kernspaltung. Dadurch wächst die Zahl der Spaltungen lawinenartig an. Dies ist schematisch in der Abb. 1.10 dargestellt. Man definiert als Multiplikationsfaktor k die durchschnittlich pro Spaltung erzeugte Zahl der Neutronen, durch die neue Kernspaltungen ausgelöst werden. Bei ungesteuerten Kettenreaktionen ist k O 1. Bei der in Abb. 1.10 dargestellten ungesteuerten Kettenreaktion beträgt k Z 2. Bei der gesteuerten Kettenreaktion muss k Z 1 sein. Pro Spaltung ist also im Durchschnitt 1 Neutron vorhanden, das wieder eine Spaltung auslöst. Dadurch entsteht eine einfache Reaktionskette (vgl. Abb. 1.11). Wird k ! 1, erlischt die Kettenreaktion. Um eine Kettenreaktion mit gewünschtem Multiplikationsfaktor zu erhalten, müssen folgende Faktoren berücksichtigt werden: Konkurrenzreaktionen. Verwendet man natürliches Uran als Spaltstoff, so werden die bei der Spaltung entstehenden schnellen Neutronen bevorzugt durch das viel häufigere Isotop 238 92 U in einer Konkurrenzreaktion abgefangen: 238 92 U C nschnell
$% 239 92 U
Damit die Kettenreaktion nicht erlischt, müssen die Neutronen an Bremssubstanzen (z. B. Graphit) durch elastische Stöße verlangsamt werden, erst dann reagieren sie bevorzugt mit 235U. Neutronenverlust. Ein Teil der Neutronen tritt aus der Oberfläche des Spaltstoffes aus und steht nicht mehr für Kernspaltungen zur Verfügung. Abhängig von der Art des Spaltstoffes, der Geometrie seiner Anordnung und seiner Umgebung wird erst bei einer Mindestmenge spaltbaren Materials (kritische Masse) k O 1. Neutronenabsorber. Neutronen lassen sich durch Absorption an Cadmiumstäben oder Borstäben aus der Reaktion entfernen. Dadurch lässt sich die Kettenreaktion kontrollieren und verhindern, dass die gesteuerte Kettenreaktion in eine ungesteuerte Kettenreaktion übergeht. Abb. 1.11 zeigt schematisch an einer gesteuerten Kettenreaktion, dass von drei Neutronen ein Neutron aus der Oberfläche austritt, ein weiteres durch Konkurrenzreaktion verbraucht wird, während das dritte die Kettenreaktion erhält. Die gesteuerte Kettenreaktion wird in Atomreaktoren benutzt. Der erste Reaktor wurde bereits 1942 in Chicago in Betrieb genommen. Atomreaktoren dienen als Energiequellen und Stoffquellen. 1 kg 235U liefert die gleiche Energie wie 2,5 · 106 kg Steinkohle. Die bei der Spaltung frei werdenden Neutronen können zur Erzeugung radioaktiver Nuklide und neuer Elemente (z. B. Transurane) genutzt werden. Von den natürlich vorkommenden Nukliden ist nur 235U mit langsamen Neutronen spaltbar. Sein Anteil an natürlichem Uran beträgt 0,71%. Als Kernbrennstoff wird natürliches Uran oder mit 235 92 U angereichertes Uran verwendet. Mit langsamen (thermischen) Neutronen spaltbar sind außerdem das Uranisotop 233U und das Plutoniumisotop 239Pu. Diese Isotope können im Atomreaktor nach den folgenden Reaktionen hergestellt werden: 238 92 U
Cn
Kβ
K
Kβ
K
239 239 $$% 239 92 U $$% 93 Np $$% 94 Pu
1.3 Kernreaktionen
23
Abbildung 1.11 Schema der gesteuerten Kettenreaktion. Bei der Spaltung von 235U entstehen drei Neutronen. Nur ein Neutron steht für neue Spaltungen zur Verfügung (k Z 1). Es entsteht eine unverzweigte Reaktionskette. Ein Neutron tritt aus der Oberfläche des Spaltstoffes aus, ein weiteres wird von 238U eingefangen.
K
K
Cn 233 Kβ 233 Kβ 233 232 90 Th $$% 90 Th $$% 91 Pa $$% 92 U
In jedem mit natürlichem Uran arbeitenden Reaktor wird aus dem Isotop 238U Plutonium, also spaltbares Material erzeugt. Ein Reaktor mit einer Leistung von 106 kW liefert täglich 1 kg Plutonium. In Atomreaktoren erfolgt also Konversion in spaltbares Material. Man bezeichnet als Konversionsgrad K das Verhältnis der Anzahl erzeugter spaltbarer Kerne zur Anzahl verbrauchter spaltbarer Kerne. Ist K O 1, wird mehr spaltbares Material erzeugt, als verbraucht wird. Man nennt solche Reaktoren Brutreaktoren. Das erste Kernkraftwerk wurde 1956 in England in Betrieb genommen. 2006 waren weltweit 441 Kernkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 368 000 MW in Betrieb (im Bau 24, geplant 41), die 16% des elektrischen Stroms lieferten. In Deutschland waren es 17 mit 20 000 MW, die 32% des elektrischen Stroms erzeugten und 3 460 t Uran erforderten. In den folgenden 10 Jahren werden weltweit bei einer Laufzeit von 40 Jahren 80 Anlagen auslaufen. Als Kernbrennstoff wird na-
24
1 Atombau
türliches Uran oder an 235 U angereichertes Uran verwendet, der Konversionsgrad beträgt ca. 0,8. Bei einer ungesteuerten Kettenreaktion wird die Riesenenergie der Kernspaltungen explosionsartig frei. Die in Hiroschima 1945 eingesetzte Atombombe bestand aus 235 92 U (50 kg, entsprechend einer Urankugel von 8,5 cm Radius), die zweite 1945 in Nagasaki abgeworfene A-Bombe bestand aus 239 94 Pu. Kernenergie kann nicht nur durch Spaltung schwerer Kerne, sondern auch durch Verschmelzung sehr leichter Kerne erzeugt werden, z. B. bei der Umsetzung von Deuteronen mit Tritonen zu He-Kernen: 2
H C 3 H $% 4 He C n
Abb. 1.6 zeigt, dass sich bei dieser Reaktion die Kernbindungsenergie pro Nukleon erhöht und daher Energie abgegeben wird. Zur Kernverschmelzung sind hohe Teilchenenergien erforderlich, so dass Temperaturen von 107K108 K benötigt werden. Man bezeichnet daher diese Reaktionen als thermonukleare Reaktionen. Die Kernfusion ist technisch in der erstmalig 1952 erprobten Wasserstoffbombe realisiert. Als Fusionsbrennstoff verwendet man festes Lithiumdeuterid 6LiD. Die zur thermonuklearen Reaktion notwendige Temperatur wird durch Zündung einer Atombombe erreicht. 6Li liefert durch Reaktion mit Neutronen das erforderliche Tritium. Die Kernfusion verläuft nach folgendem Reaktionsschema: 6 3 4 3Li C n $% 1H C 2He 2 3 4 1H C 1H $% 2He C n
Gesamtreaktion
6 3LiD
$% 2 42He C 22 MeV
Die Sprengkraft der größten H-Bombe entsprach (50K60) · 106 Tonnen Trinitrotoluol (TNT). Dies ist mehr als das tausendfache der in Hiroshima abgeworfenen A-Bombe, deren Sprengkraft 12,5 · 103 t TNT betrug. Die kontrollierte Kernfusion zur Energieerzeugung ist technisch noch nicht möglich. Dazu müssen im Reaktor Temperaturen von 108 K erzeugt werden. Bisher konnten Fusionsreaktionen nur eine sehr kurze Zeit aufrechterhalten werden. Die Energiegewinnung durch Kernfusion hat gegenüber der durch Kernspaltung zwei wesentliche Vorteile. Im Gegensatz zu spaltbarem Material sind die Rohstoffe zur Kernfusion in beliebiger Menge vorhanden. Bei der Kernfusion entstehen weniger langlebige αStrahler, die sicher endgelagert werden müssen. Eine über lange Zeiträume sichere Endlagerung existiert gegenwärtig noch nicht. (2000 betrug allein in den USA die zwischengelagerte Menge radioaktiven Mülls aus ziviler Nutzung 42 000 t.) Kommerzielle Fusionskraftwerke wird es aber nicht vor Mitte des Jahrhunderts geben. Der Kernfusionsreaktor ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor; hat aber auch die lateinische Bedeutung ,der Weg‘) soll als internationales Forschungsprojekt in Frankreich gebaut werden (Kosten 10 Milliarden Euro) und 2015 in Betrieb gehen.
1.3 Kernreaktionen
25
1.3.4 Kosmische Elementhäufigkeit, Elemententstehung1 Da die Zusammensetzung der Materie im gesamten Kosmos ähnlich ist, ist es sinnvoll eine mittlere kosmische Häufigkeitsverteilung der Elemente anzugeben (Abb. 1.12). Etwa 2.3 der Gesamtmasse des Milchstrassensystems besteht aus Wasserstoff (1H), fast 1 .3 aus Helium (4He), alle anderen Kernsorten tragen nur wenige Prozente bei. Schwerere Elemente als Eisen sind nur zu etwa einem Millionstel Prozent vorhanden. Elemente mit gerader Ordnungszahl sind häufiger als solche mit ungerader Ordnungszahl. Die Entstehung der Elemente ist mit der Geschichte unseres Universums zu verstehen. Unser Universum entstand in einem Urknall (Big Bang) vor 14 Milliarden Jahren. Nach 10K33 s bestand das Universum aus einem Gemisch aus Teilchen und Antiteilchen (Quarks, Elektronen, Neutrinos, Photonen) mit einer Temperatur von 1027 K. Nach 10K6 s und einer Temperatur von 1013 K entstanden daraus Neutronen und Protonen. In den nächsten 3K4 Minuten erfolgten bei einer Temperatur von ca. 109 K im gesamten Universum Fusionsreaktionen. Danach bestand das Universum aus Atomkernen mit 75% Wasserstoff, 24% Helium, 0,002% Deuterium und 0,00000001% Lithium. Erst als nach 400 000 Jahren die Temperatur auf etwa 3 000 K gefallen war, konnten die Atomkerne Elektronen einfangen und das Universum enthielt dann ein homogen verteiltes Gasgemisch aus Wasserstoff und Helium. In den folgenden 200 Millionen Jahren stagnierte die Entwicklung der Elemente. In dieser Zeit bildeten sich durch Gravitation massereiche Gasbälle aus Wasserstoff und Helium und nachdem der Druck auf 200 Milliarden bar und die Temperatur auf 45 Millionen K anstieg, fusionierte Wasserstoff zu Helium, es entstanden die Ursterne. Sie hatten Massen von einigen hundert bis tausend Sonnenmassen, ihre Lebenszeit betrug nur einige Millionen Jahre. Sie erbrüteten die ersten schweren Elemente bis zum Element Eisen (56Fe), die sie beim Ableben in Supernovaexplosionen in das umgebende Wolkengas schleuderten. Die nächste Sterngeneration enthielt nun bereits diese schwereren Elemente. Heute ist die Mehrzahl der Sterne masseärmer als die Sonne und ihre Lebensdauer beträgt Milliarden Jahre. Die Entstehung der meisten Elemente kann man mit den im Inneren der Sterne ablaufenden Fusionsprozessen erklären. Sie lassen sich für alle Sternpopulationen einheitlich beschreiben. Sterne unterschiedlicher Masse haben aber eine unterschiedliche Geschichte. Die erste Phase der Fusionsprozesse ist das Wasserstoffbrennen. Bei etwa 15 Millionen K verschmelzen vier Protonen zu einem Heliumkern. 4 11H $% 42He C 2 eC Pro He-Kern wird dabei die Energie von 25 MeV frei. Diese Reaktion läuft in unserer Sonne ab, und sie liefert die von der Sonne laufend ausgestrahlte Energie. Pro Sekunde werden 7 · 1014g Wasserstoff verbrannt. Das Wasserstoffbrennen dauert bei den Sternen von der Größe unserer Sonne etwa 10 Milliarden Jahre. Nach dem Ausbrennen des Wasserstoffs erfolgt eine Kontraktion des Sternzentrums, Druck und 1
Ausführlicher in Chem. Unserer Zeit 2005, 39, 100: Jörn Müller, Harald Lesch: Die Entstehung der chemischen Elemente.
26
1 Atombau
Abbildung 1.12 Kosmische Häufigkeitsverteilung der Elemente. Die Häufigkeiten der Elemente sind in Teilchenanzahlen bezogen auf den Wert 106 für Si angegeben.
Temperatur erhöhen sich, und es folgt die Phase des Heliumbrennens, die nur etwa 50 Millionen Jahre dauert. Aus drei α-Teilchen entsteht 12 C, und durch Einfangen von α-Teilchen entstehen 16 O und in geringer Menge 20 Ne, 24 Mg und 28 Si. Am Ende des Heliumbrennens bläht sich der Stern zu einem Roten Riesen auf mit einem Vielfachen des Sonnenradius und der Sonnenleuchtkraft. Die äußeren Gasschichten können nicht mehr durch Gravitation festgehalten werden und bis zu 60% der Sternenmasse wird in den interstellaren Raum geschleudert, damit auch die durch Fusion entstandenen schweren Elemente. Das Ende des Sterns ist ein Weißer Zwerg, ein Materiehaufen aus Kohlenstoff und Sauerstoff. In Sternen mit mehr als acht Sonnenmassen sind bis zum Heliumbrennen die Fusionsreaktionen nahezu gleich, aber sie laufen viel schneller ab. Druck und Temperatur erhöhen sich auf Werte, bei denen weitere Fusionsprozesse ablaufen. Bei einer Milliarde Grad beginnt das Neonbrennen (Fusionsprodukte 20 Ne, 24 Mg, 28 Si), bei zwei Milliarden Grad das Sauerstoffbrennen (Fusionsprodukte 24 Mg, 28 Si, 31 S, 31 P, 32 S), bei drei Milliarden Grad das Siliciumbrennen (Fusionsprodukte Ni, Fe).
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
27
Nach dem Siliciumbrennen explodiert der Stern in einer gewaltigen Explosion, einer Supernova. Die gesamte Hülle wird vom Kern abgesprengt und mit den erbrüteten Elementen Millionen Lichtjahre weggeschleudert. Es entsteht eine Leuchtkraft, die für kurze Zeit die Leuchtkraft aller Sterne einer Galaxie übertrifft. Übrig bleibt ein nur wenige Kilometer großer, superdichter Neutronenstern. Eisen ist das Element mit der größten Kernbindungsenergie pro Nukleon (vgl. Abschn. 1.2.3). Die auf Eisen folgenden Elemente können daher nicht durch thermonukleare Reaktionen gebildet werden, sondern sie entstehen durch Neutronenanlagerung und anschließenden β-Zerfall (n, β-Reaktion). Durch langsamen Neutroneneinfang (s-Prozess) entstehen schwerere Isotope, bis schließlich ein instabiles radioaktives Isotop gebildet wird. Durch Umwandlung eines Kernneutrons in ein Proton und Emission eines Elektrons (vgl. Abschn. 1.3.1) entsteht daraus das nächst höhere Element. Durch schrittweisen Aufbau entstehen Elemente bis Bismut. Dort stoppt der Prozess, da bei weiterer Anlagerung von Neutronen radioaktive Kerne entstehen, die α-Teilchen abspalten. Die schwereren Elemente wie Thorium und Uran entstehen durch schnelle Neutronenanlagerung (r-Prozess). Bei sehr hohen Neutronendichten, die bei Supernovaexplosionen auftreten, können sich in kurzer Zeit mehrere Neutronen anlagern, ohne dass dieser Prozess durch β-Zerfall unterbrochen wird. Es entstehen neutronenreiche Kerne und aus diesen durch sukzessiven β-Zerfall die schweren Elemente. Die Elemente unserer Erde sind also Produkte sehr alter Sternentwicklungen.
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle 1.4.1 Bohr’sches Modell des Wasserstoffatoms Für die chemischen Eigenschaften der Atome ist die Struktur der Elektronenhülle entscheidend. Schon 1913 entwickelte Bohr für das einfachste Atom, das Wasserstoffatom, ein Atommodell. Er nahm an, dass sich in einem Wasserstoffatom das Elektron auf einer Kreisbahn um das Proton bewegt (vgl. Abb. 1.13).
Abbildung 1.13 Bohr’sches Wasserstoffatom. Das Elektron bewegt sich auf einer Kreisbahn mit der Geschwindigkeit υ um das Proton. Die elektrische Anziehungskraft zwischen Proton und Elektron (Zentripetalkraft) zwingt das Elektron auf die Kreisbahn. Für eine stabile Umlaufbahn muss die Zentripetalkraft gleich der Zentrifugalkraft des umlaufenden Elektrons sein.
28
1 Atombau
Zwischen elektrisch geladenen Teilchen treten elektrostatische Kräfte auf. Elektrische Ladungen verschiedenen Vorzeichens ziehen sich an, solche gleichen Vorzeichens stoßen sich ab. Die Größe der elektrostatischen Kraft wird durch das Coulomb’sche Gesetz beschrieben. Es lautet FZf$
Q1 $ Q2 r2
(1.7)
Die auftretende Kraft ist dem Produkt der elektrischen Ladungen Q1 und Q2 direkt, dem Quadrat ihres Abstandes r umgekehrt proportional. Der Zahlenwert des Proportionalitätsfaktors f ist vom Einheitensystem abhängig. Er beträgt im SI für den leeren Raum 1 4πε0 ε0 Z 8,854 $ 10K12 A2 s4 kgK1 mK3 fZ
ε0 ist die elektrische Feldkonstante (Dielektrizitätskonstante des Vakuums). Setzt man in Gl. (1.7) die elektrischen Ladungen in Coulomb (1 C Z 1 As) und den Abstand in m ein, so erhält man die elektrostatische Kraft in Newton (1 N Z 1 kg m sK2). Zwischen dem Elektron und dem Proton existiert also nach dem Coulomb’schen Gesetz die e2 elektrische Anziehungskraft Fe1 Z K 4πε0 r 2 r bedeutet Radius der Kreisbahn. Bewegt sich das Elektron mit einer Bahngeschwindigkeit υ um den Kern, besitzt es die m υ2 Zentrifugalkraft Fz Z r wobei m die Masse des Elektrons bedeutet. Für eine stabile Umlaufbahn muss die Bedingung gelten: Die Zentrifugalkraft des umlaufenden Elektrons ist entgegengesetzt gleich der Anziehungskraft zwischen dem Kern und dem Elektron, also KFe1 Z Fz e2 bzw.
4πε0 r
Z 2
m υ2 r
e2 Z m υ2 4πε0 r
(1.8) (1.9)
Wir wollen nun die Energie eines Elektrons berechnen, das sich auf einer Kreisbahn bewegt. Die Gesamtenergie des Elektrons ist die Summe von kinetischer Energie und potenzieller Energie. E Z Ekin C Epot
(1.10)
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
29
Ekin ist die Energie, die von der Bewegung des Elektrons stammt. Ekin Z
m υ2 2
(1.11)
Epot ist die Energie, die durch die elektrische Anziehung zustande kommt. r
Epot Z E
N
e2 4πε0 r
dr Z K 2
e2 4πε0 r
(1.12)
Die Gesamtenergie ist demnach EZ
e2 1 m υ 2K 2 4πε0 r
(1.13)
Ersetzt man mυ2 durch Gl. (1.9), so erhält man EZ
2 e2 e2 1 e K ZK 2 4πε0 r 4πε0 r 8πε0 r
(1.14)
Nach Gl. (1.14) hängt die Energie des Elektrons nur vom Bahnradius r ab. Für ein Elektron sind alle Bahnen und alle Energiewerte von Null (r Z N) bis Unendlich (r Z 0) erlaubt. Diese Vorstellung war zwar in Einklang mit der klassischen Mechanik, sie stand aber in Widerspruch zur klassischen Elektrodynamik. Nach deren Gesetzen sollte das umlaufende Elektron Energie in Form von Licht abstrahlen und aufgrund des ständigen Geschwindigkeitsverlustes auf einer Spiralbahn in den Kern stürzen. Die Erfahrung zeigt aber, dass dies nicht der Fall ist. Bohr machte nun die Annahme, dass das Elektron nicht auf beliebigen Bahnen den Kern umkreisen kann, sondern dass es nur ganz bestimmte Kreisbahnen gibt, auf denen es sich strahlungsfrei bewegen kann. Die erlaubten Elektronenbahnen sind solche, bei denen der Bahndrehimpuls des Elektrons mυr ein ganzzahliges Vielfaches einer h Grundeinheit des Drehimpulses ist. Diese Grundeinheit des Bahndrehimpulses ist . 2π h wird Planck-Konstante oder auch Plank’sches Wirkungsquantum genannt, ihr Wert beträgt h Z 6,626 $ 10K34 kg m2 sK1 (Z J s) h ist eine fundamentale Naturkonstante, sie setzt eine untere Grenze für die Größe von physikalischen Eigenschaften wie den Drehimpuls oder, wie wir später noch sehen werden, die Energie elektromagnetischer Strahlung. Die mathematische Form des Bohr’schen Postulats lautet: h (1.15) mυr Z n 2π n ist eine ganze Zahl (1, 2, 3, ..., N), sie wird Quantenzahl genannt. Die Umformung von Gl. (1.15) ergibt nh υZ 2πmr
(1.16)
30
1 Atombau
Setzt man Gl. (1.16) in Gl. (1.9) ein und löst nach r auf, so erhält man h 2 ε0
$ n2 (1.17) π m e2 Wenn wir die Werte für die Konstanten h, m, e und ε0 einsetzen, erhalten wir daraus rZ
r Z n2 · 0,53 · 10K10 m Das Elektron darf sich also nicht in beliebigen Abständen vom Kern aufhalten, sondern nur auf Elektronenbahnen mit den Abständen 0,053 nm, 4 · 0,053 nm, 9 · 0,053 nm usw. (vgl. Abb. 1.14).
Abbildung 1.14 Bohr’sche Bahnen. Das Elektron kann das Proton nicht auf beliebigen Bahnen umkreisen, sondern nur auf Bahnen mit den Radien r Z n2 · 0,053 nm. Auf diesen Bahnen beträgt der Bahndrehimpuls nh.2π. Es gibt für das Elektron nicht beliebige Bahndrehimpulse, sondern nur ganzzahlige Vielfache des Bahndrehimpulsquants h.2π.
Für die Geschwindigkeit der Elektronen erhält man durch Einsetzen von Gl. (1.17) in Gl. (1.16) e2 1 υZn$ 2 h ε0
(1.18)
und unter Berücksichtigung der Konstanten 1 υ Z n $ 2,18 $ 106 m sK1 Auf der innersten Bahn (n Z 1) beträgt die Elektronengeschwindigkeit 2 · 106 m sK1. Setzt man Gl. (1.17) in Gl. (1.14) ein, erhält man für die Energie des Elektrons EZ K
m e4 8 ε02 h 2
$
1 n2
(1.19)
Das Elektron kann also nicht beliebige Energiewerte annehmen, sondern es gibt nur ganz bestimmte Energiezustände, die durch die Quantenzahl n festgelegt sind. Die
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
31
möglichen Energiezustände des Wasserstoffatoms sind in der Abb. 1.15 in einem Energieniveauschema anschaulich dargestellt.
Abbildung 1.15 Energieniveaus im Wasserstoffatom. Das Elektron kann nicht beliebige Energiewerte annehmen, sondern nur die Werte E Z E1.n2. E1 ist die Energie des Elektrons auf der 1. Bohr’schen Bahn, E2 die Energie auf der 2. Bahn usw. Dargestellt sind nur die Energieniveaus bis n Z 4. Bei großen n-Werten entsteht eine sehr dichte Folge von Energieniveaus. Nimmt n den Wert Unendlich an, dann ist das Elektron so weit vom Kern entfernt, dass keine anziehenden Kräfte mehr wirksam sind (Nullpunkt der Energieskala). Nähert sich das Elektron dem Kern, wird auf Grund der Anziehungskräfte das System Elektron-Kern energieärmer. Das Vorzeichen der Energie muss daher negativ sein.
Die Quantelung des Bahndrehimpulses hat also zur Folge, dass für das Elektron im Wasserstoffatom nicht beliebige Bahnen, sondern nur ganz bestimmte Bahnen mit bestimmten dazugehörigen Energiewerten erlaubt sind.
1.4.2 Die Deutung des Spektrums der Wasserstoffatome mit der Bohr’schen Theorie Wenn man Wasserstoffatome erhitzt, so senden sie elektromagnetische Wellen aus. Elektromagnetische Wellen breiten sich im leeren Raum mit der Geschwindigkeit c Z 2,998 · 108 m sK1 (Lichtgeschwindigkeit) aus. Abb. 1.16 zeigt das Profil einer elektromagnetischen Welle. Die Geschwindigkeit c erhält man durch Multiplikation der Wellenlänge λ mit der Schwingungsfrequenz ν, der Anzahl der Schwingungsperioden pro Zeit. cZνλ Die reziproke Wellenlänge
(1.20) 1 wird Wellenzahl genannt. Sie wird meist in cmK1 angeλ
geben. Zu den elektromagnetischen Strahlen gehören Radiowellen, Mikrowellen, Licht, Röntgenstrahlen und γ-Strahlen. Sie unterscheiden sich in der Wellenlänge (vgl. Abb. 1.17).
32
1 Atombau
Abbildung 1.16 Profile elektromagnetischer Wellen. Elektromagnetische Wellen verschiedener Wellenlängen bewegen sich mit der gleichen Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeit ist gleich dem Produkt aus Wellenlänge λ mal Frequenz ν (Anzahl der Schwingungsperioden durch Zeit). Für die dargestellten Wellen ist λ2 Z λ1.2. Wegen der gleichen Geschwindigkeit gilt ν2 Z 2ν1.
Abbildung 1.17 Spektrum elektromagnetischer Wellen. Sichtbare elektromagnetische Wellen (Licht) machen nur einen sehr kleinen Bereich des Gesamtspektrums aus.
Beim Durchgang durch ein Prisma wird Licht verschiedener Wellenlängen aufgelöst. Aus weißem Licht aller Wellenlängen des sichtbaren Bereichs entsteht z. B. ein kontinuierliches Band der Regenbogenfarben, ein kontinuierliches Spektrum. Erhält man bei der Auflösung nur einzelne Linien mit bestimmten Wellenlängen, bezeichnet man das Spektrum als Linienspektrum. Elemente senden charakteristische Linienspektren aus. Man kann daher die Elemente durch Analyse ihres Spektrums identifizieren (Spektralanalyse). Abb. 1.18 zeigt das Linienspektrum der Wasserstoffatome. Schon lange vor der Bohr’schen Theorie war bekannt, dass sich die Spektrallinien des Wasserstoffspektrums durch die einfache Gleichung
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
33
Abbildung 1.18 a) Das Linienspektrum von Wasserstoffatomen. Erhitzte Wasserstoffatome senden elektromagnetische Strahlen aus. Die emittierte Strahlung ist nicht kontinuierlich, es treten nur bestimmte Wellenlängen auf. Das Spektrum besteht daher aus Linien. Die Linien lassen sich zu Serien ordnen, in denen analoge Linienfolgen auftreten. Nach den Entdeckern 1 werden sie als Lyman-, Balmer- und Paschen-Serie bezeichnet. Die Wellenzahlen aller Liλ 1 1 1 . Für die Linien einer bestimmten Serie nien gehorchen der Beziehung Z RN K λ n2 m2
(
hat n den gleichen Wert.
)
b) Balmer-Serie des Wasserstoffspektrums. Die Wellenzahlen der Balmer-Serie gehorchen der 1 1 1 ( n Z 2 ; m Z 3,4...N ). Für große m-Werte wird die Folge der K Beziehung Z RN λ 4 m2 Linien sehr dicht. Die Seriengrenze (m Z N) liegt bei RN.4.
( )
(
)
1 1 1 K Z RN λ n2 m2
(1.21)
beschreiben lassen. λ ist die Wellenlänge irgendeiner Linie, m und n sind ganze positive Zahlen, wobei m größer ist als n. RN ist eine Konstante, die nach dem Entdecker dieser Beziehung Rydberg-Konstante genannt wird. RN Z 109 678 cmK1
34
1 Atombau
Mit der Bohr’schen Theorie des Wasserstoffatoms gelang eine theoretische Deutung des Wasserstoffspektrums. Der stabilste Zustand eines Atoms ist der Zustand niedrigster Energie. Er wird Grundzustand genannt. Aus Gl. (1.19) und Abb. 1.15 folgt, dass das Elektron des Wasserstoffatoms sich dann im energieärmsten Zustand befindet, wenn die Quantenzahl n Z 1 beträgt. Zustände mit den Quantenzahlen n O 1 sind weniger stabil als der Grundzustand, sie werden angeregte Zustände genannt. Das Elektron kann vom Grundzustand mit n Z 1 auf ein Energieniveau mit n O 1 gelangen, wenn gerade der dazu erforderliche Energiebetrag zugeführt wird. Die Energie kann beispielsweise als Lichtenergie zugeführt werden. Umgekehrt wird beim Übergang eines Elektrons von einem angeregten Zustand (n O 1) auf den Grundzustand (n Z 1) Energie in Form von Licht abgestrahlt. Planck (1900) zeigte, dass ein System, das Strahlung abgibt, diese nicht in beliebigen Energiebeträgen abgeben kann, sondern nur als ganzzahliges Vielfaches von kleinsten Energiepaketen. Sie werden Photonen oder Lichtquanten genannt. Für Photonen gilt nach Planck-Einstein die Beziehung E Z hν
(1.22)
oder durch Kombination mit Gl. (1.20) E Z hc $
1 λ
(1.23)
Strahlung besitzt danach Teilchencharakter, und Licht einer bestimmten Wellenlänge kann immer nur als kleines Energiepaket, als Photon, aufgenommen oder abgegeben werden.
Abbildung 1.19 Im Grundzustand befindet sich das Wasserstoffelektron auf dem niedrigsten Energieniveau. Angeregte Zustände entstehen, wenn das Elektron durch Energiezufuhr auf höhere Energieniveaus gelangt. Um auf das Energieniveau E3 gelangen zu können, muss genau der Energiebetrag E3KE1 zugeführt werden. Springt das Elektron von einem angeregten Zustand in den Grundzustand zurück, verliert es Energie. Diese Energie wird als Lichtquant abgegeben. Für den Übergang von E3 nach E1 ist die Wellenlänge des Photons durch c E3 K E1 Z h gegeben. λ
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
35
Beim Übergang eines Elektrons von einem höheren auf ein niedrigeres Energieniveau wird ein Photon einer bestimmten Wellenlänge ausgestrahlt. Dies zeigt schematisch Abb. 1.19. Das Spektrum von Wasserstoff entsteht also durch Elektronenübergänge von den höheren Energieniveaus auf die niedrigeren Energieniveaus des Wasserstoffatoms. Die möglichen Übergänge sind in Abb. 1.20 dargestellt.
Abbildung 1.20 Beim Übergang des Wasserstoffelektrons von einem Niveau höherer Energie auf ein Niveau niedrigerer Energie wird ein Lichtquant ausgesandt, dessen Wellenlänge c durch die Energieänderung des Elektrons bestimmt wird: ΔE Z h . In der Abb. sind alle λ möglichen Elektronenübergänge zwischen den Energieniveaus bis n Z 6 dargestellt.
Beim Übergang eines Elektrons von einem Energieniveau E2 mit der Quantenzahl n Z n2 auf ein Energieniveau E1 mit der Quantenzahl n Z n1 wird nach Gl. (1.19) die Energie E2 K E1 Z
(
K
m e4 8 ε02 n 22 h 2
) ( K
frei. Eine Umformung ergibt E2 K E1 Z
m e4 8 ε02
h
2
(
1 n 21
K
1 n 22
K
m e4 8 ε02 n 21 h 2
)
)
(1.24)
Durch Kombination mit der Planck-Einstein-Gleichung (1.23) erhält man m e4 1 Z 2 3 λ 8 ε0 h c
(
1 n 21
K
1 n 22
)
( n2 O n1 )
(1.25)
36
1 Atombau
Gl. (1.25) entspricht der experimentell gefundenen Gl. (1.21), wenn man n1 Z n, m e4 n2 Z m und RN Z 2 3 setzt. Die aus den Naturkonstanten m, e, h, ε0 und c 8 ε0 h c berechnete Konstante RN stimmt gut mit der experimentell bestimmten RydbergKonstante überein. Mit der Bohr’schen Theorie lässt sich also für das Wasserstoffatom voraussagen, welche Spektrallinien auftreten dürfen und welche Wellenlängen diese Spektrallinien haben müssen. Dies ist eine Bestätigung dafür, dass die Energiezustände des Elektrons im Wasserstoffatom durch die Gl. (1.19) richtig beschrieben werden. Den Zusammenhang zwischen den Energieniveaus des H-Atoms und den Wellenzahlen des Wasserstoffspektrums zeigt anschaulich Abb. 1.21.
Abbildung 1.21 Zusammenhang zwischen den Energieniveaus des H-Atoms und den Wellenzahlen der Balmerserie. Die Balmerserie entsteht durch Elektronenübergänge von Energieniveaus mit n Z 3,4,5 ... auf das Energieniveau mit n Z 2. Die Linienfolge spiegelt exakt die Lage der Energieniveaus wider. Die Differenzen der Wellenzahlen sind proportional den Differenzen der Energieniveaus. Die dichte Linienfolge an der Seriengrenze entspricht der dichten Folge der Energieniveaus bei großen n-Werten.
Das Bild eines Elektrons, das den Kern auf einer genau festgelegten Bahn umkreist K so wie der Mond die Erde umkreist K war leicht zu verstehen und die theoretische Deutung des Wasserstoffspektrums war ein großer Erfolg der Bohr’schen Theorie. Nach und nach wurde aber klar, dass die Bohr’sche Theorie nicht ausreichte. Es gelang z. B. nicht, die Spektren von Atomen mit mehreren Elektronen zu erklären. Erst in den zwanziger Jahren schufen de Broglie, Heisenberg, Schrödinger u. a. die Grundlagen für das leistungsfähigere wellenmechanische Atommodell.
1.4.3 Die Unbestimmtheitsbeziehung Heisenberg stellt 1927 die Unbestimmtheitsbeziehung auf. Sie besagt, dass es unmöglich ist, den Impuls und den Aufenthaltsort eines Elektrons gleichzeitig zu bestim-
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
37
men. Das Produkt aus der Unbestimmtheit des Ortes Δ x und der Unbestimmtheit des Impulses Δ(m υ) hat die Größenordnung der Planck-Konstante. Δ x $ Δ (m υ) z h Wir wollen die Unbestimmtheitsbeziehung auf die Bewegung des Elektrons im Wasserstoffatom anwenden. Nach der Bohr’schen Theorie beträgt die Geschwindigkeit des Wasserstoffelektrons im Grundzustand υ Z 2,18 · 106 m sK1 (vgl. Abschn. 1.4.1). Dieser Wert sei uns mit einer Genauigkeit von etwa 1% bekannt. Die Unbestimmtheit der Geschwindigkeit Δυ beträgt also 104 m sK1. Für die Unbestimmtheit des Ortes gilt Δx Z
h mΔυ
Durch Einsetzen der Zahlenwerte erhalten wir Δx Z
6,6 $ 10K34 kg m2 sK1 9,1 $ 10K31 kg $ 104 m sK1
Δ x Z 0,7 $ 10K7 m. Die Unbestimmtheit des Ortes beträgt 70 nm und ist damit mehr als tausendmal größer als der Radius der ersten Bohr’schen Kreisbahn, der nur 0,053 nm beträgt (vgl. Abschn. 1.4.1). Bei genau bekannter Geschwindigkeit ist der Aufenthaltsort des Elektrons im Atom vollkommen unbestimmt. Bei makroskopischen Körpern ist die Masse so groß, dass Geschwindigkeit und Ort scharfe Werte haben (Grenzfall der klassischen Mechanik). Zum Beispiel erhält man für m Z 1 g Δ x $ Δ υ Z 6,6 $ 10K31 m 2 sK1 Im Bohr’schen Atommodell stellt man sich das Elektron als Teilchen vor, das sich auf seiner Bahn von Punkt zu Punkt mit einer bestimmten Geschwindigkeit bewegt. Nach der Unbestimmtheitsrelation ist dieses Bild falsch. Zu einem bestimmten Zeitpunkt kann dem Elektron kein bestimmter Ort zugeordnet werden, es ist im gesamten Raum des Atoms anzutreffen. Daher müssen wir uns vorstellen, dass das Elektron an einem bestimmten Ort des Atoms nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit anzutreffen ist. Dieser Beschreibung des Elektrons entspricht die Vorstellung einer über das Atom verteilten Elektronenwolke. Die Gestalt der Elektronenwolke gibt den Raum an, in dem sich das Elektron mit größter Wahrscheinlichkeit aufhält. Abb. 1.22 zeigt die Elektronenwolke des Wasserstoffelektrons im Grundzustand. Sie ist kugelsymmetrisch. An Stellen mit großer Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons hat die Ladungswolke eine größere Dichte, die anschaulich durch eine größere Punktdichte dargestellt wird. Die Ladungswolke hat nach außen keine scharfe Begrenzung. Die Grenzfläche in Abb. 1.22 ist willkürlich gewählt. Sie umschließt eine Kugel, die 99 % der Gesamtladung des Elektrons enthält. Man darf aber nicht
38
1 Atombau
Abbildung 1.22 Verschiedene Darstellungen des Elektrons eines Wasserstoffatoms im Grundzustand.
vergessen, dass das Elektron sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch außerhalb dieser Kugel aufhalten kann. Die räumliche Ladungsverteilung kann rechnerisch ermittelt werden. Diese Rechnungen zeigen, dass die Elektronenwolken nicht immer kugelsymmetrisch sind, und wir werden im Abschn. 1.4.5 andere, kompliziertere Ladungsverteilungen kennenlernen.
1.4.4 Der Wellencharakter von Elektronen Eine weitere für das Verständnis des Atombaus grundlegende Entdeckung gelang de Broglie (1924). Er postulierte, dass jedes bewegte Teilchen Welleneigenschaften besitzt. Zwischen der Wellenlänge λ und dem Impuls p des Teilchens besteht die Beziehung h h λ Z p Z mυ
(1.26)
Elektronen der Geschwindigkeit υ Z 2 · 106 m sK1 zum Beispiel haben die Wellenlänge λ Z 0,333 nm. Diese Wellenlänge liegt im Bereich der Röntgenstrahlen (vgl. Abb. 1.17). Die Welleneigenschaften von Elektronen konnten durch Beugungsexperimente an Kristallen nachgewiesen werden. Mit Elektronenstrahlen erhält man Beugungsbilder wie mit Röntgenstrahlen. Elektronen können also je nach den experimentellen Bedingungen sowohl Welleneigenschaften zeigen als auch sich wie kleine Partikel verhalten. Welleneigenschaften und Partikeleigenschaften sind komplementäre Beschreibungen des Elektronenverhaltens. Wie können wir uns nach diesem Bild ein Elektron im Atom vorstellen? Nach de Broglie muss es im Atom Elektronenwellen geben. Das Elektron befindet sich aber nur dann in einem stabilen Zustand, wenn die Elektronenwelle zeitlich unveränderlich ist.
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
39
Eine zeitlich unveränderliche Welle ist eine stehende Welle. Eine nicht stehende Elektronenwelle würde sich durch Interferenz zerstören, sie ist instabil (Abb. 1.23).
Abbildung 1.23 a) Eindimensionale stehende Elektronenwelle auf einer Bohr’schen Bahn. Die Bedingung für eine stehende Welle ist n λ Z 2 r π (n Z 1,2,3 ...). b) Die Bedingung für eine stehende Welle ist nicht erfüllt.
Stehende Elektronenwellen können sich auf einer Bohr’schen Kreisbahn nur dann ausbilden, wenn der Umfang der Kreisbahn ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge ist (Abb. 1.23): nλ Z 2πr Ersetzt man λ durch Gl. (1.26) und formt um, folgt nh Z mυr 2π Man erhält also die von Bohr willkürlich postulierte Quantelung des Drehimpulses (vgl. Abschn. 1.4.1). Wir sehen also, dass sowohl das Auftreten der Quantenzahl n als auch die Unbestimmtheit des Aufenthaltsortes eines Elektrons im Atom eine Folge der Welleneigenschaften von Elektronen sind.
1.4.5 Atomorbitale und Quantenzahlen des Wasserstoffatoms Im vorangehenden Abschnitt sahen wir, dass die Entdeckung der Welleneigenschaften von Elektronen dazu zwang, die Vorstellung aufzugeben, dass Elektronen in Atomen sich als winzige starre Körper um den Kern bewegen. Wir sahen weiter, dass wir das Elektron als eine diffuse Wolke veränderlicher Ladungsdichte betrachten können. Die Position des Elektrons im Atom wird als Wahrscheinlichkeitsdichte oder Elektronendichte diskutiert. Dies bedeutet, dass an jedem Ort des Atoms das Elektron nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit anzutreffen ist. Im Bereich großer Ladungs-
40
1 Atombau
dichten ist diese Wahrscheinlichkeit größer als dort, wo die Ladungsdichten klein sind. Elektronenwolken sind dreidimensional schwingende Systeme, deren mögliche Schwingungszustände dreidimensionale stehende Wellen sind. Die Welleneigenschaften des Elektrons können mit einer von Schrödinger aufgestellten Wellengleichung, der Schrödinger-Gleichung, beschrieben werden. Sie ist für das Wasserstoffatom exakt lösbar, für andere Atome sind nur Näherungslösungen möglich. Durch Lösen der Schrödinger-Gleichung erhält man für das Wasserstoffelektron eine begrenzte Anzahl erlaubter Schwingungszustände, die dazu gehörenden räumlichen Ladungsverteilungen und Energien. Diese erlaubten Zustände sind durch drei Quantenzahlen festgelegt (vgl. Abschn. 1.4.6). Die Quantenzahlen ergeben sich bei der Lösung der Schrödinger-Gleichung und müssen nicht wie beim Bohr’schen Atommodell willkürlich postuliert werden. Eine vierte Quantenzahl ist erforderlich, um die speziellen Eigenschaften eines Elektrons zu berücksichtigen, die beobachtet werden, wenn es sich in einem Magnetfeld befindet. Wir wollen nun die Ergebnisse des wellenmechanischen Modells des Wasserstoffatoms im Einzelnen diskutieren. Die Hauptquantenzahl n n kann die ganzzahligen Werte 1, 2, 3, 4 ... N annehmen. Die Hauptquantenzahl n bestimmt die möglichen Energieniveaus des Elektrons im Wasserstoffatom. In Übereinstimmung mit der Bohr’schen Theorie (Gl. 1.19) gilt die Beziehung En Z K
m e4 8
ε02
1 2
h n2
Die durch die Hauptquantenzahl n festgelegten Energieniveaus werden Schalen genannt. Die Schalen werden mit den großen Buchstaben K, L, M, N, O usw. bezeichnet. n
Schale
Energie
1 2 3 4 5
K L M N O
E1 1 E 4 1 1 E 9 1 1 E 16 1 1 E 25 1
}
Grundzustand angeregte Zustände
Befindet sich das Elektron auf der K-Schale (n Z 1), dann ist das H-Atom im energieärmsten Zustand. Der energieärmste Zustand wird Grundzustand genannt, in diesem liegen H-Atome normalerweise vor. Die Energie des Grundzustands beträgt für das Wasserstoffatom E1 Z K13,6 eV. Zustände höherer Energie (n O 1) nennt man angeregte Zustände. Je größer n wird, umso dichter aufeinander folgen die Energieniveaus (vgl. Abb. 1.15). Führt man dem Elektron so viel Energie zu, dass es nicht mehr in einen
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
41
angeregten Quantenzustand gehoben wird, sondern das Atom verlässt, entsteht ein positives Ion und ein freies Elektron. Die Mindestenergie, die dazu erforderlich ist, nennt man Ionisierungsenergie. Die Ionisierungsenergie des Wasserstoffatoms beträgt 13,6 eV. Die Nebenquantenzahl l n und l sind durch die Beziehung l & n K 1 verknüpft. l kann also die Werte 0, 1, 2, 3 ... n K 1 annehmen. Diese Quantenzustände werden als s-, p-, d-, f-Zustände bezeichnet. (Die Bezeichnungen stammen aus der Spektroskopie, und die Buchstaben s, p, d, f sind abgeleitet von sharp, principal, diffuse, fundamental.) Schale
K
L
M
N
n l Bezeichnung
1 0 s
2 0 1 s p
3 0 1 2 s p d
4 0 1 2 3 s p d f
Die K-Schale besteht nur aus s-Zuständen, die L-Schale aus s- und p-Zuständen, die M-Schale aus s-, p-, d-, die N-Schale aus s-, p-, d- und f-Niveaus. Die magnetische Quantenzahl ml ml kann Werte von Kl bis Cl annehmen. Die Anzahl der ml -Werte gibt also an, wie viele s-, p-, d-, f-Zustände existieren. l
ml
0 1 2 3
0 K1 0 C1 K2 K1 0 C1 C2 K3 K2 K1 0 C1 C2 C3
Anzahl der Zustände 2l C 1 ein s-Zustand drei p-Zustände fünf d-Zustände sieben f-Zustände
Die Nebenquantenzahl, auch Bahndrehimpulsquantenzahl genannt, bestimmt die h Größe des Bahndrehimpulses L. Er beträgt L Z . Bei Anlegen eines l (lC1) 2π Magnetfeldes gibt es nicht beliebige, sondern nur 2 l C 1 Orientierungen des Bahndrehimpulsvektors zum Magnetfeld. Die Komponenten des Bahndrehimpulsvektors h in Feldrichtung können nur die Werte m annehmen. Sie betragen also für s2π l h h Elektronen 0, für p-Elektronen K , 0, C . (Abb. 1.24). Im Magnetfeld wird 2π 2π dadurch z. B. die Entartung der p-Zustände aufgehoben. p-Zustände spalten im Magnetfeld symmetrisch in drei spektroskopisch nachweisbare Zustände unterschiedlicher Energie auf (Zeemann-Effekt). Daher wird ml magnetische Quantenzahl genannt.
√
42
1 Atombau
h . Es gibt drei Ori2π entierungen des Bahndrehimpulsvektors zum Magnetfeld, deren Projektionen in Feldrichtung zu den ml -Werten K1, 0, C1 führen
Abbildung 1.24 Für p-Elektronen beträgt der Bahndrehimpuls L Z √2
Die durch die drei Quantenzahlen n, l und ml charakterisierten Quantenzustände werden als Atomorbitale bezeichnet (abgekürzt AO). n, l, ml werden daher Orbitalquantenzahlen genannt. Abb. 1.25 zeigt für die ersten vier Schalen des Wasserstoffatoms die möglichen Atomorbitale und ihre energetische Lage. Ein Atomorbital ist als Kästchen dargestellt, die Bezeichnung des Orbitals darunter gesetzt.
Abbildung 1.25 Die möglichen Atomorbitale des Wasserstoffatoms bis n Z 4. Ein AO ist als Kästchen dargestellt. Die Bezeichnung des AOs ist darunter gesetzt. Alle Atomorbitale einer Schale haben dieselbe Energie, sie sind entartet. Die Lage der Energieniveaus der Schalen ist nur schematisch angedeutet. Maßstäblich richtig ist die Lage der Energieniveaus in der Abbildung 1.15 dargestellt.
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
43
Die Energie der Orbitale nimmt im Wasserstoffatom in der angegebenen Reihenfolge zu: 1s ! 2s Z 2p ! 3s Z 3p Z 3d ! 4s Z 4p Z 4d Z 4f. Zustände mit gleicher Energie nennt man entartet. Zum Beispiel sind das 2s-Orbital und die drei 2 pOrbitale entartet, da die Energie der Orbitale im Wasserstoffatom nur von der Hauptquantenzahl n abhängt. Die Atomorbitale unterscheiden sich hinsichtlich der Größe, Gestalt und räumlichen Orientierung ihrer Ladungswolken. Diese Eigenschaften sind mit den Orbitalquantenzahlen verknüpft. Die Hauptquantenzahl n bestimmt die Größe des Orbitals. Die Nebenquantenzahl l gibt Auskunft über die Gestalt eines Orbitals (vgl. aber S. 52). Die magnetische Quantenzahl beschreibt die Orientierung des Orbitals im Raum. Die Orbitale können graphisch dargestellt werden, und wir werden diese Orbitalbilder bei der Diskussion der chemischen Bindung benutzen. Die s-Orbitale haben eine kugelsymmetrische Ladungswolke. Bei den p-Orbitalen ist die Elektronenwolke zweiteilig hantelförmig, bei den d-Orbitalen rosettenförmig (Abb. 1.26). Mit wachsender Hauptquantenzahl nimmt die Größe des Orbitals zu (Abb. 1.27).
Abbildung 1.26 Die Nebenquantenzahl l bestimmt die Gestalt der Orbitale. s-Orbitale sind kugelsymmetrisch, p-Orbitale zweiteilig hantelförmig, d-Orbitale vierteilig rosettenförmig.
Abbildung 1.27 Die Hauptquantenzahl n bestimmt die Größe des Orbitals.
44
1 Atombau
Abbildung 1.28 Gestalt und räumliche Orientierung der s, p- und d-Orbitale. s-Orbitale sind kugelsymmetrisch. Sie haben keine räumliche Vorzugsrichtung. p-Orbitale sind hantelförmig. Beim px-Orbital liegen die Hanteln in Richtung der x-Achse, die x-Achse ist die Richtung größter Elektronendichte. Entsprechend hat das py-Orbital eine maximale Elektronendichte in y-Richtung, das pz-Orbital in z-Richtung. Die d-Orbitale sind rosettenförmig. In den Zeichnungen ist nicht die exakte Elektronendichteverteilung dargestellt. Bei 3p-Orbitalen z. B. hat die Elektronenwolke nicht nur eine größere Ausdehnung als bei 2p-Orbitalen, sondern auch eine etwas andere Form. Allen p-Orbitalen jedoch ist gemeinsam, dass ihre Form hantelförmig ist und dass die maximale Elektronendichte in Richtung der x-, y- und z-Achse liegt. Die in der Abbildung dargestellten p-Orbitale können daher zur qualitativen Beschreibung aller p-Orbitale benutzt werden. Entsprechendes gilt für die s- und d-Orbitale. (Genauer ist die Darstellung von Orbitalen in Abschn. 1.4.6 behandelt. Die Vorzeichen der Orbitallappen sind auf S. 52 in der Abb. 1.34 angegeben. Zur Ursache für die abweichende Gestalt des dz 2 -Orbitals siehe S. 51).
In der Abb. 1.28 sind die Gestalten und räumlichen Orientierungen der s-, pund d-Orbitale dargestellt. Für die kugelsymmetrischen s-Orbitale gibt es nur eine räumliche Orientierung. Die drei hantelförmigen p-Orbitale liegen in Richtung der x-, y- und z-Achse des kartesischen Koordinatensystems. Sie werden demgemäß als px-, py- bzw. pz-Orbital bezeichnet. Die räumliche Orientierung und die zugehörige Bezeichnung der d-Orbitale sind aus der Abb. 1.28 zu ersehen. Auf Bilder von f-Orbitalen kann verzichtet werden, da sie bei den weiteren Diskussionen nicht benötigt werden. Zur vollständigen Beschreibung der Eigenschaften eines Elektrons ist noch eine vierte Quantenzahl erforderlich.
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
45
Die Spinquantenzahl ms Man muss den Elektronen eine Eigendrehung zuschreiben. Anschaulich kann man sich vorstellen, dass es zwei Möglichkeiten der Eigenrotation gibt, eine Linksdrehung oder eine Rechtsdrehung. Es gibt für das Elektron daher zwei Quantenzustände mit der Spinquantenzahl ms Z C21 oder ms Z K21. Aufgrund der Eigendrehung haben Elektronen einen Eigendrehimpuls, einen Spin. Im Magnetfeld gibt es zwei Orientierungen des Vektors des Eigendrehimpulses. 1 h 1 h oder K . ms kann die Werte Die Komponente in Feldrichtung beträgt C 2 2π 2 2π 1 1 C oder K annehmen. Im Magnetfeld spaltet daher z. B. ein s-Zustand symmet2 2 risch in zwei energetisch unterschiedliche Zustände auf. Aus den erlaubten Kombinationen der vier Quantenzahlen erhält man die Quantenzustände des Wasserstoffatoms. Jede Kombination der Orbitalquantenzahlen (n, l, ml) definiert ein Atomorbital. Für jedes AO gibt es zwei Quantenzustände mit der Spinquantenzahl C 21 und K 21 . In der Tabelle 1.5 sind die Quantenzustände des H-Atoms bis n Z 4 angegeben. Tabelle 1.5 Quantenzustände des Wasserstoffatoms bis n Z 4 Schale
n
l
Orbitaltyp
ml
Anzahl der Orbitale
ms
Anzahl der Quantenzustände
K
1
0
1s
0
1
G1%2
2
2
L
2
0 1
2s 2p
0 K1 0 C1
1 3
G1%2 G1%2
2 6
8
M
3
0 1 2
3s 3p 3d
0 K1 0 C1 K2 K1 0 C1 C2
1 3 5
G1%2 G1%2 G1%2
2 6 10
18
N
4
0 1 2 3
4s 4p 4d 4f
0 K1 0 C1 K2 K1 0 C1 C2 K3 K2 K1 0 C1 C2 C3
1 3 5 7
G1%2 G1%2 G1%2 G1%2
2 6 10 14
32
Im Grundzustand besetzt das Elektron des Wasserstoffatoms einen 1s-Zustand, alle anderen Orbitale sind unbesetzt. Durch Energiezufuhr kann das Elektron Orbitale höherer Energien besetzen.
1.4.6 Die Wellenfunktion, Eigenfunktionen des Wasserstoffatoms In diesem Abschnitt soll die Besprechung des wellenmechanischen Atommodells vertieft werden.
46
1 Atombau
Da ein Elektron Welleneigenschaften besitzt, kann man die Elektronenzustände im Atom mit einer Wellenfunktion ψ (x, y, z) beschreiben. ψ ist eine Funktion der Raumkoordinaten x, y, z und kann positive, negative oder imaginäre Werte annehmen. Die Wellenfunktion ψ selbst hat keine anschauliche Bedeutung. Eine anschauliche Bedeutung hat aber das Quadrat des Absolutwertes der Wellenfunktion - ψ - 2. Das Produkt - ψ - 2 dV ist ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, das Elektron zu einem bestimmten Zeitpunkt im Volumenelement dV anzutreffen. Die Elektronendichteverteilung im Atom, die Ladungswolke, steht also in Beziehung zu - ψ - 2. Je größer - ψ - 2 ist, ein umso größerer Anteil des Elektrons ist im Volumenelement dV vorhanden. An Stellen mit - ψ - 2 Z 0 ist auch die Ladungsdichte null. Die Änderung von - ψ - 2 als Funktion der Raumkoordinaten beschreibt, wie die Ladungswolke im Atom verteilt ist. In der von Schrödinger 1926 veröffentlichten und nach ihm benannten Schrödinger-Gleichung sind die Wellenfunktion ψ und die Elektronenenergie E miteinander verknüpft. ∂2 ψ
∂2 ψ
∂2 ψ
8π2 m
∂x
∂y
∂z
h2
C 2
C 2
C 2
(E K V ) ψ Z 0
Es bedeuten: V potentielle Energie des Elektrons, m Masse des Elektrons, h PlanckKonstante, E Elektronenenergie für eine bestimmte Wellenfunktion ψ. Diejenigen Wellenfunktionen, die Lösungen der Schrödinger-Gleichung sind, werden Eigenfunktionen genannt; die Energiewerte, die zu den Eigenfunktionen gehören, nennt man Eigenwerte. Die Eigenfunktionen beschreiben also die möglichen stationären Schwingungszustände im Wasserstoffatom. Die Schrödinger-Gleichung kann für das Wasserstoffatom exakt gelöst werden, für Mehrelektronenatome sind nur Näherungslösungen möglich. Die Wasserstoffeigenfunktionen haben die allgemeine Form ψn, l, ml Z
[N]
Normierungskonstante
$
[Rn, l (r)]
radiusabhängiger Anteil
$
[χl, ml ((, φ)] winkelabhängiger Anteil
N ist eine Normierungskonstante. Ihr Wert ist durch die Bedingung E - ψ - 2 dV Z 1 festgelegt. Dies bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, das Elektron irgendwo im Raum anzutreffen, gleich 1 sein muss. Wellenfunktionen, für die diese Bedingung erfüllt ist, heißen normierte Funktionen. Bei normierten Funktionen gibt - ψ - 2 die absolute Wahrscheinlichkeit an, das Elektron an der Stelle x, y, z anzutreffen. Die Wellenfunktion ψ wird im allgemeinen nicht als Funktion der kartesischen Koordinaten x, y, z angegeben, sondern als Funktion der Polarkoordinaten r, (, φ. Die Polarkoordinaten eines beliebigen Punktes P erhält man aus den kartesischen Koordinaten durch eine Transformation nach folgenden Gleichungen, die sich aus der Abb. 1.29 ergeben. x Z r sin ( cos φ
y Z r sin ( sin φ
z Z r cos (
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
47
Abbildung 1.29 Zusammenhang zwischen den kartesischen Koordinaten x, y, z und den Polarkoordinaten r, φ, ( eines Punktes P.
Rn, l (r) wird Radialfunktion genannt. - Rn, l (r) - 2 gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der man das Elektron in beliebiger Richtung im Abstand r vom Kern antrifft. Durch die Radialfunktion wird die Ausdehnung der Ladungswolke des Elektrons bestimmt (vgl. Abb. 1.31 und 1.32). Die Winkelfunktion χl, ml ((, φ) gibt den Faktor an, mit dem man die Radialfunktion R in der durch ( und φ gegebenen Richtung multiplizieren muss, um den Wert von ψ zu erhalten. Dieser Faktor ist unabhängig von r. χ bestimmt also die Gestalt und räumliche Orientierung der Ladungswolke. Die Winkelfunktion χ wird auch Kugelflächenfunktion genannt, da χ die Änderung von ψ auf der Oberfläche einer Kugel vom Radius r angibt. Kugelflächenfunktionen sind in der Abb. 1.34 darge stellt. Die Wasserstoffeigenfunktionen ψn, l, ml werden Orbitale genannt. Die Orbitale sind mit den Quantenzahlen n, l, ml verknüpft. ψn, l, ml kann nur dann eine Eigenfunktion sein, wenn für die Quantenzahlen die folgenden Bedingungen gelten. Hauptquantenzahl: Nebenquantenzahl: Magnetische Quantenzahl:
nZ 1, 2, 3, . l % nK1 Kl % ml % C l
Bei der Lösung der Schrödinger-Gleichung erhält man die zu den Eigenfunktionen gehörenden Eigenwerte der Energie En Z K
1
m e4
2
n 8 ε02 h 2
Die Eigenwerte hängen nur von der Hauptquantenzahl n ab. Für jeden Eigenwert gibt es n2 entartete Eigenfunktionen (vgl. Abschn. 1.4.5). Einige Wasserstoffeigenfunktionen sind in der Tabelle 1.6 angegeben. s-Orbitale besitzen eine konstante Winkelfunktion, sie sind daher kugelsymmetrisch. Verschiedene Möglichkeiten der Darstellung des 1s-Orbitals sind in der Abb. 1.30 wiedergegeben. Die Wellenfunktion und die radiale Dichte (vgl. Abb. 1.30 d) des 2s- und des 3sOrbitals sind in der Abb. 1.31 dargestellt. Beide Orbitale besitzen Knotenflächen, an denen die Wellenfunktion ihr Vorzeichen wechselt. Die Knotenflächen einer drei
48
1 Atombau
Tabelle 1.6 Einige Eigenfunktionen des Wasserstoffatoms (Die Winkelfunktionen sind in Polarkoordinaten und kartesischen Koordinaten angegeben.) Quantenzahlen n
l
1
0
ml 0
Orbital
Eigenwert En
1s
E1
Normierte Radialfunktion Rn, l (r) 2
√a
3 0
2
0
0
2s
E2 Z
2
1
1
2px
E2 Z
2
1
0
2pz
E2 Z
2
1
K1
2py
E2 Z
E1 4 E1 4 E1 4 E1 4
√
1
√
3 6a0
1
√6a
2
3 0
1
√
2
1 2√π
1 2√π
(2K ar )e
1 2√π
1 2√π
r K r a0 e 2 a0
√3
r K a0
3 2a0
2
x y z χl, ml ( r , r , r ,)
e
1 2
Normierte Winkelfunktion χl, ml ((, φ)
3 6a0
0
r K 2 a0
2√π
r K r a0 e 2 a0
√3 2√π
r K r a0 e 2 a0
√3 2√π
sin ( cos φ
cos (
sin ( sin φ
√3 x
2√π r
√3 z 2√π r √3 y
2√π r
2
a0 ist der Bohr-Radius (vgl. Gl. 1.17). Er beträgt a0 Z
h ε0 2
πme Die Indizes der p-Orbitale x, y bzw. z entsprechen den Winkelfunktionen dieser Orbitale, angegeben in kartesischen Koordinaten. Ganz entsprechend ist z. B. beim dxy -Orbital die Winkelfunktion proportional x y und beim dx 2Ky 2 -Orbital proportional x2Ky2 (vgl. Tab. 1.7).
2
Abbildung 1.30 a) Darstellung von ψ (r) und ψ (r) des 1s-Orbitals von Wasserstoff r 1 K ψZ e a0. 3 π a0 K10 Der Abstand r ist in Einheiten des Bohr’schen Radius a0 angegeben (a0 Z 0,529 $ 10 m). 2 ψ nimmt mit wachsendem Abstand exponentiell ab. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit ψ erreicht auch bei sehr großen Abständen nicht null.
√
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
49
2
Abbildung 1.30 b) Schnitt durch den Atomkern. ψ wird durch eine unterschiedliche Punktdichte dargestellt. Die Punktdichte vermittelt einen anschaulichen Eindruck von der Ladungsverteilung des Elektrons. K10 c) Das 1s-Orbital wird als Kugel dargestellt. Innerhalb der Kugel mit dem Radius 2,2 $ 10 m hält sich das Elektron mit 99 % Wahrscheinlichkeit auf. d) Der Raum um den Kern kann in eine unendliche Zahl unendlich dünner Kugelschalen 2 unterteilt werden. Das Volumen der Kugelschalen der Dicke dr beträgt 4 π r dr. Die Wahr2 2 scheinlichkeit, das Elektron in einer solchen Kugelschale anzutreffen, ist daher ψ (r) 4 π r dr. 2 2 2 2 Man bezeichnet 4 π r ψ als radiale Dichte. Da ψ mit wachsendem r abnimmt, 4 π r aber zunimmt, muss die radiale Dichte ein Maximum durchlaufen. Der Abstand des Elektronendichtemaximums des 1s-Orbitals von Wasserstoff ist identisch mit dem Bohr-Radius a0.
dimensionalen stehenden Welle entsprechen den Knotenpunkten einer eindimen sionalen Welle. Die Anzahl der Knotenflächen eines Orbitals ist n Q 1 (n Z Hauptquantenzahl). Bei s-Orbitalen sind die Knotenflächen Kugeloberflächen. p-Orbitale und d-Orbitale setzen sich aus einer Radialfunktion und einer winkelabhängigen Funktion zusammen. Die Radialfunktion hängt nur von den Quantenzahlen n und l ab. Alle p-Orbitale und alle d-Orbitale gleicher Hauptquantenzahl besitzen dieselbe Radialfunktion. In der Abb. 1.32 sind die Radialfunktion und die radiale
50
1 Atombau ψ(r)
1s
3s
2s
r
r
Knotenfläche
r
Knotenflächen
Radiale Dichte
r
r
r
Abbildung 1.31 Schematische Darstellungen der Wellenfunktion ψ(r) und der radialen Dich te von s-Orbitalen. Mit wachsender Hauptquantenzahl verschiebt sich das Maximum der Elektronendichte zu größeren r-Werten. Beim 2s-Orbital beträgt die Aufenthaltswahrscheinlichkeit außerhalb der Knotenfläche 94,6 %, beim 3s-Orbital beträgt die Wahrscheinlichkeit zwischen den Knotenflächen 9,5 % und außerhalb der äußeren Knotenfläche 89,0 %.
R(r)
3p
2p
r
Knotenfläche
3d
r
r
r
r
Radiale Dichte
r
Abbildung 1.32 Schematische Darstellung der Radialfunktion R(r) und der radialen Dichte für 2p-, 3p- und 3d-Orbitale. Im Gegensatz zu s-Orbitalen ist bei p- und d-Orbitalen bei r Z 0 die Radialfunktion null.
Dichte für die 2p-, 3p- und 3d-Orbitale dargestellt. Die Nebenquantenzahl l gibt die Anzahl der Knotenflächen an, die durch den Atommittelpunkt gehen. Die normierten Winkelfunktionen χ sind für die p-Orbitale in der Tabelle 1.6, für die d-Orbitale in der Tabelle 1.7 angegeben. Zur Darstellung der Kugelflächenfunktion (Winkelfunktion) χ eignen sich sogenannte Polardiagramme. Sie sind in der Abb. 1.34 für die Sätze der p- und d-Orbitale dargestellt. Die Konstruktion des Polardiagramms des pz-Orbitals zeigt Abb. 1.33. In jeder durch ( und φ gegebenen Richtung wird der dazugehörige Wert der Funktion χ ausgehend vom Koordinatenursprung aufgetragen. χ hängt nicht von der Hauptquantenzahl n ab, daher sind die Polardiagramme für die p- und d-Orbitale aller Hauptquantenzahlen gültig.
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
51
Tabelle 1.7 Normierte Winkelfunktionen für die d-Orbitale des Wasserstoffatoms in Polarkoordinaten und kartesischen Koordinaten Orbital
15 4π
(dxz)
15 4π
(dyz) (dx Ky ) 2
(dz 2)
( ( ( ( (
15 4π
(dxy)
2
x y z χl, ml ( r , r , r ,)
χl, ml ((, φ)
) ) ) ) )
1%2
2
sin ( sin φ cos φ
1%2
1%2
15 16 π
1%2
5 16 π
1%2
sin ( cos ( cos φ sin ( cos ( sin φ 2
sin ( cos 2φ 2
(3 cos (K1)
( ( ( ( (
15 4π 15 4π 15 4π
) ) ) ) )
1%2
xy
1%2
r xz
1%2
2
2
r yz 2
r 2 2 1%2 x Ky 15 2 16 π r
5 16 π
1%2
2
3 z Kr r
2
2
Aus den kartesischen Koordinaten ist die Bezeichnung der Orbitale abgeleitet. Die Ladungswolken der dz 2 -Orbitale sind nicht wie die der anderen d-Orbitale rosettenförmig (vgl. Abb. 1.28). Dies liegt daran, dass das dz 2 -Orbital durch eine Linearkombination aus dem dz 2Kx 2 -Orbital und dem dy 2Kz 2 -Orbital als fünfte unabhängige d-Eigenfunktion erhalten wird. Nur die Linearkombination dieser beiden Orbitale ist orthogonal zu allen anderen d-Orbitalen. Orthogonal bedeutet, dass die Integration des Produkts zweier Wellenfunktionen über den ganzen Raum null ergeben muss.
√3 cos ( 2√π des pz-Orbitals. In der x- und y-Richtung hat χ den Wert null, da ( Z 90 ( beträgt. In der z-Richtung ist ( Z 0 ( und cos ( Z 1 oder ( Z 180 ( und cos ( Z K1. Für die Winkelfunktion √3 √3 bzw. χ Z K . Berechnet man χ für alle mög erhält man die maximalen Werte χ Z 2√π 2√π Abbildung 1.33 a) Konstruktion des Polardiagramms für die Winkelfunktion χ Z
lichen (-Werte, erhält man zwei Kugeln. Bei der oberen Kugel hat χ ein positives, bei der unteren Kugel ein negatives Vorzeichen. b) Darstellung des Quadrats der Winkelfunktion χ2 für das pz-Orbital.
52
1 Atombau
Abbildung 1.34 Polardiagramme der Winkelfunktion χ für die p- und d-Orbitale.
Die Darstellungen von χ oder χ2 werden manchmal fälschlich als Orbitale bezeichnet. Bei diesen Darstellungen werden zwar die Richtungen maximaler Elektronendichte richtig wiedergegeben, aber die wahre Elektronendichteverteilung der Orbitale erhält man nur bei Berücksichtigung der gesamten Wellenfunktion ψ Z R · χ, und genaugenommen kommt nur der Darstellung von ψ die Bezeichnung Orbital zu. Die Abb. 1.35 zeigt am Beispiel des 2pz- und des 3pz-Orbitals, dass sich diese beiden Orbitale sowohl hinsichtlich ihrer Ausdehnung als auch ihrer Gestalt unterscheiden. Hauptsächlich bestimmt zwar die Winkelfunktion die hantelförmige Gestalt und ist für die Ähnlichkeit aller p-Orbitale verantwortlich, aber die unterschiedlichen Radialfunktionen haben nicht nur eine unterschiedliche Ausdehnung des Orbitals zur Folge, sondern auch eine unterschiedliche „innere Gestalt“. Für eine qualitative Diskussion von Bindungsproblemen ist dieser Unterschied aber unwichtig, und es können die Orbitalbilder benutzt werden, die in der Abb. 1.28 wiedergegeben sind.
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
53
1.4.7 Aufbau und Elektronenkonfiguration von Mehrelektronen-Atomen In diesem Abschnitt soll der Aufbau der Elektronenhülle von Atomen mit mehreren Elektronen behandelt werden. Für Mehrelektronen-Atome kann die SchrödingerGleichung nicht exakt gelöst werden. Es gibt aber Näherungslösungen. Die Ergebnis-
Abbildung 1.35 a) Räumliche Darstellungen des 2pz- und des 3pz-Orbitals. Die Grenzflächen der Orbitale sind Flächen mit gleichen ψ2-Werten. Innerhalb der Begrenzung beträgt die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons 99 %. b) Konturliniendiagramme des 2pz- und des 3pz-Orbitals. Die Konturlinien sind Schnitte durch Flächen gleicher Elektronendichte. Innerhalb dieser Flächen beträgt die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons 50 % (schwarze Linien) bzw. 99 % (rote Linien).
54
1 Atombau
se zeigen: Wie beim Wasserstoffatom sind die Elektronenhüllen von Mehrelektronen-Atomen aus Schalen aufgebaut. Die Schalen bestehen aus der gleichen Anzahl von Atomorbitalen des gleichen Typs wie die des Wasserstoffatoms. Die Atomorbitale von Mehrelektronen-Atomen gleichen zwar nicht völlig den Wasserstofforbitalen, aber die Gestalt der Orbitale ist wasserstoffähnlich und die Richtungen der maximalen Elektronendichten stimmen überein. So besitzen beispielsweise alle Atome pro Schale mit Ausnahme der K-Schale drei hantelförmige p-Orbitale, die entlang der x-, y- und z-Achse liegen. Die Bilder der Wasserstofforbitale werden daher auch zur Beschreibung der Elektronenstruktur anderer Atome benutzt. Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem Wasserstoffatom und den Mehrelektronen-Atomen besteht darin, dass die Energie der Orbitale im Wasserstoffatom nur von der Hauptquantenzahl n abhängt, während sie bei Atomen mit mehreren Elektronen außer von der Hauptquantenzahl n auch von der Nebenquantenzahl l beeinflusst wird. Im Wasserstoffatom befinden sich alle Orbitale einer Schale, also alle AO mit der gleichen Hauptquantenzahl n, auf dem gleichen Energieniveau, sie sind entartet (Abb. 1.25). In Atomen mit mehreren Elektronen besitzen nicht mehr alle Orbitale einer Schale dieselbe Energie. Energiegleich sind nur noch die Orbitale gleichen Typs, also alle p-Orbitale, d-Orbitale, f-Orbitale (Abb. 1.36).
Abbildung 1.36 Aufhebung der Entartung in Mehrelektronen-Atomen. Die relative Lage der Energieniveaus der Unterschalen in Abhängigkeit von der Ordnungszahl zeigt Abbildung 1.38.
Man bezeichnet daher die energetisch äquivalenten Sätze der s-, p-, d-, f-Orbitale als Unterschalen. Für die Besetzung der wasserstoffähnlichen Atomorbitale mit Elektronen (Aufbauprinzip) sind die folgenden drei Prinzipien maßgebend. Das Pauli-Prinzip. Ein Atom darf keine Elektronen enthalten, die in allen vier Quantenzahlen übereinstimmen. Dies bedeutet, dass jedes Orbital nur mit zwei Elektronen entgegengesetzten Spins besetzt werden kann.
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
55
Beispiel zum Pauli-Prinzip:
AB 1s
ABA 1s
Nach dem Pauli-Prinzip kann das 1s-Orbital nur mit zwei Elektronen besetzt werden. Jedes Elektron ist durch einen Pfeil symbolisiert. Die Orbitalquantenzahlen sind für beide Elektronen identisch: n Z 1, l Z 0, ml Z 0. Die Elektronen unterscheiden sich aber in der Spinquantenzahl. Die Spinquantenzahlen ms Z C21 und ms Z K21 werden durch die entgegengesetzte Pfeilrichtung dargestellt. Die Besetzung des 1s-Orbitals mit 3 Elektronen ist aufgrund des PauliPrinzips verboten. Die beiden Elektronen mit gleicher Pfeilrichtung stimmen in allen vier Quantenzahlen überein. Sie besitzen außer den gleichen Orbitalquantenzahlen n Z 1, l Z 0, ml Z 0 auch die gleiche Spinquantenzahl.
Die Anzahl der Elektronen, die unter Berücksichtigung des Pauli-Prinzips von den verschiedenen Schalen eines Atoms aufgenommen werden kann, ist in der Tabelle 1.8 angegeben. Sie stimmt mit der Anzahl der Quantenzustände des Wasserstoffatoms überein (Tabelle 1.5). Tabelle 1.8 Anzahl der Elektronen, die von den Unterschalen und Schalen eines Atoms aufgenommen werden können Schale
n
Unterschale
Anzahl der Orbitale
Anzahl der Elektronen Unterschale Schale (2 n2)
K
1
1s
1
2
2
L
2
2s 2p
1 3
2 6
8
M
3
3s 3p 3d
1 3 5
2 6 10
18
N
4
4s 4p 4d 4f
1 3 5 7
2 6 10 14
32
Die Hund’sche Regel. Die Orbitale einer Unterschale werden so besetzt, dass die Anzahl der Elektronen mit gleicher Spinrichtung maximal wird. Beispiel zur Hund’schen Regel:
A
A
px
py
pz
Die Besetzung entspricht der Hund’schen Regel. Die beiden Elektronen haben gleichen Spin. Sie müssen daher zwei verschiedene p-Orbitale besetzen.
56
1 Atombau
AB px
py
pz
Ein p-Orbital ist mit zwei Elektronen besetzt, die entgegengesetzten Spin haben. Diese Besetzung stimmt nicht mit der Hund’schen Regel überein.
Im Grundzustand werden die wasserstoffähnlichen Orbitale der Atome in der Reihenfolge wachsender Energie mit Elektronen aufgefüllt. Tabelle 1.9 zeigt den Aufbau der Elektronenhülle im Grundzustand für die ersten 36 Elemente. Die Verteilung der Elektronen auf die Orbitale nennt man Elektronenkonfiguration. Aus der Tabelle 1.9 ist ersichtlich, dass mit wachsender Ordnungszahl Z nicht einfach eine Schale nach der anderen mit Elektronen aufgefüllt wird. Ab der M-Schale überlappen die Energieniveaus verschiedener Schalen. Beim Element Kalium (Z Z 19) wird das 19. Elektron nicht in das 3d-Niveau der M-Schale, sondern in die 4s-Unterschale der nächsthöheren N-Schale eingebaut. Noch bevor die Auffüllung der M-Schale abgeschlossen ist, wird bereits mit der Besetzung der folgenden NSchale begonnen. Die Reihenfolge, in der mit wachsender Ordnungszahl die Unterschalen der Atome mit Elektronen aufgefüllt werden, kann man sich mit Hilfe des in der Abb. 1.37 dargestellten Schemas leicht ableiten. Die Unterschalen werden in der Reihenfolge 1s, 2s, 2p, 3s, 3p, 4s, 3d, 4p, 5s usw. besetzt. Es gibt jedoch einige Unregelmäßigkeiten (vgl. Tabelle 1.9 und Tabelle 2, Anhang 2). Beispiele dafür sind die Elemente Chrom und Kupfer. Bei Cr ist die Konfiguration 3d5 4s1 gegenüber der Konfiguration 3d4 4s2 bevorzugt, bei Cu die Konfiguration 3d10 4s1 gegenüber 3d9 4s2. Eine halbgefüllte oder vollständig aufgefüllte d-Unterschale ist energetisch besonders günstig. Obwohl das 4f-Niveau vor dem 5d-
Abbildung 1.37 Schema zur Reihenfolge der Besetzung von Unterschalen.
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
57
Tabelle 1.9 Elektronenkonfigurationen der ersten 36 Elemente
Ein Kästchen symbolisiert ein Orbital, ein Pfeil ein Elektron, die Pfeilrichtung die Spinrichtung des Elektrons. Zur Vereinfachung der Schreibweise werden für abgeschlossene Edelgaskonfigurationen wie 1s 2 2s2 2p6 oder 1s2 2s2 2p 6 3s 2 3p 6 die Symbole [Ne] bzw. [Ar] verwendet. Unregelmäßige Elektronen-Konfigurationen sind mit einem Stern markiert.
58
1 Atombau N
3d
M L
Energie
4p K
4s 1s
1
2s 2p
10
20 Ordnungszahl
3s
3d
3p
30
Abbildung 1.38 Änderung der Energie der Unterschalen mit wachsender Ordnungszahl.
Niveau besetzt werden sollte, besitzt das Element Lanthan kein 4f-Elektron, sondern ein 5d-Elektron. Erst bei den folgenden Elementen wird die 4f-Unterschale aufgefüllt. Aufgrund der sehr ähnlichen Energien der 5f- und der 6d-Unterschale ist auch beim Element Actinium und einigen Actinoiden die Besetzung unregelmäßig. Die Elektronenkonfigurationen der Elemente sind in der Tabelle 2 des Anhangs 2 angegeben. Das Schema der Abb. 1.37 gilt jedoch nur für das letzte eingebaute Elektron jedes Elements. Die Lage der Energien der Orbitale ist nicht unabhängig von der Ordnungszahl Z, sie ändert sich mit Z, wie in der Abb. 1.38 schematisch dargestellt ist.
1.4.8 Das Periodensystem (PSE) Bei der Auffüllung der Atomorbitale mit Elektronen kommt es zu periodischen Wiederholungen gleicher Elektronenanordnungen auf der jeweils äußersten Schale (vgl. Tabelle 1.9 und Tabelle 2 im Anhang 2). Elemente, deren Atome analoge Elektronenkonfigurationen besitzen, haben ähnliche Eigenschaften und können zu Gruppen zusammengefasst werden. Beispiele: Edelgase He1s2 Ne [He] 2s2 2p6 Ar [Ne] 3s2 3p6 Kr [Ar] 3d10 4s2 4p6 Xe [Kr] 4d10 5s2 5p6
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
59
Die Elemente Helium, Neon, Argon, Krypton und Xenon gehören zur Gruppe der Edelgase. Mit Ausnahme von Helium haben die Edelgasatome auf der äußersten Schale die Elektronenkonfiguration s2 p6, d. h. alle s- und p-Orbitale sind vollständig besetzt. Solche abgeschlossenen Elektronenkonfigurationen sind energetisch besonders stabil (vgl. Abb. 1.40). Die Edelgase sind daher äußerst reaktionsträge Elemente. Alkalimetalle Li [He] 2s1 Na [Ne] 3s1 K [Ar] 4s1 Rb [Kr] 5s1 Cs [Xe] 6s1 Die Elemente Lithium, Natrium, Kalium, Rubidium und Caesium gehören zur Gruppe der Alkalimetalle. Die Alkalimetallatome haben auf der äußersten Schale die Elektronenkonfiguration s1. Dieses Elektron kann leicht abgegeben werden. Dabei bilden sich einfach positiv geladene Ionen wie NaC. Alkalimetalle sind sehr reaktionsfähige, weiche Leichtmetalle mit niedrigem Schmelzpunkt. Halogene F [He] 2s2 2p5 Cl [Ne] 3s2 3p5 Br[Ar] 3d104s2 4p5 I [Kr] 4d10 5s2 5p5 Die Elemente Fluor, Chlor, Brom und Iod gehören zur Gruppe der Halogene (Salzbildner) mit der gemeinsamen Konfiguration s2 p5 auf der äußersten Schale. Die Halogene sind typische Nichtmetalle und sehr reaktionsfähige Elemente. Sie bilden mit Metallen Salze. Dabei nehmen sie ein Elektron auf, es entstehen einfach negativ geladene Ionen wie z. B. ClK. Die periodische Wiederholung analoger Elektronenkonfigurationen führt zum periodischen Auftreten ähnlicher Elemente. Sie ist die Ursache der Systematik der Elemente, die als Periodensystem der Elemente (abgekürzt PSE) bezeichnet wird. Die Versuche, eine Systematik der Elemente zu finden und die Anzahl möglicher Elemente theoretisch zu begründen, führten schon 1829 Döbereiner zur Aufstellung der Triaden. Triaden sind Dreiergruppen von Elementen mit ähnlichen Eigenschaften und gleicher Zunahme ihrer Atommassen (z. B. Cl, Br, I oder Ca, Sr, Ba). Obwohl nur etwa 60 Elemente bekannt waren und noch keine Kenntnisse über den Atomaufbau vorlagen, stellten bereits 1869 unabhängig voneinander Meyer und Mendelejew das Periodensystem der Elemente auf. Sie ordneten die Elemente nach steigender Atommasse und fanden aufgrund des Vergleichs der chemischen Eigenschaften, dass periodisch Elemente mit ähnlichen chemischen Eigenschaften auftreten. Durch Untereinanderstellen dieser Elemente erhielten sie das Periodensystem.
60
1 Atombau Hauptgruppen
1 Ia s1 1
1 2
6 7 8 9 10 2 3 4 5 II a III b IV b V b VI b VII b VIII b s2
d2
d1
d3
d4
d5
d6
d7
d8
11 12 13 14 15 16 17 18 I b II b III a IV a V a VI a VII a VIIIa d9
d10
p1
p2
p3
p4
p5
3
2
9
10
16
17
18
33
34
35
36
50
51
52
53
54
81
82
83
84
85
86
112
113
114
115
116
65
66
67
68
69
70
71
97
98
99
100
101
102
103
3
4
11
12
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
55
56
57
72
73
74
75
76
77
87
88
89
104
105
106
107
108
58
59
60
61
90
91
92
93
5
6
7
8
13
14
15
30
31
32
47
48
49
78
79
80
109
110
111
62
63
64
94
95
96
B C N O
Na Mg
3s 3p
4 4s 3d 4p
5
p6
He
Li Be
2s 2p
Al Si P
F Ne
S Cl Ar
K Ca Sc Ti V *Cr Mn Fe Co Ni *Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr Rb Sr Y Zr *Nb *Mo *Tc *Ru *Rh *Pd *Ag Cd In Sn Sb Te I Xe
5s 4d 5p
6 6s4f5d6p
7
Hauptgruppen
H
1s
7s 5f 6d
Nebengruppen
Cs Ba *La Hf Ta W Re Os Ir *Pt *Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn Fr Ra *Ac Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg
Lanthanoide (4f-Elemente)
Actinoide
(5f-Elemente)
118
Ce Pr Nd Pm Sm Eu *Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu Th *Pa *U *Np Pu Am *Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr
*
Abbildung 1.39 Periodensystem der Elemente. Bei jeder Periode ist angegeben, welche Orbitale aufgefüllt werden. Bei jeder Gruppe ist die Bezeichnung für das jeweils letzte Elektron, das beim Aufbau der Elektronenschale hinzukommt, angegeben. Die Elektronenkonfiguration eines Elements kann sofort abgelesen werden. Elektronenkonfigurationen, die nicht mit der in Abbildung 1.37 angegebenen Reihenfolge der Besetzung von Unterschalen übereinstimmen, sind mit einem Stern markiert. Nichtmetalle sind durch rote Kästchen gekennzeichnet, Metalle durch weiße Kästchen. Rosa Kästchen kennzeichnen Elemente, deren Eigenschaften zwischen Metallen und Nichtmetallen liegen. Wasserstoff gehört nur hinsichtlich der Konfiguration s1 zur Gruppe 1, den chemischen Eigenschaften nach gehört er keiner Gruppe an und hat eine Sonderstellung. Helium gehört zur Gruppe der Edelgase, da es als einziges s2-Element eine abgeschlossene Schale besitzt. Für die ab 1996 synthetisierten äußerst kurzlebigen Transactinoide 112K116 und 118 gibt es noch keine Namen und Symbole. Das 2006 entdeckte Element 118 gehört zur Gruppe der Edelgase, der inoffizielle Name ist Moskowium.
Eine jetzt gebräuchliche Form des Periodensystems zeigt Abb. 1.39. Aufgrund der Kenntnis des Atombaus wissen wir heute, dass die Reihenfolge der Elemente durch die Ordnungszahl Z (Z Protonenzahl Z Elektronenzahl) bestimmt wird. Die nach den Atommassen geordneten Elemente ergaben im wesentlichen dieselbe Reihenfolge, in einigen Fällen (Ar, K; Co, Ni; Te, I) musste jedoch die Reihenfolge vertauscht werden.
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
61
Im Periodensystem untereinander stehende Elemente werden Gruppen genannt. In einer Gruppe stehen Elemente mit ähnlichen chemischen Eigenschaften. Nach Empfehlung der IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry) werden die Gruppen mit den Ziffern 1 (Alkalimetalle) bis 18 (Edelgase) bezeichnet. Die Gruppen 1, 2 und 13K18 werden Hauptgruppen genannt. Die Atome der Elemente einer Hauptgruppe haben auf der äußersten Schale dieselbe Elektronenkonfiguration. Bei den Hauptgruppen ändert sich die Elektronenkonfiguration von s1 auf s2 p6. Die d- und f-Orbitale der Hauptgruppenelemente sind leer oder vollständig besetzt. Vorher war lange Zeit die verwendete Bezeichnung der Hauptgruppen IaKVIIIa (vgl. Abb. 1.39). Die für das chemische Verhalten verantwortlichen Elektronen der äußersten Schale bezeichnet man als Valenzelektronen, ihre Konfiguration als Valenzelektronenkonfiguration. Bei den Hauptgruppenelementen ändert sich die Zahl der Valenzelektronen von 1 bis 8. Die chemische Ähnlichkeit der Elemente einer Gruppe ist eine Folge ihrer identischen Valenzelektronenkonfiguration. Einige Hauptgruppen haben Gruppennamen: 1 Alkalimetalle, 2 Erdalkalimetalle, 16 Chalkogene (Erzbildner), 17 Halogene (Salzbildner), 18 Edelgase. Die Gruppen 3K12 werden Nebengruppen genannt. Bei ihnen erfolgt die Auffüllung der d-Unterschalen. Da die Nebengruppen auf der äußersten Schale ein besetztes s-Orbital besitzen, wird bei der Auffüllung der d-Unterschalen die zweitäußerste Schale aufgefüllt. Die Gruppen 3K12 (vgl. PSE) haben daher die Elektronenkonfiguration s2 d1 bis s2 d10, wobei zu beachten ist, dass die s-Elektronen eine um eins höhere Hauptquantenzahl haben als die d-Elektronen. Die Besetzung der d-Orbitale erfolgt nicht ganz regelmäßig (vgl. Tabelle 2 im Anhang 2). Die Nebengruppenelemente werden auch als Übergangselemente bezeichnet und zwar je nachdem, welche d-Unterschale aufgefüllt wird, als 3d-, 4d- bzw. 5d-Übergangselemente. Eine früher verwendete Bezeichnung der Nebengruppen war IbKVIIIb (vgl. Abb. 1.39). Bei dieser Bezeichnung kam zum Ausdruck, dass bei einigen Gruppen formale Analogien (z. B. maximale Oxidationszahl) zwischen den Hauptgruppenelementen und den Nebengruppenelementen gleicher Gruppennummer vorhanden sind (z. B. IIa und IIb, siehe Abb. 1.39). Bei den Nebengruppenelementen können außer den s-Elektronen auch die d-Elektronen als Valenzelektronen wirksam werden. Die Elemente der Gruppen 3 (zwei s-Elektronen C ein d-Elektron) und 4 (zwei s- und zwei d-Elektronen) besitzen daher die gleiche Zahl an Valenzelektronen wie die Elemente der Gruppen 13 bzw. 14. Bei den Gruppen 11 und 12 ist die d-Unterschale vollständig aufgefüllt. Sie haben wie die Elemente der Gruppen 1 und 2 ein s-Elektron bzw. zwei s-Elektronen auf der äußersten Schale und bilden daher wie diese einfach bzw. zweifach positiv geladene Ionen. Bei der Gruppe 11 (Cu, Ag, Au) sind allerdings durch Ionisation von d-Elektronen auch zweifach und dreifach positiv geladene Ionen häufig (s. Abschn. 5.8). Die im PSE nebeneinander stehenden Elemente bilden die Perioden. Die Anzahl der Elemente der ersten sechs Perioden beträgt 2, 8, 8, 18, 18, 32. Sie ist ab der 3.
62
1 Atombau
Periode nicht identisch mit der maximalen Aufnahmefähigkeit der Schalen, die ja 2n2 beträgt. Bei den Elementen der 1. Periode H und He wird das 1s-Orbital der K-Schale besetzt, bei den acht Elementen der 2. Periode Li, Be, B, C, N, O, F, Ne das 2sOrbital und die 2p-Orbitale der L-Schale. Innerhalb einer Periode ändern sich die Eigenschaften, am Anfang und am Ende der Periode stehen daher Elemente mit ganz verschiedenen Eigenschaften. Lithium und Beryllium sind typische Metalle und bei Normaltemperatur Feststoffe. Sauerstoff und Fluor sind typische Nichtmetalle, die bei Normaltemperatur gasförmig sind. Neon ist ein Edelgas, das sich mit keinem chemischen Element verbindet. Bei den folgenden acht Elementen der 3. Periode, Na, Mg, Al, Si, P, S, Cl, Ar, werden das 3s-Orbital und die 3p-Orbitale der M-Schale besetzt. Nach dem Element Neon erfolgt eine sprunghafte Eigenschaftsänderung und eine periodische Wiederholung der Eigenschaften der 2. Periode. Die ersten Elemente der 3. Periode, Natrium, Magnesium und Aluminium, sind wieder typische Metalle, am Ende der Periode stehen die Nichtmetalle Schwefel, Chlor und das Edelgas Argon. Vor der Besetzung der 3d-Unterschale wird bei den Elementen Kalium und Calcium das 4s-Orbital der N-Schale besetzt, erst dann erfolgt bei den 10 Elementen Scandium bis Zink die Auffüllung der 3d-Niveaus. Nach der Auffüllung der 3d-Unterschale werden bei den Elementen Gallium bis Krypton die 4p-Orbitale besetzt. Die 3. Periode enthält daher nur 8 Elemente, die 4. Periode 18 Elemente. Die 5. Periode enthält ebenfalls 18 Elemente, bei denen nacheinander die Unterschalen 5s, 4d und 5p besetzt werden. In der 6. Periode wird bei den Elementen Caesium und Barium das 6s-Orbital besetzt. Beim Element Lanthan wird zunächst ein Elektron in die 5d-Unterschale eingebaut. La hat die Elektronenkonfiguration [Xe] 5d1 6s2. Bei den auf das Lanthan folgenden 14 Elementen wird die 4f-Unterschale aufgefüllt. Bei diesen als Lanthanoide bezeichneten Elementen erfolgt also die vollständige Auffüllung der N-Schale. Erst dann werden die 5d- und die 6p-Unterschale weiter aufgefüllt. Die 6. Periode enthält daher 32 Elemente. Die Lanthanoide zeigen untereinander eine große chemische Ähnlichkeit, da sie sich nur im Aufbau der drittäußersten Schale unterscheiden. Die Auffüllung der 5f-Unterschale erfolgt bei den 14 Elementen, die auf das Element Actinium folgen. Die 14 Actinoide sind radioaktive, überwiegend künstlich hergestellte Elemente. Links im Periodensystem stehen Metalle, rechts Nichtmetalle. Der metallische Charakter wächst innerhalb einer Hauptgruppe mit wachsender Ordnungszahl. Die typischsten Metalle stehen daher im PSE links unten (Rb, Cs, Ba), die typischsten Nichtmetalle rechts oben (F, O, Cl). Alle Nebengruppenelemente, die Lanthanoide und Actinoide sind Metalle. Im PSE wird die Vielzahl der Elemente übersichtlich geordnet. Man braucht die Eigenschaften der Elemente nicht einzeln zu erlernen, sondern man kann viele wichtige Eigenschaften eines Elements aus seiner Stellung im Periodensystem ableiten. Wie genau dies möglich ist, zeigt die Voraussage der Eigenschaften des Elements Germanium durch Mendelejew. Sie wurde nach der Entdeckung dieses Elements durch Winkler glänzend bestätigt (Tabelle 1.10).
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
63
Tabelle 1.10 Vergleich der vorausgesagten und beobachteten Eigenschaften von Germanium und einigen Germaniumverbindungen Mendelejews Voraussage
Nach der Entdeckung des Elements durch Winkler (1886) beobachtete Eigenschaften
Atommasse ungefähr 72 Dunkelgraues Metall mit hohem Schmelzpunkt; Dichte 5,5 g.cm3; spezifische Wärmekapazität 0,306 J.(K $ g) Beim Erhitzen an der Luft entsteht XO2 XO2 ist schwerflüchtig; Dichte 4,7 g.cm3
Atommasse 72,6 Weißlich graues Metall; Schmelzpunkt 958 (C; Dichte 5,36 g.cm3; spezifische Wärmekapazität 0,318 J.(K $ g) Beim Erhitzen an der Luft entsteht GeO2 Schmelzpunkt von GeO2 1100 (C; Dichte 4,7 g.cm3 GeCl4 ist flüssig (Siedepunkt 83 (C); Dichte 1,88 g.cm3
Das Chlorid XCl4 ist eine leichtflüchtige Flüssigkeit (Siedepunkt wenig unter 100 (C); Dichte 1,9 g.cm3
Natürlich zeigt sich erst bei einer detaillierten Besprechung der Elemente in vollem Umfang, wie nützlich und unentbehrlich das PSE für das Verständnis der chemischen Eigenschaften der Elemente und ihrer Verbindungen ist. Wir werden dies in den Kap. 4 und 5 sehen.
1.4.9 Ionisierungsenergie, Elektronenaffinität, Röntgenspektren Die meisten Eigenschaften der Elemente hängen von den äußeren Elektronen ab. Sie ändern sich daher mit zunehmender Ordnungszahl periodisch. Zwei wichtige Beispiele dafür sind die Ionisierungsenergie und die Elektronenaffinität. Eigenschaften, die von den inneren Elektronen abhängen, ändern sich nicht periodisch mit der Ordnungszahl. Als Beispiel werden die Röntgenspektren besprochen. Ionisierungsenergie. Die Ionisierungsenergie I eines Atoms ist die Mindestenergie, die benötigt wird, um ein Elektron vollständig aus dem Atom zu entfernen. Dabei entsteht aus dem Atom ein einfach positiv geladenes Ion. Atom C Ionisierungsenergie $% einfach positiv geladenes Ion C Elektron X C I $% XC C eK Die Ionisierungsenergie ist ein Maß für die Festigkeit, mit der das Elektron im Atom gebunden ist. In der Abb. 1.40 ist die Änderung der Ionisierungsenergie mit wachsender Ordnungszahl für die Hauptgruppenelemente dargestellt. Innerhalb einer Periode nimmt I stark zu, da aufgrund der zunehmenden Kernladung die Elektronen einer Schale stärker gebunden werden. Bei den Edelgasen mit den abgeschlossenen Elektronenkonfigurationen s2 und s2 p6 hat I jeweils ein Maximum. Bei den auf die Edelgase folgenden Alkalimetallen sinkt I drastisch, da mit dem Aufbau einer neuen Schale begonnen wird. Die Alkalimetalle mit der Konfiguration s1 weisen daher Minima auf.
64
1 Atombau
Periode 1 25
3
2
5
4
6
He Ne
20
Ionisierungsenergie (eV)
F Ar N
15
10
Kr Cl
O
H Be
C
P
S
Ge Ca
0
Al
Li
1
Ga
Na
5
10
K
15
Rn
I
As
Mg Si
B 5
Xe
Br Se
Sb Sr
Sn In
Rb
20 31 35 38 50 21-30 39-48 Ordnungszahl
Te
At
Gruppe 18 s2p6 Edelgase
Pb Po Bi Ba Tl Ra Cs
55 81 57-80
Fr
Gruppe 1 s1 Alkalimetalle
85 88
Abbildung 1.40 Ionisierungsenergie der Hauptgruppenelemente. Die Ionisierungsenergie spiegelt direkt den Aufbau der Elektronenhülle in Schalen und Unterschalen wider. Die Stabilität voll besetzter (s2, s2 p6) und halbbesetzter (s2 p3) Unterschalen ist an den Ionisierungsenergien abzulesen. In jeder Periode sind bei den Edelgasen mit den Konfigurationen s2 und s2 p6 Maxima vorhanden. Bei Alkalimetallen mit der Konfiguration s1, bei denen mit dem Aufbau einer neuen Schale begonnen wird, treten Minima auf.
Innerhalb einer Gruppe nimmt I mit zunehmender Ordnungszahl ab, da auf jeder neu hinzukommenden Schale die Elektronen schwächer gebunden sind. Innerhalb einer Periode erfolgt der Anstieg von I unregelmäßig, da Atome mit gefüllten oder halb gefüllten Unterschalen eine erhöhte Stabilität besitzen. Beispiele: Berylliumatome haben eine höhere Ionisierungsenergie als Boratome. 2s 2p Be [Y B
[Y
abgeschlossene 2s-Unterschale [
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
65
Stickstoffatome haben eine höhere Ionisierungsenergie als Sauerstoffatome. 2s 2p N [Y
[
[
[
O [Y
[Y
[
[
halbbesetzte 2p-Unterschale
Die Ionisierungsenergien spiegeln die Strukturierung der Elektronenhülle in Schalen und Unterschalen und auch die erhöhte Stabilität halbbesetzter Unterschalen unmittelbar wider. Bei Atomen mit mehreren Elektronen sind weitere Ionisierungen möglich. Man nennt die Energie, die erforderlich ist, das erste Elektron abzuspalten 1. Ionisierungsenergie I1, die Energie, die aufgewendet werden muss, das zweite Elektron abzuspalten 2. Ionisierungsenergie I2 usw. In der Tabelle 1.11 sind Werte der Ionisierungsenergien für die ersten 13 Elemente angegeben. Auch bei den positiven Ionen zeigt sich die außerordentlich große Stabilität von edelgasartigen Ionen mit den Konfigurationen 1s2 oder 2s2 2p6. Na-Atome sind leicht zu NaC-Ionen zu ionisieren (Na / NaC C e, I1 Z 5,1 eV). Bei der Entfernung des zweiten Elektrons aus der Elektronenhülle mit Neonkonfiguration (NaC / Na2C C e, I2 Z 47,3 eV) steigt die Ionisierungsenergie sprunghaft an. Ganz entsprechend erfolgt bei Mg-Atomen ein sprunghafter Anstieg bei der 3. Ionisierungsenergie und bei Al-Atomen bei der 4. Ionisierungsenergie. Tabelle 1.11 Ionisierungsenergien I der ersten 13 Elemente in eV
Z Element I 1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
H He Li Be B C N O F Ne Na Mg Al
13,6 24,5 5,4 9,3 8,3 11,3 14,5 13,6 17,4 21,6 5,1 7,6 6,0
I2
I3
I4
I5
I6
I7
I8
I9
I 10
54,4 75,6 18,2 25,1 24,4 29,6 35,1 35,0 41,1 47,3 15,0 18,8
122,4 153,9 37,9 47,9 47,4 54,9 62,6 63,5 71,6 80,1 28,4
217,7 259,3 64,5 77,5 77,4 87,1 97,0 98,9 109,3 120,0
340,1 392,0 97,9 113,9 114,2 126,3 138,4 141,2 153,8
489,8 551,9 138,1 157,1 157,9 172,1 186,5 190,4
666,8 739,1 185,1 207,0 208,4 224,9 241,4
871,1 953,6 238,0 264,1 266,0 284,5
1100,0 1190,0 1350,0 299,9 1460,0 328,2 367,0 331,6 399,2
Bei jedem Element erfolgt rechts von der Treppenkurve eine sprunghafte Erhöhung von I. Diese Ionisierungsenergien geben die Abspaltung eines Elektrons aus einer Edelgaskonfiguration an. (z. B. Mg2C $% Mg3C C eK). Rot gedruckte I-Werte sind Ionisierungsenergien des jeweils letzten Elektrons eines Atoms. Diese Werte zeigen keine Periodizität mehr, sie sind proportional Z 2 (I2 (He) Z 4I1 (H); I10 (Ne) Z 100I1 (H)).
66
1 Atombau
Elektronenaffinität. Die Elektronenaffinität Eea eines Atoms ist die Energie, die frei wird (negative Eea-Werte) oder benötigt wird (positive Eea-Werte), wenn an ein Atom ein Elektron unter Bildung eines negativ geladenen Ions angelagert wird. Atom C Elektron $% einfach negativ geladenes Ion C Elektronenaffinität Y C eK $% YK C Eea Da es schwierig ist, Eea-Werte experimentell zu bestimmen, sind nicht von allen Atomen Werte bekannt, und ihre Zuverlässigkeit und Genauigkeit sind sehr unterschiedlich. In der Tabelle 1.12 sind die bekannten Werte für die Hauptgruppenelemente zusammengestellt. Auch in den Eea-Werten kommt die Struktur der Elektronenhülle mit stabilen Konfigurationen zum Ausdruck. Die Werte der Tabelle 1.12 zeigen, dass bei den Elementen der Gruppen 1, 14 und 17 Minima der Eea-Werte auftreten. Die Elektronenanlagerung ist also dann begünstigt, wenn dadurch die Konfigurationen s2 oder s2 p3 (voll oder halb besetzte Unterschale) und s2 p6 (Edelgaskonfiguration) entstehen. Die hohen Werte der Halogene zeigen die starke Tendenz zur Anlagerung des 8. Valenzelektrons und somit zur Ausbildung der stabilen Edelgaskonfiguration. Die positiven Elektronenaffinitäten der Erdalkalimetalle und der Edelgase zeigen das Widerstreben die energetisch günstige s2- und s2 p6-Konfiguration um ein zusätzliches Elektron zu erweitern. Bei den Nichtmetallen haben die Elemente der 2. Achterperiode (Si, P, S, Cl) eine höhere (negative) Elektronenaffinität als die der 1. Achterperiode (C, N, O, F). Tabelle 1.12 Elektronenaffinitäten Eea einiger Elemente in eV H K0,75
He O0
Li Be B C N K0,62 C0,19 K0,28 K1,26 C0,07
O K1,46 (C8,1)
F K3,40
Ne C0,30
Na Mg Al Si P K0,55 C0,29 K0,44 K1,38 K0,75
S K2,08 (C6,1)
Cl K3,62
Ar C0,36
K Ca K0,50 C1,93
Ga K0,3
Ge K1,2
As K0,81
Se K2,02
Br K3,26
Kr C0,40
Rb Sr K0,49 C1,51
In K0,3
Sn K1,2
Sb K1,07
Te K1,97
I K3,06
Xe C0,42
Cs Ba K0,47 C0,48
Tl K0,2
Pb Bi K0,36 K0,95
Rn C0,42
Negative Zahlenwerte bedeuten, dass bei der Reaktion Y C eK / YK Energie abgegeben wird. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Vorzeichengebung nicht einheitlich erfolgt. Eingeklammerte Zahlenwerte sind die Elektronenaffinitäten der Reaktion YK C eK / Y2K. Zur Anlagerung eines zweiten Elektrons ist immer Energie erforderlich.
1.4 Die Struktur der Elektronenhülle
67
Röntgenspektren. Treffen Elektronen sehr hoher Energie (Kathodenstrahlen) auf eine Metallplatte, so erzeugen sie Röntgenstrahlen. Röntgenstrahlen sind elektromagnetische Wellen sehr kurzer Wellenlänge (10K12K10K9 m) (Abb. 1.17). Wenn man die Röntgenstrahlung spektral zerlegt, erhält man ein Linienspektrum, das im Gegensatz zu den Spektren des sichtbaren Bereichs aus nur wenigen Linien besteht. Die Entstehung des Röntgenspektrums zeigt Abb. 1.41. Die energiereichen Kathodenstrahlen schleudern aus inneren Schalen der beschossenen Atome Elektronen heraus. In die entstandenen Lücken springen Elektronen aus weiter außen liegenden Schalen unter Abgabe von Photonen. Da die inneren Elektronen sehr fest gebunden sind, ist bei den Elektronenübergängen die frei werdende Energie groß, und nach der 1 Planck’schen Beziehung E Z h c besitzt die emittierte Strahlung daher eine kleine λ Wellenlänge.
Abbildung 1.41 Entstehung von Röntgenstrahlen. a) Wenn schnelle Elektronen (Kathodenstrahlen) auf eine Metallplatte treffen, so erzeugen sie Röntgenstrahlen. Die Röntgenstrahlung besteht aus Linien, deren Wellenlängen für das Metall, aus der die Anode besteht, charakteristisch sind. b) Die Kathodenstrahlen schleudern aus den inneren Schalen der Metallanode Elektronen heraus. In die Lücken springen Elektronen der äußeren Schalen unter Abgabe von Photonen. Es entsteht eine Serie von Linien. Die intensivste Linie ist die Kα-Linie.
Moseley erkannte bereits 1913, dass die reziproke Wellenlänge der Kα-Röntgenlinie aller Elemente dem Quadrat der um eins verminderten Kernladungszahl Z proportional ist. 3 1 Z RN (Z K 1)2 4 λ RN ist die schon behandelte Rydberg-Konstante (vgl. Abschn. 1.4.2). Aus den Röntgenspektren der Elemente können daher ihre Ordnungszahlen bestimmt werden. Wirkt auf ein Elektron eine positive Kernladung Z · e, so erhält man bei der Ableitung der Energiezustände statt Gl. (1.19) EZ K
Z 2 m e4 1 8 ε02 h 2 n2
68
1 Atombau
und statt Gl. (1.25)
(
1 1 1 Z Z 2 RN 2 K 2 λ n1 n2
)
Für den Übergang eines Elektrons von der L-Schale auf die leere K-Schale folgt daraus 3 1 Z RN Z 2 4 λ Wenn die K-Schale aber mit einem Elektron besetzt ist, ist nur die abgeschirmte Kernladung (Z K 1) e wirksam, man erhält das Moseley-Gesetz. Im Moseley-Gesetz kommt zum Ausdruck, dass sich im Gegensatz zu den äußeren Elektronen die Energie der inneren Elektronen nicht periodisch mit Z ändert. Die Ionisierungsenergien der Tabelle 1.11 zeigen, dass die Energie des innersten Elektrons sich proportional mit Z 2 ändert.
2 Die chemische Bindung
Die Bindungskräfte, die zur Bildung chemischer Verbindungen führen, sind unterschiedlicher Natur. Es werden daher verschiedene Grenztypen der chemischen Bindung unterschieden. Dies sind K K K K
die die die die
Ionenbindung, Atombindung, metallische Bindung, van der Waals-Bindung.
Wir werden aber sehen, dass zwischen diesen Idealtypen fließende Übergänge existieren. Außerdem wird noch ein spezieller Bindungstyp besprochen, die Wasserstoffbindung.
2.1 Die Ionenbindung Für diesen Bindungstyp ist auch die Bezeichnung heteropolare Bindung üblich.
2.1.1 Allgemeines, Ionenkristalle Ionenverbindungen entstehen durch Vereinigung von ausgeprägt metallischen Elementen mit ausgeprägt nichtmetallischen Elementen, also aus Elementen, die im PSE links stehen (Alkalimetalle, Erdalkalimetalle) mit Elementen, die im PSE rechts stehen (Halogene, Sauerstoff). Als typisches Beispiel einer Ionenverbindung soll Natriumchlorid NaCl besprochen werden. Bei der Reaktion von Natrium mit Chlor werden von den Na-Atomen, die die Elektronenkonfiguration 1s2 2s2 2p6 3s1 besitzen, die 3s-Elektronen abgegeben. Dadurch entstehen die einfach positiv geladenen Ionen NaC. Diese Ionen haben die Elektronenkonfiguration des Edelgases Neon 1s2 2s2 2p6. Man sagt, sie haben Neonkonfiguration. Die Cl-Atome nehmen die abgegebenen Elektronen unter Bildung der einfach negativ geladenen Ionen ClK auf. Aus einem Cl-Atom mit der Elektronenkonfiguration 1s2 2s2 2p6 3s2 3p5 entsteht durch Elektronenaufnahme ein ClK-Ion mit der Argonkonfiguration 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6. Stellt man die Elektronen der äußersten Schale als Punkte dar, lässt sich dieser Vorgang folgendermaßen formulieren:
70
2 Die chemische Bindung
Durch Elektronenübergang vom Metallatom zum Nichtmetallatom entstehen aus den neutralen Atomen elektrisch geladene Teilchen, Ionen. Die positiv geladenen Ionen bezeichnet man als Kationen, die negativ geladenen als Anionen. Wegen der veränderten Elektronenkonfiguration zeigen die Ionen gegenüber den neutralen Atomen völlig veränderte Eigenschaften. Cl- und Na-Atome sind chemisch aggressive Teilchen. Die Ionen NaC und ClK sind harmlose, reaktionsträge Teilchen. Die chemische Reaktionsfähigkeit wird durch die Elektronenkonfiguration bestimmt. Teilchen mit der abgeschlossenen Elektronenkonfiguration der Edelgase sind chemisch reaktionsträge. Dies gilt nicht nur für die Edelgasatome selbst, sondern auch für Ionen mit Edelgaskonfiguration. Kationen und Anionen ziehen sich aufgrund ihrer entgegengesetzten elektrischen Ladung an. Die Anziehungskraft wird durch das Coulomb’sche Gesetz (vgl. Abschn. 1.4.1) beschrieben. Es lautet für ein Ionenpaar FZ
zK e zA e 1 $ 4π ε0 r2
(2.1)
Es bedeuten: zK und zA Ladungszahl des Kations bzw. Anions, e Elementarladung, ε0 elektrische Feldkonstante, r Abstand der Ionen. Die Anziehungskraft F ist proportional dem Produkt der Ionenladungen zK e und zA e. Sie ist umgekehrt proportional dem Quadrat des Abstandes r der Ionen. Die elektrostatische Anziehungskraft ist ungerichtet, das bedeutet, dass sie in allen Raumrichtungen wirksam ist. Daher umgeben sich die positiven NaC-Ionen symmetrisch mit möglichst vielen negativen ClK-Ionen und die negativen ClK-Ionen mit positiven NaC-Ionen (vgl. Abb. 2.1). Aus den Elementen Natrium und Chlor bildet
Abbildung 2.1 Da das elektrische Feld des NaC-Ions in jeder Raumrichtung wirkt, ist zwischen dem positiven NaC-Ion und allen ClK-Ionen eine Anziehungskraft wirksam. An das NaC-Ion lagern sich daher so viele negative ClK-Ionen an wie gerade Platz haben.
sich daher nicht eine Verbindung, die aus NaCClK-Ionenpaaren besteht, sondern es entsteht ein Ionenkristall, in dem die Ionen eine regelmäßige dreidimensionale Anordnung, ein Kristallgitter bilden. Abb. 2.2 zeigt die Anordnung der NaC- und ClK-Ionen im NaCl-Kristall. Jedes NaC-Ion ist von 6 ClK-Ionen und jedes ClK-Ion von 6 NaC-Ionen in oktaedrischer Anordnung umgeben. Charakteristisch für die ver-
2.1 Die Ionenbindung
71
Abbildung 2.2 a) Kristallgitter des NaCl-Ionenkristalls (Natriumchlorid-Typ). In den drei Raumrichtungen existiert die gleiche periodische Folge von NaC- und ClK-Ionen. Damit die Struktur des Gitters besser sichtbar wird, sind die Ionen nicht maßstabgetreu, sondern nur als kleine Kugeln dargestellt. b) Im NaCl-Gitter hat jedes NaC-Ion 6 ClK-Ionen als Nachbarn, die ein Oktaeder bilden. Jedes ClK-Ion ist von 6 NaC-Ionen in oktaedrischer Anordnung umgeben. Für beide Ionensorten ist also die Koordinationszahl KZ Z 6. Jedes Ion ist daher gleich stark an sechs Nachbarn gebunden.
verschiedenen Kristallgitter-Typen ist die Koordinationszahl KZ. Sie gibt die Anzahl der nächsten gleich weit entfernten Nachbarn eines Gitterbausteins an. Im NaClKristall haben beide Ionensorten die Koordinationszahl sechs. Kationen und Anionen nähern sich einander im Ionenkristall nur bis zu einer bestimmten Entfernung. Zwischen den Ionen müssen daher auch Abstoßungskräfte existieren. Diese Abstoßungskräfte kommen durch die gegenseitige Abstoßung der Elektronenhüllen der Ionen zustande. Bei größerer Entfernung der Ionen wirken im
Abbildung 2.3 Darstellung des NaCl-Kristalls mit den ClK- und NaC-Ionen als Kugeln, maßstäblich richtig. Die NaC-Ionen haben einen Radius von 102 pm, die ClK-Ionen von 181 pm.
72
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.4 a) Schematischer Verlauf der Elektronendichte bei der Ionenbindung. Die NaC- und ClK-Ionen im NaCl-Gitter berühren sich, die Elektronenhüllen durchdringen sich nicht. Die Elektronendichte sinkt daher an der Berührungsstelle der Ionen auf annähernd null. b) Röntgenografisch bestimmte Elektronendichten in einem NaCl-Kristall. Die Linien verbinden Stellen gleicher Elektronendichte (die Zahlen bedeuten Elektronen.10K30 m3). Sie nimmt mit der Entfernung vom Atomkern rasch ab. Auf der Verbindungslinie zwischen NaCund ClK-Ionen nimmt sie auf nahezu null ab. Integriert man die Elektronendichte in den dadurch abgegrenzten kugelförmigen Ionenvolumina, erhält man für NaC 10,05, für ClK 17,70 Elektronen. Dies beweist den Aufbau des Gitters aus Ionen. Die fehlenden 0,25 Elektronen befinden sich in Zwischenräumen außerhalb der Kugeln.
Wesentlichen nur die Anziehungskräfte. Bei dichter Annäherung der Ionen beginnen Abstoßungskräfte wirksam zu werden, die mit weiterer Annäherung der Ionen wesentlich stärker werden als die Anziehungskräfte. Die Ionen nähern sich deshalb im Kristall bis zu einem Gleichgewichtsabstand, bei dem die Coulomb’schen Anziehungskräfte gerade gleich den Abstoßungskräften der Elektronenhüllen sind (vgl. Abb. 2.21). Die Ionen verhalten sich in einem Ionenkristall daher in erster Näherung wie starre Kugeln mit einem charakteristischen Radius (vgl. Abb. 2.3). Die Elektronenhüllen der Ionen durchdringen sich nicht, die Elektronendichte sinkt zwischen den Ionen fast auf Null (vgl. Abb. 2.4). Ionenverbindungen bestehen also nicht aus einzelnen Molekülen, sondern sind aus Ionen aufgebaute Kristalle, in denen zwischen einem Ion und allen seinen entgegengesetzt geladenen Nachbarionen starke Bindungskräfte vorhanden sind. Ein Ionenkristall kann nur insgesamt als „Riesenmolekül“ aufgefasst werden. Ionenverbindungen sind daher Festkörper mit hohen Schmelzpunkten (vgl. Tabelle 2.8). Da in Ionenkristallen die Ionen nur wenig beweglich sind, sind Ionenverbindungen meist schlechte Ionenleiter. Schmelzen von Ionenkristallen leiten dagegen den elektrischen Strom, da auch in der Schmelze Ionen vorhanden sind, die gut beweglich sind. Wenn sich Ionenkristalle in polaren Lösemitteln wie Wasser lösen, bleiben die Ionen erhalten. Da die Ionen frei beweglich sind, leiten solche Lösungen den elektrischen Strom (vgl. Abschn. 3.7.2).
2.1 Die Ionenbindung
73
In Ionenkristallen haben die meisten Ionen, die von den Elementen der Hauptgruppen gebildet werden, Edelgaskonfiguration. Ausnahmen sind Sn2C und Pb2C. Für die edelgasartigen Ionen besteht zwischen der Ionenladungszahl und der Stellung im Periodensystem ein einfacher Zusammenhang, der in der Tab. 2.1 dargestellt ist. Tabelle 2.1 Ionen mit Edelgaskonfiguration Hauptgruppe
Ionenladungszahl
Beispiele
I II III VI VII
C1 C2 C3 K2 K1
LiC, NaC, KC Be2C, Mg2C, Ca2C, Ba2C Al3C O2K, S2K FK, ClK, BrK, IK
Alkalimetalle Erdalkalimetalle Erdmetalle Chalkogene Halogene
Die Bildung von Ionen mit Edelgaskonfiguration ist aufgrund der Ionisierungsenergien (vgl. Tab. 1.11) und Elektronenaffinitäten (vgl. Tab. 1.12) plausibel. Die Metallatome geben ihre Valenzelektronen relativ leicht ab, ein weiteres Elektron lässt sich aus Kationen mit Edelgaskonfiguration aber nur unter Aufbringung einer extrem hohen Ionisierungsenergie entfernen. Es gibt daher keine Ionenverbindungen mit Na2C- oder Mg3C-Ionen. Bei der Anlagerung eines Elektrons an ein Halogenatom wird Energie frei. Die Anlagerung von Elektronen an edelgasartige Anionen ist nur unter erheblichem Energieaufwand möglich, daher treten in Ionenverbindungen keine Cl2K- oder O3K-Ionen auf. Es wird nun auch klar, warum Ionenverbindungen durch Reaktion von Metallen mit ausgeprägten Nichtmetallen entstehen. Der Elektronenübergang von einem Reaktionspartner zum anderen ist begünstigt, wenn der eine eine kleine Ionisierungsenergie, der andere eine große Elektronenaffinität besitzt. Die Alkalimetallhalogenide sind dementsprechend auch die typischsten Ionenverbindungen.
2.1.2 Ionenradien Man kann die Ionen in Ionenkristallen in erster Näherung als starre Kugeln betrachten. Ein bestimmtes Ion hat in verschiedenen Ionenverbindungen auch bei gleicher Koordinationszahl zwar nicht eine genau konstante Größe, aber die Größen stimmen doch so weit überein, dass man jeder Ionensorte einen individuellen Radius zuordnen kann. Die Ionenradien können aus den Abständen, die zwischen den Ionen in Kristallgittern auftreten, ermittelt werden. Man erhält zunächst, wie in Abb. 2.5 dargestellt ist, aus den Kationen-Anionen-Abständen für verschiedene Ionenkombinationen die Radiensummen von Kation und Anion rA C rK. Zur Ermittlung der Radien selbst muss der Radius wenigstens eines Ions unabhängig bestimmt werden. Pauling hat den Radius des O2K-Ions theoretisch zu 140 pm berechnet. Die in der Tabelle 2.2
74
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.5 Das Kation ist oktaedrisch von Anionen umgeben. Dargestellt sind die vier Nachbarn in einer Ebene. Kation und Anionen berühren sich. Aus dem Abstand KationAnion im Gitter erhält man die Radiensumme von Kation und Anion rK C rA.
angegebenen Ionenradien basieren auf diesem Wert. Die Radien gelten für die Koordinationszahl 6. Ein weniger gebräuchlicher Radiensatz basiert auf einem O2K-Radius von 126 pm, der aus röntgenographisch bestimmten Elektronendichteverteilungen abgeleitet wurde. Es ist also schwierig, absolute Radien zu bestimmen. Für andere Koordinationszahlen ändern sich die Ionenradien. Mit wachsender Zahl benachbarter Ionen vergrößern sich die Abstoßungskräfte zwischen den Elektronenhüllen der Ionen, der Gleichgewichtsabstand wächst. Aus den bei verschiedenen Koordinationszahlen experimentell bestimmten Ionenradien ergibt sich, dass die relativen Änderungen für die einzelnen Ionen individuelle Größen sind und sich nur in erster Näherung eine mittlere Änderung angeben lässt (vgl. Fußnote der Tabelle 2.2). Dafür erhält man die folgende Abhängigkeit. KZ r
8
6
4
1,1
1,0
0,8
Bei den Koordinationszahlen 8, 6 und 4 verhalten sich die Radien für ein und dasselbe Ion annähernd wie 1,1 : 1 : 0,8. Das heißt also, dass das Bild von den starren Kugeln für isoliert betrachtete Ionen nicht gilt, sondern dass sich die Ionenradien aus dem Gleichgewichtsabstand in einem bestimmten Kristall ergeben. In verschiedenen Verbindungen verhält sich ein bestimmtes Ion nur dann wie eine starre Kugel mit annähernd konstantem Radius, wenn die Anzahl seiner nächsten Nachbarn, die Koordinationszahl, gleich ist. Für die Ionenradien gelten folgende Regeln: Kationen sind kleiner als Anionen. Ausnahmen sind die großen Kationen KC, RbC, 2C . Sie sind größer als das kleinste Anion FK. CsC, NHC 4 , Ba In den Hauptgruppen des PSE nimmt der Ionenradius mit steigender Ordnungszahl zu:
2.1 Die Ionenbindung
75
Be2C ! Mg2C ! Ca2C ! Sr2C ! Ba2C FK ! ClK ! BrK ! IK Der Grund dafür ist der Aufbau neuer Schalen. Bei Ionen mit gleicher Elektronenkonfiguration (isoelektronische Ionen) nimmt der Radius mit zunehmender Ordnungszahl ab: O2K O FK O NaC O Mg2C O Al3C Für die Änderung der Radien sind zwei Ursachen zu berücksichtigen. Mit wachsender Kernladung wird die Elektronenhülle stärker angezogen. Mit wachsender Ionenladung verringert sich der Gleichgewichtsabstand im Gitter, da die Anziehungskraft nach dem Coulomb’schen Gesetz mit steigender Ionenladung zunimmt. Die Radien nehmen daher bei den isoelektronischen positiven Ionen viel stärker ab als bei den isoelektronischen negativen Ionen. Gibt es von einem Element mehrere positive Ionen, nimmt der Radius mit zunehmender Ladung ab: Fe2C O Fe3C
Pb2C O Pb4C
Tabelle 2.2 Ionenradien in pm (Ionenradien werden häufig auch in der Einheit Ångström angegeben; 1 Å Z 10K10 m Z 100 pm). HK FK ClK BrK IK O2K S2K N3K LiC NaC KC RbC CsC NH4C TlC CuC AgC AuC
154 133 181 196 220 140 184 171 76 102 138 152 167 143 150 77 115 137
Be2C Mg2C Ca2C Sr2C Ba2C Sn2C Pb2C Ti2C V2C Cr2C Mn2C Fe2C Co2C Ni2C Cu2C Zn2C Pd2C* Cd2C Pt2C* Hg2C
45 72 100 118 135 93 119 86 79 80 83 78 75 69 73 74 86 95 80 102
Al3C Ga3C Tl3C Bi3C Sc3C Ti3C V3C Cr3C Mn3C Fe3C Co3C Ni3C Rh3C La3C Au3C* Ce3C Gd3C Lu3C V3C
54 62 89 103 75 67 64 62 65 65 61 60 67 103 85 101 94 86 64
Si4C Sn4C Pb4C Ti4C V4C Mn4C Zr4C Pd4C Hf4C W4C Pt4C Ce4C U4C V5C Nb5C Ta5C Cr6C Mo6C W6C U6C
40 69 78 61 58 53 72 62 71 66 63 87 89 54 64 64 44 59 60 73
Die Radien gelten für die Koordinationszahl 6. Nur die mit * bezeichneten Radien sind für die quadratisch-planare Koordination angegeben. Die Radien der Kationen sind empirische Radien, die aus Oxiden und Fluoriden ermittelt wurden. Sie entstammen dem Radiensatz von Shannon und Prewitt (Acta Crystallogr. (1976) A32, 751) Dort sind auch die Radien für andere Koordinationszahlen angegeben. Daraus wurde die oben angegebene mittlere Änderung der Radien mit der KZ ermittelt. Der Einfluss des Spinzustandes auf die Ionengröße wird im Abschn. 5.4.6 „Ligandenfeldtheorie“ behandelt.
76
2 Die chemische Bindung
2.1.3 Wichtige ionische Strukturen, Radienquotientenregel In Ionenkristallen treten die Koordinationszahlen 2, 3, 4, 6, 8 und 12 auf. Da zwischen den Ionen ungerichtete elektrostatische Kräfte wirken, bilden die Ionen jeweils Anordnungen höchster Symmetrie (vgl. dazu Abb. 2.6 und Abb. 2.7).
Abbildung 2.6 Die in a) dargestellte Anordnung der Ionen ist nicht stabil. Wegen der gegenseitigen Abstoßung der negativ geladenen Anionen geht a) in b) über. Die Anordnung a) ist nur bei gerichteter Bindung möglich. Entsprechend entstehen in Ionenkristallen auch bei anderen Koordinationszahlen Anordnungen höchster Symmetrie.
Abbildung 2.7 Koordinationszahlen und Geometrie der Anordnungen der Ionen in Ionenkristallen.
Zunächst sollen Strukturen besprochen werden, die bei Verbindungen der Zusammensetzungen AB und AB2 auftreten. In den Abbildungen sind die Kristallstrukturen durch Elementarzellen dargestellt; diese genügen zur vollständigen Beschreibung des Kristallgitters (Elementarzelle s. Abschn. 2.7.1.2).
Abbildung 2.8 Caesiumchlorid-Typ (CsCl), KZ 8. Jedes CsC-Ion ist von 8 ClK-Ionen und jedes ClK-Ion von 8 CsC-Ionen in Form eines Würfels umgeben.
2.1 Die Ionenbindung
77
AB-Strukturen. Die wichtigsten AB-Gittertypen sind die Caesiumchlorid-Struktur, die Natriumchlorid-Struktur und die Zinkblende-Struktur. Sie sind in den Abb. 2.8, 2.2 und 2.9 dargestellt. Da bei den AB-Strukturen die Anzahl der Anionen und Kationen gleich ist, haben beide Ionensorten jeweils dieselbe Koordinationszahl. Beispiele für Ionenkristalle, die in den genannten Strukturen auftreten, enthält die Tabelle 2.4.
Abbildung 2.9 Zinkblende-Typ (ZnS), KZ 4. Die Zn-Atome sind von 4 S-Atomen und die S-Atome von 4 Zn-Atomen in Form eines Tetraeders umgeben.
Abbildung 2.10 Fluorit-Typ (CaF2), KZ 8 : 4. Die Ca2C-Ionen sind würfelförmig von 8 FKIonen umgeben, die FK-Ionen sind von 4 Ca2C-Ionen tetraedrisch koordiniert. Als Antifluorit-Typ bezeichnet man den AB2-Gittertyp, bei dem die negativen Ionen würfelförmig und die positiven Ionen tetraedrisch koordiniert sind. Beispiel Li2O.
Abbildung 2.11 Rutil-Typ (TiO2), KZ 6 : 3. Jedes Ti4C-Ion ist von 6 O2K-Ionen in Form eines etwas verzerrten Oktaeders umgeben, jedes O2K-Ion von 3 Ti4C-Ionen in Form eines nahezu gleichseitigen Dreiecks.
78
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.12 Cristobalit-Typ (SiO2), KZ 4 : 2. Die Si-Atome sind tetraedrisch von 4 Sauerstoffatomen umgeben, die Sauerstoffatome sind von 2 Si-Atomen linear koordiniert.
AB2-Strukturen. Die wichtigsten AB2-Gittertypen sind die Fluorit-Struktur, die Rutil-Struktur und die Cristobalit-Struktur. Sie sind in den Abb. 2.10, 2.11 und 2.12 dargestellt. In den AB2-Strukturen ist das Verhältnis Anzahl der Anionen durch Anzahl der Kationen gleich zwei. Die Koordinationszahl der Anionen muss daher gerade halb so groß sein wie die der Kationen. Beispiele für die AB2-Strukturen sind in der Tabelle 2.5 angegeben. Die besprochenen Strukturen sind keineswegs auf Ionenkristalle beschränkt. Wie wir später noch sehen werden, kommen diese Strukturen auch bei vielen Verbindungen vor, in denen andere Bindungskräfte vorhanden sind. Wir wollen uns nun der Frage zuwenden, warum verschiedene AB- bzw. AB2Verbindungen in unterschiedlichen Strukturen vorkommen. Da die Coulomb’schen Anziehungskräfte in allen Raumrichtungen wirksam sind, werden sich um ein Ion im Gitter möglichst viele Ionen entgegengesetzter Ladung so dicht wie möglich anlagern. In der Regel sind die Kationen kleiner als die Anionen, daher sind die Koordinationsverhältnisse im Gitter meist durch die Koordinationszahl des Kations bestimmt (vgl. Abb. 2.13). Die Anzahl der Anionen, mit denen sich ein Kation umgeben kann, hängt vom Größenverhältnis der Ionen ab, nicht von ihrer Absolutgröße (vergleiche Abb. 2.14). Die Koordinationszahl eines Kations hängt vom Radienquotienten rKation .rAnion ab. Sind Kationen und Anionen gleich groß, können 12 Anionen um das Kation gepackt werden. Mit abnehmendem Verhältnis rK.rA wird die maximal mögliche Zahl der Anionen, die mit dem Kation in Berührung stehen, kleiner.
Abbildung 2.13 Sind die Kationen kleiner als die Anionen, was meistens der Fall ist, werden die Koordinationsverhältnisse im Gitter durch die Koordinationszahl des Kations bestimmt. Bei den in der Zeichnung dargestellten Größenverhältnissen der Ionen ist die Koordinationszahl des Kations drei. An das Anion können sehr viel mehr Kationen angelagert werden, aber dann ließe sich kein symmetrisches Gitter aufbauen.
2.1 Die Ionenbindung
79
Abbildung 2.14 Die Koordinationszahl eines Kations hängt vom Größenverhältnis Kation. Anion ab, nicht von der Absolutgröße der Ionen. Ist der Radienquotient rK.rA Z 1, lassen sich in einer Ebene gerade sechs Anionen um ein Kation packen.
Aus der Gittergeometrie lässt sich der Zusammenhang zwischen der Koordinationszahl und dem Radienquotienten berechnen. Am Beispiel des Caesiumchloridgitters soll gezeigt werden, bei welchem Radienverhältnis der Übergang von der KZ 8 zur KZ 6 erfolgt. Ist das Verhältnis rK.rA Z 1, berühren sich, wie Abb. 2.15a zeigt, Anionen und Kationen, aber nicht die Anionen untereinander. Sinkt rK.rA auf 0,732, haben sich die Anionen einander soweit genähert, dass sowohl Berührung der Anionen und Kationen als auch der Anionen untereinander erfolgt (Abb. 2.15b). Wird das Verhältnis rK.rA ! 0,732, können sich nun, wie Abb. 2.15c zeigt, die Anionen den Kationen nicht mehr weiter nähern. Dies ist erst dann wieder möglich, wenn die Anionen von der würfelförmigen Anordnung mit der KZ 8 in die oktaedrische Koordination mit der KZ 6 übergehen.
Abbildung 2.15 Stabilität der Caesiumchlorid-Struktur in Abhängigkeit vom Radienquotienten rK.rA.
In der Tabelle 2.3 sind die Bereiche der Radienverhältnisse für die verschiedenen Koordinationszahlen angegeben. Beispiele zum Zusammenhang zwischen Gittertyp
80
2 Die chemische Bindung
Tabelle 2.3 Radienquotienten und Koordinationszahl Koordinationszahl KZ
Koordinationspolyeder
Radienquotient rK.rA
Gittertyp
4 6 8
Tetraeder Oktaeder Würfel
0,225K0,414 0,414K0,732 0,732K1
Zinkblende, Cristobalit Natriumchlorid, Rutil Caesiumchlorid, Fluorit
Tabelle 2.4 Radienquotienten rK.rA einiger AB-Ionenkristalle CaesiumchloridStruktur
NatriumchloridStruktur
ZinkblendeStruktur
rK.rA O 0,73
rK.rA Z (0,41K0,73)
rK.rA Z (0,22K0,41)
CsCl CsBr NH4Cl1) TICl CsI NH4Br1) TIBr
BaO KF2) CsF2) NaF KCl CaO KBr KI NaH SrS MnO NaCl VO
1) 2) 3)
0,94 0,87 0,83 0,83 0,79 0,77 0,77
0,97 0,96 0,78 0,77 0,76 0,71 0,71 0,64 0,66 0,61 0,59 0,56 0,56
LiF CaS CoO NaBr MgO NiO NaI LiCl MgS LiBr LiI
056 0,54 0,53 0,52 0,51 0,49 0,47 0,41 0,39 0,38 0,34
BeO3) BeS
0,25 0,19
Die Hochtemperaturmodifikationen kristallisieren in der NaCl-Struktur. Da das Anion kleiner ist als das Kation, ist der Wert für rA.rK angegeben. BeO kristallisiert im Wurtzit-Typ, der dem Zinkblende-Typ eng verwandt ist. Die beiden Ionensorten sind ebenfalls tetraedrisch koordiniert (vgl. Abb. 2.55).
und Radienverhältnis sind für AB-Verbindungen in der Tabelle 2.4 und für AB2Verbindungen in der Tabelle 2.5 zusammengestellt (siehe auch Abb. 2.22). In einigen Fällen treten Abweichungen auf. So kristallisieren z. B. einige Alkalimetallhalogenide in der Natriumchlorid-Struktur, obwohl der Radienquotient CaesiumchloridStruktur erwarten ließe. Die Abhängigkeit der Koordinationszahl vom Radienquotienten gilt also nicht streng. Die Ursachen werden im Abschn. 2.1.4 diskutiert. Auf die Vielzahl weiterer Strukturen kann nur kurz eingegangen werden. Eine wichtige AB3-Struktur ist die Aluminiumfluorid-Struktur. Sie ist in der Abb. 2.16 dargestellt. Diese Struktur (bzw. eine leicht deformierte Variante) wird bei den Fluoriden AlF3, ScF3, FeF3, CoF3, RhF3, PdF3 sowie den Oxiden CrO3, WO3 und ReO3 gefunden.
2.1 Die Ionenbindung
81
Tabelle 2.5 Radienquotienten rK.rA einiger AB2-Ionenkristalle Fluorit-Struktur
Rutil-Struktur
Cristobalit-Struktur
rK.rA O 0,73
rK.rA Z (0,41K0,73)
rK.rA Z (0,22K0,41)
BaF2 PbF2 SrF2 BaCl2 CaF2 CdF2 UO2 SrCl2
MnF2 FeF2 PbO2 ZnF2 CoF2 CaCl2 MgF2 NiF2
1,02 0,89 0,85 0,75 0,75 0,71 0,69 0,62
0,62 0,59 0,56 0,56 0,56 0,55 0,54 0,52
CaBr2 SnO2 MgH2 WO2 TiO2 VO2 CrO2 MnO2 GeO2
0,51 0,49 0,47 0,46 0,44 0,42 0,39 0,38 0,38
SiO2 BeF2
0,29 0,26
Abbildung 2.16 Idealisierter Aluminiumfluorid-Typ (AlF3). Jedes Al3C-Ion ist von 6 FKIonen oktaedrisch umgeben. Die AlF6-Oktaeder sind über gemeinsame Ecken dreidimensional verknüpft. Die FK-Ionen sind linear von zwei Al3C-Ionen koordiniert.
Die wichtigste A2B3-Struktur ist die Korund (α-Al2O3)-Struktur (Abb. 2.17). In ihr kristallisieren die Oxide Cr2O3, Ti2O3, V2O3, α-Fe2O3, α-Ga2O3 und Rh2O3. Zwei häufig auftretende Strukturen sind die Perowskit-Struktur und die SpinellStruktur. In beiden Strukturen treten Kationen in zwei verschiedenen Koordinationszahlen auf. Verbindungen mit Perowskit-Struktur (Abb. 2.18) haben die Zusammensetzung ABX3. Typische Vertreter des Perowskit-Typs sind die Verbindungen C1 C2
K MgF3 ,
C1C2
K Ni F3 ,
C1 C5
Na W O3 ,
C2 C4
Ba Ti O3 ,
C2 C4
CaSnO3 ,
C3 C3
LaAlO3
Die Kationen können Ladungszahlen von C1 bis C5 haben, die Summe der Ladungen der A- und B-Ionen muss aber immer gleich der Summe der Ladungen der Anionen sein. Das kleinere der beiden Kationen hat die Koordinationszahl 6, das größere die Koordinationszahl 12. Ein Perowskit mit gemischtem Anionengitter ist C2 C3
Ba Sc O2F.
82
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.17 Korund-Typ (α-Al2O3) KZ 6:4 Die Sauerstoffionen bilden Schichten dichtester Packung, die in zwei Lagen übereinander gestapelt sind: ABAB ... (hexagonal-dichteste Kugelpackung; vgl. Abschn. 2.4.2). Zwischen je zwei Sauerstoffschichten befindet sich eine Aluminiumschicht C, in der jeder dritte Platz unbesetzt ist. Die Al3C-Ionen einer Schicht bilden Sechsringe, deren Mittelpunkte unbesetzt sind. In den aufeinander folgenden Schichten sind für die Leerstellen , die drei Lagemöglichkeiten realisiert. Die Al3C-Ionen sind oktaedrisch von O2K-Ionen koordiniert. In der idealen Struktur hätten die O2K-Ionen eine prismatische Umgebung mit zwei unbesetzten Punktlagen. Durch die in c) dargestellte Verschiebung der Al3C-Ionen wird die Koordination annähernd tetraedrisch. Die Al-Sechsringe sind dadurch gewellt.
Sind die A-Kationen nur wenig größer als die B-Kationen, dann tritt bei den Verbindungen ABX3 die Ilmenit-Struktur auf, die mit der Korund-Struktur eng verwandt ist. Alle Kationen sind oktaedrisch koordiniert. Beispiele: FeTiO3, MgTiO3, NiMnO3, LiNbO3. Die Spinell-Struktur (Abb. 2.19) tritt bei Verbindungen der Zusammensetzung AB2X4 auf. In den Oxiden AB2O4 mit Spinell-Struktur müssen durch die Kationen
2.1 Die Ionenbindung
83
Abbildung 2.18 Perowskit-Typ ABX3. Beispiel CaTiO3. Die Ti4C-Ionen sind von 6 O2K-Ionen oktaedrisch koordiniert, die Ca2C-Ionen von 12 O2K-Ionen in Form eines Kuboktaeders. Aus der Perowskit-Struktur entsteht die Aluminiumfluorid-Struktur (Abbildung 2.16), wenn die Ca2C-Plätze unbesetzt bleiben. Der Übergang zwischen beiden Strukturen ist in den Wolframbronzen realisiert (vgl. Abschn. 5.14.6.4). In der idealen Struktur gilt für die Radien der Ionen die Beziehung rA C rX Z √2 (rB C rX). Abweichungen davon werden durch den Toleranzfaktor t erfasst: rA C rX Z t √2 (rB C rX). Er liegt meist zwischen 0,9 und 1,1. In den „verzerrten“ Perowskiten ist die kubische Symmetrie (vgl. Abschn. 2.7.1.2) erniedrigt (tetragonal, rhombisch, rhomboedrisch).
Abbildung 2.19 Spinell-Typ AB2X4. Beispiel MgAl2O4. Die Mg2C-Ionen sind von 4 O2KIonen tetraedrisch, die Al3C-Ionen von 6 O2K-Ionen oktaedrisch koordiniert. Die Sauerstoffionen sind in der kubisch-dichtesten Kugelpackung angeordnet (vgl. Abschn. 2.4.2 und Abb. 2.115). Es sei erwähnt, dass A und B nicht nur zur Bezeichnung der Ionensorten, sondern auch zur Bezeichnung der Plätze im Gitter verwendet werden. Man nennt häufig die tetraedrisch koordinierten Plätze A-Plätze und die oktaedrisch koordinierten Plätze B-Plätze.
84
2 Die chemische Bindung
acht negative Anionenladungen neutralisiert werden, was durch folgende drei Kombinationen von Kationen erreicht wird: (A2C C 2 B3C), (A4C C 2 B2C) und (A6C C 2 BC). Man bezeichnet diese Verbindungen als (2,3)-, (4,2)- und (6,1)-Spinelle. Am häufigsten sind (2,3)-Spinelle. 32 der Kationen sind oktaedrisch, 31 tetraedrisch koordiniert. Normale Spinelle haben die Ionenverteilung A(BB)O4; die Ionen, die die Oktaederplätze besetzen, sind in Klammern gesetzt. Spinelle mit der Ionenverteilung B(AB)O4 nennt man inverse Spinelle. Beispiele: Normale Spinelle:
C2 C3
C2
C3
C2 C3
C2 C3
Zn(Al2)O4 , Mg (Cr2)O4 , Zn (Fe2)O4 , Mg (V2)O4 , C6 C1
W (Na2)O4
Inverse Spinelle:
C2
C2 C4
Mg(Mg Ti )O4 ,
C3 C2C3
Fe(Ni Fe)O4 ,
C3 C2C3
Fe(Fe Fe)O4
Auch Spinelle, bei denen die Ionenverteilung zwischen diesen Grenztypen liegt, sind bekannt. Ob bei einer Verbindung AB2O4 die normale oder die inverse Struktur auftritt, hängt im Wesentlichen von den folgenden Faktoren ab: Relative Größen der A- und B-Ionen, Ligandenfeldstabilisierungsenergien der Ionen (vgl. Abschn. 5.4.6), kovalente Bindungsanteile. Einige Ionen besetzen bevorzugt bestimmte Gitterplätze. Zu den Ionen, die bevorzugt die Tetraederplätze besetzen, gehören Zn2C, Cd2C und Fe3C, die oktaedrische Koordination ist besonders bei Cr3C und Ni2C begünstigt. Fe2O3 existiert außer in der im Korund-Typ kristallisierenden α-Modifikation in einer γ-Modifikation. γ-Fe2O3 besitzt eine fehlgeordnete Spinellstruktur, die sich vom Fe3O4 ableiten lässt. Man ersetzt die Fe2C-Ionen der Oktaederplätze zu 32 durch Fe3C-Ionen, 31 der Eisenplätze bleiben unbesetzt (unbesetzte Gitterplätze nennt man 3C ,1.3)O4. Die analoge Leerstellen, Symbol ,), dies führt zur Formel Fe3C(Fe5.3 Struktur besitzt γ-Al2O3. Beispiele für Spinelle mit Schwefel-, Selen-, Tellur- und Fluoranionen sind: ZnAl2S4, FeCr2S4, Co3S4, CuTi2S4, CdCr2S4, CuCr2S4, CuCr2Se4, CuCr2Te4, NiLi2F4.
Abbildung 2.20 Calcit-Typ (CaCO3). Die Calcit-Struktur lässt sich aus der NatriumchloridStruktur ableiten. Die Ca2C-Ionen besetzen die NaC-Positionen, die planaren CO32K-Gruppen die ClK-Positionen. Die Raumdiagonale, die senkrecht zu den Ebenen der CO32K-Ionen liegt, ist gestaucht, da in dieser Richtung die CO32K-Gruppen weniger Platz benötigen.
2.1 Die Ionenbindung
85
Bei den bisher besprochenen Strukturen gibt es keine isolierten Baugruppen im Gitter. In vielen Ionenkristallen treten räumlich abgegrenzte Baugruppen auf, z. B. die Ionen CO2K 3 NOK 3 SO2K 4 PO3K 4
Carbonat-Ion Nitrat-Ion Sulfat-Ion Phosphat-Ion
Innerhalb dieser Gruppen liegt keine Ionenbindung, sondern Atombindung vor. In der Abb. 2.20 ist als Beispiel eine der beiden Kristallstrukturen von CaCO3, der Calcit-Typ, dargestellt. Obwohl CaCO3 und CaTiO3 die analogen Formeln besitzen, sind die Kristallgitter ganz verschieden.
2.1.4 Gitterenergie von Ionenkristallen1 Die Gitterenergie von Ionenkristallen ist die Energie, die frei wird, wenn sich Ionen aus unendlicher Entfernung einander nähern und zu einem Ionenkristall ordnen. Man kann die Gitterenergie von Ionenkristallen berechnen. Der einfachste Ansatz berücksichtigt nur die Coulomb’schen Wechselwirkungskräfte zwischen den Ionen und die Abstoßungskräfte zwischen den Elektronenhüllen. Ein Ionenpaar, dessen Ladungen als Punktladungen zK e und zA e im Abstand r betrachtet werden, hat die elektrostatische potenzielle Energie (Coulomb-Energie) Ec Z
zK zA e 2 4π ε0 r
(2.2)
(s. Gl. 1.12). Da zA negativ ist, ist auch die Coulomb-Energie (bezogen auf unendliche Entfernung der Ionen) negativ (vgl. Abb. 2.21). Befindet sich das Ion der Ladung zK e in einem Kristall, dann kann die CoulombEnergie dieses Ions nur durch Berücksichtigung der Wechselwirkung mit allen benachbarten Ionen berechnet werden. Als Beispiel sei das NaCl-Gitter betrachtet (Abb. 2.2). Ein NaC-Ion hat in der 1. Koordinationssphäre im Abstand r 6 ClKNachbarn, es folgen 12 NaC im Abstand r √2, 8 ClK im Abstand r √3, 6 NaC im Abstand r √4, 24 ClK im Abstand r √5 usw. Die Coulomb-Energie eines NaC-Ions
im NaCl-Kristall beträgt also EC Z
zK zA e 2 6 4π ε0 r
C
zK zK e 2 12 4π ε0 r √2
C
zK zA e 2 8 4π ε0 r √3
C
zK zK e 2 6 4π ε0 r √4
C
zK zA e 2 24 4π ε0 r √5
...
Für das NaCl-Gitter ist zK Z KzA, demnach zK zA Z K zK2 und 1
In diesem Abschnitt werden Kenntnisse über die Begriffe Stoffmenge und Reaktionsenthalpie vorausgesetzt. Sie werden in den Abschn. 3.1 und 3.4 behandelt.
86
2 Die chemische Bindung
Ec Z K
zK2 e 2 4π ε0 r
(
6K
12
√2
C
8
√3
K
6
√4
C
24
√5
)
K ...
Der Klammerausdruck hängt nur von der Gittergeometrie ab, sein Konvergenzwert wird Madelung-Konstante A genannt. A hat für das NaCl-Gitter den Wert 1,7476. Madelung-Konstanten für andere Gittertypen sind in der Tabelle 2.6 angegeben. Beachtet man die Wechselwirkungen aller Ionen, so erhält man für 1 mol NaCl die Coulomb-Energie EC Z K
zK2 e 2A NA 4π ε0 r
(2.3)
NA Z 6,022 · 10 23 molK1 ist die Teilchenanzahl, die ein Mol eines jeden Stoffes enthält (Avogadro-Konstante). Die Abstoßungsenergie kann nach Born mit der Beziehung Er Z
B rn
Tabelle 2.6 Madelung-Konstanten A Strukturtyp Caesiumchlorid Natriumchlorid Wurtzit Zinkblende Fluorit Rutil Cadmiumiodid Korund
A AC BK AC BK AC BK AC BK A2C B2K A2C B2K A2C B2K A23C B32K
1,7627 1,7476 1,6413 1,6381 5,0388 4,816 4,71 25,0312
Mit den angegebenen Madelung-Konstanten und zK Z 1 erhält man aus Gl. (2.4) die Gitterenergie für 1 mol Formeleinheiten AC BK, A2C B2K bzw. A23CB32K. Für Ionenkristalle A2C B2K und A4C B22K mit doppelt so großen Ionenladungen ist zK Z 2 einzusetzen.
Tabelle 2.7 Werte des Exponenten n in der Born-Gleichung für verschiedene Elektronenkonfigurationen Elektronenkonfiguration des Ions
n
[He] [Ne] [Ar], [CuC] [Kr], [AgC] [Xe], [AuC]
5 7 9 10 11
2.1 Die Ionenbindung
87
beschrieben werden. B und n sind Konstanten, die empirisch bestimmt werden müssen. n hängt vom Ionentyp ab, lässt sich aus der Kompressibilität von Salzen ableiten und hat meist Werte zwischen 6 und 10. Für die meisten Rechnungen können aber für Ionen gleicher Elektronenkonfiguration die in der Tabelle 2.7 angegebenen n-Werte verwendet werden. Bei Ionenkristallen, die aus Ionen mit unterschiedlichen Elektronenkonfigurationen aufgebaut sind, wird der Mittelwert verwendet. Ein großer n-Wert bedeutet, dass die Abstoßungskräfte mit wachsendem r sehr viel schneller abnehmen als die Coulomb-Anziehungskräfte, aber mit abnehmendem r schneller zunehmen (vgl. Abb. 2.21).
Abbildung 2.21 Energiebeträge bei der Bildung eines Ionenkristalls als Funktion des Ionenabstands. Schon bei großen Ionenabständen wird Coulomb-Energie frei. Sie wächst bei abneh1 mendem Abstand mit r . Die Abstoßungsenergie ist bei größeren Ionenabständen viel kleiner als die Coulomb-Energie, wächst aber mit abnehmendem Abstand rascher an. Die resultierende Gitterenergie (rot gezeichnete Kurve) durchläuft daher ein Minimum. Die Lage des Minimums bestimmt den Gleichgewichtsabstand der Ionen r0 im Gitter. Bei r0 hat die frei werdende Gitterenergie den größtmöglichen Wert, der Ionenkristall erreicht einen Zustand tiefster Energie.
Für die Gitterenergie in Abhängigkeit von r erhält man also Ug Z K
zK2 e 2 NA A 4π ε0 r
C
B rn
Beim Gleichgewichtsabstand r Z r0 muss Ug ein Minimum aufweisen (Abb. 2.21). Für das Minimum gilt
( ) dUg dr
rZr0
Z0Z
zK2 e 2 NA A 4π ε0 r 02
K
nB r 0nC1
88
2 Die chemische Bindung
Daraus erhält man für die Konstante B BZ
zK2 e 2 NA A nK 1 r0 n 4π ε0
und für Ug bei r Z r0 Ug Z K
( )
zK2 e 2 NA A 1 1K n 4π ε0 r0
(2.4)
Im ersten Term ist die Coulomb-Energie, im zweiten Term die Abstoßungsenergie enthalten. Da n-Werte von 8 bis 10 häufig sind, ist die Gitterenergie im Wesentlichen durch den Beitrag der Coulomb-Energie bestimmt (Abb. 2.21). Eine Änderung von n hat nur einen geringen Einfluss auf den Wert von Ug. Den Einfluss von Ionengröße und Ionenladungszahl z auf die Gitterenergie zeigt Tabelle 2.8. Die Gitterenergie von Ionenkristallen einer bestimmten Struktur nimmt mit abnehmender Ionengröße und zunehmender Ionenladung zu. Tabelle 2.8 Zusammenhang zwischen Ionengröße, Gitterenergie1), Schmelzpunkt und Härte Verbindung
Summe der Ionenradien in pm
NaF NaCl NaBr NaI
235 283 297 318
913 778 737 695
992 800 747 662
3,2 2K2,5 2 K
KF KCl KBr KI
271 319 333 354
808 703 674 636
857 770 742 682
K 2,2 1,8 1,3
MgO CaO SrO BaO
212 240 253 276
3920 3513 3283 3114
2642 2570 2430 1925
6 4,5 3,5 3,3
1)
Gitterenergie in kJ.mol
Schmelzpunkt in (C
Ritzhärte nach Mohs
Bisher wurden Energiegrößen wie z. B. die Ionisierungsenergie für einzelne Teilchen angegeben. Die Gitterenergie wird für 1 mol angegeben, das sind 6 · 1023 Formeleinheiten (vgl. Abschn. 3.1).
Beispiel: Gitterenergie von NaCl AZ zKZ r0 Z n Z
1,7476 1 2,83 · 10K10 m (Summe der Ionenradien von NaC und ClK) 8 (Mittelwert aus den n-Werten der Ne- und Ar-Konfiguration)
2.1 Die Ionenbindung
89
Durch Einsetzen der Zahlenwerte und Konstanten in Gl. (2.4) erhält man Ug Z K
1,6022 $ 10K38 A2 s2 $ 1,7476 $ 6,022 $ 1023 molK1 4π $ 8,854 $ 10
K12
2 4
A s kg
K1
m
K3
$ 2,83 $ 10
K10
m
( ) 1K
1 8
Ug Z (K 858 C 107) kJ molK1 Z K 751 kJ molK1 Die Gitterenergie beträgt Ug Z K751 kJ molK1. Sie enthält den Betrag der freiwerdenden Coulomb-Energie von EC Z K858 kJ molK1 und den der aufzuwendenden Abstoßungsenergie von Er Z C107 kJ molK1. Für 1 mol einzelne NaCl-Ionenpaare erhält man aus Gl. (2.2) die CoulombEnergie EC Z K491 kJ molK1. Das Ionengitter ist also sehr viel stabiler. Die Größe der Gitterenergie ist ein Ausdruck für die Stärke der Bindungen zwischen den Ionen im Kristall. Daher hängen einige physikalische Eigenschaften der Ionenverbindungen von der Größe der Gitterenergie ab. Vergleicht man Ionenkristalle gleicher Struktur, dann nehmen mit wachsender Gitterenergie Schmelzpunkt, Siedepunkt und Härte zu, der thermische Ausdehnungskoeffizient und die Kompressibilität ab. Daten für einige in der Natriumchlorid-Struktur kristallisierende Ionenverbindungen sind in der Tabelle 2.8 angegeben. Als weiteres Beispiel sei Al2O3 angeführt, das aufgrund seiner extrem hohen Gitterenergie von 13 000 kJ molK1 sehr hart ist und daher als Schleifmittel verwendet wird. Die Gitterenergie ist auch von Bedeutung für die Löslichkeit von Salzen. Bei der Auflösung eines Salzes muss die Gitterenergie durch einen Energie liefernden Prozess aufgebracht werden. Dieser Prozess ist bei der Lösung in Wasser die Hydratation der Ionen (vgl. Abschn. 3.7.1). Obwohl die Löslichkeit eines Salzes ein kompliziertes Problem ist und eine Voraussage über die Löslichkeit von Salzen schwierig ist, verstehen wir, dass Ionenverbindungen mit hohen Gitterenergien wie MgO und Al2O3 in Wasser unlöslich sind. Die Berechnung der Gitterenergie kann noch verbessert werden, wenn außer der Coulomb-Energie und der Abstoßungsenergie weitere Energiebeträge, z. B. die van der Waals-Energie (vgl. S. 166) und die Nullpunktsenergie berücksichtigt werden (Tabelle 2.9). Unter der Nullpunktsenergie versteht man die Schwingungsenergie der Ionen, die der Kristall auch bei 0 K aufweist. Sie vermindert den Gesamtbetrag der Tabelle 2.9 Komponenten der Gitterenergie (Zahlenwerte in kJ molK1)
Coulomb-Energie Abstoßungsenergie Van der Waals-Energie Nullpunktsenergie
NaF
NaCl
CsI
AgCl
TlCl
K1048 C 150 K 20 C 4
K861 C104 K 24 C 3
K619 C 69 K 52 C 1
K875 C146 K121 C 4
K732 C142 K116 C 4
90
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.22 Die Coulomb-Energie von AB-Strukturen in Abhängigkeit vom Radienquotienten. r Bei rK Z 1 hat die CsCl-Struktur die größte negative Coulomb-Energie. Mit abnehmendem A r Radienquotienten wächst die Coulomb-Energie bis rK Z 0,732. Dieser Wert kann für KZ Z 8 A
nicht unterschritten werden (vgl. Abbildung 2.15), eine weitere Zunahme der Coulomb-Energie ist nur möglich, wenn ein Wechsel zu KZ Z 6 erfolgt. Dies wiederholt sich für die r NaCl-Struktur bei rK Z 0,414. Bei kleinen Radienquotienten ist die ZnS-Struktur mit KZ Z 4 A am stabilsten.
Gitterenergie nur wenig. Die van der Waals-Anziehung ist zwischen allen Teilchen wirksam. Sie kommt durch Wechselwirkung von Dipolmomenten zustande, die durch Polarisation der Elektronenhüllen induziert werden. Je größer die Ionen sind, umso stärker sind sie polarisierbar (vgl. S. 164) und umso größer wird die van der WaalsAnziehungskraft. Näher wird dieser Bindungstyp im Abschn. 2.3 behandelt. Außerdem gibt es auch für die Abstoßungsenergie genauere Berechnungen. In der Radienquotientenregel kommt zum Ausdruck, dass eine Ionenverbindung in derjenigen Struktur kristallisiert, für die die Coulomb-Energie am größten ist (Abb. 2.22). Sie ist als Faustregel nützlich und führt, wie die Tabellen 2.4 und 2.5 zeigen, zu richtigen Voraussagen, wenn die Radienquotienten nicht nahe bei Werten liegen, bei denen ein Strukturwechsel zu erwarten ist. Oft ist aber eine Voraussage allein auf Grund der Coulomb-Energie nicht möglich. Ein Beispiel ist das Auftreten der Caesiumchlorid-Struktur. Auf Grund der Madelung-Konstante kommt es beim Übergang von der NaCl-Struktur zur CsCl-Struktur nur zu einem sehr geringem Anstieg der Coulomb-Energie von ca. 1%. Die Zunahme der Ionenradien beim Übergang von der KZ 6 zur KZ 8 führt zu einem wesentlich höheren Verlust an Coulomb-Energie.
2.1 Die Ionenbindung
Beispiel: Gitterenergie von BaO zK Z 2 n Z9 A(NaCl) Z 1,7476 rVI(O2K) Z 140 pm rVI(Ba2C) Z 136 pm r (Ba2C) r (O2K)
91
A(CsCl) Z 1,7627 rVIII(O2K) Z 142 pm rVIII(Ba2C) Z 142 pm
Z 0,97
Damit erhält man aus der Gl. (2.4) Ug(NaCl) Z (K3518 C 391) kJ molK1 Z K3127 kJ molK1 Ug(CsCl) Z (K3449 C 383) kJ molK1 Z K3066 kJ molK1 Entgegen dem Radienquotienten liefert die NaCl-Struktur mehr Gitterenergie, und tatsächlich kristallisiert BaO im NaCl-Typ. Mit der elektrostatischen Theorie ist nicht zu verstehen, warum überhaupt Verbindungen in der CsCl-Struktur kristallisieren. Da die van der Waals-Energie mit wachsender Anzahl der Nachbarionen zunimmt, ist offenbar diese Energie für das Auftreten der CsCl-Struktur entscheidend, aber nur dann ausreichend, wenn die Polarisierbarkeit beider Ionen groß ist (vgl. S. 165 u. Tab. 2.9). Dies ist bei CsCl, CsBr, CsI, TlCl, TlBr und TlI der Fall, nicht aber z. B. bei CsF und KF (s. Tabelle 2.4). In ionischen Verbindungen mit CsCl-Struktur sind neben den ionischen Wechselwirkungen auch van der Waals-Wechselwirkungen strukturbestimmend.
2.1.5 Born-Haber-Kreisprozess Bei der Bildung eines Ionenkristalls aus den Elementen unter Standardbedingungen (vgl. Abschn. 3.4) wird die Standardbildungsenthalpie ΔH+ B frei. Sie kann direkt gemessen werden. Der Ionenkristall kann aber auch in einigen hypothetischen Reaktionsschritten entstehen:
92
2 Die chemische Bindung
Reaktionsschritte
Erforderliche Energie
Sublimation von Natrium; Überführung des Metalls in ein Gas aus Na-Atomen:
ΔH+ S Sublimationsenthalpie von Natrium
Na(s) $% Na(g) Dissoziation des Cl2-Moleküls in Atome:
ΔH+ D Dissoziationsenthalpie von Chlor
Cl2(g) $% 2Cl(g) Ionisierung der Natriumatome: Na(g)
%$C Na(g)
Ce
Anlagerung von Elektronen an die Cl-Atome: K
Cl(g) C e
%$Eea Elektronenaffinität von Chlor
K Cl(g)
Bildung des Ionenkristalls aus NaC- und ClK-Ionen: C
I Ionisierungsenergie von Natrium
K
Ug Gitterenergie von NaCl
K
Na(g) C Cl(g) $% NaCl(s)
Nach dem Satz von Heß (vgl. Abschn. 3.4) ist die Energiedifferenz zwischen zwei Zuständen unabhängig vom Weg, auf dem man vom Anfangszustand zum Endzustand gelangt. Für die Standardbildungsenthalpie ΔH+ B gilt daher + 1 + ΔH+ B Z ΔHS C 2 Δ HD C I C Eea C Ug
Für NaCl sind die einzelnen Beiträge in kJ molK1 K411 Z C 108 C 121 C 496 K 349 C Ug Mit dem Born-Haber-Kreisprozess erhält man für die Gitterenergie Ug Z K787 kJ molK1. Anwendung des Kreisprozesses Indirekte Bestimmung von Gitterenergien (siehe oben). Bei Alkalimetallhalogeniden ist die Differenz zwischen den berechneten und den aus dem Born-Haber-Kreisprozess bestimmten Gitterenergien nicht größer als etwa 5%. Bestimmung von Elektronenaffinitäten. Stabilität hypothetischer Ionenverbindungen (Zahlenwerte in kJ molK1). Beispiel: NeCl
+ + C Eea C Ug ΔH+ B Z ΔHS C ΔHD C I + ΔHB Z 0 C 121 C 2084 K 349 C Ug Z 1856 C Ug
ΔH+ B wird positiv, da die große Ionisierungsenergie der Ne-Atome durch die Gitterenergie nicht kompensiert werden kann. NeCClK ist nicht stabil. Das gleiche Ergebnis erhält man auch für NaCl2 und MgCl3.
2.2 Die Atombindung
93
Beispiel: AlCl Die Bildungsenthalpie von AlCl ist negativ K1 ΔH+ Al C 21 Cl2 $% AlCl B Z K 188 kJ mol Bezogen auf die Elemente ist die ionogene Verbindung stabil, bezogen auf eine Disproportionierung aber instabil 3 AlCl $% 2 Al C AlCl3 ΔH+ Z K 130 kJ molK1 Bestimmung von Hydratationsenthalpien ΔHH (vgl. Abschn. 3.7.1). Hydratationsenthalpien von Salzen können bestimmt werden, wenn die Lösungsenthalpien ΔHL und die Gitterenergien bekannt sind.
2.2 Die Atombindung Für diesen Bindungstyp sind außerdem die Bezeichnungen kovalente Bindung und homopolare Bindung üblich.
2.2.1 Allgemeines, Lewis-Formeln Die Atombindung tritt dann auf, wenn Nichtmetallatome miteinander eine chemische Bindung eingehen. Dabei bilden sich häufig kleine Moleküle wie H2, N2, Cl2, H2O, NH3, CO2, SO2. Die Stoffe, die aus diesen Molekülen bestehen, sind im Normzustand (pn Z 1,013 bar, tn Z 0 (C) oft Gase oder Flüssigkeiten. Durch Atombindungen zwischen Nichtmetallatomen können aber auch harte, hochschmelzende, kristalline Festkörper entstehen. Dies ist z. B. bei der Kohlenstoffmodifikation Diamant der Fall. Nach den schon 1916 von Lewis entwickelten Vorstellungen erfolgt bei einer Atombindung der Zusammenhalt zwischen zwei Atomen durch ein Elektronenpaar, das beiden Atomen gemeinsam angehört. Dies kommt in den Lewis-Formeln zum Ausdruck, in denen Elektronen durch Punkte, Elektronenpaare durch Striche dargestellt werden. Beispiele für Lewis-Formeln:
94
2 Die chemische Bindung
Die gemeinsamen, bindenden Elektronenpaare sind durch rote Punkte symbolisiert. Nicht an der Bindung beteiligte Elektronenpaare werden als „einsame“ oder „nichtbindende“ Elektronenpaare bezeichnet. Sie sind durch schwarze Punkte dargestellt. Einfacher ist die Schreibweise —
— —
—
— — — — , N— Cl —N — Cl —
bzw.
—— —— O —C —— O. —
Bei allen durch obige Formeln beschriebenen Molekülen entstehen die bindenden Elektronenpaare aus Elektronen, die sich auf der äußersten Schale der Atome befinden. Elektronen innerer Schalen sind an der Bindung nicht beteiligt. Bei den LewisFormeln brauchen daher nur die Elektronen der äußersten Schale berücksichtigt werden. Bei Übergangsmetallen können allerdings auch die d-Elektronen der zweitäußersten Schale an Bindungen beteiligt sein. Während es bei der Ionenbindung durch Elektronenübergang vom Metallatom zum Nichtmetallatom zur Ausbildung stabiler Edelgaskonfigurationen kommt, erreichen in Molekülen mit Atombindungen die Atome durch gemeinsame bindende Elektronenpaare eine abgeschlossene stabile Edelgaskonfiguration. Beispiele:
Die Anzahl der Atombindungen, die ein Element ausbilden kann, hängt von seiner Elektronenkonfiguration ab. Wasserstoffatome und Chloratome erreichen durch eine Elektronenpaarbindung die Helium- bzw. Argonkonfiguration. Sauerstoffatome müssen zwei, Stickstoffatome drei Bindungen ausbilden, um ein Elektronenoktett zu erreichen.
2.2 Die Atombindung
95
2.2.2 Bindigkeit, angeregter Zustand Mit dem Prinzip der Elektronenpaarbindung kann man verstehen, wie viele kovalente Bindungen ein bestimmtes Nichtmetallatom ausbilden kann. Betrachten wir einige Wasserstoffverbindungen von Elementen der 14. bis 18. Gruppe.
Bei den Elementen der 14.K18. Gruppe stimmt die Anzahl ungepaarter Elektronen mit der Anzahl der Bindungen überein. Kohlenstoff und Silicium bilden aber nicht, wie die Anzahl ungepaarter Elektronen erwarten lässt, die Moleküle CH2 und SiH2, sondern die Verbindungen CH4 und SiH4 mit vier kovalenten Bindungen. Dazu sind vier ungepaarte Elektronen erforderlich.
Eine Elektronenkonfiguration des C-Atoms mit vier ungepaarten Elektronen entsteht durch den Übergang eines Elektrons aus dem 2s-Orbital in das 2p-Orbital (Abb. 2.23). Man nennt diesen Vorgang Anregung oder „Promotion“ eines Elektrons. Dazu ist beim C-Atom eine Energie von 406 kJ.mol aufzuwenden. Ein angeregter Zustand wird durch einen Stern am Elementsymbol dargestellt. Trotz der aufzuwendenden Promotionsenergie wird durch die beiden zusätzlichen Bindungen soviel Bindungsenergie (vgl. Tabelle 2.14) geliefert, dass die Bildung von CH4 energetisch begünstigt ist. Die Anzahl der Atombindungen, die ein bestimmtes Atom ausbilden kann, wird seine Bindigkeit genannt. In der Tabelle 2.10 ist der Zusammenhang zwischen Elektronenkonfiguration und Bindigkeit für die Elemente der 2. Periode zusammengestellt.
96
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.23 Valenzelektronenkonfiguration von Kohlenstoff im Grundzustand und im angeregten Zustand.
Tabelle 2.10 Elektronenkonfiguration und Bindigkeit der Elemente der 2. Periode
Atom oder Ion
Elektronenkonfiguration K L 1s 2s 2p
Li Be* B* B – , C*, N + N, O + O, N – O–, F O2 – , F – , Ne
Bindigkeit
AußenelektroBeispiel nen im Bindungszustand
1 2 3 4 3 2 1 0
2 4 6 8 8 8 8 –
LiH BeCl2 BF3 BF 4–, CH4, NH +4 NH3, H3O+ – H2O, NH 2 – OH , HF –
Die Atome von Elementen der zweiten Periode können maximal vier kovalente Bindungen ausbilden, da nur vier Orbitale für Bindungen zur Verfügung stehen und auf der äußersten Schale maximal acht Elektronen untergebracht werden können. Die Tendenz der Atome, eine stabile Außenschale von acht Elektronen zu erreichen, wird Oktett-Regel genannt. Daraus ergibt sich z. B. sofort, dass für die Salpetersäure HNO3 die Lewisformel
H O N O O falsch sein muss. Nur ein angeregtes Stickstoffatom könnte fünfbindig sein. Dazu müsste jedoch ein Elektron aus der L-Schale in die nächsthöhere M-Schale angeregt werden. N:
N*: 2s
2p
2s
2p
Orbitale der M-Schale
Wegen der großen Energiedifferenz zwischen den Orbitalen der L-Schale und der M-Schale wird keine chemische Verbindung mit einem angeregten N-Atom gebildet.
2.2 Die Atombindung
97
Werden bei den Elementen höherer Perioden nur s- und p-Orbitale zur Bindung benutzt, gilt die Oktettregel ebenfalls. Innerhalb einer Gruppe haben entsprechende Verbindungen analoge Formeln: CCl4, SiCl4, GeCl4, SnCl4, PbCl4; NH3, PH3, AsH3, SbH3, BiH3; H2O, H2S, H2Se, H2Te; HF, HCl, HBr, HI. Die Elemente der 3. Periode und höherer Perioden bilden jedoch viele Moleküle bei denen formal das Elektronenoktett des Zentralatoms überschritten wird. Diese Moleküle bezeichnet man als hypervalente Moleküle. Die Bindigkeit ist oft größer als vier und die Zentralatome haben hohe Oxidationsstufen. Die höchsten Oxidationsstufen werden aber nur mit sehr elektronegativen Bindungspartnern wie Fluor und Sauerstoff erreicht. Die Wasserstoffverbindungen PH5 oder SH6 existieren nicht. Beispiele mit hypervalenten Molekülen enthält die Tabelle 2.11.
Tabelle 2.11 Hypervalente Moleküle
Hypervalente Verbindungen werden im Kap. 4 besprochen. An einigen Beispielen werden im Abschn. 2.2.9 unter Hyperkonjugation, nichtklassische π-Bindungen die Bindungen mit der MO-Theorie erklärt.
98
2 Die chemische Bindung
2.2.3 Dative Bindung, formale Ladung Die beiden Elektronen einer kovalenten Bindung müssen nicht notwendigerweise von verschiedenen Atomen stammen. Betrachten wir die Reaktion von Ammoniak NH3 mit Bortrifluorid BF3
Die bindenden Elektronen der Stickstoff-Bor-Bindung werden beide vom N-Atom geliefert. Man schreibt daher auch H3N $% BF3. Teilt man die bindenden Elektronen zwischen den an der Bindung beteiligten Atomen zu gleichen Teilen auf, dann gehören zu H ein, zu F sieben, zu N vier und zu B vier Elektronen. Verglichen mit den neutralen Atomen hat N ein Elektron weniger, B ein Elektron mehr. Dem Stickstoffatom wird daher die formale Ladung C1, dem Boratom die formale Ladung K1 zugeordnet. 4
2
H3 N K BF3 Für die beschriebene Bindung werden die Bezeichnungen dative Bindung und koordinative Bindung benutzt. Der einzige Unterschied zwischen einer derart bezeichneten Bindung und einer gewöhnlichen kovalenten Bindung besteht nur darin, dass im ersten Fall die Bindungselektronen von einem Atom stammen, im zweiten Fall von beiden Atomen. Es handelt sich also nicht um eine spezielle Bindungsart. Weitere Beispiele:
Durch Reaktion von NH3 mit einem Proton HC (Wasserstoffatom ohne Elektron) entsteht das Ammoniumion NHC 4 . Das freie Elektronenpaar des N-Atoms bildet mit HC eine kovalente Bindung.
Man muss zwischen der formalen Ladung und der tatsächlichen Ladung eines Atoms unterscheiden. Bei einer Bindung zwischen zwei verschiedenen Atomen gehört das bindende Elektronenpaar den beiden Atomen nicht zu genau gleichen Teilen an, wie bei der Zuordnung von Formalladungen vorausgesetzt wurde. So ist z. B. die tatsächliche Ladung des N-Atoms im NHC 4 -Ion viel kleiner als einer vollen Ladung entspricht, da die bindenden Elektronen vom N-Atom stärker angezogen werden als vom H-Atom (vgl. Abschn. 2.2.8). Die Festlegung einer formalen Ladung für ein
2.2 Die Atombindung
99
Atom ist sinnvoll, da ein einfacher Zusammenhang zwischen der formalen Ladung eines Atoms und seiner Bindigkeit existiert (vgl. Tabelle 2.10 und Tabelle 2.11).
2.2.4 Das Valenzschalen-Elektronenpaar-Abstoßungs-Modell Zur Deutung der Molekülgeometrie wurde von Gillespie und Nyholm das Modell der Valenzschalen-Elektronenpaar-Abstoßung entwickelt (VSEPR-Modell, nach valence shell electron pair repulsion). Es beruht auf vier Regeln. In Molekülen des Typs ABn ordnen sich die Elektronenpaare in der Valenzschale des Zentralatoms so an, dass der Abstand möglichst groß wird. Die Elektronenpaare verhalten sich so, als ob sie einander abstoßen. Dies hat zur Folge, dass sich die Elektronenpaare den kugelförmig um das Zentralatom gedachten Tabelle 2.12 Molekülgeometrie nach dem VSEPR-Modell (X einfach gebundenes Atom) Anzahl der Elektronenpaare
Geometrie der Elektronenpaare
Molekültyp
Molekülgestalt
Beispiele
2
linear
AB2
linear
HgX2, CdX2, ZnX2, BeCl2
3
dreieckig
AB3 AB2 E
dreieckig V-förmig
BX3, GaI3 SnCl2
4
tetraedrisch
AB4
tetraedrisch
AB3E
trigonalpyramidal V-förmig
BeX 4 , BX 4 , CX 4, NX 4 , C SiX 4, GeX 4, AsX 4 C NX3, OH 3 , PX3, AsX3, SbX3, P4O6 OX 2, SX 2, SeX 2, TeX 2
AB2E 2 5
trigonalbipyramidal
AB5 AB4E AB3E 2 AB2E 3
trigonalbipyramidal tetraedrisch verzerrt T-förmig linear
2K
K
C
PCl5, PF5, PCl3F2, SbCl5 SF4, SeF4, SCl4 ClF3, BrF3 K K ICI 2 , I 3 , XeF2
5
quadratischpyramidal
AB5
quadratischpyramidal
SbF5
6
oktaedrisch
AB6
oktaedrisch
SF6, SeF6, TeF6, PCl 6 ,
AB5E
quadratischpyramidal quadratischplanar
AB4E 2 7
pentagonalbipyramidal
AB7
pentagonalbipyramidal
K
K PF 6 ,
2K SiF 6 ,
Te(OH)6 ClF5, BrF5, IF5 K
K
ICl4 , I 2Cl 6, BrF4 , XeF4 K
IF7, TeF 7
100
2 Die chemische Bindung
Raum gleichmäßig aufteilen. Wenn jedes Elektronenpaar durch einen Punkt symbolisiert und auf der Oberfläche einer Kugel angeordnet wird, deren Mittelpunkt das Zentralatom A darstellt, dann entstehen Anordnungen mit maximalen Abständen der Punkte. Für die Moleküle des Typs ABn erhält man die in der Abb. 2.24 dargestellten geometrischen Strukturen. Beispiele dafür sind in der Tabelle 2.12 zu finden.
Abbildung 2.24 Anordnungen von Punkten (Elektronenpaare bzw. Liganden) auf einer Kugeloberfläche, bei denen die Punkte maximale Abstände besitzen. Bei fünf Liganden gibt es zwei Lösungen. Die meisten Moleküle AB5 bevorzugen die trigonale Bipyramide. Die drei äquatorialen Positionen sind den beiden axialen Positionen nicht äquivalent.
Mit dem VSEPR-Modell können auch solche Molekülstrukturen verstanden werden, bei denen im Molekül freie Elektronenpaare, unterschiedliche Substituenten oder Mehrfachbindungen vorhanden sind. Die freien Elektronenpaare E in einem Molekül vom Typ ABlEm befinden sich im Gegensatz zu den bindenden Elektronenpaaren im Feld nur eines Atomkerns. Sie beanspruchen daher mehr Raum als die bindenden Elektronenpaare und verringern dadurch die Bindungswinkel. Beispiele für die tetraedrischen Strukturen AB4, AB3E und AB2E2 sind CH4, NH3 und H2O
2.2 Die Atombindung
101
Gibt es für freie Elektronenpaare in einem Molekül mehrere mögliche Positionen, so werden solche Positionen eingenommen, bei denen die gegenseitige Abstoßung am kleinsten ist und die Wechselwirkung mit den bindenden Elektronenpaaren möglichst klein ist. In den oktaedrischen Strukturen AB4E2 besetzen die beiden Elektronenpaare daher trans-Positionen, es liegt ein planares Molekül vor. Beispiele für die oktaedrischen Strukturen AB6, AB5E und AB4E2 sind SF6, BrF5 und XeF4.
In trigonal-bipyramidalen Strukturen besetzen freie Elektronenpaare die äquatorialen Positionen. Ursache: Die Valenzwinkel in der äquatorialen Ebene betragen 120(, die Winkel zu den Pyramidenspitzen nur 90(. Der Abstand zu einem Nachbaratom in der Äquatorebene ist daher größer als zu einem Nachbaratom in der Pyramidenspitze. Beispiele für die trigonal-bipyramidalen Strukturen AB5, AB4E, AB3E2, AB2E3 sind PF5, SF4, ClF3 und XeF2.
Der größere Raumbedarf der freien Elektronenpaare verringert die idealen Bindungswinkel 90(, 120(, 180( der trigonalen Bipyramide. In den trigonal-bipyramidalen Molekülen sind die äquatorialen Abstände um 5 bis 15 % kleiner als die axialen Abstände. In der Ebene sind die Atome also fester gebunden.
102
2 Die chemische Bindung
Ein Beispiel für die pentagonal-bipyramidale Struktur AB7 ist IF7
Elektronegative Substituenten ziehen bindende Elektronenpaare stärker an sich heran und vermindern damit deren Raumbedarf. Die Valenzwinkel nehmen daher mit wachsender Elektronegativität der Substituenten ab. Beispiele: PI3 PBr3 PCl3 PF3
102( 101( 100( 98(
AsI3 AsBr3 AsCl3 AsF3
101( 100( 98( 96(
xF O xCl O xBr O xI Bei gleichen Substituenten, aber abnehmender Elektronegativität des Zentralatoms, nehmen die freien Elektronenpaare mehr Raum ein, die Valenzwinkel verringern sich. Beispiele: H 2O H2S H2Se H2Te
104( 92( 91( 89(
xO O xS O xSe O xTe
NF3 PF3 AsF3 SbF3
102( 98( 96( 88(
xN O xP O xAs O xSb
In der trigonalen Bipyramide besetzen die elektronegativeren Atome K da sie weniger Raum beanspruchen K die axialen Positionen. Beispiele:
2.2 Die Atombindung
103
Mehrfachbindungen beanspruchen mehr Raum als Einfachbindungen und verringern die Bindungswinkel der Einfachbindungen. Ist neben der Doppelbindung auch ein freies Elektronenpaar vorhanden, verstärkt sich die Abnahme des Bindungswinkels. Sind mehrere Doppelbindungen vorhanden, ist der Winkel zwischen diesen der größte des Moleküls. Beispiele:
In trigonal-bipyramidalen Molekülen liegen wegen ihrer größeren Raumbeanspruchung die Doppelbindungen in der Äquatorebene. Beispiele:
Das VSEPR-Modell setzt eine Äquivalenz der Elektronenpaare voraus. Es ignoriert die Unterschiedlichkeit der Energien und räumlichen Orientierungen der Atomorbitale. Mit wenigen an der Erfahrung orientierten Regeln liefert es aber eine anschauliche und leicht verständliche Systematik der Molekülstrukturen. Für Nebengruppenelemente ist es jedoch in der Regel nicht anwendbar.
2.2.5 Überlappung von Atomorbitalen, σ-Bindung Mit der Theorie von Lewis konnte formal das Auftreten bestimmter Moleküle erklärt werden. Sauerstoff und Wasserstoff können das Molekül H2O bilden, aber beispielsweise nicht ein Molekül der Zusammensetzung H4O. Wieso aber ein gemeinsames Elektronenpaar zur Energieabgabe und damit zur Bindung führt (vgl. Abb. 2.25),
104
2 Die chemische Bindung
blieb unverständlich. Im Gegensatz zur Ionenbindung ist die Atombindung mit klassischen Gesetzen nicht zu erklären. Erst die Wellenmechanik führte zum Verständnis der Atombindung. Es gibt zwei Näherungsverfahren, die zwar von verschiedenen Ansätzen ausgehen, aber im Wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen führen: die Valenzbindungstheorie (VB-Theorie) und die Molekülorbitaltheorie (MO-Theorie). Ähnlich wie man für einzelne Atome ein Energieniveauschema von Atomorbitalen aufstellt, stellt man in der MO-Theorie für das Molekül als Ganzes ein Energieniveauschema von Molekülorbitalen auf. Unter Berücksichtigung des Pauli-Verbots und der Hund’schen Regel werden die Molekülorbitale mit den Elektronen des Moleküls besetzt (vgl. Abschn. 1.4.7).
Abbildung 2.25 Energie von zwei Wasserstoffatomen als Funktion der Kernabstände. Bei Annäherung von zwei H-Atomen nimmt die Energie zunächst ab, die Anziehung überwiegt. Bei kleineren Abständen überwiegt die Abstoßung der Kerne, die Energie nimmt zu. Das Energieminimum beschreibt den stabilsten zwischenatomaren Abstand und den Energiegewinn, die Stabilität des Moleküls, bezogen auf zwei isolierte H-Atome.
In der VB-Theorie geht man von den einzelnen Atomen aus und betrachtet die Wechselwirkung der Atome bei ihrer Annäherung. In diesem sowie den folgenden Abschn. 2.2.6K2.2.8 wird die Atombindung zunächst mit der VB-Methode behandelt. Sie ist anschaulicher als die MO-Methode und entspricht mehr der chemischen Vorstellung. Zunächst behandeln wir die Bindung im Wasserstoffmolekül H2. Betrachten wir die Bildung eines H2-Moleküls aus den beiden Atomen HA und HB. Zu jedem Atom gehört ein bestimmtes Elektron, das Elektron 1 zu HA, das Elektron 2 zu HB. Die 1s-Wellenfunktionen bezeichnen wir mit ψA (1) und ψB (2). Bei großem Abstand der Atome findet keine Wechselwirkung statt, für das Gesamtsystem beträgt die Energie E Z EA C EB Z 2 EH und als Lösung der Zweielektronen-Wellengleichung erhält man die Wellenfunktion ψ Z ψA (1) ψB (2). Bei Annäherung der Atome erfolgt Wechselwirkung. Zunächst wird angenommen, dass die Wellenfunktion ψ Z ψA(1) ψB (2) noch annähernd richtig ist. Die Wechselwirkung wird durch
2.2 Die Atombindung
105
Abbildung 2.26 Bindungsenergie des Moleküls H2 als Funktion des Kernabstands r. e beschreibt die experimentellen Werte, a basiert auf einer Wellenfunktion, die den Aufenthalt jedes Elektrons auf den Bereich eines Kerns beschränkt. Bei b ist das Elektronenpaar mit antiparallelem Spin über den ganzen Bereich des Moleküls delokalisiert. c berücksichtigt zusätzlich die Kontraktion der 1s-Funktion, d außerdem ionische Strukturanteile. Der instabile Zustand f resultiert aus einem Elektronenpaar mit parallelem Spin.
6 Coulomb-Wechselwirkungsterme berücksichtigt, die die Wechselwirkung zwischen Kern A, Kern B, Elektron 1 und Elektron 2 erfassen. Für die Energie E als Funktion des Kernabstands r erhält man ein Energieminimum von K24 kJ molK1 bei r Z 90 pm (Kurve a der Abb. 2.26). Die experimentelle Bindungsenergie ist aber K458 kJ molK1 und die beobachtete Bindungslänge 74 pm. Einen entscheidenden Fortschritt gab es durch Heitler und London (1927). Nur bei großen Kernabständen ist es gerechtfertigt, jedes Elektron einem Kern zuzuordnen. Im Molekül ist auf Grund der Heisenberg’schen Unbestimmtheitsbeziehung (vgl. Abschn. 1.4.3) der Aufenthaltsort eines Elektrons unbestimmt, die beiden Elektronen sind ununterscheidbar. Es muss daher die Wellenfunktion ψA(2) ψB (1) ebenso richtig sein wie die Wellenfunktion ψA(1) ψB (2). Sind beide Funktionen Lösungen der Schrödinger-Gleichung, dann sind es auch ihre Linearkombinationen ψC Z ψA(1) $ ψB(2) C ψA(2) $ ψB(1)
(2.5)
ψK Z ψA(1) $ ψB(2) K ψA(2) $ ψB(1)
(2.6)
in denen die Ununterscheidbarkeit der beiden Elektronen 1 und 2 berücksichtigt ist. Zu den Wellenfunktionen (2.5) und (2.6) gehören die Kurven b und f der Abb. 2.26. Kurve b beschreibt einen stabilen Zustand des Moleküls mit einer Energieerniedrigung um 303 kJ molK1 beim Abstand 87 pm. Dies ist bereits 32 der experimentellen Bindungsenergie. Die Energieerniedrigung wird dadurch bewirkt, dass nun jedes Elektron eine größere Bewegungsfreiheit hat und in die Nähe beider Kerne gelangen
106
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.27 Elektrondichte im H2-Molekül a) Beim stabilen Zustand hat die Elektronendichte auf der Kernverbindungsachse hohe Werte. Diese Elektronendichte wirkt bindend, da die auf sie wirkende Anziehung beider Kerne die Kernabstoßung überkompensiert. b) Beim instabilen Zustand existiert senkrecht zur Kernverbindungsachse eine Knotenfläche mit der Elektronendichte null K die Kernabstoßung überwiegt.
kann. Sie wird gewöhnlich als Austauschenergie bezeichnet. Das Pauli-Prinzip fordert, dass zum stabilen Molekülzustand, den die Wellenfunktion (2.5) beschreibt, zwei Elektronen mit antiparallelem Spin gehören. Kurve f beschreibt dagegen einen instabilen Molekülzustand mit zwei Elektronen parallelen Spins. Die mit den Wellenfunktionen (2.5) und (2.6) berechneten Elektronendichteverteilungen sind in der Abb. 2.27 dargestellt. Charakteristisch für die kovalente Bindung ist, dass auf der Kernverbindungsachse hohe Elektronendichten auftreten. Bei kleinen Abständen der H-Atome ist zu erwarten, dass die Wellenfunktionen sich von denen ungestörter 1s-Orbitale unterscheiden. Verbesserungen erhält man bei Berücksichtigung der Kontraktion der 1s-Orbitale und ihrer Abweichung von der Kugelsymmetrie (Kurve c der Abb. 2.26; 85% der Bindungsenergie bei einem Kernabstand von 75 pm). Es gibt eine Q wenn auch geringe Q Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich beide Elektronen gleichzeitig bei einem Kern aufhalten. Dies kann mit den StrukC C K turformeln HK A HB und HA HB symbolisiert werden. Bei Berücksichtigung dieser ionischen Strukturen erhält man eine weitere Verbesserung (Kurve d der Abb. 2.26; 87% der Bindungsenergie). Die experimentelle Bindungsenergie (Kurve e der Abb. 2.26; K458 kJmolK1) konnte mit aufwendigen Verbesserungen der Wellenfunktionen berechnet werden. Die Bildung des H2-Moleküls lässt sich nach der VB-Theorie wie folgt beschreiben (vgl. Abb. 2.32). Bei der Annäherung zweier Wasserstoffatome kommt es zu einer Überlappung der 1s-Orbitale. Überlappung bedeutet, dass ein zu beiden Atomen gehörendes, gemeinsames Orbital entsteht, das aufgrund des Pauli-Verbots mit nur einem Elektronenpaar besetzbar ist und dessen beide Elektronen entgegengesetzten Spin haben müs-
2.2 Die Atombindung
107
Positive Überlappung erfolgt, wenn Bereiche der Orbitale mit gleichen Vorzeichen der Wellenfunktion überlappen. Nur positive Überlappung führt zur Bindung.
Überlappung null. Die Bereiche positiver und negativer Überlappung kompensieren sich.
Negative Überlappung führt zur Abstoßung, da zwischen den Kernen Knotenflächen auftreten. Abbildung 2.28 Überlappungen von Atomorbitalen unterschiedlicher Symmetrie.
sen. Die beiden Elektronen gehören nun nicht mehr nur zu den Atomen, von denen sie stammen, sondern sie sind ununterscheidbar, können gegenseitig die Plätze wechseln und sich im gesamten Raum der überlappenden Orbitale aufhalten. Das Elektronenpaar gehört also, wie schon Lewis postulierte, beiden Atomen gleichzeitig an. Die Bildung eines gemeinsamen Elektronenpaares führt zu einer Konzentration der Elektronendichte im Gebiet zwischen den Kernen, während außerhalb dieses Ge-
108
2 Die chemische Bindung
biets die Ladungsdichte im Molekül geringer ist als die Summe der Ladungsdichten, die von den einzelnen, ungebundenen Atomen herrühren. Die Bindung kommt durch die Anziehung zwischen den positiv geladenen Kernen und der negativ geladenen Elektronenwolke zustande. Die Anziehung ist umso größer, je größer die Elektronendichte zwischen den Kernen ist. Je stärker zwei Atomorbitale überlappen, umso stärker ist die Elektronenpaarbindung. Bindung erfolgt aber nur, wenn die Überlappung positiv ist. Damit eine positive Überlappung zustande kommt, müssen die überlappenden Atomorbitale eine geeignete Symmetrie besitzen. Beispiele für positive Überlappung, negative Überlappung und Überlappung Null sind in der Abb. 2.28 dargestellt. Die Lewisformeln geben keine Auskunft über den räumlichen Bau von Molekülen. Für die Moleküle H2O und NH3 sind verschiedene räumliche Anordnungen der Atome denkbar. H2O könnte ein lineares oder ein gewinkeltes Molekül sein. NH3 könnte die Form einer Pyramide haben oder ein ebenes Molekül sein.
Abbildung 2.29 Überlappung des 1s-Orbitals von Wasserstoff mit einem 2p-Orbital von Fluor im Molekül HF. Das bindende Elektronenpaar gehört beiden Atomen gemeinsam. Jedes der beiden Elektronen kann sich sowohl im p- als auch im s-Orbital aufhalten. Durch die Überlappung kommt es zwischen den Atomen zu einer Erhöhung der Elektronendichte und zur Bindung der Atome aneinander.
Abbildung 2.30 Modell des H2O-Moleküls. Zwei 2p-Orbitale des Sauerstoffatoms überlappen mit den 1s-Orbitalen der beiden Wasserstoffatome. Da die beiden p-Orbitale senkrecht zueinander orientiert sind, ist das H2O-Molekül gewinkelt. Die Atombindungen sind gerichtet.
2.2 Die Atombindung
109
Abbildung 2.31 Modell des NH3-Moleküls. Die drei p-Orbitale des Stickstoffatoms überlappen mit den 1s-Orbitalen der Wasserstoffatome. Im NH3-Molekül bildet N daher die Spitze einer dreiseitigen Pyramide.
Abbildung 2.32 σ-Bindungen, die durch Überlappung von s- mit p-Orbitalen gebildet werden können. Bei σ-Bindungen liegen die Orbitale rotationssymmetrisch zur Verbindungsachse der Kerne.
Über den räumlichen Aufbau der Moleküle erhält man Auskunft, wenn man feststellt, welche Atomorbitale bei der Ausbildung der Elektronenpaarbindungen überlappen. In den Abb. 2.29, 2.30 und 2.31 ist die Überlappung der Atomorbitale für die Moleküle HF, H2O und NH3 dargestellt. H2O sollte danach ein gewinkeltes Molekül mit einem H d O d H-Winkel von 90( sein. Experimente bestätigen, dass H2O gewinkelt ist, der Winkel beträgt jedoch
110
2 Die chemische Bindung
104,5(. Beim Molekül H2S wird ein H d S d H-Winkel von 92( gefunden. Für NH3 ist eine Pyramidenform mit Hd N d H-Winkeln von 90( zu erwarten. Die pyramidale Anordnung der Atome wird durch das Experiment bestätigt, die H d N d H-Winkel betragen allerdings 107(. Bei PH3 werden H d P d H-Winkel von 93( gefunden. Atombindungen, die wie bei H2 durch Überlappung von zwei s-Orbitalen oder wie bei HF durch Überlappung eines s- mit einem p-Orbital zustande kommen, nennt man σ-Bindungen. Die möglichen σ-Bindungen zwischen s- und p-Orbitalen sind in der Abb. 2.32 dargestellt.
2.2.6 Hybridisierung Zur Erklärung des räumlichen Baus von Molekülen eignet sich das von Pauling entwickelte Konzept der Hybridisierung. Ein anderes Modell zur Deutung der Molekülgeometrie, das auf der Abstoßung der Elektronenpaare der Valenzschale basiert und das als Valence-Shell-Elektron-Pair-Repulsion-Modell (VSEPR) bekannt ist, wurde im Abschn. 2.2.4 besprochen. sp3-Hybridorbitale. Im Methanmolekül, CH4, werden von dem angeregten CAtom vier σ-Bindungen gebildet. Da zur Bindung ein s-Orbital und drei p-Orbitale zur Verfügung stehen, sollte man erwarten, dass nicht alle C d H-Bindungen äquivalent sind und dass das Molekül einen räumlichen Aufbau besitzt, wie ihn Abb. 2.33a zeigt. Die experimentellen Befunde zeigen jedoch, dass CH4 ein völlig symmetrisches,
Abbildung 2.33 a) Geometrische Anordnung, die die Atome im Methanmolekül besitzen müssten, wenn das C-Atom die C d H-Bindungen mit den Orbitalen 2s, 2px, 2py, 2pz ausbilden würde. Das an das 2s-Orbital gebundene H-Atom hat wegen der Abstoßung der Elektronenhüllen zu den anderen H-Atomen die gleiche Entfernung. b) Experimentell gefundene Anordnung der Atome im CH4-Molekül. Alle C d H-Bindungen und alle H d C d H-Winkel sind gleich. CH4 ist ein symmetrisches, tetraedrisches Molekül.
tetraedrisches Molekül mit vier äquivalenten C d H-Bindungen ist (Abb. 2.33b). Wir müssen daraus schließen, dass das C-Atom im Bindungszustand vier äquivalente Orbitale besitzt, die auf die vier Ecken eines regulären Tetraeders ausgerichtet sind. Diese vier äquivalenten Orbitale entstehen durch Kombination aus dem s- und den drei p-Orbitalen. Man nennt diesen Vorgang Hybridisierung, die dabei entstehenden Orbitale werden Hybridorbitale genannt (Abb. 2.34).
2.2 Die Atombindung
111
Abbildung 2.34 Bildung von sp3-Hybridorbitalen. Durch Hybridisierung der s-, px-, py- und pz-Orbitale entstehen vier äquivalente sp3-Hybridorbitale, die auf die Ecken eines Tetraeders gerichtet sind. Die sp3-Hybridorbitale sind aus zeichnerischen Gründen vereinfacht dargestellt.
Die vier „gemischten“ Hybridorbitale des Kohlenstoffatoms besitzen 41 s- und 43 pCharakter. Man bezeichnet sie als sp3-Hybridorbitale, um ihre Zusammensetzung aus einem s- und drei p-Orbitalen anzudeuten. Jedes sp3-Hybridorbital des C-Atoms ist mit einem ungepaarten Elektron besetzt. Durch Überlappung mit den 1s-Orbitalen des Wasserstoffs entstehen im CH4-Molekül vier σ-Bindungen, die tetraedrisch ausgerichtet sind. Dies zeigt Abb. 2.35.
Abbildung 2.35 Bindung im CH4-Molekül. Die vier tetraedrischen sp3-Hybridorbitale des CAtoms überlappen mit den 1s-Orbitalen der H-Atome. Alle C d H-Bindungsabstände und alle H d C d H-Bindungswinkel sind übereinstimmend mit dem Experiment gleich.
In die Hybridisierung können auch Elektronenpaare einbezogen sein, die nicht an einer Bindung beteiligt sind. In den Molekülen NH3 und H2O sind die Bindungswinkel dem Tetraederwinkel von 109( viel näher als dem rechten Winkel. Diese Moleküle lassen sich daher besser beschreiben, wenn man annimmt, dass die Bindungen statt von p-Orbitalen (vgl. Abb. 2.30 und Abb. 2.31) von sp3-Hybridorbitalen gebildet werden. Beim NH3 ist ein nicht an der Bindung beteiligtes Elektronenpaar, beim H2O sind zwei einsame Elektronenpaare in die Hybridisierung einbezogen. Dies ist in der Abb. 2.36 dargestellt.
112
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.36 a) Modell des Moleküls NH3. Drei der vier sp3-Hybridorbitale des N-Atoms bilden σ-Bindungen mit den 1s-Orbitalen der H-Atome. b) Modell des Moleküls H2O. Zwei der vier sp3-Hybridorbitale des O-Atoms bilden σ-Bindungen mit den 1s-Orbitalen der H-Atome. σ-Bindungen mit Hybridorbitalen beschreiben diese Moleküle besser als σ-Bindungen mit pOrbitalen (vgl. Abbildung 2.30 und 2.31).
In den Abbildungen dieses Abschnitts sind aus zeichnerischen Gründen die Hybridorbitale vereinfacht dargestellt. Die tatsächliche Elektronendichteverteilung eines sp3-Hybridorbitals des C-Atoms zeigt das Konturliniendiagramm der Abb. 2.37.
Abbildung 2.37 Konturliniendiagramm eines sp3-Hybridorbitals des C-Atoms. Die Konturlinien sind Linien gleicher Elektronendichte. Die Knotenfläche geht nicht durch den Atomkern. Die Orbitallappen sind rotationssymmetrisch wie die p-Orbitale. Mit Bindungspartnern in Richtung der Rotationsachse können daher σ-Bindungen gebildet werden.
2.2 Die Atombindung
113
sp-Hybridorbitale. Aus einem p-Orbital und einem s-Orbital entstehen zwei äquivalente sp-Hybridorbitale, die miteinander einen Winkel von 180( bilden (Abb. 2.38).
Abbildung 2.38 Schematische Darstellung der Bildung von sp-Hybridorbitalen. Aus einem 2s- und einem 2px-Orbital entstehen zwei sp-Hybridorbitale. Die sp-Hybridorbitale bilden miteinander einen Winkel von 180(.
sp-Hybridorbitale werden z. B. im Molekül BeCl2 zur Bindung benutzt. BeCl2 besteht im Dampfzustand aus linearen Molekülen mit gleichen Be d Cl-Bindungen. Das angeregte Be-Atom hat die Konfiguration 1s2 2s1 2p1. Durch Hybridisierung des 2s- und eines 2p-Orbitals entstehen zwei sp-Hybridorbitale, die mit je einem Elektron besetzt sind. Be kann daher zwei gleiche σ-Bindungen in linearer Anordnung bilden (Abb. 2.39).
Abbildung 2.39 a) Elektronenkonfiguration des angeregten Be-Atoms. b) Bildung von BeCl2. Das 2s- und ein 2p-Orbital des Be-Atoms hybridisieren zu sp-Hybridorbitalen. Die beiden sp-Hybridorbitale von Be bilden mit den 3p-Orbitalen der Cl-Atome σBindungen.
Die Bildung von Hybridorbitalen durch Mischen geeigneter Atomorbitale geschieht mathematisch durch Linearkombination von Atomorbitalen (Linearkombinationen der Atomorbitale sind ebenso Lösungen der Schrödinger-Gleichung wie die Atomorbitale selbst). Die beiden sp-Hybridorbitale erhält man also durch Linearkombination des 2s- und des 2px-Orbitals ψsp(1) Z N (2s C 2p) ψsp(2) Z N (2s K 2p) Der Normierungsfaktor ist N Z 2
1
√2
sp -Hybridorbitale. Hybridisieren ein s-Orbital und zwei p-Orbitale, entstehen drei äquivalente sp2-Hybridorbitale (Abb. 2.40). Alle Moleküle, bei denen das Zent-
114
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.40 Schematische Darstellung der Bildung von sp2-Hybridorbitalen. Aus den 2s-, 2px- und 2py-Orbitalen entstehen drei äquivalente sp2-Hybridorbitale. Die Orbitale liegen in der xy-Ebene und bilden Winkel von 120( miteinander.
ralatom zur Ausbildung von Bindungen sp2-Hybridorbitale benutzt, haben trigonal ebene Gestalt. Ein Beispiel ist das Molekül BCl3. Im angeregten Zustand hat Bor die Konfiguration 1s2 2s1 2p2. Durch Hybridisierung entstehen drei sp2-Hybridorbitale, die mit je einem Elektron besetzt sind. Bor kann daher drei gleiche σ-Bindungen bilden, die in einer Ebene liegen und Winkel von 120( miteinander bilden (Abb. 2.41).
Abbildung 2.41 a) Elektronenkonfiguration der Valenzelektronen des angeregten B-Atoms. b) Schematische Darstellung der Bindungen im Molekül BCl3. B bildet unter Benutzung von drei sp2-Hybridorbitalen drei σ-Bindgungen mit den 3p-Orbitalen der Cl-Atome. Das Molekül ist eben. Die Cl d B d Cl-Bindungswinkel betragen 120(.
2.2 Die Atombindung
115
Tabelle 2.13 Häufig auftretende Hybridisierungen Hybridorbitale Typ Zahl
Orientierung
sp sp2 sp3
linear trigonal tetraedrisch
2 3 4
Beispiele CO2, HCN, C2H2, HgCl2 2K K SO3, NOK 3 , CO3 , NO 2 C K 2K NH 4 , BF 4 , SO4 , ClOK 4
Abbildung 2.42 Schematische Darstellung der Bildung der sechs d2sp3-Hybridorbitale aus den Atomorbitalen dz 2 , dx 2Ky 2 , s, px, py , pz.
Die Beispiele BeCl2, BF3 und CH4 zeigen, dass das VSEPR- und das Hybridisierungsmodell zum gleichen Ergebnis führen. Weitere Beispiele für Hybridisierungen, bei denen s- und p-Orbitale beteiligt sind, enthält Tabelle 2.13. Sind an der Hybridisierung auch d-Orbitale beteiligt, gibt es eine Reihe weiterer Hybridisierungsmöglichkeiten. Hier sollen nur drei besprochen werden. d2sp3-Hybridorbitale. Die sechs Hybridorbitale sind auf die Ecken eines Oktaeders ausgerichtet. Sie entstehen durch Kombination der Orbitale s, px, py , pz, dx 2Ky 2, dz 2 (Abb. 2.42). dsp3-Hybridorbitale. Die Kombination der Orbitale s, px, py , pz, dz 2 führt zu fünf Hybridorbitalen, die auf die Ecken einer trigonalen Bipyramide gerichtet sind. dsp2-Hybridorbitale. Durch Kombination der Orbitale s, px, py , dx 2Ky 2 entstehen vier Hybridorbitale, die in einer Ebene liegen und auf die Ecken eines Quadrats gerichtet sind.
116
2 Die chemische Bindung
Beteiligung von d-Orbitalen an Bindungen. Lange Zeit nahm man an, dass bei Nichtmetallen der 3. Periode und höherer Perioden d-Orbitale an der Hybridisierung beteiligt sind und diese Hybridorbitale (z. B. d2sp3 oder dsp3)-Bindungen bilden. Damit konnte man die räumliche Struktur von hypervalenten Verbindungen wie SF6 (siehe Abb. 2.43) und PF5 erklären. Theoretische Rechnungen zeigen aber, dass die d-Orbitale der Hauptgruppenelemente nur unwesentlich an den Bindungen beteiligt sind (siehe Abb. 4.2b). Die Bindungen in hypervalenten Molekülen können sowohl mit der VB-Theorie als auch mit der MO-Theorie (ohne d-Orbitale) befriedigend beschrieben werden. Im letzten Teil des Abschnitts 2.2.12 Molekülorbitale werden die Bindungsverhältnisse an einigen Beispielen erläutert. In Komplexverbindungen von Übergangsmetallen aber sind die d-Orbitale der Zentralatome ganz entscheidend an den Bindungen beteiligt und für die Erklärung der Eigenschaften dieser Verbindungen erforderlich. Dies wird im Abschnitt 5.7.5 Ligandenfeldtheorie behandelt.
Abbildung 2.43 Beschreibung der Bindungen im hypervalenten Molekül SF6 mit dem VBModell. a) Valenzelektronenkonfiguration des zweifach angeregten S-Atoms. b) Geometrische Anordnung der Atome im Molekül SF6. Das S-Atom bildet mit den sechs F-Atomen sechs σ-Bindungen, die oktaedrisch ausgerichtet sind. Dafür geeignet sind die sechs d2sp3-Hybridorbitale, die von den Valenzelektronen des S-Atoms gebildet werden. Dieses Modell beschreibt zwar den Bau des Moleküls richtig, aber nicht die elektronische Struktur (vgl. Abb. 2.75).
Es soll noch einmal zusammenfassend auf die wesentlichen Merkmale der Hybridisierung hingewiesen werden. Die Anzahl gebildeter Hybridorbitale ist gleich der Anzahl der Atomorbitale, die an der Hybridbildung beteiligt sind. Es kombinieren nur solche Atomorbitale zu Hybridorbitalen, die ähnliche Energien haben, z. B.: 2s-2p; 3s-3p; 4s-4p; 4s-3d. Die Hybridbildung führt zu einer völlig neuen räumlichen Orientierung der Elektronenwolken. Hybridorbitale besitzen größere Elektronenwolken als die nicht hybridisierten Orbitale. Eine Bindung mit Hybridorbitalen führt daher zu einer stärkeren Überlappung (Abb. 2.44) und damit zu einer stärkeren Bindung. Der Gewinn an zusätzlicher Bindungsenergie ist der eigentliche Grund für die Hybridisierung.
2.2 Die Atombindung
117
Abbildung 2.44 Das 1s-Orbital von H überlappt mit einem sp-Hybridorbital von F stärker als mit einem 2p-Orbital von F, da die Elektronenwolke des sp-Orbitals in Richtung des HAtoms größer ist als die des p-Orbitals. Hybridisierung führt zu einem Gewinn an Bindungsenergie.
Der hybridisierte Zustand ist aber nicht ein an einem isolierten Atom tatsächlich herstellbarer und beobachtbarer Zustand wie z. B. der angeregte Zustand. Das Konzept der Hybridisierung hat nur für gebundene Atome eine Berechtigung. Bei der Verbindungsbildung treten im ungebundenen Atom weder der angeregte Zustand noch der hybridisierte Zustand als echte Zwischenprodukte auf. Es ist aber zweckmäßig, die Verbindungsbildung gedanklich in einzelne Schritte zu zerlegen und für die Atome einen hypothetischen Valenzzustand zu formulieren. Ein Beispiel ist in der Abb. 2.45 dargestellt.
Abbildung 2.45 Entstehung des hypothetischen Valenzzustandes aus dem Grundzustand am Beispiel des Siliciumatoms. Im Valenzzustand sind die Spins der Valenzelektronen statistisch verteilt. Dies wird durch „Pfeile ohne Spitze“ symbolisiert.
2.2.7 π-Bindung Im Molekül N2 sind die beiden Stickstoffatome durch eine Dreifachbindung aneinander gebunden. Dadurch erreichen beide Stickstoffatome ein Elektronenoktett. - N^N -
Die drei Bindungen im N2-Molekül sind nicht gleichartig. Dies geht aus der LewisFormel nicht hervor, wird aber sofort klar, wenn man die Überlappung der an der Bindung beteiligten Orbitale betrachtet. Jedem N-Atom stehen drei p-Elektronen für Bindungen zur Verfügung. In der Abb. 2.46 sind die p-Orbitale der beiden N-Atome und ihre gegenseitige Orientierung zueinander dargestellt. Durch Überlappung der px-Orbitale, die in Richtung der Molekülachse liegen, wird eine σ-Bindung gebildet. Wie auch die MO-Theorie zeigt (Abb. 2.66), ist jedoch anzunehmen, dass die σ-Bindung durch sp-Hybridorbitale gebildet wird, die zu einer stärkeren Überlappung
118
2 Die chemische Bindung
führen. Bei den senkrecht zur Molekülachse stehenden py- und pz-Orbitalen kommt es zu einer anderen Art der Überlappung, die als π-Bindung bezeichnet wird. Die Dreifachbindung im N2-Molekül besteht aus einer σ-Bindung und zwei äquivalenten π-Bindungen. Die beiden π-Bindungen sind senkrecht zueinander orientiert.
Abbildung 2.46 a) Valenzelektronenkonfiguration des Stickstoffatoms. b) Die px-Orbitale der N-Atome bilden durch Überlappung eine σ-Bindung. c), d) Durch Überlappung der beiden pz-Orbitale und der beiden py-Orbitale werden zwei πBindungen gebildet, die senkrecht zueinander orientiert sind. p-Orbitale, die π-Bindungen bilden, liegen nicht rotationssymmetrisch zur Kernverbindungsachse.
Große Bedeutung haben π-Bindungen bei Kohlenstoffverbindungen. In den Abb. 2.47 und 2.48 sind die Bindungsverhältnisse für die Moleküle Ethylen (Ethen) H2C ] CH2 und Acetylen (Ethin) HC ^ CH dargestellt. Für das Auftreten von πBindungen gilt: Einfachbindungen sind σ-Bindungen. Doppelbindungen bestehen in der Regel aus einer σ-Bindung und einer π-Bindung, Dreifachbindungen aus einer σ-Bindung und zwei π-Bindungen. Eine Ausnahme liegt im Molekül C2 vor, bei dem die Doppelbindung - C]C - aus zwei π-Bindungen besteht (s. auch Abb. 2.66). π-Bindungen, die
2.2 Die Atombindung
119
Abbildung 2.47 Bindung in Ethen, C2H4. a) Lewisformel. b) Valenzelektronenkonfiguration des angeregten C-Atoms. Drei Valenzelektronen bilden sp2Hybridorbitale. c) Jedes C-Atom bildet mit seinen drei sp2-Hybridorbitalen drei σ-Bindungen. d) Die p-Orbitale, die senkrecht zur Molekülebene stehen, bilden eine π-Bindung.
Abbildung 2.48 Bindung in Ethin, C2H2. a) Lewisformel. b) Valenzelektronenkonfiguration des angeregten C-Atoms. Zwei Valenzelektronen bilden spHybridorbitale. c) Jedes C-Atom kann mit seinen zwei sp-Hybridorbitalen zwei σ-Bindungen bilden. d) Die senkrecht zur Molekülebene stehenden p-Orbitale überlappen unter Ausbildung von zwei π-Bindungen.
durch Überlappung von p-Orbitalen gebildet werden, treten bevorzugt zwischen den Atomen C, O und N auf, also bei Elementen der 2. Periode. (Doppelbindungsregel). Bei Atomen höherer Perioden ist die Neigung zu (p-p)π-Bindungen geringer, sie bilden häufig Einfachbindungen.
120
2 Die chemische Bindung
Bei den Atomen O und N sind Mehrfachbindungen energetisch begünstigt, weil die Bindungsenergien der Einfachbindungen O d O und N d N aufgrund der Abstoßung der freien Elektronenpaare (s. S. 122) anomal klein sind (vgl. Tabelle 2.15). Beispiele zur Doppelbindungsregel:
Stickstoff besteht aus N2-Molekülen, in denen die N-Atome durch eine σ-Bindung und zwei π-Bindungen aneinander gebunden sind. Weißer Phosphor besteht aus P4-Molekülen, in denen jedes P-Atom drei σ-Bindungen ausbildet.
Sauerstoff besteht aus O2-Molekülen. Die O-Atome sind durch eine σ- und eine π-Bindung aneinander gebunden (Zur Beschreibung des Moleküls O2 mit der MO-Theorie vgl. Abschn. 2.2.12). Im Schwefel sind ringförmige Moleküle vorhanden, in denen die S-Atome durch σ-Bindungen verknüpft sind.
Kohlenstoffdioxid besteht aus einzelnen CO2-Molekülen. Das Kohlenstoffatom ist an die beiden Sauerstoffatome durch je eine σ- und eine π-Bindung gebunden. Im Gegensatz dazu besteht Siliciumdioxid nicht aus einzelnen SiO2-Molekülen, sondern aus einem hochpolymeren Kristallgitter, in dem die Atome durch Einfachbindungen verbunden sind. Zunächst meinte man, dass die Hauptgruppenelemente höherer Perioden (O 2) mit sich selbst keine stabilen Verbindungen mit (p-p)π-Bindungen bilden. In den achtziger Jahren wurden jedoch viele Verbindungen synthetisiert, in denen diese Elemente an (p-p)π-Bindungen beteiligt sind. Die Fähigkeit, (p-p)π-Bindungen zu bilden, ist aber bei den Elementen der 2. Periode wesentlich größer als bei den Elementen hö-
2.2 Die Atombindung
121
herer Perioden, man erhält dafür die Reihe O O N z C [ S O P O Si z Ge. Die Werte für die atomaren π-Bindungsenergien in kJ.mol betragen: O 157
C 136
N 125
S 96
P 71
Si 52
Daraus lassen sich für die Bindungen C ] C, C ] N, N ] N und N ] O pπ-Bindungsenergien von 250K280 kJ.mol abschätzen. Verglichen damit, betragen die pπ-Bindungsenergien für die Bindungen SiZSi 105 kJ.mol und für P ] P 140 kJ.mol. Verbindungen mit (p-p)π-Bindungen der schweren Hauptgruppenelemente untereinander können hauptsächlich durch zwei Kunstgriffe stabilisiert werden. Thermodynamische Stabilisierung durch Mesomerie (Delokalisierung von π-Bindungen s. Abschn. 2.2.8), Beispiel a). Kinetische Stabilisierung durch raumerfüllende Liganden („einbetonierte“ Doppelbindungen), Beispiel b) und c). Reicht die Stabilisierung nicht aus, dann oligomerisieren die Verbindungen zu ketten- oder ringförmigen Verbindungen mit σ-Bindungen. Beispiele
Ursprünglich bedeutete die Doppelbindungsregel, dass nur Elemente der 2. Periode mit sich selbst (p-p)π-Bindungen bilden, in modifizierter Form, dass diese untereinander stabilere (p-p)π-Bindungen bilden als die Hauptgruppenelemente höherer Perioden. Von den Elementen der dritten Periode und höherer Perioden können Doppelbindungen (π-Bindungen) mit anderen Nichtmetallen, insbesondere Sauerstoff und Stickstoff gebildet werden. Beispiele sind H3PO4, H2SO4 und HClO4. Die Bindungsverhältnisse in diesen Verbindungen werden in Abschn. 2.2.12 und bei der Besprechung der Nichtmetalle behandelt (Kap. 4). An dieser Stelle sollen aber bereits einige Zusammenhänge erläutert werden. Je ähnlicher die beteiligten Orbitale in ihrer Größe sind, umso stärker ist die π-Überlappung (vgl. Abb. 2.28). Innerhalb einer Periode nimmt mit wachsender Kernladung die Größe der Orbitale ab, und die Stärke der π-Bindung in den Sauerstoffverbindungen wächst daher in der Reihe Si, P, S, Cl. Si bildet polymere Strukturen, die durch Si d O d Si-Einheiten verknüpft sind.
122
2 Die chemische Bindung
Tabelle 2.14 Bindungslängen einiger kovalenter Bindungen in pm Bindung
Bindungslänge
Bindung
Bindungslänge
HdH FdF Cl d Cl Br d Br IdI CdC C]C C^C O]O N^N
74 142 199 228 267 154 134 120 121 110
CdH NdH OdH FdH Cl d H Br d H IdH CdO C]O CdN
109 101 96 92 127 141 161 143 120 147
Auch bei P gibt es zahlreiche polymere Strukturen mit P d O d P-Verknüpfungen, daneben aber solche mit P ] O π-Bindungen. Bei den Sauerstoffsäuren des Schwefels ist die π-Bindung bereits dominant, und es gibt nur wenig Strukturen mit S d O d S-Verknüpfungen, beim Chlor ist sie so stark, dass sich keine polymeren Anionen bilden. Innerhalb einer Gruppe nimmt mit wachsender Größe der Orbitale die Stärke der π-Bindung ab. S z. B. bildet stärkere π-Bindungen als die homologen Elemente Se und Te. Als Bindungslänge einer kovalenten Bindung wird der Abstand zwischen den Kernen der aneinander gebundenen Atome bezeichnet. Die Bindungslänge einer Einfachbindung zwischen zwei Atomen A und B ist in verschiedenen Verbindungen nahezu konstant und hat eine für diese Bindung charakteristische Größe. So wird z. B. für die C d C-Bindung in verschiedenen Verbindungen eine Bindungslänge von 154 pm gefunden. Die Bindungslängen hängen natürlich von der Größe der Atome ab: F d F ! Cl d Cl ! Br d Br ! I d I; H d F ! H d Cl ! H d Br. Die Bindungslängen nehmen mit der Anzahl der Bindungen ab. Doppelbindungen sind kürzer als Einfachbindungen, Dreifachbindungen kürzer als Doppelbindungen. In der Tabelle 2.14 sind einige Werte angegeben. Für die kovalenten Bindungen lassen sich charakteristische mittlere Bindungsenergien ermitteln (vgl. S. 269). Die Werte der Tabelle 2.15 zeigen die folgenden Bereiche Einfachbindung
140K 595 kJ molK1
Doppelbindung
420K 710 kJ molK1
Dreifachbindung
810K1 080 kJ molK1
Außer von der Bindungsordnung hängt die Bindungsenergie von der Bindungslänge und der Bindungspolarität ab. Die Reihe H d H, Cl d Cl, Br d Br, I d I ist ein Beispiel für die abnehmende Bindungsenergie mit zunehmender Bindungslänge. Die Zunahme der Bindungsenergie mit zunehmender Bindungspolarität wird im Abschn. 2.2.10 Elektronegativität genauer diskutiert. Auffallend klein ist die Bindungsenergie von F d F. Trotz der kleineren Bindungslänge ist die Bindungsenergie von F d F kleiner als die der Homologen Cl d Cl, Br d Br
2.2 Die Atombindung
123
Tabelle 2.15 Mittlere Bindungsenergien bei 298 K in kJ molK1 Einfachbindungen
H B C Si N P O S F Cl Br I
H
B
C
Si
N
P
O
436 372 416 323 391 327 463 361 570 432 366 298
310 352 K (500) K (540) (400) 646 444 369 269
345 306 305 264 358 289 489 327 272 214
302 335 K 444 226 595 398 329 234
159 290 181 K 278 193 159 K
205 407 144 (285) K 496 214 328 206 264 (239) 184 (201)
S
F
Cl
Br
I
268 368 272 K K
159 256 280 K
243 218 211
193 179
151
Mehrfachbindungen C ] C 615 O ] O 498 C ^ C 811
C ] N 616 S ] O 420 C ^ N 892
C ] O 708 S]S 423 C ^ O 1077
C]S
587
N ] N 419
N ^ N 945
Die Bindungsenergie.-enthalpie D+ 298 einer Bindung A d B ist hier als Reaktionsenthalpie ΔH+ 298 (also bei 298 K) der Dissoziationsreaktion A d B(g) $% A(g) C B(g) definiert. Die Spezies A und B können Atome oder Molekülfragmente sein. Die Bindungsenergie entspricht damit der Dissoziationsenergie. Bei mehratomigen Molekülen sind auch bei gleichartigen Bindungen die Dissoziationsenergien der stufenweisen Dissoziationen verschieden. So beträgt für das H2O-Molekül die Dissoziationsenergie für die erste O d H-Bindung 497 kJ.mol, für die zweite O d H-Bindung 429 kJ.mol. Die Bindungsenergie der O d H-Bindung ist dann der Mittelwert 463 kJ.mol.
und fast gleich der von I d I. Hauptursache ist die gegenseitige Abstoßung der freien Elektronenpaare, die wegen des kleinen Kernabstands wirksam wird. Aus demselben NdN , Grund sind auch die Bindungsenergien der Bindungen d O d O d , N d O d und d O d F klein. Die Anomalie dieser Bindungsenergien ist eine wesentliche Ursache dafür, dass F2 sehr reaktionsfähig ist und dass H2O2 und N2H4 thermodynamisch instabil sind. Mit den Bindungsenergien kann die thermodynamische Stabilität von Verbindungen und die Stabilität alternativer Strukturen abgeschätzt werden. Beispiel: Bildung von Ozon O3 aus Disauerstoff O2 3 O2 $% 2 O3 Man erkennt sofort, dass von den beiden möglichen Strukturen des Ozonmoleküls
124
2 Die chemische Bindung
die ringförmige weniger stabil ist, da die Doppelbindung mehr Energie liefert als zwei Einfachbindungen. Für die Umwandlung von 3 O2 in 2 O3 muss Energie aufgewendet werden, da aus drei Doppelbindungen zwei Einfachbindungen und zwei Doppelbindungen entstehen. O3 ist daher thermodynamisch instabil.
2.2.8 Mesomerie Statt Mesomerie ist auch der Begriff Resonanz gebräuchlich. Eine Reihe von Molekülen und Ionen werden durch eine einzige Lewis-Formel unzureichend beschrieben. Dies soll am Beispiel des Ions CO2K diskutiert werden. 3 Lewis-Formel von CO2K 3 :
Ein s- und zwei p-Orbitale des angeregten C-Atoms hybridisieren zu drei sp2-Hybridorbitalen. Durch Überlappung mit den p-Orbitalen der drei Sauerstoffatome entstehen drei σ-Bindungen. In Übereinstimmung damit ergeben die Experimente, dass CO23 K ein planares Ion mit O d C d O-Winkeln von 120( ist. Das dritte p-Elektron bildet mit einem Sauerstoffatom eine π-Bindung. Die Experimente zeigen jedoch, dass alle C d O-Bindungen gleich sind, und dass alle O-Atome die gleiche negative Ladung besitzen. Zur Beschreibung des Ions reicht eine einzige Lewis-Formel nicht aus, man muss drei Lewis-Strukturen kombinieren, die man als mesomere Formen (Grenzstrukturen, Resonanzstrukturen) bezeichnet:
O
O C
O
O C
O O
C
O
O
O
Das bedeutet nicht, dass das CO2K 3 -Ion ein Gemisch aus drei durch die Formeln wiedergegebenen Ionensorten ist. Real ist nur ein Zustand. Das Zeichen 4 bedeutet, dass dieser eine wirkliche Zustand nicht durch eine der Formeln allein beschrieben werden kann, sondern einen Zwischenzustand darstellt, den man sich am besten durch die Überlagerung mehrerer Grenzstrukturen vorstellen kann. Das heißt im Fall des CO2K 3 -Ions, dass die tatsächliche Elektronenverteilung zwischen den Elektronenverteilungen der Grenzformeln liegt. Sowohl die Doppelbindung als auch die negativen Ladungen sind über das ganze Ion verteilt, sie sind
2.2 Die Atombindung
125
2K
Abbildung 2.49 a) Grenzstrukturen des CO3 -Ions. b) Die Darstellung der zur π-Bindung geeigneten p-Orbitale zeigt, dass eine Überlappung des Kohlenstoff-p-Orbitals mit den p-Orbitalen aller drei Sauerstoffatome gleich wahrscheinlich ist. c) Durch diese Überlappung entsteht ein über das gesamte Ion delokalisiertes π-Bindungssystem.
delokalisiert (Abb. 2.49b, c). Die Bindungslängen der C d O-Einfachbindung und der C ] O-Doppelbindung betragen 143 pm bzw. 120 pm. Die Bindungslänge im CO2K 3 -Ion liegt mit 131 pm dazwischen. Weitere Beispiele für Mesomerie:
126
2 Die chemische Bindung
Allerdings gibt es viel mehr Resonanzstrukturen als bei den obigen Beispielen formuliert wurden. Zur Beschreibung einer Verbindung ermittelt man die Resonanzstrukturen mit den höchsten Gewichten, die also die reale Struktur am besten widergeben (siehe z. B. im Abschn. 2.2.13 O3 und NO2). Die Resonanzstrukturen eines Moleküls dürfen sich nur in den Elektronenverteilungen unterscheiden, die Anordnung der Atomkerne muss dieselbe sein. Durch Mesomerie erfolgt eine Stabilisierung des Moleküls. Der Energieinhalt des tatsächlichen Moleküls ist kleiner als der jeder Grenzstruktur. Die Stabilisierungsenergie relativ zur energieärmsten Grenzstruktur wird Resonanzenergie genannt. Sie beträgt z. B. für Benzol 151 kJ.mol. Die Resonanzenergie ist umso größer, je ähnlicher die Energien der Grenzstrukturen sind. Die Resonanzenergie wird durch die Delokalisierung von Elektronen gewonnen, die dadurch in den Anziehungsbereich mehrerer Kerne gelangen können. Je energieähnlicher die Grenzstrukturen sind, umso stärker ist die Delokalisierung der Elektronen; sie ist vollständig zwischen energiegleichen Grenzstrukturen. Die Beschreibung delokalisierter π-Bindungen mit Molekülorbitalen wird in Abschn. 2.2.12 behandelt.
2.2.9 Polare Atombindung, Dipole Die Atombindung und die Ionenbindung sind Grenztypen der chemischen Bindung. In den meisten Verbindungen sind Übergänge zwischen diesen beiden Bindungsarten vorhanden. Eine unpolare kovalente Bindung tritt in Molekülen mit gleichen Atomen auf, z. B. bei F2 und H2. Die Elektronenwolke des bindenden Elektronenpaares ist gleichmäßig zwischen den beiden Atomen verteilt, die Bindungselektronen gehören beiden Atomen zu gleichen Teilen. Bei Molekülen mit verschiedenen Atomen, z. B. HF, werden die bindenden Elektronen von den beiden Atomen unterschiedlich stark angezogen. Das F-Atom zieht die Elektronenwolke des bindenden Elektronenpaares stärker an sich heran als das H-Atom. Die Elektronendichte am F-Atom ist daher größer als am H-Atom. Am FAtom entsteht die negative Partialladung δK, am H-Atom die positive Partialladung δC. δC δK
H :F
Im Gegensatz zur formalen Ladung gibt die Partialladung δ eine tatsächlich auftretende Ladung an. Die Atombindung zwischen H und F enthält einen ionischen Anteil, sie ist eine polare Atombindung. Moleküle, in denen die Ladungsschwerpunkte der positiven Ladung und der negativen Ladung nicht zusammenfallen, stellen einen Dipol dar.
2.2 Die Atombindung
127
Beispiele:
Symmetrische Moleküle sind trotz polarer Bindungen keine Dipole, da die Ladungsschwerpunkte zusammenfallen. Beispiele:
Beim Grenzfall der Ionenbindung, z. B. bei LiF, wird das Valenzelektron des LiAtoms vollständig vom F-Atom an sich gezogen, es hält sich nur noch in einem Orbital des Fluoratoms auf. Dadurch entstehen die Ionen LiC und FK. Dipolmoleküle besitzen ein messbares Dipolmoment p. Haben die positive Ladung Cxe und die negative Ladung Kxe einen Abstand d, so beträgt das Dipolmoment p Z xed Die SI-Einheit des Dipolmoments ist Cm. Bei Moleküldipolen benutzt man als Einheit meist das Debye(D): 1 D Z 3,336 · 10K30 Cm. Zwei Elementarladungen im Abstand von 10K10 m erzeugen ein Dipolmoment von 4,80 D. Das Dipolmoment ist ein Vektor, dessen Spitze zum negativen Ende des Dipols zeigt. Das Dipolmoment eines Moleküls ist die Vektorsumme der Momente der einzelnen Molekülteile. Für einige Moleküle sind die Dipolmomente in der Tabelle 2.16 angegeben. Tabelle 2.16 Dipolmomente einiger Moleküle in D Molekül
Dipolmoment
Molekül
Dipolmoment
HF HCl HBr HI
1,82 1,08 0,82 0,44
H 2O H2S NH3 CO
1,85 0,97 1,47 0,11
Das permanente Dipolmoment einer polaren Bindung ist ziemlich kompliziert aus verschiedenen Anteilen zusammengesetzt. Die Übertragung der Ladung e vom Atom A zum Atom B in der polaren Verbindung AδCKBδK führt beim Kernabstand d zu einem Dipolmoment p Z δed (Abb. 2.50a). Bei Orbitalen verschiedener Größe erfolgt bei der Überlappung dieser Orbitale die Anhäufung der Ladungsdichte näher am Kern des kleineren Atoms. Es entsteht ein Dipolmoment, das zum Atom mit dem kleineren Orbital hin gerichtet ist (Abb. 2.50b). Beim HF z. B. sind diese beiden
128
2 Die chemische Bindung
Dipolmomentanteile einander entgegengerichtet. Im Gegensatz zu Atomorbitalen liegt bei Hybridorbitalen der Ladungsschwerpunkt nicht im Atommittelpunkt (Abb. 2.50c). In Bindungen resultiert ein Dipolmoment in Richtung auf den Bindungspartner. Nichtbindende Elektronenpaare in Hybridorbitalen führen zu Dipolmomenten, die vom Bindungspartner weg gerichtet sind (Abb. 2.51).
Abbildung 2.50 Dipolmomentanteile einer polaren Atombindung. a) Wegen der größeren Elektronegativität des B-Atoms wird die Ladung δe auf das B-Atom übertragen. Im Molekül AB entsteht ein auf B hin gerichtetes Dipolmoment. b) B besitzt ein größeres Valenzorbital als A. Der Überlappungsbereich ist näher am Kern A. Die Asymmetrie der Ladungsverteilung führt zu einem auf A hin gerichteten Dipolmoment. c) Der Ladungsschwerpunkt des Hybridorbitals liegt nicht im Mittelpunkt des Atoms A. In einer Bindung erzeugt das Hybridorbital ein Dipolmoment in Richtung B.
Abbildung 2.51 Dipolmomente von NH3 und NF3. Das Dipolmoment des freien Elektronenpaars in einem sp3-Hybridorbital des N-Atoms ([) addiert sich zu den Bindungsdipolmomenten N d H ([). Dadurch ergibt sich ein relativ großes Gesamtdipolmoment von 1,47 D. Im NF3 kompensieren sich diese Momente teilweise, es entsteht ein kleines Gesamtdipolmoment von 0,23 D. Für Dipolmomente wird auch μ als Symbol verwendet.
2.2.10 Die Elektronegativität Ein Maß für die Fähigkeit eines Atoms, in einer Atombindung das bindende Elektronenpaar an sich zu ziehen, ist die Elektronegativität x. Die erste Elektronegativitätsskala wurde von Pauling aus Bindungsenergien abgeleitet. Die polare Bindung eines Moleküls AB kann durch die Mesomerie einer kovalenten und einer ionischen Grenzstruktur beschrieben werden. A d B 4 AC BK
2.2 Die Atombindung
129
Die Dissoziationsenergie eines Moleküls AB mit einer polaren Atombindung ist größer als der Mittelwert der Dissoziationsenergien der Moleküle A2 und B2 mit unpolaren Bindungen 1 + 1 + D+ 298 (AB) Z 2 D298 (A2) C 2 D298 (B2) C Δ
Δ hängt von der Bindungspolarität ab. Je polarer eine Bindung ist, je größer also der Anteil der ionischen Grenzstruktur ist, umso größer ist Δ. In der Tabelle 2.17 sind als Beispiel die Δ-Werte der Wasserstoffhalogenide angegeben. Tabelle 2.17 Dissoziationsenergien in kJ.mol und Ionenbindungsanteil von Wasserstoffhalogeniden AB
D+ 298 (AB)
1 D 2 298
+ (A ) 2
1 D 2 298
Δ
Δ x*
Ionenbindungsanteil in %
HF HCl HBr HI
570 432 366 298
218 218 218 218
79 121 96 76
270 92 53 4
1,9 0,9 0,7 0,4
43 17 13 7
+ (B ) 2
* berechnet aus x-Werten der Tabelle 2.18.
Pauling postulierte, dass Δ dem Quadrat der Elektronegativitätsdifferenz der Atome A und B proportional sei Δ Z 96(xA d xB)2 Der Faktor 96 entsteht durch Umrechnung des Δ-Wertes von kJ.mol in eV. Der xWert von Fluor wird willkürlich zu xF Z 4,0 festgesetzt, aus den Δ-Werten erhält man dann die x-Werte aller anderen Elemente (Tabelle 2.18). Statt des arithmetischen Mittels wurde später das geometrische Mittel
√D+
298 (A2)
$ D+ 298 (B2) verwendet.
Eine allgemein benutzte Elektronegativitätsskala wurde von Allred und Rochow abgeleitet (Tabelle 2.18). Die Elektronegativität wird der elektrostatischen Anziehungskraft F proportional gesetzt, die der Kern auf die Bindungselektronen ausübt. Die inneren Elektronen schirmen einen Teil der Kernladung Ze ab, im Abstand r wirkt auf die Elektronen die verminderte Kernladung Zeff e Zeff e 2 r2 Z x w F w eff r2 FZ
r Z Atomradius, Zeff Z effektive Kernladungszahl Die beste Anpassung an die Pauling-Skala erhält man mit der Beziehung Zeff C 0,744 r2 r ist in der Einheit pm einzusetzen. x Z 3 590
130
2 Die chemische Bindung
Tabelle 2.18 Elektronegativitäten der Elemente (Pauling-Werte schwarz; Allred-Rochow-Werte rot)
Hauptgruppen H 2,1 2,2 Li 1,0 1,0
Be 1,5 1,5
B 2,0 2,0
C 2,5 2,5
N 3,0 3,1
O 3,5 3,5
F 4,0 4,1
Na 0,9 1,0
Mg 1,2 1,2
Al 1,5 1,5
Si 1,8 1,7
P 2,1 2,1
S 2,5 2,4
Cl 3,0 2,8
K 0,8 0,9
Ca 1,0 1,0
Ga 1,6 1,8
Ge 1,8 2,0
As 2,0 2,2
Se 2,4 2,5
Br 2,8 2,7
Rb 0,8 0,9
Sr 1,0 1,0
In 1,7 1,5
Sn 1,8 1,7
Sb 1,9 1,8
Te 2,1 2,0
I 2,5 2,2
Cs 0,7 0,9
Ba 0,9 1,0
Tl 1,8 1,4
Pb 1,9 1,6
Bi 1,9 1,7
Nebengruppen Sc 1,3 1,2
Ti 1,5 1,3
V 1,6 1,4
Cr 1,6 1,6
Mn 1,5 1,6
Fe 1,8 1,6
Co 1,9 1,7
Ni 1,9 1,7
Cu 1,9 1,7
Zn 1,6 1,7
Y 1,2 1,1
Zr 1,4 1,2
Nb 1,6 1,2
Mo 1,8 1,3
Tc 1,9 1,4
Ru 2,2 1,4
Rh 2,2 1,4
Pd 2,2 1,3
Ag 1,9 1,4
Cd 1,9 1,5
La 1,0 1,1
Hf 1,3 1,2
Ta 1,5 1,3
W 1,7 1,4
Re 1,9 1,5
Os 2,2 1,5
Ir 2,2 1,5
Pt 2,2 1,4
Au 2,4 1,4
Hg 1,9 1,4
Nd 1,1
Pm 1,1
Sm 1,1
Eu 1,0
Gd 1,1
Tb 1,1
Dy 1,1
Ho 1,1
Lanthanoide Ce 1,1
Pr 1,1
Er 1,1
Tm 1,1
Yb 1,1
Lu 1,1
Die Abschirmung ist für die Elektronen einer Valenzschale vom Orbitaltyp abhängig: ns ! np ! nd ! nf. Für die Elemente der 2. Periode haben die effektiven Kernladungen z. B. die folgenden Werte.
2.2 Die Atombindung
Z 1s 2s 2p
131
Li
Be
B
C
N
O
F
Ne
3 2,69 1,28
4 3,68 1,91
5 4,68 2,58 2,42
6 5,67 3,22 3,14
7 6,66 3,85 3,83
8 7,66 4,49 4,45
9 8,65 5,13 5,10
10 9,64 5,76 5,76
Eine andere Elektronegativitätsskala stammt von Mulliken. Er fand, dass die Elektronegativität eines Atoms der Differenz seiner Ionisierungsenergie und Elektronenaffinität proportional ist. Dies bedeutet anschaulich, dass die Tendenz eines gebundenen Atoms, die Bindungselektronen an sich zu ziehen, umso größer ist, je größer die Fähigkeit des Atoms ist, sein eigenes Elektron festzuhalten und ein zusätzliches Elektron aufzunehmen (Definition des Vorzeichens von Eea siehe S. 66). Die Mulliken-Elektronegativität folgt aus der Überlegung, dass zwei Teilchen A und B die gleiche Elektronegativität haben müssen, wenn die Energieänderungen der Reaktionen C K A C B $% AK C BC
gleich sind. Es gilt daher I(A) C Eea (B) Z I(B) C Eea (A) I(A) K Eea (A) Z I(B) K Eea (B) x(A) Z x(B) Die Elektronegativitäten nach Mulliken beziehen sich aber nicht auf den Grundzustand des Atoms, sondern auf seinen Valenzzustand (vgl. Abschn. 2.2.6). MullikenElektronegativitäten sind Orbital-Elektronegativitäten. Man muss daher zu ihrer Berechnung die Ionisierungsenergie und Elektronenaffinität dieser Orbitale kennen. Als Beispiel seien die Elektronegativitäten für die Orbitale der verschiedenen Valenzzustände des C-Atoms angegeben Valenzzustand 1
3
s p
(sp)2 π
2
Orbital s p sp π
x 4,84 1,75 3,29 1,69
Valenzzustand 2 3
(sp ) π (sp3)4
1
Orbital 2
sp π sp3
x 2,75 1,68 2,48
Die Elektronegativität wächst mit zunehmendem s-Charakter der Hybridorbitale. Die Elektronegativität der σ-Orbitale ist größer als die der π-Orbitale. In einer Mehrfachbindung kann also die Polarität der σ-Bindung anders als die der π-Bindung sein. Als Folge der unterschiedlichen Orbital-Elektronegativität ist z. B. im Brommethan CH3Br ein Dipolmoment mit negativem Ladungsschwerpunkt am Brom vorhanden, während im Bromethin BrC ^ CH ein Dipolmoment mit positivem
132
2 Die chemische Bindung
Ladungsschwerpunkt am Brom auftritt. Brom mit der Elektronegativität 2,7 kann vom sp3-hybridisierten Kohlenstoff Elektronen an sich ziehen, während der sp-hybridisierte Kohlenstoff die Bindungselektronen vom Brom an sich zieht. Die beste Anpassung der Elektronegativitäten von Mulliken an die Pauling-Werte erhält man mit der Beziehung x Z 0,168 (I K Eea) K 0,207 I und Eea der Valenzorbitale sind in eV einzusetzen. Sie sind nicht identisch mit den experimentell bestimmten I- und Eea-Werten des Grundzustands der Atome. Eine Skala mit absoluten Elektronegativitäten erhält man aus der Beziehung xZ
IKEea 2
wenn man die Ionisierungsenergien und Elektronenaffinitäten des Grundzustands der Atome in eV einsetzt (vgl. Abschn. 3.7.14). Im PSE nimmt die Elektronegativität mit wachsender Ordnungszahl in den Hauptgruppen ab, in den Perioden zu. Die elektronegativsten Elemente sind also die Nichtmetalle der rechten oberen Ecke des PSE. Das elektronegativste Element ist Fluor. Die am wenigsten elektronegativen Elemente sind die Metalle der linken unteren Ecke des PSE (Abb. 2.52). Aus der Differenz der Elektronegativitäten der Bindungspartner kann man die Polarität einer Bindung abschätzen (Abb. 2.53). Je größer Δ x ist, um so ionischer ist die
Periode 1
H
2 Na
3 4
Cs
0
Ge
Ca Ga
Rb
6
Al
Mg
K
5
7
Be
Li
Sr Ba
1
C
N
P
S
Cl
As
Se
B
Si
Sn Sb In Te
O
F
Br
I Metalle
At Tl Pb Po Bi 2 Elektronegativität
Halbmetalle Nichtmetalle 3
4
Abbildung 2.52 Elektronegativität der Hauptgruppenelemente. Mit steigender Ordnungszahl Z nimmt innerhalb der Perioden die Elektronegativität zu, innerhalb der Gruppen ab. Rechts oben im PSE stehen daher die Elemente mit ausgeprägtem Nichtmetallcharakter, links unten die typischen Metalle.
2.2 Die Atombindung
133
Abbildung 2.53 Beziehung zwischen dem prozentualen Ionenbindungscharakter und der Elektronegativitätsdifferenz. Die Kurve gehorcht der Beziehung: Ionenbindungscharakter (%) Z 16 - Δ x - C 3,5 - Δ x - 2.
Bindung (vgl. Tabelle 2.17). Wenig polar ist z. B. die C d H-Bindung. H d Cl hat einen Ionenbindungsanteil von etwa 20 %. Aber auch bei den als Ionenkristalle beschriebenen Verbindungen wie CsCl, NaCl, BeO und CaF2 ist die Bindung nicht rein ionisch, sie haben nur Ionenbindungsanteile zwischen 50 % und 80 %. In erster Näherung lassen sie sich aber befriedigend so beschreiben, als wäre nur eine elektrostatische Wechselwirkung zwischen den Ionen vorhanden. Für den Kristalltyp und die charakteristischen physikalischen Eigenschaften einer Verbindung ist jedoch nicht nur der Bindungscharakter maßgebend. Bei den Fluoriden der Elemente der 2. Periode erfolgt ein kontinuierlicher Übergang von einer Ionenbindung zu einer kovalenten Bindung. Verbindung
LiF
BeF2
BF3
CF4
NF3
OF2
F2
Elektronegativitätsdifferenz
3,0
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0
Kristalltyp Aggregatzustand bei Raumtemperatur
Ionenkristall
Molekülkristall
fest
gasförmig
LiF und BeF2 sind hochschmelzende Ionenkristalle. BF3 ist bei Zimmertemperatur ein Gas und bildet im festen Zustand kein Ionengitter, sondern ein Molekülgitter, obwohl die Elektronegativitätsdifferenz ebenso groß ist wie bei NaCl. Ursache für die sprunghafte Änderung der physikalischen Eigenschaften ist nicht die Änderung des Bindungscharakters, sondern die Änderung der Koordinationsverhältnisse. Von LiC über Be2C zu B3C ändern sich die Koordinationszahlen von 6 über 4 auf 3. Ein Raumgitter aus Ionen kann daher nur noch für BeF2 mit den Koordinationszahlen 4 : 2 aufgebaut werden. BF3 mit den Koordinationszahlen 3 : 1 bildet ein Molekülgitter mit isolierten BF3-Baugruppen.
134
2 Die chemische Bindung
2.2.11 Atomkristalle, Molekülkristalle In einem Atomkristall sind die Gitterbausteine Atome, sie sind durch kovalente Bindungen dreidimensional verknüpft. Die Elemente der 4. Hauptgruppe, C, Si, Ge, Sn, kristallisieren in einem Atomgitter mit tetraedrischer Koordination der Atome. Nach der Kohlenstoffmodifikation Diamant wird dieser Gittertyp als Diamant-Struktur bezeichnet (Abb. 2.54a). In der Diamant-Struktur ist jedes Atom durch vier σ-Bindungen an seine Nachbaratome gebunden. Die Bindungen kommen durch Überlappung tetraedrisch ausgerichteter sp3-Hybridorbitale zustande (2.54b). Die Koordi-
Abbildung 2.54 a) Diamant-Struktur. Jedes C-Atom ist von vier C-Atomen tetraedrisch umgeben. b) Jedes C-Atom ist durch vier σ-Bindungen an Nachbaratome gebunden. Die C R C-Bindungen kommen durch Überlappung tetraedrisch ausgerichteter sp3-Hybridorbitale zustande.
nationszahl ist also durch die Zahl der Atombindungen festgelegt. Da die C R CBindungen sehr fest sind, ist Diamant eine hochschmelzende, sehr harte, elektrisch nichtleitende Substanz. Eng verwandt mit der Diamant-Struktur ist die ZinkblendeStruktur (Abb. 2.55). In einem Atomgitter mit Zinkblende-Struktur kristallisieren
Abbildung 2.55 Zinkblende-Struktur. Jedes Si-Atom ist tetraedrisch von vier C-Atomen umgeben, ebenso jedes C-Atom von vier Si-Atomen. Die Bindungen entstehen durch Überlappung von sp3-Hybridorbitalen.
2.2 Die Atombindung
SiC
BN BP BAs AlP AlAs
AlSb BeS GaP BeSe GaAs BeTe GaSb
135
ZnS CuCl ZnSe CuBr ZnTe CuI AgI
In diesen Verbindungen ist die Summe der Valenzelektronen beider Atome acht. Jedes Atom ist wie im Diamant durch vier sp3-Hybridorbitale an die Nachbaratome gebunden. Im zweidimensionalen Bild lassen sich die Bindungsverhältnisse folgendermaßen darstellen:
Die gleichen Koordinationen wie die Zinkblende-Struktur besitzt die Wurtzit-Struktur. Beide unterscheiden sich nur in der Schichtenfolge (Abb. 2.56). In der WurtzitStruktur kristallisieren SiC
AlN GaN InN
BeO MgTe MnS ZnO ZnS
ZnSe AgI ZnTe CdS CdSe
Abbildung 2.56 Vergleich zwischen der Zinkblende- und der Wurtzit-Struktur. In der Wurtzit-Struktur ist K wie in der Zinkblende-Struktur K jede Atomsorte von der anderen tetraedrisch umgeben. In der Wurtzit-Struktur ist die Schichtenfolge jeder Atomsorte ABAB ..., in der Zinkblende-Struktur ABCABC ... In der Wurtzit-Struktur liegt eine hexagonale Packung, in der Zinkblende-Struktur eine kubische Packung vor (vgl. S. 170). Viele Strukturbeziehungen haben ihre Ursache in diesen beiden Packungstypen.
136
2 Die chemische Bindung
Bei Verbindungen mit kleinen und elektronegativen Anionen ist die Wurtzit-Struktur gegenüber der Zinkblende-Struktur bevorzugt. Die Ähnlichkeit beider Strukturen zeigt sich auch darin, dass einige Verbindungen in beiden Strukturen auftreten, z. B. SiC, ZnS, CdS und AgI.
Abbildung 2.57 Die Nickelarsenid-Struktur. Die Ni-Atome haben 6 oktaedrisch angeordnete As-Nachbarn, die As-Atome sind von 6 Ni-Atomen in Form eines trigonalen Prismas umgeben. Die Ni-Atome haben außerdem längs der vertikalen Achsen zwei Ni-Nachbarn. Zusätzlich zu den kovalenten Bindungen treten daher auch Metall-Metall-Bindungsanteile auf.
Weit verbreitet ist die Nickelarsenid-Struktur (Abb. 2.57). Sie tritt bei AB-Verbindungen aus Übergangsmetallen mit den Nichtmetallen S, Se, P, den Halbmetallen Te, As, Sb und auch den Hauptgruppenmetallen Bi, Sn auf. In der NickelarsenidStruktur kristallisieren Ti(S, Se, Te), V(S, Se, Te, P), Cr(S, Se, Te, Sb), Mn(Te, As, Sb, Bi), Fe(S, Se, Te, Sb, Sn), Co(S, Se, Te, Sb) Ni(S, Se, Te, As, Sb, Sn), Pd(Te, Sb, Sn), Pt(Sb, Bi, Sn) Die Übergangsmetallatome A sind verzerrt oktaedrisch koordiniert. Neben den kovalenten Bindungen A R B zwischen den Metallatomen A und den Nichtmetallatomen B sind auch metallische Bindungen A R A zwischen den Metallatomen vorhanden. Bleiben in der Nickelarsenid-Struktur Metallgitterplätze unbesetzt, entstehen nichtstöchiometrisch zusammengesetzte Verbindungen und es erfolgt ein Übergang zur Cadmiumiodid-Struktur (Abb. 2.59). Ein lückenloser Übergang wird im System CoTe R CoTe2 gefunden. Kovalente Bindungen sind gerichtet, ihre Wirkung beschränkt sich auf die Atome, die durch gemeinsame Elektronenpaare aneinander gebunden sind. In Molekülen sind daher die Atome bindungsmäßig abgesättigt. Zwischen den Molekülen können keine Atombindungen gebildet werden. Molekülkristalle sind aus Molekülen aufgebaut, zwischen denen nur schwache zwischenmolekulare Bindungskräfte existieren. Molekülkristalle haben daher niedrige Schmelzpunkte und sind meist weich. Molekülkristalle
2.2 Die Atombindung
137
sind Nichtleiter. Die Natur der zwischenmolekularen Bindungskräfte, der van der Waals-Kräfte, wird in Abschn. 2.3 näher besprochen. Abb. 2.58 zeigt als Beispiel das Molekülgitter von CO2. Innerhalb der CO2-Moleküle sind starke Atombindungen vorhanden, zwischen den CO2-Molekülen nur schwache Anziehungskräfte. Festes CO2 sublimiert daher schon bei K78 (C. Dabei verlassen CO2-Moleküle die Oberfläche des Kristalls und bilden ein Gas aus CO2Molekülen.
Abbildung 2.58 Molekülgitter von CO2. Zwischen den CO2-Molekülen sind nur schwache zwischenmolekulare Bindungskräfte vorhanden, während innerhalb der CO2-Moleküle starke Atombindungen auftreten.
Abbildung 2.59 Die Cadmiumiodid-Struktur. Die Struktur besteht aus übereinander gestapelten Schichtpaketen .. ICdI ... ICdI ... Innerhalb der Schichten existieren kovalente Bindungen mit Ionenbildungsanteilen. Die Cd-Atome sind oktaedrisch koordiniert. Die Schichtpakete werden nur durch schwache van der Waals-Kräfte aneinander gebunden. Die Anionenschichten treten in der Schichtenfolge ABAB ... auf (hexagonal dicht gepackt; vgl. S. 170). Die Cadmiumiodid-Struktur entsteht aus der NickelarsenidStruktur, wenn jede zweite Metallschicht unbesetzt bleibt.
138
2 Die chemische Bindung
Sind Atome durch kovalente Bindungen eindimensional verknüpft, entstehen Kettenstrukturen. Innerhalb der Ketten sind starke Atombindungen vorhanden, zwischen den Ketten schwache van der Waals-Kräfte. Sind Atome durch kovalente Bindungen zweidimensional verknüpft, entstehen Schichtstrukturen. Die Schichten sind durch schwache van der Waals-Kräfte aneinander gebunden. Beispiele sind die Elemente der 16. und 15. Gruppe (vgl. Abb. 4.14 und Abb. 4.20). Von den AB2-Verbindungen kristallisieren überwiegend nur die Fluoride und die Oxide in Ionenstrukturen. Die meisten anderen Halogenide sowie viele Chalkogenide AB2 kristallisieren in der Cadmiumiodid-Struktur bzw. in der CadmiumchloridStruktur. Beide Strukturen sind Schichtstrukturen, die aus Schichtpaketen BAB ... BAB ... aufgebaut sind (Abb. 2.59). Innerhalb der Schichtpakete sind polare kovalente Bindungen vorhanden, zwischen den Schichtpaketen nur schwache van der Waals-Bindungen. Die Kristalle sind daher parallel zu den Schichten gut spaltbar. In der Cadmiumiodid- und der Cadmiumchlorid-Struktur kristallisieren:
B
Cadmiumiodid-Struktur A
Cadmiumchlorid-Struktur A
Cl Br I S Se Te
K Mg, Mn, Fe, Co Mg, Ca, Tl, Pb, Ti, Mn, Fe, Co, Zn, Cd Sn, Ti, Zr, Pt Ti, Zr Ti, Pt
Mg, Mn, Fe, Co, Ni, Zn, Cd Ni, Zn, Cd Ni K Ta K
Beide Strukturen unterscheiden sich in der Stapelung der Schichtpakete. In der Cadmiumiodid-Struktur liegen die Schichtpakete genau übereinander (Abb. 2.59). In der Cadmiumchlorid-Struktur sind sie gegeneinander verschoben und erst das 4. Schichtpaket liegt genau über dem ersten. Die Cadmiumchlorid-Struktur wird überwiegend bei den ionogeneren AB2-Verbindungen, den Chloriden, gefunden.
2.2.12 Molekülorbitaltheorie Die Valenzbindungstheorie geht von einzelnen Atomen aus, berücksichtigt die Wechselwirkung der Atome bei ihrer Annäherung und erklärt die Bindung durch die Überlappung bestimmter dafür geeigneter Atomorbitale. Die Molekülorbitaltheorie (Mulliken und Hund 1928) geht von einem einheitlichen Elektronensystem des Moleküls aus. Die Elektronen halten sich nicht in Atomorbitalen auf, die zu bestimmten Kernen gehören, sondern in Molekülorbitalen, die sich über das ganze Molekül erstrecken und die sich im Feld mehrerer Kerne befinden. Hält sich ein Elektron gerade in der Nähe eines Kernes auf, so wird es von den anderen Kernen wenig beeinflusst werden. Bei Vernachlässigung dieses Einflusses verhält sich das Elektron so, als ob es sich in einem Atomorbital des Kerns befände.
2.2 Die Atombindung
139
Das Molekülorbital in der Nähe des Kerns ist näherungsweise gleich einem Atomorbital. In der Nähe des Kerns A z. B. ähnelt das Molekülorbital dem Atomorbital ψA . Entsprechend ähnelt das Molekülorbital in der Nähe des Kerns B dem Atomorbital ψB. Das Molekülorbital hat also sowohl charakteristische Eigenschaften von ψA als auch von ψB, es wird daher durch eine Linearkombination beider angenähert. Molekülorbitale sind in der einfachsten Näherung Linearkombinationen von Atomorbitalen. Man nennt diese Methode, Molekülorbitale aufzufinden, abgekürzt LCAO-Näherung (linear combination of atomic orbitals). Die Ermittlung der Molekülorbitale für das Wasserstoffmolekül H2 ist anschaulich in der Abb. 2.60 dargestellt. Die 1s-Orbitale der beiden H-Atome kann man auf zwei
Abbildung 2.60 Linearkombination von 1s-Atomorbitalen zu Molekülorbitalen. Dargestellt ist sowohl der Verlauf der Wellenfunktion ψ als auch die räumliche Form der Elektronenwolken der Molekülorbitale. Beide MOs besitzen σ-Symmetrie, d. h. sie sind rotationssymmetrisch in Bezug auf die x-Achse.
Arten miteinander kombinieren. Die erste Linearkombination ist eine Addition. Sie führt zu einem Molekülorbital, in dem die Elektronendichte zwischen den Kernen der Wasserstoffatome konzentriert ist. Dadurch kommt es zu einer starken Anziehung zwischen den Kernen und den Elektronen. Man nennt dieses Molekülorbital daher bindendes MO. Elektronen in diesem MO haben eine niedrigere Energie als in den 1s-Atomorbitalen (Abb. 2.61). Die Subtraktion der 1s-Atomorbitale führt zu einem MO mit einer Knotenebene zwischen den Kernen. Die Elektronen halten sich bevorzugt außerhalb des Überlap-
140
2 Die chemische Bindung
pungsbereiches auf, das Energieniveau des Molekülorbitals liegt über denen der 1sAtomorbitale. Dieses MO nennt man daher antibindendes MO. Antibindende Molekülorbitale werden mit einem * bezeichnet. Die Linearkombination der Wellenfunktion ψA des H-Atoms mit der Wellenfunktion ψB des H-Atoms ergibt die angenäherten Molekülfunktionen ψb Z N b (ψA C ψB) ψ* Z N* (ψA K ψB) mit den Normierungsfaktoren N b und N*. Durch Einsetzen dieser Wellenfunktionen in die Schrödinger-Gleichung erhält man für die Energie der Molekülorbitale (bei Vernachlässigung des Überlappungsintegrals, was für eine qualitative Diskussion statthaft ist, da dies nur für die Normierungskonstante zu einem kleinen Fehler führt) E b Z qA C β E*Z qB K β qA wird Coulombintegral genannt, es ist die Energie, die erforderlich ist, ein Elektron aus dem Valenzorbital ψA des Atoms A, das sich im Feld beider Kerne und des anderen Elektrons befindet, zu entfernen. Daher wird es manchmal Valenzionisierungspotential genannt. Es ist nicht identisch mit der Energie des Elektrons im isolierten HA-Atom. Da das Elektron im Valenzorbital ψA aber überwiegend vom Kern A und nur wenig vom Kern B beeinflusst wird, ist qA von der Orbitalenergie des isolierten HA-Atoms nicht sehr verschieden. Entsprechendes gilt für qB . β wird Resonanzintegral oder Austauschintegral genannt. Es ist die für die Stabilisierung oder Destabilisierung eines Molekülorbitals entscheidende Größe und ist die Wechselwirkungsenergie zwischen den Wellenfunktionen ψA und ψB. β hat ein negatives Vorzeichen. Sind die Atome A und B identisch, ist qA Z qB und man erhält E bZ q C β E*Z q K β Daraus resultiert das in der Abb. 2.61 dargestellte Energieniveaudiagramm des H2Moleküls. Berücksichtigt man allerdings das Überlappungsintegral, dann ist beim H2-Molekül die Aufspaltung in das bindende und das antibindende Molekülorbital nicht mehr symmetrisch. Das antibindende Molekülorbital σ* wird stärker angehoben, als das bindende Molekülorbital σ b abgesenkt wird. Die Besetzung der Molekülorbitale mit den Elektronen des Moleküls erfolgt unter Berücksichtigung des Pauli-Prinzips und der Hund’schen Regel. Aufgrund des PauliVerbots kann jedes MO nur mit zwei Elektronen antiparallelen Spins besetzt werden. Das H2-Molekül besitzt zwei Elektronen. Sie besetzen das energieärmere bindende MO (Abb. 2.61). Die Elektronenkonfiguration ist (σ b)2. Es existiert also im H2-Molekül ein bindendes Elektronenpaar mit antiparallelen Spins in einem Orbital mit σ-Symmetrie. Die Ergebnisse der MO-Theorie und der VB-Theorie sind äquivalent: Im H2-Molekül existiert eine σ-Bindung, die durch ein gemeinsames, zum ge-
2.2 Die Atombindung
141
Abbildung 2.61 Energieniveaudiagramm des H2-Moleküls. Durch Linearkombination der 1sOrbitale der H-Atome entstehen ein bindendes und ein antibindendes MO. Im Grundzustand besetzen die beiden Elektronen des H2-Moleküls das σ b-MO. Dies entspricht einer σ-Bindung.
samten Molekül gehörendes Elektronenpaar zustande kommt (vgl. Abschn. 2.2.5). Mit beiden Theorien kann die Bindungsenergie richtig berechnet werden. Das Energieniveaudiagramm der Abb. 2.61 erklärt, warum ein Molekül He2 nicht existiert. Da sowohl das bindende als auch das antibindende Molekülorbital mit je zwei Elektronen besetzt sein müssten, resultiert keine Bindungsenergie. Bei den MoC lekülionen HC 2 und He 2 mit drei Elektronen hingegen tritt eine Bindungsenergie auf, sie sind existent (vgl. Tabelle 2.19). Bei den Elementen der zweiten Periode müssen außer den s-Orbitalen auch die p-Orbitale berücksichtigt werden. Es lassen sich nicht beliebige Atomorbitale zu Mo-
Abbildung 2.62 Die Kombination eines pz- und eines px-Orbitals ergibt kein MO. Die Gesamtüberlappung ist null.
142
2 Die chemische Bindung
lekülorbitalen kombinieren, sondern nur Atomorbitale vergleichbarer Energie und gleicher Symmetrie bezüglich der Kernverbindungsachse. Die Kombination eines pxOrbitals mit einem pz-Orbital z. B. ergibt kein MO, die Gesamtüberlappung ist null, es tritt keine bindende Wirkung auf (Abb. 2.62). Weitere Beispiele zeigt Abb. 2.27. Die möglichen Linearkombinationen zweier p-Atomorbitale sind in der Abb. 2.63 dargestellt. Es entstehen zwei Gruppen von Molekülorbitalen, die sich in der Symmetrie ihrer Elektronenwolken unterscheiden.
Abbildung 2.63 Bildung von Molekülorbitalen aus p-Atomorbitalen. Nur die σ-MOs sind rotationssymmetrisch zur Kernverbindungsachse. Die durch Linearkombination der pz-Orbib b tale gebildeten π z- und π *z -MOs sind den π y - und π *y -MOs äquivalent und bilden mit diesen Winkel von 90(. Bei den bindenden MOs ist die Elektronendichte zwischen den Kernen erhöht, bei den antibindenden MOs sind zwischen den Kernen Knotenflächen vorhanden.
2.2 Die Atombindung
143
Bei den aus px-Orbitalen gebildeten Molekülorbitalen ist die Symmetrie ebenso wie bei den aus s-Orbitalen gebildeten MOs rotationssymmetrisch in Bezug auf die Kernverbindungsachse des Moleküls. Als Kernverbindungsachse ist die x-Achse gewählt. Wegen der gleichen Symmetrie werden diese MOs gemeinsam als σ-Molekülorbitale bezeichnet. Die Linearkombination der py- und der pz-Atomorbitale führt zu einem anderen MO-Typ. Die Ladungswolken sind nicht mehr rotationssymmetrisch zur x-Achse. Diese MOs werden π-Molekülorbitale genannt. Bei allen Linearkombinationen führt die Addition zu den stabilen, bindenden Molekülorbitalen, bei denen die Elektronendichte zwischen den Kernen konzentriert ist. Die πy- und πz-Molekülorbitale haben Ladungswolken gleicher Gestalt, die nur um 90( gegeneinander verdreht sind. Bei der Bildung der bindenden π by - und π bz MOs erfolgt daher dieselbe Energieerniedrigung, bei der Bildung der antibindenden πy*- und π *z -MOs dieselbe Energieerhöhung. In den Abb. 2.64 und 2.65 sind die Energieniveaudiagramme für die Moleküle F2 und O2 dargestellt. Da beim Fluor und beim Sauerstoff die Energiedifferenz zwischen den 2s- und den 2p-Atomorbitalen groß ist, erfolgt keine Wechselwirkung zwischen den 2s- und 2px-Orbitalen. Die 2s-Orbitale kombinieren daher nur miteinander zu den σ bs - und σ *s -MOs und die 2px-Orbitale miteinander zu den σ bx - und σ *x -MOs. Bei gleichem Kernabstand und gleicher Orbitalenergie ist die Überlappung
Abbildung 2.64 Energieniveaudiagramm für das F2-Molekül. Ein Energiegewinn entsteht b nur durch die Besetzung des σ x -MOs, das aus den px-Orbitalen gebildet wird.
144
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.65 Energieniveaudiagramm für das O2-Molekül. Bindungsenergie entsteht b durch die Besetzung des σ x - und eines π b-Orbitals. Die ungepaarten Elektronen im π *y - und * π z -MO sind für den Paramagnetismus des O2-Moleküls verantwortlich.
zweier σ-Orbitale stärker als die zweier π-Orbitale, das σ bx -MO ist daher stabiler als die entarteten π by, z-MOs. Die 14 Valenzelektronen des F2-Moleküls besetzen die 7 energieärmsten Molekülorbitale. F2 hat die Elektronenkonfiguration (σ bs )2 (σ *s )2 (σ bx )2 (π y,b z)4 (π y,* z )4 Die Bindungsenergie entsteht durch die Besetzung des σ bx -Molekülorbitals. In Übereinstimmung mit der Valenzbindungstheorie gibt es eine σ-Bindung. Das O2-Molekül hat die Elektronenkonfiguration (σ bs )2 (σ s*)2 (σ bx )2 (π y,b z)4 (π *y )1 (π *z)1 Die Bindungsenergie entsteht durch die Besetzung des σ bx - und eines πb-Molekülorbitals. Die Elektronen im π *y - und im π *z -MO haben aufgrund der Hund’schen Regel den gleichen Spin. Substanzen mit ungepaarten Elektronen sind paramagnetisch. Die im Abschn. 2.2.7 verwendete Lewis-Formel beschreibt nicht das O2Molekül im paramagnetischen Grundzustand, sondern einen diamagnetischen angeregten Zustand (s. Abschn. 4.5.3 und 2.2.13 Dreielektronenbindung). Bei kleinen Energiedifferenzen 2s K 2p tritt eine Wechselwirkung zwischen den 2sund den 2p-Orbitalen auf. Die σ b- und σ*-MOs besitzen jetzt keinen reinen s- oder pCharakter mehr, sondern sind s-p-Hybridorbitale. Die Hybridisierung führt zu einer Stabilisierung der σs-MOs und zu einer Destabilisierung der σx-MOs, dadurch wer-
2.2 Die Atombindung
145
Abbildung 2.66 Energieniveauschema des N2-Moleküls. Die Besetzung der MOs zeigt, dass im N2-Molekül eine σ-Bindung und zwei π-Bindungen existieren. Auf Grund der Wechselwirkung b b b zwischen den 2s- und den 2px-Orbitalen sind das π y - und das π z -MO stabiler als das σ x -MO.
den die πy,b z-MOs stabiler als das σ bx -MO. Die Energiedifferenz 2s K 2p nimmt vom Neonatom zum Boratom von 25 eV auf 3 eV ab. Für das N2-Molekül erhält man daher das unter Berücksichtigung der 2s-2p-Wechselwirkung aufgestellte Energieniveaudiagramm der Abb. 2.66. Die Elektronenkonfiguration ist (σ bs )2 (σ *s )2 (π by, z )4 (σ bx )2 Im N2-Molekül gibt es in Übereinstimmung mit der VB-Theorie eine σ-Bindung und zwei π-Bindungen. Das Energieniveauschema der Abb. 2.66 gilt auch für die Moleküle C2 und B2. C2 existiert im Dampfzustand, ist diamagnetisch und enthält eine Doppelbindung, die aus zwei π-Bindungen besteht (vgl. Abschn. 2.2.7). Die Elektronenkonfiguration ist also (σ bs )2 (σ *s )2 (π by )2 (π bz )2 B2 ist paramagnetisch und besitzt zwei ungepaarte Elektronen, entsprechend der Elektronenkonfiguration (σ bs )2 (σ *s )2 (π by )1 (π bz )1 Als Bindungsordnung wird für Moleküle mit Zweizentrenbindungen definiert: Bindungsordnung Z (Anzahl der Elektronen in bindenden MOs K Anzahl der Elektronen in antibindenden MOs).2
146
2 Die chemische Bindung
In der Tabelle 2.19 sind die Bindungsordnung und einige Bindungseigenschaften für homonukleare zweiatomige Moleküle angegeben. Bei den Elementen jeder Periode nimmt mit wachsender Bindungsordnung die Bindungsenergie zu, der Kernabstand ab. Tabelle 2.19 Bindungseigenschaften einiger zweiatomiger Moleküle Molekül oder Ion
Anzahl der Valenzelektronen
Bindungsordnung
Dissoziationsenergie in kJ molK 1
Kernabstand in pm
H2C H2 He2C He2 Li2 Be2 B2 C2 N2 O2 F2 Ne2
1 2 3 4 2 4 6 8 10 12 14 16
0,5 1 0,5 0 1 O 0* 1 2 3 2 1 0
256 436 z 300 0 110 10 297 610 945 498 159 0
106 74 108 K 267 245 159 131 110 121 142 K b
* Durch Mischung der leeren p-Orbitale mit den gefüllten σ *s - und σ s -Niveaus wird ersteres weniger antibindend und letzteres stärker bindend (vgl. Abb. 2.66). So kommt trotz Wechselwirkung von zwei gefüllten s2-Unterschalen eine schwache Bindung zustande.
Abbildung 2.67 Energieniveaudiagramm des HF-Moleküls. Das aus dem H-1s-Orbital und dem F-2px-Orbital gebildete MO ähnelt in Energie und Ladungsverteilung einem F-2px-Orbital, die Bindung ist polar. Die 2s-, πy- und πz-Elektronenpaare sind nichtbindend.
2.2 Die Atombindung
147
Bei heteronuklearen zweiatomigen Molekülen AB sind nicht nur die Symmetrien der Valenzorbitale der beiden Atome A und B zu berücksichtigen, sondern auch ihre relativen Energien. Näherungsweise kann man dazu die Ionisierungsenergien benutzen. Die genauen relativen Energien im MO-Energieniveaudiagramm erhält man aus den Valenzionisierungspotentialen (vgl. S. 140). Ein einfaches Beispiel ist HF. Die 1. Ionisierungsenergie von H beträgt 13,6 eV, die von F 17,4 eV. Die 2p-Orbitale von F sind also stabiler als das 1s-Orbital von H. Die günstigste Energie für eine Wechselwirkung mit dem 1s-Orbital des H-Atoms besitzen die 2p-Orbitale des F-Atoms, die Wechselwirkung mit dem 2s-Orbital des F-Atoms bleibt unberücksichtigt. Aber nur das px-Orbital besitzt die für eine Linearkombination geeignete Symmetrie. Das py- und das pz-Orbital sind π-Orbitale, deren Kombination mit dem 1s-Orbital die Gesamtüberlappung null ergibt (vgl. Abb. 2.28). Die Linearkombination des 1s-Orbitals mit dem F-2px-Orbital ergibt das bindende σ b-MO und das antibindende σ*-MO. Das Energieniveaudiagramm der Abb. 2.67
Abbildung 2.68 Energieniveaudiagramm eines AB-Moleküls, in dem B elektronegativer ist als A. Das Diagramm entspricht dem in der Abbildung 2.66 dargestellten Energieniveauschema eines homonuklearen Moleküls AA. Der Vergleich zeigt die Wirkung einer zunehmenden Elektronegativitätsdifferenz: die bindenden MOs werden den B-Atomorbitalen immer ähnlicher, die antibindenden MOs den A-Atomorbitalen. In der Linearkombination b
ψ Z aψA C bψB ψ*Z bψA K aψB wird der unterschiedliche Anteil der Atomorbitale bei der Bildung der Molekülorbitale durch die Parameter a und b berücksichtigt. Wenn B elektronegativer als A ist, dann ist b O a. Für die Grenzfälle gilt: unpolare Bindung a Z b; Ionenbindung b Z 1, a Z 0.
148
2 Die chemische Bindung
zeigt, dass das bindende MO mehr dem 2p-Orbital des F-Atoms, das antibindende MO mehr dem 1s-Orbital des H-Atoms ähnelt. Die beiden Bindungselektronen sind mehr beim Kern des F-Atoms lokalisiert als beim Kern des H-Atoms. Die kovalente Bindung ist nicht mehr symmetrisch, sondern es ist eine polare Atombindung mit der Ladungsverteilung HδC FδK vorhanden. Der Ionenbindungscharakter beträgt 43 % (vgl. Tabelle 2.17). Die Polarität der Bindung ist also von der Energiedifferenz der zu kombinierenden Orbitale abhängig. Wird sie kleiner, nimmt die Polarität ab und wir erhalten schließlich den Grenzfall der unpolaren Atombindung. Nimmt die Energiedifferenz weiter zu, erreicht man den Grenzfall der Ionenbindung, die beiden Bindungselektronen befinden sich in einem 2px-Orbital eines Fluoratoms. Dieser Grenzfall ist z. B. nahezu in KF erreicht. Für den allgemeinen Fall zweiatomiger heteronuklearer Moleküle AB erhält man das in der Abb. 2.68 dargestellte Energieniveaudiagramm. Die Linearkombination der Atomorbitale führt zu Molekülorbitalen, bei denen die bindenden MOs mehr den Charakter der Orbitale der elektronegativen B-Atome besitzen, während die antibindenden MOs mehr den Orbitalen der A-Atome ähneln (vgl. Abb. 2.69).
Abbildung 2.69 Molekülorbitale eines Moleküls AB. B ist das elektronegativere Atom. Die bindenden MOs ähneln mehr den Orbitalen der BAtome, die antibindenden MOs denen der A-Atome. Die πy-Orbitale sind den πz-Orbitalen äquivalent.
2.2 Die Atombindung
149
Beispiele: Mit N2 isoelektronisch sind CO, NOC und CNK. Sie haben die Elektronenkonfiguration (σbs )2 (σ *s )2 (π y,b z )4 (σ bx )2 also eine σ-Bindung und zwei π-Bindungen. CO besitzt die ungewöhnlich hohe Bindungsenergie von 1070 kJ molK1. NO hat die Elektronenkonfiguration (σ bs )2 (σ *s )2 (π by, z )4 (σ bx )2 (π y,* z )1 und demnach die Bindungsordnung 2,5. Im Abschn. 2.2.8 sahen wir, dass zur Beschreibung delokalisierter π-Bindungen eine einzige Lewis-Formel nicht ausreicht, sondern mehrere mesomere Grenzstrukturen notwendig sind. Beispielsweise gibt es im CO2K 3 -Ion eine π-Bindung, die über das ganze Ion verteilt ist, und dementsprechend drei Grenzstrukturen:
Nach der Molekülorbitaltheorie befindet sich das delokalisierte Elektronenpaar, das alle vier Atome aneinander bindet (Mehrzentrenbindung), in einem Molekülorbital, das sich über das ganze Ion erstreckt. In der Abb. 2.49c ist dieses π-MO anschaulich dargestellt. Mehratomige Moleküle. Eine leicht verständliche, systematische Behandlung mehratomiger Moleküle mit der MO-Theorie findet man z. B. bei H. B. Gray „Elektronen und chemische Bindung“, de Gruyter. Als einfache Beispiele sollen die Moleküle H2O, CO2 und Benzol besprochen werden. Nur bei kleinen Molekülen liefert die MO-Theorie anschauliche Ergebnisse und nur in einfachen Fällen kann die Molekülgeometrie aus dem Energieniveaudiagramm erkannt werden. H2O-Molekül. Bei der Bildung der H2O-Molekülorbitale sind die möglichen Kombinationen der 1s-Orbitale der H-Atome mit dem 2s-Orbital und den 2p-Orbitalen des O-Atoms zu berücksichtigen. Durch Kombination dieser sechs Atomorbitale müssen sechs Molekülorbitale gebildet werden. Die Addition des 2pz-O-Orbitals mit der Kombination (1saK1sb) der H-Atome führt zu dem bindenden MO σ bz (Abb. 2.70a oben). Die Subtraktion von 2pz-O mit (1saK1sb) ergibt entsprechend das antibindende MO σ *z (nicht gezeichnet). Das O-2py-Orbital überlappt nicht mit den 1s-Orbitalen der H-Atome. Es wäre für π-Bindungen geeignet, aber Wasserstoffatome haben keine p-Valenzorbitale, daher ist es ein nichtbindendes MO; wir bezeichnen es mit py . Wenn man die Kombination (1saC1sb) der H-Atome verwendet, so kann diese sowohl mit dem 2px- als auch mit dem 2s-Orbital des O-Atoms bindend oder antibindend überlappen (vgl. Abb. 2.70a). Da (1saC1sb) zur Kombina-
150
2 Die chemische Bindung
tion sowohl mit 2s als auch mit 2px geeignet ist, mischen sich die 2s- und 2p-Orbitale. Aus der Wechselwirkung der drei Orbitale (1saC1sb), 2s und 2px erhalten wir drei Molekülorbitale: das bindende MO σ bs , das MO σ nb x , das nahezu nichtbindend ist und das antibindende MO σ* (vgl. Abb. 2.70a). Berücksichtigt man außerdem, dass die H-1s-Orbitale energetisch höher liegen als die O-Valenzorbitale, so erhält man das in der Abb. 2.70b dargestellte Energieniveaudiagramm. Im Grundzustand ist die Elektronenkonfiguration des H2O-Moleküls (σbs )2 (σzb )2 (σ xnb )4 (py)2
) x
+ Ha
+
H O ) = 105°
y H
+
O
x
-
z
x
+ Ha x
+ Hb
+
x
+
-
O
x
+
-
x
px
s
+
x
px
+ Hb
+ x
+ + s
x
x s
+
-
O
+ Hb
$xnb
z
z + Ha
+ + Hb
$*
z
O
1sa+1sb
z
O
+
+ Ha
+ Ha x
$zb
- O + Hb
z
-
z
-
z
-
O
z
O
O
z
+ Ha x
+
+ Ha
1sa+1sb
z
+ Hb
1sa-1sb
z
-
+ Hb
x
pz
Koordinatensystem für das Molekül H2O + Ha
z
z
z
z
1sa+1sb
x
+
O px
x
+ + Hb
O
$sb
Abbildung 2.70a Linearkombinationen der 1s-Orbitale der H-Atome mit den 2pz-, 2px- und 2s-Orbitalen des O-Atoms. Die unterschiedliche Größe der Orbitale bei der 3-Orbital-Wechselwirkung soll schematisch deren relativen Beitrag zum Molekülorbital andeuten.
2.2 Die Atombindung
151
Abbildung 2.70b Energieniveaudiagramm des H2O-Moleküls. In Übereinstimmung mit der VB-Theorie gibt es im H2O-Molekül zwei σ-Bindungen.
H2O ist diamagnetisch und besitzt zwei σ-Bindungen. Da Sauerstoff elektronegativer als Wasserstoff ist, haben die bindenden Molekülorbitale überwiegend Sauerstoffcharakter. Die Bindungselektronen sind mehr am Kern des O-Atoms lokalisiert, die Bindungen sind polar. CO2-Molekül. Bei der Bildung der Molekülorbitale des CO2-Moleküls müssen auch π-Molekülorbitale berücksichtigt werden. Die zur Bildung von σ-MOs geeignete Symmetrie besitzen das 2s- und das 2px-Orbital des C-Atoms und die beiden px-Orbitale der O-Atome. Ihre Kombination führt zu zwei bindenden und zwei antibindenden σ-MOs (Abb. 2.71a). Die π-Molekülorbitale entstehen aus den 2pz- und den 2py-Valenzorbitalen der drei Atome. Die Linearkombinationen der O-Atomorbitale (2pza C 2pzb) mit dem 2pz-Orbital des C-Atoms ergeben ein bindendes und ein antibindendes πz-MO. Die Linearkombination der O-Atomorbitale (2pza K 2pzb) mit dem C-2pz-Orbital führt zu keiner Überlappung. Es entsteht ein nichtbindendes MO (Abb. 2.71b). Die Kombinationen der py-Valenzorbitale führen zu drei äquivalenten, energiegleichen MOs. Das Energieniveaudiagramm der Abb. 2.71c zeigt, dass es im CO2-Molekül zwei σ-Bindungen und zwei äquivalente, über das gesamte Molekül delokalisierte π-Bindungen gibt.
152
2 Die chemische Bindung z Oa
x
z
z C
x x y
y
Ob
x
Koordinatensysteme
y
Kombinationen der Atomorbitale C Ob Oa a)
-
+
+
+
-2px
-
-
+
+
+
+
-
+
O
-
+
-2px
+2px
+2px
+
+
-
-
-
+2pz
+2pz
+2pz
+
-
+
-
+
-2pz
+2pz
-2pz
+
-
-
+
+ +2pz
-
O
+
-
O
-
C
+ O
-
C
+
O
+
-
+
O
+
O
C
+
O
-
+ O
-
C
$sb
$s*
$xb
-2px
+
b)
-
+2px -
-
-2px -
+
+2px +
-
+2s +
+2px
+2s
+2px +
+
Molekülorbitale von CO2
-
C
C
O
C -
#*z
O + -
+ O
-
-
+
#zb
O
+
-
$x*
O +
#z
nichtbindend
-2pz
Abbildung 2.71 Bildung der CO2-Molekülorbitale. a) Die Linearkombinationen des 2s- und des 2px-Orbitals des C-Atoms mit den 2px-Orbitalen der O-Atome führen zu zwei bindenden und zu zwei antibindenden σ-Molekülorbitalen. b) Die Linearkombinationen der 2pz-Orbitale der Sauerstoffatome (2pza C 2pzb) mit dem 2pz-Orbital des C-Atoms führen zu einem bindenden und zu einem antibindenden π-Molekülorbital. Die Linearkombination (2pza K 2pzb) der Sauerstoffatome ergibt ein nichtbindendes π-Molekülorbital, da mit dem 2pz-Orbital des C-Atoms keine Überlappung erfolgt (vgl. Abb. 2.28). Drei analoge energieäquivalente π-Molekülorbitale entstehen durch Kombination der 2py-Valenzorbitale.
2.2 Die Atombindung
153
Abbildung 2.71c Energieniveaudiagramm des CO2-Moleküls. Im Molekül CO2 gibt es zwei σ-Bindungen und zwei äquivalente, über das gesamte Molekül delokalisierte π-Bindungen. Die Elektronenwolken der beiden bindenden π-MOs sind senkrecht zueinander orientiert.
Benzolmolekül. Die sechs senkrecht zur Molekülebene stehenden pz-Orbitale bilden sechs sich über das gesamte Benzolmolekül erstreckende π-Molekülorbitale (Abb. 2.72). Davon sind im Grundzustand die drei energieärmsten bindenden MOs mit je einem Elektronenpaar besetzt (Abb. 2.72c), die drei π-Bindungen sind vollständig delokalisiert. Außer den schon im Abschn. 2.2.8 formulierten beiden Resonanzstrukturen L
gibt es eine Vielzahl weiterer mesomerer Formen. Für alle möglichen p-Resonanzstrukturen (über 100) gibt es das Symbol
154
2 Die chemische Bindung
Der Energiegewinn aufgrund der Delokalisierung der π-Elektronen Q die Mesomerieenergie Q ist im Falle des Benzols besonders hoch, er beträgt 151 kJ molQ1 und erklärt die große Stabilität dieses aromatischen Systems.
Abbildung 2.72 π-Molekülorbitale des Benzolmoleküls. a) Zur Kombination geeignete π-Atomorbitale des Benzols. b) Aufsicht auf die sechs π-Molekülorbitale des Benzols. Alle MOs haben eine Knotenebene in der Papierebene. Unterhalb dieser Knotenebene befinden sich dieselben Elektronenwolken, die Wellenfunktion hat das entgegengesetzte Vorzeichen. c) Energieniveaudiagramm und Besetzung der π-MOs. b d) Räumliche Darstellung der beiden ringförmigen Ladungswolken des π 1 -Molekülorbitals.
2.2 Die Atombindung
155
Diamant. In Festkörpern erstrecken sich die Molekülorbitale über den gesamten Kristall. Im Graphit bilden die senkrecht zu einer ebenen Schicht des Gitters stehenden p-Orbitale π-Molekülorbitale, die über die gesamte Schicht ausgedehnt sind (vgl. Abb. 4.30 und Abschn. 4.7.3.1). Das Zustandekommen der Molekülorbitale im Diamantkristall (vgl. Abb. 2.54, Abschn. 2.2.11 und Abschn. 4.7.3.1) ist schematisch in der Abb. 2.73 dargestellt. Bei der Linearkombination von sp3-Hybridorbitalen
Abbildung 2.73 Bildung von Molekülorbitalen im Diamantkristall. a) Linearkombination zweier sp3-Hybridorbitale. b) Im Diamantkristall spalten die durch Linearkombination von sp3-Hybridorbitalen der CAtome gebildeten Molekülorbitale in Bänder auf. Da das aus den bindenden MOs entstandene Band vollständig besetzt und durch eine breite verbotene Zone von dem leeren Band der antibindenden MOs getrennt ist, ist Diamant ein Isolator.
156
2 Die chemische Bindung
zweier C-Atome entstehen ein bindendes und ein antibindendes MO. Sind in einem Diamantkristall 1023 C-Atome vorhanden, die miteinander in Wechselwirkung treten, so erhält man aus den vier pro C-Atom vorhandenen sp3-Hybridorbitalen 4 · 1023 Molekülorbitale, die sich über den gesamten Kristall erstrecken. Davon bilden 2 · 1023 eine dichte Folge bindender MOs (Valenzband), die anderen 2 · 1023 ein Band, das aus antibindenden MOs besteht (Leitungsband). Die bindenden MOs des Valenzbandes sind vollständig besetzt und durch eine 5 eV breite Lücke (verbotene Zone) von den unbesetzten MOs des Leitungsbandes getrennt. Diamant ist daher ein Isolator. In Eigenhalbleitern sind die bindenden und die antibindenden MOs nur durch eine schmale verbotene Zone getrennt, und einige Elektronen des Valenzbandes besitzen genügend thermische Energie, um die verbotene Zone zu überspringen und in das Leitungsband zu gelangen. In Metallkristallen bilden die Molekülorbitale ein einheitliches Band, das nur teilweise mit Elektronen besetzt ist (siehe Abschn. 2.4.4.2). In Stoffen mit nur zum Teil besetzten Bändern können sich die Elektronen durch den gesamten Kristall bewegen, sie sind daher Elektronenleiter. Das Energiebändermodell von Metallen, Isolatoren und Halbleitern wird im Abschn. 2.4.4.3 ausführlich behandelt. Hyperkonjugation, nicht-klassische π-Bindung. Die MO-Beschreibung hypervalenter Verbindungen ist ziemlich kompliziert. Sie soll an einigen Beispielen erläutert werden. Bei hypervalenten Molekülen mit Doppelbindungen (siehe Abschn. 2.2.2) werden die von s- und p-Orbitalen gebildeten σ-Bindungen durch schwache π-Bindungen verstärkt. Diese entstehen durch Transfer von Ladung nichtbindender besetzter pOrbitale der Ligandenatome in leere Orbitale des Zentralatoms. Werden diese π-Bindungen mit p-Orbitalen des Zentralatoms gebildet, dann entstehen p-p-π-Bindungen. Diese nicht-klassischen π-Bindungen sind schwächer als die im Abschn. 2.2.7 besprochenen klassischen π-Bindungen. Als einfaches Beispiel ist das Molekül Schwefeltrioxid, SO3, geeignet. Die sechs Valenzelektronen des Schwefelatoms bilden mit sp2-Hybridorbitalen das σ-Bindungsgerüst. Es bestimmt die trigonal ebene Gestalt des Moleküls. Am Schwefelatom verbleiben drei positive Ladungen, die Sauerstoffatome sind einfach negativ geladen.
Beim Schwefelatom existiert senkrecht zur Molekülebene ein unbesetztes 3p-Orbital und es kommt K begünstigt durch die positiven Ladungen am S-Atom K zu einem teilweisen Übergang von Ladungen der nichtbindenden p-Elektronen der Sauerstoffatome in dieses Orbital. Es entsteht eine p-p-π-Bindung über die vier Zentren des
2.2 Die Atombindung
K
157
Abbildung 2.74 Schematisches MO-Diagramm von ClO4 . a) Bildung von vier σ-Bindungen durch Linearkombination des 3s-Orbitals und der drei 3pOrbitale des Chloratoms mit Orbitalen der Sauerstoffatome. b) Hyperkonjugation durch Überlappung gefüllter pπ-Orbitale von Sauerstoffatomen mit den antibindenden σ *p-Orbitalen. Es entstehen drei delokalisierte π-Bindungen.
158
2 Die chemische Bindung
Moleküls, also eine Mehrzentrenbindung. Man kann diese Mehrzentrenbindung mit drei Resonanzstrukturen beschreiben (vgl. Abb. 2.49)
Im Bild des MO-Modells bedeutet dies, dass im Molekül SO3 ein bindendes Molekülorbital vorhanden ist, das mit einem Elektronenpaar besetzt ist. Die verdoppelnden Valzenzstriche Q bedeuten Mehrzentren-π-Bindungen, die schwächer sind als klassische π-Bindungen (z. B. beim Molekül N2). Die Valenzstriche sind Symbole, die für unterschiedliche Bindungen verwendet werden. Der Transfer von Ladungen der Liganden-π-Orbitale kann auch in antibindende Orbitale des Zentralatoms erfolgen. Man bezeichnet dies als Hyperkonjugation. Hyperkonjugation ist die Überlappung eines gefüllten Orbitals mit einem leeren antibindenden Orbital und der damit verbundene Transfer von Elektronendichte. Ein Beispiel dafür ist das Perchlorat-Ion ClOL 4 . Bei diesem Ion wird aus dem 3s-Elektron und den 3p-Elektronen mit sp3-Hybridorbitalen ein σ-Gerüst gebildet, das die tetraedrische Gestalt des Ions erklärt. Zu den vier σ-Bindungen steuert das Chloratom sieben Elektronen bei und die Sauerstoffatome ein Elektron. Am Chloratom sind drei positive Ladungen vorhanden, an den Sauerstoffatomen je eine negative Ladung.
Mit weiteren Bindungen, z. B. π-Bindungen wird nicht nur das Elektronenoktett am Cl-Atom überschritten, sondern es müssen auch Orbitale am Cl-Atom bereitgestellt werden. Diese Hypervalenz ist mit dem MO-Modell zu erklären und lässt sich mit dem MO-Diagramm von ClOK 4 anschaulich demonstrieren (Abb. 2.74). Das 3s-Orbital und die drei 3p-Orbitale des Cl-Atoms bilden mit den σ-bindenden 2p-Orbitalen der O-Atome die beiden bindenden Linearkombinationen σs und σp und die entsprechenden antibindenden Linearkombinationen σ *s und σ *p. Die acht Elektronen von Cl3C und vier OQ besetzen die vier bindenden Orbitale. Es gibt also vier σ-Bindungen. Das MO-Diagramm zeigt außerdem, dass es drei antibindende σ *p-Orbitale gibt, die auf Grund ihrer Symmetrie mit drei besetzten 2pπ-Orbitalen der Sauerstoffatome durch Linearkombination drei bindende π-Orbitale ergeben. Durch Hyperkonjugation wird Ladung von den Sauerstoffatomen in die bindenden π-Orbitale übertragen und es entstehen drei delokalisierte schwache π-Bindungen. Diese Bindungsverhältnisse können annähernd durch Strukturformeln mit Mehrfachbindungen beschrieben werden.
2.2 Die Atombindung
159
Abbildung 2.75 Bindungsverhältnisse im Molekül SF6 a) Bindende Linearkombination des 3s-Orbitals des S-Atoms mit den sechs 2pσ-Orbitalen der F-Atome. b) Bindende Linearkombination des px-Orbitals des S-Atoms mit zwei 2pσ-Orbitalen von zwei F-Atomen. Die entsprechenden bindenden Linearkombinationen gibt es mit dem py- und dem pz-Orbital des S-Atoms. Es entsteht ein dreifach entartetes Energieniveau. c) Energieniveaudiagramm. Die vier Linearkombinationen ergeben vier bindende Energieniveaus.
160
2 Die chemische Bindung
Mit der Mesomerie wird die Delokalisierung der π-Bindungen berücksichtigt. Die für die Bindungen verwendeten Valenzstriche geben aber (ohne zusätzliche Informationen) keine Auskunft über Art und Stärke der Mehrzentren-π-Bindungen. Bindungsabstände z. B. sind ein Maß für die Stärke einer π-Bindung (vgl. Tabelle 2.14 und Abschnitt 2.2.7). Auch die Polarität der Element R O-Doppelbindung, die die Gesamtbindungsstärke und die Bindungsabstände beeinflusst, wird mit den Strukturfomeln nicht erfasst. Wie im Ion ClOK 4 sind auch bei den isoelektronischen tetraedri2K 3K schen Ionen SO4 und PO4 vier σ-Bindungen mit sp3-Hybridorbitalen vorhanden, die durch schwächere π-Bindungen überlagert werden. Im Kapitel 4 werden für Moleküle und Ionen wie H2SO4, H3PO4, P4O10, SO2K 4 , etc. Strukturformeln verwendet, die Mehrfachbindungen enthalten. Die BinPO3K 4 dungsverhältnisse werden damit nur unvollkommen wiedergegeben, aber es ist die klassische Schreibweise. Schwefelhexafluorid, SF6. Im Molekül SF6 ist das Schwefelatom oktaedrisch von sechs Fluoratomen umgeben. Für die kovalenten Bindungen stehen die 2pσ-Orbitale der sechs F-Atome und die Orbitale 3s, 3px, 3py und 3pz des S-Atoms zur Verfügung. Das kugelförmige 3s-Orbital des S-Atoms bildet mit den sechs oktaedrisch angeordneten 2pσ-Orbitalen der F-Atome ein bindendes und ein antibindendes Molekülorbital (Abb. 2.75a). Die 3p-Orbitale des S-Atoms können mit je zwei Fluororbitalen überlappen, die auf der Achse des betreffenden Orbitals liegen (Abb. 2.75b). Es entstehen Sätze von dreifach entarteten bindenden und antibindenden Molekülorbitalen. Für weitere Linearkombinationen zur Bildung von bindenden und antibindenden σ-Molekülorbitalen stehen am Schwefel keine Orbitale mehr zur Verfügung. Die zwei fehlenden Molekülorbitale sind daher nichtbindend und entstehen aus den 2pOrbitalen der F-Atome. Das Energieniveaudiagramm (Abb. 2.75c) zeigt, dass die 12 Valenzelektronen die vier bindenden und die zwei nichtbindenden Molekülorbitale besetzen. Nur 8 Elektronen sind bindend. Da jedoch Fluor viel elektronegativer ist als Schwefel sind die Bindungen stark polar. Die vier Bindungen in SF6 sind im Wesentlichen stark polare Mehrzentren-σ-Bindungen. Berechnungen ergeben nur geringe π-Bindungsanteile. SF6 ist also kein hypervalentes Molekül, sondern nur hyperkoordiniert.
2.2.13 Erweiterte Valenzbindungstheorie Bei der einfachen Valenzbindungstheorie (VB-Theorie) werden Lewis-Formeln mit Elektronenpaarbindungen (2-Zentren-2-Elektronen-Bindungen) formuliert. Die erweiterte neuere VB-Theorie berücksichtigt bei den Resonanzstrukturen auch lange
2.2 Die Atombindung
161
Bindungen (long bonds) und die Gewichtung der Resonanzstrukturen. Außerdem auch Pauling’sche Drei-Elektronen-Bindungen. Long-bond-Strukturen1a,b Werden die Atomzentren Y, A und B durch eine 4-Elektronen-3-Zentren-Bindung verbunden, gibt es nicht nur die Resonanz zwischen zwei Standard-VB-Strukturen (Kekulé-Strukturen) 1 und 2, sondern auch eine mesomere long-bond-Struktur (Dewar-Struktur) 3.
Y
A 1
B
Y
A 2
B
Y A B 3
Beispiel: Ozon, O3 Die wichtigsten Resonanzstrukturen von Ozon sind:
O
O Gewicht in %
O
O
O
O
O
13
O
O
13
70
Bei allen Strukturen ist das Oktettprinzip erfüllt. Überraschenderweise hat die Dewar-Struktur mit der terminalen Spinpaarung das bei weitem größte Gewicht und beschreibt das Ozonmolekül am besten. Beispiel: Stickstoffdioxid, NO2 Die annähernd gleich wichtigen Resonanzstrukturen sind:
O Gewicht in %
O
N
N O
N 32
O
O
O 30
32
Weniger wichtig sind die co-ionischen (zwitterionischen) Strukturen
N 1-10
O
O
O Gewicht in %
N O 1-10
Übereinstimmend mit dem MO-Modell gibt es in den VB-Strukturen 1 ungepaartes Elektron. Der Vergleich der qualitativen MO-Theorie mit der erweiterten VB-Theorie zeigt übereinstimmende Bindungsordnungen, aber die VB-Struturen enthalten zu1
a) Ausführlich in E. Riedel (Hrsg.), Moderne Anorganische Chemie, 2. Aufl., de Gruyter; 1. Kap., verfasst von T. M. Klapötke. b) R. D. Harcourt, Eur. J. Inorg. Chem. 2000, 1901K1916.
162
2 Die chemische Bindung
sätzliche Informationen über die Wechselwirkung der an den Bindungen beteiligten Atome. Drei-Elektronen-Bindung Die Drei-Elektronen-Bindung ist durch die Verteilung von drei Elektronen über zwei Zentren (A, B) charakterisiert. Sie wurde zuerst von Pauling beschrieben und er erklärte die Stabilität der 2-Zentren-3-Elektronen-Bindung (2Z.3E) aus der Resonanzenergie zwischen den beiden Lewis-Grenzstrukturen und
A
B
A B
A B
Damit Resonanz erfolgt, sollte die Elektronegativitätsdifferenz zwischen A und B nicht größer als 0,5 sein. Die Bindungsordnung ist 0,5 (oder weniger), so dass die Dissoziationsenergie der Drei-Elektronen-Bindung die Hälfte (oder weniger) einer Elektronenpaar-Bindung beträgt. Die Bindungslänge ist entsprechend größer. Die Wirkung ist die von nur einem bindenden Elektron. Außer der Pauling’schen Symbolik A B gibt es noch die Symbole
A B
A B
A×B
A B
(× bedeuten Spinrichtungen)
Beispiel: HeC 2 Das spektroskopisch bekannte Dihelium-Kation HeC 2 (Dissoziationsenergie 238 kJ. mol, Bindungslänge 108 pm) enthält eine Drei-Elektronen-Bindung. Im MO-Modell b * von HeC 2 befindet sich ein bindendes Elektronenpaar im σ -Molekülorbital, im σ Molekülorbital das antibindende Elektron (vgl. Abb. 2.61). Die Bindungsordnung ist 0,5. He
$*
He+
1s
1s
MO-Schema
$b
Im VB-Modell ist die Strukturformel von HeC 2 +
und bei Berücksichtigung des Elektronenspins
He × He+
Wie im MO-Modell ist die Bindungsordnung 0,5 und HeC 2 muss paramagnetisch sein. Beispiel: O2 Mit der Lewis-Formel wird nicht der paramagnetische Grundzustand des Sauerstoffmoleküls O2 erfasst, sondern ein diamagnetischer angeregter Zustand (Singu-
2.2 Die Atombindung
163
lett-Zustand 1Δg). Der Grundzustand (Triplett-Zustand 3Σ K g ) ist der energetisch niedrigste Zustand. Seine Strukturformel oder enthält eine Elektronenpaar-σ-Bindung und zwei Drei-Elektronen-π-Bindungen. Jedes O-Atom hat außerdem eines seiner vier Valenzorbitale mit einem freien Elektronenpaar besetzt. Die Struktur in der die Spinrichtungen der Elektronen dargestellt sind zeigt, dass es für die beiden Drei-Elektronen-Bindungen zwei ungepaarte Elektronen mit gleicher Spinrichtung gibt. Diese Diradikalstruktur erklärt den Paramagnetismus und hat auf Grund der Hund’schen Regel (vgl. Abschn. 1.4.7) eine niedrigere Energie als die diamagnetische Struktur. Die O R O-Bindungsordnung ist 1 C 0,5 C 0,5 Z 2. Die MO-Theorie erklärt ebenfalls die Bindungsordnung 2 und den Paramagnetismus mit der Konfiguration (s. Abb. 2.65) (σ bs )2 (σ *s )2 (σ bx )2 (π by, z )4 (π *y )1 (π *z )1. Im π-Teil des MO-Schemas sind die Konfigurationen der Drei-Elektronen-Bindung (π by )2 (π *y )1 und (π zb )2 (π z*)1 dargestellt. O
#y*
#z*
O
2p
2p #yb
MO-Schema (#-Teil)
#zb
Beispiel: NO Auch das Molekül Stickstoffmonooxid, NO, muss in der VB-Theorie mit einer DreiElektronen-π-Bindung formuliert werden. Die Strukturformel -1 2
+1 2
N O
oder
-1 2
×
+1 2
N O
enthält eine Elektronenpaar-σ-Bindung, eine Elektronenpaar-π-Bindung und eine Drei-Elektronen-π-Bindung. Die Bindungsordnung ist 2,5. Mit der MO-Theorie folgt ebenfalls die Bindungsordnung 2,5 aus der Elektronenkonfiguration (s. S. 149) (σ bs )2 (σ *s )2 (π by, z )4 (σ bx )2 (π y,* z )1. N
#y*
#z*
2p
MO-Schema (#-Teil)
O
2p #yb
#zb
164
2 Die chemische Bindung
2.3 Van der Waals-Kräfte Die Edelgase und viele Stoffe, die aus Molekülen aufgebaut sind, lassen sich erst bei tiefen Temperaturen verflüssigen und zur Kristallisation bringen (Tabelle 2.20). Tabelle 2.20 Siedepunkt einiger flüchtiger Stoffe in (C He Ne Ar Kr Xe
K269 K246 K189 K157 K112
F2 Cl2 Br2 I2
K188 K 34 C 59 C184
N2 O2 HCl NH3
K196 K183 K 85 K 33
Zwischen den Molekülen und zwischen den Edelgasatomen existieren nur schwache ungerichtete Anziehungskräfte, die als van der Waals-Kräfte bezeichnet werden. Die van der Waals-Kräfte kommen durch Anziehung zwischen Dipolen (vgl. Abschn. 2.2.8) zustande, sie sind also elektrostatischer Natur. Die Reichweite ist sehr gering K sie ist praktisch auf die nächsten Nachbarn beschränkt K, denn da die Wechselwirkungsenergie proportional rK6 ist, nimmt sie mit wachsendem Abstand viel schneller ab als die Ionen-Ionen-Wechselwirkung. Man unterscheidet drei Komponenten der van der Waals-Kräfte. Wechselwirkung permanenter Dipol-permanenter Dipol (Richteffekt). Bei der Anziehung von Dipolen mit einem permanenten Dipolmoment kommt es zu einer Ausrichtung der Dipole, die dadurch in einen energieärmeren Zustand übergehen. Der Richteffekt ist temperaturabhängig, da die Wärmebewegung der Ausrichtung der Dipole entgegenwirkt. Wechselwirkung permanenter Dipol-induzierter Dipol (Induktionseffekt). Ein permanenter Dipol induziert in einem benachbarten Teilchen ein Dipolmoment, es kommt zu einer Anziehung. Besitzt das benachbarte Teilchen ein permanentes Dipolmoment, so überlagern sich Induktionseffekt und Richteffekt. Der Induktionseffekt ist temperaturunabhängig. Wechselwirkung fluktuierender Dipol-induzierter Dipol (Dispersionseffekt). In allen Atomen und Molekülen entstehen durch Schwankungen in der Ladungsdichte der Elektronenhülle fluktuierende Dipole. Im Nachbaratom werden durch diese „momentan“ vorhandenen Dipole gleichgerichtete Dipole induziert, so dass eine Anziehung entsteht (Abb. 2.76). Da mit zunehmender Größe der Atome bzw. Moleküle die Elektronen leichter verschiebbar sind, lassen sich leichter Dipole induzieren, die van der Waals-Anziehung nimmt zu. Die thermischen Daten z. B. der Edelgase ändern sich als Folge davon gesetzmäßig mit der Ordnungszahl (vgl. Tabelle 2.20). Für unterschiedliche Partikel beträgt die Wechselwirkungsenergie (Nach London 1930 auch London-Energie genannt) U ZK
3 α 1 α 2 I 1 $I 2 2 r 6 I 1 CI 2
2.3 Van der Waals-Kräfte
165
Abbildung 2.76 Anziehung „momentaner“ Dipol K induzierter Dipol auf Grund statistischer Schwankungen der Ladungsdichte der Elektronenhüllen. Die Ladungsdichte ändert sich dauernd. Die Abbildung ist eine Momentaufnahme.
α1 und α2 sind die Polarisierbarkeiten der Teilchen, I1 und I2 die Ionisierungsenergien. Bei gleichen Partikeln beträgt die Energie U Z K
2 3 α I 4 r6
Im elektrischen Feld werden die Elektronenhüllen relativ zu den Atomkernen verzerrt. Dadurch wird ein Dipolmoment p induziert, das der elektrischen Feldstärke E proportional ist. p Z α ε0 E ε0 ist die elektrische Feldkonstante. Die Polarisierbarkeit α (SI-Einheit m3) ist also ein Maß für die Deformierbarkeit der Elektronenhüllen. „Weiche“ Atome mit großer Polarisierbarkeit sind die schweren Nichtmetallatome wie Xe, I, Br, Se. „Harte“ Atome mit kleiner Polarisierbarkeit sind C, N, O, F und Ne. Der Dispersionseffekt ist zwischen allen Atomen, Ionen und Molekülen wirksam. Er liefert auch zur Gitterenergie von Kristallen und zur Bindungsenergie kovalenter Bindungen einen Beitrag (vgl. Tabelle 2.9). Verglichen mit der Gitterenergie von Ionenkristallen und Atomkristallen ist jedoch die Gitterenergie von Molekülkristallen klein (meistens kleiner als 25 kJ molK1). Bei Teilchen ohne Dipolmoment (Edelgase, SF6, CH4) ist der Dispersionseffekt die alleinige Ursache der van der WaalsAnziehung. Aber auch bei Molekülen mit Dipolmomenten p ! 1 D (CO, HI, HBr) überwiegt der Dispersionseffekt bei weitem. Erst bei Molekülen mit größeren Dipolmomenten als 1 D wird der Richteffekt etwa gleich groß (NH3: p Z 1,47 D) oder größer (H2O: p Z 1,85 D) als der Dispersionseffekt. Der Induktionseffekt ist immer klein und meist vernachlässigbar. Beispiele zeigt Tabelle 2.21. Van der Waals-Radien. Aus dem Gleichgewichtsabstand in Molekülkristallen und kristallisierten Edelgasen kann man einen Satz von van der Waals-Radien ableiten (Tabelle 2.22). Kleinere Abstände im Gitter als die Summe der van der Waals-Radien sind Anzeichen für kovalente Bindungskräfte. Beispiele sind die Bindungen zwischen
166
2 Die chemische Bindung
Tabelle 2.21 Van der Waals-Wechselwirkungsenergie in kJ molQ 1 Aufteilung der Gitterenergie nach ihrem Ursprung Teilchen
Dipolmoment in D
Polarisierbarkeit in 10K30 m3
Richteffekt
Induktionseffekt
Dispersionseffekt
Gitterenergie
Siedepunkt in K
Ar CO HI HBr HCl NH3 H2O
0 0,11 0,44 0,82 1,08 1,47 1,85
1,6 2,0 5,4 3,6 2,6 2,2 1,5
0 0,0004 0,02 0,69 3,31 13,31 36,36
0 0,008 0,11 0,50 1,00 1,54 1,92
8,49 8,74 25,86 21,92 16,82 14,74 9,00
8,49 8,74 25,99 23,11 21,13 29,59 47,28
87 82 238 206 188 240 373
Tabelle 2.22 Van der Waals-Radien in 10K10 m H N P As
1,2 1,5 1,8 1,9
O S Se Te
1,5 1,8 1,9 2,1
F Cl Br I
1,4 1,8 1,9 2,0
He Ne Ar Kr Xe
1,4 1,6 1,9 2,0 2,2
Der Radiensatz ist aus Mittelwerten der Gleichgewichtsabstände, die bei der van der WaalsWechselwirkung bestimmt wurden, abgeleitet. Bei den folgenden Elementen wurden größere Schwankungen beobachtet: H 1,2K1,45; F 1,35K1,6; Cl 1,7K1,9; Br 1,8K2,0; I 1,95K2,15.
den As-Schichten im Gitter des grauen Arsens (vgl. Abb. 4.20) und den Se-Ketten im grauen Selen (vgl. Abb. 4.14).
2.4 Der metallische Zustand 2.4.1 Eigenschaften von Metallen, Stellung im Periodensystem Vier Fünftel aller Elemente sind Metalle. In den Hauptgruppen des Periodensystems stehen die Metalle links von den Elementen B, Si, Ge, Sb, At (Abb. 2.77). Die Abgrenzung zu den Nichtmetallen ist jedoch nicht scharf. Einige Elemente zeigen weniger typische metallische Eigenschaften und werden als Halbmetalle bezeichnet. Dazu gehören B, Si, Ge, As, Sb, Se, Te. Außerdem gibt es Elemente, bei denen sich nur bestimmte Modifikationen einer dieser Gruppen zuordnen lassen. Graues Zinn kristallisiert im Diamantgitter und ist ein Halbmetall, es wandelt sich oberhalb C13 (C in das metallische weiße Zinn um. Weißer und roter Phosphor sind nichtmetallische Modifikationen, schwarzer Phosphor hat Halbmetalleigenschaften. Der metallische
2.4 Der metallische Zustand
167
Abbildung 2.77 Einteilung der Hauptgruppenelemente in Metalle, Halbmetalle und Nichtmetalle.
Charakter der Elemente wächst in den Hauptgruppen von oben nach unten und in den Perioden von rechts nach links. Alle Nebengruppenelemente, die Lanthanoide und die Actinoide sind Metalle. Für die Metalle sind also Elektronenkonfigurationen der Atome mit nur wenigen Elektronen auf der äußersten Schale typisch. Die Ionisierungsenergie der Metallatome ist niedrig (! 10 eV), sie bilden daher leicht positive Ionen. Die Nichtmetalle sind in ihren Eigenschaften sehr differenziert, Metalle sind untereinander viel ähnlicher. Mit Ausnahme von Quecksilber sind alle Metalle bei Zimmertemperatur fest. Die Schmelzpunkte sind sehr unterschiedlich. Sie reichen von K39 (C (Quecksilber) bis 3 410 (C (Wolfram), mit steigender Ordnungszahl ändern sie sich periodisch (Abb. 2.78). Die Schmelzpunktsmaxima treten bei den Elementen der 5. und 6. Gruppe (V, Mo, W) auf.
Abbildung 2.78 Schmelzpunkte der Metalle
168
2 Die chemische Bindung
Die metallischen Eigenschaften bleiben im flüssigen Zustand erhalten K ein bekanntes Beispiel dafür ist Quecksilber K und gehen erst im Dampfzustand verloren. Sie sind also an die Existenz größerer Atomverbände gebunden. Typische Eigenschaften von Metallen sind: 1. Metallischer Glanz der Oberfläche, Undurchsichtigkeit 2. Dehnbarkeit und plastische Verformbarkeit (Duktilität) 3. Gute elektrische (O 106 ΩK1 mK1) und thermische Leitfähigkeit (Abb. 2.79). Bei Metallen nimmt mit steigender Temperatur die Leitfähigkeit ab, bei Halbmetallen nimmt sie zu.
Abbildung 2.79 Elektrische Leitfähigkeit der Metalle bei 0 (C in 106 ΩK1 mK1.
Die metallischen Eigenschaften können mit den Kristallstrukturen der Metalle und den Bindungsverhältnissen in metallischen Substanzen erklärt werden. In den chemischen Eigenschaften gibt es zwischen den Hauptgruppenmetallen und den Nebengruppenmetallen charakteristische Unterschiede. Bei den Hauptgruppenmetallen stehen für chemische Bindungen nur s- und p-Elektronen zur Verfügung, d-Elektronen sind entweder nicht oder nur in vollbesetzten Unterschalen vorhanden. Die Hauptgruppenmetalle treten daher überwiegend in einer einzigen Oxidationszahl auf, bei einigen kommen zwei Oxidationszahlen vor (Abb. 2.80). Die Ionen haben meist Edelgaskonfiguration. Sie sind farblos und diamagnetisch. Die Hauptgruppenmetalle sind fast alle unedle Metalle. Bei den Nebengruppenmetallen werden die d-Orbitale der zweitäußersten Schale aufgefüllt. Außer den s-Elektronen der äußersten Schale können auch die d-Elektronen als Valenzelektronen wirken. Die Übergangsmetalle treten daher in vielen Oxidationszahlen auf. Die wichtigsten Oxidationszahlen der 3d-Elemente sind in der Abb. 2.81 angegeben. Die meisten Ionen der Übergangsmetalle haben teilweise besetzte d-Niveaus. Solche Ionen sind gefärbt und paramagnetisch und besitzen eine ausgeprägte Neigung zur Komplexbildung (vgl. Abschn. 5.4). Unter den Nebengruppenmetallen finden sich die typischen Edelmetalle.
2.4 Der metallische Zustand
169
Abbildung 2.80 Oxidationszahlen der Hauptgruppenmetalle.
Abbildung 2.81 Wichtige Oxidationszahlen der 3d-Elemente. Als Beispiele sind einige Sauerstoffverbindungen aufgeführt.
2.4.2 Kristallstrukturen der Metalle Es treten vorwiegend drei Strukturen auf. Ihr Zustandekommen ist zu verstehen, wenn man annimmt, dass die Metallatome starre Kugeln sind und dass zwischen ihnen ungerichtete Anziehungskräfte existieren, so dass sich die Kugeln möglichst dicht zusammenlagern. Es entstehen dichteste Packungen. Abb. 2.82a zeigt eine Schicht mit Kugeln in dichtester Packung. Die Atome sind in gleichseitigen Dreiecken bzw. Sechsecken angeordnet. Packt man auf eine solche Schicht Kugeln, dann ist die Packung am dichtesten, wenn sie in Lücken liegen, die durch drei Kugeln der darunter liegenden Schicht gebildet werden. Wird eine Kugelschicht dichtester Packung raumsparend auf eine darunter liegende Schicht gepackt, gibt es für die obere Schicht zwei mögliche Lagen (vgl. Abb. 2.82b).
170
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.82 Dichteste Kugelpackungen. a) Eine einzelne Schicht mit dichtest gepackten Kugeln. b) Eine Schicht dichtester Packung besitzt zwei verschiedene Sorten von Lücken (▲ und ▼), in die eine zweite, darüber liegende Schicht dichtester Packung einrasten kann. Für diese Schicht gibt es daher zwei mögliche Positionen. c) Hexagonal-dichteste Packung. Die Schichtenfolge ist ABAB ... Die dritte Schicht liegt genau über der ersten Schicht. d) Kubisch-dichteste (Z kubisch-flächenzentrierte) Packung. Die Schichtenfolge ist ABCABC ... Erst die vierte Schicht liegt genau über der ersten Schicht.
Abbildung 2.83 a) Hexagonal-dichteste Packung. Schichtenfolge ABAB ... b) Kubisch-dichteste (Z kubisch-flächenzentrierte) Packung. Schichtenfolge ABCABC ...
2.4 Der metallische Zustand
171
Es treten daher unterschiedliche Schichtenfolgen auf. 1. Die Schichtenfolge ABAB. Die dritte Schicht liegt so auf der zweiten Schicht, dass die Kugeln genau über denen der ersten Schicht liegen (Abb. 2.82c und Abb. 2.83a). 2. Die Schichtenfolge ABCABC. Die Kugeln der dritten Schicht liegen in anderen Positionen als die der ersten Schicht. Erst die vierte Schicht liegt wieder genau über der ersten (vgl. Abb. 2.82d und Abb. 2.83b). Bei der Schichtenfolge ABAB liegt eine hexagonal-dichteste Packung (hdp) vor. Abb. 2.84 zeigt die hexagonale Elementarzelle dieser Struktur. Bei der kubisch-dichtesten Packung (kdp) mit der Schichtenfolge ABCABC entsteht eine Struktur mit A
B
c
A a)
a
b)
Abbildung 2.84 Hexagonal-dichteste Kugelpackung. a) Atomlagen. Die dick gezeichneten Kanten umschließen die Elementarzelle. c.a Z 1,633. b) Koordinationszahl. Jedes Atom hat 12 Nachbarn im gleichen Abstand.
einer flächenzentrierten kubischen Elementarzelle. Die kleinste Einheit dieser Struktur ist also ein Würfel, dessen Ecken und Flächenmitten mit Atomen besetzt sind. Jeweils senkrecht zu den vier Raumdiagonalen des Würfels liegen die dichtest gepackten Schichten mit der Folge ABCABC (Abb. 2.85). Die dritte häufige Struktur ist die kubisch-raumzentrierte Struktur (krz). Die Elementarzelle ist ein Würfel, dessen Eckpunkte und dessen Zentrum mit Atomen
Abbildung 2.85 Kubisch-dichteste Packung (oder kubisch-flächenzentriertes Gitter). a) Flächenzentrierte kubische Elementarzelle. b) Die Schichten dichtester Packung liegen senkrecht zu den Raumdiagonalen der Elementarzelle. Jedes Atom hat 12 Nachbarn im gleichen Abstand.
172
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.86 Elementarzelle der kubisch-raumzentrierten Struktur. Die rot gezeichneten Atome gehören zu Nachbarzellen. Jedes Atom hat 8 nächste Nachbarn und 6 übernächste Nachbarn, die nur 15% weiter entfernt sind.
besetzt sind. Die Koordinationszahl beträgt 8. Zusammen mit den übernächsten Nachbarn, die nur 15% weiter entfernt sind, ist die Anzahl der Nachbaratome 14 (Abb. 2.86). Die kubisch-raumzentrierte Struktur ist etwas weniger dicht gepackt (Raumausfüllung 68%) als die kubisch-dichteste und die hexagonal-dichteste Packung (Raumausfüllung 74%). 80% der metallischen Elemente kristallisieren in einer der drei Strukturen. Abb. 2.87 zeigt, wie sich die Gittertypen über das Periodensystem verteilen.
Abbildung 2.87 Kristallstrukturen der Metalle bei Normalbedingungen. Eine Reihe von Metallen kommt in mehreren Strukturen vor. Bei einer für das jeweilige Metall charakteristischen Temperatur findet eine Strukturumwandlung statt.
In der kubisch-raumzentrierten Struktur kristallisieren die Alkalimetalle und die Elemente der 5. und 6. Nebengruppe. In der kubisch-flächenzentrierten Struktur kristallisieren die wichtigen Gebrauchsmetalle γ-Fe, Al, Pb, Ni, Cu und die Edelmetalle.
2.4 Der metallische Zustand
173
Viele Metalle sind polymorph, sie kommen in mehreren Strukturen vor. Eisen z. B. kommt in drei Modifikationen vor. 906 (C
1401 (C
1536 (C
#$$/ δ-Fe (krz ) 1#$$ #$$/ Schmelze α-Fe (krz) 1#$$ #$$/ γ-Fe (kdp) 1#$$ In der doppelt-hexagonalen Struktur mit der Schichtenfolge ABACABAC ... kristallisieren Pr und Nd. Der Wechsel der kubischen und hexagonalen Strukturelemente führt zur Verdoppelung der c-Achse. Interessant ist das Auftreten von Stapelfehlern. Bei bestimmter Temperaturbehandlung tritt z. B. bei Co durchschnittlich nach 10 Schichten statt der hexagonalen eine kubische Schichtenfolge auf: ABABABABCBCBCBC ... hexagonal hexagonal kubisch Bei den Nichtmetallen führen gerichtete Atombindungen zu kleinen Koordinationszahlen. In Ionenkristallen sind die Bindungskräfte ungerichtet; aufgrund der Radienverhältnisse Kation : Anion sind die häufigsten Koordinationszahlen 4, 6 und 8. Bei beiden Bindungsarten ist eine große Strukturmannigfaltigkeit vorhanden. Bei den Metallen führen die ungerichteten Bindungskräfte wegen der gleich großen Bausteine zu wenigen, geometrisch einfachen Strukturen mit großen Koordinationszahlen. Dicht gepackte Gitter besitzen daher auch die Edelgase (vgl. Abschn. 4.3.1), bei denen zwischen den kugelförmigen Atomen ungerichtete van der Waals-Kräfte vorhanden sind. Das Modell starrer Kugeln trifft jedoch nur in erster Näherung zu. Das Auftreten mehrerer typischer Metallstrukturen deutet auf einen individuellen Einfluss der Atome hin. Bisher gelang es aber nicht generell, theoretisch abzuleiten, welcher der drei Gittertypen bei einem Metall auftritt. Die Berechnung der relativen Stabilität der drei Metallgitter unter Berücksichtigung der Bandstruktur der Elektronen (vgl. S. 178) zeigt aber, dass die Bandenergie der dominierende Energiefaktor ist. Bei Übergangsmetallen mit 2 bis 8 d-Elektronen stimmen beobachtete und berechnete Strukturänderungen überein (Abb. 2.88). Bei einigen Metallen mit hexagonal-dichtester Packung hat das c.a-Verhältnis nicht den idealen Wert 1,633. Beispiele sind: Be 1,58; Seltenerdmetalle 1,57; Zn 1,86; Cd 1,88. Bei Be und den Seltenerdmetallen sind demnach die Abstände zwischen den Atomen in den Schichten dichtester Packung größer als zwischen den Schichten. Bei Zn und Cd ist es umgekehrt. Diese Abweichungen von der idealen Struktur zeigen, dass gerichtete Bindungskräfte eine Rolle spielen. Zu den Metallen, die in komplizierteren Metallstrukturen kristallisieren, gehören Ga, In, Sn, Hg und Mn. Die plastische Verformbarkeit von Metallen (Ziehen, Walzen, Hämmern) beruht darauf, dass in ausgezeichneten Ebenen eine Gleitung möglich ist. Gleitebenen sind besonders Ebenen dichtester Packung, da innerhalb der Ebenen der Zusammenhalt
174
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.88 Relative Stabilität der Metallgitter in Abhängigkeit von der Anzahl der dElektronen. Die Energie des kdp-Gitters wird null gesetzt und die Energien der anderen Strukturen sind relativ dazu angegeben. Für die Übergangsmetalle mit d2- bis d8-Konfiguration stimmen beobachteter und berechneter Strukturwechsel überein. Ausnahmen sind die 3d-Elemente Mn, Fe, Co.
stark ist. In der kubisch-flächenzentrierten Struktur existieren senkrecht zu den vier Raumdiagonalen der kubischen Elementarzelle vier Scharen dichtgepackter Ebenen, bei der hexagonal-dichtesten Packung existiert nur eine solche Ebenenschar. Meist besteht ein Metallstück aus vielen regellos angeordneten Kriställchen, es ist polykristallin. Die Ebenen dichtester Packung liegen in den Kristalliten regellos auf alle Raumrichtungen verteilt. Bei polykristallinen Metallen mit kubisch-dichtester Packung ist wegen der größeren Anzahl an Gleitebenen die Wahrscheinlichkeit, dass Gleitebenen der einzelnen Kristallite in eine günstige Lage zur Verformungskraft kommen, größer als bei polykristallinen Metallen mit hexagonal-dichtester Packung. Die Metalle mit kubisch-dichtester Packung (Cu, Ag, Au, Pt, Al, Pb, γ-Fe) sind daher relativ weiche, gut zu bearbeitende (duktile) Metalle, während Metalle mit hexagonal-dichtester Packung und besonders kubisch-raumzentrierte Metalle (Cr, V, W, Mo) eher spröde sind. Fe tritt in zwei Strukturen auf und ist in der γ-Form duktiler und leichter bearbeitbar als in der α-Form. Im Metallgitter eingebaute Fremdatome erschweren die Gleitung und mindern die Duktilität. Legierungen enthalten Fremdatome und sind daher härter als das Wirtsmetall, oft sogar spröde oder brüchig.
2.4 Der metallische Zustand
175
Es soll noch erwähnt werden, dass bei der plastischen Verformung von Metallen Fehlordnungen im Metallgitter (Stufenversetzungen und Schraubenversetzungen) eine wesentliche Rolle spielen (vgl. Abschn. 5.7). Gleitebenen sind Ebenen mit hoher Versetzungsdichte.
2.4.3 Atomradien von Metallen Der Atomradius eines Metalls wird als halber Abstand der im Metallgitter benachbarten Metallatome definiert. Aus den Strukturen mit dichtesten Packungen erhält man Metallradien für 12fach koordinierte Metallatome, aus den kubisch-raumzentrierten Strukturen solche für 8fach koordinierte Metallatome. Aus Untersuchungen polymorpher Metalle und von Legierungssystemen lässt sich die folgende Abhängigkeit der Metallradien von der Koordinationszahl ermitteln: Koordinationszahl Metallradius
12 1,00
8 0,97
6 0,96
4 0,88
In der Abb. 2.89 sind Metallradien für die Koordinationszahl 12 angegeben. Die Atomradien der Metalle sind sehr viel größer als die Ionenradien (vgl. Tabelle 2.2).
Abbildung 2.89 Atomradien von Metallen für die Koordinationszahl 12 in pm.
Sie liegen im Bereich 110K270 pm. Mit steigender Ordnungszahl ändern sie sich periodisch. In jeder Periode haben die Alkalimetalle die größten Radien. In jeder Übergangsmetallreihe haben einige Elemente der zweiten Hälfte sehr ähnliche Radien (z. B. Fe, Co, Ni, Cu), da dort ein Minimum auftritt. Die Radien homologer 4dund 5d-Elemente sind nahezu gleich (Mo, W; Nb, Ta; Pd, Pt; Ag, Au). Ursache dafür ist die so genannte Lanthanoid-Kontraktion. Bei den auf das Lanthan folgenden 14 Lanthanoiden werden die inneren 4f-Niveaus aufgefüllt. Dabei erfolgt eine stetige Abnahme des Atomradius, so dass die auf die Lanthanoide folgenden 5d-Elemente den annähernd gleichen Radius besitzen, wie die homologen 4d-Elemente.
176
2 Die chemische Bindung
2.4.4 Die metallische Bindung 2.4.4.1 Elektronengas Bereits um 1900 wurde von Drude und Lorentz ein Modell der metallischen Bindung entwickelt, das auf klassischen Gesetzen beruht. Danach sind in Metallen die Gitterplätze durch positive Ionenrümpfe besetzt, die Valenzelektronen bewegen sich frei im Metallgitter. Im Gegensatz zu anderen Bindungsarten sind die Valenzelektronen also nicht an ein bestimmtes Atom gebunden, sondern delokalisiert, und ähnlich wie sich Gasatome im gesamten Gasraum frei bewegen können, können sich die Valenzelektronen der Metallatome im gesamten Metallgitter frei bewegen. Diese frei beweglichen Elektronen werden daher als Elektronengas bezeichnet. In Aluminium z. B. nehmen die kugelförmigen Al3C-Rümpfe nur etwa 18% des Gesamtvolumens des Metalls ein, während das Elektronengas 82% des Volumens beansprucht (Abb. 2.90).
Abbildung 2.90 Schnitt durch einen Aluminiumkristall. Eine Schicht von Al3C-Rümpfen in der Anordnung dichtester Packung ist in Elektronengas eingebettet. In Ionenkristallen und Atomkristallen sind die Valenzelektronen fest gebunden. In Metallen sind die Valenzelektronen nicht lokalisiert, sondern im Metallgitter frei beweglich.
Die Untersuchung der Elektronendichteverteilung bestätigte, dass zwischen den Atomen im Metallgitter eine endliche Elektronendichte vorhanden ist, die durch das Elektronengas zustande kommt (Abb. 2.91).
Abbildung 2.91 Schematischer Verlauf der Elektronendichte zwischen benachbarten Gitterbausteinen in Kristallgittern mit unterschiedlichen Bindungsarten.
2.4 Der metallische Zustand
177
Mit diesem Modell kann man viele Eigenschaften der Metalle K zumindest qualitativ K befriedigend erklären. Strukturelle und mechanische Eigenschaften: Der Zusammenhalt der Atome in Metallen kommt durch die Anziehungskräfte zwischen den positiven Atomrümpfen und dem Elektronengas zustande. Diese Bindungskräfte sind ungerichtet, und sie erklären das bevorzugte Auftreten dicht gepackter Metallstrukturen. Beim Gleiten der Gitterebenen bleiben die Bindungskräfte erhalten, Metalle sind daher plastisch verformbar (Abb. 2.92). Bei Ionenkristallen führt dagegen Gleitung
Abbildung 2.92 Bei der plastischen Verformung von Metallen führt die Verschiebung der Gitterebenen gegeneinander nicht zu Abstoßungskräften.
zum Bruch, wenn bei der Verschiebung der Gitterebenen gleichartig geladene Ionen übereinander zu liegen kommen und Abstoßung auftritt. Ionenkristalle sind daher spröde und nicht plastisch verformbar (Abb. 2.93). Bei Atomkristallen werden durch mechanische Deformation Elektronenpaarbindungen zerstört, so dass ein Kristall in kleinere Bruchstücke zerfällt. Diamant und Silicium z. B. sind spröde. Elektronische Eigenschaften: Die Existenz des Elektronengases erklärt die gute elektrische und thermische Leitfähigkeit der Metalle. Beim Anlegen einer Spannung
Abbildung 2.93 Die dargestellte Verschiebung der Schichten eines Ionenkristalls führt zu starken Abstoßungskräften.
178
2 Die chemische Bindung
wandern die Elektronen des Elektronengases im Kristall in Richtung der Anode. Mit steigender Temperatur sinkt die Leitfähigkeit, da durch die mit wachsender Temperatur zunehmenden Schwingungen der positiven Atomrümpfe eine wachsende Störung der freien Beweglichkeit der Elektronen erfolgt. Da freie Elektronen Licht aller Wellenlängen absorbieren können, sind Metalle undurchsichtig. Das grau-weißliche Aussehen der Oberfläche der meisten Metalle kommt durch Reflexion von Licht aller Wellenlängen zustande. Mit den klassischen Gesetzen ließ sich jedoch nicht das thermodynamische Verhalten von Metallen erklären. Im Gegensatz zu anderen einatomigen Gasen, beispielsweise den Edelgasen, die auf Grund der drei Translationsfreiheitsgrade die molare Wärmekapazität 23 R besitzen, nimmt das Elektronengas bei einer Temperaturerhöhung nahezu keine Energie auf. Die Wärmekapazität des Elektronengases ist annähernd null. Man bezeichnet das Elektronengas als entartet. Nach der Regel von Dulong-Petit beträgt die molare Wärmekapazität aller festen Stoffe, auch die metallischer Leiter, annähernd 3 R. Erst mit Hilfe der Quantentheorie konnte die Entartung des Elektronengases erklärt werden (vgl. Abschn. 2.4.4.3).
2.4.4.2 Energiebändermodell Stellen wir uns vor, dass ein Metallkristall aus vielen isolierten Metallatomen eines Metalldampfes gebildet wird. Sobald sich die Atome einander nähern, kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen ihnen. Aufgrund dieser Wechselwirkung entsteht im Metallkristall aus den äquivalenten Atomorbitalen der einzelnen isolierten Atome, die ja die gleiche Energie besitzen, eine sehr dichte Folge von Energiezuständen. Man sagt, dass die Atomorbitale in einem Metall zu einem Energieband aufgespalten sind. Wird ein Metallkristall aus 10 20 Atomen gebildet K 1 g Lithium enthält 10 23 Atome K, dann entstehen aus 10 20 äquivalenten Atomorbitalen der Atome des Metalldampfes 10 20 Energieniveaus unterschiedlicher Energie (Abb. 2.94). Man kann die Energiezustände eines Energiebandes als Molekülorbitale auffassen und das Zustandekommen des Energiebands mit der MO-Methode beschreiben. Bei der Wechselwirkung zweier Li-Atome entsteht durch Linearkombination der 2s-Orbitale K wie beim Wasserstoffmolekül (Abschn. 2.2.12) K ein bindendes und ein antibindendes MO. Die Linearkombination der 2s-Orbitale von drei Li-Atomen führt zu drei MOs (bindend, nichtbindend, antibindend). Treten vier Li-Atome in Wechselwirkung, so entstehen vier Vierzentren-MOs usw. Durch Linearkombination aller 2s-Orbitale der Li-Atome eines Kristalls entsteht eine dichte Folge von MOs, die sich über den gesamten Kristall erstrecken (Energieband). Die Anzahl der MOs ist gleich der Anzahl der Atomorbitale, aus denen sie gebildet werden. Elektronen, die diese MOs besetzen, sind vollständig delokalisiert, ihre Aufenthaltswahrscheinlichkeit erstreckt sich über den ganzen Kristall (vgl. Abschn. 2.2.12).
2.4 Der metallische Zustand
179
Abbildung 2.94 a) Aus isolierten Atomen eines Metalldampfes bildet sich ein Metallkristall. b) Aufspaltung von Atomorbitalen zu einem Energieband im Metallkristall. Aus 10 20 äquivalenten Atomorbitalen von 10 20 isolierten Atomen eines Metalldampfes entsteht im festen Metall ein Energieband mit 10 20 Energiezuständen unterschiedlicher Energie (vgl. Bildung von Molekülorbitalen, Abschn. 2.2.12).
Abb. 2.95 zeigt schematisch das Zustandekommen der Energiebänder von metallischem Lithium aus den Atomorbitalen der Li-Atome. Das aus den 1s-Atomorbitalen der Li-Atome gebildete Band ist von dem aus den 2s-Atomorbitalen gebildeten Energieband durch einen Energiebereich getrennt, in dem keine Energieniveaus liegen. Man nennt diesen Energiebereich verbotene Zone, da für die Metallelektronen Energien dieses Bereiches verboten sind. Die aus den 2s- und 2p-Atomorbitalen ge-
Abbildung 2.95 Schematische Darstellung des Zustandekommens der Energiebänder vom Lithium aus Atomorbitalen. Die Energiebreite stark aufgespaltener Bänder liegt in der Größenordnung von eV, der Abstand der Energieniveaus in den Bändern hat die Größenordnung 10 K20 eV, wenn N Z 10 20 beträgt.
180
2 Die chemische Bindung
bildeten Energiebänder sind so stark aufgespalten, dass die beiden Bänder überlappen, also nicht durch eine verbotene Zone voneinander getrennt sind. Da die Energiebreite der Bänder in der Größenordnung von eV liegt, ist der Abstand der Energieniveaus innerhalb der Bänder von der Größenordnung 10 K20 eV, also sehr klein. Wegen des geringen Abstands der Energieniveaus ändert sich in den Bändern die Energie quasikontinuierlich, aber man darf nicht vergessen, dass die Energiebänder aus einer begrenzten Zahl von Energiezuständen bestehen. Für die Besetzung der Energieniveaus von Energiebändern mit Elektronen gilt genauso wie für die Besetzung der Orbitale einzelner Atome das Pauli-Prinzip (vgl. Abschn. 1.4.7). Jedes Energieniveau kann also nur mit zwei Elektronen entgegengesetzten Spins besetzt werden. Für die Metalle Lithium und Beryllium ist die Besetzung der Energiebänder in den Abb. 2.96 und 2.97 dargestellt.
Abbildung 2.96 Besetzung der Energiebänder von Lithium. Für die Besetzung der Energieniveaus der Bänder gilt das Pauli-Verbot. Jedes Energieniveau kann nur mit zwei Elektronen entgegengesetzten Spins besetzt werden.
Abbildung 2.97 Besetzung der Energiebänder von Beryllium. Im Überlappungsbereich des 2s- und des 2p-Bandes werden Energieniveaus beider Bänder besetzt.
2.4 Der metallische Zustand
181
Die Breite einer verbotenen Zone hängt von der Energiedifferenz der Atomorbitale und der Stärke der Wechselwirkung der Atome im Kristallgitter ab. Je mehr sich die Atome im Kristallgitter einander nähern, umso stärker wird die Wechselwirkung der Elektronen, die Breite der Energiebänder wächst, und die Breite der verbotenen Zonen nimmt ab, bis schließlich die Bänder überlappen. Abb. 2.98 zeigt am Beispiel von Natrium und Magnesium die Aufspaltung der Atomorbitale in Abhängigkeit vom Atomabstand.
Abbildung 2.98 Aufspaltung der Atomorbitale in Abhängigkeit vom Atomabstand. Die 3pund 3s-Orbitale der Na- und Mg-Atome sind in den Metallen zu breiten, sich überlappenden Energiebändern aufgespalten.
Innere, an die Atomkerne fest gebundene Elektronen zeigen im Festkörper nur eine schwache Wechselwirkung. Ihre Energiezustände sind praktisch ungestört und daher scharf. Die inneren Elektronen bleiben lokalisiert und sind an bestimmte Atomrümpfe gebunden. Die Energieniveaus der äußeren Elektronen, der Valenzelektronen, spalten stark auf. Die Breite der Energiebänder liegt in der Größenordnung von eV. Ist ein solches Band nur teilweise mit Elektronen besetzt, dann können sich die Elektronen quasifrei durch den Kristall bewegen, sie sind nicht an bestimmte Atomrümpfe gebunden (Elektronengas). Beim Anlegen einer Spannung ist elektrische Leitung möglich.
182
2 Die chemische Bindung
2.4.4.3 Metalle, Isolatoren, Eigenhalbleiter Mit dem Energiebändermodell lässt sich erklären, welche Festkörper metallische Leiter, Isolatoren oder Halbleiter sind. Bei den Metallen überlappt das von den Orbitalen der Valenzelektronen gebildete Valenzband immer mit dem nächsthöheren Band (Abb. 2.99a, b). Beim Anlegen einer Spannung ist eine Elektronenbewegung möglich, da den Valenzelektronen zu ihrer Bewegung ausreichend viele unbesetzte Energiezustände zur Verfügung stehen. Solche Stoffe sind daher gute elektrische Leiter.
Abbildung 2.99 Schematische Energiebänderdiagramme. Es ist nur das oberste besetzte und das unterste leere Band dargestellt, da die anderen Bänder für die elektrischen Eigenschaften ohne Bedeutung sind. a), b) Bei allen Metallen überlappt das Valenzband mit dem nächsthöheren Band. In der Abb. a) ist das Valenzband teilweise besetzt. Dies trifft für die Alkalimetalle zu, bei denen das Valenzband gerade halb besetzt ist (vgl. Abbildung 2.96). In der Abbildung b) ist das Valenzband fast aufgefüllt und der untere Teil des Leitungsbandes besetzt. Dies ist bei den Erdalkalimetallen der Fall (vgl. Abbildung 2.97). c) Bei Isolatoren ist das voll besetzte Valenzband vom leeren Leitungsband durch eine breite verbotene Zone getrennt. Elektronen können nicht aus dem Valenzband in das Leitungsband gelangen. d) Bei Eigenhalbleitern ist die verbotene Zone schmal. Durch thermische Anregung gelangen Elektronen aus dem Valenzband in das Leitungsband. Im Valenzband entstehen Defektelektronen. In beiden Bändern ist elektrische Leitung möglich.
Bei den Alkalimetallen ist das Valenzband nur halb besetzt (Abb. 2.96). Auch ohne Überlappung mit dem darüber liegenden p-Band wäre eine elektrische Leitung möglich. Die Erdalkalimetalle (Abb. 2.97) wären ohne diese Überlappung keine Metalle, da dann das Valenzband vollständig aufgefüllt wäre.
2.4 Der metallische Zustand
183
Da in Metallen auch bei der Temperatur T Z 0 K die Elektronen wegen des PauliVerbots Quantenzustände höherer Energie besetzen müssen, haben die Elektronen bei T Z 0 K einen Energieinhalt. Die obere Energiegrenze, bis zu der bei T Z 0 K die Energieniveaus besetzt sind, heißt Fermi-Energie EF . Sie beträgt für Lithium 4,7 eV. Bei einer Temperaturerhöhung können nur solche Elektronen Energie aufnehmen, die dabei in unbesetzte Energieniveaus gelangen. Da dies nur wenige Elektronen sind, nämlich die, deren Energieniveaus dicht unterhalb der Fermi-Energie liegen, ändert sich die Energie des Elektronengases mit wachsender Temperatur nur wenig, es ist entartet. Ein einatomiges Gas, für das klassische Gesetze gelten, hat dagegen bei der Temperatur T Z 0 K die Energie null, und die Energie des Gases nimmt mit der Temperatur linear zu (Abb. 2.100).
Abbildung 2.100 a) Bei T Z 0 K sind alle Energiezustände unterhalb EF besetzt. Bei der Temperatur T können nur Elektronen des rot gekennzeichneten Bereichs thermische Energie aufnehmen und unbesetzte Energieniveaus oberhalb EF besetzen. Mit steigender Temperatur wird dieser Bereich breiter. b) Da nur ein kleiner Teil der Valenzelektronen thermische Energie aufnehmen kann, nimmt die Energie des Elektronengases bei Temperaturerhöhung nur wenig zu.
In einem Isolator ist das Leitungsband leer, es enthält keine Elektronen und ist vom darunter liegenden, mit Elektronen voll besetzten Valenzband durch eine breite verbotene Zone getrennt (Abb. 2.99c). In einem voll besetzten Band findet beim Anlegen einer Spannung keine Leitung statt, da für eine Elektronenbeweglichkeit freie Quantenzustände vorhanden sein müssen, in die die Elektronen bei der Zuführung elektrischer Energie gelangen können. Ist die verbotene Zone zwischen dem leeren Leitungsband und dem vollen Valenzband schmal, tritt Eigenhalbleitung auf (Abb. 2.99d). Durch Energiezufuhr (thermische oder optische Anregung) können nun Elektronen aus dem Valenzband in das Leitungsband gelangen. Im Leitungsband findet Elektronenleitung statt. Im Valenzband entstehen durch das Fehlen von Elektronen positiv geladene Stellen. Eine Elektronenbewegung im nahezu vollen Valenzband führt zur Wanderung der positiven Löcher in entgegengesetzter Richtung (Löcherleitung). Man beschreibt daher zweckmäßig die Leitung im Valenzband so, als ob positive Teilchen der Ladungsgröße eines Elektrons für die Leitung verantwortlich seien. Diese fiktiven Teilchen nennt man Defektelektronen. Mit steigender Temperatur nimmt die Anzahl der Ladungsträger stark zu. Dadurch erhöht sich die Leitfähigkeit
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2 Die chemische Bindung
viel stärker, als sie durch die mit steigender Temperatur wachsenden Gitterschwingungen vermindert wird. Im Gegensatz zu Metallen nimmt daher die Leitfähigkeit mit steigender Temperatur stark zu. Ein Beispiel für einen Isolator ist der Diamant (vgl. Abb. 2.73). Das vollständig gefüllte Valenzband ist durch eine 5 eV breite verbotene Zone vom leeren Leitungsband getrennt. In den ebenfalls im Diamantgitter kristallisierenden homologen Elementen Si, Ge, Sngrau wird die verbotene Zone schmaler, es entsteht Eigenhalbleitung. Eigenhalbleiter sind auch die III-V-Verbindungen (vgl. Abschn. 2.2.11), die in der vom Diamantgitter ableitbaren Zinkblende-Struktur kristallisieren. Die Breite der verbotenen Zone ist in der Tabelle 2.23 angegeben. GaAs und InAs sind als schnelle Halbleiter technisch interessant. Sie besitzen eine sehr viel größere Elektronenbeweglichkeit als Silicium. GaN wird für Leuchtdioden verwendet (s. Abschn. 5.11.6). Tabelle 2.23 Breite der verbotenen Zone von Elementen der 14. Gruppe und einigen III-VVerbindungen DiamantStruktur
Verbotene Zone in eV
ZinkblendeStruktur
Verbotene Zone in eV
Diamant Silicium Germanium graues Zinn
5,3 1,1 0,72 0,08
AlP GaAs InSb
3,0 1,34 0,18
Mit abnehmender Breite der verbotenen Zone nimmt die Energie ab, die erforderlich ist, Bindungen aufzubrechen und Elektronen aus den sp3-Hybridorbitalen zu entfernen. Beim grauen, nichtmetallischen Zinn sind die Bindungen bereits so schwach, dass bei 13(C Umwandlung in die metallische Modifikation erfolgt.
2.4.4.4 Dotierte Halbleiter (Störstellenhalbleiter) In das Siliciumgitter lassen sich Fremdatome einbauen. Fremdatome von Elementen der 15. Gruppe, beispielsweise As-Atome, besitzen ein Valenzelektron mehr als die Si-Atome. Dieses überschüssige Elektron ist nur schwach am As-Rumpf gebunden und kann viel leichter in das Leitungsband gelangen als die fest gebundenen Valenzelektronen der Si-Atome. Solche Atome nennt man Donatoratome. Im Energiebändermodell liegen daher die Energieniveaus der Donatoratome in der verbotenen Zone dicht unterhalb des Leitungsbandes. Schon durch Zufuhr kleiner Energiemengen werden Elektronen in das Leitungsband überführt. Es entsteht Elektronenleitung. Halbleiter dieses Typs nennt man n-Halbleiter (Abb. 2.101b). In das Siliciumgitter eingebaute Fremdatome der 13. Gruppe, die ein Valenzelektron weniger haben als die Si-Atome, beispielsweise In-Atome, können nur drei
2.4 Der metallische Zustand
185
Abbildung 2.101 Valenzstrukturen und Energieniveaudiagramme dotierter Halbleiter. a) Den bindenden Elektronenpaaren der Valenzstrukturen entsprechen im Energiebandschema die Elektronen im Valenzband. Der Übergang eines Elektrons aus dem Valenzband in das Leitungsband bedeutet, dass eine Si d Si-Bindung aufgebrochen wird. b) Das an den Elektronenpaarbindungen nicht beteiligte As-Valenzelektron ist nur schwach an den As-Rumpf gebunden und kann leicht in das Gitter wandern. Dieser Dissoziation des As-Atoms entspricht im Bandschema der Übergang eines Elektrons von einem Donatorniveau in das Leitungsband. Die Donatorniveaus der As-Atome haben einen Abstand von 0,04 eV zum Leitungsband. c) Ein Elektron einer Si d Si-Bindung kann unter geringem Energieaufwand an ein In-Atom angelagert werden. Dies bedeutet, dass ein Elektron des Valenzbandes ein Akzeptorniveau besetzt. Die Akzeptorniveaus von In liegen 0,1 eV über dem Valenzband.
Atombindungen bilden. Zur Ausbildung der vierten Atombindung kann das InAtom ein Elektron von einem benachbarten Si-Atom aufnehmen. Dadurch entsteht am Si-Atom eine Elektronenleerstelle, ein Defektelektron. Durch die Dotierung mit Akzeptoratomen entsteht Defektelektronenleitung. Im Energiebändermodell liegen die Energieniveaus der Akzeptoratome dicht oberhalb des Valenzbandes. Elektronen des Valenzbandes können durch geringe Energiezufuhr Akzeptorniveaus besetzen, im Valenzband entstehen Defektelektronen. Diese Halbleiter nennt man pHalbleiter (Abb. 2.101c).
186
2 Die chemische Bindung
Wie bei den Eigenhalbleitern, nimmt auch bei den dotierten Halbleitern die Leitfähigkeit mit steigender Temperatur zu. Da nur in sehr geringen Konzentrationen dotiert wird, muss das zur Herstellung von Si- und Ge-Halbleitern verwendete Silicium bzw. Germanium extrem rein sein. Diamant wird durch Dotierung mit B-Atomen p-leitend. Die n-Dotierung gelingt noch nicht. Die Konzentration der Störstellen beträgt meist 10 21 bis 10 26 mK3, die der Gitteratome ist ca. 10 28 mK3. Die Herstellung von hochreinen Siliciumeinkristallen ist im Abschn. 4.7.3.2 beschrieben. Bei vielen Halbleitern ist das Bändermodell nicht anwendbar. Die elektrische Leitfähigkeit entsteht durch „Hüpfen“ von Elektronen zwischen benachbarten Atomen. Diese als Hopping-Halbleiter bezeichneten Halbleiter werden im Abschn. 5.7.5.2 behandelt.
2.4.5 Metallcluster, Clustermetalle Metallische Eigenschaften sind nur an größeren Atomverbänden zu beobachten. Wie viel Metallatome aber sind erforderlich, um metallische Eigenschaften zu erzeugen? Zwischenstufen auf dem Weg zum metallischen Zustand sind Metallcluster. Nackte Cluster, die nur aus Metallatomen bestehen, können jedoch nicht in einheitlicher Größe hergestellt werden. Dies gelingt nur bei Clustern, die mit einer Ligandenhülle umgeben sind. Die Anordnung der Metallatome ist meist die einer dichtesten Kugelpackung (vgl. Abschn. 2.4.2), Metallcluster sind Ausschnitte aus Metallgittern. Bei Clustern mit perfekter äußerer Geometrie (full-shell-Cluster) ist die Zahl der Atome 13, 55, 147, 309, 561 (magische Zahlen). Die magischen Zahlen erhält man aus der Beziehung 10n2 C 2 für die Anzahl der Atome in der n-ten Schale des Clusters (vgl. Abb. 2.102). Die Cluster werden durch eine möglichst lückenlose Ligandenhülle stabilisiert, die die reaktiven äußeren Metallatome abschirmt. Die Wahl der richtigen Liganden ist für die Stabilität entscheidend. Lücken in der Ligandenhülle werden durch einzelne Atome, z. B. Cl, gefüllt (Abb. 2.102c). Beispiele für zweischalige Cluster: Au55 [P (C6H5)3]12Cl6 (vgl. Abb. 2.102), Rh55 [P (C6H5)3]12Cl6, Ru55 [P (tert-C4H9)3]12Cl20, Pt55 [As (tert-C4H9)3]12Cl20. Ein vierschaliger Cluster ist Pt309 (phen)24O30G10 (phen Z Phenanthrolin), ein fünfschaliger Cluster Pd561(phen)36On (n z 200). Der Kern des Pd561-Clusters hat einen Durchmesser von etwa 2,4 nm, erreicht also noch nicht die Größe kolloidaler Teilchen (O 10 nm). In den physikalischen Eigenschaften der Cluster ist der Übergang von Moleküleigenschaften zu metallischen Eigenschaften zu erkennen. Der Anteil zum metallischen Verhalten stammt hauptsächlich von den Atomen des Clusterkerns und nicht von den Atomen der ligandenfeldstabilisierten Clusteroberfläche. Die Delokalisierung der Elektronen beginnt bereits bei den Me55-Clustern. Der Au55-Cluster enthält zwei frei bewegliche Elektronen und mit etwa 50 Metallatomen ist also die Grenze zum metallischen Zustand erreicht.
2.4 Der metallische Zustand
187
Die Pd-Cluster sind auf TiO2- oder Zeolithträgern als heterogene Katalysatoren interessant (vgl. Abschn. 3.6.6). Durch Abbau von Me55-Clustern (z. B. an Elektroden in Dichlormethanlösung) werden nackte Me13-Cluster freigesetzt, die zu Superclustern (Cluster von Clustern) reagieren können. Die Me13-Cluster formieren sich zu dichtesten Packungen und es entstehen z. B. die einschaligen Supercluster (Me13)13 und die zweischaligen Supercluster (Me13)55. (Au13)55 hat die relative Masse 140 833. Kristalline Clustermetalle sind neue Metallmodifikationen, die aufbauenden Einheiten sind Cluster und
Abb. 2.102 a) Struktur eines einschaligen Me13-Clusters mit kubisch-dichtester Packung. Die 12 äußeren Atome besetzen die Ecken eines Kuboktaeders. b) Darstellung eines zweischaligen Me55-Clusters. Für die Schalen erhält man aus 10n2 C 2 (n Z Schalenzahl) die Atomzahlen 1 (Kern) C 12 (1. Schale) C 42 (2. Schale) Z 55. Die 42 Atome der äußeren Schale bilden ein Kuboktaeder. Die Atome der inneren Schale liegen in den Lücken der äußeren Schale. Der Me55-Cluster ist ein kleiner Ausschnitt aus einem Metall mit kubisch-dichtester Packung. c) Schematische Darstellung des zweischaligen Clusters Au55 [P (C6H5)3]12Cl6. Die Cluster werden durch eine möglichst lückenlose Ligandenhülle stabilisiert. Beim Au55-Cluster ist dafür als Ligand Triphenylphosphan P (C6H5)3 geeignet. Jede Kuboktaederecke ist von einem Liganden bedeckt, der als Kreis dargestellt ist, der Au55-Cluster wird kugelartig abgeschirmt. Über den 6 quadratischen Kuboktaederflächen entstehen Lücken, die durch Anlagerung der 6 Cl-Liganden geschlossen werden. Von den 42 Atomen der Clusteroberfläche sind 6 an die Cl-Atome und 12 an die P (C6H5)3-Liganden gebunden, 24 sind nicht koordiniert.
188
2 Die chemische Bindung
nicht wie bei „normalen“ Metallen einzelne Atome. Sie sind jedoch thermodynamisch instabil und zerfallen nach einigen Wochen. Gold-Clustermetalle wandeln sich bei 400K500 (C in normales metallisches Gold um.
2.4.6 Intermetallische Systeme Ionenverbindungen und kovalente Verbindungen sind meist stöchiometrisch zusammengesetzt. Bei Verbindungen zwischen Metallen ist das Gesetz der konstanten Proportionen häufig nicht erfüllt, die Zusammensetzung kann innerhalb weiter Grenzen schwanken. Ein Beispiel dafür ist die Verbindung Cu5Zn8. Die verwendete Formel gibt nur eine idealisierte Zusammensetzung mit einfachen Zahlenverhältnissen an. Die Zusammensetzung kann jedoch innerhalb der Grenzen Cu0,34Zn0,66 K Cu0,42Zn0,58 liegen. Treten in intermetallischen Systemen stöchiometrisch zusammengesetzte intermetallische Verbindungen wie Na2K oder AuCu3 auf, so entsteht die Stöchiometrie nicht aufgrund der chemischen „Wertigkeit“ der Bindungspartner, sondern meist aufgrund der geometrischen Anordnung der Bausteine im Gitter. Aus diesen Gründen wird oft der Begriff intermetallische Verbindung vermieden und stattdessen die Bezeichnung intermetallische Phase verwendet. Metallische Mehrstoffsysteme werden Legierungen genannt. Homogene Legierungen bestehen aus einer Phase mit einem einheitlichen Kristallgitter. Heterogene Legierungen bestehen aus einem Gefüge mehrerer Kristallarten, also aus mehreren metallischen Phasen. Intermetallische Phasen sind bereits in den ersten Hochkulturen als Werkzeuge, Waffen und Zahlungsmittel wichtig gewesen. Auch heute sind sie in ihrer Verwendung als hochschmelzende, hochfeste Legierungen, Supraleiter, magnetische Verbindungen, metallische Gläser usw. von großer technischer Bedeutung. Obwohl sie die umfangreichste Gruppe anorganischer Verbindungen sind, ist die Beziehung zwischen Struktur und chemischer Bindung vielfach unklar, denn die komplexen Bindungsverhältnisse können nicht mit den sonst gut funktionierenden Valenzregeln der Ionenbindung und der kovalenten Bindung beschrieben werden. Die im Abschn. 2.4.6.2 angegebene Klassifikation erfasst nur einen Teil der großen Zahl und der strukturellen Vielfalt intermetallischer Phasen.
2.4.6.1 Schmelzdiagramme von Zweistoffsystemen Schmelzdiagramme sind Zustandsdiagramme bei konstantem Druck, aus denen abgelesen werden kann, wie sich feste Stoffe untereinander verhalten. Hier sollen nur Grundtypen metallischer Zweistoffsysteme (binäre Systeme) behandelt werden.
2.4 Der metallische Zustand
189
Unbegrenzte Mischbarkeit im festen und flüssigen Zustand Beispiele: SilberKGold (Abb. 2.103) und KupferKGold (Abb. 2.105). Silber und Gold kristallisieren beide kubisch-flächenzentriert und bilden miteinander Mischkristalle. In den Mischkristallen sind die Gitterplätze des kubisch-flächenzentrierten Gitters sowohl mit Ag- als auch mit Au-Atomen besetzt (Abb. 2.104). Die Besetzung ist ungeordnet, statistisch. Da in den Mischkristallen jedes beliebige Ag. Au-Verhältnis auftreten kann, ist die Mischkristallreihe lückenlos (vgl. Abschn. 2.4.6.2). Mischkristalle werden auch feste Lösungen genannt. Im System Ag d Au existiert daher bei allen Zusammensetzungen nur eine feste Phase mit demselben Kristallgitter. Aus einer Ag d Au-Schmelze kristallisiert beim Erreichen der Erstarrungstemperatur (Liquiduskurve) ein Mischkristall aus, der eine von der Schmelze unterschiedliche Zusammensetzung hat und in dem die schwerer schmelzbare Komponente Au angereichert ist. Die Zusammensetzung einer Schmelze
Abbildung 2.103 Schmelzdiagramm Silber-Gold. Silber und Gold bilden eine lückenlose Mischkristallreihe. Die Schnittpunkte einer Isotherme mit der Liquidus- und der Soliduskurve geben die Zusammensetzungen der Schmelze und des Mischkristalls an, die bei dieser Temperatur miteinander im Gleichgewicht stehen.
Abbildung 2.104 a) Elementarzelle des kubisch-flächenzentrierten Gitters von Silber. b) Elementarzelle eines Silber-Gold-Mischkristalls. Die Gitterplätze des kubisch-flächenzentrierten Gitters sind statistisch mit Gold- und Silberatomen besetzt. c) Elementarzelle des kubisch-flächenzentrierten Gitters von Gold.
190
2 Die chemische Bindung
und die Zusammensetzung des Mischkristalls, der mit dieser Schmelze im Gleichgewicht steht, wird durch die Schnittpunkte einer Isotherme mit der Liquiduskurve und der Soliduskurve angegeben (z. B. A d B, A1 d B1). Infolge der Anreicherung von Au in der festen Phase verarmt die Schmelze an Au, dadurch sinkt die Erstarrungstemperatur, und es kristallisieren immer Au-ärmere Mischkristalle aus, bis im Falle einer raschen Abkühlung zum Schluss reines Ag auskristallisiert. Es bilden sich also inhomogen zusammengesetzte Mischkristalle, die durch Tempern (längeres Erwärmen auf höhere Temperatur) homogenisiert werden können. Im System Cu d Au ist ebenfalls unbegrenzte Mischkristallbildung möglich. Es tritt jedoch ein Schmelzpunktsminimum auf (Abb. 2.105a).
Abbildung 2.105a Schmelzdiagramm Kupfer-Gold. Kupfer und Gold bilden eine lückenlose Mischkristallreihe mit einem Schmelzpunktsminimum.
Abbildung 2.105b Überstrukturen im System Kupfer-Gold. Aus Mischkristallen der Zusammensetzungen AuCu und AuCu3 mit ungeordneter Verteilung der Atome auf den Gitterplätzen entstehen beim langsamen Abkühlen geordnete Verteilungen.
Beim langsamen Abkühlen von Mischkristallen kann aus der ungeordneten Verteilung der Atome auf den Gitterplätzen eine geordnete Verteilung der Atome entstehen. Die geordneten Phasen werden Überstrukturen genannt. Im System Cu d Au treten zwei Überstrukturen auf (Abb. 2.105b). Beim Stoffmengenverhältnis 1 : 3 von Gold und Kupfer bildet sich unterhalb 390(C, beim Ver-
2.4 Der metallische Zustand
191
hältnis 1 : 1 unterhalb 420(C eine geordnete Struktur. Die Ordnung entsteht aufgrund der unterschiedlichen Metallradien von Cu (128 pm) und Au (144 pm) (Differenz 12 %). Beim schnellen Abkühlen (Abschrecken) ungeordneter Mischkristalle bleibt die statistische Verteilung erhalten (der Unordnungszustand wird eingefroren). Bei Zimmertemperatur ist die Beweglichkeit der Atome im Kristallgitter so gering, dass sich der Ordnungszustand nicht ausbilden kann. Im System Ag d Au mit nahezu identischen Radien der Komponenten bilden sich keine Überstrukturen. Bei der Zusammensetzung 1 : 1 wird aber ein Nahordnungseffekt beobachtet. Abweichend von der statistischen Verteilung umgibt sich Au bevorzugt mit Ag und umgekehrt. In Mischkristallen ist, verglichen mit den reinen Metallen, eine Abnahme der typischen Metalleigenschaften zu beobachten, z. B. eine Abnahme der elektrischen Leitfähigkeit und der plastischen Verformbarkeit (Abb. 2.106). Bei den Überstrukturen sind, verglichen mit den ungeordneten Mischkristallen, die metallischen Eigenschaften ausgeprägter. Die elektrische Leitfähigkeit ist höher (Abb. 2.106), Härte und Zugfestigkeit sind geringer. Die geordnete CuAu-Phase z. B. ist weich wie Cu, während der ungeordnete Mischkristall hart und spröde ist.
Abbildung 2.106 Elektrischer Widerstand im System Cu-Au. Legierungen haben einen höheren elektrischen Widerstand als die reinen Metalle. Die geordneten Legierungen leiten besser als die ungeordneten Legierungen.
192
2 Die chemische Bindung
Mischbarkeit im flüssigen Zustand, Nichtmischbarkeit im festen Zustand Beispiel: BismutKCadmium (Abb. 2.107)
Abbildung 2.107 Schmelzdiagramm Bismut-Cadmium. Bi und Cd bilden keine Mischkristalle. Aus Schmelzen der Zusammensetzungen Cd-E kristallisiert Cd aus, aus Schmelzen des Bereichs Bi-E reines Bi.
Bismut und Cadmium sind im flüssigen Zustand in jedem Verhältnis mischbar, bilden aber miteinander keine Mischkristalle. Aus Schmelzen mit einem Stoffmengenanteil 0K45% Bi scheidet sich am Erstarrungspunkt reines Cd aus. Kühlt man z. B. eine Schmelze der Zusammensetzung 20 % Bi und 80 % Cd ab, so kristallisiert bei 250(C aus der Schmelze reines Cd aus. In der Schmelze reichert sich dadurch Bi an, und die Erstarrungstemperatur sinkt unter immer weiterer Anreicherung von Bi längs der Kurve Cd d E. Aus Schmelzen mit einem Stoffmengenanteil von 45K100 % Bi scheidet sich am Erstarrungspunkt reines Bi aus. Zum Beispiel kristallisiert aus einer Schmelze mit 90 % Bi und 10% Cd bei etwa 250(C Bi aus, die Schmelze reichert sich dadurch an Cd an, und die Erstarrungstemperatur sinkt längs der Kurve Bi d E. Am eutektischen Punkt E erstarrt die gesamte Schmelze zu einem Gemisch von Bi- und Cd-Kristallen, das 45% Bi und 55% Cd enthält (eutektisches Gemisch oder Eutektikum). Die Temperatur von 144(C, bei der das eutektische Gemisch auskristallisiert, ist die tiefste Erstarrungstemperatur des Systems. Wegen des dichten Gefüges ist das Eutektikum besonders gut bearbeitbar. Unbegrenzte Mischbarkeit im flüssigen Zustand, begrenzte Mischbarkeit im festen Zustand Beispiel: KupferKSilber (Abb. 2.108) Häufiger als lückenlose Mischkristallreihen sind Systeme, bei denen zwei Metalle nur in einem begrenzten Bereich Mischkristalle bilden.
2.4 Der metallische Zustand
193
Abbildung 2.108 Schmelzdiagramm Kupfer-Silber. Silber und Kupfer sind im festen Zustand nur begrenzt ineinander löslich. Im Bereich der Mischungslücke existieren keine Mischkristalle. Zur Liquiduskurve Cu-E gehört die Soliduskurve Cu-F, zur Liquidskurve Ag-E die Soliduskurve Ag-C.
Im System Cu d Ag ist die Löslichkeit der Metalle ineinander bei der eutektischen Temperatur (779(C) am größten. In Cu sind maximal 4,9% Ag löslich, in Ag maximal 14,1 % Cu. Bei tieferen Temperaturen wird der Löslichkeitsbereich etwas enger. Bei 500(C sind z. B. nur noch 3 % Cu in Ag löslich. Beim Abkühlen einer Schmelze der Zusammensetzung A kristallisieren zunächst die Ag-reicheren Mischkristalle der Zusammensetzung B aus. Die Schmelze reichert sich dadurch an Cu an. Mit Schmelzen des Bereichs A d E sind Mischkristalle der Zusammensetzungen B d C im Gleichgewicht. Aus Schmelzen der Zusammensetzungen Cu d E kristallisieren die damit im Gleichgewicht befindlichen Mischkristalle der Zusammensetzungen Cu d F aus. Bei der Zusammensetzung des Eutektikums E erstarrt die gesamte Schmelze. Dabei bildet sich ein Gemisch der Mischkristalle C (14,1 % Cu gelöst in Ag) und F (4,9 % Ag gelöst in Cu). Mischkristalle der Zusammensetzungen 4,9K85,9 % Ag können also nicht erhalten werden. In diesem Bereich liegt eine Mischungslücke. Beim Abkühlen des eutektischen Gemisches tritt wegen der breiter werdenden Mischungslücke Entmischung auf. Dabei scheiden sich z. B. längs der Linie C d D aus den silberreichen Mischkristallen silberhaltige Cu-Kristalle aus. Durch Abschrecken kann die Entmischung vermieden werden, und der größere Löslichkeitsbereich bleibt metastabil erhalten. Durch Tempern abgeschreckter Produkte auf geeignete Temperaturen unterhalb des Eutektikums erhält man vor der Ausscheidung der überschüssigen Komponente eine dauerhafte Erhöhung der Härte und Festigkeit. Diese Vergütung hat z. B. technische Bedeutung beim Duraluminium (3K6 % Cu in Al; abnehmende Löslichkeit mit
194
2 Die chemische Bindung
fallender Temperatur analog C d D im System Cu d Ag). Nach der Ausscheidung geht die Härte verloren. Mischbarkeit im flüssigen Zustand, keine Mischbarkeit im festen Zustand, aber Bildung einer neuen festen Phase Beispiele: MagnesiumKGermanium (Abb. 2.109) und NatriumKKalium (Abb. 2.110) In den bisher besprochenen Systemen traten entweder Gemische der Komponenten A und B oder Mischkristalle zwischen ihnen auf, also immer nur Kristalle mit dem Gittertyp von A und B. Es gibt jedoch zahlreiche Systeme, bei denen A und B eine Phase mit einem neuen Kristallgitter bilden. Dies ist im System Mg d Ge der Fall. Außer den Kristallindividuen von Mg und Ge existieren noch Kristalle der Phase Mg2Ge. Ge und Mg sind nicht ineinander löslich, bilden also keine Mischkristalle. Bei der Zusammensetzung Mg2Ge tritt ein Schmelzpunktsmaximum auf. Dadurch entstehen zwei Eutektika. Im Bereich der Zusammensetzungen Mg d E1 kristallisiert aus der Schmelze reines Mg aus, zwischen E1 und E2 Mg2Ge und im Bereich E2 d Ge reines Ge. Am Eutektikum E1 scheidet sich ein Kristallgemisch von Mg und Mg2Ge aus, am Eutektikum E2 ein Gemisch von Ge und Mg2Ge. Mg kristallisiert in der hexagonaldichtesten Packung, Ge in der Diamant-Struktur. Die intermetallische Phase Mg2Ge kristallisiert in der Fluorit-Struktur (vgl. Zintl-Phasen).
Abbildung 2.109 Schmelzdiagramm Magnesium-Germanium. Das System besitzt ein Schmelzpunktsmaximum, das durch die Existenz der intermetallischen Verbindung Mg2Ge zustande kommt. Mg, Ge und Mg2Ge bilden miteinander keine Mischkristalle.
2.4 Der metallische Zustand
195
Abbildung 2.110 Schmelzdiagramm Natrium-Kalium. Na und K bilden die inkongruent schmelzende intermetallische Phase Na2K.
Mg2Ge kann unzersetzt geschmolzen werden (kongruentes Schmelzen). Intermetallische Phasen, die bei gleichzeitiger Zersetzung teilweise schmelzen, werden inkongruent schmelzende Phasen genannt. Ein Beispiel dafür ist die Phase Na2K des Systems Na d K (Abb. 2.110). Na2K ist nur unterhalb 6,9 (C beständig. Bei 6,9 (C zerfällt Na2K in festes Na und eine Schmelze der Zusammensetzung A. Der Zersetzungspunkt wird Peritektikum genannt. Bei Zusammensetzungen zwischen Na und A scheidet sich aus der Schmelze festes Na aus, zwischen A und E entsteht beim Abkühlen Na2K. Am eutektischen Punkt E kristallisiert ein Gemisch aus K und Na2K aus. Nichtmischbarkeit im festen und flüssigen Zustand Beispiel: EisenKBlei Fe und Pb sind auch im geschmolzenen Zustand nicht mischbar. Das spezifisch leichtere Fe schwimmt auf der Pb-Schmelze. Kühlt man die Schmelze ab, dann kristallisiert bei Erreichen des Schmelzpunkts von Fe (1536 (C) zunächst das gesamte Eisen aus. Sobald der Schmelzpunkt von Blei (327 (C) erreicht ist, erstarrt auch Blei. Die meisten binären Schmelzdiagramme sind komplizierter, und es treten Kombinationen der behandelten Grundtypen auf. Das Zonenschmelzverfahren Zur Reinstdarstellung vieler Substanzen, insbesondere von Halbleitern (Si, Ge, GaAs) wird das Zonenschmelzverfahren (Pfann 1952) benutzt. Man lässt durch das
196
2 Die chemische Bindung
zu reinigende stabförmige Material eine schmale Schmelzzone wandern. Bei der Kristallisation reichern sich die Verunreinigungen in der Schmelze an und wandern mit der Schmelzzone durch die Substanz. Durch mehrfaches Schmelzen und Rekristallisieren erhält man z. B. Silicium mit weniger als 10K8 % Verunreinigungen. Neben der Reinigung ermöglicht das Zonenschmelzverfahren gleichzeitig die Gewinnung von Einkristallen.
2.4.6.2 Häufige intermetallische Phasen Man kann die Metalle nach ihrer Stellung im Periodensystem in drei Gruppen einteilen. Typische Metalle
Weniger typische Metalle
T1
B
Li Na K Rb Cs
T2 Be Mg Ca Sr Ba
Sc Y La
Ti Zr Hf
V Nb Ta
Cr Mo W
Mn Tc Re
Fe Ru Os
Co Rh Ir
Ni Pd Pt
Cu Ag Au
Zn Cd Hg
(Al) Ga In Tl
Sn Pb Bi
Zur Gruppe T1 gehören typische Metalle der Hauptgruppen, zur Gruppe T2 typische Metalle der Nebengruppen, die Lanthanoide und die Actinoide. In der Gruppe B stehen weniger typische Metalle. Hg, Ga, In, Tl und Sn kristallisieren nicht in einer der charakteristischen Metallstrukturen. Bei Cd und Zn treten Abweichungen von der idealen hexagonal-dichten Packung auf (vgl. Abschn. 2.4.2). Al gehört eher zur T1-Gruppe. Diese Einteilung der Metalle ermöglicht eine Klassifikation intermetallischer Systeme, die in dem folgenden Schema zusammengefasst ist, mit der aber nur die wichtigsten intermetallischen Phasen erfasst sind.
Metallgruppe
T1
T2
T1 T2
Mischkristalle Überstrukturen Laves-Phasen
B
K
B ZintlPhasen HumeRotheryPhasen
K
Mischkristalle
2.4 Der metallische Zustand
197
Mischkristalle, Überstrukturen Lückenlose Mischkristallbildung zwischen zwei Metallen erfolgt nur, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind: Tabelle 2.24 Beispiele für unbegrenzte Mischkristallbildung zwischen zwei Metallen System K d Rb K d Cs Rb d Cs Ca d Sr Mg d Cd Cu d Au Ag d Au Ag d Pd Au d Pt Ni d Pd Ni d Pt Pd d Pt Cu d Ni Cr d Mo Mo d W
Unterschied der Atomradien in % 6 13 8 9 5 12 !1 5 4 9 11 1 2 8 1
Struktur
Metallgruppe
krz krz krz kdp hdp kdp kdp kdp kdp kdp kdp kdp kdp krz krz
T1 T1 T1 T1 T1 d B T2 T2 T2 T2 T2 T2 T2 T2 T2 T2
Abbildung 2.111 Vegard’sche Regel. In vielen Mischkristallreihen nimmt bei der Substitution von A-Atomen durch größere B-Atome die Gitterkonstante linear mit dem Stoffmengenanteil von B zu. Im oberen Teil der Abbildung sind die Elementarzellen eines Mischkristallsystems mit kubisch-raumzentrierter Struktur für drei verschiedene Zusammensetzungen dargestellt.
198
2 Die chemische Bindung
1. Beide Metalle müssen im gleichen Gittertyp kristallisieren (Isotypie). 2. Die Atomradien beider Metalle dürfen nicht zu verschieden sein. Die Differenz muss kleiner als etwa 15% sein. 3. Die beiden Metalle dürfen nicht zu unterschiedliche Elektronegativitäten besitzen. Beispiele für unbegrenzte Mischkristallbildung zwischen zwei Metallen sind in der Tabelle 2.24 angegeben. In einer Mischkristallreihe ändern sich häufig die Gitterkonstanten (Abmessungen der Elementarzelle) linear mit der Zusammensetzung (Vegard’sche Regel) (Abb. 2.111). Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind, sind zwei Metalle entweder nur begrenzt mischbar oder sogar völlig unmischbar. Dies soll mit einigen Beispielen illustriert werden. System
Struktur
Gruppe
Differenz der Radien in %
Mischkristallbildung
Na d K Ca d Al Pb d Sn Cr d Ni Ag d Al Mg d Pb Cu d Zn
krz kdp kdp K X krz K kdp kdp hdp K kdp kdp K hdp
T1 T1 B T2 T2KT1 T1KB T2KB
25 38 10 3 1 9 7
keine keine begrenzt begrenzt begrenzt begrenzt begrenzt
X Keine der drei typischen Metallstrukturen.
Außerdem spielen individuelle Faktoren eine Rolle. Im System Ag d Pt tritt eine Mischungslücke auf, obwohl beide Metalle in der kubisch-flächenzentrierten Struktur kristallisieren und die Differenz der Atomradien nur 4% beträgt. Ag und Pd mit der nahezu gleichen Radiendifferenz von 5% sind dagegen unbegrenzt mischbar. Entsprechendes gilt für die Systeme Cu d Au und Cu d Ag. (Vgl. Abb. 2.105 und Abb. 2.108). Aus ungeordneten Mischkristallen können Überstrukturen mit geordneten Atomanordnungen entstehen. Beispiele dafür sind die Überstrukturen AuCu, AuCu3 (vgl. Abb. 2.105) und CuZn (vgl. Abb. 2.113). Laves-Phasen Laves-Phasen sind sehr häufig auftretende intermetallische Phasen der Zusammensetzung AB2. Sie werden überwiegend von typischen Metallen der T-Gruppen gebildet, bei denen das Verhältnis der Atomradien rA.rB nur wenig vom Idealwert 1,22 abweicht (Tabelle 2.25). Laves-Phasen werden also von Metallen gebildet, bei denen aufgrund der zu großen Radiendifferenzen keine Mischkristallbildung möglich ist. Ein typisches Beispiel dafür ist die Phase KNa2.
2.4 Der metallische Zustand
199
Tabelle 2.25 Beispiele für Laves-Phasen Phase
rA.rB
Phase
rA.rB
KNa2 CaMg2 MgZn2 MgCu2 AgBe2 TiFe2
1,23 1,23 1,17 1,25 1,29 1,17
NaAu2 MgNi2 CaAl2 WFe2 TiCo2 VBe2
1,33 1,28 1,38 1,12 1,18 1,20
Die Laves-Phasen treten in drei nahe verwandten Strukturen auf, in denen die gleichen Koordinationszahlen vorhanden sind. Abb. 2.112 zeigt die kubische Struktur des MgCu2-Typs. Jedes Cu-Atom ist von 6 Cu- und 6 Mg-Atomen umgeben. Jedes Mg-Atom ist von 4 Mg- und 12 Cu-Atomen koordiniert. Daraus ergibt sich eine mittlere Koordinationszahl von 13 31, die Packungsdichte beträgt 71 %. Laves-Phasen sind dicht gepackte Strukturen mit stöchiometrischer Zusammensetzung, deren Auftreten durch geometrische Faktoren bestimmt wird und nicht von der Elektronenkonfiguration oder Elektronegativität der Elemente abhängt. Die Bindung ist wie in reinen Metallen echt metallisch ohne heteropolare oder homopolare Bindungstendenzen.
Abbildung 2.112 Kristallstruktur der kubischen Laves-Phase MgCu2. Für diese AB2-Struktur ist das Verhältnis rA.rB Z 1,25.
Hume-Rothery-Phasen Hume-Rothery-Phasen treten bei intermetallischen Systemen auf, die von den Übergangsmetallen T2 mit B-Metallen gebildet werden. Ein typisches Beispiel ist das System Cu d Zn (Messing). Bei Raumtemperatur treten im System Cu d Zn die folgenden Phasen auf (Abb. 2.113).
200
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.113 Phasenfolge im System Kupfer-Zink bei Raumtemperatur. Für die Bildung der Hume-Rothery-Phasen ist ein bestimmtes Verhältnis der Anzahl der Valenzelektronen zur Anzahl der Atome erforderlich.
α-Phase: Im kubisch-flächenzentrierten Cu-Gitter können sich 38% Zn (Stoffmengenanteil) lösen. Es bilden sich Substitutionsmischkristalle. β-Phase: Stabil im Bereich 45K49% Zn; die ungefähre Zusammensetzung ist CuZn. Unterhalb 470(C hat CuZn die Caesiumchlorid-Struktur, darüber ein kubisch-innenzentriertes Gitter mit einer statistischen Verteilung der Cu- und ZnAtome auf den Plätzen des Caesiumchloridgitters. γ-Phase: 58K66% Zn; annähernde Zusammensetzung Cu5Zn8; komplizierte kubische Struktur. ε-Phase: 78K86% Zn; Zusammensetzung nahe bei CuZn3; hexagonal-dichteste Packung. η-Phase: Das Zn-Gitter kann nur 2% Cu unter Mischkristallbildung aufnehmen; verzerrt hexagonal-dichteste Packung (vgl. Abschn. 2.4.2). Während reines Cu weich und schmiegsam ist, zeigen die Messinglegierungen mit wachsendem Zn-Gehalt zunehmende Härte. Die γ- und die ε-Phase sind hart und spröde. Technisch wichtige Messinglegierungen liegen im Bereich bis 41% Zn. Zu hoch legiertes Cu versprödet. Hume-Rothery-Phasen sind nicht stöchiometrisch zusammengesetzt wie die Laves-Phasen, sondern haben eine relativ große Phasenbreite. Die angegebenen Formeln geben nur die idealisierten Zusammensetzungen der Phasen an, sie sind nicht wie bei heteropolaren und homopolaren Verbindungen durch Valenzregeln bestimmt. Bei anderen T2-B-Systemen treten die analogen Phasen auf, aber die korrespondierenden β-, γ-, ε-Phasen haben ganz unterschiedliche Zusammensetzungen (Tabelle 2.26). Die Stöchiometrie spielt also für das Auftreten der Hume-Rothery-
2.4 Der metallische Zustand
201
Tabelle 2.26 Beispiele für Hume-Rothery-Phasen Phase
Zusammensetzung
Valenzelektronenzahl
β-Phase
CuZn, AgCd CoZn3 Cu3Al FeAl Cu5Sn
1 0 3 0 5
C C C C C
2 6 3 3 4
2 4 4 2 6
5 0 9 31
C C C C
16 42 12 32
13 26 13 39
γ-Phase
ε-Phase
Cu5Zn8, Ag5Cd8 Fe5Zn21 Cu9Al4 Cu31Sn8 CuZn3, AgCd3 Ag5Al3 Cu3Sn
1C6 5C9 3C4
Atomzahl
4 8 4
Valenzelektronenzahl : Atomzahl
3 : 2 Z 21 : 14 Z 1,50
21 : 13 Z 1,62
7 : 4 Z 21 : 12 Z 1,75
Die Valenzelektronenzahl der Metalle der 8. und 9. Nebengruppe muss null gesetzt werden.
Phasen keine Rolle. Die Zusammensetzung der Hume-Rothery-Phasen wird durch das Verhältnis der Anzahl der Valenzelektronen zur Gesamtzahl der Atome bestimmt. In der Tabelle 2.26 sind diese Zahlenverhältnisse für einige Systeme angegeben. Auch die Phasenbreite der α-Phase wird durch das Verhältnis der Valenzelektronenzahl zur Atomzahl bestimmt (Tabelle 2.27). Ausschlaggebend für das Auftreten der Hume-Rothery-Phasen ist offenbar eine bestimmte Konzentration des Elektronengases. Wird diese Elektronenkonzentration überschritten, so ist die Struktur nicht mehr beständig und es bildet sich eine neue Phase. Tabelle 2.27 Löslichkeit von Metallen mit unterschiedlicher Valenzelektronenzahl in Kupfer System
Löslichkeit in % (Stoffmengenanteil)
Valenzelektronenzahl : Atomzahl
CuKZn CuKAl CuKGa CuKGe CuKSn
38,4 20,4 20,3 12,0 9,3
1,38 1,41 1,41 1,36 1,28
21 : 15 Z 1,4
Zintl-Phasen Zwischen den stark elektropositiven Metallen der T1-Gruppe und den weniger elektropositiven Metallen der B-Gruppe ist die Elektronegativitätsdifferenz bereits so groß, dass sich intermetallische Phasen mit heteropolarem Bindungscharakter bilden.
202
2 Die chemische Bindung
Zu der großen Zahl dieser Phasen gehören auch die Verbindungen mit den Halbmetallen der 14. und 15. Gruppe (Si, Ge, P, As, Sb). Viele Verbindungen sind stöchiometrisch so zusammengesetzt, wie man es für Salze erwartet, deren Anionen eine Oktettkonfiguration aufweisen. Sie kristallisieren in Strukturen, die für Ionenkristalle typisch sind. Im Gitter ist jede Atomsorte isoliert und nur von der anderen Atomsorte umgeben. Gittertyp
Antifluorit
Na3As
Li3Bi
Mg2Si Mg2Ge Mg2Sn Mg2Pb
Li3P Na3Sb K3Bi
Li3Sb Rb3Bi Cs3Sb
Umfangreicher ist die Gruppe von nicht valenzmäßig zusammengesetzten Phasen, für die die Zintl-Klemm-Konzeption gilt. Danach gibt das unedle Metall Elektronen an das edlere Metall ab und mit den dann vorhandenen Valenzelektronen werden Anionenteilgitter aufgebaut, deren Atomanordnung für ein Element typisch ist, das die gleiche Valenzelektronenkonfiguration hat. Das bekannteste Beispiel ist die NaTl-Struktur (Abb. 2.114). Das Gitter besteht aus zwei ineinander gestellten Naund Tl-Untergittern mit Diamantstruktur. Sowohl Na als auch Tl ist von 4Na und 4Tl jeweils tetraedrisch umgeben. Dem ionischen Bindungsanteil entspricht die Grenzstruktur NaCTlK. TlK hat dieselbe Valenzelektronenkonfiguration wie C und kann wie dieses ein Diamantgitter aufbauen, dessen Ladung durch die in den Lücken sitzenden NaC-Ionen neutralisiert wird. Übereinstimmend mit einem ionischen Bindungsanteil liegt der Na-Radius zwischen dem Metallradius und dem Ionenradius. Im NaTl-Typ kristallisieren auch LiAl, LiGa, LiIn, LiCd und NaIn. (Bei 11 GPa erfolgt bei LiIn und LiCd eine Phasenumwandlung in die CsCl-Struktur.) Die Tabelle 2.28 enthält weitere Beispiele, für die die Zintl-Klemm-Konzeption gilt. Angegeben sind nur die Bauprinzipien der anionischen Teilgitter, die den Strukturtyp wesentlich bestimmen, nicht die Struktur selbst. Bei den Phasen mit typischen Ionenstrukturen wie Mg2Pb hat in der ionischen Grenzstruktur die anionische Komponente Edelgaskonfiguration, daher die Bindigkeit null, die Atome sind im Gitter isoliert. Interessant sind Phasen, bei denen man für die B-Atome unterschiedliche formale Ladungen erhält. Dazu ein Beispiel. Bei der Phase Li7Ge2 erhält man für ein GeAtom die Bindigkeit 0 (Formalladung K4, edelgasanalog) und für das andere GeAtom die Bindigkeit 1 (Formalladung K3, halogenanalog). Das Li7Ge2-Gitter enthält tatsächlich Ge2-Hanteln und isolierte Ge-Atome im Verhältnis 1 : 2. Für viele heteropolare intermetallische Verbindungen ist die Zintl-KlemmKonzeption nicht anwendbar. Beispiele dafür sind: Phasen mit hohen Anteilen des elektronegativen Elements (K8Ge46, K8Sn46) oder des elektropositiven Elements
2.4 Der metallische Zustand
203
Abbildung 2.114 Gitter von NaTl. Jedes Atom des Gitters ist von vier Tl- und vier NaAtomen jeweils tetraedrisch umgeben. Die acht Nachbarn bilden zusammen einen Würfel.
(Ca33Ge, Li22Pb5); Phasen, die im AuCu3-Typ (vgl. Abb. 2.105) kristallisieren (CaSn3, CaPb3, NaPb3, CaTl3, SrBi3); Phasen mit CsCl-Struktur (LiHg, LiTl, MgTl, CaCd). Tabelle 2.28 Beispiele für heteropolare intermetallische Phasen, für die die Zintl-Klemm-Konzeption gilt: N ist die Anzahl der Valenzelektronen des elektronegativeren Atoms in der ionischen Grenzstruktur. 8KN ist die Bindigkeit in den anionischen Teilgittern. N
Verbindung MxBy
Formalladung von B
Bindigkeit von B
Bauprinzip der Anionen
4
NaTl
1K
4
Raumnetz aus tetraedrisch koordinierten B-Atomen (analog Diamant)
4
CaIn2 BaTl2
1K
4
Raumnetz aus verzerrt tetraedrisch koordinierten B-Atomen
5
NaPb
1K
3
isolierte B4-Tetraeder (analog P4)
CaSi2
1K
3
gewellte Schichten (analog As)
CaSn BaPb
2K
2
planare Zickzack-Ketten der B-Atome
LiP NaSb
1K
2
geschraubte Ketten der B-Atome (analog Se, Te)
Mg2Pb Li3Bi Na3As
4K 3K 3K
0 0 0
isolierte B-Atome
6
8
204
2 Die chemische Bindung
Einlagerungsverbindungen Die kleinen Nichtmetallatome H, B, C, N können in Metallgittern Zwischengitterplätze besetzen, wenn für die Atomradien die Bedingung rNichtmetall : rMetall % 0,59 gilt. Die dabei entstehenden Phasen werden „Einlagerungsverbindungen“ genannt. Diese Phasen behalten metallischen Charakter, man spricht daher von legierungsartigen Hydriden, Boriden, Carbiden und Nitriden. Sie werden von Metallen der 4.K10. Nebengruppe, den Lanthanoiden und Actinoiden gebildet. Andere Metalle bilden diese Verbindungen auch bei passender Atomgröße und Elektronegativität nicht. In der elektrischen Leitfähigkeit und im Glanz ähneln die Einlagerungsverbindungen den Metallen. Die Phasenbreite ist meist groß. Unähnlich den Metallen und Legierungen entstehen spröde Substanzen mit sehr hoher Härte und sehr hohen Schmelzpunkten, die daher technisch interessant sind (Hartstoffe). Ein bekanntes Beispiel ist WC, Widia (hart wie Diamant), weitere Beispiele zeigt Tabelle 2.29. Technisch von großer Bedeutung sind Hartmetalle. Es sind Sinterlegierungen aus Hartstoffen und Metallen, z. B. WC und Co, die bei relativ niedrigen Temperaturen gesintert werden können und in denen die Härte und die Zähigkeit der beiden Komponenten kombiniert sind. Die Strukturen der Einlagerungsverbindungen leiten sich oft von kubisch-dichtest gepackten Metallgittern ab (vgl. Abb. 2.115). Die N- und C-Atome besetzen die größeren Oktaederlücken, die H-Atome auch die kleineren Tetraederlücken des Metallgitters. Die Lücken können auch teilweise besetzt sein. Es wird aber immer nur die eine Lückensorte besetzt. Tabelle 2.30 zeigt Beispiele für einige stöchiometrische Phasen und die Strukturen, in denen sie auftreten. Bei anderen Einlagerungsstrukturen sind die Metallatome hexagonal-dichtest gepackt oder kubisch-raumzentriert angeordnet. Weitere Strukturen entstehen durch Erniedrigung der kubischen Symmetrie als Folge von Gitterverzerrungen. Metallboride haben komplizierte Strukturen, sie werden im Abschn. 4.8.4.1 behandelt. Die NaCl-Struktur entsteht auch dann häufig, wenn das Ausgangsmetall hexagonal-dicht oder kubisch-raumzentriert kristallisiert. Da die Einlagerung der Tabelle 2.29 Beispiele für Einlagerungsverbindungen Carbide
Nitride Schmelzpunkt in (C
TiC ZrC HfC VC NbC TaC
2 940K3 070 3 420 3 820K3 930 2 650K2 680 3 610 3 825K3 985
Schmelzpunkt in (C β-Mo2C WC ThC ThC2 UC UC2
2 485K2 520 2 720K2 775 2 650 2 655 2 560 2 500
Schmelzpunkt in (C TiN ZrN HfN TaN Mo2N W2 N
2 950 2 985 3 390 3 095 Zersetzung Zersetzung
Die Mohs-Härte liegt meist bei 8K10. Die härteste Substanz mit der Härte 10 ist der Diamant.
2.4 Der metallische Zustand
205
Abbildung 2.115 Kubisch-dichtest gepackte Metallatome bilden zwei Sorten von Hohlräumen. Metallatome, die ein Oktaeder bilden, umschließen eine oktaedrische Lücke (a). Pro Metallatom ist eine Oktaederlücke vorhanden. Metallatome, die ein Tetraeder bilden, umschließen eine tetraedrische Lücke (b). Pro Metallatom gibt es zwei Tetraederlücken. Bei der Natriumchlorid-Struktur sind alle Oktaederlücken der kubisch-dichtest gepackten Metallatome mit einer Atomsorte besetzt (c). Die Besetzung aller Tetraederlücken führt zur FluoritStruktur (e). Bei der geordneten Besetzung der Hälfte der Tetraederlücken entsteht die Zinkblende-Struktur (d).
Nichtmetallatome trotz der Vergrößerung des Metall-Metall-Abstandes eine Erhöhung der Härte und des Schmelzpunktes bewirkt und außerdem eine strukturelle Änderung des Metallgitters zur Folge haben kann, müssen starke Bindungen zwischen den Metall- und den Nichtmetallatomen vorhanden sein. Tabelle 2.30 Beispiele für Einlagerungsverbindungen, bei denen die Metallatome eine kubischdichteste Packung besitzen Nichtmetallatome besetzen
Anteil besetzter Lücken in %
Struktur
Beispiele
Oktaederlücken
100
Natriumchlorid
TiC, ZrC, HfC, ThC, VC, NbC, TaC, UC, TiN, ZrN, HfN, ThN, VN, UN, CrN, PdH W2 N, Mo2N Mn4N, Fe4N
Fluorit
CrH2, TiH2, VH2, HfH2, GdH2
50 25 (geordnet) Tetraederlücken
100
206
2 Die chemische Bindung
2.5 Vergleich der Bindungsarten Für die bisher behandelten Bindungsarten werden in der folgenden Tabelle 2.31 die wichtigsten Merkmale zusammengefasst und verglichen. Tabelle 2.31 Vergleich zwischen Ionenbindung, Atombindung, zwischenmolekularer Bindung und metallischer Bindung
2.6 Die Wasserstoffbindung Bei einer Reihe kovalenter Wasserstoffverbindungen elektronegativer Elemente erfolgt eine Bindung zwischen den Molekülen durch Wasserstoffbrücken. Dieser spezielle Bindungstyp wird Wasserstoffbindung (Wasserstoffbrückenbindung) genannt.
Zwischen dem positiv geladenen H-Atom des Moleküls HX und dem freien Elektronenpaar eines Hybridorbitals des X-Atoms im Nachbarmolekül kommt es zu einer
2.6 Die Wasserstoffbindung
207
elektrostatischen Anziehung. Die Anziehung ist umso stärker, je größer die Elektronegativität des X-Atoms und je kleiner das X-Atom ist. Dadurch wird die X d YBindung polarer, das nichtbindende Hybridorbital kleiner und damit seine Ladungsdichte erhöht. Die Ladungsdichte wächst auch mit zunehmendem Hybridcharakter des Orbitals. Der Hybridcharakter nimmt innerhalb einer Gruppe des PSE mit wachsender Atomgröße rasch ab. Geeignet für starke Wasserstoffbindungen sind daher die Atome F, O und N. Cl, S, P und C sind nur zu schwachen Wasserstoffbindungen befähigt. Eigenschaften Die Wasserstoffbrücken X d H · · · X sind linear angeordnet (in Ausnahmefällen schwach gewinkelt), da dann die Anziehung H · · · X am größten, die Abstoßung zwischen den X-Atomen am kleinsten ist. Der Valenzwinkel HXY liegt meist im Bereich 110K140(. Die meisten Wasserstoffbrücken sind unsymmetrisch, es existiert ein langer und ein kurzer Bindungsabstand zu den Nachbaratomen. Eine symmetrische F d H d FBrücke besitzt das HFK 2 -Ion in KHF2. In symmetrischen Brücken sind die Wasserstoffbindungen besonders stark. Meistens ist das freie Elektronenpaar des X-Atoms nur zur Ausbildung einer Wasserstoffbrücke befähigt. Eine Ausnahme ist kristallines Ammoniak. Von jedem Elektronenpaar der N-Atome werden drei Wasserstoffbrücken ausgebildet.
Wasserstoffbrücken entstehen natürlich auch zwischen Atomen unterschiedlicher elektronegativer Elemente (vgl. Tabelle 2.32). Ein Beispiel ist HCN mit der Wasserstoffbrücke CdH · · · N Die Bindungsenergien der Wasserstoffbindungen liegen im Bereich bis 40 kJ molK1. Höhere Bindungsenergien treten nur in Ausnahmefällen auf, wie z. B. bei der symmetrischen F d H d F-Brücke (113 kJ molK1). Hinsichtlich der Bindungsenergie liegt die Wasserstoffbindung also zwischen der van der Waals-Bindung und der kovalenten Bindung. Beispiele für anorganische Verbindungen mit verschiedenen Wasserstoffbrücken zeigt Tabelle 2.32.
208
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.116 Siedepunkte von einfachen Hydriden der Hauptgruppenelemente und der Edelgase. Die zusätzlichen Bindungskräfte durch Wasserstoffbrücken in HF, H2O und NH3 können erst bei anomal hohen Siedepunkten überwunden werden.
Abbildung 2.117 Verdampfungsenthalpie von einfachen Hydriden der Hauptgruppenelemente und der Edelgase. Die Wasserstoffbindungen in HF, H2O und NH3 verursachen eine starke Erhöhung der Verdampfungsenthalpie. Mit der Verdampfungsenthalpie müssen nicht nur die van der Waals-Kräfte überwunden werden, sondern auch die Wasserstoffbrücken gelöst und außerdem Rotationsfreiheitsgrade angeregt werden (durch die Wasserstoffbindung ist die Rotation z. T. eingeschränkt).
2.6 Die Wasserstoffbindung
209
Tabelle 2.32 Beispiele für Wasserstoffbrücken in anorganischen Verbindungen OdH · · · · O (H2O)n H2SO4 B(OH)3 KH2PO4 NaHCO3 CuSO4 · 5H2O CaSO4 · 2H2O H 2O2
FdH · · · · F (HF)n KHF2 KH2F3 NdH · · · · N NH3 N 2H4 OdH · · · · N NH2OH O d H · · · · Cl MnCl2 · 2H2O
NdH · · · · F NH4HF2 (NH4)2SiF6 NH4BF4 NdH · · · · O NH2OH N d H · · · · Cl NH4Cl CdH · · · · N HCN
Einfluss auf physikalische Eigenschaften und Strukturen Wasserstoffbrücken beeinflussen die physikalischen Eigenschaften. Sie erhöhen Schmelztemperatur, Siedetemperatur, Verdampfungsenthalpie, Dipolmoment, elektrische Feldkonstante und Viskosität. Der Einfluss der Wasserstoffbrücken auf die Siedepunkte und Verdampfungsenthalpien von HF, H2O und NH3 ist in den Abb. 2.116 und 2.117 zu erkennen. Die Vergrößerung der elektrischen Feldkonstante des Wassers und wasserähnlicher Lösungsmittel ist für die Löslichkeit von Salzen wichtig. Die Wasserstoffbrücken führen zu typischen Ketten-, Schicht- und Raumnetzstrukturen. Kristallines HF besteht aus Zickzackketten, in denen die HF-Moleküle durch lineare unsymmetrische Wasserstoffbrücken verknüpft sind.
Ähnliche Assoziate sind vermutlich im flüssigen HF vorhanden, dessen Struktur aber noch ungeklärt ist. Gasförmiges HF besteht bei 20 (C aus gewellten (HF)6-Ringen und HF-Molekülen, die miteinander im Gleichgewicht stehen.
Besitzen die Moleküle mehrere Wasserstoffatome und mehrere freie Elektronenpaare, dann kann eine zweidimensionale oder dreidimensionale Verknüpfung erfolgen. Ein Beispiel für eine Schichtstruktur ist die Borsäure H3BO3 (Abb. 2.118). Im Eis I wird durch Wasserstoffbrücken eine Raumnetzstruktur aufgebaut, in der jedes O-Atom tetraedrisch von vier anderen umgeben ist (Abb. 2.119).
210
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.118 Schichtstruktur der Borsäure H3BO3.
Abbildung 2.119 Struktur von Eis I.
Bindungsmodelle Die Bindung in unsymmetrischen Wasserstoffbrücken wird am besten durch das elektrostatische Modell beschrieben. In einigen Fällen (z. B. Eis I) erfolgt ein ständiger Platzwechsel der Protonen zwischen zwei äquivalenten Positionen (Protomerie) (Abb. 2.120).
2.6 Die Wasserstoffbindung
211
Abbildung 2.120 Simultaner Platzwechsel der Protonen in den Wasserstoffbrücken der Eisstruktur (Protomerie).
Abbildung 2.121 Molekülorbitale einer symmetrischen Wasserstoffbrücke. Durch die möglichen Linearkombinationen des H-1s-Orbitals und der F-2px-Orbitale entsteht ein bindendes, K ein nichtbindendes und ein antibindendes MO. Die vier Valenzelektronen des HF2 -Ions besetzen das bindende und das nichtbindende MO. Es liegt eine 3Zentren-4Elektronen-Bindung vor. Die Bindungsordnung ist 0,5. Der im Vergleich zum HF schwächeren Bindung entspricht experimentell ein größerer Bindungsabstand und eine kleinere Kraftkonstante.
Die symmetrische Brücke im HFK 2 -Ion kann als 3Zentren-4Elektronen-Bindung beschrieben werden. Die Bindungsordnung der H d F-Bindungen beträgt 0,5. Das MOSchema ist in der Abb. 2.121 angegeben. Im flüssigen und gasförmigen Zustand besitzen die Wasserstoffbrücken eine geringe Lebensdauer und sie werden dauernd gelöst und neu geknüpft. Bei 25 (C führt die ungleichmäßige Verteilung der Schwingungsenergie der Moleküle bei Wasserstoffbrücken mit Bindungsenergien ! 40 kJ molK1 zu einer Lebensdauer von Bruchteilen einer Sekunde. Symmetrische anionische Wasserstoffbrücken existieren bei den Hydriden von B, Be, Al (Kap. 4).
212
2 Die chemische Bindung
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung 2.7.1 Symmetrie 2.7.1.1 Molekülsymmetrie Die Symmetrie eines Moleküls kann mit Symmetrieelementen beschrieben werden. Ein Symmetrieelement gibt an, welche Symmetrieoperation ausgeführt werden soll. Durch eine Symmetrieoperation wird ein Gegenstand mit sich selbst zur Deckung gebracht. Nach Ausführung einer Symmetrieoperation ist also die Lage eines Moleküls nicht von der vor der Operation zu unterscheiden. Es gibt 5 Arten von Symmetrieelementen. Für Moleküle verwendet man die Schönflies-Symbolik. Drehachsen Cn. Ein Molekül wird um den Winkel 2π.n um diese Achse gedreht.
Die Identität I. Sie ist identisch mit der Drehachse C1. Natürlich besitzen alle Moleküle die Identität I, da alle Moleküle durch Drehung um 2 π Z 360( in sich selbst überführt werden. Spiegelebenen σ. Alle Atome des Moleküls werden an dieser Ebene gespiegelt.
Inversionszentrum i. Alle Atome des Moleküls werden an einem Punkt, dem Inversionszentrum, gespiegelt.
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung
213
[Fe (CN)6]4K (vgl. Abschn. 5.16.5)
Drehspiegelachsen Sn. Das Molekül wird um 2π.n um diese Achse gedreht und an einer Ebene senkrecht zu dieser Achse gespiegelt. S1 ist identisch mit einer Spiegelebene, S2 mit einem Inversionszentrum.
(C5H5)2Fe, Ferrocen (vgl. Abschn. 5.6), gestaffelte Form
Es gibt nicht beliebige Kombinationen von Symmetrieelementen, denn bestimmte Kombinationen von Symmetrieelementen erzeugen neue Symmetrieelemente. Zum Beispiel erzeugen zwei senkrecht aufeinander stehende Spiegelebenen eine zweizählige Achse (vgl. Abb. 2.122). Die begrenzte Anzahl der erlaubten Kombinationen von Symmetrieelementen nennt man Punktgruppen (Abb. 2.122). Die Bezeichnung Punktgruppe kommt daher, dass es bei jedem Molekül einen Punkt gibt, dessen Lage
Abbildung 2.122 Beispiele für Punktgruppen a) Die Punktgruppe, zu der SO2 gehört, besitzt als Symmetrieelemente die Identität I, eine zweizählige Achse C2 und zwei Symmetrieebenen σ. b) Die Punktgruppe, zu der NH3 gehört, besitzt als Symmetrieelemente die Identität I, eine dreizählige Achse C3 und drei Symmetrieebenen σ.
214
2 Die chemische Bindung
im Raum unverändert bleibt, unabhängig davon wie viel Symmetrieoperationen an einem Molekül ausgeführt werden. Für die Beschreibung von Molekülen und für die Diskussion ihrer Eigenschaften, z. B. der Normalschwingungen (vgl. Abschn. 2.7.3), ist die Kenntnis ihrer Symmetrie wichtig. In der Tabelle 2.33 sind die wichtigsten Punktgruppen, ihre Symmetrieelemente und Beispiele angegeben. Anhang 2 enthält ein Schema mit dem die Punktgruppen eines Moleküls ermittelt werden können. Tabelle 2.33 Wichtige Punktgruppen Punktgruppe
Symmetrieelemente
Beispiele
Cn
I I, C 2
CHFClBr H 2O 2
C nv C 1v Z C s C 2v C 3v C 4v C Nv
I, I, I, I, I,
HOCl H 2 O, ClF 3 , SO 2 2K NH 3 , XeO 3 , S 2 O 3 IF 5 , XeOF 4 , SF 5 Cl NO, HCN alle linearen Moleküle ohne i
C nh C 2h C 3h
I, C 2 , σ h , i I, C 3 , σ h , S 3
trans-N 2 F 2 B(OH) 3
D nd D 2d D 3d D 4d
I, C 2 , 2C#2 , 2σ d , S 4 I, C 3 , 3C#2 , 3σ d , i, S 6 I, C 4 , 4C#2 , 4σ d , S 8
S 4 N 4 , As 4 S 4 Si 2 H 6 S8
D nh D 2h D 3h D 4h D 5h D 6h D Nh
I, I, I, I, I, I,
C 2H 4, B 2H 6 BF 3 , PF 5 , [ReH 9 ] 2K 2K XeF 4 , PtCl 4 , [Re 2 Cl 8 ] 2K IF 7 C 6H 6 CO 2 , Hg 2 Cl 2 , H 2 alle linearen Moleküle mit i
Td Tetraeder O h Oktaeder I h Ikosaeder
I, 4C 3 , 3C 2 , 6σ d , 3S 4 I, 3C 4 , 4C 3 , 6C#2 , 3σ h , 6σ d , i, 3S 4 , 4S 6 I, 6C 5 , 10C 3 , 15C#2 , 15σ v, i, 12S 10 , 10S 6
C1 C2
σ C 2 , 2σ v C 3 , 3σ v C 4 , 4σ v C N , Nσ v
C 2 , 2C#2 , 2σ v, σ h , i C 3 , 3C#2 , 3σ v, σ h , S 3 C 4 , 4C#2 , 4σ v, σ h , i, S 4 C 5 , 5C#2 , 5σ v, σ h , S 5 C 6 , 6C#2 , 6σ v, σ h , i, S 6 C N , NC#2 , Nσ v, i
SiF 4 , CH 4 , Ni(CO) 4 SF 6 2K B 12 H 12
Die Drehachse Cn mit der höchsten Ordnung wird als Hauptachse bezeichnet. Spiegelebenen senkrecht zur Hauptachse werden als Horizontalebenen (σh) bezeichnet, Spiegelebenen, die die Hauptachse enthalten, nennt man Vertikalebenen (σv) oder Diederebenen (σd), wenn sie den Winkel zwischen zwei zweizähligen Achsen halbieren. Die Achsen C#2 stehen senkrecht zur Hauptachse und unter gleichen Winkeln zueinander.
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung
215
2.7.1.2 Kristallsymmetrie Symmetrieelemente des Kontinuums Bei Kristallen gibt es 8 verschiedene Symmetrieoperationen, mit denen die makroskopischen Symmetrieeigenschaften beschrieben werden können (Abb. 2.123). Dafür wird die Symbolik von Hermann-Mauguin verwendet, während für Moleküle die Schönflies-Symbolik benutzt wird. An Stelle der Drehspiegelung (Kombination aus Drehung und Spiegelung) wird die Drehinversion (Kombination aus Drehung und Inversion) verwendet. Symmetrieelement
Symbol
Symmetrieoperation
Drehachse (Gyre) einzählig zweizählig dreizählig vierzählig sechszählig Spiegelebene Inversionszentrum (Symmetriezentrum) Drehinversionsachse
X 1 2 3 4 6 m i
Drehung um 360( 180( 120( 90( 60( Spiegelung an einer Spiegelebene Spiegelung an einem Punkt (Symmetriezentrum)
vierzählig
K X K 4
Drehung um 90( und Spiegelung am Inversionszentrum
Die möglichen Kombinationen der 8 Symmetrieelemente führen zu 32 Kristallklassen (Punktgruppen), die sich in ihrer makroskopischen Symmetrie unterscheiden.
Symmetrieelemente des Diskontinuums Ein Kristall besteht aus einem Raumgitter, in dem die Bausteine (Atome, Ionen, Moleküle, komplexe Baugruppen) dreidimensional periodisch angeordnet sind. Um die Symmetrie eines Raumgitters zu beschreiben, sind außer den 8 Symmetrieelementen des Kontinuums weitere 8 Symmetrieelemente zu berücksichtigen, bei denen Drehung und Spiegelung mit einer Translation gekoppelt sind. Die Translation ist von der Größenordnung der Abstände der Gitterbausteine, sie wird deshalb makroskopisch nicht wirksam.
216
2 Die chemische Bindung
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung
217
Abbildung 2.123 Symmetrieelemente des Kontinuums. K Es gibt 8 Symmetrieelemente: 1, 2, 3, 4, 6, m, i, 4 . Die Drehinversionsachsen mit anderer Zähligkeit entsprechen: K K K K 1 Z i , 2 Z m , 3 Z 3 C i , 6 Z 3 C m.
Bei der Schraubenachse 32 ist die Operation Rechtsdrehung um 240( und Translation um 2.3 · τ identisch mit einer Linksdrehung um 120( und Translation um τ.3. Die Schraubenachse 42 mit der Operation Drehung um 180( und Translation um 2.4 · τ ist identisch mit einer zweizähligen Schraubenachse. Die Schraubenachsen 62 und 64 sind identisch mit dreizähligen Schraubenachsen (31 und 32), die Schraubenachse 63 mit einer zweizähligen Schraubenachse (21). Die möglichen Kombinationen der Symmetrieelemente des Raumgitters führen zu 230 Raumgruppen verschiedener Symmetrie. Sie teilen sich auf die 32 Kristallklassen auf. Translationsgitter (Bravais-Gitter) Jedes Raumgitter erhält man durch Translation eines Translationsgitters nach drei Raumrichtungen. Es gibt 14 verschiedene Translationsgitter (Abb. 2.124). Ein Bravais-Gitter besteht aus einer Partikelsorte. Bei einer Verbindung entsteht das Raumgitter durch Translation desselben Bravais-Gitters für die Komponenten der Verbindung. Beispiel: NaCl Das Gitter von NaCl entsteht durch Translation je eines allseits flächenzentrierten kubischen Bravais-Gitters für die NaC-Ionen und die ClK-Ionen.
218
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.124 Elementargitter (Bravais-Gitter). Es gibt 7 primitive Gitter (Symbol P), bei denen nur die Ecken des Bravais-Gitters besetzt sind. Sie gehören zu den 7 Kristallsystemen. 3 Bravais-Gitter sind innenzentriert (Symbol I), 2 allseits flächenzentriert (Symbol F) und 2 basisflächenzentriert (Symbol C).
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung
219
Kristallsysteme Bravais-Gitter, Raumgruppen und Kristallklassen sind 7 Kristallsystemen zuzuordnen. Sie werden durch die Winkel und Achsabschnitte eines Koordinatensystems festgelegt (Abb. 2.124). Kristallsystem
Achsabschnitte
Winkel
Kubisch Hexagonal Rhomboedrisch Tetragonal Rhombisch Monoklin Triklin
a a a a a a a
α α α α α α α
Z s Z Z s s s
b c b b b b b
Zc Z s s s s
c c c c c
Z Z Z Z Z Z s
β β β β β γ β
Bestimmungsgrößen Z Z Z Z Z Z s
γ Z 90( 90(, γ Z 120( γ s 90( γ Z 90( γ Z 90( 90(, β s 90( γ s 90(
a a, a, a, a, a, a,
c α c b, c b, c, β b, c, α, β, γ
Elementarzelle Die Elementarzelle ist die kleinste geometrische Einheit eines Kristallgitters, durch deren Translation das Gitter aufgebaut werden kann. Daher genügt zur vollständigen Beschreibung des Gitters die Kenntnis der Elementarzelle. Man wählt diejenige Elementarzelle mit der höchsten Symmetrie: möglichst senkrecht aufeinander stehende Achsen, kleine und möglichst gleich große Achsabschnitte (Abb. 2.125).
Abbildung 2.125 Mit beiden Elementarzellen (rot eingezeichnet) kann das Raumgitter aufgebaut werden. Zur Beschreibung wählt man zweckmäßig die linke kubische Elementarzelle mit der Gitterkonstante a.
Die makroskopische Symmetrie eines Kristalls ist in der Symmetrie des Raumgitters vorgegeben. Es gibt z. B. keine fünfzähligen oder achtzähligen Elementarzellen, da man daraus kein Raumgitter aufbauen kann. Es gibt daher K im Unterschied zu
220
2 Die chemische Bindung
Molekülen K auch keine Kristalle mit fünfzähligen oder achtzähligen Drehungsachsen. Der Inhalt der Elementarzelle kann durch Angaben der Punktlagen xi , yi , zi der Atome i in Einheiten der Achsabschnitte der Elementarzelle angegeben werden. Beispiel: NaCl
Die Elementarzelle enthält 4 Formeleinheiten NaCl. Die Atome in den Ecken der Elementarzelle gehören 8 Elementarzellen an, also zu 1.8 zur Elementarzelle, entsprechend Atome auf den Flächen zur Hälfte und Atome auf den Kanten zu 1.4.
2.7.2 Röntgenbeugung Kristallebenen und ihre Orientierung Man kann die Lage einer Kristallfläche durch das Verhältnis der Achsabschnitte im Koordinatensystem ma : nb : pc angeben, wobei a, b, c die Gitterkonstanten der Elementarzelle sind. m, n, p sind ganze Zahlen (Rationalitätsgesetz). Das Rationalitätsgesetz folgt aus dem Raumgitteraufbau der Kristalle. Zur Kennzeichnung der 1 1 1 Kristallebenen werden die Reziprokwerte m a : n b : p c verwendet. Diese Reziprokwerte werden Miller-Indizes (hkl) genannt (Abb. 2.126).
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung
221
Abbildung 2.126 Indizierung von Kristallflächen.
Beugung an Kristallebenen Da die Atomabstände im Kristallgitter in der Größenordnung der Wellenlängen von Röntgenstrahlen liegen, wirken Kristalle wie dreidimensionale Beugungsgitter. Die Beugung von Röntgenstrahlen an den Beugungszentren des Gitters führt zu einer Reflexion der Röntgenstrahlen an aufeinander folgenden Gitterebenen im Kristall. Treffen die Röntgenstrahlen unter einem Einfallswinkel / auf den Kristall, dann kann eine Reflexion unter demselben Austrittswinkel erfolgen, wenn die Gleichung von Bragg erfüllt ist (Abb. 2.127). n λ Z 2 d sin /
n Z 1, 2, 3 ...
Die Wegdifferenz der an benachbarten Kristallebenen reflektierten Röntgenstrahlen muss ein Vielfaches der Wellenlänge λ betragen, sonst erfolgt Auslöschung der Strahlung durch Interferenz. Es wird also nur bei bestimmten Winkeln eine Reflexion erfolgen.
Abbildung 2.127 Reflexion von Röntgenstrahlen an Netzebenen eines Kristallgitters. Da AB Z BC Z d sin /, ist die Wegdifferenz der an benachbarten Netzebenen reflektierten Strahlen 2 d sin /. Die Bedingung der Reflexion ist also 2 d sin / Z n λ, sonst erfolgt Auslöschung durch Interferenz.
222
2 Die chemische Bindung
Ersetzt man den Netzebenenabstand d(hkl ) für die Kristallfläche (hkl) durch die Gitterkonstante und die Miller-Indizes, erhält man die quadratische Form der BraggGleichung für die 7 Kristallsysteme. Beispiele: Kubisch
d(hkl ) Z
Tetragonal d(hkl ) Z
Rhombisch
d(hkl ) Z
a
√h
2
2
Ck Cl
2
a
√
()
2
h 2C k 2C ac l 2 1
√( ) ( ) ( ) 2
2
h C k C l b c a
2
sin2 / Z
λ2 (h 2C k 2C l 2) 4a2
sin2 / Z
λ2 a 2 2 2 2 h C k C c l 4a2
sin2 / Z
λ2 4
{
()
{( )
2
}
( ) ( )} 2
h C k C l b a c
2
d ist abhängig von den Dimensionen der Elementarzelle. Je niedriger die Symmetrie des Kristalls ist, umso komplizierter ist die Beziehung zwischen d und (hkl ). Beim monoklinen System hängt d von a, b, c und β ab, beim triklinen System von a, b, c, α, β und γ (vgl. Abb. 2.124).
Aufnahmeverfahren Drehkristallverfahren. Ein Einkristall wird um eine festgelegte Richtung gedreht, so dass nacheinander verschiedene Netzebenen zum einfallenden Röntgenstrahl in Reflexionsstellung kommen. Die Röntgenstrahlung hat eine einheitliche Wellenlänge (monochromatische Röntgenstrahlung). Jede Kristallfläche ergibt einen Beugungspunkt, der mit einem Detektor in einer zylindrischen Kammer registriert wird (Abb. 2.128). Laue-Verfahren. Auf einen feststehenden Kristall fällt polychromatische Röntgenstrahlung. Für jede Netzebene ist in der Röntgenstrahlung die passende Wellenlänge vorhanden, die die Braggsche Reflexionsbedingung erfüllt. Jede Netzebene verursacht einen Beugungspunkt (Abb. 2.129). Debye-Scherrer-Verfahren. Ein Kristallpulver wird mit monochromatischer Röntgenstrahlung bestrahlt. Im Kristallpulver liegen viele kleine Kriställchen regellos verteilt, so dass alle möglichen Kristallflächen ohne Drehung in Reflexionsstellung vorhanden sind. Ein Kristallpulver verhält sich wie ein Einkristall, der in sämtliche Raumrichtungen gedreht wird. Es entstehen Beugungskegel, die in einer zylindrischen Kammer Beugungsringe erzeugen (Abb. 2.130).
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung
223
Abbildung 2.128 Drehkristallaufnahme. Dreht man einen kubischen Kristall um die Kante einer Würfelfläche, erhält man senkrecht zu dieser Richtung Reflexe, die von den Kristallebenen (hk0) stammen. Die Reflexe liegen in der Ebene des Primärstrahls (0. Schichtlinie). Die Reflexe von den Kristallflächen (hk1), (hk2) usw. werden symmetrisch nach oben und unten abgebeugt. Man erhält Reflexe auf Geraden oberhalb und unterhalb der 0. Schichtlinie : 1. Schichtlinie mit den Reflexen hk1, 2. Schichtlinie mit den Reflexen hk2 usw.
Abbildung 2.129 Laue-Aufnahme. Die Richtung der einfallenden Röntgenstrahlung ist die Richtung der hexagonalen Achse des Kristalls. Das Laue-Diagramm zeigt die hexagonale Symmetrie. Mit den Laue-Diagrammen kann die Symmetrie eines Kristalls in ausgewählten Kristallrichtungen erkannt werden.
Zählrohrinterferenzgoniometer-Verfahren. Die am Kristallpulver gebeugte Strahlung wird mit einem Zählrohr registriert. Der Vorteil ist eine genaue Messung der Intensitäten der Röntgenreflexe (Abb. 2.131).
224
2 Die chemische Bindung
Durch Vermessung der Röntgendiagramme können den Beugungsreflexen Netzebenen zugeordnet werden (Indizierung).
Abbildung 2.130 Debye-Scherrer-Aufnahme. Das Kristallpulver erzeugt für jede Kristallfläche einen Beugungskegel. Wo der Beugungskegel den Film schneidet, wird ein Beugungsbild erzeugt.
Abbildung 2.131 Strahlengang beim Zählrohr-Interferenzgoniometer. Die Probe (ebener Präparatehalter, auf dem Kristallpulver aufgebracht ist) wird durch Drehen in die Reflexionsstellung gebracht. Das Zählrohr wird gleichzeitig mit doppelter Winkelgeschwindigkeit gedreht. Die mit dem Zählrohr gemessenen Intensitäten können mit einem Schreiber registriert werden.
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung
225
Beispiel: NaCl NaCl kristallisiert im kubischen Kristallsystem. Mit der quadratischen Form der Bragg-Gleichung sin2 / Z
λ2 4a
2
(h 2C k 2C l 2 )
kann mit a Z 565 pm aus den gemessenen /-Werten (hkl ) berechnet werden (vgl. Abb. 2.130 und 2.131). Für niedrigsymmetrische Kristalle ist die Indizierung aus Pulveraufnahmen schwierig. Atomverteilung in der Elementarzelle Zur Ermittlung der Struktur einer Verbindung berechnet man für ein Strukturmodell mit einer angenommenen Atomverteilung in der Elementarzelle die Röntgenintensitäten und vergleicht sie mit den experimentell gefundenen. Bei gelöster Struktur können Bindungsabstände und Bindungswinkel errechnet werden. Die Intensität eines Röntgenreflexes hkl ist proportional dem Quadrat des Strukturfaktors Fhkl 2 Ihkl w Fhkl
Der Strukturfaktor F gibt das Streuvermögen der Elementarzelle an.
xi, yi, zi sind die Punktlagen der Atome i der Elementarzelle. fi, der Atomformfaktor, gibt das Streuvermögen des Atoms i an. Das Streuvermögen ist linear proportional der Zahl der Elektronen, also proportional der Ordnungszahl Z. Schwere Atome tragen also stärker zur Intensität bei als leichte Atome. Daraus ergeben sich zwei wichtige Folgerungen für die Röntgenstrukturanalyse. Im PSE benachbarte Atome sind röntgenographisch nicht zu unterscheiden. Die Position leichter Atome K vor allem von Wasserstoff K kann röntgenographisch nicht genau bestimmt werden. Dies ist mit der Neutronenbeugung möglich (vgl. Abschn. 5.3). Wenn die Elementarzelle ein Symmetriezentrum besitzt, vereinfacht sich der Strukturfaktor. Fhkl Z S fi Ai i
Fhkl Z S fi cos 2 π (hxi C kyi C lzi) i
226
2 Die chemische Bindung
Beispiel: NaCl NaCl kristallisiert kubisch. Die Elementarzelle enthält 4 Formeleinheiten NaCl. Die Atomkoordinaten xi , yi , zi sind (s. oben): Na 000 Cl
1 2 00
11 220
1 1 202
0 21 21
0 21 0 00 21
111 222
ANa Z cos 0 C cos 2 π
( )
( )
( )
h k h l k l C C cos 2 π C C cos 2 π C 2 2 2 2 2 2
Wenn hkl gemischte Zahlen sind, werden die Glieder abwechselnd C1 und K1. Wenn alle hkl gerade oder alle ungerade sind, werden alle Glieder C1. Es ist also ANa Z 0 für hkl gemischt ANa Z 4 für hkl alle gerade oder alle ungerade. ACl Z cos 2 π
()
()
()
(
hCkCl k l h C cos 2 π C cos 2 π C cos 2 π 2 2 2 2
)
Wenn hkl gemischte Zahlen sind, werden 2 Glieder C1, 2 Glieder K1. Wenn hkl alle gerade sind, werden alle Glieder C1. Wenn hkl alle ungerade sind, werden alle Glieder K1. Es ist also ACl Z 0 für hkl gemischt ACl Z C4 für hkl alle gerade ACl Z K4 für hkl alle ungerade Für den Strukturfaktor erhält man: Alle Reflexe mit gemischten Indizes sind ausgelöscht. Fhkl Z 4 (fNa C fCl) gilt, wenn alle Indizes gerade sind. Fhkl Z 4 (fNa K fCl) gilt, wenn alle Indizes ungerade sind. Das Diagramm von NaCl (s. oben) stimmt damit überein. Es treten keine Reflexe mit gemischten Indizes auf. Die Reflexe 200, 220, 222, 400 sind intensiver als 111, 311, 331. Für die Berechnung der Intensität müssen weitere Faktoren berücksichtigt werden. Flächenhäufigkeitsfaktor: Er berücksichtigt die Häufigkeit, mit der eine bestimmte Fläche in Reflexionsstellung kommt, z. B. bei Pulveraufnahmen 6 Würfelflächen, 8 Oktaederflächen. Temperaturfaktor: Mit steigender Temperatur erfolgt eine Intensitätsverminderung. Absorptionsfaktor: In Abhängigkeit von der verschiedenen Weglänge, die ein abgebeugter Röntgenstrahl im Kristall zurücklegt, erfolgt eine Schwächung der Intensität durch Absorption. Weitere Korrekturfaktoren sind der Lorentzund der Polarisationsfaktor.
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung
227
2.7.3 Schwingungsspektroskopie Normalschwingungen Schwingungen sind Molekülbewegungen, bei denen sich Bindungsabstände und Bindungswinkel periodisch mit der Schwingungsfrequenz ändern. Bei Normalschwingungen bewegen sich alle Atome des Moleküls mit gleicher Frequenz und gleicher Phase, sie gehen also gleichzeitig durch die Gleichgewichtslage und durch die Lage maximaler Amplitude. Die maximalen Amplituden sind für verschiedene Atome verschieden groß. Ein Molekül mit N Massenpunkten hat 3 N Freiheitsgrade, da jeder Massenpunkt drei Raumkoordinaten besitzt, die für die N Massenpunkte unabhängig voneinander sind. Drei Freiheitsgrade entfallen auf Translationen in x-, y- und z-Richtung, drei weitere auf Rotationen. Die Anzahl der Schwingungsfreiheitsgrade ist n Z 3 N K 6 bzw. n Z 3 N K 5 für lineare Moleküle, da es bei diesen keinen Rotationsfreiheitsgrad in Richtung der Molekülachse gibt. Die Gesamtbewegung eines schwingenden Moleküls kann also durch eine Überlagerung von 3 N K 6 bzw. 3 N K 5 Normalschwingungen dargestellt werden. Man unterscheidet nach der Schwingungsform: Valenzschwingungen ν. Es ändern sich nur die Bindungslängen.
Ebene Deformationsschwingungen δ. Es ändern sich die Bindungswinkel, die Atomabstände bleiben konstant.
Deformationsschwingungen aus der Ebene γ. Ein Atom schwingt durch eine von (mindestens) 3 Nachbaratomen gebildete Ebene.
Torsionsschwingungen τ. Der Winkel zwischen zwei Ebenen, die eine Bindung gemeinsam haben, verändert sich.
228
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.132 a) Normalschwingungen von CO2. Als lineares Molekül hat CO2 n Z 3 N K 5 Z 4 Normalschwingungen. Bei der symmetrischen Valenzschwingung νs verkürzen oder verlängern sich die C d O-Bindungen gleichzeitig. Die Molekülsymmetrie verändert sich nicht. Bei der antisymmetrischen Valenzschwingung νas verkürzt sich eine der Bindungen, während sich die andere verlängert. Dadurch verändert sich die Molekülsymmetrie. Bei der Deformationsschwingung δ ändert sich der O d C d O-Bindungswinkel. Die beiden Deformationsschwingungen lassen sich durch 90(-Drehung des Moleküls um die Molekülachse ineinander überführen. Sie sind daher entartet. b) Normalschwingungen von SO2. Als nichtlineares dreiatomiges Molekül hat SO2 n Z 3 N K 6 Z 3 Normalschwingungen. Es gibt eine symmetrische Valenzschwingung νs , eine asymmetrische Valenzschwingung νas und eine symmetrische Deformationsschwingung δs .
Abbildung 2.133 Potentialverlauf eines anharmonischen Oszillators. re Z Gleichgewichtsabstand der Atome, v Z Schwingungsquantenzahlen, E0 Z Nullpunktsenergie, D( Z Dissoziationsenergie Z Bindungsenergie (vgl. S. 123)
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung
229
Im Allgemeinen haben die Schwingungsformen die Frequenzfolge ν O δ O γ O τ. Man unterscheidet nach dem Symmetrieverhalten: Symmetrische Schwingungen (Index s). Die Symmetrie des Moleküls bleibt beim Schwingungsvorgang erhalten. Antisymmetrische Schwingungen (Index as). Während des Schwingungsvorgangs ändert sich die Symmetrie des Moleküls. In der Abb. 2.132 sind die Normalschwingungen von CO2 und SO2 dargestellt. Die Energie der Molekülschwingungen ist gequantelt. Abb. 2.133 beschreibt den Potentialverlauf eines anharmonisch schwingenden Moleküls. Der Abstand zwischen zwei Quantenzuständen benachbarter Schwingungsniveaus wird mit wachsender Energie immer kleiner, bis die Dissoziationsenergie des Moleküls erreicht ist. Anregung von Normalschwingungen Die Schwingungsfrequenzen eines Moleküls können mit zwei verschiedenen spektroskopischen Methoden bestimmt werden: Infrarot-Spektroskopie und Raman-Spektroskopie. Bei der IR-Spektroskopie wird durch Absorption eines Lichtquants E Z hνvib eine Grundschwingung angeregt, das Molekül geht vom Schwingungszustand v Z 0 in den Schwingungszustand v Z 1 über (Abb. 2.134). Anregungen in Quantenzustände
Abbildung 2.134 Entstehung einer IR-Bande.
mit v O 1 führen zu Oberschwingungen, deren Anregungswahrscheinlichkeiten und Intensitäten wesentlich geringer sind. Zur Aufnahme eines IR-Spektrums wird die Probe mit polychromatischer Strahlung bestrahlt, deren Energie im IR-Bereich liegt (Abb. 2.135). Durch Intensitätsvergleich mit einem Referenzstrahl werden die Frequenzwerte der absorbierten Strahlung bestimmt. Bei der Raman-Spektroskopie bestrahlt man die Probe mit energiereichen Quanten, die von den Molekülen nicht absorbiert werden können. Die Wechselwirkung führt zu 3 Effekten (Abb. 2.136).
230
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.135 Bereich der Schwingungsspektren im elektromagnetischen Spektrum 1 E Z hν Z hc Z hcν˜ λ
Abbildung 2.136 Entstehung von Raman-Banden.
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung
231
Elastische Stöße der eingestrahlten Photonen mit der Frequenz ν0 führen zu einem angeregten Zustand, der sofort wieder in den Grundzustand (v Z 0) übergeht. Die Energie des Moleküls ändert sich nicht, die Strahlung wird als Streustrahlung der gleichen Frequenz ν0 abgegeben (Rayleigh-Strahlung). Durch inelastische Stöße der Photonen erfolgen Energieänderungen des Moleküls und der Photonen. Fällt das Molekül nicht in den Grundzustand, sondern in den 1. angeregten Zustand (v Z 1) zurück, so ist die Energie der abgestrahlten Photonen um die Energie des Übergangs v Z 0 nach v Z 1 vermindert: hνStokes Z hν0 K hνvib (Stokes-Linie). Wird ein Molekül angeregt, das sich im 1. angeregten Zustand (v Z 1) befindet und fällt dieses in den Grundzustand zurück, so hat das gestreute Photon eine um die Übergangsenergie v Z 0 nach v Z 1 erhöhte Energie, hνAnti-Stokes Z hν0 C hνvib (Anti-Stokes-Linie). Man misst die intensiveren Stokes-Linien. Die Schwingungsenergie wird relativ zur Anregungsenergie gemessen: hνvib Z hν0 K hνStokes . Sie entspricht der IR-Absorptionsenergie hνvib . Bei der Raman-Spektroskopie werden die Schwingungen mit monofrequenter Strahlung angeregt (z. B. mit einem He-Ne-Laser: λ Z 632,8 nm; ν˜ Z 15 802 cmK 1). Kraftkonstanten Wenn in einem zweiatomigen Molekül AB der Gleichgewichtsabstand der Atome A und B durch eine äußere Krafteinwirkung um Δr verändert wird, dann tritt eine rücktreibende Kraft F Z f $ Δr auf (Gesetz von Hooke). Der Proportionalitätsfaktor f heißt Kraftkonstante. Für zweiatomige Moleküle gilt fAB Z 5,89 $ 10K7
ν˜ 2 (N cmK1) μAC μB
v˜ ist die Wellenzahl der Schwingung in cmK1, μA, μB sind die Reziprokwerte der relativen Atommassen Ar . f kann bei Kenntnis der Massen der Atome durch Messung der Schwingungswellenzahl ν˜ bestimmt werden. Die f-Werte variieren von 1 bis 30 N cmK1. Die Kraftkonstante f ist eine für die Bindungsstärke kovalenter Bindungen charakteristische Größe. Die Kraftkonstanten von Mehrfachbindungen sind höher als die von Einfachbindungen. Bei vergleichbaren Bindungen verhalten sich die Kraftkonstanten von Ein-, Zwei- und Dreifachbindungen annähernd wie 1 : 2 : 3. Beispiel: f in N cmK 1
H3C d CH3 4,5
H2C ] CH2 9,8
HC ^ CH 15,6
Aus den Kraftkonstanten können daher Bindungsordnungen berechnet werden.
232
2 Die chemische Bindung
Beispiel: Bindungsordnung
CO2
CO
NOK 3
SO2
SO3
2,38
2,76
1,20
2,00
2,05
Die Kraftkonstanten ändern sich mit dem Hybridisierungszustand. f wächst mit zunehmendem s-Charakter. Beispiel: Hybridisierung
Molekül
fCH in N cmK1
p sp3 sp2 sp
CH-Radikal CH4 C2H4 C2H2
4,09 4,95 5,12 5,90
In der Tabelle 2.34 sind die f-Werte einiger zweiatomiger Moleküle angegeben. Tabelle 2.34 Kraftkonstanten f einiger zweiatomiger Moleküle Molekül 2C
Hg2 I2 IBr ICl Br2 BrCl Cl2 ClF F2 H2
f in N cmK1
Molekül
f in N cmK1
1,69 1,60 1,98 2,35 2,36 2,77 3,20 4,34 4,45 5,14
HI HBr HCl HF O2 NO CNK CO N2 NOC
2,92 3,84 4,81 8,87 11,41 15,48 16,41 18,56 22,39 25,06
Kraftkonstanten können auch für mehratomige Moleküle bestimmt werden. Ihre Berechnung ist aber meist schwierig. Molekülsymmetrie Nicht jede Normalschwingung führt im IR- oder Raman-Spektrum zu einer Bande. Entartete Schwingungen (Abb. 2.132) besitzen dieselbe Energie, also dieselbe Schwingungsfrequenz und ergeben im Schwingungsspektrum nur eine Bande. Eine Schwingung ist nur dann IR-aktiv (führt zu einer IR-Bande), wenn sich im Verlauf der Schwingung das Dipolmoment μ (vgl. S. 127) des Moleküls ändert. Eine Schwingung ist nur dann Raman-aktiv, wenn sich beim Schwingungsvorgang die Polarisierbarkeit α (vgl. S. 164) ändert. Daraus folgen die Auswahlregeln. Totalsymmetrische Schwingungen sind Ramanaktiv und ergeben die intensivste Raman-Linie. Hat das Molekül ein Symmetriezent-
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung
233
rum (vgl. S. 214, 215), dann sind alle dazu symmetrischen Schwingungen IR-verboten, alle dazu antisymmetrischen Schwingungen Raman-verboten (Alternativverbot). IR-Spektroskopie und Raman-Spektroskopie ergänzen sich. Moleküle desselben Formeltyps und derselben Symmetrie besitzen die gleichen Normalschwingungen. Die IR- und Raman-Aktivität der Normalschwingungen ist typisch für die Symmetrieeigenschaften des Moleküls. Aus den Schwingungsspektren erhält man daher nicht nur Informationen über den Bindungsgrad, sondern auch über die Molekülgeometrie. Beispiele: Molekültyp AB3 Normalschwingungen für trigonal-planare Moleküle
Symmetrische Valenzschwingung vs
BF3 2K CO3 K NO3 SO3
Antisymmetrische Valenzschwingung vas zweifach entartet
Deformationsschwingung γ
Bandenlagen ν˜ in cmK1 νs γ νas
δ
888 1063 1050 1068
691 880 830 496
1454 1415 1390 1391
480 680 720 529
Ra
IR
IR Ra
IR Ra
Deformationsschwingung δ zweifach entartet
Kraftkonstanten f in N cmK1 7,29 7,61 7,96 10,35
Normalschwingungen für pyramidale Moleküle
Symmetrische Valenzschwingung vs
Deformationsschwingung γ
Antisymmetrische Valenzschwingung vas zweifach entartet
Deformationsschwingung δ (e) zweifach entartet
234
NF3 2K SO3 K ClO3 XeO3
2 Die chemische Bindung Bandenlagen ν˜ in cmK1 νs γ νas
δ (e)
1031 967 932 780
642 620 613 344
907 933 982 833
497 469 479 317
IR Ra
IR Ra
IR Ra
IR Ra
Kraftkonstanten f in N cmK1 4,35 5,52 5,87 5,57
Molekültyp AB2 Normalschwingungen für lineare Moleküle (Abb. 2.132)
K N3
CS2 XeF2
Bandenlagen ν˜ in cmK1 νs δ
νas
1344 658 515
647 397 213
2036 1533 557
Ra
IR
IR
Kraftkonstanten f in N cmK1 13,15 7,67 2,83
Normalschwingungen für gewinkelte Moleküle (Abb. 2.132)
O3 SO2 K NO2 Cl2O
Bandenlagen ν˜ in cmK1 νs δ
νas
1110 1151 1323 640
701 518 827 300
1042 1362 1269 686
Ra IR
Ra IR
Ra IR
Kraftkonstanten f in N cmK1 5,70 10,02 7,73 2,92
Nur bei linearen Molekülen mit Symmetriezentrum gilt das Alternativverbot. Molekültyp AB4 Die zahlreichen tetraedrischen Moleküle haben 4 Normalschwingungen, planare Moleküle 6 Normalschwingungen. Gruppenfrequenzen Bestimmte Bindungen oder Atomgruppierungen können weitgehend unabhängig schwingen, auch wenn sie in ein größeres Molekül eingebaut sind. Dies ist dann der Fall, wenn sich das Strukturelement entweder durch die Atommassen oder durch die Kraftkonstanten wesentlich von den übrigen Teilen des Moleküls unterscheidet. Die Schwingungen sind also vom Rest des Moleküls weitgehend unabhängig, ihre Fre-
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung
235
quenzen liegen in einem engen, charakteristischen Frequenzbereich. Dies ermöglicht eine Identifizierung einzelner Strukturelemente und die Klassifizierung unbekannter Substanzen nach ihren funktionellen Gruppen. Beispiele (Wellenzahlen in cmK1):
Kristallgitter Bei vielen kristallinen Verbindungen sind an den Schwingungen alle Gitteratome beteiligt und nicht nur bestimmte Baugruppen des Gitters. So findet man z. B. bei Spinellen vier IR-Banden, die zu Gitterschwingungen gehören. Es kann nicht zwischen Schwingungen der tetraedrisch bzw. oktaedrisch koordinierten Metallatome unterschieden werden. Gibt es in Gitterverbindungen Baugruppen, die im Gesamtgitter abgegrenzt sind, z. B. komplexe Ionen, ist eine Zuordnung von Normalschwingungen zu diesen Baugruppen möglich. Ein interessantes Beispiel ist das Sulvanitgitter. Sulvanite sind Verbindungen der Zusammensetzung Cu3 MeX4 (Me Z V, Nb, Ta; X Z S, Se, Te). Sie kristallisieren kubisch, sowohl die Cu- als auch die Me-Atome sind tetraedrisch von Anionen umgeben (Abb. 2.137a). Die Kraftkonstanten Me d X liegen im Bereich 1,6K2,6 N cmK1, die von Cu d X zwischen 0,3 und 0,6 N cmK1. Da die Kraftkonstanten sehr unterschiedlich sind, gibt es nahezu isolierte Valenzschwingungen der tetraedrischen MeX4-Gruppen. In den Mischkristallen Cu3 Mex Me#1Kx X4 treten die in den Endgliedern gefundenen Banden der Valenzschwingungen in nahezu unveränderter Lage nebeneinander auf (Abb. 2.137b).
Abbildung 2.137 a) Elementarzelle der Sulvanit-Struktur. Nur die umrandeten Anionen liegen innerhalb der Elementarzelle. b) IR-Spektrum des Sulvanitmischkristalls Cu3Nb0,5Ta0,5S4 im Bereich 300K500 cmK1. Die antisymmetrischen Valenzschwingungen der NbS4- und TaS4-Tetraeder treten nebeneinander auf. Ihre Lage ist die der Endkomponenten Cu3NbS4 und Cu3TaS4.
236
2 Die chemische Bindung
2.7.4 Kernresonanzspektroskopie Kernresonanz Atomkerne, die eine ungerade Anzahl Protonen oder Neutronen oder eine ungerade h I (I C 1). h ist die Anzahl beider enthalten, besitzen einen Kernspin. Er beträgt 2π√ Planck-Konstante, I die Kernspinquantenzahl. Sie kann die Werte 0, 1.2, 1, 3.2, 2 ... 9.2 annehmen. Kerne mit I Z 0, die keinen Spin besitzen, sind solche, die eine gerade Anzahl Protonen und Neutronen enthalten. Ist I O 0, so erzeugt der Spin des Atomkerns ein Magnetfeld, die Kerne besitzen ein magnetisches Moment. Die magnetischen Kernmomente werden in Einheiten des Kernmagnetons μK angegeben. μK Z
eh 4π m p c
e Elementarladung, c Lichtgeschwindigkeit, mp Protonenmasse. Kernmagnetische Momente sind um mehrere Größenordnungen kleiner als die magnetischen Momente der Elektronen. Sie liegen im Bereich K2,1 μK bis 5,5 μK. Wegen der 1836mal größeren Masse des Protons gegenüber dem Elektron besteht zwischen dem Bohr’schen Magneton (vgl. Abschn. 5.1.2) und dem Kernmagneton die Beziehung μB Z 1836 μK. In einem äußeren Magnetfeld können sich die magnetischen Kernmomente in 2 I C 1 Richtungen zum äußeren Feld einstellen (vgl. S. 41). Für einen Kern mit I Z 1.2 gibt es zwei Einstellmöglichkeiten zum äußeren Feld, parallele oder antiparallele Ausrichtung der Kernmomente. Ist das Kernmoment parallel zum äußeren Feld ausgerichtet, ist der Zustand energieärmer als bei der antiparallelen Ausrichtung
Abbildung 2.138 Ausrichtung der magnetischen Kernmomente von Kernen mit I Z 1.2 in einem äußeren Feld. Es gibt zwei Zustände unterschiedlicher Energie, deren Energiedifferenz mit der Größe des äußeren Feldes linear zunimmt. Durch Quanten geeigneter Frequenz erfolgt Anregung (kernmagnetische Resonanz). Bei einem äußeren Feld von 1 Tesla liegen die Frequenzen im MHz-Bereich.
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung
237
(Abb. 2.138). Die Energiedifferenz zwischen beiden Zuständen ist proportional zur Größe des äußeren Feldes. In einem Magnetfeld der Induktion 1 Tesla (vgl. Abschn. 5.1.1) beträgt z. B. die Aufspaltung für 1H-Kerne 0,016 J. Durch Aufnahme eines Quants geeigneter Frequenz kann ein Molekül vom energiearmen Zustand in den energiereichen Zustand übergehen. Beträgt das äußere Feld 1 Tesla, dann ist dieAnregungsfrequenz für 1H-Kerne 42,58 · 106 Hz. Auch für andere Kerne ist bei gleichem äußerem Feld der Frequenzbereich zur Anregung 1K50 MHz. Bei der Aufnahme eines Kernresonanzspektrums (NMR-Spektrum, nach nuclear magnetic resonance) wird in einem Hochfrequenzgenerator elektromagnetische Strahlung konstanter Frequenz erzeugt und die Feldstärke des äußeren Feldes kontinuierlich geändert, bis Resonanz erfolgt. Der Energieverlust durch die Resonanz wird als Absorptionspeak registriert. Die für die NMR-Spektroskopie wichtigsten Kerne sind 1H, 13C, 19F, 31P, 15 N, 29Si (I Z 1.2), 14 N (I Z 1), 11B (I Z 3.2). Die Bedeutung der Kernresonanzspektroskopie für die Strukturchemie beruht im Wesentlichen auf zwei Effekten, der chemischen Verschiebung und der Spin-SpinKopplung. Chemische Verschiebung Die Resonanzfrequenz eines Kerns ist von der Feldstärke am Ort des Kerns abhängig. Diese ist jedoch nicht genau identisch mit der Feldstärke des äußeren magnetischen Feldes H0. Die den Atomkern umgebende Elektronenwolke schirmt das äußere Feld ab. Das am Kernort wirksame Feld HK ist also geschwächt. HK Z H0 (1 K σ) σ, die Abschirmungskonstante, hat Werte zwischen 10K2 und 10K5. Wegen der Abschirmung ist eine größere Feldstärke des äußeren Magnetfeldes (chemische Verschiebung) notwendig, damit Resonanz erfolgt. Chemisch unterschiedliche Atome führen zu unterschiedlichen chemischen Verschiebungen. Nur äquivalente Atome ergeben die gleiche Signallage. Die Intensität der Resonanzsignale gibt Information über die Anzahl äquivalenter Atome. Um einen von der Feldstärke und der Resonanzfrequenz unabhängigen Maßstab für die Verschiebung der Resonanzlinien zu erhalten, wird die chemische Verschiebung durch einen dimensionslosen Parameter δ angegeben. K νSt 6 ν 10 δ Z Probe νSt νSt ist die Frequenz einer Vergleichssubstanz. Für die 1H-NMR-Spektroskopie verwendet man Si (CH3)4, für die 19F-NMR-Spektroskopie CCl3F und für die 31P-NMRSpektroskopie 85 % H3PO4. Positive δ-Werte bedeuten, dass die Verschiebung gegenüber der Bezugssubstanz in Richtung kleinerer Feldstärken (höhere Frequenzen) des äußeren Feldes erfolgt.
238
2 Die chemische Bindung
Abbildung 2.139 a) Das 1H-NMR-Spektrum von C2H5OH mit geringer Auflösung zeigt keine Spin-Spin-Kopplung, sondern nur die unterschiedliche chemische Verschiebung der äquivalenten H-Atome der OH-, der CH2- und der CH3-Gruppe. b) Das Spektrum bei mittlerer Auflösung zeigt die Spin-Spin-Kopplung zwischen der CH2und der CH3-Gruppe. Sie führt für die H-Atome der CH2-Gruppe zu 4 Linien mit den relativen Intensitäten 1: 3 : 3 : 1, für die H-Atome der CH3-Gruppe zu 3 Linien mit den relativen Intensitäten 1: 2 : 1.
Beispiel: In der Abb. 2.139a ist die chemische Verschiebung der H-Atome für Ethylalkohol C2H5OH dargestellt. Je elektronegativer der Bindungspartner von Wasserstoff ist, umso weniger wird das Proton abgeschirmt, das Resonanzsignal verschiebt sich zu kleineren Feldstärken. Spin-Spin-Kopplung Das auf einen Kern A wirkende Magnetfeld wird durch den Spin eines benachbarten Atoms (das nicht mit A äquivalent ist) beeinflusst. Besitzt das Nachbaratom B den Kernspin I Z 1.2, führen die beiden möglichen Spineinstellungen und das daraus resultierende Magnetfeld zu einer Schwächung oder Verstärkung des Feldes am Kern A und das Resonanzsignal spaltet in zwei intensitätsgleiche Linien auf, da beide Spinanordnungen gleich wahrscheinlich sind. Hat auch das A-Atom den Kernspin I Z 1.2, dann führt die Spin-Spin-Kopplung auch zu einer Aufspaltung der Resonanzlinie des Atoms B. Beispiel: OPCl2F 31
P-NMR-Spektrum
19
F-NMR-Spektrum
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung
239
Hat Atom A zwei Nachbaratome mit dem Kernspin I Z 1.2, die äquivalent sind, dann führt die Spin-Spin-Kopplung zur Aufspaltung des NMR-Spektrums in drei Linien mit den relativen Intensitäten 1: 2 : 1. Bei drei äquivalenten Nachbaratomen besteht das Spektrum aus 4 Linien mit den relativen Intensitäten 1: 3 : 3 : 1.
Beispiele:
31
P-NMR-Spektren
OPF2Cl
OPF3
Die Multiplizitäten und relativen Intensitäten der durch Spin-Spin-Kopplung von n äquivalenten Nachbarkernen mit I Z 1.2 verursachten Multipletts enthält die folgende Übersicht. n 1 2 3 4 5
Multiplizität 2 3 4 5 6
Relative Intensität 1: 1 1:2: 1 1:3:3: 1 1:4:6:4: 1 1 : 5 : 10 : 10 : 5 : 1
Allgemein gilt für die Multiplizität 2 In C 1. Das NMR-Spektrum von C2H5OH mit mittlerer Auflösung (Abb. 2.139b) besteht auf Grund der Spin-Spin-Kopplung aus einem Singulett, einem Triplett und einem Quartett.
240
2 Die chemische Bindung
Weitere Beispiele:
Es gibt zwei verschiedene P-Atome. Das NMR-Spektrum stimmt mit der angegebenen Struktur überein.
Es gibt nur eine Resonanzlinie. Alle P-Atome sind entsprechend der angegebenen Struktur äquivalent.
Den gleich großen und vom äußeren Magnetfeld unabhängigen Frequenzabstand zwischen den Linien eines Multipletts bezeichnet man als Kopplungskonstante J. Sie nimmt schnell mit der Entfernung zwischen den koppelnden Atomen ab, so dass man auch daraus Informationen über die Molekülgeometrie erhält. Die große P-HKopplungskonstante des 31P-NMR-Spektrums von HPO2K entspricht z. B. der 3 Struktur
Kernspin-Tomographie Die Kernresonanzspektroskopie wird in der medizinischen Diagnostik angewendet. Bei der Kernspin-Tomographie werden durch ein starkes Magnetfeld die 1H-Kerne des untersuchten Gewebes ausgerichtet und nach einem kurzen Hochfrequenzpuls wird mit der abgegebenen elektromagnetischen Strahlung das Gewebe abgebildet. Es können ohne Strahlenbelastung Details sichtbar gemacht werden, die mit der Röntgendiagnostik nicht erfasst werden (vgl. Abschn. 1.3.1 und 5.11.5).
2.7.5 Photoelektronenspektroskopie XPS, ESCA, UPS Durch Ionisierung mit Photonen können Elektronen aus inneren Schalen, äußere Elektronen aus der Valenzschale oder aus Molekülorbitalen entfernt werden. Misst
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung
241
man die kinetische Energie Ekin dieser Elektronen, dann kann man bei bekannter Photonenenergie hν die Bindungsenergie EB der Elektronen berechnen. Ekin Z hν K EB Um die fest gebundenen Rumpfelektronen zu entfernen, sind Röntgenstrahlen erforderlich. Man verwendet annähernd monochromatische Röntgenstrahlung (Linienbreite 1K2 eV), meist die Kα-Linien von Mg (1254 eV) und Al (1487 eV) (vgl. Abschn. 1.4.9). Diese Technik wird Röntgen-Photoelektronen-Spektroskopie (XPS) genannt. Da damit Atome identifiziert werden können, wird sie auch als Elektronenspektroskopie für die chemische Analyse (ESCA) bezeichnet. Die weniger fest gebundenen (kleiner als etwa 40 eV) Elektronen der Valenzschale, der Molekülorbitale und der Energiebänder können bereits durch ultraviolette Strahlung entfernt werden. Man verwendet Heliumemissionslinien der Übergänge He 1s1 2p1 $% He 1s2 (21,22 eV; He(I)) und HeC2p1 $% HeC1s1 (40,8 eV; He(II)). Diese Technik wird Ultraviolett-Photoelektronen-Spektroskopie (UPS) genannt. Der Vorteil der Verwendung energieärmerer Photonen ist eine höhere Auflösung (ca. 0,02 eV), so dass auch die bei der Ionisierung eines Moleküls angeregten Molekülschwingungen erfasst werden können. Energieniveaus von Rumpfelektronen Aus den Röntgen-Photoelektronen-Spektren lassen sich die Bindungsenergien der Unterschalen 1s, 2s, 2p, 3s, 3p usw. für die verschiedenen Elemente bestimmen. Für jedes Element gibt es typische Linien, mit denen es identifiziert werden kann. Beispiele für Bindungsenergien in eV
1s
Li 55
Be 111
B 188
C 284
N 399
O 532
F 686
Ne 867
2p
Na 31
Mg 52
2s 1s
63 1072
89 1305
Al 73 74 118
Si 99 100 149
P 135 136 189
S 164 165 229
Cl 200 202 270
Ar 245 247 320
Bei Proben mit verschiedenen Atomen sind die Linien beider Atomsorten nebeneinander vorhanden. Da die chemische Verschiebung nur einige eV beträgt, ist eine Überlappung von Linien verschiedener Elemente unwahrscheinlich. Als Beispiel sind in der Abb. 2.140 die Linien der Spektren von Co und CoO dargestellt. Chemische Verschiebung Die Bindungsenergie der Rumpfelektronen eines Atoms hängt etwas von der Umgebung des Atoms ab. Positiv geladene Atome ziehen die Rumpfelektronen stärker an als neutrale oder negativ geladene Atome. Metallatome in Oxiden und Salzen haben daher höhere Bindungsenergien als in reinen Metallen. Auch mit zunehmenden Oxidationszahlen wird die Bindungsenergie größer.
242
2 Die chemische Bindung
Abb. 2.140 Schematische Röntgen-Photoelektronen-Spektren von a) metallischem Cobalt und b) Cobaltoxid. Für die p-Orbitale erhält man zwei Linien etwas unterschiedlicher Energie, die durch parallele oder antiparallele Orientierung des Bahndrehimpulses und des Eigendrehimpulses des pElektrons zustande kommen.
Beispiele: Aus dem Vergleich der 2p-Bindungsenergien von Cu und Cr der beiden Spinelle C1 C3 K2 K1
CuCr2 Se3Br und CuCr2Se4 folgt, dass CuCr2Se4 kein Cr(III)-Cr(IV)-Spinell ist, sondern dass im Anionenvalenzband pro Formeleinheit ein Defektelektron vorC1 C3 K2 K1
K1
handen sein muss. Dem entspricht die Formulierung CuCr2 Se3 Se . Se bedeutet ein Defektelektron (vgl. Abschn. 2.4.4.3). Die im Valenzband beweglichen Defektelektronen bewirken die metallische Leitung
CuCr2Se4 CuCr2Se3Br
Bindungsenergien in eV Cu 2p
Cr 2p
952,2 932,2 952,4 932,3
584,0 584,0
574,5 574,6
Abb. 2.141 zeigt, dass die 2p-Elektronen von metallischem Mg eine kleinere Bindungsenergie haben als die der Mg2C-Ionen von MgO, das auf der Metalloberfläche gebildet wurde. Die XPS ist in der Festkörperforschung eine wichtige Methode zur Untersuchung von Oberflächen. Damit können z. B. in der Katalyseforschung chemisorbierte Schichten untersucht werden, ebenso Oberflächenbeschichtungen, die technisch verwendet werden. Molekülorbitale Die Ultraviolett-Photoelektronen-Spektroskopie eignet sich zur Bestimmung der Bindungsenergie und des Charakters (bindend, antibindend, nichtbindend) von Molekülorbitalen. Jede Bande im Spektrum entspricht der Energie eines MO. Häufig wird
2.7 Methoden zur Strukturaufklärung
243
Mg MgO
Intensität
Mg
MgO
50 a)
45 50 Bindungsenergie in eV b)
45
Abb. 2.141 2p-Linien von Mg a) einer „reinen“ Metalloberfläche und b) einer oxidierten Oberfläche.
Abb. 2.142 a) Ionisation eines zweiatomigen Moleküls durch Entfernung eines Elektrons aus einem antibindenden MO. Der Bindungsabstand im Ion ist kleiner als im Molekül. Bei der Ionisation wird aber der Bindungsabstand des neutralen Moleküls „eingefroren“ und es kann keine Anregung der Grundschwingung (v# Z 0) erfolgen, sondern es werden mehrere höhere Schwingungszustände des Ions angeregt (v$ Z 0 $% v# Z 1, 2, 3, ...). Die Schwingungsfrequenzen sind größer als die des neutralen Moleküls. b) Ionisation eines zweiatomigen Moleküls durch Entfernung eines Elektrons aus einem nichtbindenden, schwach bindenden oder schwach antibindenden MO. Die Bindungslänge des Ions ist annähernd gleich der des neutralen Moleküls und es erfolgt nur der Übergang in den Grundschwingungszustand des Ions (v$ Z 0 $% v# Z 0). Die Schwingungsfrequenz ändert sich daher nur wenig.
244
2 Die chemische Bindung
Abb. 2.143 UV-Photoelektronenspektrum von N2 Wellenzahlen K1 K1 b v˜ Z 2150 cm N2 v˜ Z 2345 cm σ p NC 2
( ) ) π b (NC 2 * ) σ s (NC 2
v˜ Z 1810 cm v˜ Z 2390 cm
K1
K1
jedoch die Aufspaltung einer Bande in mehrere dicht benachbarte Linien beobachtet. Die Ursache dafür sind Molekülschwingungen des durch Ionisation entstandenen Molekülions. Betrachten wir ein zweiatomiges Molekül. Entfernt man ein Elektron aus einem antibindenden MO, dann wird die Bindung stärker, die Bindungslänge kürzer und die Schwingungsfrequenz erhöht. Die Ionisation erfolgt aber so schnell, dass die Bindungslänge sich dabei nicht ändert und das entstandene Molekülion die Bindungslänge des neutralen Moleküls behält. Bei der Ionisation kann kein Übergang in den Schwingungsgrundzustand des Ions erfolgen, sondern es erfolgen Übergänge in mehrere angeregte Schwingungszustände (Abb. 2.142a; vgl. auch Abb. 2.133). Wird ein Elektron aus einem bindenden MO entfernt, wird die Bindung geschwächt, die Bindungslänge erhöht sich, und es erfolgen Übergänge in Schwingungszustände des Molekülions mit erniedrigten Schwingungsfrequenzen. Bei der Entfernung eines Elektrons aus einem nichtbindenden, schwach bindenden oder schwach antibindenden MO, ändert sich die Bindungslänge nur wenig, der Übergang erfolgt in den Schwingungsgrundzustand des Ions, und wir beobachten eine einzelne Linie wenig veränderter Frequenz (Abb. 2.142b). In der Abb. 2.143 ist das Photoelektronenspektrum von N2 dargestellt. Es bestätigt die Lage der MOs des Energieniveauschemas der Abb. 2.66. Durch Wechselwirkung zwischen den 2s- und den 2p-Orbitalen wird das σ bp-MO schwach bindend, es liegt energetisch über den stark bindenden π-MOs. Das σ*s -MO wird energieärmer und dadurch schwach antibindend. Die Orbitale σ bp und σ*s ergeben daher scharfe Banden, während die π-MOs zu einer Schwingungsstruktur führen. Die Änderungen der Wellenzahlen bei Entfernung eines Elektrons aus den Molekülorbitalen, verglichen mit dem neutralen Molekül (Abb. 2.143), bestätigen den Orbitalcharakter.
3 Die chemische Reaktion
An chemischen Reaktionen sind eine Vielzahl von Teilchen beteiligt. Die Gesetzmäßigkeiten chemischer Reaktionen sind Gesetzmäßigkeiten des Kollektivverhaltens vieler Teilchen. Zur quantitativen Beschreibung benötigen wir zunächst Definitionen über die an der Reaktion beteiligten Stoffportionen.
3.1 Stoffmenge, Konzentration, Anteil, Äquivalent Für einen abgegrenzten Materiebereich wird der Begriff Stoffportion (nicht Stoffmenge) verwendet. Die Stoffportion ist qualitativ durch die Bezeichnung des Stoffs gekennzeichnet, quantitativ durch Größen wie Masse m, Volumen V, Teilchenanzahl N oder Stoffmenge n. Die SI-Einheit der Stoffmenge n (X) ist das Mol (Einheitenzeichen: mol). Ein Mol ist die Stoffmenge einer Substanz, in der so viele Teilchen enthalten sind wie Atome in 12 g des Kohlenstoffnuklids 12C. Die Teilchen können Atome, Moleküle, Ionen, Elektronen oder Formeleinheiten sein. Die Teilchenanzahl, die ein Mol eines jeden Stoffes enthält, beträgt NA Z 6,02217 · 1023 molK1 Sie wird als Avogadro-Konstante bezeichnet. Beispiele: n (Na) Z 12 mol n (CO2) Z 3 mol Die Stoffmenge von Na beträgt 12 mol. Die Stoffmenge von CO2 beträgt 3 mol. Der Chemiker rechnet vorzugsweise mit der Stoffmenge und nicht mit der Masse. Der Vorteil ist, dass gleiche Stoffmengen verschiedener Stoffe die gleiche Teilchenanzahl enthalten. Bei chemischen Reaktionen ist die Teilchenanzahl wichtig. Die molare Masse M eines Stoffes X ist der Quotient aus der Masse m (X) und der Stoffmenge n (X) dieses Stoffes M (X) Z
m (X) n (X)
Die SI-Einheit ist kg molK1, die übliche Einheit g molK1. Beispiele: M (12C) Z 12 g molK1
246
3 Die chemische Reaktion
M (Na) Z 22,99 g molK1 M (CO2) Z 44,01 g molK1 M (NaCl) Z 58,44 g molK1 Die relative Atommasse Ar und die relative Molekülmasse Mr eines Stoffs in g sind gerade 1 mol. Die relative Molekülmasse ist gleich der Summe der relativen Atommassen der im Molekül enthaltenen Atome. Besteht die Verbindung nicht aus Molekülen, wie z. B. bei Ionenverbindungen, so wird der Begriff Formelmasse verwendet. Beispiele: Mr (CO2) Z Ar (C) C 2 Ar (O) Z 12,01 C 2 · 16,00 Z 44,01 Mr (NaCl) Z Ar (Na) C 2 Ar (Cl) Z 22,99 C 35,45 Z 58,44 Die Stoffmengenkonzentration c (X) (oder einfacher Konzentration) ist die Stoffmenge n (X), die in einem Volumen V vorhanden ist. c (X) Z
n (X) V
Die SI-Einheit ist mol.m3, die übliche Einheit mol.l. Mit wachsender Teilchenzahl pro Volumen wächst die Konzentration. Die Stoffmengenkonzentration kann für flüssige und feste Lösungen sowie für Gasmischungen benutzt werden. Beispiel: c (HCl) Z 0,1 mol.l In 1 l einer HCl-Lösung sind 0,1 mol gasförmiges HCl gelöst. Bei wässrigen Lösungen wird das Lösungsmittel nicht angegeben. Bei nichtwässrigen Lösungen muss es z. B. heißen c (LiAlH4 in Ether) Z 0,01 mol.l. Nicht mehr verwendet werden soll K die Schreibweise 0,1 M HCl-Lösung K die Bezeichnung 0,1 molare Salzsäure K der Begriff Molarität statt Stoffmengenkonzentration Eine andere Konzentrationsgröße ist die Massenkonzentration ρ (X) Z
m (X) V
Bei Konzentrationsgrößen bezieht man also die Größe eines Bestandteils X einer Lösung, z. B. m (X), n (X) auf das Gesamtvolumen der Lösung. Die Molalität b ist der Quotient aus der Stoffmenge n (X) und der Masse m des Lösungsmittels. b (X) Z
n (X) m
3.1 Stoffmenge, Konzentration, Anteil, Äquivalent
247
Die SI-Einheit und die übliche Einheit ist mol.kg. Beispiel: b (NaOH) Z 0,1 mol.kg In der NaOH-Lösung ist 0,1 mol NaOH in 1 kg Wasser gelöst. Nicht mehr verwendet werden soll K die Bezeichnung 0,1 molale Natronlauge Die Molalität hat gegenüber der Stoffmengenkonzentration den Vorteil, dass sie unabhängig von thermisch bedingten Volumenänderungen ist. Der Massenanteil w (X) eines Stoffes X in einer Substanzportion ist die Masse m (X) des Stoffes bezogen auf die Gesamtmasse. w (X) Z
m (X) Σm
Beispiel: Eine verdünnte Schwefelsäure hat den Massenanteil w (H2SO4) Z 9 %. 100 g der verdünnten Schwefelsäure enthalten 9 g H2SO4 und 91 g H2O. Nicht mehr verwendet werden soll K Masseprozent (Gewichtsprozent) Der Stoffmengenanteil (Molenbruch) x (X) eines Stoffes X in einer Substanzportion ist die Stoffmenge n (X) des Stoffes bezogen auf die Gesamtstoffmenge x (X) Z
n (X) Σn
Nicht mehr verwendet werden soll K Molprozent, Atomprozent Beim Anteil wird also die Größe eines Bestandteils X z. B. m (X), n (X), V (X) auf dieselbe Größe aller Bestandteile einer Stoffportion bezogen. Für Neutralisationsreaktionen und Redoxreaktionen ist der Begriff des Äquivalentteilchens zweckmäßig, das abgekürzt einfach Äquivalent genannt wird. 1 eines Teilchens X. z* Bei Neutralisationsreaktionen liefert oder bindet es ein Proton (Neutralisationsäquivalent). Ein Äquivalent ist der Bruchteil
Beispiele: 1 2 H2SO4 ,
1 3 H3PO4 ,
1 2 Na2CO3
248
3 Die chemische Reaktion
Bei Redoxreaktionen nimmt es ein Elektron auf oder gibt es ein Elektron ab (Redoxäquivalent). Beispiele: 1 5 KMnO4 ,
1 6 K2Cr2O7 ,
1 2 H2O2
Ist X ein Ion, besitzt ein Äquivalent gerade eine Ladung (Ionenäquivalent). Beispiele: 1 3C , 3 Fe
1 2C , 2 Mg
1 2K 2 SO4
Die Anzahl der Äquivalente z* eines Teilchens X wird Äquivalentzahl genannt. 1 X (Äquivalent-Stoffmenge); Einheit mol. Stoffmenge von Äquivalenten n z*
( )
Die Stoffmenge einer Stoffportion, bezogen auf Äquivalente, ist gleich dem Produkt der Äquivalentzahl z* und der Stoffmenge, bezogen auf die Teilchen X. n
( )
1 X Z z* n (X) z*
Beispiel: Der Stoffmenge n (H2SO4) Z 0,1 mol, also bezogen auf H2SO4-Moleküle, entspricht die Stoffmenge n (21 H2SO4) Z 0,2 mol, bezogen auf Äquivalente 21 H2SO4. 0,1 mol Moleküle H2SO4 sind 0,2 mol Äquivalente H2SO4. Nicht mehr verwendet werden soll K der Begriff Val K die Angabe 0,2 Val H2SO4 Molare Masse von Äquivalenten M
( )
M (X) m (X) 1 X Z Übliche Einheit: g.mol Z z* z* 1 X n z*
( )
Beispiel: M ( 21 H2SO4) Z 49 g.mol Nicht mehr verwendet werden sollen K der Begriff Äquivalentmasse K der Begriff Grammäquivalent Für die Äquivalentkonzentration (Stoffmengenkonzentration von Äquivalenten) gilt
c
( )
1 X Z z*
n
( ) 1 X z* V
Z z*c (X) Übliche Einheit: mol.l
3.2 Ideale Gase
249
Beispiel: Eine KMnO4-Lösung der Konzentration c (KMnO4) Z 0,04 mol.l hat die Äquivalentkonzentration c (51 KMnO4) Z 0,2 mol.l. Nicht mehr verwendet werden sollen K der Begriff Normalität (für Äquivalentkonzentration) K die Bezeichnung 0,2 normale KMnO4-Lösung K die Angabe 0,2 Val KMnO4.l K die Schreibweise 0,2 N KMnO4-Lösung
3.2 Ideale Gase Da an vielen chemischen Reaktionen Gase teilnehmen, ist die Beschreibung des Gaszustandes wichtig. Im Gaszustand sind die Moleküle oder Atome, aus denen das Gas besteht, in regelloser Bewegung. Ein Gas verhält sich ideal, wenn zwischen den Gasteilchen keine Anziehungskräfte wirksam sind und wenn das Volumen der Gasteilchen vernachlässigbar klein ist gegen das Volumen des Gasraums. Für diesen Grenzfall gilt das ideale Gasgesetz pV Z nRT Es bedeuten: p Druck des Gases, V Gasvolumen, n Stoffmenge, T thermodynamische Temperatur. Zwischen der thermodynamischen Temperatur T in Kelvin und der Celsius-Temperatur t in (C besteht der Zusammenhang T.K Z t.(C C 273,15 Dem absoluten Nullpunkt mit der Temperatur T Z 0 K entspricht also die Temperatur t Z K273,15 (C. Die tiefste in der Natur vorkommende Temperatur beträgt etwa 3 K, im Labor wurde mit 10K9 K der absolute Nullpunkt fast erreicht. Die SI-Einheit des Drucks ist das Pascal (Pa). Auch die Einheit Bar (bar) darf verwendet werden. 1 Pa Z 1 NmK2 1 bar Z 105 Pa In der Chemie sind eine Reihe von Größen auf einen Standarddruck bezogen. Die bislang gebräuchlichste Druckeinheit war die Atmosphäre (atm). Als Standarddruck wurde deshalb 1 atm gewählt. 1 atm Z 1,013 bar Im SI beträgt der Standarddruck 1,013 bar. R nennt man universelle Gaskonstante. Sie hat den Wert R Z 0,083143 bar l KK1 molK1
250
3 Die chemische Reaktion
Für konstante Temperaturen geht das ideale Gasgesetz in das Boyle-Mariott’sche Gesetz über (Abb. 3.1).
Abbildung 3.1 Boyle-Mariott’sches Gesetz. Bei konstanter Temperatur gilt für ideale Gase pV Z const.
pV Z const Nach Gay-Lussac gilt für konstante Drücke V Z const T und für konstante Volumina (Abb. 3.2)
Abbildung 3.2 Gay-Lussac’sches Gesetz. Bei konstantem Volumen gilt für ideale Gase p Z const · T.
p Z const T Für ein Mol eines idealen Gases (n Z 1) gilt RT VZ p
3.2 Ideale Gase
251
Bei allen idealen Gasen nimmt daher bei 1,013 bar Z 1 atm und 0 (C ein Mol ein Volumen von 22,414 l ein. Dieses Volumen wird molares Normvolumen (früher Molvolumen) des idealen Gases V0 genannt. Es enthält NA Teilchen, da ja ein Mol jeder Substanz NA Teilchen enthält (vgl. Abschn. 3.1). Schon 1811 hatte Avogadro auf empirischem Wege das Avogadro-Gesetz gefunden: Gleiche Volumina idealer Gase enthalten bei gleichem Druck und gleicher Temperatur gleich viele Teilchen. Je kleiner der Druck eines Gases und je höher seine Temperatur ist, umso besser sind die Voraussetzungen für ein ideales Verhalten erfüllt. Bei Drücken p & 1 bar und Temperaturen T S 273 K gehorchen beispielsweise Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Chlor, Methan, Kohlenstoffdioxid, Kohlenstoffmonooxid und die Edelgase dem idealen Gasgesetz. In einer Mischung aus idealen Gasen übt jede einzelne Komponente einen Druck aus, der als Partialdruck bezeichnet wird. Der Partialdruck einer Komponente eines Gasgemisches entspricht dem Druck, den diese Komponente ausüben würde, wenn sie sich allein in dem betrachteten Gasraum befände. Der Gesamtdruck des Gasgemisches pgesamt ist gleich der Summe der Partialdrücke der einzelnen Komponenten (Abb. 3.3).
Abbildung 3.3 Stickstoff und Sauerstoff werden bei konstanter Temperatur und unter Konstanthaltung der Volumina der Gase vermischt. In der Gasmischung übt jede Komponente denselben Druck aus wie vor der Vermischung. Den Druck einer Komponente in der Gasmischung nennt man Partialdruck. Der Gesamtdruck des Gasgemisches ist daher gleich der Summe der Partialdrücke von Stickstoff und Sauerstoff.
pgesamt Z pA C pB C pC C ... wobei pA, pB, pC die Partialdrücke der Komponenten A, B, C bedeuten. Beispiel: Ein Liter Sauerstoff mit einem Druck von 0,2 bar und ein Liter Stickstoff mit einem Druck von 0,8 bar werden bei der konstanten Temperatur von 300 K in einem Gefäß von einem Liter vermischt. Die Partialdrücke betragen: pO2 Z 0,2 bar, pN2 Z 0,8 bar. Das Gasgemisch hat einen Gesamtdruck von 1 bar. Für eine Mischung aus idealen Gasen mit den Komponenten A und B gilt das ideale Gasgesetz sowohl für die einzelnen Komponenten als auch für die Gasmischung.
252
3 Die chemische Reaktion
nA und nB sind die Stoffmengen von A und B, pA und pB die Partialdrücke, p ist der Gesamtdruck, n die Gesamtstoffmenge. RT V
Aus
pA Z nA
und
p Z (nACnB)
folgt
pA Z
RT V
nA p nAC nB
und entsprechend pB Z
nB p nAC nB
nA heißt Stoffmengenanteil (Molenbruch) von A. Er ist n AC n B das Verhältnis der Stoffmenge des Gases A zur Gesamtstoffmenge des Gasgemisches. Der Partialdruck einer Komponente des Gasgemisches ist gleich dem Produkt aus Stoffmengenanteil und Gesamtdruck. Aus dem Gasgesetz folgt das Chemische Volumengesetz von Gay-Lussac (1808): Die Volumina gasförmiger Stoffe, die miteinander zu chemischen Verbindungen reagieren, stehen im Verhältnis einfacher ganzer Zahlen zueinander. So verbinden sich z. B. zwei Volumenteile Wasserstoff mit einem Volumenteil Sauerstoff. Das ist natürlich eine Konsequenz der Tatsache, dass alle idealen Gase bei gleicher Temperatur und gleichem Druck in gleichen Volumina gleich viele Teilchen enthalten. Der Umsatz führt zu zwei Volumenteilen H2O-Gas. Daraus schloss Avogadro, dass Sauerstoff und Wasserstoff im Gaszustand nicht aus Atomen, sondern aus den Molekülen H2 und O2 bestehen. Wären im Gaszustand H-Atome und O-Atome vorhanden, dann könnte sich nur ein Volumenteil H2O bilden (Abb. 3.4). Die makroskopischen Gaseigenschaften Druck und Temperatur können auf die mechanischen Eigenschaften der einzelnen Gasteilchen zurückgeführt werden. Dies geschieht in der kinetischen Gastheorie. Die Gasteilchen befinden sich in dauernder schneller Bewegung. Sowohl zwischen den einzelnen Teilchen als auch zwischen den Teilchen und der Gefäßwand des Gases kommt es zu elastischen Zusammenstößen. In gasförmigem Wasserstoff unter Normalbedingungen erfährt z. B. ein H2-Molekül durchschnittlich 1010 Zusammenstöße pro Sekunde. Die durchschnittliche Entfernung, die ein Molekül zwischen zwei Zusammenstößen zurücklegt, wird mittlere freie Weglänge genannt, sie beträgt für Wasserstoff etwa 10K5 cm. Der Quotient x (A) Z
3.2 Ideale Gase
253
Abbildung 3.4 Gleiche Volumina idealer Gase enthalten bei gleichem Druck und gleicher Temperatur dieselbe Anzahl Teilchen. Ein Volumenteil Sauerstoff reagiert mit zwei Volumenteilen Wasserstoff zu zwei Volumenteilen Wasserdampf. Wasserstoff und Sauerstoff müssen daher aus zweiatomigen Molekülen bestehen.
Der Druck des Gases entsteht durch den Aufprall der Gasmoleküle auf die Gefäßwand. Je größer die Anzahl der Moleküle pro Volumen ist und je höher die durchschnittlichen Molekülgeschwindigkeiten sind, umso größer ist der Druck eines Gases. Die genaue Beziehung ist pZ
2 2N mυ 3V 2
Es bedeuten: N Anzahl der Teilchen, m Masse der Teilchen, υ2 Mittelwert aus den verschiedenen Geschwindigkeitsquadraten (nicht identisch mit dem Quadrat der m υ2 mittlere kinetische Energie der Teilchen. Aus dem mittleren Geschwindigkeit), 2 Gasgesetz folgt für 1 mol mυ 3 RT Z NA 2 2
2
Die Temperatur eines Gases ist ein Maß für die mittlere kinetische Energie der Moleküle. Je höher die Temperatur eines Gases ist, umso größer ist demnach die mittlere Geschwindigkeit der Gasteilchen. Da die Moleküle aller idealen Gase bei gegebener Temperatur die gleiche mittlere kinetische Energie besitzen, haben leichte Gasteilchen eine höhere mittlere Geschwindigkeit als schwere Gasteilchen. Die mittlere Geschwindigkeit beträgt bei 20 (C z. B. für H2 1760 m sK1, für O2 440 m sK1. Die Geschwindigkeiten der Gasmoleküle sind über einen weiten Bereich verteilt. Die Gas-
254
3 Die chemische Reaktion
teilchen haben eine von der Temperatur abhängige charakteristische Geschwindigkeitsverteilung. Die Abb. 3.5 enthält dafür Beispiele.
Abbildung 3.5 a) Geschwindigkeitsverteilung von Sauerstoffmolekülen bei zwei Temperaturen. Mit wachsender Temperatur erhöht sich die mittlere Geschwindigkeit der Moleküle. Gleichzeitig wird die Geschwindigkeitsverteilung diffuser: der Geschwindigkeitsbereich verbreitert sich, die Anzahl von Molekülen mit Geschwindigkeiten im Bereich der mittleren Geschwindigkeit wird kleiner. b) Geschwindigkeitsverteilung von Sauerstoffmolekülen und Wasserstoffmolekülen bei 300 K. Die mittlere Geschwindigkeit der leichteren Moleküle ist größer, die Geschwindigkeitsverteilung diffuser.
3.3 Zustandsdiagramme Elemente und Verbindungen können in den drei Aggregatzuständen fest, flüssig und gasförmig auftreten. Zum Beispiel kommt die Verbindung H2O als festes Eis, als
3.3 Zustandsdiagramme
255
flüssiges Wasser und als Wasserdampf vor. In welchem Aggregatzustand ein Stoff auftritt, hängt vom Druck und von der Temperatur ab. Der Zusammenhang zwischen Aggregatzustand, Druck und Temperatur eines Stoffes lässt sich anschaulich in einem Zustandsdiagramm darstellen. Als Beispiel soll das Zustandsdiagramm von Wasser (Abb. 3.6) besprochen werden.
Abbildung 3.6 Zustandsdiagramm von Wasser (nicht maßstabsgerecht).
Aus der Oberfläche einer Flüssigkeit treten Moleküle dieser Flüssigkeit in den Gasraum über. Diesen Vorgang nennt man Verdampfung (vgl. Abb. 3.7a). Befindet
Abbildung 3.7 a) Es verdampfen mehr H2O-Moleküle als kondensieren. Der Dampfdruck ist kleiner als der Sättigungsdampfdruck. Ein verdampfendes H2O-Molekül ist durch H2O, [ ein kondensierendes durch H2O symbolisiert. Y
b) Die Anzahl verdampfender und kondensierender H2O-Moleküle ist gleich. Es herrscht ein dynamisches Gleichgewicht zwischen flüssiger Phase und Gasphase. Der im Gleichgewichtszustand vorhandene Dampfdruck heißt Sättigungsdampfdruck.
256
3 Die chemische Reaktion
sich die Flüssigkeit in einem abgeschlossenen Gefäß, dann üben die verdampften Teilchen im Gasraum einen Druck aus, den man Dampfdruck nennt. Natürlich kehren aus der Gasphase auch Moleküle wieder in die Flüssigkeit zurück (Kondensation). Solange die Anzahl der die Flüssigkeitsoberfläche verlassenden Teilchen größer als die der zurückkehrenden ist, findet noch Verdampfung statt. Sobald aber die Anzahl der kondensierenden Moleküle und die Anzahl der verdampfenden Moleküle gleich geworden sind, befinden sich Flüssigkeit und Gasphase im dynamischen Gleichgewicht (Abb. 3.7b). Der im Gleichgewichtszustand auftretende Dampfdruck heißt Sättigungsdampfdruck. Er hängt von der Temperatur ab und steigt mit wachsender Temperatur. Den Zusammenhang zwischen Temperatur und Sättigungsdampfdruck gibt die Dampfdruckkurve an (Abb. 3.6). Für eine bestimmte Temperatur gibt es nur einen Druck, bei dem die flüssige Phase und die Gasphase nebeneinander beständig sind. Ist der Dampfdruck kleiner als der Sättigungsdampfdruck, liegt kein Gleichgewicht vor, die Flüssigkeit verdampft. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich die Flüssigkeit in einem offenen Gefäß befindet. In einem offenen Gefäß verdampft eine Flüssigkeit vollständig. Erhitzt man eine Flüssigkeit an der Luft, und der Dampfdruck erreicht die Größe des Luftdrucks, beginnt die Flüssigkeit zu sieden. Die Temperatur, bei der der Dampfdruck einer Flüssigkeit gleich 1,013 bar Z 1 atm beträgt, ist der Siedepunkt der Flüssigkeit. Für den Siedepunkt von Wasser ist die Temperatur von 100 (C festgelegt worden. Wird der Luftdruck verringert, sinkt die Siedetemperatur. In einem evakuierten Gefäß siedet Wasser schon bei Raumtemperatur. Bei sehr hohen Dampfdrücken erreicht der Dampf die gleiche Dichte wie die Flüssigkeit (vgl. Abb. 3.8). Der Unterschied zwischen der Gasphase und der flüssigen Phase verschwindet, es existiert nur noch eine einheitliche Phase. Der Punkt, bei dem die einheitliche Phase entsteht und an dem die Dampfdruckkurve endet
Abbildung 3.8 Kritischer Zustand. Eine Flüssigkeit wird in einem abgeschlossenen Gefäß erhitzt. Unterhalb der kritischen Temperatur tk existieren die flüssige und die gasförmige Phase nebeneinander. Die flüssige Phase hat eine größere Dichte als die Gasphase. Wird die kritische Temperatur erreicht, verschwindet die Phasengrenzfläche. Es entsteht eine einheitliche Phase mit einer einheitlichen Dichte. Der bei der kritischen Temperatur auftretende Druck heißt kritischer Druck.
3.3 Zustandsdiagramme
257
(vgl. Abb. 3.6), heißt kritischer Punkt. Der zum kritischen Punkt gehörige Druck heißt kritischer Druck pk, die zugehörige Temperatur kritische Temperatur tk. Oberhalb der kritischen Temperatur können daher Gase auch bei beliebig hohen Drücken nicht verflüssigt werden. In der Tabelle 3.1 sind für einige Stoffe die kritischen Daten angegeben. Tabelle 3.1 Kritische Daten einiger Substanzen Substanz
Kritischer Druck pk in bar
Kritische Temperatur tk in (C
H2O CO2 N2 H2 O2
220,5 73,7 33,9 13,0 50,3
C374 C 31 K147 K240 K119
Feste Phasen haben ebenfalls einen, allerdings geringeren Dampfdruck. Die Verdampfung einer festen Phase nennt man Sublimation. Den Gleichgewichtsdampfdruck für verschiedene Temperaturen gibt die Sublimationskurve an. Sie verläuft steiler als die Dampfdruckkurve. Das Zustandsdiagramm von CO2 z. B. (Abb. 3.9) zeigt, dass bei 1 bar festes CO2 (Trockeneis) nicht verflüssigt werden kann. Der Übergang in die Gasphase erfolgt ohne Schmelzen durch Sublimation. Eine flüssige CO2-Phase kann erst oberhalb 5,2 bar auftreten. Auch bei festem H2O, z. B. Schnee, kann man beobachten, dass er bei tieferen Temperaturen ohne zu schmelzen durch Sublimation verschwindet.
Abbildung 3.9 Zustandsdiagramm von Kohlenstoffdioxid (nicht maßstabsgerecht).
258
3 Die chemische Reaktion
Die Gleichgewichtskurve zwischen fester und flüssiger Phase wird Schmelzkurve genannt. Die Temperatur, bei der die feste Phase unter einem Druck von 1,013 bar schmilzt, wird als Schmelzpunkt bezeichnet. Für den Schmelzpunkt von Eis ist die Temperatur 0 (C festgelegt worden. Der Schmelzpunkt ist mit dem Gefrierpunkt identisch. Die Schmelztemperatur von Eis sinkt mit steigendem Druck. Dies wird nur bei wenigen Substanzen wie Antimon, Bismut und Wasser beobachtet und ist eine Folge der Tatsache, dass sich die flüssige Phase beim Gefrieren ausdehnt (vgl. Abb. 3.6 und Abb. 3.9). Eis kann daher durch Druck verflüssigt werden. Beim Schlittschuhlaufen z. B. wird das Eis durch Druck gleitfähig. Der Punkt, in dem sich Dampfdruckkurve, Sublimationskurve und Schmelzkurve treffen, heißt Tripelpunkt. Am Tripelpunkt sind alle drei Phasen nebeneinander beständig. Für H2O liegt der Tripelpunkt bei 6,10 mbar und 0,01 (C, für CO2 bei 5,2 bar und K57 (C. Zum Verdampfen, Schmelzen und Sublimieren muss Energie zugeführt werden. Die dafür notwendigen Energiebeträge bezeichnet man als Verdampfungswärme, Schmelzwärme und Sublimationswärme. Energieumsätze von Vorgängen, die bei konstantem Druck ablaufen, heißen Enthalpieänderungen. Zugeführte Energien erhalten definitionsgemäß ein positives Vorzeichen (vgl. Abschn. 3.4). Für 1 mol H2O beträgt die Schmelzenthalpie C6,0 kJ, die Verdampfungsenthalpie C40,7 kJ. Den Übergang von der Gasphase in die flüssige Phase nennt man Kondensation, den Übergang von der flüssigen Phase in die feste Phase Kristallisation oder Erstarrung. Dabei wird Energie frei. Frei werdende Energien erhalten ein negatives Vorzeichen. Für 1 mol Wasser beträgt die Kondensationsenthalpie K40,7 kJ und die Kristallisationsenthalpie K6,0 kJ. Die Änderung des Energieinhalts von H2O in Abhängigkeit von der Temperatur ist in der Abb. 3.10 dargestellt. Phasengesetz Es lautet: Anzahl der Phasen P C Anzahl der Freiheitsgrade F Z Anzahl der Komponenten K C 2 PCFZKC2 Beispiel Wasser: Es gibt nur eine stoffliche Komponente: K Z 1. Das Phasengesetz heißt dann P C F Z 3. Freiheitsgrade sind veränderliche Bestimmungsgrößen, also Druck, Temperatur, Konzentration. Wir können drei Fälle unterscheiden (vgl. Abb. 3.6). P Z 3, F Z 0. Die drei Phasen Wasserdampf, flüssiges Wasser, Eis können nur bei einer einzigen Temperatur und einem einzigen Druck nebeneinander existieren (Tripelpunkt). Es existieren keine Freiheitsgrade.
3.3 Zustandsdiagramme
259
Abbildung 3.10 Änderung des Energieinhalts von Wasser in Abhängigkeit von der Temperatur. Bei den Phasenübergängen ändert sich der Energieinhalt sprunghaft. Schmelzen und Verdampfung sind endotherme Vorgänge, es muss Energie zugeführt werden. Kondensation und Kristallisation (Gefrieren) sind exotherme Vorgänge, bei denen Energie frei wird.
P Z 2, F Z 1. Nur eine Größe, Druck oder Temperatur ist frei wählbar, wenn sich zwei Phasen im Gleichgewicht befinden (Dampfdruckkurve, Schmelzkurve, Sublimationskurve). P Z 1, F Z 2. Innerhalb des Existenzbereichs einer Phase können sowohl Druck als auch Temperatur variiert werden. Beispiel Lösungen: Die Lösung soll aus zwei Komponenten bestehen: K Z 2. Das Phasengesetz lautet P C F Z 4. P Z 2, F Z 2. Wir betrachten das Gleichgewicht Flüssigkeit-Dampf. Bei einer bestimmten Temperatur ist jetzt der Dampfdruck erst bei Wahl der Konzentration festgelegt (vgl. Abb. 3.11). Lösungen haben gegenüber dem reinen Lösungsmittel veränderte Dampfdrücke, die von der Konzentration abhängen. Ist die Lösung gesättigt, also ein fester Bodenkörper vorhanden, erhält man P Z 3, F Z 1. Bei einer gewählten Temperatur ist also Sättigungskonzentration und Dampfdruck festgelegt. Dampfdruckerniedrigung von Lösungen, Gesetz von Raoult Wenn man durch Auflösen nichtflüchtiger Stoffe in einem Lösungsmittel eine Lösung herstellt, so ist der Dampfdruck der Lösung kleiner als der des Lösungsmittels. Die Dampfdruckerniedrigung wächst mit zunehmender Konzentration der Lösung. Als Folge der Dampfdruckerniedrigung treten bei einer Lösung eine Gefrierpunktserniedrigung und eine Siedepunktserhöhung auf. Dieser Effekt lässt sich mit Hilfe der Abb. 3.11 verstehen.
260
3 Die chemische Reaktion
Abbildung 3.11 Bei einer Lösung ist der Sättigungsdampfdruck des Lösungsmittels niedriger als bei einem reinen Lösungsmittel. Dies hat eine Siedepunktserhöhung Δts und eine Gefrierpunktserniedrigung Δtg der Lösung zur Folge.
Verglichen mit dem reinen Lösungsmittel, wird wegen der Dampfdruckerniedrigung bei einer Lösung der Dampfdruck von 1,013 bar erst bei einer höheren Temperatur erreicht. Dies bedeutet eine Erhöhung des Siedepunktes. Die Dampfdruckkurve einer Lösung schneidet die Sublimationskurve bei einer tieferen Temperatur als die Dampfdruckkurve des Lösungsmittels. Dies bedeutet, dass der Gefrierpunkt (Z Schmelzpunkt) erniedrigt wird. Die Verschiebung des Gefrierpunktes bzw. des Siedepunktes ist proportional der Molalität b, also proportional der Anzahl gelöster Teilchen: Gefrierpunktserniedrigung Siedepunktserhöhung
Δtg Z Eg b Δts Z Es b
Für b Z 1 ist Δtg Z Eg, die molale Gefrierpunktserniedrigung, und Δts Z Es, die molale Siedepunktserhöhung. Wenn 1 mol Substanz in 1000 g Wasser gelöst ist (b Z 1 mol.kg), dann beträgt die Siedepunktserhöhung 0,51 (C, die Gefrierpunktserniedrigung 1,86 (C, unabhängig davon, welche Substanz gelöst ist. Es und Eg sind Stoffkonstanten, die für jedes Lösungsmittel einen charakteristischen Wert aufweisen. Beispiele: Wasser Ethanol Essigsäure Ammoniak
Es in K kg molK1 0,51 1,21 3,07 0,34
Eg in K kg molK1 K1,86 K1,99 K3,90 K1,32
3.3 Zustandsdiagramme
261
Beim Lösen von Salzen ist die Dissoziation zu beachten. Im Falle einer NaCl-Lösung entstehen durch Dissoziation zwei Teilchen. Für die Gefrierpunktserniedrigung erhält man dadurch Δtg Z 2 Eg bNaCl. Aufgrund der Gefrierpunktserniedrigung, die durch Lösen von Salzen in Wasser auftritt, kann man aus Eis und Salz Kältemischungen herstellen. Die Verhinderung der Eisbildung auf den Straßen durch Streuen von Salz beruht ebenfalls auf der Gefrierpunktserniedrigung von Salzlösungen gegenüber reinem Wasser. Die Gefrierpunktserniedrigung und die Siedepunktserhöhung sind nur dann unabhängig vom gelösten Stoff, wenn sich die Lösung ideal verhält. In idealen Lösungen mit den Komponenten A und B sind die Wechselwirkungen AKB nahezu gleich groß wie die Wechselwirkungen AKA und BKB in den reinen Komponenten. Für ideale Lösungen gilt das Gesetz von Raoult + pA Z xA pA
Der Partialdampfdruck pA der Komponente A ist bei gegebener Temperatur gleich dem Produkt aus dem Stoffmengenanteil xA von A und dem Dampfdruck p+ A der reinen Komponente A.
Abbildung 3.12 Dampfdruckkurven von Lösungen. Die rot gezeichneten Kurven gelten für ideale Lösungen, die dem Gesetz von Raoult gehorchen. Dicke schwarze Linien bedeuten näherungsweise Gültigkeit des Raoult-Gesetzes. a) Negative Abweichungen vom Raoult-Gesetz. Die Wechselwirkungen AKB sind größer als die der reinen Komponenten AKA und BKB. Die Lösungsenthalpien sind negativ (exothermer Vorgang). b) Positive Abweichung vom Raoult-Gesetz. Die Wechselwirkungen AKB sind kleiner als die von AKA und BKB. Die Lösungsenthalpien sind daher positiv (endothermer Vorgang).
262
3 Die chemische Reaktion
Entsprechend gilt für B pB Z xB p+ B und für den Gesamtdampfdruck (Abb. 3.12) + p Z pA C pB Z xA p+ A C xB pB
Ist in der Lösung ein nichtflüchtiger Stoff B gelöst, der einen sehr kleinen Dampfdruck besitzt, so ist der Gesamtdampfdruck annähernd gleich dem Partialdruck pA und für die Dampfdruckerniedrigung gilt + + + Δp Z p+ AK pA Z pAK xA pA Z (1 K xA) pA
und da xA C xB Z 1 folgt
Δp Z xB p+ A
Die Dampfdruckerniedrigung ist proportional dem Stoffmengenanteil der gelösten Substanz. Sind die Wechselwirkungen AKB von denen der reinen Komponenten AKA und BKB verschieden (Abb. 3.12), ist das Raoult-Gesetz nur auf verdünnte Lösungen anwendbar, für die noch annähernd ideales Verhalten gilt. Für nB . nA folgt
n xB z n B A
Berücksichtigt man die Beziehung für die molare Masse von A (vgl. Abschn. 3.1) m MA Z n A A
erhält man
n xB z mB MA Z bB MA A
Für verdünnte Lösungen besteht Proportionalität zwischen Stoffmengenanteil und Molalität. Dampfdruckerniedrigung, Gefrierpunktserniedrigung und Siedepunktserhöhung sind also der Molalität des gelösten Stoffes proportional.
3.4 Reaktionsenthalpie, Standardbildungsenthalpie Bei einer chemischen Reaktion findet eine Umverteilung von Atomen statt. Dabei erfolgt nicht nur eine stoffliche Veränderung, sondern damit verbunden ist gleichzeitig ein Energieumsatz. Mit den energetischen Effekten chemischer Reaktionen befasst sich die Chemische Thermodynamik.
3.4 Reaktionsenthalpie, Standardbildungsenthalpie
263
Mit dem Begriff System wird ein Reaktionsraum definiert, der von seiner Umgebung durch physikalische oder nur gedachte Wände abgegrenzt ist und bei dem nur kontrollierte Einflüsse der Umgebung zugelassen sind (Abb. 3.13). Man unterscheidet:
Abbildung 3.13 Energie- und Materieaustausch eines Systems mit der Umgebung.
Isolierte oder abgeschlossene Systeme. Es findet weder ein Stoffaustausch noch ein Energieaustausch mit der Umgebung statt. Geschlossene Systeme. Es wird zwar Energie, aber keine Materie mit der Umgebung ausgetauscht. Offene Systeme. Sowohl Energie- als auch Stoffaustausch ist möglich. Der jeweilige Zustand eines Systems kann mit Zustandsgrößen beschrieben werden. Zustandsgrößen sind z. B. Druck, Temperatur, Volumen, Konzentration. Sie hängen nicht davon ab, auf welchem Wege der Zustand erreicht wurde. Beispiel: Für 1 mol eines idealen Gases gilt die Zustandsgleichung pV Z RT. Der Zustand des Systems ist durch zwei Zustandsgrößen eindeutig bestimmt. Eine wichtige Zustandsgröße ist der „Energieinhalt“ eines Systems, seine innere Energie U. Die innere Energie ändert sich, wenn vom System Wärme Q aus der Umgebung aufgenommen bzw. an die Umgebung abgegeben wird oder wenn vom System bzw. am System Arbeit W geleistet wird.
264
3 Die chemische Reaktion
1. Hauptsatz der Thermodynamik: Die von einem geschlossenen System mit der Umgebung ausgetauschte Summe von Arbeit und Wärme ist gleich der Änderung der inneren Energie des Systems. ΔU Z Q C W
(3.1)
ΔU bedeutet UEndzustandKUAnfangszustand. Werden Wärme und Arbeit vom System abgegeben, so ist Q und W negativ und die innere Energie U nimmt ab; werden sie dem System zugeführt, ist Q und W positiv und U nimmt zu. Für ein abgeschlossenes System gilt ΔU Z 0 und U Z const. Energie kann nicht vernichtet werden oder neu entstehen (Energieerhaltungssatz). Ändert sich das Volumen eines Systems, so wird die Volumenarbeit W Z KpΔV geleistet (Ist ΔV positiv, erfolgt Volumenzunahme, ist ΔV negativ, Volumenabnahme) (Abb. 3.14). Volumenarbeit ist bei solchen chemischen Reaktionen von Bedeutung, bei denen der Druck konstant bleibt.
Abbildung 3.14 Volumenarbeit. Das Gas in einem Zylinder dehnt sich aus. Dabei wird der Kolben um die Wegstrecke Δ x bewegt. Dazu ist eine Kraft F erforderlich. Die geleistete (vom System verrichtete) Arbeit ist: KW Z FΔ x F KW Z Δ x $ A A W Z K pΔV
Berücksichtigt man nur Volumenarbeit, so erhält man aus Gl. (3.1) ΔU Z QV ΔU Z Qp K pΔV
für V Z const für p Z const
Nimmt die innere Energie des Systems ab, so wird bei konstantem Volumen ΔU nur in Form von Wärme abgegeben. Bei konstantem Druck des Systems kann nur noch ein Teil als Wärme abgegeben werden, der Rest muss für Volumenarbeit zur Verfügung stehen, um den Druck konstant zu halten. Man definiert daher eine neue Zustandsgröße, die Enthalpie H H Z U C pV
3.4 Reaktionsenthalpie, Standardbildungsenthalpie
265
Für Enthalpieänderungen bei konstantem Druck erhält man Δ H Z ΔU C p ΔV Z Qp Die vom System bei konstantem Druck abgegebene Wärme ist nun gleich der Enthalpieabnahme Δ H des Systems. Es gibt chemische Reaktionen, bei denen Energie freigesetzt wird und andere, bei denen Energie verbraucht wird. Die bei einer chemischen Reaktion pro Formelumsatz entwickelte oder verbrauchte Wärmemenge heißt Reaktionswärme. Im SI werden die Reaktionswärmen normalerweise in kJ angegeben, die vorher übliche Einheit war die kcal 1 kcal Z 4,187 kJ Die Reaktionswärme einer chemischen Reaktion, die bei konstantem Druck abläuft, bezeichnet man als Reaktionsenthalpie. Das Symbol für die Reaktionsenthalpie ist Δ H. Bei den folgenden Beispielen läuft die chemische Reaktion in einem geschlossenen System ab. Bei der Reaktion soll im Reaktionsraum die Temperatur konstant (isothermes System) und der Druck konstant (isobares System) bleiben. Unter einem Formelumsatz versteht man z. B. bei der Reaktion 3 H2 C N2 $% 2 NH3 den gesamten Umsatz von 3 mol Wasserstoff und 1 mol Stickstoff zu 2 mol Ammoniak. Dabei wird eine Reaktionswärme von 92,3 kJ entwickelt und an die Umgebung abgegeben. Der fortschreitende Umsatz kann mit der Umsatzvariablen ξ angegeben werden, sie hat die Einheit mol. ξ Z 1 entspricht einem Formelumsatz. Die Reaktionsenthalpie ist gleich der Enthalpieänderung pro Formelumsatz Δ HReaktion Z
ΔH ξ
ξ Z 1 mol
Die übliche Einheit der Reaktionsenthalpie ist kJ.mol. Wird die Reaktionswärme an die Umgebung abgegeben, erhält der Δ H-Wert definitionsgemäß ein negatives Vorzeichen. Die gesamte Reaktionsgleichung mit Stoffund Energiebilanz lautet: 3 H2 C N2 $% 2 NH3
Δ H Z K92,3 kJ.mol
(3.2)
Bei der Bildung von 2 mol Stickstoffoxid aus 1 mol Stickstoff und 1 mol Sauerstoff wird eine Reaktionswärme von 180,6 kJ verbraucht, also der Umgebung entzogen. Die aus der Umgebung aufgenommene Reaktionswärme erhält ein positives Vorzeichen. Die Reaktionsgleichung lautet: N2 C O2 $% 2 NO
Δ H Z C 180,6 kJ.mol
(3.3)
Reaktionen, bei denen Δ H negativ ist, nennt man exotherm, Reaktionen, bei denen Δ H positiv ist, endotherm (Abb. 3.15). Für eine bestimmte Reaktion bezieht sich die Größe der Reaktionsenthalpie natürlich immer auf die dazugehörige Gleichung, in der durch die stöchiometrischen Zahlen der jeweilige Formelumsatz angegeben wird.
266
3 Die chemische Reaktion
Abbildung 3.15 Schematische Energiediagramme. a) Exotherme Reaktion. Der Energieinhalt der Endstoffe ist kleiner als der der Ausgangsstoffe, die Differenz wird als Reaktionswärme frei. ΔH ist negativ. b) Endotherme Reaktion. Der Energieinhalt der Endstoffe ist größer als der der Ausgangsstoffe. Diese Energiedifferenz muss während der Reaktion zugeführt werden. ΔH ist positiv.
Beispiel: H2 C Cl2 $% 2 HCl 1 1 H 2 C 2 Cl2 $% HCl 2
ΔH Z K184,8 kJ.mol ΔH Z K 92,4 kJ.mol
Die Größe der Reaktionsenthalpie ΔH hängt von der Temperatur und dem Druck ab, bei denen die Reaktion abläuft. Man gibt daher die Reaktionsenthalpie für einen definierten Anfangs- und Endzustand der Reaktionsteilnehmer, den so genannten Standardzustand an. Als Standardzustände wählt man bei Gasen den idealen Zustand, bei festen und flüssigen Stoffen den Zustand der reinen Phase, jeweils bei 1,013 bar Z 1 atm Druck. Für die Standardreaktionsenthalpie wird das Symbol ΔH( verwendet. Die jeweilige Reaktionstemperatur wird als Index angegeben. ΔH+ 293 bedeutet also die Standardreaktionsenthalpie bei 293 K. Im Allgemeinen gibt man ΔH( für die Standardtemperatur 25 (C an: ΔH+ 298. ΔH(-Werte, bei denen zur Vereinfachung der Schreibweise die Temperaturangabe weggelassen ist, beziehen sich im Folgenden immer auf die Standardtemperatur 25 (C. Die Temperaturabhängigkeit der Reaktionsenthalpie kann mit Hilfe der Wärmekapazitäten berechnet werden (siehe Lehrbücher der physikalischen Chemie). Satz von Heß Eine Verbindung kann auf verschiedenen Reaktionswegen entstehen. Betrachten wir als Beispiel die Bildung von Kohlenstoffdioxid (vgl. Abb. 3.16). CO2 kann direkt aus Kohlenstoff und Sauerstoff gebildet werden: Weg 1 C C O2 $% CO2
ΔH+ Z K393,8 kJ.mol
Ein anderer Reaktionsweg führt in zwei Reaktionsschritten über die Zwischenverbindung Kohlenstoffmonooxid zu CO2.
3.4 Reaktionsenthalpie, Standardbildungsenthalpie
Weg 2
Schritt 1 Schritt 2
C C 21 O2 $% CO
CO C 21 O2
$% CO2
267
ΔH+ Z K110,6 kJ.mol
ΔH+ Z K283,2 kJ.mol
Nach dem Satz von Heß hängt die Reaktionsenthalpie nicht davon ab, auf welchem Weg CO2 entsteht. Bei gleichem Anfangs- und Endzustand der Reaktion ist die Reaktionsenthalpie für jeden Reaktionsweg gleich groß und unabhängig davon, ob die Reaktion direkt oder in verschiedenen, getrennten Schritten durchgeführt wird. Für die Bildung von CO2 gilt danach + ΔH+ Weg1 Z ΔHWeg2
Der Satz von Heß lautet einfacher: ΔH ist eine Zustandsgröße. Er ist ein Spezialfall des 1. Hauptsatzes der Thermodynamik.
Abbildung 3.16 Nach dem Satz von Heß ist die Reaktionsenthalpie ΔH eine Zustandsgröße, + die nicht vom Reaktionsweg abhängig ist: ΔH+ Weg1 Z ΔHWeg2.
Aufgrund des Heß’schen Satzes können experimentell schwer bestimmbare Reaktionsenthalpien rechnerisch ermittelt werden. Die Reaktionsenthalpie der Reaktion C C 21 O2 $% CO ist experimentell schwierig zu bestimmen, kann aber aus den gut messbaren Reaktionsenthalpien der Oxidation von C und CO zu CO2 berechnet werden. Standardbildungsenthalpie Da ΔH eine Zustandsgröße ist, können wir die Reaktionsenthalpien von chemischen Reaktionen berechnen, wenn wir die Enthalpien der Endstoffe und Ausgangsstoffe kennen. ΔH Z ΣH (Endstoffe) K ΣH (Ausgangsstoffe) Unglücklicherweise lassen sich aber nur Enthalpieänderungen messen, der Absolutwert der Enthalpie (Wärmeinhalt) eines Stoffes ist nicht messbar. Man muss daher eine Enthalpieskala mit Relativwerten der Enthalpien aufstellen. Für diese Enthalpieskala ist es notwendig, einen willkürlichen Nullpunkt festzulegen. Er ist folgendermaßen definiert: Die stabilste Form eines Elements bei 25 (C und einem Druck von
268
3 Die chemische Reaktion
Abbildung 3.17 Die Standardbildungsenthalpie ΔH+ B tritt auf, wenn 1 mol einer Verbindung im Standardzustand aus den Elementen bei Standardbedingungen entsteht. Bei Elementen mit mehreren Modifikationen ist ΔH+ B auf die bei 298 K und 1,013 bar thermodynamisch stabile Modifikation bezogen.
1,013 bar Z 1 atm besitzt die Enthalpie null (vgl. Abb. 3.17). Die Enthalpie einer Verbindung erhält man nun aus der Reaktionswärme, die bei ihrer Bildung aus den Elementen auftritt. Die pro Mol der Verbindung unter Standardbedingungen auftretende Reaktionsenthalpie nennt man Standardbildungsenthalpie. Die Standardbildungsenthalpie ΔH+ B einer Verbindung ist die Reaktionsenthalpie, die bei der Bildung von 1 mol der Verbindung im Standardzustand aus den Elementen im Standardzustand bei der Reaktionstemperatur 25 (C auftritt. Beispiel: Standardbildungsenthalpie von CO2 ΔH+ B (CO2) Z K 394 kJ.mol Dies bedeutet: Lässt man bei 25 (C 1 mol Sauerstoffmoleküle von 1,013 bar Druck und 1 mol Kohlenstoff unter 1,013 bar Druck zu 1 mol CO2 mit dem Druck 1,013 bar reagieren, so tritt die exotherme Reaktionsenthalpie von 394 kJ auf. Kohlenstoff muss als Graphit vorliegen, da bei 298 K und 1,013 bar die beständige Kohlenstoffmodifikation der Graphit und nicht der Diamant ist (vgl. Abb. 3.17). In den Reaktionsgleichungen (3.2) und (3.3) sind die Standardreaktionsenthalpien für 298 K pro Formelumsatz angegeben. Die Standardbildungsenthalpien von NH3 und NO, also jeweils für 1 mol Verbindung, sind daher (vgl. Abb. 3.17): ΔH+ B (NH3) Z K 46,1 kJ.mol + ΔHB (NO) Z C 90,3 kJ.mol Weitere Standardbildungsenthalpien sind in der Tabelle 3.2 angegeben. Mit den ΔH+ BWerten kann man die Reaktionsenthalpien einer Vielzahl von Reaktionen berechnen.
3.4 Reaktionsenthalpie, Standardbildungsenthalpie
269
Tabelle 3.2 Standardbildungsenthalpien ΔH+ B einiger Verbindungen in kJ.mol P4 (g) S8 (g) O3 HF HCl HBr HI H2O (g) H2O (l) H2O2 (g) H2O2 (l) H2S
C 59,0 C102,4 C142,8 K271,3 K 92,4 K 36,4 C 26,5 K242,0 K286,0 K136,3 K187,9 K 20,6
CO CO2 NH3 NO NO2 P4O10 (s) SO2 SO3 (g) NaCl (s) NaF (s) MgO (s)
K 110,6 K 393,8 K 46,1 C 90,3 C 33,2 K2986,2 K 297,0 K 396,0 K 411,3 K 569,4 K 602,3
CaO (s) α-Al2O3 (s) SiO2 (s) α-Fe2O3 (s) Fe3O4 (s) FeS2 (s) CuO (s) H O F Cl N
K 636,0 K1676,9 K 911,6 K 824,8 K1119,2 K 178,4 K 157,4 C 218,1 C 249,3 C 79,5 C 121,8 C 472,5
Für die allgemeine Reaktion aA C bB $% c C C dD mit den Verbindungen A, B, C, D beträgt die Reaktionsenthalpie + + + + ΔH+ 298 Z dΔH298(D) C cΔHB (C) K bΔHB (B) K aΔHB (A)
Beispiel: Für die Reaktion Fe2O3 (s) C 3 CO(g) $% 2 Fe(s) C 3 CO2 (g) erhält man die Reaktionsenthalpie + + + ΔH+ 298 Z 3 ΔHB (CO2) K ΔHB (Fe2O3) K 3 ΔHB (CO)
K1 ΔH+ ) K 1(K824,8 kJ molK1)K3(K110,6 kJ molK1) 298 Z 3(K393,8 kJ mol
ΔH+ 298 Z K24,8 kJ.mol
Die Bildungsenthalpie von Fe ist definitionsgemäß null. Aus den Standardbildungsenthalpien können Bindungsenergien ermittelt werden. Beispiel: Dissoziationsenergie von HCl
D( Z 432 kJ molK1. Die Dissoziationsenergie ist gleich der Bindungsenergie (vgl. Tabelle 2.14). Bei mehratomigen Molekülen mit gleichen Bindungen erhält man eine mittlere Bindungsenergie
270
3 Die chemische Reaktion
Beispiel: Bindungsenergie O d H in H2O
D( Z 927 kJ molK1. Daraus erhält man für die O d H-Bindung als mittlere Bindungsenergie D(.2 Z 463 kJ molK1. Beispiel: Bindungsenergie O d O in H2O2 Die Dissoziationsenergie H2O2 $% 2 O C 2 H beträgt D( Z 1 070 kJ molK1. Im Molekül H d O d O d H existieren drei Bindungen. Zieht man von der Gesamtdissoziationsenergie D( die beiden O d H-Bindungsenergien ab, so erhält man für die Bindungsenergie der O d O-Bindung 144 kJ molK1 (s. auch Tabelle 2.14, Fußnote).
3.5 Das chemische Gleichgewicht 3.5.1 Allgemeines Lässt man Wasserstoffmoleküle und Iodmoleküle miteinander reagieren, bildet sich Iodwasserstoff. H2 C I2 $% 2 HI Es reagieren aber nicht alle H2- und I2-Moleküle miteinander zu HI-Molekülen, sondern die Reaktion verläuft unvollständig. Bringt man in ein Reaktionsgefäß 1 mol H2 und 1 mol I2, so bilden sich z. B. bei 490 (C nur 1,544 mol HI im Gemisch mit 0,228 mol H2 und 0,228 mol I2, die nicht miteinander weiterreagieren. Bringt man in das Reaktionsgefäß 2 mol HI, so erfolgt ein Zerfall von HI-Molekülen in H2- und I2-Moleküle nach der Reaktionsgleichung 2 HI $% H2 C I2 Auch diese Reaktion läuft nicht vollständig ab. Bei 490 (C zerfallen nur solange HIMoleküle bis im Reaktionsgefäß wiederum ein Gemisch von 0,228 mol H2, 0,228 mol I2 und 1,544 mol HI vorliegt. Zwischen den Molekülen H2, I2 und HI bildet sich also ein Zustand, bei dem keine weitere Änderung der Zusammensetzung des Reaktionsgemisches erfolgt. Diesen Zustand nennt man chemisches Gleichgewicht. Wenn bei 490 (C im Reaktionsraum
3.5 Das chemische Gleichgewicht
271
0,228 mol H2, 0,228 mol I2 und 1,544 mol HI nebeneinander vorhanden sind, liegt ein Gleichgewichtszustand vor. Dies ist in der Abb. 3.18 schematisch dargestellt.
Abbildung 3.18 Chemisches Gleichgewicht. Bildung und Zerfall von HI führen zum gleichen Endzustand. Im Endzustand sind die drei Reaktionsteilnehmer in bestimmten Konzentrationen nebeneinander vorhanden. Diese Konzentrationen verändern sich mit fortschreitender Zeit nicht mehr. Ein solcher Zustand wird chemisches Gleichgewicht genannt.
Der Gleichgewichtszustand ist kein Ruhezustand. Nur makroskopisch sind im Gleichgewichtszustand keine Veränderungen feststellbar. Tatsächlich erfolgt aber auch im Gleichgewichtszustand dauernd Zerfall und Bildung von HI-Teilchen. Wie sich im Verlauf der Reaktion die Anzahl der pro Zeiteinheit gebildeten und zerfallenen HI-Moleküle ändert, zeigt schematisch Abb. 3.19. Zu Beginn der Reaktion ist die Anzahl entstehender HI-Moleküle groß, sie sinkt im Verlauf der Reaktion, da die Konzentrationen der reagierenden H2- und I2-Moleküle abnehmen. Die Anzahl zerfallender HI-Moleküle ist zu Beginn der Reaktion natürlich null, da noch keine HI-Teilchen vorhanden sind. Je größer die Konzentration der HI-Moleküle im Verlauf der Reaktion wird, umso mehr HI-Moleküle zerfallen. Bildungskurve und Zerfallskurve nähern sich im Verlauf der Reaktion, bis schließlich die Anzahl zerfallender und gebildeter HI-Moleküle pro Zeiteinheit gleich groß ist, es ist Gleichgewicht erreicht. In der folgenden Zeit tritt keine makroskopisch wahrnehmbare Veränderung mehr ein. Das Auftreten eines Gleichgewichts wird bei der Formulierung von Reaktionsgleichungen durch einen Doppelpfeil # wiedergegeben, wobei % die Hinreaktion und ) die Rückreaktion symbolisiert. H2 C I2 # 2 HI
272
3 Die chemische Reaktion
Abbildung 3.19 Bei der Reaktion von H2 mit I2 zu HI werden nicht nur HI-Moleküle gebildet, sondern gleichzeitig zerfallen auch gebildete HI-Moleküle wieder. Vor Erreichen des Gleichgewichtszustandes bilden sich pro Zeitintervall aber mehr HI-Moleküle als zerfallen, die Bildungsreaktion ist schneller als die Zerfallsreaktion. Im Gleichgewichtszustand ist die Anzahl sich bildender und zerfallender HI-Moleküle gleich groß geworden.
Bei vielen chemischen Reaktionen sind allerdings im Gleichgewicht überwiegend die Komponenten einer Seite vorhanden. Man sagt dann, dass das Gleichgewicht ganz auf einer Seite liegt. Bei der Reaktion 2 H 2 C O 2 # 2 H 2O z. B. liegt das Gleichgewicht ganz auf der rechten Seite, d. h. im Gleichgewichtszustand sind praktisch nur H2O-Moleküle vorhanden.
3.5.2 Das Massenwirkungsgesetz (MWG) Das MWG wurde 1867 von Guldberg und Waage empirisch gefunden. Es kann aber auf Grund thermodynamischer Gesetze exakt abgeleitet werden (vgl. Abschn. 3.5.4). Mit dem MWG wird die Lage eines chemischen Gleichgewichts beschrieben. Es lautet für die Gleichgewichtsreaktion H2 C I2 # 2 HI
(3.4)
2 cHI
c H 2 $ c I2 Z K c cHI, cI2 und cH2 sind die Stoffmengenkonzentrationen von HI, I2 und H2 im Gleichgewichtszustand. Eine große Konzentration bedeutet eine große Teilchenzahl pro Volumen. Kc wird Gleichgewichtskonstante oder Massenwirkungskonstante genannt. Sie ist definiert als Produkt der Konzentrationen der Endstoffe („Rechtsstoffe“) dividiert durch das Produkt der Konzentrationen der Ausgangsstoffe („Linksstoffe“). Die Gleichgewichtskonstante hängt nur von der Reaktionstemperatur ab.
3.5 Das chemische Gleichgewicht
273
Für die Reaktion (3.4) erhält man den Wert der Gleichgewichtskonstante Kc für die Temperatur 490 (C aus den in Abschn. 3.5.1 angegebenen Gleichgewichtskonzentrationen. Hat das dort beschriebene Reaktionsgefäß ein Volumen von 1 Liter, erhält man Kc Z
1,5442 mol2.l2 0,228 mol.l $ 0,228 mol.l
Z 45,9
Es gibt natürlich beliebig viele Kombinationen der H2-, I2- und HI-Konzentrationen, für die das MWG erfüllt ist. Lässt man z. B. 1 mol I2 mit 0,5 mol H2 reagieren, dann sind bei 490 (C im Gleichgewichtszustand 0,930 mol HI, 0,535 mol I2 und 0,035 mol H2 nebeneinander vorhanden Kc Z
0,92962 mol2.l2 0,5352 mol.l $ 0,0352 mol.l
Z 45,9
Für Gasreaktionen ist es zweckmäßig, das MWG in der Form 2 pHI pH2 $ pI2 Z Kp
zu schreiben. pHI, pH2 und pI2 sind die Partialdrücke (vgl. Abschn. 3.2) von HI, H2 und I2 im Gleichgewichtszustand. Für die allgemein geschriebene Reaktionsgleichung aACbB # cCCdD lautet das MWG d cCc cD Z Kc a b cA cB Im MWG sind die Konzentrationen der Stoffe multiplikativ verknüpft, die stöchiometrischen Zahlen a, b, c und d treten daher als Exponenten der Konzentrationen auf. Dies wird sofort klar, wenn man die Reaktion (3.4) in der Form H2 C I2 # HI C HI schreibt. Das MWG lautet dann c2 c $c Kc Z cHI $ cHI Z c HI H2 I2 H2 $ cI2 Die Gleichgewichtskonstanten verschiedener chemischer Reaktionen können sehr unterschiedliche Werte haben. Ist K Z 1, läuft die Reaktion nahezu vollständig in Richtung der Endprodukte ab. Die Ausgangsstoffe sind im Gleichgewicht in so geringer Konzentration vorhanden, dass diese oft nicht mehr messbar ist. Beispiel: 2 H2 C O2 # 2 H2O (g) 2 pH 2O
pH2 2 $ pO2
Z Kp
274
3 Die chemische Reaktion
Bei 25 (C beträgt Kp Z 1080 barK1. Wasser zersetzt sich bei Normaltemperatur nicht. Ist K z 1, liegen im Gleichgewichtszustand alle Reaktionsteilnehmer in vergleichbar großen Konzentrationen vor. Ein Beispiel ist die schon besprochene Reaktion H2 C I2 # 2 HI. Bei 490 (C ist Kp Z 45,9. Wenn K . 1 ist, läuft die Reaktion praktisch nicht ab. Im Gleichgewichtszustand sind ganz überwiegend die Ausgangsprodukte vorhanden. Beispiel: N2 C O2 # 2 NO 2 pNO pN2 $ pO2 Z Kp
Bei 25 (C beträgt Kp Z 10K30. In der Luft sind praktisch nur N2- und O2-Moleküle vorhanden. Gleichgewichtskonstanten beziehen sich auf eine Reaktion mit bestimmter Stöchiometrie. Bei der Benutzung von Zahlenwerten muss man darauf achten, für welche Reaktion die Gleichgewichtskonstante angegeben ist. Beispiel: N2 C O2 # 2 NO 1 1 2 N2 C 2 O2
# NO
2 pNO K 30 pN2 $ pO2 Z Kp (1) Z 10 pNO Z Kp (2) Z 10K 15 1/ 2 1/ 2 p N2 $ p O2
Kp (1) Z Kp2 (2) Homogene Gleichgewichte sind Gleichgewichte, bei denen alle an der Reaktion beteiligten Stoffe in derselben Phase vorhanden sind. Beispiele für Reaktionen, bei denen alle Reaktionsteilnehmer gasförmig vorliegen:
3.5 Das chemische Gleichgewicht
275
Im MWG stehen die Konzentrationen solcher Teilchen, die in der Reaktionsgleichung auftreten. Bei der Oxidation von SO2 mit Sauerstoff tritt im MWG die Konzentration von Sauerstoffmolekülen cO2 auf und nicht die von Sauerstoffatomen cO . Bei der Dissoziation von Wasserstoffmolekülen treten im MWG sowohl die Konzentrationen von Wasserstoffmolekülen cH2 als auch die von Wasserstoffatomen cH auf. Heterogene Gleichgewichte sind Gleichgewichte, an denen mehrere Phasen beteiligt sind. Beispiele für Reaktionen, bei denen feste (s) und gasförmige (g) Reaktionsteilnehmer auftreten: Reaktion C (s) C O2 (g) # CO2 (g) C (s) C CO2 (g) # 2 CO (g) CaCO3 (s) # CaO (s) C CO2 (g)
MWG cCO2 cO2 Z Kc 2 pCO pCO2 Z Kp pCO2 Z Kp
Die Gegenwart fester Stoffe wie C, CaO, CaCO3 ist zwar für den Ablauf der Reaktionen notwendig, aber es ist gleichgültig, in welcher Menge sie bei der Reaktion vorliegen. Sie haben keine veränderlichen Konzentrationen, es treten daher im MWG für feste reine Phasen keine Konzentrationsglieder auf. Der Zusammenhang zwischen den Gleichgewichtskonstanten Kc und Kp lässt sich mit Hilfe des idealen Gasgesetzes ableiten. Betrachten wir zunächst die Reaktion H2 C I2 # 2 HI. Nach dem idealen Gasgesetz pV Z nRT besteht zwischen der Konzentration und dem Partialdruck von H2 die Beziehung nH pH2 Z 2 RT Z cH2 RT V Entsprechend gilt für I2 und HI und
pI2 Z cI2 RT pHI Z cHI RT
Setzt man diese Beziehungen in das MWG ein, erhält man Kp Z
2 2 (RT )2 cHI pHI Z Z Kc pI2 $ pH2 cI2 RTcH2 RT
Für Reaktionen, bei denen auf beiden Seiten der Reaktionsgleichung die Gesamtstoffmenge der im MWG auftretenden Komponenten gleich groß ist, ist Kc Z Kp . Dies ist dann der Fall, wenn die Summe der stöchiometrischen Zahlen dieser Komponenten auf beiden Seiten gleich groß ist. In allen anderen Fällen ist Kc ungleich Kp . Ein Beispiel dafür ist die Reaktion H2 # 2 H. Kp Z
2 2 (RT )2 cH pH Z pH2 cH2RT
Kp Z Kc RT
276
3 Die chemische Reaktion
Für das allgemein formulierte Gleichgewicht aA(g) C bB (s) # cC (g) C dD (g) gilt (B ist fest!) Kp Z Kc (RT ) (cCdKa)
3.5.3 Verschiebung der Gleichgewichtslage, Prinzip von Le Chatelier Die Gleichgewichtslage chemischer Reaktionen kann durch Änderung folgender Größen beeinflusst werden: 1. Änderung der Konzentrationen bzw. der Partialdrücke der Reaktionsteilnehmer. 2. Temperaturänderung. 3. Bei Reaktionen, bei denen sich die Gesamtstoffmenge der gasförmigen Reaktionspartner ändert, durch Änderung des Gesamtdrucks. Nur im ersten Fall erfolgt eine Änderung der Gleichgewichtslage durch Stoffaustausch des Reaktionssystems mit seiner Umgebung. Die Temperaturänderung und Druckänderung sind Zustandsänderungen, die im geschlossenen System (vgl. Abschn. 3.4) zu Änderungen der Gleichgewichtslage führen. Die Verschiebung der Gleichgewichtslage durch Konzentrationsänderung soll am Beispiel der Reaktion SO2 C 21 O2 # SO3 erläutert werden. Die Anwendung des MWG auf diese Reaktion ergibt cSO3 /
12 cSO2 $ cO 2
Z Kc
oder umgeformt cSO3 1/ 2 cSO2 Z Kc cO2
(3.5)
Wenn man die Konzentration von Sauerstoff erhöht, muss sich, wie Gl. (3.5) zeigt, das Konzentrationsverhältnis cSO3.cSO2 im Gleichgewicht ebenfalls erhöhen. Man kann also eine Verschiebung des Gleichgewichts in Richtung auf das erwünschte Reaktionsprodukt SO3 (erhöhter Umsatz von SO2) durch einen Sauerstoffüberschuss erreichen. Die Gleichgewichtskonstanten Kp und Kc ändern sich mit der Temperatur. Durch Temperaturänderung verschiebt sich daher auch das Gleichgewicht. Bei Reaktionen mit Stoffmengenänderung der im MWG auftretenden Komponenten hängt die Gleichgewichtslage vom Druck ab, bei dem die Reaktion abläuft. Die Gleichgewichtskonstanten Kc und Kp selbst sind aber nicht vom Druck abhängig. Die Temperatur- und Druckabhängigkeit der Gleichgewichtslage wird qualitativ durch das Le Chatelier’sche Prinzip beschrieben: Übt man auf ein System, das im Gleichgewicht ist, durch Druckänderung oder Temperaturänderung einen Zwang aus, so verschiebt sich das Gleichgewicht, und zwar so, dass sich ein neues Gleichgewicht einstellt, bei dem dieser Zwang vermindert ist.
3.5 Das chemische Gleichgewicht
277
Das Le Chatelier’sche Prinzip, auch Prinzip des kleinsten Zwangs genannt, soll auf die Reaktionen und
3 H2 C N2
# 2 NH3
C(s) C CO2 # 2 CO
ΔH ( Z K92 kJ.mol
(3.6)
ΔH ( Z C173 kJ.mol
(3.7)
angewendet werden. Erfolgt eine Temperaturerhöhung, so versucht das System, dem Zwang der Temperaturerhöhung auszuweichen. Der Temperaturerhöhung wird entgegengewirkt, wenn das Gleichgewicht sich so verschiebt, dass dabei Wärme verbraucht wird. Bei der Reaktion (3.6) wird Wärme verbraucht, wenn NH3 in H2 und N2 zerfällt. Das Gleichgewicht verschiebt sich also in Richtung der Ausgangsstoffe. Bei der Reaktion (3.7) wird Wärme verbraucht, wenn sich CO bildet, das Gleichgewicht verschiebt sich in Richtung der Endprodukte. Allgemein gilt: Temperaturerhöhung führt bei exothermen chemischen Reaktionen zu einer Verschiebung des Gleichgewichts in Richtung der Ausgangsstoffe, bei endothermen Reaktionen in Richtung der Endprodukte. Quantitativ wird die Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstante Kp durch die Gleichung d ln Kp ΔH( Z dT RT 2 beschrieben (vgl. Abschn. 3.5.4). Nimmt man in erster Näherung an, dass ΔH( temperaturunabhängig ist, so erhält man durch Integration (vgl. Abb. 3.20) ln
(
ΔH( 1 1 K2 Z K K K1 R T2 T1
)
Abbildung 3.20 Abhängigkeit der Gleichgewichtskonstante von der Temperatur. a) endotherme Reaktionen, ΔH( ist positiv. b) exotherme Reaktionen, ΔH( ist negativ.
278
3 Die chemische Reaktion
Beispiel: Für die Reaktion + Z K242 kJ.mol ΔHB
H2 C 21 O2 # H2O (g)
beträgt bei 300 K die Gleichgewichtskonstante K1 pH2O / pH2 $ pO1 22
Z K1 Z 1040 barK1.2
Für die Gleichgewichtskonstante K2 bei 1000 K erhält man: lg
(
)
K242 kJ molK1 1 1 K2 ZK K Z K29,5 300 K 2,30 $ 0,00831 kJ KK1 molK1 1000 K K1
lg K2 Z K29,5 C lg K1 Z K29,5 C 40 Z 10,5 K2 z 1010 barK1.2. Die Gleichgewichtskonstante verringert sich um 30 Zehnerpotenzen, die Gleichgewichtslage verschiebt sich in Richtung der Ausgangsstoffe. Bei großen Temperaturänderungen muss für genaue Berechnungen die Temperaturabhängigkeit von ΔH( berücksichtigt werden (vgl. Abschn. 3.5.4). Aus der Gl. (3.8) lässt sich leicht das folgende Schema ableiten, das natürlich auch aus dem Prinzip von Le Chatelier folgt. ΔT
ΔH(
ΔK
Verschiebung des Gleichgewichts
C C
C K
C K
% )
Die Reaktionen (3.6) und (3.7) verlaufen unter Stoffmengenänderung der gasförmigen Komponenten. Bei der Reaktion (3.6) entstehen aus 4 mol der Ausgangsstoffe 2 mol Endprodukt. Dem Zwang einer Druckerhöhung kann das System durch Verschiebung des Gleichgewichts in Richtung des Endprodukts ausweichen, denn dadurch wird die Gesamtzahl von Teilchen im Reaktionsraum und damit der Druck vermindert. Umgekehrt entstehen bei der Reaktion (3.7) aus 1 mol gasförmigen Ausgangsprodukts 2 mol gasförmigen Endprodukts. Durch eine Druckerhöhung wird das Gleichgewicht nun in Richtung der Ausgangsstoffe verschoben. Bei Reaktionen ohne Stoffmengenänderung verschiebt sich die Gleichgewichtslage bei verändertem Druck nicht. Ein Beispiel dafür ist die Reaktion H2 C I2 # 2 HI. Allgemein gilt: Bei Reaktionen mit Stoffmengenänderung der gasförmigen Komponenten verschiebt sich durch Druckerhöhung das Gleichgewicht in Richtung der Seite mit der kleineren Stoffmenge.
3.5 Das chemische Gleichgewicht Δp
Δ n Z nEndst. K nAusg. St.
Verschiebung des Gleichgewichts
C C C
C 0 K
) keine %
279
Den quantitativen Einfluss der Druckänderung auf die Gleichgewichtslage kann man mit Hilfe des MWG berechnen. Beispiel: Für die Reaktion C C CO2 # 2 CO beträgt bei 700 (C die Gleichgewichtskonstante 2 pCO pCO2 Z Kp Z 0,81 bar
Wir wollen die Änderung der Gleichgewichtspartialdrücke pCO und pCO2 bei Änderung des Gesamtdrucks p berechnen. Aus der Kombination der Beziehung pCO C pCO2 Z p mit dem MWG erhalten wir 2 C pCO Kp K pKp Z 0 pCO
und daraus pCO
Kp C ZK 2
(
)
Kp2 C pKp 4
1 2
Für p Z 1 bar und p Z 10 bar erhält man unter Annahme der Gültigkeit des idealen Gasgesetzes die folgenden Werte: t in (C
p in bar
pCO in bar
pCO2 in bar
pCO2 / pCO
Kp in bar
700 700
1 10
0,58 2,47
0,42 7,53
0,72 3,05
0,81 0,81
In der Abb. 3.21 ist die Druck- und Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtslage der Reaktion 3 H2 C N2 # 2 NH3 graphisch dargestellt. Abb. 3.22 zeigt die Temperaturabhängigkeit des Gleichgewichts der Reaktion C C CO2 # 2 CO.
280
3 Die chemische Reaktion
Abbildung 3.21 Druck- und Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtslage der Reaktion 3 H2 C N2 # 2 NH3.
Abbildung 3.22 Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtslage der Reaktion CO2 C C # 2 CO beim Druck von 1 bar.
3.5 Das chemische Gleichgewicht
281
3.5.4 Berechnung von Gleichgewichtskonstanten Entropie Wir wissen aus Erfahrung, dass es Vorgänge gibt, die freiwillig nur in einer bestimmten Richtung ablaufen. So wird z. B. Wärme von einem wärmeren zu einem kälteren Körper übertragen, nie umgekehrt. Zwei Gase vermischen sich freiwillig, aber sie entmischen sich nicht wieder. Solche Prozesse sind irreversible Prozesse. Bei irreversiblen Prozessen nimmt der Ordnungsgrad ab. Eine Gasmischung z. B. befindet sich in einem Zustand größerer Unordnung als vor der Vermischung. Der Ordnungsgrad eines Stoffes oder eines Systems kann durch eine Zustandsgröße (vgl. Abschn. 3.4), die Entropie S, bestimmt werden. Je geringer der Ordnungsgrad eines Systems ist, umso größer ist seine Entropie. Aufgrund des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik gilt das folgende fundamentale Naturgesetz. In einem energetisch und stofflich abgeschlossenen Reaktionsraum können nur Vorgänge ablaufen, bei denen die Entropie wächst. Ein solches System strebt einem Zustand maximaler Entropie, also maximaler Unordnung entgegen. Im Gegensatz zur Enthalpie (vgl. Abschn. 3.4) können für die Entropie Absolutwerte berechnet werden, denn auf Grund des 3. Hauptsatzes der Thermodynamik gilt: Am absoluten Nullpunkt ist die Entropie einer idealen, kristallinen Substanz null. Als Standardentropie S( ist die Entropie von einem Mol einer reinen Phase bei 25 (C und 1,013 bar Z 1 atm festgelegt worden. Für Gase wird ideales Verhalten vorausgesetzt.
Tabelle 3.3 Standardentropien einiger Stoffe (S( in J KK1 molK1) Gasförmiger Zustand H H2 F F2 Cl Cl2 I I2 N N2 O O2
114,7 130,7 158,8 202,8 165,2 223,1 180,8 260,8 153,3 191,6 161,1 205,2
O3 H2O H 2S SO2 SO3 CO CO2 NH3 NO NO2 HF HCl HI
239,0 188,8 205,8 248,3 256,8 197,7 213,8 192,5 210,8 240,1 173,8 186,9 206,6
Flüssiger Zustand H 2O
70,0
Fester Zustand CGraphit CDiamant Ca Fe I2 Pweiß Prot S CaO α-Fe2 O3
5,7 2,4 41,7 27,3 116,2 41,1 22,8 31,8 39,8 87,5
Tabelle 3.3 enthält die S(-Werte einiger Stoffe. Mit den Standardentropien können die Entropieänderungen von Vorgängen bei Standardbedingungen berechnet werden.
282
3 Die chemische Reaktion
Beispiele für Entropieänderungen bei Phasenumwandlungen: H2O (l) $% H2O (g) + + ΔS+ 298 Z S (H2O (g)) K S (H2O (l)) K1 K1 + ΔS298 Z 188,8 JK mol K70,0 JKK1 molK1 Z 118,8 JKK1 molK1 Die errechnete Entropieänderung würde auftreten, wenn der Phasenübergang H2O (l) $% H2O (g) bei 25 (C und 1,013 bar vor sich ginge. Man gibt also die Entropie von Wasserdampf für 25 (C und 1,013 bar an, obwohl Wasser bei diesen Bedingungen flüssig ist. In der Tabelle 3.3 sind Standardentropien auch für andere fiktive, nur rechnerisch erfassbare, aber nicht tatsächlich existierende Standardzustände angegeben. I2 (s) $% 2 (g)
K1 ΔS+ molK1 298 Z 144,6 JK
Ein Festkörper mit einer regelmäßigen Anordnung der Gitterbausteine hat einen höheren Ordnungsgrad als ein Gas mit unregelmäßig angeordneten, frei beweglichen Teilchen. Bei den Phasenübergängen fest-flüssig (Schmelzen), flüssig-gasförmig (Verdampfung) und fest-gasförmig (Sublimation) nimmt der Unordnungsgrad und damit die Entropie sprunghaft zu. K1 ΔS+ molK1 CDiamant $% CGraphit 298 Z 3,4 JK + Pweiss $% Prot ΔS298 Z K18,3 JKK1 molK1 Die Modifikationen mit der höheren Gitterordnung Diamant und roter Phosphor besitzen die niedrigere Entropie. Beispiele für Entropieänderungen bei chemischen Reaktionen: 1 1 2 H2 C 2 Cl2
# HCl
1 + 1 + + ΔS+ 298 Z S (HCl) K 2 S (H2) K 2 S (Cl2) K1 ΔS+ molK1 K 21 $ 130,7 JKK1 molK1 K 298 Z 186,9 JK ΔS+ Z 10,0 JKK1 molK1 298
C (s) C O2 # CO2 1 2 H2 # H
1 1 2 O2 C 2 C (s) # CO 3 1 2 N2 C 2 H2 # NH3 Ca (s) C 21 O2 # CaO (s)
1 2
$ 223,1 JKK1 molK1
K1 ΔS+ molK1 298 Z 2,9 JK K1 ΔS+ molK1 298 Z 49,4 JK
K1 ΔS+ molK1 298 Z 92,2 JK
+ Z K99,3 JKK1 molK1 ΔS298 K1 ΔS+ molK1 298 Z K104,5 JK
Große Entropieänderungen treten auf, wenn bei der Reaktion eine Änderung der Stoffmenge der gasförmigen Reaktionsteilnehmer erfolgt. Bei abnehmender Stoffmenge gasförmiger Stoffe nimmt die Entropie ab, bei zunehmender Stoffmenge nimmt sie zu. Aus der Änderung der Stoffmenge der gasförmigen Komponenten kann man ohne Kenntnis der Entropiewerte abschätzen, ob bei einer chemischen Reaktion eine Entropiezunahme oder eine Entropieabnahme erfolgt.
3.5 Das chemische Gleichgewicht
283
Wenn in einem System Reaktionen ablaufen, bei denen die Entropie abnimmt, so muss K auf Grund des 2. Hauptsatzes K in der Umgebung des Systems eine Entropiezunahme erfolgen. Damit insgesamt eine Entropiezunahme stattfindet, muss ΔSUmgebung C ΔSSystem O 0 sein. Dies gilt für tatsächlich ablaufende Prozesse, also irreversible Prozesse. Gedanklich lassen sich Zustandsänderungen durchführen, die reversibel sind. Ein reversibler Vorgang lässt sich nicht experimentell verwirklichen, denn er verläuft unendlich langsam, es erfolgen nur unendlich kleine Änderungen der Zustandsgrößen, die jederzeit wieder umkehrbar sein müssen, so dass das System sich dauernd im Gleichgewichtszustand befindet. Finden in einem abgeschlossenen System nur reversible Prozesse statt, so bleibt die Entropie konstant. Bei isothermen reversiblen Vorgängen ist die Entropieänderung ΔS gleich dem Quotienten aus der übertragenen Wärmemenge Qrev und der Temperatur T Qrev ΔS Z (3.9) T Damit kann man z. B. die Entropieänderung eines idealen Gases, das isotherm von V1 auf V2 expandiert, berechnen (Abb. 3.23).
Dem System wird aus der Umgebung reversibel und isotherm die Wärme Qrev zugeführt. Die Qrev Qrev Entropie des Systems nimmt um ΔS Z zu, die der Umgebung um ΔS Z ab. Die T T gesamte zugeführte Wärme wird vom System durch Arbeitsleistung an die Umgebung abgegeben. Nur dann bleibt T konstant. Abbildung 3.23 Isotherme (T Z const) Expansion eines idealen Gases.
Reversible Expansion. Da bei idealen Gasen zwischen den Gasteilchen keine Wechselwirkungsenergie vorhanden ist, kann das Gas ohne Energieaufwand expandieren. Bei idealen Gasen ist die innere Energie U daher nicht vom Volumen, sondern
284
3 Die chemische Reaktion
nur von der Temperatur abhängig. Bei der isothermen Expansion eines idealen Gases ist ΔU Z 0 und auf Grund des 1. Hauptsatzes (Gl. (3.1)) ist Qrev Z KWrev
(3.10)
Von der Umgebung wird dem idealen Gas die Wärmemenge Q reversibel und isoQrev therm zugeführt. Dies hat eine Entropiezunahme des Gases um C und eine T Qrev zur Folge. Die Gesamtentropie bleibt Entropieabnahme der Umgebung um K T konstant. Bei der isothermen Expansion des idealen Gases muss vom System Volumenarbeit gegen den äußeren Druck geleistet werden (s. S 264). V2
KWrev Z
V2
dV
∫p dV Z n RT ∫ V
V1
V1
Z n RT ln
V2 p Z n RT ln 1 p2 V1
Für die Entropiezunahme eines idealen Gases erhält man aus den Gl. (3.9) und (3.10) ΔS Z n R ln
V2 p Z n R ln 1 p2 V1
(3.11)
Irreversible Expansion. Das System ist abgeschlossen. Das Gas breitet sich aus einem Raum mit V1 in einem erweiterten Raum mit V2 aus. Der Vorgang ist irreversibel, er erfolgt isotherm und ohne Arbeitsleistung. Die Entropiezunahme des Gases beträgt wie bei der reversiblen isothermen Expansion ΔS Z n R ln
V2 V1
aber jetzt wird der Umgebung keine Entropie entnommen. Die Umwandlung der gesamten zugeführten Wärme in Volumenarbeit ist nur bei der reversiblen isothermen Expansion möglich. Da jeder tatsächliche Prozess mindestens teilweise irreversibel ist, ist die Volumenarbeit stets kleiner als die zugeführte Wärme Q. Die maximale Arbeit erhält man als Grenzfall für reversible Prozesse. Die Entropieänderung bei der Verdampfung einer Flüssigkeit ist gleich dem Quotienten aus der Verdampfungsenthalpie ΔHv und der Siedetemperatur. ΔS Z
ΔHv TS
Für viele Flüssigkeiten beträgt die molare Verdampfungsentropie ungefähr 88 JKK1 molK1 (Trouton’sche Regel). Das bedeutet, dass sich der Unordnungsgrad bei der Verdampfung sprunghaft um den gleichen Wert erhöht.
3.5 Das chemische Gleichgewicht
285
Freie Reaktionsenthalpie, freie Standardbildungsenthalpie Die Gleichgewichtslage einer chemischen Reaktion hängt sowohl von der Reaktionsenthalpie ΔH als auch von der Reaktionsentropie ΔS ab. Entropie und Enthalpie werden daher zu einer neuen Zustandsfunktion, der freien Enthalpie G, verknüpft. Für eine chemische Reaktion, die bei der Temperatur T abläuft, ist die freie Reaktionsenthalpie ΔG Z ΔH K TΔS
(3.12)
Wenn alle Reaktionsteilnehmer im Standardzustand (vgl. Abschn. 3.4) vorliegen, ist die pro Formelumsatz auftretende Änderung der freien Reaktionsenthalpie ΔG+ Z ΔH+ K TΔS+
(3.13)
ΔG( ist die freie Standardreaktionsenthalpie. Gewinnt man bei einem chemischen Prozess Arbeit, so kann bei einer isotherm (T Z const) ablaufenden chemischen Reaktion ihr Betrag maximal ΔG sein (maximale Arbeit). Dies ergibt sich aus folgender Überlegung: Nimmt bei einer Reaktion die Entropie um ΔS ab, dann muss der Umgebung mindestens die Entropie ΔS zugeführt werden, damit insgesamt keine Entropieabnahme erfolgt. Von der frei werdenden Reaktionsenthalpie ΔH muss daher mindestens der Anteil TΔS an die Umgebung abgegeben werden, und nur der Rest steht zur Arbeitsleistung zur Verfügung. Nimmt bei einer Reaktion die Entropie um ΔS zu, so kann bei insgesamt konstanter Entropie auch noch die der Umgebung entnommene Wärme TΔS in Arbeit umgewandelt werden. Da bei allen tatsächlich ablaufenden Vorgängen die Entropie wächst, ist die maximale Arbeit ein praktisch nicht erreichbarer Grenzwert, der nur für reversible Prozesse gilt, bei denen die Gesamtentropie konstant ist. Für reale Prozesse ist W ! ΔG. Bei elektrochemischen Reaktionen ist die maximale Arbeit mit der elektromotorischen Kraft (EMK) ΔE der Reaktion wie folgt verknüpft (vgl. Abschn. 3.8.4). ΔG Z KzFΔE
(3.14)
zF ist die bei vollständigem Umsatz transportierte Ladungsmenge (vgl. Abschn. 3.8.5). Für Standardbedingungen erhält man aus ΔG( die Standard-EMK (vgl. S. 350). ΔG+ Z KzFΔE+
(3.15)
Ebenso wie Absolutwerte der Enthalpie (vgl. Abschn. 3.4) sind auch Absolutwerte der freien Enthalpie nicht messbar. Man setzt daher die freie Enthalpie der Elemente in ihren Standardzuständen null und bestimmt die freie Bildungsenthalpie chemischer Verbindungen, die bei ihrer Bildung aus den Elementen auftritt. Die freie Standardbildungsenthalpie ΔG+ B ist die freie Bildungsenthalpie, die bei der Bildung von 1 mol einer Verbindung im Standardzustand aus den Elementen im Standardzustand auftritt. Beispiel: C C O2 # CO2
K1 ΔG+ B Z K394,6 kJ mol
286
3 Die chemische Reaktion
K1 Die Aussage ΔG+ bedeutet, dass die freie Enthalpie von 1 mol B Z K394 kJ mol ( CO2 bei 25 C und 1,013 bar um 394 kJ kleiner ist als die Summe der freien Enthalpie von 1 mol CGraphit und 1 mol O2 unter gleichen Bedingungen (vgl. Abb. 3.17).
Tabelle 3.4 Freie Standardbildungsenthalpien (ΔG+ B in kJ.mol) P4 (g) S8 (g) O3 HF HCl HBr HI H2O (g) H2O (l) H2O2 (l) H2S
C 24,5 C 49,7 C163,3 K273,4 K 95,4 K 53,5 C 1,7 K228,7 K237,3 K120,5 K 33,6
CO CO2 NH3 NO NO2 P4O10 (s) SO2 SO3 (g) NaCl (s) NaF (s) MgO (s)
K 137,2 K 394,6 K 16,5 C 86,6 C 51,3 K2699,8 K 300,4 K 371,3 K 384,3 K 541,4 K 570,0
CaO (s) α-Al2O3 (s) SiO2 (s) α-Fe2O3 (s) Fe3O4 (s) FeS2 (s) CuO (s) H O F Cl N
K 604,6 K1583,5 K 857,3 K 742,8 K1016,2 K 167,1 K 129,8 C 203,4 C 231,9 C 62,0 C 105,8 C 455,9
Die ΔG+ B -Werte einiger Verbindungen sind in der Tabelle 3.4 angegeben. Mit den -Werten lassen sich die freien Enthalpien ΔG( chemischer Reaktionen für StanΔG+ B dardbedingungen berechnen. Beispiel: 1 1 2 CO2 C 2 C
# CO
1 1 + + + ΔG+ 298 Z ΔG (CO) K 2 ΔGB (C) K 2 ΔGB (CO2) K1 )K0 K ΔG+ 298 Z 1 (K 137,2 kJ mol
ΔG+ 298 Z 60,1 kJ mol
K1
1 2
(K 394,6 kJ molK1)
In einem abgeschlossenen System sind nur Vorgänge möglich, bei denen die Entropie zunimmt. Ein chemisches Reaktionssystem ist normalerweise nicht abgeschlossen, mit der Umgebung kann Energie ausgetauscht werden. Bei isotherm und isobar ablaufenden chemischen Reaktionen führt der Austausch der Reaktionsenthalpie zu einer Entropieänderung der Umgebung um ΔHReaktion ΔSUmgebung Z K T An die Umgebung abgegebene Reaktionsenthalpie (ΔH negativ) führt zu einer Entropiezunahme der Umgebung (ΔS positiv). Ist die Reaktion endotherm (ΔH positiv), nimmt die Entropie der Umgebung ab (ΔS negativ). Für die Entropie des Gesamtsystems gilt ΔSGesamtsystem Z ΔSReaktion C ΔSUmgebung O 0 Für das chemische Reaktionssystem folgt daraus ΔHReaktion O0 und ΔGReaktion ! 0 ΔSReaktion K T
3.5 Das chemische Gleichgewicht
287
Die Entropie des Gesamtsystems kann nur zunehmen, wenn die freie Reaktionsenthalpie ΔG negativ ist. Die Größe von ΔG, die sich nur auf das chemische Reaktionssystem und nicht auch auf seine Umgebung bezieht, entscheidet also darüber, ob eine Reaktion möglich ist. Bei konstanter Temperatur und konstantem Druck kann eine chemische Reaktion nur dann freiwillig ablaufen, wenn dabei die freie Enthalpie G abnimmt. ΔG ! 0 ΔG O 0
ΔG Z 0
Die Reaktion läuft freiwillig ab, es kann Arbeit gewonnen werden. Die Reaktion kann nur durch Zufuhr von Arbeit erzwungen werden. Es herrscht Gleichgewicht.
Mit Hilfe dieser Gleichgewichtsbedingung kann man das MWG und eine Beziehung zwischen Kp und ΔG( ableiten. Wir betrachten dazu die Reaktion 3 H2 C N2 # 2 NH3 Der Endzustand soll bei konstanter Temperatur auf zwei verschiedenen Wegen erreicht werden (Abb. 3.24). Auf dem Weg 1 erfolgt beim Umsatz von 3 mol H2 mit dem Druck pH2 und 1 mol N2 mit dem Druck pN2 zu 2 mol NH3 mit dem Druck pNH3 eine Änderung der freien Enthalpie um ΔG. Auf dem Weg 2 werden zunächst N2 und H2 in den Standardzustand überführt. Bei der isothermen Expansion oder Kompression eines idealen Gases ist ΔH Z 0, da H nur von der Temperatur abhängt, und für ΔG folgt aus den Gl. (3.11) und (3.12)
Abbildung 3.24 Sind in einem Reaktionsgemisch pH2 , pN2 und pNH3 Gleichgewichtspartialdrücke, dann existiert für die Reaktion 3 H2 C N2 # 2 NH3 keine Triebkraft, und ΔG Z 0. Da ΔG eine Zustandsgröße ist, erhält man unter der Voraussetzung, dass die Partialdrücke des Anfangs- und des Endzustandes Gleichgewichtspartialdrücke sind, als Bilanz der freien Enthalpien für die beiden Reaktionswege die wichtige Beziehung ΔG( Z KRT ln Kp, in der freie Standardreaktionsenthalpie und Gleichgewichtskonstante verknüpft sind.
288
3 Die chemische Reaktion
p Endzustand ΔG Z K TΔS Z n RT ln p Anfangszustand Stickstoff und Wasserstoff im Standardzustand werden zu Ammoniak im Standardzustand umgesetzt, dabei tritt die freie Standardreaktionsenthalpie ΔG( auf. NH3 wird aus dem Standardzustand in den Endzustand überführt. Da die freie Enthalpie eine Zustandsgröße ist, gilt
+ + Wird p in bar angegeben, dann betragen die Standarddrücke p+ N2 Z pH2 Z pNH3 Z 1,013 bar. Wählt man die Drücke pN2 , pH2 und pNH3 so, dass die freie Enthalpie des Anfangszustands gleich der des Endzustands ist (ΔG Z 0), dann sind diese Drücke gleich den Partialdrücken eines Reaktionsgemisches, das sich im Gleichgewicht befindet. Bei der Bildung oder dem Zerfall von NH3 unter Gleichgewichtsbedingungen tritt keine freie Enthalpie auf, ΔG Z 0. Dies wäre z. B. in einem sehr großen Reaktionsraum möglich, in dem sich bei der Reaktion die Gleichgewichtspartialdrücke nicht ändern. Für Gleichgewichtsbedingungen gilt also
Da ΔG( nur von der Temperatur abhängt, folgt daraus das Massenwirkungsgesetz 2 pNH 3
pH3 2
$ pN2
Z Kp
und
ΔG+ Z KRT ln
Kp K+ p
(3.16)
Aus den Beziehungen (3.13) und (3.16) folgt: Je mehr Reaktionswärme frei wird und je mehr die Entropie zunimmt, umso weiter liegt bei einer chemischen Reaktion das Gleichgewicht auf der Seite der Endstoffe. Die Gleichgewichtskonstante K hängt von der Wahl des Standardzustands ab. Bei Gasen ist der Standardzustand durch den Druck 1,013 bar festgelegt, die Gleichgewichtskonstante K Z Kp wird durch die Partialdrücke der Reaktionsteilnehmer in bar ausgedrückt. Bei Reaktionen in Lösungen ist der Standardzustand als eine Lösung der Konzentration c Z 1 mol.l bei 25 (C definiert, die Massenwirkungskonstante K Z Kc ist durch die Konzentrationen der Reaktionsteilnehmer in mol lK1 gegeben. Für die Beziehung zwischen ΔG( und Kc gilt ΔG+ Z KRT ln
Kc
K+ c
(3.17)
3.5 Das chemische Gleichgewicht
289
Damit in den Gl. (3.16) und (3.17) als Argument des Logarithmus nur Zahlenwerte + auftreten, müssen die Massenwirkungskonstanten durch K+ p bzw. Kc dividiert werden, die sich aus der Reaktionsgleichung und den Standarddrücken p( Z 1,013 bar bzw. den Standardkonzentrationen c( Z 1 mol lK1 ergeben. Für elektrochemische Prozesse erhält man unter Berücksichtigung der Gl. (3.14) und (3.15) für die elektromotorische Kraft einer Reaktion (vgl. Abschn. 3.8.4 und S. 285) aus K ΔG Z ΔG+ C RT ln K+ K RT ln ΔE Z ΔE+ K zF K+ Für die Reaktion N2 C 3 H2 # 2 NH3 ist K1 ΔG+ B (NH3) Z K16,5 kJ mol K1 ΔG+ 298 Z K33,0 kJ mol Aus Gl. (3.16) erhält man lg
Kp (298) K+ p
ZK
ΔG+ 2,303 $ RT
Z 5,78
Kp (298) Z 6 $ 105 barK 2. Für den Umsatz von 3 mol H2 und 1 mol N2 zu NH3 bei Standardbedingungen (298 K; 1,013 bar) erhält man aus Kp die Partialdrücke und Stoffmengen der Komponenten im Gleichgewichtszustand
NH3 H2 N2
Partialdrücke p in bar
n in mol
0,9522 0,0456 0,0152
1,938 0,093 0,031
1,013
2,062
Die Umsätze von ΔG, ΔH und KTΔS im Verlauf der Reaktion sind in der Abb. 3.25 dargestellt. Der Gleichgewichtszustand ist der Endzustand, bei dem die gewonnene freie Enthalpie ΔG am größten ist, G erreicht ein Minimum. Zur Berechnung von ΔG zerlegt man die Reaktion gedanklich in einzelne Schritte. Zunächst erfolgt Bildung von n mol NH3 bei Standardbedingungen, dabei wird n ΔG+ B frei. Aus den im Standardzustand vorliegenden Gasen wird eine Gasmischung hergestellt. Bei der Vermischung von Gasen wächst die Unordnung, die Entropie erhöht sich. Bei der Überführung eines Gases aus dem Standardzustand mit p( Z 1,013 bar in das Reaktionsgemisch mit dem Partialdruck p wächst die Entropie um p( ΔS Z n R ln p
290
3 Die chemische Reaktion
Abbildung 3.25 Umsatz von ΔH, TΔS und ΔG im Verlauf der bei T Z 298 K und p Z 1,013 bar ablaufenden Reaktion 3 H2 C N2 # 2 NH3. ΔG Z n ΔH+ B KTΔS. Sobald G ein Minimum erreicht, besitzt die Reaktion keine Triebkraft mehr, es herrscht Gleichgewicht. Der Grund dafür, dass die Reaktion nicht vollständig abläuft und für G ein Minimum existiert, ist der durch die Mischungsentropie verursachte Beitrag zu ΔG.
Bei der Vermischung von idealen Gasen bleibt die Enthalpie konstant, ΔH Z 0, die freie Enthalpie verringert sich daher um p ΔG Z KTΔS Z n RT ln p( Danach erhält man beim Übergang vom Anfangszustand in den Gleichgewichtszustand pNH3 pH2 pN2 C nH2 RT ln C nN2 RT ln ΔG Z nNH3 ΔG+ B C nNH3 RT ln + + pNH3 pH2 p+ N2 + C 1,938 mol RT ln 0,94 C 0,093 mol RT ln 0,045 C ΔG Z 1,938 mol ΔGB C 0,031 RT ln 0,015
ΔG298 Z K31,98 kJK0,30 kJK0,71 kJK0,32 kJ ΔG298 Z K33,31 kJ Verglichen mit dem Endzustand bei vollständigem Umsatz, erhält man beim Umsatz bis zum Gleichgewichtszustand einen zusätzlichen Gewinn an freier Enthalpie von ΔG Z K0,31 kJ. Daher sind Reaktionen mit positiven Standardreaktionsenthalpien ΔG(, z. B. die Zersetzung von NH3, möglich; die bei der Reaktion entstehende Mischphase führt zu einem Entropiezuwachs und damit zu einem Gewinn an ΔG.
3.5 Das chemische Gleichgewicht
291
Bei der Zersetzung von 2 mol NH3 sind im Gleichgewichtszustand 0,062 mol NH3 zu 0,031 mol N2 und 0,093 mol H2 zerfallen. Die freie Enthalpie setzt sich aus den folgenden Beträgen zusammen: + C 1,938 mol $ RT ln 0,94 C ΔG Z 0,062 mol $ ΔGB C 0,093 mol $ RT ln 0,045 C 0,031 mol $ RT ln 0,015
ΔG298 Z C1,02 kJK0,30 kJK0,71 kJK0,32 kJ ΔG298 Z K0,31 kJ Chemische Reaktionen mit großen negativen ΔG(-Werten laufen nahezu vollständig ab, bei solchen mit großen positiven ΔG(-Werten findet nahezu keine Reaktion statt. Liegt ΔG( im Bereich von etwa K5 kJ.mol bis C5 kJ.mol, dann existieren Gleichgewichte, bei denen alle Reaktionsteilnehmer in Konzentrationen gleicher Größenordnung vorhanden sind. Aus den ΔG+ B -Werten erkennt man daher sofort, ob sich bei Normaltemperatur eine Verbindung aus den Elementen bilden kann. Beispiele: K1 . ΔG+ B (NO) Z C86,6 kJ mol
Zwischen N2 und O2 findet keine Reaktion statt. NO ist bei Zimmertemperatur thermodynamisch instabil. K1 ΔG+ B (HCl) Z K95,4 kJ mol
Ein Gemisch aus H2 und Cl2 ist thermodynamisch instabil. Das Gleichgewicht liegt auf der Seite von HCl. Die ΔG-Werte sagen aber nichts darüber aus, wie schnell eine Reaktion abläuft. Oft erfolgt die Gleichgewichtseinstellung sehr langsam, so dass thermodynamisch instabile Zustände beständig sind. NO ist bei Zimmertemperatur beständig und auch das Gemisch aus H2 und Cl2 reagiert nicht (vgl. Abschn. 3.6.5). Temperatur und Gleichgewichtslage Bei einer genauen Berechnung der Temperaturabhängigkeit von Kp muss man die Temperaturabhängigkeit von ΔH( und ΔS( berücksichtigen. In erster Näherung kann man aber annehmen, dass die Reaktionsentropie und die Reaktionsenthalpie unabhängig von T und gleich der Standardreaktionsentropie und der Standardreaktionsenthalpie bei 25 (C sind. Für die Temperatur T erhält man dann und
+ + ΔG+ T Z ΔH298 K TΔS298
ΔG+ T Z KRT ln
Kp (T ) K+ p
(3.18) (3.19)
Aus den Beziehungen (3.18) und (3.19) erhält man für die Temperaturen T2 und T1 die Gleichungen
292
3 Die chemische Reaktion
ln
ΔH+ ΔS+ Kp (T2) 298 298 ZK C + RT2 R Kp
(3.20)
ln
ΔH+ ΔS+ Kp (T1) 298 298 ZK C + RT1 R Kp
(3.21)
Die Kombination von Gl. (3.20) und (3.21) ergibt ln
(
ΔH+ Kp (T2) 1 1 298 K ZK R T2 T1 Kp (T1)
)
Wenn die Gleichgewichtskonstante bei T1 bekannt ist, kann man bei Kenntnis von ΔH+ 298 die Gleichgewichtskonstante für die Temperatur T2 berechnen (vgl. Rechenbeispiel Abschn. 3.5.3 und Abb. 3.20). Beispiel: Dissoziationsgleichgewicht von Wasserdampf: 2 H2O # 2 H2 C O2 K1 ΔH+ B (H2O (g)) Z K242,0 kJ mol K1 ΔH+ 298 Z C484,0 kJ mol + + + ΔS298 Z 2 S (H2) C S (O2) K 2 S+(H2O(g)) K1 molK1 C 205,2 J KK1 molK1K2 $ 188,85 J KK1 molK1 ΔS+ 298 Z 2 $ 130,7 J K K1 ΔS+ molK1 298 Z C0,0889 kJ K + + + ΔGT Z ΔH298 K TΔS298 K1 ΔG+ K 298 K $ 0,0889 kJKK1 molK1 Z 457,5 kJ molK1 298 ZC484,0 kJ mol
lg lg
Kp (T ) ΔG+ T ZK + Kp 2,303 RT Kp (298) K+ p
ZK
457,5 kJ molK1 2,303 $ 298 K $ 0,008314 kJ KK1 molK1
Z K80,2
K1 K 1500 K $ 0,0889 kJ KK1 molK1 Z 350,6 kJ molK1 ΔG+ 1500 ZC 484,0 kJ mol
lg
Kp (1500) K+ p
ZK
350,6 kJ molK1 2,303 $ 1500 K $ 0,008314 kJ KK1 molK1
Z K12,2
Einen Vergleich berechneter und experimentell bestimmter Kp-Werte des Gleichgewichts 2 H2O # 2 H2 C O2 zeigt die folgende Tabelle. Selbst bei hohen Temperaturen liefert die einfache Näherung relativ gute Werte.
/
/
T in K
lg Kp K+ p (ber.)
lg Kp K+ p (gem.)
290 298 1500 2505
K82,5 K80,2 K12,2 K 5,4
K82,3 K K11,4 K 4,3
3.5 Das chemische Gleichgewicht
293
Mit der Gleichung ΔG Z ΔH K TΔS kann man die Beziehung zwischen ΔS, ΔH, T und Gleichgewichtslage diskutieren. Bei sehr niedrigen Temperaturen ist TΔS . ΔH, daraus folgt ΔG z ΔH Bei tiefen Temperaturen laufen nur exotherme Reaktionen freiwillig ab. Bei sehr hohen Temperaturen ist TΔS Z ΔH und demnach ΔG z KTΔS Bei sehr hohen Temperaturen können nur solche Reaktionen ablaufen, bei denen die Entropie der Endstoffe größer als die der Ausgangsstoffe ist. Nach den Vorzeichen von ΔH( und ΔS( lassen sich chemische Reaktionen in verschiedene Gruppen einteilen (Energiegrößen in kJ molK1). 1. ΔH( negativ, ΔS( positiv Reaktion 1 H2 C 12 Cl2 2
# HCl
C C O2 # CO2
/
ΔH+ 298
KTΔS+ 298 298 K 1300 K
ΔG+ 298
ΔG+ 1300
lg Kp K+ p 298 K 1300 K
K 92,4
K3,0
K13,0
K 95,4
K105,4
C16,7
C 4,2
K393,8
K0,9
K 3,8
K394,6
K397,4
C69,2
C15,9
Die Gleichgewichtslage verschiebt sich zwar mit steigender Temperatur in Richtung der Ausgangsstoffe, aber bis zu hohen Temperaturen sind die Verbindungen thermodynamisch stabil. 2. ΔH( positiv, ΔS( negativ Reaktion 1 Cl2 C O2 # ClO2 2 3 O2 # O3 2 1 N C O2 # NO2 2 2
/
ΔH+ 298
KTΔS+ 298 298 K 1300 K
ΔG+ 298
ΔG+ 1300
lg Kp K+ p 298 K 1300 K
C102,6
C17,9
C77,9
C120,6
C180,5
K21,1
K7,2
C142,8
C20,5
C89,4
C163,6
C232,2
K28,6
K9,3
C 33,2
C18,1
C79,2
C 51,3
C112,4
K 9,0
K4,5
Das Gleichgewicht liegt bei allen Temperaturen weitgehend auf der Seite der Ausgangsstoffe. ClO2, O3 und NO2 sind bei allen Temperaturen thermodynamisch instabil und bei tieferen Temperaturen nur deswegen existent, weil die Zersetzungsgeschwindigkeit sehr klein ist (vgl. Abschn. 3.6). Wird bei höherer Temperatur die Zersetzungsgeschwindigkeit ausreichend groß, dann zerfallen diese Verbindungen rasch oder sogar explosionsartig.
294
3 Die chemische Reaktion
3. ΔH( und ΔS( haben das gleiche Vorzeichen. ΔG+ 1300
/
ΔH+ 298
KTΔS+ 298 298 K 1300 K
ΔG+ 298
1 H2 # 2H 2 1 N C 12 O2 # NO 2 2 1 CO2 C 12 C # CO 2
C218,1
K14,7
K 64,2
C203,4
C153,9
K35,6
K6,2
C 90,3
K 3,7
K 16,1
C 86,6
C 74,2
K15,2
K3,0
C 86,3
K26,2
K114,4
C 60,1
K 28,1
K10,5
C1,1
1 N C 32 H2 # NH3 2 2 H2 C 12 O2 # H2O
K 46,1
C29,6
C129,1
K 16,5
C 83,0
C 2,9
K3,3
K242,1
C13,2
C 57,7
K228,8
K184,3
C40,1
C7,4
Reaktion
lg Kp K+ p 298 K 1300 K
Wenn ΔH( und ΔS( das gleiche Vorzeichen haben, dann wirken sie auf die Gleichgewichtslage gegensätzlich. Je nach Temperatur können Ausgangsstoffe oder Endstoffe stabil sein (Abb. 3.26). Bei tiefen Temperaturen bestimmt ΔH die Gleichgewichtslage, bei hohen Temperaturen ΔS (vgl. Gl. (3.22) und (3.23)). Stark endotherme Reaktionen mit Entropieerhöhung laufen teilweise erst bei sehr hohen Temperaturen ab. Zum Beispiel ist bei 2 000 (C nur 1% NO im Gleichgewicht mit N2 und O2. Beim Boudouard-Gleichgewicht (vgl. Abb. 3.22) ist schon bei 1 300 K CO2 weitgehend zu CO umgesetzt, da wegen des größeren ΔS(-Wertes ΔG+ 1 300 bereits negativ ist. 100
100
% Endstoffe
% Endstoffe
0
0
T ΔH positiv ΔS positiv Beispiel: C+CO2
2 CD
T ΔH negativ ΔS negativ Beispiel: 3H2+N2
2 NH3
Abbildung 3.26 Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtslage für Reaktionen mit gleichen Vorzeichen der Reaktionsenthalpie und Reaktionsentropie.
Verbindungen, bei denen ΔH( negativ ist, zersetzen sich bei hoher Temperatur, wenn bei der Zersetzung die Entropie wächst. Bei 1 bar ist schon bei 500 (C nur noch 0,1% NH3 im Gleichgewicht mit N2 und H2 (vgl. Abb. 3.21). Die thermische Zersetzung von H2O erfolgt erst bei weit höheren Temperaturen (vgl. Rechenbeispiel), da ΔH( erst bei höheren Temperaturen von TΔS( kompensiert wird.
3.6 Die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen
295
3.6 Die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen 3.6.1 Allgemeines Chemische Reaktionen verlaufen mit sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit. Je nach Reaktionsgeschwindigkeit wird daher die Gleichgewichtslage bei verschiedenen chemischen Reaktionen in sehr unterschiedlichen Zeiten erreicht. Beispiele sind die Reaktionen und
H2 C F2 # 2 HF
(3.24)
H2 C Cl2 # 2 HCl
(3.25)
Bei beiden Reaktionen liegt das Gleichgewicht ganz auf der rechten Seite. Wasserstoffmoleküle reagieren mit Fluormolekülen sehr schnell zu Fluorwasserstoff, so dass die Gleichgewichtslage der Reaktion (3.24) momentan erreicht wird. Chlormoleküle und Wasserstoffmoleküle reagieren bei Normalbedingungen nicht miteinander, so dass bei der Reaktion (3.25) sich das Gleichgewicht nicht einstellt. Die Gleichgewichtslage hat also keinen Einfluss auf die Reaktionsgeschwindigkeit. Für die praktische Durchführung chemischer Reaktionen, besonders technisch wichtiger Prozesse, muss nicht nur die Lage des Gleichgewichts günstig sein, sondern auch die Reaktionsgeschwindigkeit ausreichend schnell sein. Wodurch nun kann man die Reaktionsgeschwindigkeit einer Reaktion in gewünschter Weise beeinflussen? Die Erfahrung zeigt, dass die Reaktionsgeschwindigkeit von der Konzentration der Reaktionsteilnehmer und von der Temperatur abhängt. So erfolgt z. B. in reinem Sauerstoff schnellere Oxidation als in Luft. Bei Erhöhung der Temperatur wächst die Oxidationsgeschwindigkeit. Nach einer Faustregel wächst die Geschwindigkeit einer Reaktion um das 2K4fache, wenn die Temperatur um 10 K erhöht wird. Eine Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit kann auch durch so genannte Katalysatoren erreicht werden. Mit der Geschwindigkeit und den Mechanismen chemischer Reaktionen befasst sich die Chemische Kinetik.
3.6.2 Konzentrationsabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit In welcher Weise die Geschwindigkeit einer Reaktion von der Konzentration der Reaktionspartner abhängt, muss experimentell ermittelt werden. Die Reaktionsgeschwindigkeit r ist die zeitliche Änderung der Konzentration jedc 1 dc des Reaktionsteilnehmers bezogen auf die stöchiometrische Zahl v: r Z . dt v dt dc Für die Reaktionsprodukte ist O 0, v O 0, also r positiv. Für die Ausgangsprodt
296
3 Die chemische Reaktion
dc ! 0, v ! 0, also r ebenfalls positiv. Für die Reaktion 2 A C B $% dt C C 2 D ist z. B.
dukte ist
r ZK
dc dc 1 d cD 1 d cA Z K BZ CZ 2 dt 2 dt dt dt
Für die Spaltung von Distickstoffoxid N2O in Sauerstoff und Stickstoff entsprechend der Reaktionsgleichung 2 N2O $% O2 C 2 N2
(3.26)
gilt die Geschwindigkeitsgleichung (Abb. 3.27) r ZK
1 d cN2O Z k cN2O 2 dt
Abbildung 3.27 Änderung der Konzentration von N2O und N2 mit der Reaktionszeit für die 1 Reaktion N2O $% N2 C 2 O2. dc Die Änderung der Konzentration mit der Zeit zu irgendeinem Zeitpunkt t ist gleich der dt Steigung der Tangente der Konzentration-Zeit-Kurve bei t. Bei zunehmender Konzentration d cN2 ist die Steigung positiv, O 0. Bei abnehmender Konzentration ist die Steigung negativ, dt d cN2O ! 0. Die Absolutwerte der Steigungen sind gleich, da für jedes verschwindende N2Odt 1 dc Molekül ein N2-Molekül entsteht. Für die Reaktionsgeschwindigkeit r gilt r Z . Da v dt d cN2O d cN2 vN2 Z 1 und vN2O Z K1 folgt r Z ZK . dt dt
Diese Gleichung sagt aus, dass die Abnahme der Konzentration von N2O pro Zeiteinheit proportional der Konzentration an N2O ist. In der Geschwindigkeitsgleichung
3.6 Die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen
297
tritt also die Konzentration mit dem Exponenten C1 auf. Reaktionen, die diesem Zeitgesetz gehorchen, werden als Reaktionen erster Ordnung bezeichnet. Der radioaktive Zerfall ist ebenfalls eine Reaktion erster Ordnung (vgl. Abschn. 1.3.1). k wird als Geschwindigkeitskonstante der Reaktion bezeichnet. Sie ist für eine bestimmte Reaktion eine charakteristische Größe und kann für verschiedene Reaktionen sehr unterschiedlich groß sein. Der Zerfall von Iodwasserstoff in Iod und Wasserstoff erfolgt nach der Gleichung 2 HI $% I2 C H2 Die dafür gefundene Geschwindigkeitsgleichung lautet: rZK
1 d cHI 2 Z k cHI 2 dt
Hier tritt die Konzentration mit dem Exponenten 2 auf, es liegt eine Reaktion zweiter Ordnung vor. Chemische Bruttogleichungen geben nur die Anfangs- und Endprodukte einer Reaktion an, also die Stoffbilanz, aber nicht den molekularen Ablauf, den Mechanismus der Reaktion. Trotz ähnlicher Bruttogleichungen zerfallen N2O und HI nach verschiedenen Reaktionsmechanismen. N2O reagiert in zwei Schritten: 2 N2O $% 2 N2 C 2 O O C O $% O2 2 N2O $% O2 C 2 N2
langsame Reaktion schnelle Reaktion Bruttoreaktion
Liegt eine Folge von Reaktionsschritten vor, bestimmt der langsamste Reaktionsschritt die Geschwindigkeit der Gesamtreaktion. Geschwindigkeitsbestimmender Reaktionsschritt für die Reaktion (3.26) ist der Zerfall von N2O in N2 C O. Bei diesem Reaktionsschritt erfolgt an einer Goldoberfläche spontaner Zerfall von N2OMolekülen (vgl. Abb. 3.28). Für den Zerfall ist ein Zusammenstoß mit anderen Molekülen nicht erforderlich. Solche Reaktionen nennt man monomolekulare Reaktionen. Monomolekulare Reaktionen sind Reaktionen erster Ordnung. Der Zerfall von N2O verläuft daher nach einem Zeitgesetz erster Ordnung.
Abbildung 3.28 Beispiel einer monomolekularen Reaktion. N2O-Moleküle zerfallen nach Anlagerung an einer Goldoberfläche in N2-Moleküle und O-Atome. Die Reaktionsgeschwindigkeit dieses Zerfalls ist proportional der N2O-Konzentration. Monomolekulare Reaktionen sind Reaktionen erster Ordnung.
298
3 Die chemische Reaktion
Da HI nach einem Zeitgesetz zweiter Ordnung zerfällt, liegt beim HI-Zerfall offenbar ein anderer Reaktionsmechanismus vor. Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist die Reaktion zweier HI-Moleküle zu H2 und I2 durch einen Zusammenstoß der beiden HI-Moleküle, einen Zweierstoß: HI C HI $% H2 C I2. Eine solche Reaktion nennt man bimolekulare Reaktion (vgl. Abb. 3.29). Das Zeitgesetz dafür hat die Ordnung zwei.
Abbildung 3.29 Beispiel einer bimolekularen Reaktion. Zwei HI-Moleküle reagieren beim Zusammenstoß zu einem H2- und einem I2-Molekül. Die Reaktionsgeschwindigkeit des HIZerfalls ist proportional dem Quadrat der HI-Konzentration. Bimolekulare Reaktionen sind Reaktionen zweiter Ordnung.
Bei einer trimolekularen Reaktion erfolgt ein gleichzeitiger Zusammenstoß dreier Teilchen. Da Dreierstöße weniger wahrscheinlich sind als Zweierstöße, sind trimolekulare Reaktionen als geschwindigkeitsbestimmender Schritt selten. Aus der experimentell bestimmten Reaktionsordnung kann nicht ohne weiteres auf den Reaktionsmechanismus geschlossen werden. Eine experimentell bestimmte Reaktionsordnung kann durch verschiedene Mechanismen erklärt werden und zwischen den möglichen Mechanismen muss aufgrund zusätzlicher Experimente entschieden werden. Ein Beispiel ist die HI-Bildung aus H2 und I2. Als Zeitgesetz wird eine Reaktion zweiter Ordnung gefunden. Dieses Zeitgesetz könnte durch die bimolekulare Reaktion H2 C I2 $% 2 HI
(3.27)
als geschwindigkeitsbestimmender Schritt zustande kommen. Wie die folgenden Gleichungen zeigen, ist der Reaktionsmechanismus aber komplizierter. I2 # 2 I 2 I C H2 $% 2 HI
schnelle Gleichgewichtseinstellung geschwindigkeitsbestimmender Schritt
Zunächst erfolgt als schnelle Reaktion die Dissoziation eines I2-Moleküls in IAtome, wobei sich ein Gleichgewicht zwischen I2 und I ausbildet. Es folgt als geschwindigkeitbestimmender Schritt eine langsame trimolekulare Reaktion, also ein Dreierstoß von zwei I-Atomen und einem H2-Molekül (Abb. 3.30) Die Konzentration der I-Atome ist durch das MWG gegeben.
3.6 Die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen
299
Abbildung 3.30 Beispiel einer trimolekularen Reaktion. Bei einem Dreierstoß zwischen einem H2-Molekül und zwei I-Atomen bilden sich zwei HI-Moleküle. Trimolekulare Reaktionen sind Reaktionen dritter Ordnung.
cI2 cI2 Z K
(3.28)
Die Geschwindigkeitsgleichung der trimolekularen Reaktion ist 3. Ordnung und lautet: 1 d cHI Z k cI2cH2 2 dt
(3.29)
Setzt man Gl. (3.28) in (3.29) ein, erhält man 1 d cHI Z K k cI2 cH2 Z k#cI2 cH2 2 dt
(3.30)
Gl. (3.30) ist identisch mit der Geschwindigkeitsgleichung, die für die Reaktion (3.27) bei einem bimolekularen Reaktionsmechanismus zu erwarten wäre.
3.6.3 Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit Die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen nimmt mit wachsender Temperatur stark zu. Die Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeitskonstante wird durch die Arrhenius-Gleichung beschrieben. k Z k0 eKEA.RT k0 und EA sind für jede chemische Reaktion charakteristische Konstanten. Für die Geschwindigkeitsgleichung des HI-Zerfalls z. B. erhält man danach 2 r Z k0 eKEA.RTcHI
Diese Gleichung kann folgendermaßen interpretiert werden: Würde bei jedem Zusammenstoß zweier HI-Moleküle im Gasraum eine Reaktion zu H2 und I2 erfolgen, wäre die Reaktionsgeschwindigkeit die größtmögliche. Die Reaktionsgeschwindigkeit müsste dann aber viel höher sein als beobachtet wird. Tatsächlich führt nur ein Teil der Zusammenstöße zur Reaktion. Dabei spielen zwei Faktoren eine Rolle, die Aktivierungsenergie und der sterische Faktor.
300
3 Die chemische Reaktion
Abbildung 3.31 Energiediagramm der Gleichgewichtsreaktion H2 C I2 # 2 HI. Beim Zusammenstoß von Teilchen im Gasraum kann nur dann eine Reaktion stattfinden, wenn sich ein energiereicher aktiver Zwischenzustand ausbildet. Nur solche Zusammenstöße sind erfolgreich, bei denen die Teilchen die dazu notwendige Aktivierungsenergie besitzen. Dies gilt für beide Reaktionsrichtungen. Aktive Zwischenzustände sind extrem kurzlebig, ihre Dynamik muss im Femtosekunden-Bereich (1 fs Z 10K15 s) untersucht werden (Femtochemie).
Es können nur solche HI-Moleküle miteinander reagieren, die beim Zusammenstoß einen aktiven Zwischenzustand bilden, der eine um EA größere Energie besitzt als der Durchschnitt der Moleküle. Man nennt diesen Energiebetrag EA daher Aktivierungsenergie der Reaktion (vgl. Abb. 3.31). Die Reaktionsgeschwindigkeit wird dadurch um den Faktor eKEA.RT verkleinert. Je kleiner EA und je größer T ist, umso mehr Zusammenstöße sind erfolgreiche Zusammenstöße, die zur Reaktion führen. Der Einfluss der Aktivierungsenergie und der Temperatur auf die Reaktionsgeschwindigkeit ist mit der schon behandelten Geschwindigkeitsverteilung der Gasmoleküle anschaulich zu verstehen. In der Abb. 3.32 ist die Energieverteilung für ein Gas bei zwei Temperaturen dargestellt. Bei einer bestimmten Temperatur besitzt nur ein Teil der Moleküle die zu einer Reaktion notwendige Mindestenergie. Je größer die Aktivierungsenergie ist, umso weniger Moleküle sind zur Reaktion befähig. Erhöht man die Temperatur, wächst die Zahl der Moleküle, die die zur Reaktion notwendige Aktivierungsenergie besitzen, die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt zu. Der Faktor eKEA.RT gibt den Bruchteil der Zusammenstöße an, bei denen die Energie gleich oder größer als die Aktivierungsenergie EA ist. Die Größe des Einflusses der Aktivierungsenergie und der Temperatur auf die Reaktionsgeschwindigkeit der Reaktion 2 HI $% H2 C I2 zeigen die folgenden Zahlenwerte. Reaktion 2 HI $% H2 C I2
EA in kJ molK1 184
k0 in l molK1 sK1 10
11
eKEA.RT 300 K K32
10
600 K
900 K
K16
10K11
10
3.6 Die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen
301
Abbildung 3.32 Einfluss der Aktivierungsenergie und der Temperatur auf die Reaktionsgeschwindigkeit. Nur ein Bruchteil der Moleküle besitzt die notwendige Mindestenergie, um bei einem Zusammenstoß einen aktiven Zwischenzustand zu bilden. Mit zunehmender Temperatur wächst der Anteil dieser Moleküle, die Reaktionsgeschwindigkeit erhöht sich.
Bei einer Konzentration von 1 mol.l HI würde das Gleichgewicht in 10K11 s erreicht, wenn alle Zusammenstöße der HI-Moleküle zur Reaktion führten. Die Aktivierungsenergie verringert die Reaktionsgeschwindigkeit so drastisch, dass bei 300 K praktisch keine Reaktion stattfindet. Bei 600 K zerfallen 10K5 mol lK1 sK1, bei 900 K wird das Gleichgewicht in etwa 1 s erreicht. Aber nicht alle Zusammenstöße, bei denen eine ausreichende Aktivierungsenergie vorhanden ist, führen zur Reaktion. Die zusammenstoßenden Moleküle müssen auch in einer bestimmten räumlichen Orientierung aufeinander treffen (Abb. 3.33). Beim HI-Zerfall führen nur etwa 50% der Zusammenstöße mit ausreichender Aktivierungsenergie zur Reaktion. Man kann dies in der Arrhenius-Gleichung durch einen sterischen Faktor p berücksichtigen. k Z pkmax eKEA.RT Für den HI-Zerfall ist p Z 0,5. Beim Übergang der Reaktanden in den aktivierten Komplex erfolgt eine Änderung der molekularen Ordnung, es findet eine Entropieänderung statt. Zwischen dieser Aktivierungsentropie ΔS und dem sterischen Faktor p existiert nach der Theorie des Übergangszustands die Beziehung pkmax Z
kB T ΔS.R e h
kB Boltzmann-Konstante, h Planck-Konstante Aktive Zwischenzustände können sich durch Reaktion von Elektronen bindender MOs des einen Reaktionspartners mit leeren antibindenden MOs des anderen Reak-
302
3 Die chemische Reaktion
Abbildung 3.33 Einfluss sterischer Bedingungen auf die Reaktionsgeschwindigkeit. a) Erfolgreicher Zusammenstoß zwischen einem H2-Molekül und zwei I-Atomen. Aufgrund der günstigen räumlichen Orientierung der Teilchen zueinander erfolgt Reaktion zu zwei HI-Molekülen. b) Unwirksamer Zusammenstoß zwischen einem H2-Molekül und zwei I-Atomen. Bei einer ungünstigen räumlichen Orientierung bilden sich trotz ausreichend vorhandener Aktivierungsenergie keine HI-Moleküle.
tionspartners bilden. Sie können sich jedoch nur dann bilden, wenn die Orbitale aus Symmetriegründen überlappen können, andernfalls sind sie symmetrieverboten. Die Bildung eines aktivierten Komplexes aus H2- und I2-Molekülen ist symmetrieverboten, denn sowohl die Kombination des bindenden H2-MOs mit dem antibindenden I2-MO als auch die Kombination des bindenden I2-MOs mit dem antibindenden H2-MO führt zur Überlappung null (Abb. 3.34). Der aktivierte Komplex H2I2 (Abb. 3.34) entsteht daher aus zwei I-Radikalen und einem H2-Molekül in einer trimolekularen Reaktion (vgl. Abschn. 3.6.2). Aus dem gleichen Grund sind auch die Reaktionen von F2, Cl2, Br2, O2 und N2 mit H2 radikalische Mehrstufenprozesse (vgl. S. 305).
3.6.4 Reaktionsgeschwindigkeit und chemisches Gleichgewicht Im Gleichgewichtszustand bleiben die Konzentrationen der Reaktionsteilnehmer konstant. Die Geschwindigkeit der Hinreaktion muss also gleich der Geschwindigkeit der Rückreaktion sein. Für die Gleichgewichtsreaktion H2 C I2 # 2 HI findet man für die Bildungsgeschwindigkeit rBildung von HI die Beziehung rBildung Z kBildung cH2 cI2 und für die Zerfallsgeschwindigkeit rZerfall von HI 2 rZerfall Z kZerfall cHI
3.6 Die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen
303
Abbildung 3.34 Bildung des aktiven Zwischenzustands H2I2. Die in a) und b) dargestellte Wechselwirkung besetzter bindender MOs mit leeren antibindenden MOs führt zur Überlappung null. Die Bildung des aktivierten Komplexes c) ist symmetrieverboten. Existiert für die Hin-Reaktion ein Symmetrieverbot, dann gilt dies auch für die Rück-Reaktion. d) Die halb gefüllten p-Orbitale der I-Atome können Elektronen des besetzten bindenden MOs des H2-Moleküls aufnehmen. Die Bildung des aktivierten Komplexes e) ist symmetrieerlaubt. Der Einfluss der Geometrie des aktivierten Zustands H2I2 auf die Reaktionsgeschwindigkeit ist in der Abbildung 3.33 dargestellt.
Im Gleichgewichtszustand gilt daher 2 Z kBildung cH2 cI2 kZerfall cHI
(3.31)
Daraus folgt 2 cHI kBildung Z Kc Z c H2 c I2 kZerfall
Danach ist die Massenwirkungskonstante Kc durch das Verhältnis der Geschwindigkeitskonstanten gegeben. Das MWG lässt sich also kinetisch deuten. Ist die Geschwindigkeitskonstante der Hinreaktion viel größer als die der Rückreaktion, dann wird Kc groß, das Gleichgewicht liegt auf der rechten Seite. Dies bedeutet, dass die kinetische Bedingung des Gleichgewichts der Gleichung 3.31 dadurch erreicht wird, dass die kleinere Geschwindigkeitskonstante des Zerfalls mit einer hohen Konzentration der Endstoffe multipliziert werden muss, die größere Geschwindigkeitskonstante der Bildung mit einer kleineren Konzentration der Ausgangsstoffe.
304
3 Die chemische Reaktion
Da die Aktivierungsenergien EA für die Bildung und den Zerfall von HI verschieden sind, ist die Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeitskonstanten kBildung und kZerfall unterschiedlich. Daher ist der Quotient und damit Kc temperaturabhängig.
3.6.5 Metastabile Systeme Ist die Aktivierungsenergie EA einer Reaktion sehr groß, so kann bei Normaltemperatur die Reaktionsgeschwindigkeit nahezu null werden. Bei den Reaktionen und
H2 C 21 O2 # H2O 1 1 2 H2 C 2 Cl2
# HCl
liegen die Gleichgewichte ganz auf der rechten Seite (vgl. Abschn. 3.5.4). Wegen der sehr kleinen Reaktionsgeschwindigkeiten sind aber bei Normaltemperatur Mischungen aus H2 und O2 (Knallgas) und Mischungen aus H2 und Cl2 (Chlorknallgas) beständig und reagieren nicht zu H2O bzw. HCl, wie es aufgrund der Gleichgewichtslage zu erwarten wäre. Im Unterschied zu stabilen Systemen, die sich im Gleichgewicht befinden, nennt man solche Systeme metastabil. Metastabile Systeme sind also kinetisch gehemmte Systeme (vgl. Abb. 3.35). Sie lassen sich aber durch Aktivierung zur Reaktion bringen und in den stabilen Gleichgewichtszustand überführen. Die Aufhebung der kinetischen Hemmung, die Aktivierung, kann durch Zuführung von Energie oder durch Katalysatoren erfolgen.
Abbildung 3.35 Mögliche Energiediagramme für eine chemische Reaktion. Im Fall a) ist auf Grund der kleinen Aktivierungsenergie die Reaktionsgeschwindigkeit groß, so dass sich das Gleichgewicht rasch einstellt. Im Fall b) ist die Aktivierungsenergie sehr groß und bei Normaltemperatur die Reaktionsgeschwindigkeit so gering, dass sich der Gleichgewichtszustand nicht einstellt. Solche kinetisch gehemmten Systeme nennt man metastabil.
3.6 Die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen
305
Bei der Zündung von Knallgas mit einer Flamme erfolgt explosionsartige Reaktion. Diese explosionsartige Reaktion kann bei Normaltemperatur auch durch einen Platinkatalysator ausgelöst werden. Die Bildung von HCl aus Chlorknallgas erfolgt durch eine Kettenreaktion, bei der die folgenden Reaktionsschritte auftreten:
Als erster Reaktionsschritt erfolgt eine Spaltung von Cl2-Molekülen in Cl-Atome (a). Dazu ist eine Aktivierungsenergie von 243 kJ.mol erforderlich. Die Cl-Atome reagieren schnell mit H2-Molekülen nach b weiter. Die bei der Reaktion b entstehenden H-Atome reagieren mit Cl2-Molekülen nach c weiter. Die beiden Schritte b und c wiederholen sich solange (Kettenfortpflanzung), bis durch zufällige Reaktion zweier Cl-Atome oder zweier H-Atome miteinander oder eines H-Atoms mit einem Cl-Atom die Kette abbricht (d). In einer Reaktionskette werden durch Kettenfortpflanzung etwa 106 Moleküle HCl gebildet. Die Aktivierungsenergie für die Startreaktion kann in Form von Wärmeenergie oder in Form von Lichtquanten (vgl. Abschn. 1.4.2) zugeführt werden. Lichtquanten haben die erforderliche Energie bei Wellenlängen kleiner 480 nm. Bestrahlt man Chlorknallgas mit blauem Licht (450 nm), erfolgt explosionsartige Reaktion zu HCl. Analog verläuft die Bildung von HBr aus H2 und Br2. Bei HI verläuft die radikalische HI-Bildung erst oberhalb 500 (C, da die Reaktion I C H2 $% HI C H stark endotherm ist. Unterhalb 500 (C erfolgt die HI-Bildung nach dem in Abschn. 3.6.2 beschriebenen Mechanismus. Ursache von Explosionen. Bei sehr rasch ablaufenden exothermen Reaktionen kann die frei werdende Reaktionswärme nicht mehr abgeleitet werden. Es kommt zu einer fortlaufenden Temperaturerhöhung und Steigerung der Reaktionsgeschwindigkeit (Zerfall von O3 und ClO2). Eine andere Ursache für explosionsartig ablaufende Reaktionen sind Kettenreaktionen mit Kettenverzweigung, bei denen sich dadurch im Verlauf der Reaktion die Reaktionsgeschwindigkeit exponentiell steigert (vgl. Knallgas Abschn. 4.2.3). Eine große Zahl chemischer Verbindungen sind bei Normaltemperatur nur deswegen existent, weil sie metastabil sind. Ein Beispiel ist Stickstoffmonooxid NO, das bei Normaltemperatur nicht zerfällt, obwohl das Gleichgewicht 2 NO # N2 C O2 fast vollständig auf der rechten Seite liegt (vgl. Abschn. 3.5.2). Diamant ist die bei Normalbedingungen metastabile Modifikation von Kohlenstoff. Die stabile Modifikation ist Graphit (vgl. Abschn. 4.7.3.1).
306
3 Die chemische Reaktion
3.6.6 Katalyse Manche Reaktionen können beschleunigt werden, wenn man dem Reaktionsgemisch einen Katalysator zusetzt. Katalysatoren sind Stoffe, die in den Reaktionsmechanismus eingreifen, aber selbst durch die Reaktion nicht verbraucht werden und die daher in der Bruttoreaktionsgleichung nicht auftreten. Die Lage des Gleichgewichts wird durch einen Katalysator nicht verändert. Die Wirkungsweise eines Katalysators besteht darin, dass er den Mechanismus der Reaktion verändert. Die katalysierte Reaktion besitzt eine kleinere Aktivierungsenergie als die nicht katalysierte (Abb. 3.36), dadurch wird die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante größer und die Reaktionsgeschwindigkeit erhöht. Die Reaktionsgeschwindigkeit bei gleicher Konzentration und gleicher Temperatur ist ein Maß für die Katalysatoraktivität.
Abbildung 3.36 Energiediagramm einer katalysierten und einer nicht katalysierten Reaktion. Durch die Gegenwart eines Katalysators wird der Mechanismus der Reaktion verändert. Die katalysierte Reaktion besitzt eine kleinere Aktivierungsenergie als die nicht katalysierte. Dadurch steigt die Zahl der Moleküle, die die zur Reaktion notwendige Aktivierungsenergie besitzen, stark an, die Reaktionsgeschwindigkeit erhöht sich.
Ein Beispiel ist die Oxidation von Schwefeldioxid SO2 mit Sauerstoff O2 zu Schwefeltrioxid SO3. Diese Reaktion wird durch Stickstoffmonooxid NO katalytisch beschleunigt. Die katalytische Wirkung von NO kann schematisch durch die folgenden Gleichungen beschrieben werden: NO C 21 O2 $% NO2
(3.32)
SO2 C NO2 $% SO3 C NO
(3.33)
SO2 C 21 O2 $% SO3 (Bruttogleichung)
(3.34)
Die Oxidation von SO2 erfolgt in Gegenwart des Katalysators nicht direkt mit O2, sondern durch NO2 als Sauerstoffüberträger. Der Ausgangsstoff O2 bildet mit dem
3.6 Die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen
307
Katalysator NO die reaktionsfähige Zwischenverbindung NO2, die dann mit dem zweiten Reaktionspartner unter Freisetzung von NO zum Reaktionsprodukt SO3 weiterreagiert. Die Teilreaktionen (3.32) und (3.33) verlaufen schneller als die direkte Reaktion, da die Aktivierungsenergien der Reaktionen (3.32) und (3.33) kleiner sind als die Aktivierungsenergie der Reaktion (3.34). Bereits Anfang des 19. Jhs. wurde diese Katalyse für die Herstellung von Schwefelsäure mit dem Bleikammerverfahren industriell genutzt. Man unterscheidet homogene Katalyse und heterogene Katalyse. Bei der homogenen Katalyse liegen die reagierenden Stoffe und der Katalysator in der gleichen Phase vor. Das Bleikammerverfahren ist eine homogene Katalyse. Bei der heterogenen Katalyse werden Gasreaktionen und Reaktionen in Lösungen durch feste Katalysatoren (Kontakte) beschleunigt. Dabei spielt die Oberflächenbeschaffenheit des Katalysators eine Rolle. Die Wirksamkeit von festen Katalysatoren wird durch große Oberflächen erhöht. In Mehrphasenkatalysatoren ist das Material mit großer Oberfläche nur Träger auf dem der eigentliche Katalysator abgeschieden wird. Geeignete Träger sind γ-Al2O3 und Kieselgel. 1 g eines typischen Katalysatorträgers hat eine Oberfläche von der Größe eines Tennisplatzes. Eine hohe katalytische Aktivität besitzen die Metalle der 10. Gruppe, sie werden als fein verteilte Teilchen auf das Trägermaterial aufgebracht. Einphasige Katalysatoren, bei denen das Innere der Substanz eine große Oberfläche mit aktiven Zentren besitzt, bezeichnet man als uniforme Katalysatoren. Dazu gehören Tonmineralien und die Zeolithe (vgl. Abschn. 4.7.10.2), in deren Struktur Hohlräume vorhanden sind, die durch Kanäle verbunden sind. Die Vorteile der festen Katalysatoren sind ihre Beständigkeit bei hohen Temperaturen und die Tatsache, dass das Reaktionsprodukt leicht vom Katalysator abgetrennt werden kann. Ein wichtiger fester Katalysator ist fein verteiltes Platin. Platinkatalysatoren beschleunigen die meisten Reaktionen mit Wasserstoff. Ein Gemisch von Wasserstoff und Sauerstoff, das bei Normaltemperatur nicht reagiert, explodiert in Gegenwart eines Platinkatalysators. Die Wirkung des Katalysators besteht darin, dass bei den an der Katalysatoroberfläche angelagerten Wasserstoffmolekülen die HdH-Bindung gelöst wird. Es erfolgt nicht nur eine physikalische Anlagerung der H2-Moleküle an der Oberfläche (Adsorption), sondern außerdem eine chemische Aktivierung der adsorbierten Teilchen (Chemisorption). Für die Reaktion von Sauerstoffmolekülen mit dem am Katalysator chemisorbierten Wasserstoff ist nun die Aktivierungsenergie so weit herabgesetzt, dass eine viel schnellere Reaktion erfolgen kann als mit Wasserstoffmolekülen in der Gasphase. Im Gegensatz zur Adsorption erfolgt die Chemisorption stoffspezifisch und erst bei höherer Temperatur, da zur Chemisorption eine relativ große Aktivierungsenergie benötigt wird. Für jede chemische Reaktion müssen daher spezifische Katalysatoren gefunden werden, die im Allgemeinen erst bei höheren Temperaturen wirksam sind. Die Wirkung eines Kontaktes kann durch Zusätze, Promotoren, die allein nicht katalytisch wirksam sind, verbessert werden (Mischkatalysatoren).
308
3 Die chemische Reaktion
Bei der Ammoniaksynthese z. B. (s. unten und Abschn. 4.6.4) wird als fester Katalysator α-Fe als Vollkontakt verwendet. Bei Vollkontakten besteht der Katalysator vollständig aus katalytisch aktivem Material. Für die katalytische Wirkung ist der entscheidende Schritt die dissoziative Chemisorption von Stickstoff zu einem Oberflächennitrid, das dann schrittweise zu NH3 hydriert wird. Die Hydrierung erfolgt durch chemisorbierte Wasserstoffatome. Nach Desorption eines NH3-Moleküls steht das katalytische Zentrum wieder für die Aktivierung eines N2-Moleküls zur Verfügung. Die verschiedenen Flächen der Eisenkriställchen besitzen eine unterschiedliche Aktivität; (111)-Flächen (Oktaederflächen) sind z. B. wirksamer als (100)-Flächen (Würfelflächen). Aktiver als Eisen allein sind Mischkatalysatoren. Kleine Zusätze von Aluminium- und Calciumoxid verhindern das Zusammensintern des feinteiligen Katalysators (Strukturpromotor). Kaliumoxid erhöht die katalytische Aktivität durch Beeinflussung der Reaktion an der Grenzfläche Katalysator-Gas (elektronischer Promotor; vgl. Abschn. 4.6.4). Häufig können kleine Fremdstoffmengen Katalysatoren unwirksam machen (Kontaktgifte). Bei der Katalysatorvergiftung werden wahrscheinlich die aktiven Zentren der Katalysatoroberfläche blockiert. Typische Katalysatorgifte sind H2S, COS, As, Pb, Hg. Neben der Katalysatoraktivität ist eine ganz wichtige Eigenschaft der Katalysatoren die Katalysatorselektivität. Häufig können gleiche Ausgangsstoffe zu unterschiedlichen Produkten reagieren. Die Selektivität des Reaktionsablaufs wird dadurch erreicht, dass der Katalysator nur die Reaktionsgeschwindigkeit zum gewünschten Produkt erhöht und dadurch die Entstehung der anderen Produkte unterdrückt wird. Beispiel für die Katalysatorselektivität:
Je nach Katalysator laufen aus kinetischen Gründen unterschiedliche Reaktionen ab. Das Zusammenspiel zwischen Gleichgewichtslage und Reaktionsgeschwindigkeit ist für die Durchführung von chemischen Reaktionen in der Technik ganz wesentlich. Dabei sind Katalysatoren von größter Bedeutung. Ein wichtiges Beispiel ist die großtechnische Synthese von Ammoniak. Sie erfolgt nach der Reaktion N2 C 3 H2 # 2 NH3
ΔH+ Z K92 kJ molK1
Diese Reaktion ist exotherm, die Stoffmenge verringert sich. Nach dem Prinzip von Le Chatelier verschiebt sich das Gleichgewicht durch Temperaturerniedrigung und durch Druckerhöhung in Richtung NH3. Die Gleichgewichtslage in Abhängigkeit
3.6 Die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen
309
von Druck und Temperatur zeigt Abb. 3.21. Bei 20 (C ist die NH3-Ausbeute groß (Ausbeute Z Volumenanteil NH3 in % im Reaktionsraum), die Reaktionsgeschwindigkeit aber ist nahezu null. Eine ausreichende Reaktionsgeschwindigkeit durch Temperaturerhöhung wird erst bei Temperaturen erreicht, bei der die NH3-Ausbeute fast null ist. Auch Katalysatoren wirken erst ab 400 (C genügend beschleunigend, so dass Synthesetemperaturen von 500 (C notwendig sind. Bei 500 (C und 1 bar beträgt die NH3-Ausbeute nur 0,1%. Um eine wirtschaftliche Ausbeute zu erhalten, muss trotz technischer Aufwendigkeit die Synthese bei hohen Drücken durchgeführt werden (Haber-Bosch-Verfahren). Bei Drücken von 200 bar beträgt die NH3-Ausbeute 18%, bei 400 bar 32%. Ein weiteres Beispiel ist die Synthese von Schwefeltrioxid nach dem Kontaktverfahren. SO3 wird als Zwischenprodukt der Schwefelsäuresynthese großtechnisch hergestellt. Die Herstellung erfolgt nach der Reaktion SO2 C 21 O2 # SO3
ΔH+ Z K99 kJ molK1
Da diese Reaktion exotherm ist, verschiebt sich das Gleichgewicht mit fallender Temperatur in Richtung SO3. Die SO3-Ausbeute in Abhängigkeit von der Temperatur zeigt Abb. 3.37. Um hohe Ausbeuten zu erhalten, muss bei möglichst tiefen Temperaturen gearbeitet werden. In Gegenwart von Pt-Katalysatoren ist die Reaktionsgeschwindigkeit bei 400 (C, bei Verwendung von Vanadiumoxidkatalysatoren bei 400K500 (C ausreichend schnell (vgl. Abschn. 4.5.7).
Abbildung 3.37 Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtslage der Reaktion SO2 C 12 O2 # SO3.
Wie diese Beispiele zeigen, muss für die Durchführung von chemischen Reaktionen nicht nur die Gleichgewichtslage günstig sein, sondern diese muss auch ausreichend schnell erreicht werden. Es ist also sehr entscheidend für die Durchführbarkeit einer Reaktion, wenn nötig Katalysatoren zu finden, die eine ausreichende Reaktionsgeschwindigkeit bewirken. Noch immer müssen wirksame Katalysatoren experimentell gefunden werden. Für die Ammoniaksynthese wurden z. B. etwa 20 000 Katalysator-
310
3 Die chemische Reaktion
proben untersucht. Obwohl 90% der Produkte der chemischen Industrie unter Verwendung von Katalysatoren hergestellt werden, sind die einzelnen Vorgänge der Katalyse bei vielen Reaktionen noch ungeklärt. Katalysatoren sind volkswirtschaftlich wichtig. Der Wert der weltweit eingesetzten Katalysatoren liegt bei 10 Milliarden Euro. Neben der Rohstoff- und Energieeinsparung haben sie auch im Umweltschutz Bedeutung. Ihr Einsatz z. B. bei der Autoabgasreinigung wird im Abschn. 4.11 besprochen.
3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen 3.7.1 Lösungen, Elektrolyte Lösungen sind homogene Mischungen. Am häufigsten und wichtigsten sind flüssige Lösungen. Feste Lösungen werden im Abschn. 2.4.6 behandelt. Die im Überschuss vorhandene Hauptkomponente einer Lösung bezeichnet man als Lösungsmittel, die Nebenkomponenten als gelöste Stoffe. Wir wollen nur solche Lösungen behandeln, bei denen das Lösungsmittel Wasser ist. Diese Lösungen nennt man wässrige Lösungen. Verbindungen wie Zucker oder Alkohol, deren wässrige Lösungen den elektrischen Strom nicht leiten, bezeichnen wir als Nichtelektrolyte. In diesen Lösungen sind die gelösten Teilchen einzelne Moleküle, die von Wassermolekülen umhüllt sind. Viele polare Verbindungen lösen sich in Wasser unter Bildung frei beweglicher Ionen. Dies wird vereinfacht durch die folgenden Reaktionsgleichungen wiedergegeben: Wasser
NaCClK $$$$$% NaC C ClK HCl C H2O $% H3OC C ClK K NH3 C H2O $% NHC 4 C OH Diese Stoffe nennt man Elektrolyte, da ihre Lösungen den elektrischen Strom leiten. Träger des elektrischen Stroms sind die Ionen (im Gegensatz zu metallischen Leitern, wo der Stromtransport durch Elektronen erfolgt). Die positiv geladenen Ionen (Kationen) wandern im elektrischen Feld zur Kathode (negative Elektrode), die negativ geladenen Ionen (Anionen) zur Anode (positive Elektrode) (Abb. 3.38). Eine besonders große Ionenbeweglichkeit haben H3OC- und OHK-Ionen (vgl. Abschn. 3.7.2). In Ionenkristallen liegen im festen Zustand bereits Ionen in bestimmten geometrischen Anordnungen vor. Beim Lösungsvorgang geht die geometrische Ordnung des Ionenkristalls verloren, es erfolgt eine Separierung in einzelne Ionen, eine Ionendissoziation. Bei den polaren kovalenten Verbindungen wie HCl und NH3 entstehen die Ionen erst durch Reaktion mit dem Lösungsmittel. In wässriger Lösung sind die Ionen mit einer Hülle von Wassermolekülen umgeben, die Ionen sind hydratisiert, da zwischen den elektrischen Ladungen der Ionen und den Dipolen des Wassers Anziehungskräfte auftreten (vgl. Abb. 3.39).
3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen
311
Abbildung 3.38 Polare Verbindungen lösen sich in Wasser unter Bildung beweglicher Ionen. Solche Lösungen leiten den elektrischen Strom. Im elektrischen Feld wandern die positiv geladenen Ionen (Kationen) an die negative Elektrode (Kathode), die negativ geladenen Ionen (Anionen) an die positive Elektrode (Anode).
Abbildung 3.39 Zweidimensionale Darstellung der Auflösung eines NaCl-Kristalls in Wasser. Zwischen den Ionen des Kristalls und den Dipolen des Wassers existieren starke Anziehungskräfte. Da die Ionen-Dipol-Anziehung für die Ionen der Kristalloberfläche stärker ist als die Ionen-Ionen-Anziehung, verlassen die Ionen den Kristall und wechseln in die wässrige Phase über. Die in Lösung gegangenen Ionen sind mit einer Hülle von Wassermolekülen umgeben, sie sind hydratisiert.
Cu2C z. B. liegt in Wasser als [Cu (H2O)4]2C-Ion vor, Co2C bildet das Ion [Co (H2O)6]2C. Bei der Hydratation wird Energie frei. Die Hydratationsenergie ist umso größer, je höher die Ladung der Ionen ist und je kleiner die Ionen sind. Beispiele zeigt Tabelle 3.5.
312
3 Die chemische Reaktion
Tabelle 3.5 Hydratationsenthalpie einiger Ionen in kJ.mol (Die in der Literatur angegebenen Werte unterscheiden sich z. T. erheblich, einige um ca. 10%) HC LiC NaC KC RbC CsC
Be2C Mg2C Ca2C Sr2C Ba2C Zn2C
K1091 K 519 K 406 K 322 K 293 K 264
K2494 K1921 K1577 K1443 K1305 K2046
Al3C Fe3C FK ClK BrK IK
K4665 K4430 K 515 K 381 K 347 K 305
Auch in vielen kristallinen Verbindungen sind hydratisierte Ionen vorhanden. Beispiele: [Fe (H2O)6]Cl3, [Co (H2O)6]Cl2, [Cr (H2O)6]Cl3, [Ca (H2O)6]Cl2. Die Auflösung eines Ionenkristalls ist schematisch in der Abb. 3.39 am Beispiel von NaCl dargestellt. Die dafür benötigte Gitterenergie von 778 kJ.mol wird durch die Hydratationsenthalpie der NaC- und ClK-Ionen von 787 kJ.mol geliefert. Wenn die Hydratationsenthalpie größer ist als die Gitterenergie, dann ist der Lösungsvorgang exotherm. Bei vielen löslichen Salzen ist die Gitterenergie größer als die Hydratationsenthalpie, der Lösungsvorgang ist endotherm und erfolgt unter Abkühlung der Lösung. Beispiel: Beim Lösen von wasserfreiem CaCl2 in Wasser erwärmt sich die Lösung, beim Lösen des Hexahydrats [Ca (H2O) 6]Cl2 kühlt sie sich ab. Beim Hexahydrat sind die Ca2C-Ionen schon im Kristall hydratisiert und die Hydratationsenthalpie der ClK-Ionen allein reicht nicht aus, die Gitterenergie zu kompensieren.
3.7.2 Leitfähigkeit, Aktivität Für Elektrolytlösungen gilt das Ohmsche Gesetz U Z RI. Für den elektrischen Widerstand einer Lösung, gemessen zwischen zwei Elektrodenflächen A mit dem Elektrodenabstand d gilt RZρ
d A
ρ ist der spezifische Widerstand, SI-Einheit Ωm (Ω Z Ohm). Der Reziprokwert des spezifischen Widerstands ist die Leitfähigkeit κ. Die SI-Einheit von κ ist S.m bzw. 1 , auch die Einheit S.cm ist üblich (S Z Siemens). Ωm Es ist nur sinnvoll, die Leitfähigkeit verschiedener Elektrolyte zu vergleichen, wenn die Lösungen gleiche Stoffmengenkonzentrationen bezogen auf Ionenäquivalente besitzen (vgl. Abschn. 3.1). Man definiert als Äquivalentleitfähigkeit Λ die 1 X . Leitfähigkeit einer Lösung bezogen auf die Äquivalentkonzentration c z*
( )
3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen
ΛZ
κ 1 X c z*
( )
SI-Einheit :
313
m2 Ω mol
Starke Elektrolyte sind in wässriger Lösung vollständig dissoziiert. Die Äquivalentleitfähigkeit starker Elektrolyte nimmt mit abnehmender Konzentration zu, für unendliche Verdünnung erhält man als Grenzwert die Grenzleitfähigkeit ΛN (Tabelle 3.6). Nur sehr verdünnte Lösungen sind ideale Lösungen, in denen die Ionen so weit voneinander entfernt sind, dass keine Wechselwirkungen zwischen ihnen auftreten. In nicht idealen Lösungen sind Wechselwirkungskräfte vorhanden, die die Wanderung der Ionen im elektrischen Feld behindern und zu einer Verringerung der Leitfähigkeit führen. Je größer die Ionenladung ist, umso stärker ist die interionische Wechselwirkung (Tabelle 3.6). Tabelle 3.6 Äquivalentleitfähigkeit Λ bei 25 (C.
NaCl BaCl2 CuSO4
Äquivalentkonzentration in mol.l 0,000 0,001 0,010
0,100
Äquivalentleitfähigkeit in cm2.(Ω mol) 126,5 123,7 118,5 140,0 134,3 123,9 133,0 115,2 83,3
106,7 a 0,84 ΛN 105,2 a 0,75 ΛN 50,5 a 0,38 ΛN
Für ideale Lösungen gilt das Gesetz der unabhängigen Ionenbewegung; jede Ionensorte liefert einen charakteristischen Beitrag zur Leitfähigkeit, die Ionenleitfähigkeit λG. ΛN Z λC C λK ΛN lässt sich daher für die verschiedenen Salze aus den Ionenleitfähigkeiten (den Äquivalentleitfähigkeiten der Ionen, Tabelle 3.7) berechnen. Die hohe Ionenleitfähigkeit der H3OC- und OHK-Ionen kommt dadurch zustande, dass nicht die hydratisierten Ionen selbst wandern, sondern dass nur ein Platzwechsel der Protonen in den Wasserstoffbrücken des Wassers erfolgt. Tabelle 3.7 Ionenleitfähigkeiten λG einiger Ionen bei 25 (C in cm2.(Ωmol) H3OC LiC NaC KC NH4C
349,8 38,7 50,1 73,5 73,4
Mg2C Ba2C Fe3C OHK ClK
53,1 63,6 68,0 198 76,3
BrK IK K NO3 2K SO4 2K CO3
78,4 76,8 71,4 79,8 70,0
314
3 Die chemische Reaktion
Schwache Elektrolyte enthalten neben den Ionen undissoziierte Moleküle. Zwischen Ionen und undissoziierten Molekülen liegt ein Gleichgewicht vor. Der Dissoziationsgrad α gibt den Anteil dissoziierter Moleküle an αZ
Anzahl der dissoziierten Moleküle Gesamtzahl der Moleküle
Mit abnehmender Konzentration nimmt die Dissoziation zu, bei unendlicher Verdünnung beträgt sie 100% und α Z 1 (vgl. Abschn. 3.7.7). Bei schwachen Elektrolyten nimmt daher die Äquivalentleitfähigkeit mit abnehmender Konzentration sehr stark zu. Es gilt Λ Z α ΛN. Der Dissoziationsgrad α schwacher Elektrolyte kann aus der Konzentrationsabhängigkeit der Äquivalentleitfähigkeit Λ bestimmt werden. Die interionischen Wechselwirkungskräfte können bei schwachen Elektrolyten vernachlässigt werden. Aufgrund der interionischen Wechselwirkung ist die „wirksame Konzentration“ oder Aktivität der Lösung kleiner als die wirkliche Konzentration. Man erhält die Aktivität a durch Multiplikation der auf die Standardkonzentration c( Z 1 mol.l bezogenen Konzentration c mit dem Aktivitätskoeffizienten f, durch den die Wechselwirkungskräfte berücksichtigt werden. aZf$
c c(
Für ideale Lösungen ist a Z c.c(, also f Z 1. Die Aktivität einer Ionensorte hängt von der Konzentration aller in der Lösung vorhandenen Ionen ab. Die Berechnung von Aktivitätskoeffizienten ist daher schwierig, sie können aber empirisch bestimmt werden. Bei der Anwendung des MWG auf Ionengleichgewichte in wässrigen Lösungen darf nur bei idealen Lösungen die Ionenkonzentration in das MWG eingesetzt werden, bei konzentrierteren Lösungen ist die Aktivität einzusetzen. In den folgenden Kapiteln werden chemische Gleichgewichte in wässrigen Elektrolytlösungen behandelt. Die in wässrigen Elektrolytlösungen ablaufenden Reaktionen sind Ionenreaktionen. Die Geschwindigkeit, mit der Ionenreaktionen ablaufen, ist so groß, dass die Gleichgewichtseinstellung sofort erfolgt. Zur Formulierung von Ionengleichgewichten werden nur Konzentrationen (nicht Aktivitäten) verwendet. Man muss sich aber darüber klar sein, dass die abgeleiteten Beziehungen dann exakt nur für ideale Lösungen gelten.
3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen
315
3.7.3 Löslichkeit, Löslichkeitsprodukt, Nernst’sches Verteilungsgesetz Die maximale Menge eines Stoffes, die sich bei einer bestimmten Temperatur in einem Lösungsmittel, z. B. Wasser, löst, ist eine charakteristische Eigenschaft dieses Stoffes und wird seine Löslichkeit genannt. Enthält eine Lösung die maximal lösliche Stoffmenge, ist die Lösung gesättigt. Lösungen, bei denen ein Feststoff gelöst ist, sind gesättigt, wenn ein fester Bodenkörper des löslichen Stoffes mit der Lösung im Gleichgewicht ist. Die Temperaturabhängigkeit der Löslichkeit folgt qualitativ aus dem Le Chatelier-Prinzip. Bei exothermen Lösungsvorgängen nimmt mit steigender Temperatur die Löslichkeit ab, bei endothermen Lösungsvorgängen nimmt sie zu. Bei Gasen nimmt die Löslichkeit mit zunehmender Temperatur immer ab, da das Lösen von Gasen in Flüssigkeiten exotherm erfolgt. Für die Löslichkeit von Gasen in Flüssigkeiten gilt das Gesetz von Henry-Dalton. Die Löslichkeit eines Gases A ist bei gegebener Temperatur proportional zu seinem Druck. cA Z K pA K wird Löslichkeitskoeffizient genannt. Bei Erhöhung des Druckes um das 5fache nimmt auch die Löslichkeit auf das 5fache zu. Auf Gase, die mit dem Lösungsmittel chemisch reagieren, wie z. B. HCl, ist das Gesetz nicht anwendbar. Bei einer gesättigten wässrigen Lösung eines Salzes der allgemeinen Zusammensetzung AB ist fester Bodenkörper AB im Gleichgewicht mit den Ionen AC und BK (vgl. Abb. 3.40). Bodenkörper # Ionen in Lösung AB # AC C BK
Abbildung 3.40 Schematische Darstellung einer gesättigten AgCl-Lösung. Festes AgCl beC K findet sich im Gleichgewicht mit der AgCl-Lösung: AgCl # Ag C Cl . Im Gleichgewichtszustand muss nach dem MWG das Produkt der Ionenkonzentrationen konstant sein. cAgC $ cClK Z LAgCl .
Beim Lösungsvorgang treten die Ionen AC und BK aus dem Kristall in die Lösung über, dabei werden sie hydratisiert. Da sowohl der Kristall AB als auch die Lösung elektrisch neutral sein müssen, gehen immer eine gleiche Anzahl AC- und BK-Ionen
316
3 Die chemische Reaktion
in Lösung. Im Gleichgewichtszustand werden pro Zeiteinheit ebenso viel Ionenpaare AC C BK aus der Lösung im Kristallgitter AB eingebaut, wie aus dem Gitter in Lösung gehen. Durch Anwendung des MWG auf den Lösungsvorgang erhält man: cAC $ cBK Z LAB cAC und cBK sind die Konzentrationen der Ionen AC und BK in der gesättigten Lösung. LAB ist eine Konstante, sie wird Löslichkeitsprodukt des Stoffes AB genannt. LAB ist temperaturabhängig. Im Gleichgewichtszustand ist also bei gegebener Temperatur das Produkt der Ionenkonzentrationen konstant. Wie schon bei anderen heterogenen Gleichgewichten erläutert wurde (vgl. Abschn. 3.5.2), treten im MWG die Konzentrationen reiner fester Stoffe nicht auf. Auch bei Lösungsgleichgewichten hat die vorhandene Menge des festen Bodenkörpers keinen Einfluss auf das Gleichgewicht. Es spielt keine Rolle, ob als ungelöster Bodenkörper 20 g oder nur 0,2 g vorhanden ist, wesentlich ist nur, dass er überhaupt zugegen ist. Für die Lösungen eines schwer löslichen Salzes AB, z. B. AgCl, sind drei Fälle möglich. 1. Gesättigte Lösung cAC $ cBK Z LAB cAgC $ cClK Z LAgCl Die Lösung ist gesättigt. Bei 25 (C beträgt LAgCl Z 10K10 mol2.l2 In einer gesättigten Lösung von AgCl in Wasser ist also cAgC Z cClK Z 10K5 mol.l 2. Übersättigte Lösung cAC $ cBK O LAB cAgC $ cClK O LAgCl Bringt man in die gesättigte Lösung von AgCl zusätzlich AgC- oder ClK-Ionen, so ist die Lösung übersättigt. Das Löslichkeitsprodukt ist überschritten, und es bildet sich solange festes AgCl (AgCl fällt als Niederschlag aus), bis die Lösung gerade wieder gesättigt ist, also cAgC $ cClK Z 10K10 mol2.l2 beträgt. Setzt man z. B. der gesättigten Lösung ClK-Ionen zu, bis die Konzentration cClK Z 10K2 mol.1 erreicht wird, dann fällt solange AgCl aus, bis cAgC Z 10K8 mol.1 beträgt. In der gesättigten Lösung ist dann cAgC $ cClK Z 10K8 $ 10K2 Z 10K10 mol2.l2. Die gesättigte Lösung von AgCl in Wasser mit cAgC Z cClK Z 10K5 mol.l ist also nur ein spezieller Fall einer gesättigten Lösung. 3. Ungesättigte Lösung cAC $ cBK ! LAB cAgC $ cClK ! LAgCl
3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen
317
Das gesamte AgCl ist gelöst, das Produkt der Ionenkonzentrationen ist kleiner als das Löslichkeitsprodukt, die Lösung ist ungesättigt. Eine ungesättigte Lösung erhält man durch Verdünnen einer gesättigten Lösung. Sie entsteht auch dann, wenn man einer gesättigten Lösung Ionen durch Komplexbildung entzieht. So bildet z. B. AgC mit NH3 das komplexe Ion [Ag(NH3)2]C, so dass durch Zugabe von NH3 einer gesättigten AgCl-Lösung AgC-Ionen entzogen werden. Als Folge davon geht der im Gleichgewicht befindliche AgCl-Bodenkörper in Lösung. Die Löslichkeit vieler Salze kann durch Zugabe komplexbildender Ionen oder Moleküle sehr wesentlich beeinflusst werden (vgl. Abschn. 5.4). Für Salze der allgemeinen Zusammensetzung AB2 und A2B3 erhält man durch Anwendung des MWG die in den folgenden Gleichungen formulierten Löslichkeitsprodukte. AB2 # A2C C 2 BK A2B3 # 2 A3C C 3 B2K
cA2C $ cB2 K Z LAB2 cA2 3C $ cB3 2K Z LA2B3
Es ist zu beachten, dass die Koeffizienten der Reaktionsgleichungen im MWG als Exponenten der Konzentrationen auftreten. Beispiel: Löslichkeit von Ag2CrO4 2 K12 2K C $ c cAg mol3.l3 CrO4 Z LAg2CrO4 Z 4 $ 10
Aus cAgC Z 2 cCrO42 K 3 K12 2K Z 4 $ 10 folgt 4 cCrO mol3.l3 4 K4 und cCrO42 K Z 10 mol.l, cAgC Z 2 $ 10K4 mol.l Die Löslichkeit von Ag2CrO4 beträgt 10K4 mol.l. Die Löslichkeitsprodukte von einigen schwer löslichen Verbindungen sind in der Tabelle 3.8 angegeben. Schwerlösliche Salze spielen in der analytischen Chemie eine wichtige Rolle, da viele Ionen durch Bildung schwerlöslicher, oft typisch gefärbter Salze nachgewiesen werden können. Beispiele typischer Fällungsreaktionen zum Nachweis der Ionen ClK, SO24 K, Cu2C und Cd2C sind: ClK C AgC $% AgCl (weiß) 2C $% BaSO4 (weiß) SO2K 4 C Ba 2C 2K Cu C S $% CuS (schwarz) Cd2C C S2K $% CdS (gelb) Für die Verteilung eines gelösten Stoffes in zwei nichtmischbaren Lösungsmitteln gilt für ideale Lösungen das Verteilungsgesetz von Nernst. Bei gegebener Temperatur stellt sich bei der Verteilung eines Stoffes A in zwei nichtmischbaren Flüssigkeiten ein Gleichgewicht ein APhase 1 # APhase 2
318
3 Die chemische Reaktion
Tabelle 3.8 Löslichkeitsprodukte einiger schwer löslicher Stoffe in Wasser bei 25 (C Halogenide MgF2 CaF2 BaF2 PbF2 PbCl2 PbI2 CuCl CuBr CuI AgCl AgBr AgI AgCN Hg2Cl2 Hg2I2
Sulfide 6 2 2 4 2 1 1 4 5 2 5 8 2 2 1
· · · · · · · · · · · · · · ·
K9
10 10K10 10K6 10K8 10K5 10K8 10K6 10K8 10K12 10K10 10K13 10K17 10K14 10K18 10K28
SnS PbS MnS NiS FeS CuS Ag2S ZnS CdS HgS
1 · 10 3 · 10K28 7 · 10K16 10K21 4 · 10K19 8 · 10K45 5 · 10K51 1 · 10K24 1 · 10K28 2 · 10K54
Carbonate Li2CO3 MgCO3 CaCO3 SrCO3 BaCO3 PbCO3 ZnCO3 Ag2CO3
Chromate BaCrO4 PbCrO4 Ag2CrO4
Sulfate K26
8 · 10K11 2 · 10K14 4 · 10K12
2 3 5 2 2 3 6 6
· · · · · · · ·
10K3 10K5 10K9 10K9 10K9 10K14 10K11 10K12
CaSO4 SrSO4 BaSO4 PbSO4
2 8 1 2
· · · ·
10K5 10K7 10K9 10K8
3 1 4 4 2 4 7 7 3 2 5 2 2 2
· · · · · · · · · · · · · ·
10K19 10K12 10K6 10K3 10K33 10K15 10K13 10K31 10K17 10K15 10K38 10K19 10K17 10K14
Hydroxide Be (OH)2 Mg (OH)2 Ca (OH)2 Ba (OH)2 Al (OH)3 Pb (OH)2 Mn (OH)2 Cr (OH)3 Ni (OH)2 Fe (OH)2 Fe (OH)3 Cu (OH)2 Zn (OH)2 Cd (OH)2
Die Löslichkeitsprodukte von Stoffen unterschiedlicher Zusammensetzungen haben auch unterschiedliche Einheiten. Nur Löslichkeitsprodukte gleicher Einheit sind direkt miteinander vergleichbar.
Das Verhältnis der Konzentration des Stoffes A im Lösungsmittel 1 zur Konzentration von A im Lösungsmittel 2 ist konstant c (A in Phase 1) c (A in Phase 2)
ZK
K wird Verteilungskoeffizient genannt. Er ist natürlich gleich dem Verhältnis der Sättigungskonzentrationen des Stoffes A in beiden Phasen. Beispiel: Extraktion von Iod Da der Verteilungskoeffizient K Z
c (I2 in Chloroform) c (I2 in Wasser)
Z 120 beträgt, ist die I2-
Konzentration in Chloroform 120mal größer als die I2-Konzentration in der wässrigen Phase. Es gelingt daher, Iod aus wässriger Lösung mit Chloroform zu extrahieren, d. h. weitgehend in die Chloroform-Phase zu überführen. Das Nernst’sche Verteilungsgesetz ist aber nur gültig, wenn in beiden Phasen die gleichen Teilchen, also z. B. I2-Moleküle, gelöst sind. Das Verteilungsgleichgewicht ist die Grundlage für chromatographische Verfahren, bei denen ein Substanzgemisch in seine Komponenten getrennt wird.
3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen
319
3.7.4 Säuren und Basen Die erste allgemein gültige Säure-Base-Theorie stammt von Arrhenius (1883). Danach sind Säuren Wasserstoffverbindungen, die in wässriger Lösung durch Dissoziation HC-Ionen bilden. Beispiele: Dissoziation
HCl $$$$$$$% HC C ClK Dissoziation
H2SO4 $$$$$$$% 2 HC C SO2K 4 Basen sind Hydroxide, sie bilden durch Dissoziation in wässriger Lösung OHKIonen. Beispiele: Dissoziation
NaOH $$$$$$$% NaC C OHK Dissoziation
Ba (OH)2 $$$$$$$% Ba2C C 2 OHK Arrhenius erkannte, dass die sauren Eigenschaften einer Lösung durch HC-Ionen, die basischen Eigenschaften durch OHK-Ionen zustande kommen. Vereinigt man eine Säure mit einer Base, z. B. 1 mol HCl mit 1 mol NaOH, so entsteht aufgrund der Reaktion HCC ClKC NaCC OHK $% NaCC ClKC H2O eine Lösung, die weder basisch noch sauer reagiert. Es entsteht eine neutrale Lösung, die sich so verhält wie eine Lösung von Kochsalz NaCl in Wasser. Die Umsetzung Säure C Base $% Salz C Wasser wird daher als Neutralisation bezeichnet. Die eigentliche chemische Reaktion jeder Neutralisation ist die Vereinigung von HC- und OHK-Ionen zu Wassermolekülen. Dabei entsteht eine Neutralisationswärme von 57,4 kJ pro Mol H2O. HCC OHK $% H2O
ΔH ( Z K57,4 kJ molK1
Die Säure-Base-Theorie von Arrhenius wurde 1923 von Brönsted erweitert. Nach der Theorie von Brönsted sind Säuren solche Stoffe, die HC-Ionen (Protonen) abspalten können, Basen sind Stoffe, die HC-Ionen (Protonen) aufnehmen können. Die Verbindung HCl z. B. ist eine Säure, da sie Protonen abspalten kann. Das dabei entstehende ClK-Ion ist eine Base, da es Protonen aufnehmen kann. Die durch Protonenabspaltung aus einer Säure entstehende Base bezeichnet man als konjugierte Base. ClK ist die konjugierte Base der Säure HCl. HCl # ClK
Säure
C HC
konjugierte Base
Proton
Säure-Base-Paar 1
(3.35)
320
3 Die chemische Reaktion
Säure und konjugierte Base bilden zusammen ein Säure-Base-Paar. Säure # Base C Proton Die Abspaltung eines Protons kann jedoch nicht als isolierte Reaktion vor sich gehen, sondern sie muss mit einer zweiten Reaktion gekoppelt sein, bei der das Proton verbraucht wird, da in gewöhnlicher Materie freie Protonen nicht existieren können. In wässriger Lösung lagert sich das Proton an ein H2O-Molekül an, H2O wirkt als Base. Durch die Aufnahme eines Protons entsteht dabei die Säure H3OC. H2O C HC Proton konjugierte Base
# H 3O C Säure
Säure-Base-Paar 2
(3.36)
Fasst man die Teilreaktionen (3.35) und (3.36) zusammen, erhält man als Gesamtreaktion: HCl C H2O Säure 1
konj. Base 2
# H3OC C Cl Säure 2
K
konj. Base 1
Protolysereaktion
Bei der Auflösung von HCl in Wasser erfolgt also die Übertragung eines Protons von einem HCl-Molekül auf ein H2O-Molekül. Bei der Protonenübertragung von der Säure HCl auf die Base H2O entsteht aus der Säure HCl die Base ClK und aus der Base H2O die Säure H3OC. An einer Protonenübertragungsreaktion (Protolysereaktion) sind immer zwei Säure-Base-Paare beteiligt, zwischen denen ein Gleichgewicht existiert. Beispiele für Protolysereaktionen:
Wenn nur Wasser als Lösungsmittel berücksichtigt wird, tritt immer das Säure-BasePaar H3OC.H2O auf. Ist die Tendenz zur Abgabe von Protonen groß, wie z. B. bei HCl, sind die Säuren starke Säuren, da viele H3OC-Ionen entstehen, die für die saure Reaktion verantwortlich sind. Die konjugierte Base ClK ist dann eine schwache Base, die Tendenz zur Protonenaufnahme ist nur gering. Umgekehrt ist bei einer schwachen Säure wie 2K eine starke Base. HCOK 3 die konjugierte Base CO3 Die Brönsted’sche Säure-Base-Theorie ist in folgenden Punkten allgemeiner als die Theorie von Arrhenius. Säuren und Basen sind nicht fixierte Stoffklassen, sondern nach ihrer Funktion definiert. Der Unterschied zeigt sich deutlich bei Stoffen, die je nach dem Reaktionspart-
3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen
321
ner sowohl als Säure als auch als Base reagieren können. Man bezeichnet sie als Ampholyte. Das HSOK 4 -Ion kann als Base ein Proton anlagern und in ein H2SO4Molekül übergehen, oder es kann als Säure ein Proton abspalten und in das Ion übergehen. Dasselbe gilt für das Molekül H2O, das ebenfalls als Säure oder SO2K 4 als Base reagieren kann. Nicht nur neutrale Moleküle, sondern auch Kationen oder Anionen können als Säuren und Basen fungieren. Beispiele: H3OC und NHC 4 sind Kationensäuren, K 2K K und HCO sind Anionensäuren, CO und CN Anionenbasen. HSOK 4 3 3 Basen sind nicht nur die Metallhydroxide (bei ihnen ist die wirksame Base das 2K OHK-Ion), sondern auch Stoffe, die keine Hydroxidionen enthalten, z. B. CO2K 3 ,S und NH3. Die Protolysereaktion eines Ions mit Wasser wird auch als Hydrolyse bezeichnet, da man allgemein unter Hydrolyse Umsetzungen mit Wasser versteht (bei denen keine Änderung der Oxidationsstufe erfolgt). Zweckmäßig ist die Verwendung des Begriffs Hydrolyse für die Spaltung kovalenter Bindungen mit Wasser, also z. B. für P d OH C HCl. die Reaktion P d Cl C H2O
%$3.7.5 pH-Wert, Ionenprodukt des Wassers Je mehr H3OC-Ionen eine Lösung enthält, umso saurer ist sie. Als Maß des Säuregrades, der Acidität der Lösung, wird aber nicht die H3OC-Konzentration selbst benutzt, da man dann unpraktische Zahlenwerte erhalten würde, sondern der pHWert. Der pH-Wert ist der negative dekadische Logarithmus des Zahlenwertes der H3OC-Konzentration (genauer der H3OC-Aktivität). pH Z K lg
(
cH3OC
1 mol lK1
)
Da Logarithmen nur von reinen Zahlen gebildet werden können, muss die in mol.l angegebene Konzentration durch die Standardkonzentration 1 mol.l dividiert werden. Es ist aber üblich, vereinfachend pH Z Klg cH3OC zu schreiben. Bei analogen Definitionen (vgl. S. 323) wird ebenso verfahren. Im Wasser ist das Protolysegleichgewicht H2O C H2O # H3OC C OHK vorhanden. Darauf kann das MWG angewendet werden. cH3OC $ cOHK 2 cH 2O
Z Kc
Da das Gleichgewicht weit auf der linken Seite liegt, reagieren nur so wenige H2OMoleküle miteinander, dass ihre Konzentration (55,55 mol.l) praktisch konstant bleibt und in die Gleichgewichtskonstante einbezogen werden kann.
322
3 Die chemische Reaktion 2 cH3OC $ cOHK Z Kc cH Z KW 2O
(3.37)
KW wird Ionenprodukt des Wassers genannt. Bei 25 (C beträgt KW Z 1,0 · 10K14 mol2.l2 In wässrigen Lösungen ist also das Produkt der Konzentrationen der H3OC-und OHK-Ionen konstant. Nach Logarithmieren folgt mit pOH Z Klg cOHK pH C pOH Z 14 Für reines Wasser ist cH3OC Z cOHK Z √KW Z 10K7 mol lK1 Hat eine wässrige Lösung eine H3OC-Konzentration cH3OC Z 10K2 mol.l (pH Z 2), so ist nach Gl. (3.37) die OHK-Konzentration cOHK Z
KW cH3OC
Z
10K14 10K2
cOHK Z 10K12 mol.l In dieser Lösung überwiegen die H3OC-Ionen gegenüber den OHK-Ionen, sie reagiert sauer. Für wässrige Lösungen verschiedener pH-Werte erhält man das Schema der Abb. 3.41.
Abbildung 3.41 Acidität wässriger Lösungen. Für wässrige Lösungen gilt das Ionenprodukt K14 2 K2 mol l . des Wassers. Es beträgt bei 25 (C cH3OC $ cOHK Z 10
3.7.6 Säurestärke, pKs-Wert, Berechnung des pH-Wertes von Säuren Liegt bei der Reaktion einer Säure HA mit Wasser das Gleichgewicht HA C H2O # H3OC C AK weit auf der rechten Seite, dann ist HA eine starke Säure. Liegt das Gleichgewicht weit auf der linken Seite, ist HA eine schwache Säure. Ein quantitatives Maß für die Stärke einer Säure ist die Massenwirkungskonstante der Protolysereaktion.
3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen
323
cH3OC$cAK Z KS cHA KS wird Säurekonstante genannt. Da in verdünnten wässrigen Lösungen die H2OKonzentration annähernd konstant ist, kann cH2O in die Konstante einbezogen werden. Statt des KS-Wertes wird meist der negative dekadische Logarithmus des Zahlenwertes der Säurekonstante KS (Säureexponent) benutzt. pKS Z Klg KS Tabelle 3.9 enthält die pKS-Werte einiger Säure-Base-Paare. Zu den starken Säuren gehören HCl, H2SO4 und HClO4. Da KS O 100 ist, reagieren fast alle Säuremoleküle mit Wasser. Bei den schwachen Säuren CH3COOH, H2S und HCN liegt das Gleichgewicht so weit auf der linken Seite, dass nahezu alle Säuremoleküle unverändert in der wässrigen Lösung vorliegen. Säuren, die mehrere Protonen abspalten können, nennt man mehrbasige Säuren. H2SO4 ist eine zweibasige, H3PO4 eine dreibasige Säure. Für die verschiedenen ProTabelle 3.9 pKS-Werte einiger Säure-Base-Paare bei 25 (C (pKS Z Klg KS)
324
3 Die chemische Reaktion
tonen mehrbasiger Säuren ist die Tendenz der Abgabe verschieden groß (vgl. Tabelle 3.9). Beispiel: H3PO4 H3PO4 C H2O # H3OC C H2POK 4 C 2K H2POK C H O # H O C HPO 4 2 3 4 C 3K HPO2K 4 C H2O # H3O C PO4
pKS (I) Z C 2,16 pKS (II) Z C 7,21 pKS (III) Z C12,32
Für die einzelnen Protolyseschritte mehrbasiger Säuren gilt allgemein KS (I) O KS (II) O KS (III). Aus einem neutralen Molekül ist ein Proton leichter abspaltbar als aus einem einfach negativen Ion und aus diesem leichter als aus einem zweifach negativen Ion. Das Protolysegleichgewicht einer starken Säure, z. B. von HCl, liegt sehr weit auf der rechten Seite: HCl C H2O $% H3OC C ClK Praktisch reagieren alle HCl-Moleküle mit H2O, so dass pro HCl-Molekül ein H3OC-Ion entsteht. Die H3OC-Konzentration in der Lösung ist demnach gleich der Konzentration der Säure HCl, und der pH-Wert kann nach der Beziehung pH Z Klg cSäure berechnet werden. Beispiele: Eine HCl-Lösung der Konzentration c (HCl) Z 0,1 mol.l hat auch die Konzentration cH3OC Z 10K1 mol.l pH Z 1 Perchlorsäure HClO4 der Konzentration c (HClO4) Z 0,5 mol.l hat die Konzentration cH3OC Z 5 $ 10K1 mol.l. pH Z Klg (5 · 10K1) Z K(K1 C 0,7) Z 0,3 Bei Säuren, die nicht vollständig protolysiert sind, muss zur Berechnung des pHWertes das MWG auf das Protolysegleichgewicht angewendet werden (s. Tab. 3.10). Beispiel: Essigsäure CH3COOH C H2O # H3OC C CH3COOK cH3OC $ cCH3COOK Z KS Z 1,8 $ 10K5 mol.l cCH3COOH
(3.38)
Da, wie die Reaktionsgleichung zeigt, aus einem Molekül CH3COOH ein H3OCIon und ein CH3COOK-Ion entstehen, sind die Konzentrationen der beiden Ionensorten in der Lösung gleich groß: cH3OC Z cCH3COOK
3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen
325
Damit erhält man aus Gl. (3.38) 2 C Z K c cH S CH3COOH 3O
cH3OC Z √KS cCH3COOH
(3.39)
cCH3COOH ist die Konzentration der CH3COOH-Moleküle im Gleichgewicht. Sie ist gleich der Gesamtkonzentration an Essigsäure cSäure, vermindert um die Konzentration der durch Reaktion umgesetzten Essigsäuremoleküle: cCH3COOH Z cSäure K cH3OC Da die Protolysekonstante KS sehr klein ist, ist cH3OC . cSäure und cCH3COOH z cSäure. Man erhält aus Gl. (3.39) als Näherungsgleichung cH3OC Z √KS cSäure pH Z
pKS K lg cSäure 2
Für eine Essigsäurelösung der Konzentration c Z 10K1 mol.l erhält man pH Z
4,75 C 1,0 Z 2,87 2
Diese Essigsäurelösung hat, wie zu erwarten ist, einen größeren pH-Wert als eine Lösung der stärkeren Säure HCl gleicher Konzentration. Beispiel: Schwefelwasserstoff H2S ist eine zweibasige Säure. In der ersten Stufe erfolgt die Protolyse H2S C H2O # H3OC C HSK
KS (I) Z 1,02 $ 10K7 mol.l
(3.40)
Für eine H2S-Lösung der Konzentration 0,1 mol.l erhält man pKS K lg cSäure 2 6,99 C 1 Z 4,00 pH Z 2 cH3OC Z cHSK Z 10K4 mol.l pH Z
Für die zweite Protolysestufe gilt HSK C H2O # H3OC C S2K
KS (II) Z 1,29 $ 10K13 mol.l
(3.41)
cH3OC$cS2K Z 1,3 $ 10K13 mol.l cHSK Die Konzentrationen von H3OC und HSK werden im zweiten Protolyseschritt praktisch nicht geändert. Daraus folgt
326
3 Die chemische Reaktion
cS2K Z 1,3 $ 10K13 mol.l Die Konzentration der S2K-Ionen ist gleich der Säurekonstante KS (II). Die Multiplikation der beiden Protolysekonstanten ergibt 2
KS (I) $ KS (II) Z
cH3OC $ cS2K cH3OC $ cHSK $ cH3OC $ cS2K Z cH2S $ cHSK c H 2S
(3.42)
Diese Beziehung täuscht eine Protolyse vor, bei der aus H2S zwei H3OC-Ionen und ein S2K-Ion entstehen. Die Gleichgewichte (3.40) und (3.41) zeigen aber, dass die H3OC-Konzentration sehr viel größer ist als die S2K-Konzentration, da die S2K-Ionen erst im zweiten Protolyseschritt entstehen und KS (II) . KS (I) ist. Aus Gl. (3.42) erhält man 2 K20 C $ c 2K Z 1,3 $ 10 cH mol2.l2 $ cH2S S 3O
Damit kann man die S2K-Konzentration in Abhängigkeit vom pH-Wert berechnen. Für cH2S Z 0,1 mol.1 und pH Z 1 ist cS2K Z 1,3 $ 10K19 mol.l Mit dieser S2K-Konzentration wird das Löslichkeitsprodukt der Sulfide HgS, CuS, PbS, CdS, ZnS überschritten. Sie lassen sich in stark saurer Lösung ausfällen. Zur Fällung von MnS (L Z 7 · 10K16 mol2.l2) muss durch Erhöhung des pH-Wertes die S2K-Konzentration erhöht werden.
3.7.7 Protolysegrad, Ostwald’sches Verdünnungsgesetz Für die Protolysereaktion HA C H2O # H3OC C AK
(3.43)
kann definiert werden Protolysegrad α Z αZ
Konzentration protolysierter HA-Moleküle Konzentration der HA-Moleküle vor der Protolyse cH OC c AK c K cHA Z c3 Z c c
(3.44)
Es bedeuten: c die Gesamtkonzentration HA, cHA die Konzentration von HA-Molekülen im Gleichgewicht. α kann Werte von 0 bis 1 annehmen. Bei starken Säuren ist α Z 1 (100%ige Protolyse). Wendet man auf die Reaktion (3.43) das MWG an und substituiert cH3OC , cAK und cHA durch (3.44), so erhält man KS Z
cH3OC $ cAK α 2c 2 α2 Z Zc 1Kα cHA c K αc
(3.45)
3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen
327
Diese Beziehung heißt Ostwald’sches Verdünnungsgesetz. Für schwache Säuren ist α . 1, und man erhält aus Gl. (3.45) die Näherungsgleichung
Diese Beziehung zeigt, dass der Protolysegrad einer schwachen Säure mit abnehmender Konzentration, also wachsender Verdünnung, wächst. Beträgt die Konzentration der Essigsäure 0,1 mol.l, ist α Z 0,0134; nimmt die Konzentration auf 0,001 mol.l ab, so ist α Z 0,125, die Protolyse nimmt von 1,34% auf 12,5% zu. Bei sehr verdünnten schwachen Säuren kann der Protolysegrad so große Werte erreichen, dass die Näherungsgleichung pH Z 21 (pKS K lg cSäure ) zur pH-Berechnung nicht mehr anwendbar ist. Mit dieser Gleichung kann man rechnen, wenn cSäure R KS ist. Der Protolysegrad ist in diesem Bereich α % 0,62 Als größten Fehler erhält man für den Fall cSäure Z KS einen um 0,2 pH-Einheiten zu kleinen Wert.
Tabelle 3.10 Formeln zur Berechnung des pH-Wertes Säuren exakte Berechnung cH2 3OC Z KS cSäure KcH3OC
pH Z Klg cH3OC Näherungen cSäure S KS α & 0,62 pH Z 12 (pKS Klg cSäure ) Maximaler Fehler bei cSäure Z
Basen pKS C pKB Z 14 exakte Berechnung 2 cOHK cBaseKcOHK Z KB
cSäure & KS α S 0,62 pH Z Klg cSäure KS: K0,2 pH-Einheiten pOH Z Klg cOHK pOH C pH Z 14
Näherungen cBase S KB α & 0,62 pOH Z 12 (pKB Klg cBase ) Maximaler Fehler bei cBase Z
cBase & KB α S 0,62 pOH Z Klg cBase KB: K0,2 pOH-Einheiten
Salze Kationensäuren C schwache Anionenbasen Berechnung wie bei Säuren, cSalz Z cSäure
Anionenbasen C schwache Kationensäuren Berechnung wie bei Basen, cSalz Z cBase
328
3 Die chemische Reaktion
Im Bereich cSäure % KS α R 0,62 ist die Beziehung pH Z Klg cSäure die geeignete Näherung (vgl. Tabelle 3.10).
3.7.8 pH-Wert-Berechnung von Basen Die Teilchen S2K, PO34 K, CO23 K, CNK, NH3, CH3COOK (vgl. Tabelle 3.9) reagieren in wässriger Lösung basisch. Die Reaktion der Base AK mit Wasser führt zum Gleichgewicht AK C H2O # OHK C HA Das MWG lautet cOHK $ cHA Z KB cAK KB bezeichnet man als Basenkonstante und den negativen dekadischen Logarithmus als Basenexponent. pKB Z Klg KB Zwischen KS und KB eines Säure-Base-Paares besteht ein einfacher Zusammenhang. cH3OC $ cAK Z KS cHA Multipliziert man KS mit KB , erhält man KW, das Ionenprodukt des Wassers. cH OC $ cAK $ cOHK $ cHA Z cH3OC $ cOHK Z KW KS $ KB Z 3 cHA $ cAK Für eine Säure HA und ihre konjugierte Base AK gilt daher immer und
KB Z
KW KS
pKS C pKB Z 14
(3.46)
Beispiel: CH3COOK CH3COONa dissoziiert beim Lösen in Wasser vollständig in die Ionen NaC und CH3COOK. Das Ion NaC reagiert nicht mit Wasser. CH3COOK ist die konjugierte Base von CH3COOH. Es findet daher die Protolysereaktion
3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen
CH3COOK C H2O # CH3COOH C OHK
329
(3.47) K
statt. Den H2O-Molekülen werden von den CH3COO -Ionen Protonen entzogen, dadurch entstehen OHK-Ionen, die Lösung reagiert basisch. Die Anwendung des MWG führt zu cCH3COOH $ cOHK KB Z cCH3COOK cCH3COOH Z cOHK cOHK Z √KB cCH3COOK Wenn das Gleichgewicht der Reaktion (3.47) so weit auf der linken Seite liegt, dass die Gleichgewichtskonzentration von CH3COOK annähernd gleich der Konzentration an gelöstem Salz CH3COONa ist, erhält man cOHK Z √KB cBase pOH Z
pKB K lg cBase 2
pOH Z
pKB K lg cSalz 2
bzw.
Aus Gl. (3.46) erhält man für den pKB-Wert von CH3COOK pKB Z 14 K 4,75 Z 9,25 Das Protolysegleichgewicht (3.47) liegt danach tatsächlich so weit auf der linken Seite, dass näherungsweise cCH3COOK Z cCH3COONa gilt (vgl. Tabelle 3.10). Für eine Lösung der Konzentration cCH3COONa Z 0,1 mol.l erhält man pOH Z und
9,2 C 1 Z 5,1 2
pH Z 14 K 5,1 Z 8,9 Mit der Näherung pOH Z Klg cBase kann man rechnen, wenn cBase % KB ist (vgl. Tabelle 3.10). Sie ist aber nur auf verdünnte Lösungen weniger Anionenbasen wie anwendbar. S2K und PO3K 4 Beispiel: S2K Der pKS-Wert von HSK beträgt 12,89. Mit der Beziehung (3.46) erhält man KB (S2K) Z 10K1,1 mol.l Für eine Lösung der Konzentration cS2K Z 10K2 mol.l ist also c ! KB und folglich die Näherung für starke Basen anwendbar.
330
3 Die chemische Reaktion
pOH Z 2 und pH Z 12
3.7.9 Reaktion von Säuren mit Basen Zwischen zwei Säure-Base-Paaren existiert das Gleichgewicht S1 C B2 # B1 C S2 Dafür lautet das MWG cB $ c S K Z c 1$ c 2 S1
B2
Die Gleichgewichtskonstante K lässt sich aus den Säurekonstanten der beiden SäureBase-Paare berechnen. cH OC $ cB1 KS (1) Z 3 c S 1 C H 2O # H 3O C C B 1 S1 B2 C H3OC # S2 C H2O KZ
c S2 1 Z cB2 $ cH3OC KS (2)
KS (1) KS (2)
pK Z pKS (1) K pKS (2) Ist pK ! 0, liegt das Gleichgewicht auf der rechten Seite. Dies ist der Fall, wenn pKS (1) ! pKS (2), das Säure-Base-Paar 1 also in Tabelle 3.9 oberhalb des SäureBase-Paares 2 steht.
Beispiele: HCl
K C NH3 # NHC 4 C Cl
HNO3 C CN
K
K HSOK 4 C HS
NHC 4 NHC 4
CS
2K
C OH
K
pK Z K15,2
# HCN
C NOK 3
pK Z K10,6
# H 2S
C SO2K 4
pK Z K 5,0
C NH3
pK Z K 3,6
# H2O C NH3
pK Z K 6,5
# HS
K
3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen
331
Die Gleichgewichte liegen vollständig auf der rechten Seite, die Protonenübertragung verläuft also vollständig. In sauren Lösungen entstehen aus Cyaniden und Sulfiden die flüchtigen Säuren HCN und H2S. In stark basischen Lösungen entwickeln Ammoniumsalze NH3. (NH4)2S, (NH4)3PO4 und (NH4)2CO3 sind bei Raumtemperatur nicht beständig. Sie wandeln sich unter Abspaltung von NH3 in NH4HS, (NH4)2HPO4 und NH4HCO3 um. Im festen Zustand gibt es kein NH4OH, sondern nur das Hydrat NH3 · H2O (Smp. K79 (C). Ist pK O 0, liegt das Gleichgewicht auf der linken Seite, es findet keine Protonenübertragung statt.
Beispiele: NHC C SO2K # HSOK 4 4 C NH3 4 NHC 4
C HCOK 3
H2S
C NOK 3
K HSOK 3 C Cl
# CO2
C H2O C NH3
# HNO3 C HS # HCl
K
C SO2K 3
pK Z 7,3 pK Z 2,9 pK Z 5,6 pK Z 17,4
Die Gleichgewichte liegen vollständig auf der linken Seite, die Ausgangsprodukte reagieren nicht miteinander. Die Salze (NH4)2SO4, NH4HCO3, (CH3COO)3Al z. B. sind beständig.
3.7.10 pH-Wert-Berechnung von Salzlösungen Löst man ein Salz in Wasser, so zerfällt es in einzelne Ionen. Außer der Hydratation erfolgt häufig keine weitere Reaktion der Ionen mit den Wassermolekülen. Die Lösung reagiert neutral. In der Lösung sind wie in reinem Wasser je 10K7 mol.l H3OCund OHK-Ionen vorhanden. Dafür ist NaCl ein gutes Beispiel. Viele Salze jedoch lösen sich unter Änderung des pH-Wertes. Zum Beispiel reagieren wässrige Lösungen von NH4Cl und FeCl3 sauer, Lösungen von Na2CO3 und CH3COONa reagieren basisch. Beispiel: NH4Cl K K Beim Lösen dissoziiert NH4Cl in die Ionen NHC reagiert nicht mit 4 und Cl . Cl C Wasser, es ist eine extrem schwache Brönsted-Base. NH 4 ist eine Brönsted-Säure (vgl. Tabelle 3.9), es erfolgt daher die Protolysereaktion C NHC 4 C H2O # H3O C NH3
332
3 Die chemische Reaktion
C NHC 4 gibt unter Bildung von H3O -Ionen Protonen an die Wassermoleküle ab. Eine NH4Cl-Lösung reagiert daher sauer. Der pH-Wert kann in gleicher Weise berechnet werden wie der von Essigsäure (vgl. Abschn. 3.7.6 und Tab. 3.10). Die Anwendung des MWG führt zu
cH3OC $ cNH3 Z KS cNHC4 Wegen cH3OC Z cNH3 folgt cH3OC Z √KS cNHC4 Da NH4Cl vollständig in Ionen aufgespalten wird und von den entstandenen NHC 4 -Ionen nur ein vernachlässigbar kleiner Teil mit Wasser reagiert (pKS Z 9,25), ist die NHC 4 -Konzentration im Gleichgewicht nahezu gleich der Konzentration des gelösten Salzes: cNHC4 Z cNH4Cl Damit erhält man aus Gl. (3.49) cH3OC Z √KS cSalz und pH Z
pKS K lg cSalz 2
Für eine NH4Cl-Lösung der Konzentration cNH4Cl Z 0,1 mol.l erhält man daraus pH Z 5,1. Beispiel: CH3COONa Eine CH3COONa-Lösung der Konzentration 0,1 mol.l hat den pH Z 8,9 (vgl. Berechnung Abschn. 3.7.8). Lösungen von Salzen, deren Anionen starke Anionenbasen und deren Kationen schwache Kationensäuren sind, reagieren basisch. Lösungen von Salzen aus starken Tabelle 3.11 Protolysereaktionen von Salzen in wässriger Lösung Salz
Charakter der Ionen in Lösung
Reaktion des Salzes in wässriger Lösung
AlCl3, NH4HSO4, FeCl2, ZnCl2
Kationensäure C sehr schwache Anionenbase
sauer
NaCl, KCl, NaClO4, BaCl2
sehr schwache Kationensäure C sehr schwache Anionenbase
neutral
Na2S, KCN, Na3PO4, Na2SO3
Anionenbase C sehr schwache Kationensäure
basisch
3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen
333
Kationensäuren und schwachen Anionenbasen reagieren sauer. Weitere Beispiele enthält Tabelle 3.11. K 2K K Salze, deren Anionen Ampholyte sind, wie z. B. HSOK 3 , H2PO4 , HPO4 , HCO3 , HSK, reagieren gleichzeitig als Säuren und als Basen. Der pH-Wert kann näherungsweise mit der Beziehung pH Z
pKS (1) C pKS (2) 2
berechnet werden. (1) bedeutet Ampholyt, z. B. HSOK 3 , (2) bedeutet konjugierte Säure des Ampholyten, also H2SO3. Diese Näherungsformel ist auch auf eine Reihe von Salzen anwendbar, die aus Kationensäuren und Anionenbasen zusammengesetzt sind, z. B. NH4CN, CH3COONH4, AlF3, ZnF2. Beispiel: NaH2PO4 Zur pH-Berechnung sind folgende Gleichgewichte zu berücksichtigen: C 2K H2POK 4 C H2O # H3O C HPO4
K H2POK 4 C H2O # OH C H3PO4
2K 2 H2POK 4 # H3PO4 C HPO4
KS (H2POK 4 ) Z
cH3OC $ cHPO42K cH2PO4K
pKS (H2POK 4 ) Z 7,21 cOHK $ cH3PO4 KB (H2POK 4 ) Z cH2PO4K pKB (H2POK 4 ) Z 11,84 KS (H2POK 4 ) KZ KS (H3PO4) pK Z 5,05
Dividiert man hält man
KS (H2POK 4 )
KS (H2POK 4 ) KW KB (H2POK 4 )
Z
durch KB (H2POK 4 ) und multipliziert mit KW , so er-
2 K C$c cH HPO42K $ cH2PO4K $ cOH 3O K K cH2PO4 $ cH3PO4 $ cOH
K Da K Z KS (H2POK 4 ) und K Z KB (H2PO4 ) ist, sind die Konzentrationen von 2K H3PO4 und HPO4 ganz überwiegend durch die Autoprotolyse von H2POK 4 fest2K gelegt und cH3PO4 Z cHPO4 . Daraus folgt
cH3OC Z √KS (H2POK 4 ) KS (H3PO4) und pH Z
pKS (H2POK 4 ) C pKS (H3PO4) 2
Unabhängig von der Konzentration der NaH2PO4-Lösung erhält man für den pH-Wert
334
3 Die chemische Reaktion
pH Z
7,21 C 2,16 Z 4,68 2
Beispiel: NH4F Protolysegleichgewichte: C NHC 4 C H2O # H3O C NH3
F
K
C H2O # OH
K NHC 4 CF
K
# HF
Man erhält für KS (NHC 4 ) KW KB (FK)
Z
pKS (NHC 4 ) Z 9,25
C HF
pKB (FK)
C NH3
pK Z pKS (NHC 4 ) K pKS (HF) Z 6,07 (vgl. Gl. 3.48)
Z 10,82
2 K K C$c cH NH3 $ cF $ cOH 3O K cNHC4 $ cHF $ cOH
K Wegen K Z Ks (NHC 4) und K Z KB(F ) ist cNH3 Z cHF. K Da K . 1, erfolgt nahezu keine Protolysereaktion der NHC 4 - mit den F -Ionen und cNHC4 Z cFK
cH3OC Z
√K
C S (NH 4 ) KS (HF)
pKS (NHC 4 ) C pKS (HF) 2 9,21 C 3,18 pH Z Z 6,19 2 pH Z
Die Näherungsformel ist nur anwendbar, wenn für die Protolysereaktion der Kationensäure mit der Anionenbase K. 1 ist, also für Salze mit einer Kombination Kationensäure-Anionenbase „links unten K rechts oben“, aber nicht für Salze mit der Kombination „links oben K rechts unten“.
3.7.11 Pufferlösungen Pufferlösungen sind Lösungen, die auch bei Zugabe erheblicher Mengen Säure oder Base ihren pH-Wert nur wenig ändern. Sie bestehen aus einer schwachen Säure (Base) und einem Salz dieser schwachen Säure (Base). Beispiele: Der Acetatpuffer enthält CH3COOH und CH3COONa (Pufferbereich bei pH Z 5). Der Ammoniakpuffer enthält NH3 und NH4Cl (Pufferbereich bei pH Z 9). Wie eine Pufferlösung funktioniert, kann durch Anwendung des MWG auf die Protolysereaktion HA C H2O # H3OC C AK erklärt werden.
(3.50)
3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen
KS Z
cH3OC $ cAK cHA
335
(3.51)
c cH3OC Z KS cHA K A c K pH Z pKS C lg c A HA
(3.52)
In der Abb. 3.42 ist die Beziehung (3.52) für den Acetatpuffer graphisch dargestellt. Ist das Verhältnis cAK.cHA Z 1 (äquimolare Mischung), dann gilt pH Z pKS. Ändert sich das Verhältnis cAK.cHA auf 10, wächst der pH-Wert nur um eine Einheit, ändert es sich auf 0,1, dann sinkt der pH-Wert um eins. Erst wenn cAK.cHA größer als 10 oder kleiner als 0,1 ist, ändert sich der pH-Wert drastisch.
Abbildung 3.42 Pufferungskurve einer Essigsäure-Acetat-Pufferlösung. Die beste Pufferwirkung hat eine 1 : 1-Mischung (pH Z 4,75). H3OC-Ionen werden von CH3COOK-Ionen, OHKIonen von CH3COOH gepuffert: Pufferung von OHK
1dddddddd CH3COOK C H3OC CH3COOH C H2O dddddddd/ Pufferung von H OC 3
Solange dabei das Verhältnis CH3COOH.CH3COOK im Bereich 0,1 bis 10 bleibt, ändert sich der pH-Wert nur wenig.
Versetzt man eine Pufferlösung mit H3OC-Ionen, dann müssen, damit die Konstante in Gl. (3.51) erhalten bleibt, die H3OC-Ionen mit den AK-Ionen zu HA reagieren. Das Protolysegleichgewicht (3.50) verschiebt sich nach links, die H3OC-Ionen werden durch die AK-Ionen gepuffert, und der pH-Wert nimmt nur geringfügig ab. Die Lösung puffert solange, bis das Verhältnis cAK.cHA z 0,1 erreicht ist. Erst dann erfolgt bei weiterer Zugabe von H3OC eine starke Abnahme des Verhältnisses cAK.cHA und entsprechend eine starke Abnahme des pH-Wertes. Fügt man der Pufferlösung OHK-Ionen zu, so reagieren diese mit HA zu AK und H2O, das Gleichgewicht
336
3 Die chemische Reaktion
(3.50) verschiebt sich nach rechts. Erst wenn das Verhältnis cAK.cHA z 10 erreicht ist, wächst bei weiterer Zugabe von OHK-Ionen der pH-Wert rasch an. Die beste Pufferwirkung haben äquimolare Mischungen, ihr Pufferbereich liegt bei pH Z pKS . Je konzentrierter eine Pufferlösung ist, desto wirksamer puffert sie. Beispiel: Ein Liter eines Acetatpuffers, der 1 mol CH3COOH und 1 mol CH3COONa enthält, hat nach Gl. 3.52 einen pH-Wert von 4,75. Wie ändert sich der pH-Wert der Pufferlösung, wenn außerdem noch 0,1 mol HCl zugefügt werden? Die durch Protolyse des HCl entstandenen 0,1 mol H3OC-Ionen reagieren praktisch vollständig mit den CH3COOK-Ionen zu CH3COOH C H2O. H3OC C CH3COOK $% CH3COOH C H2O Die Konzentration der CH3COOK-Ionen wird damit (1 K 0,1) mol.l, die Konzentration der CH3COOH-Moleküle (1 C 0,1) mol.l. Nach Gl. (3.52) erhält man pH Z pK (CH3COOH) C lg
cCH3COOK 1 K 0,1 Z 4,66 Z 4,75 C lg 1 C 0,1 cCH3COOH
Der HCl-Zusatz senkt den pH-Wert des Puffers also nur um etwa 0,1. Ein Liter einer Lösung, die nur 1 mol CH3COOH und außerdem 0,1 mol HCl enthält, hat dagegen einen pH von ungefähr 1. Das Gleichgewicht (3.50) liegt bei der Essigsäure so weit auf der linken Seite, dass nahezu keine CH3COOK-Ionen zur Reaktion mit den H3OC-Ionen der HCl zur Verfügung stehen. Reine Essigsäure puffert daher nicht.
3.7.12 Säure-Base-Indikatoren Säure-Base-Indikatoren sind organische Farbstoffe, deren Lösungen bei Änderung des pH-Wertes ihre Farbe wechseln. Die Farbänderung erfolgt für einen bestimmten Indikator in einem für ihn charakteristischen pH-Bereich, daher werden diese Indikatoren zur pH-Wert-Anzeige verwendet. Säure-Base-Indikatoren sind Säure-Base-Paare, bei denen die Indikatorsäure eine andere Farbe hat als die konjugierte Base. In wässriger Lösung existiert das pHabhängige Gleichgewicht H Ind C H2O # H3OC C IndK Beispiel: Phenolphthalein Indikatorsäure H Ind farblos liegt vor in saurem Milieu
konjugierte Indikatorbase IndK rot liegt vor in stark basischem Milieu
3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen
337
Die Anwendung des MWG ergibt cH OC $ cIndK KS (H Ind) Z 3 c HInd c K pH Z pKS (H Ind) C lg c Ind HInd Ist das Verhältnis cIndK.cHInd Z 10, ist für das Auge meistens nur noch die Farbe von IndK wahrnehmbar. Ist das Verhältnis cIndK.cHInd Z 0,1, so zeigt die Lösung nur die Farbe von H Ind. Bei dazwischen liegenden Verhältnissen treten Mischfarben auf. Den pH-Bereich, in dem Mischfarben auftreten, nennt man Umschlagbereich des Indikators. Der Umschlagbereich liegt also ungefähr bei pH Z pKS (H Ind) G 1 Bei größeren oder kleineren pH-Werten tritt nur die Farbe von IndK bzw. H Ind auf, der Indikator ist umgeschlagen. Der Umschlag erfolgt also wie erwünscht in einem kleinen pH-Intervall (Abb. 3.43).
Abbildung 3.43 Umschlagbereiche einiger Indikatoren. Im Umschlagbereich ändert der Indikator seine Farbe. Indikatoren sind daher zur pH-Anzeige geeignet.
In der Tabelle 3.12 sind Farben und Umschlagbereiche einiger Indikatoren angegeben. Tabelle 3.12 Farben und Umschlagbereiche einiger Indikatoren Indikator
Umschlagbereich pH
Farbe der Indikatorsäure
Farbe der Indikatorbase
Thymolblau Methylorange Kongorot Methylrot Lackmus Phenolphthalein Thymolphthalein
1,2K2,8 3,1K4,4 3,0K5,2 4,4K6,2 5,0K8,0 8,0K9,8 9,3K10,6
rot rot blau rot rot farblos farblos
gelb gelb-orange rot gelb blau rot-violett blau
Der ungefähre pH-Wert einer Lösung kann mit einem Universalindikatorpapier bestimmt werden. Es ist ein mit mehreren Indikatoren imprägniertes Filterpapier,
338
3 Die chemische Reaktion
das je nach pH-Wert der Lösung eine bestimmte Farbe annimmt, wenn man etwas Lösung auf das Papier bringt. Indikatoren werden bei Säure-Base-Titrationen verwendet. Dabei wird eine unbekannte Stoffmenge Säure (Base) durch Zugabe von Base (Säure) bekannter Konzentration bestimmt. Der Äquivalenzpunkt, bei dem gerade die zur Neutralisation erforderliche Äquivalent-Stoffmenge zugesetzt ist, wird am Farbumschlag des Indikators erkannt (Abb. 3.44).
Abbildung 3.44 Titrationskurven von Salzsäure und Essigsäure bei der Titration mit einer starken Base. Am Äquivalenzpunkt erfolgt ein pH-Sprung. Für die HCl-Titration ist sowohl Methylorange als auch Phenolphthalein als Indikator geeignet (ebenso alle Indikatoren, deren Umschlagbereiche dazwischen liegen). Zur Titration von CH3COOH ist Phenolphthalein als Indikator geeignet. Am Äquivalenzpunkt ist eine CH3COONa-Lösung vorhanden, die ja basisch reagiert (vgl. Abschn. 3.7.10), und der pH-Sprung erfolgt im basischen Bereich.
3.7.13 Säure-Base-Reaktionen in nichtwässrigen Lösungsmitteln Protonenübertragungsreaktionen sind auch in nichtwässrigen Lösungsmitteln möglich, in denen wie bei H2O Autoprotolyse auftritt. K 2 NH3 # NHC 4 C NH 2 C K 2 HF # H 2F C F K 2 H2SO 4 # H3SOC 4 C HSO4 K 2 CH3COOH # CH3COOHC 2 C CH3COO
3.7 Gleichgewichte von Salzen, Säuren und Basen
339
Beispiel: NH3 Die Autoprotolyse im wasserähnlichen Lösungsmittel NH3 ist geringer als in H2O. Das Ionenprodukt beträgt cNHC4 $ cNH2K Z 10K29 mol2 lK2 Einige typische Protonenübertragungsreaktionen in flüssigem Ammoniak sind: Neutralisation
K NHC 4 C NH2 $% 2 NH3
Reaktion eines unedlen Metalls mit der Säure NHC 4 2C Ca C 2 NHC C 2 NH3 C H2 4 $% Ca
Ammonolyse
BCl3 C 6 NH3 $% B(NH2)3 C 3 NH4Cl
3.7.14 Der Säure-Base-Begriff von Lewis Säure-Base-Reaktionen nach Brönsted sind Protonenübertragungsreaktionen. Brönsted-Säuren müssen Wasserstoffverbindungen sein und der Brönsted’sche Säurebegriff ist nur auf wasserstoffhaltige (prototrope) Lösungsmittel wie H2O, NH3, HF anwendbar. Das bereits 1923 von Lewis entwickelte Säure-Base-Konzept ist allgemeiner. Lewis-Säuren sind Teilchen mit unbesetzten Orbitalen in der Valenzelektronenschale, die unter Bildung einer kovalenten Bindung ein Elektronenpaar aufnehmen können (Elektronenpaarakzeptoren). Lewis-Basen sind Teilchen, die ein freies Elektronenpaar besitzen, das zur Ausbildung einer kovalenten Bindung geeignet ist (Elektronenpaardonatoren). Beispiele für Lewis-Säuren: BF3, AlH3, SiF4, PF3, SnCl4, SO2, SO3, HC, Mg2C, Al3C, Cu2C, HgC Beispiele für Lewis-Basen: NH3, PH3, H2O, FK, ClK, CO, N2, NO, CNK Bei der Reaktion einer Säure mit einer Base entsteht eine Atombindung
340
3 Die chemische Reaktion
Die weiteren Beispiele zeigen, wie vielfältig Säure-Base-Reaktionen nach Lewis sind. Lewis-Säuren Lewis-Basen
Die Stärke einer Brönsted-Säure bzw. -Base kann durch die Säurekonstante bzw. Basenkonstante quantitativ erfasst werden. Für Lewis-Säuren und Lewis-Basen erfolgte zunächst nur eine qualitative Klassifizierung (Pearson 1963). Es wird zwischen „harten“ und „weichen“ Säuren und Basen unterschieden. Die Härte einer Säure nimmt mit abnehmender Größe, kleinerer Polarisierbarkeit und zunehmender Ladung der Säureteilchen zu Hart
Grenzbereich
Weich
HC, LiC, NaC, KC, Be2C Mg2C, Ca2C, Al3C, Fe3C Cr3C, Ti4C, SO3, BF3
Fe2C, Co2C, Ni2C, Cu2C Pb2C, Zn2C, Sn2C, SO2
Pd2C, Pt2C, CuC, AgC AuC, HgC, Hg2C, TlC Cd2C, BH3
Basen sind umso härter, je kleiner, weniger polarisierbar und schwerer oxidierbar die Basenteilchen sind. Hart K
Grenzbereich K
K , ClO4 3K 2K PO4 , CO3
2K
F , OH , O 2K K SO4 , NO3 , H2O, NH3
K
Br ,
K NO2 ,
2K SO3 ,
Weich K N3 ,
N2
HK, IK, CNK, SCNK, S2K 2K S2O3 , CO, C6H6
Reaktionen von „harten“ Säuren mit „harten“ Basen und von „weichen“ Säuren mit „weichen“ Basen führen zu stabileren Verbindungen als die Kombinationen „weich“K„hart“. Beispiele: Der Komplex [AlF6]3K ist stabiler als der Komplex [AlI6]3K, aber [HgI4]2K ist stabiler als [HgF4]2K. [Cu (NH3)4]2C ist stabiler als [Cu (H2O)4]2C. NH3 ist eine weichere Base als H2O. Es findet die Ligandenaustauschreaktion [Cu (H2O)4]2C C 4 NH3 $% [Cu (NH3)4]2C C 4 H2O statt. Die auch in der Natur vorkommenden stabilen Verbindungen von Mg2C, Ca2C, Al3C sind Sulfate, Carbonate, Phosphate und Oxide. Die stabilen natürlichen Vorkommen von CuC, Hg2C, Zn2C sind Sulfide. Das HSAB-(hard-soft acid-base)Prinzip wurde von Pearson und Parr (1983) erweitert. Lewis-Säuren und Lewis-Basen werden nach ihrer Härte quantitativ geordnet.
3.8 Redoxvorgänge
341
Die chemische Härte η gibt an, wie leicht oder wie schwer die Anzahl der Elektronen eines Teilchens S verändert werden kann. Ein Maß für die Härte ist danach die halbe Energieänderung des Elektronenübergangs S C S $% SC C SK I C Eea 2 I Ionisierungsenergie, Eea Elektronenaffinität (Definition des Vorzeichens s. Tab. 1.12) Harte Atome und Ionen sind die mit großer Ionisierungsenergie und kleiner Elektronenaffinität, weiche solche mit kleiner Ionisierungsenergie und großer Elektronenaffinität. Für das weichste Teilchen mit der Härte null gilt I Z KEea. Die leichten Atome einer Gruppe sind daher im Allgemeinen hart, die schweren Atome weich. Die Beziehung zwischen chemischer Härte und absoluter Elektronegativität xabs (vgl. Abschn. 2.2.9) ist aus dem folgenden Schema ersichtlich. ηZ
Auch für Moleküle gilt, dass der Abstand zwischen dem niedrigsten unbesetzten Orbital (LUMO, lowest unoccupied molecular orbital) und dem höchsten besetzten Orbital (HOMO, highest occupied molecular orbital) bei harten Molekülen groß und bei weichen Molekülen klein ist.
3.8 Redoxvorgänge 3.8.1 Oxidationszahl Statt der mehrdeutigen Begriffe „Wertigkeit“ oder „Valenz“ eines Elements wird der Begriff Oxidationszahl oder Oxidationsstufe verwendet.
342
3 Die chemische Reaktion
1. Die Oxidationszahl eines Atoms im elementaren Zustand ist null. 0
H2
0
O2
0
0
Cl2
S8
0
Al
2. In Ionenverbindungen ist die Oxidationszahl eines Elements identisch mit der Ionenladung. Verbindung
Auftretende Ionen
Oxidationszahlen
NaCl
Na1C, Cl1K
Na Cl
LiF
Li1C, F1K
CaO
Ca2C, O2K 1C
,H
1K
LiH
Li
Fe3O4
2 Fe3C, Fe2C, 4O2K
C1 K1
C1 K1
Li F
C2 K2
Ca O
C1 K1
Li H
C8.3 K2
Fe3 O4
Treten bei einem Element gebrochene Oxidationszahlen auf, sind die Atome dieses Elements in verschiedenen Oxidationszahlen vorhanden. 3. Bei kovalenten Verbindungen wird die Verbindung gedanklich in Ionen aufgeteilt. Die Aufteilung erfolgt so, dass die Bindungselektronen dem elektronegativeren Partner zugeteilt werden. Bei gleichen Bindungspartnern erhalten beide die Hälfte der Bindungselektronen. Die Oxidationszahl ist dann identisch mit der erhaltenen Ionenladung.
3.8 Redoxvorgänge
343
Bei Verbindungen mit gleichen Bindungspartnern ist für das Redoxverhalten nur die mittlere Oxidationszahl sinnvoll. Beispiel: Stickstoffwasserstoffsäure HN3
Nach den in 3 angegebenen Regeln erhält man für die einzelnen Stickstoffatome unterschiedliche Oxidationszahlen, die mittlere Oxidationszahl beträgt K31. Dies gilt für beide Grenzstrukturen. Die Oxidationszahlen der Elemente hängen von ihrer Stellung im PSE ab. Für die Hauptgruppen gilt: Die positive Oxidationszahl eines Elements der Gruppen 1 und 2 kann nicht größer sein als die Gruppennummer dieses Elements. Für die Elemente der Gruppen 13K17 ist die maximale Oxidationszahl Gruppennummer K10. Beispiele: Alkalimetalle C1; Erdalkalimetalle C2; C C4; N C5; Cl C7. Die maximale negative Oxidationszahl beträgt Gruppennummer K18. Beispiele: Halogene K1; Chalkogene K2; N, P K3. Aufgrund seiner besonderen Stellung im PSE kann Wasserstoff mit den Oxidationszahlen C1, 0, K1 auftreten. Als elektronegativstes Element kann Fluor keine positiven Oxidationszahlen haben.
Abbildung 3.45 Wichtige Oxidationszahlen der Elemente der ersten drei Perioden.
344
3 Die chemische Reaktion
Die meisten Elemente treten in mehreren Oxidationszahlen auf. Der Bereich der Oxidationszahlen kann für ein Element maximal acht Einheiten betragen (vgl. Abb. 3.45). Die Oxidationsstufen des Elements Stickstoff z. B. reichen von K3 in NH3 bis C5 in HNO3. Bei den Metallen kommen besonders die Übergangsmetalle in sehr unterschiedlichen Oxidationszahlen vor. Mn z. B. hat in MnO die Oxidationszahl C2, in KMnO4 C7 (vgl. Abb. 2.81). Die wichtigsten Oxidationszahlen der Elemente der ersten drei Perioden des PSE sind in der Abb. 3.45 zusammengestellt.
3.8.2 Oxidation, Reduktion Lavoisier erkannte, dass bei allen Verbrennungen Sauerstoff verbraucht wird. Er führte für Vorgänge, bei denen sich eine Substanz mit Sauerstoff verbindet, den Begriff Oxidation ein. Beispiele: 2 Mg C O2 $% 2 MgO S C O2 $% SO2 Der Begriff Reduktion wurde für den Entzug von Sauerstoff verwendet. Beispiel: Fe2O3 C 3 C $% 2 Fe C 3 CO CuO C H2 $% Cu C H2O Man verwendet diese Begriffe jetzt viel allgemeiner und versteht unter Oxidation und Reduktion eine Änderung der Oxidationszahl (vgl. Abschn. 3.8.1) eines Teilchens. Die Oxidationszahl ändert sich, wenn man dem Teilchen K Atom, Ion, Molekül K Elektronen zuführt oder Elektronen entzieht. Bei einer Oxidation werden Elektronen abgegeben, die Oxidationszahl erhöht sich: m
mCz
A $% A C z eK Beispiele: 0
C2
0
C1
C2
C3
Fe $% Fe C 2 eK Na $% Na C eK Fe $% Fe C eK
Bei einer Reduktion werden Elektronen aufgenommen, die Oxidationszahl erniedrigt sich: m
mKz
B C z eK $% B
3.8 Redoxvorgänge
345
Beispiele: 0
K1
0
K2
C1
0
C3
C2
Cl2 C 2 eK $% 2 Cl O2 C 4 eK $% 2 O Na C eK $% Na Fe C eK $% Fe
Schreibt man diese Reaktionen als Gleichgewichtsreaktionen, dann erfolgt je nach der Richtung, in der die Reaktion abläuft, eine Oxidation oder eine Reduktion. Oxidation
C1
Oxidation
C3
Na 1#$$$$ #$$$$/ Na C eK Reduktion C2
#$$$$/ Fe C eK Fe 1#$$$$ Reduktion
Allgemein kann man schreiben reduzierte Form # oxidierte Form C z eK Die oxidierte Form und die reduzierte Form bilden zusammen ein korrespondierenC2
/
C3
des Redoxpaar. Na.NaC, Fe Fe, 2ClK.Cl2 sind solche Redoxpaare. Da bei chemischen Reaktionen keine freien Elektronen auftreten können, kann eine Oxidation oder eine Reduktion nicht isoliert vorkommen. Eine Oxidation, z. B. Na $% NaC C eK, bei der Elektronen entstehen, muss stets mit einer Reduktion gekoppelt sein, bei der diese Elektronen aufgenommen werden, z. B. mit Cl2 C 2 eK $% 2 ClK. Oxidation
$$$$$$% 2 NaC C 2 eK
2 Na
Reduktion
Cl2 C 2 eK $$$$$$% 2 ClK 0
0
C1 K1
2 Na C Cl2 $$$$$$% 2 Na Cl
Redoxpaar 1 Redoxpaar 2 Redoxreaktion
(3.53)
Reaktionen mit gekoppelter Oxidation und Reduktion nennt man Redoxreaktionen. Bei Redoxreaktionen erfolgt eine Elektronenübertragung. Bei der Redoxreaktion (3.53) werden Elektronen von Natriumatomen auf Chloratome übertragen. An einer Redoxreaktion sind immer zwei Redoxpaare beteiligt. Redoxpaar 1
Red 1 # Ox 1 C eK
Redoxpaar 2
Red 2 # Ox 2 C eK
Redoxreaktion
Red 1 C Ox 2 # Ox 1 C Red 2
Je stärker bei einem Redoxpaar die Tendenz der reduzierten Form ist, Elektronen abzugeben, umso schwächer ist die Tendenz der korrespondierenden oxidierten Form, Elektronen aufzunehmen. Man kann die Redoxpaare nach dieser Tendenz in einer Redoxreihe anordnen.
346
3 Die chemische Reaktion
Je höher in der Redoxreihe ein Redoxpaar steht, umso stärker ist die reduzierende Wirkung der reduzierten Form. Man bezeichnet daher Na, Zn, Fe als Reduktionsmittel. Je tiefer ein Redoxpaar steht, umso stärker ist die oxidierende Wirkung der oxidierten Form. Cl2, Br2 bezeichnet man entsprechend als Oxidationsmittel. Freiwillig laufen nur Redoxprozesse zwischen einer reduzierten Form mit einer in der Redoxreihe darunter stehenden oxidierten Form ab. Redoxreihe
Zunehmende Tendenz der Elektronenabgabe; zunehmende reduzierende Wirkung
Reduzierte Form Na Zn Fe H2 C 2 H2O 2 IK Cu Fe2C 2 BrK 2 ClK
# # # # # # # # # #
Oxidierte Form C Elektronen C eK NaC 2C Zunehmende C 2 eK Zn Tendenz der 2C K Fe C 2e Elektronenaufnahme; 2 H 3O C C 2 eK zunehmende oxidierende I2 C 2 eK Wirkung C 2 eK Cu2C 3C Fe C eK Br2 C 2 eK Cl2 C 2 eK
Beispiele für in wässriger Lösung ablaufende Redoxreaktionen: Zn C Cu2C $% Zn2C C Cu Fe C Cu2C $% Fe2C C Cu 2 Na C 2 H3OC $% 2 NaC C H2 C 2 H2O 2 IK C Br2 $% I2 C 2 BrK 2 BrK C Cl2 $% Br2 C 2 ClK Bei allen Beispielen können die Redoxreaktionen nur von links nach rechts verlaufen, nicht umgekehrt. Nicht möglich ist auch die Reaktion Cu C 2 H3OC $% Cu2C C H2 C 2 H2O Man kann demnach Cu nicht in HCl lösen.
3.8.3 Aufstellen von Redoxgleichungen Das Aufstellen einer Redoxgleichung bezieht sich nur auf das Auffinden der stöchiometrischen Zahlen einer Redoxreaktion. Die Ausgangs- und Endstoffe der Reaktion müssen bekannt sein. Beispiel: Bei der Auflösung von Kupfer in Salpetersäure entstehen Cu2C-Ionen und Stickstoffmonooxid NO.
3.8 Redoxvorgänge
347
2C Cu C H3OC C NOK C NO 3 $% Cu
Wie lautet die Redoxgleichung? Bei komplizierteren Redoxvorgängen ist es zweckmäßig, zunächst die beiden beteiligten Redoxsysteme getrennt zu formulieren. Cu # Cu2C C 2 eK
Redoxsystem 1
Wie man etwas unübersichtlichere Redoxsysteme aufstellen kann, sei am Beispiel des Redoxsystems 2 erläutert. 1. Auffinden der Oxidationszahlen der oxidierten und reduzierten Form. C5
C2
N OK 3 # NO
2. Aus der Differenz der Oxidationszahlen erhält man die Anzahl auftretender Elektronen. C5
C2
K N OK # NO 3 C3e
3. Prüfung der Elektroneutralität. Auf beiden Seiten muss die Summe der elektrischen Ladungen gleich groß sein. Die Differenz wird bei Reaktionen in saurer Lösung durch H3OC-Ionen ausgeglichen. K 4 H3OC C NOK # NO 3 C3e
In basischen Lösungen erfolgt der Ladungsausgleich durch OHK-Ionen. 4. Stoffbilanz. Auf beiden Seiten der Reaktionsgleichung muss die Anzahl der Atome jeder Atomsorte gleich groß sein. Der Ausgleich erfolgt durch H2O. K 4 H3OC C NOK # NO C 6 H2O 3 C3e
Die Redoxgleichung erhält man durch Kombination der beiden Redoxsysteme. Redoxsystem 1
Cu $% Cu2C C 2 eK C
K C NOK 3 C3e
! 3
Redoxsystem 2
4 H3O
$% NO C 6 H2O
! 2
Redoxgleichung
2C 3 Cu C 8 H3OC C 2 NOK C 2 NO C 12 H2O 3 $% 3 Cu
3.8.4 Galvanische Elemente Taucht man einen Zinkstab in eine Lösung, die Cu2C-Ionen enthält, findet die Redoxreaktion Cu2C C Zn $% Cu C Zn2C statt. Auf dem Zinkstab scheidet sich metallisches Kupfer ab, Zn löst sich unter Bildung von Zn2C-Ionen (Abb. 3.46).
348
3 Die chemische Reaktion
Abbildung 3.46 Auf einem Zinkstab, der in eine CuSO4-Lösung taucht, scheidet sich Cu ab, aus Zn bilden sich Zn2C-Ionen. Es findet die Redoxreaktion Cu2C C Zn $% Cu C Zn2C statt.
Diese Redoxreaktion kann man in einer Anordnung ablaufen lassen, die galvanisches Element genannt wird (Abb. 3.47). Ein metallischer Stab aus Zink taucht in eine Lösung, die Zn2C- und SO2K 4 -Ionen enthält. Dadurch wird im Reaktionsraum 1 das Redoxpaar Zn.Zn2C gebildet. Im Reaktionsraum 2 taucht ein Kupferstab in eine Lösung, in der Cu2C- und SO2K 4 -
Stromfluss
Anode
e−
e− Voltmeter
Zn
Cu
Kathode
poröse Tonwand ZnSO4Lösung
Cu2+
Zn2+
CuSO4Lösung
SO42SO42-
Cu2+
2+
Zn
Halbelement 1
Halbelement 2
Abbildung 3.47 Daniell-Element. In diesem galvanischen Element sind die Redoxpaare Zn.Zn2C und Cu.Cu2C gekoppelt. Da Zn leichter Elektronen abgibt als Cu, fließen Elektronen von Zn zu Cu. Zn wird oxidiert, Cu2C reduziert. Redoxpaar 1 (Halbelement 1) 2C K Zn $% Zn C 2 e
Redoxpotential 1 0,059 V EZn Z E+ lg cZn2C Zn C 2
Gesamtreaktion 2C 2C Zn C Cu $% Zn C Cu
Gesamtpotential
+ ΔE Z ECu K EZn Z E+ Cu K EZn C
Redoxpaar 2 (Halbelement 2) 2C K Cu C 2 e $% Cu
Redoxpotential 2 0,059 V ECu Z E+ lg cCu2C Cu C 2
0,059 V cCu2C lg cZn2C 2
3.8 Redoxvorgänge
349
Ionen vorhanden sind. Es entsteht das Redoxpaar Cu.Cu2C. Die beiden Reaktionsräume sind durch ein Diaphragma, das aus porösem durchlässigem Material besteht, voneinander getrennt. Verbindet man den Zn- und den Cu-Stab durch einen elektrischen Leiter, so fließen Elektronen vom Zn-Stab zum Cu-Stab. Zn wird in der gegebenen Anordnung zu einer negativen Elektrode, Cu zu einer positiven Elektrode. Zwischen den beiden Elektroden tritt eine Potentialdifferenz auf. Die Spannung des galvanischen Elements wird EMK, elektromotorische Kraft, genannt. Aufgrund der auftretenden EMK kann das galvanische Element elektrische Arbeit leisten (vgl. Abschn. 3.5.4). Dabei laufen in den beiden Reaktionsräumen folgende Reaktionen ab: Raum 1 mit Redoxpaar 1: Raum 2 mit Redoxpaar 2: Gesamtreaktion:
Zn $% Zn2C C 2 eK 2C
Cu
C2e
Zn C Cu
K
2C
Oxidation
$% Cu
$% Zn
2C
Reduktion C Cu
Redoxreaktion
Zn-Atome der Zinkelektrode gehen als Zn2C-Ionen in Lösung, die dadurch im ZnStab zurückbleibenden Elektronen fließen zur Kupferelektrode und reagieren dort mit den Cu2C-Ionen der Lösung, die sich als neutrale Cu-Atome am Cu-Stab abscheiden. Durch diese Vorgänge entstehen in der Lösung des Reaktionsraums 1 überschüssige positive Ladungen, im Raum 2 entsteht ein Defizit an positiven Ladungen. Durch Wanderung von negativen SO2K 4 -Ionen aus dem Raum 2 in den Raum 1 durch das Diaphragma erfolgt Ladungsausgleich. Zn steht in der Redoxreihe oberhalb von Cu. Das größere Bestreben von Zn, Elektronen abzugeben, bestimmt die Richtung des Elektronenflusses im galvanischen Element und damit die Reaktionsrichtung.
3.8.5 Berechnung von Redoxpotentialen: Nernst’sche Gleichung Die verschiedenen Redoxsysteme Red # Ox C z eK zeigen ein unterschiedlich starkes Reduktions- bzw. Oxidationsvermögen. Ein Maß dafür ist das Redoxpotential E eines Redoxsystems. Es wird durch die Nernst’sche Gleichung E Z E( C
c RT ln Ox cRed zF
(3.54)
beschrieben. Es bedeuten: R Gaskonstante; T Temperatur; F Faraday-Konstante, sie beträgt 96 487 A s molK1 (vgl. S. 367); z Zahl der bei einem Redoxsystem auftretenden Elektronen; cRed, cOx sind die auf die Standardkonzentration 1 mol.l bezogenen Konzentrationen der reduzierten Form bzw. der oxidierten Form. In die Nernst’sche Gleichung sind also nur die Zahlenwerte der Konzentrationen einzusetzen. Bei nichtidealen Lösungen muss statt der Konzentration die Aktivität eingesetzt werden (vgl. Abschn. 3.7.2).
350
3 Die chemische Reaktion
Für T Z 298 K (25 (C) erhält man aus Gl. (3.54) durch Einsetzen der Zahlenwerte für die Konstanten und Berücksichtigung des Umwandlungsfaktors von ln in lg E Z E( C
cOx 0,059 V lg c z Red
(3.55)
Beträgt cOx Z 1 und cRed Z 1, folgt aus Gl. (3.55) E Z E( E( wird Normalpotential oder Standardpotential genannt, die Einheit ist V. Die Standardpotentiale haben für die verschiedenen Redoxsysteme charakteristische Werte. Sie sind ein Maß für die Stärke der reduzierenden bzw. oxidierenden Wirkung eines Redoxsystems (vgl. Tabelle 3.13). Während das erste Glied der Nernst’schen Gleichung E( eine für jedes Redoxsystem charakteristische Konstante ist, wird durch das zweite Glied die Konzentrationsabhängigkeit des Potentials eines Redoxsystems beschrieben. Mit der Nernst’schen Gleichung kann die EMK eines galvanischen Elements berechnet werden. Beispiel: Daniell-Element Redoxpaar
Redoxpotential bei 25 (C
Zn # Zn2C C 2 eK
EZn Z E+ Zn C
0,059 V lg cZn2C 2
E+ Zn Z K0,76 V
Cu # Cu2C C 2 eK
ECu Z E+ Cu C
0,059 V lg cCu2C 2
E+ Cu Z C0,34 V
Standardpotential
Wie im MWG treten auch in der Nernst’schen Gleichung die Konzentrationen reiner fester Phasen nicht auf. Die EMK des galvanischen Elements erhält man aus der Differenz der Redoxpotentiale der Halbelemente. + ΔE Z ECu K EZn Z E+ Cu K EZn C
0,059 V cCu2C lg cZn2C 2
(3.56)
Für cCu2C Z cZn2C erhält man aus Gl. (3.56) + ΔE Z ECu K EZn Z E+ Cu K EZn Z 1,10 V
Die Spannung des Elements ist dann gleich der Differenz der Standardpotentiale. Während des Betriebs wächst die Zn2C-Konzentration, die Cu2C-Konzentration sinkt, die Spannung des Elements muss daher, wie Gl. (3.56) zeigt, abnehmen. Bei einer isothermen und isobaren Reaktion ist die elektromotorische Kraft (EMK) mit der maximalen Arbeit durch die Beziehung ΔG Z Kz FΔE verknüpft (vgl. Abschn. 3.5.4, Gl. 3.14). Für Standardbedingungen gilt ΔG( Z Kz FΔE(
3.8 Redoxvorgänge
351
3.8.6 Konzentrationsketten, Elektroden zweiter Art Da das Elektrodenpotential von der Ionenkonzentration abhängt, kann ein galvanisches Element aufgebaut werden, dessen Elektroden aus dem gleichen Material bestehen und die in Lösungen unterschiedlicher Ionenkonzentrationen eintauchen. Eine solche Anordnung nennt man Konzentrationskette. Abb. 3.48 zeigt schematisch eine Silberkonzentrationskette. Sowohl im Reaktionsraum 1 als auch im Reaktionsraum 2 taucht eine Silberelektrode in eine Lösung mit AgC-Ionen. Im Reaktionsraum 1 ist jedoch die AgC-Konzentration größer als im Reaktionsraum 2. Das Potential des Halbelements 2 ist daher negativer als das des Halbelements 1. Im Reaktionsraum 2 gehen Ag-Atome als AgC-Ionen in Lösung, die dabei frei werdenden Elektronen fließen zum Halbelement 1 und entladen dort AgC-Ionen der Lösung. Der Ladungsausgleich durch die Anionen erfolgt über eine Salzbrücke, die z. B. KNO3-Lösung enthalten kann. Die EMK der Kette ist gleich der Differenz der Potentiale der beiden Halbelemente cAgC (1) ΔE Z EAg (1) K EAg (2) Z 0,059 V lg cAgC (2) Voltmeter
e−
Stromfluss
Salzbrücke K+NO3−
Ag
AgNO3Lösung
e−
Ag
Ag+
Ag+
+
+
Ag
Ag
AgNO3Lösung
Halbelement 2
Halbelement 1 c
+ Ag1
>c
Ag+2
Abbildung 3.48 Konzentrationskette. Ag-Elektroden tauchen in Lösungen mit unterschiedlicher AgC-Konzentration. Lösungen verschiedener Konzentration haben das Bestreben, ihre Konzentrationen auszugleichen. Im Halbelement 2 gehen daher AgC-Ionen in Lösung, im Halbelement 1 werden AgC-Ionen abgeschieden, Elektronen fließen vom Halbelement 2 zum Halbelement 1. Reaktion im Halbelement 1 Reaktion im Halbelement 2 AgC C eK $% Ag Ag $% AgC C eK Redoxpotential 1 C EAg (1) Z E+ Ag C 0,059 V lg cAg (1)
Redoxpotential 2 C EAg (2) Z E+ Ag C 0,059 V lg cAg (2)
ΔE Z EAg (1) K EAg (2) Z 0,059 V lg
cAgC (1) cAgC (2)
352
3 Die chemische Reaktion
Die EMK der Kette kommt also nur durch die Konzentrationsunterschiede in den beiden Halbelementen zustande und ist eine Folge des Bestrebens verschieden konzentrierter Lösungen, ihre Konzentrationen auszugleichen. Leistet das Element Arbeit, wird der Konzentrationsunterschied kleiner, die EMK nimmt ab. Setzt man einem Ag.AgC-Halbelement Anionen zu, die mit AgC-Ionen ein schwerlösliches Salz bilden, z. B. ClK-Ionen, dann wird das Potential nicht mehr durch die AgC-Konzentration, sondern durch die ClK-Konzentration bestimmt. Solche Elektroden nennt man Elektroden zweiter Art. Das Potential einer solchen Elektrode erhält man durch Kombination der Gleichung E Z E+ Ag C 0,059 V lgcAgC
mit dem Löslichkeitsprodukt cAgC $ cClK Z L E Z E+ Ag C 0,059 V lg c
L Cl
K
Elektroden zweiter Art eignen sich als Vergleichselektroden (Referenzelektroden), da sie sich leicht herstellen lassen und deren Potential gut reproduzierbar ist. Eine Vergleichselektrode ist die Kalomel-Elektrode. Sie besteht aus Quecksilber, das mit festem Hg2Cl2 (Kalomel) bedeckt ist. Als Elektrolyt dient eine KCl-Lösung bekannter Konzentration, die mit Hg2Cl2 gesättigt ist. In das Quecksilber taucht ein Platindraht, der als elektrische Zuleitung dient. Jetzt werden meistens Ag.AgCl-Referenzelektroden benutzt. Ein Ag-Draht ist mit festem AgCl beschichtet oder taucht in festes AgCl ein. Als Elektrolyt benutzt man eine KCl-Lösung bekannter Konzentration, die mit AgCl gesättigt ist. Mit Konzentrationsketten lassen sich sehr kleine Ionenkonzentrationen messen und z. B. Löslichkeitsprodukte bestimmen. Beispiel: Löslichkeitsprodukt von AgI Versetzt man eine AgNO3-Lösung mit IK-Ionen, fällt AgI aus. Es gilt das Löslichkeitsprodukt cAgC $ cIK Z LAgI Verwendet man eine IK-Lösung der Konzentration 10K1 mol.l, so kann durch Messung der AgC-Konzentration das Löslichkeitsprodukt bestimmt werden. Man erhält die AgC-Konzentration durch Messung der EMK einer Konzentrationskette, die aus dem Halbelement Ag - AgI - AgC und dem Referenzhalbelement Ag - AgC besteht ΔE Z 0,059 V lg cAgC (R) K 0,059 V lg cAgC ΔE lg cAgC Z K C lg cAgC (R) 0,059 V Beträgt die AgC-Konzentration der Referenzelektrode cAgC (R) Z 10K1 mol.l und ΔE Z 0,832 V ist cAgC Z 8 $ 10K16 mol.l und LAgI Z 8 · 10K17 mol2.l2.
3.8 Redoxvorgänge
353
3.8.7 Die Standardwasserstoffelektrode Das Potential eines einzelnen Redoxpaares kann experimentell nicht bestimmt werden. Exakt messbar ist nur die Gesamtspannung eines galvanischen Elementes, also die Potentialdifferenz zweier Redoxpaare. Man misst daher die Potentialdifferenz der verschiedenen Redoxsysteme gegen ein Bezugsredoxsystem und setzt das Potential dieses Bezugssystems willkürlich null. Dieses Bezugssystem ist die Standardwasserstoffelektrode.
Abbildung 3.49 Schematischer Aufbau einer Wasserstoffelektrode. Redoxsystem Redoxpotential
C
H2 C 2 H2O # 2 H3O C 2 e 2 0,059 V aH3OC EH Z E+ lg HC 2 pH2
K
Das Standardpotential einer Wasserstoffelektrode wird willkürlich null gesetzt. Für die Standardwasserstoffelektrode ist daher EH Z 0.
Abb. 3.49 zeigt den Aufbau einer Wasserstoffelektrode. Eine platinierte K mit elektrolytisch abgeschiedenem, fein verteiltem Platin überzogene K Platinelektrode taucht in eine Lösung, die H3OC-Ionen enthält und wird von Wasserstoffgas umspült. Wasserstoff löst sich in Platin unter Bildung einer festen Lösung (vgl. Tabelle 2.30). An der Pt-Elektrode stellt sich das Potential des Redoxsystems H2 C 2 H2O # 2 H3OC C 2 eK ein. Bei 25 (C beträgt das Potential EH Z E+ HC
2
0,059 V aH3OC lg pH2 2
Treten in einem Redoxsystem Gase auf, so ist in der Nernst’schen Gleichung der Partialdruck der Gase einzusetzen. Da das Standardpotential für den Standarddruck 1 atm festgelegt ist, muss in die Nernst’sche Gleichung der auf 1 atm bezogene Partialdruck eingesetzt werden. Im SI wird der Druck in bar angegeben. Der Standarddruck
354
3 Die chemische Reaktion
beträgt 1,013 bar, in die Nernst’sche Gleichung wird der auf 1,013 bar bezogene Partialdruck eingesetzt: pH2 (atm) 1 (atm)
Z
pH2 (bar) 1,013 (bar)
Abbildung 3.50 Bestimmung von Standardpotentialen. Als Bezugselektrode dient eine Standardwasserstoffelektrode. Die Standardwasserstoffelektrode hat das Potential null, da ihr Standardpotential willkürlich mit null festgesetzt wird. Die gesamte EMK der Anordnung a) ist also gleich dem Elektrodenpotential der Zn-Elektrode: 0,059 V lg aZn2C . Beträgt die Aktivität von Zn2C eins (aZn2C Z 1), so ist die ΔE Z EZn Z E+ Zn C 2 EMK gleich dem Standardpotential von Zink. Entsprechend ist die EMK des in b) dargestellten Elements gleich dem Standardpotential von Cu. Standardpotentiale sind Relativwerte bezogen auf die Standardwasserstoffelektrode.
3.8 Redoxvorgänge
355
In wässrigen Lösungen bleibt die Konzentration von H2O nahezu konstant, sie wird in das Standardpotential einbezogen. Bei einer Standardwasserstoffelektrode beträgt aH3OCZ 1 und pH2 Z 1 atm Z 1,013 bar. Man erhält daher EH Z E+ H Das Standardpotential der Wasserstoffelektrode E+ H wird willkürlich null gesetzt, das Potential einer Standardwasserstoffelektrode ist also ebenfalls null (vgl. Abb. 3.49). Die Standardpotentiale von Redoxsystemen erhält man durch Messung der EMK eines galvanischen Elements, bei dem ein Standardhalbelement gegen eine Standardwasserstoffelektrode geschaltet ist. Standardpotentiale sind also Relativwerte bezogen auf die Standardwasserstoffelektrode, deren Standardpotential willkürlich null gesetzt wurde. Der Aufbau von galvanischen Elementen, mit denen die Standardpotentiale von Zink und Kupfer bestimmt werden können, ist in der Abb. 3.50 dargestellt.
3.8.8 Die elektrochemische Spannungsreihe Die Standardpotentiale sind ein Maß für das Redoxverhalten eines Redoxsystems in wässriger Lösung. Man ordnet daher die Redoxsysteme nach der Größe ihrer Standardpotentiale und erhält eine Redoxreihe, die als Spannungsreihe bezeichnet wird (Tab. 3.13). Mit Hilfe der Spannungsreihe lässt sich voraussagen, welche Redoxreaktionen möglich sind. Die reduzierte Form eines Redoxsystems gibt Elektronen nur an die oxidierte Form von solchen Redoxsystemen ab, die in der Spannungsreihe darunter stehen. Einfacher ausgedrückt: Es reagieren Stoffe links oben mit Stoffen rechts unten (Abb. 3.51). Es ist natürlich zu beachten, dass diese Voraussage nur aufgrund der Standardpotentiale geschieht und nur für solche Konzentrationsverhältnisse richtig ist, bei denen das Gesamtpotential nur wenig vom Standardpotential verschieden ist. Beispiele dafür sind die Reaktionen von Metallen
Abbildung 3.51 Das Potential E1 des Redoxsystems 1 ist negativer als das Potential E2 des Redoxsystems 2. Die reduzierte Form 1 kann Elektronen an die oxidierte Form 2 abgeben, nicht aber die reduzierte Form 2 an die oxidierte Form 1. Es läuft die Reaktion Red 1 C Ox 2 $% Ox 1 C Red 2 ab.
356
3 Die chemische Reaktion
Fe C Cu2C $% Fe2C C Cu Zn C 2 AgC $% Zn2C C 2 Ag Cu C Hg2C $% Cu2C C Hg
Tabelle 3.13 Spannungsreihe Reduzierte Form
# Oxidierte Form
Cz eK
Standardpotential E( in V
Li K Ba Ca Na Mg Al Mn Zn Cr S2K Fe Cd Co Sn Pb Fe H2 C 2 H2O Sn2C CuC SO2 C 6 H2O Cu Cu 2 IK H2O2 C 2 H2O Fe2C Ag Hg NO C 6 H2O 2 BrK 6 H2O 2 Cr3C C 21 H2O 2 ClK Pb2C C 6 H2O Au Mn2C C 12 H2O 3 H2O C O2 2 FK
# LiC # KC # Ba2C # Ca2C # NaC # Mg2C # Al3C # Mn2C # Zn2C # Cr3C #S # Fe2C # Cd2C # Co2C # Sn2C # Pb2C # Fe3C # 2 H3OC # Sn4C # Cu2C C 2K # SO4 C 4 H3O # Cu2C # CuC # I2 # O2 C 2 H3OC # Fe3C # AgC # Hg2C C K # NO3 C 4 H3O # Br2 # O2 C 4 H3OC C 2K # Cr2O7 C 14 H3O # Cl2 # PbO2 C 4 H3OC # Au3C C K # MnO4 C 8 H3O # O3 C 2 H3OC # F2
C eK C eK C2 eK C2 eK C eK C2 eK C3 eK C2 eK C2 eK C3 eK C2 eK C2 eK C2 eK C2 eK C2 eK C2 eK C3 eK C2 eK C2 eK C eK C2 eK C2 eK C eK C2 eK C2 eK C eK C eK C2 eK C3 eK C2 eK C4 eK C6 eK C2 eK C2 eK C3 eK C5 eK C2 eK C2 eK
K3,04 K2,92 K2,90 K2,87 K2,71 K2,36 K1,68 K1,19 K0,76 K0,74 K0,48 K0,41 K0,40 K0,28 K0,14 K0,13 K0,036 0 C0,15 C0,15 C0,17 C0,34 C0,52 C0,54 C0,68 C0,77 C0,80 C0,85 C0,96 C1,07 C1,23 C1,33 C1,36 C1,46 C1,50 C1,51 C2,07 C2,87
3.8 Redoxvorgänge
357
und die Reaktionen von Nichtmetallen 2 IK C Br2 $% I2 C 2 BrK 2 BrK C Cl2 $% Br2 C 2 ClK Bei vielen Redoxreaktionen hängt das Redoxpotential vom pH-Wert ab. Beispiele dafür sind Reaktionen von Metallen mit Säuren und Wasser. In starken Säuren ist nach EH Z E+ HC
2
0,059 V cH3OC lg pH2 2
(3.57)
das Redoxpotential H2.H3OC ungefähr null. Alle Metalle mit negativem Potential, also alle Metalle, die in der Spannungsreihe oberhalb von Wasserstoff stehen, können daher Elektronen an die H3OC-Ionen abgeben und Wasserstoff entwickeln. Beispiele: Zn C 2 H3OC $% Zn2C C H2 C 2 H2O Fe C 2 H3OC $% Fe2C C H2 C 2 H2O Man bezeichnet diese Metalle als unedle Metalle. Metalle mit positivem Potential, die in der Spannungsreihe unterhalb von Wasserstoff stehen, wie Cu, Ag, Au, können sich nicht in Säuren unter H2-Entwicklung lösen und sind z. B. in HCl unlöslich. Man bezeichnet sie daher als edle Metalle. Für neutrales Wasser mit cH3OC Z 10K7 mol.l erhält man aus Gl. (3.57) EH Z 0 V C 0,03 V lg 10K14 Z K0,41 V Mit Wasser sollten daher alle Metalle unter Wasserstoffentwicklung reagieren können, deren Potential negativer als K0,41 V ist (Abb. 3.52). Beispiele: 2 Na C 2 HOH $% 2 NaC C 2 OHK C H2 Ca C 2 HOH $% Ca2C C 2 OHK C H2
Abbildung 3.52 Unedle Metalle besitzen ein negatives, edle Metalle ein positives Standardpotential. Nur unedle Metalle lösen sich daher in Säuren unter Wasserstoffentwicklung.
358
3 Die chemische Reaktion
Einige Metalle verhalten sich gegenüber Wasser und Säuren anders als nach der Spannungsreihe zu erwarten wäre. Obwohl z. B. das Standardpotential von Aluminium E+ Al Z K1,7 V beträgt, wird Al von Wasser nicht gelöst. Man bezeichnet diese Erscheinung als Passivität. Die Ursache der Passivität ist die Bildung einer festen unlöslichen, oxidischen Schutzschicht. In stark basischen Lösungen löst sich diese Schutzschicht unter Komplexbildung auf. Das Potential des Redoxsystems H3OC.H2 in einer Lösung mit pH Z 13 beträgt EH Z K0,77 V. Aluminium wird daher von Laugen unter H2-Entwicklung gelöst. Zn und Cr lösen sich ebenfalls nicht in Wasser, da sie passiviert werden. Auch bei einer Reihe anderer Redoxsysteme, bei denen H3OC-Ionen auftreten, sind die Potentiale sehr stark vom pH-Wert abhängig, und das Redoxverhalten solcher Systeme kann nicht mehr aus den Standardpotentialen allein vorausgesagt werden. Beispiel: C K 12 H2O C Mn2C # MnOK 4 C 8 H 3O C 5 e
E Z E( C
8 0,059 V cMnO4K $ cH3OC lg ; 5 cMn2C
E( Z 1,51 V
Im Zähler des konzentrationsabhängigen Teils der Nernst’schen Gleichung stehen die Produkte der Konzentrationen der Teilchen der oxidierenden, im Nenner die Produkte der Konzentrationen der Teilchen der reduzierenden Seite des Redoxsystems. Wie beim MWG treten die stöchiometrischen Zahlen als Exponenten der Konzentrationen auf. Bei Reaktionen in wässrigen Lösungen werden im Vergleich zu der Gesamtzahl der H2O-Teilchen so wenig H2O-Moleküle verbraucht oder gebildet, dass die Konzentration von H2O annähernd konstant bleibt. Die Konzentration von H2O wird daher in die Konstante E( einbezogen und erscheint nicht im Konzentrationsglied der Nernst’schen Gleichung. Berechnet man E unter Annahme der Konzentrationen cMnO4K Z 0,1 mol.l und cMn2C Z 0,1 mol.l, so erhält man für verschieden saure Lösungen: pH
cH3OC in mol.l
E in V
0 5 7
1 10K5 10K7
1,51 1,04 0,85
Die Oxidationskraft von MnOK 4 verringert sich also stark mit wachsendem pH. Ein weiteres Beispiel ist das Redoxsystem C K 6 H2O C NO # NOK 3 C 4 H 3O C 3 e
Die Nernst’sche Gleichung dafür lautet E Z E( C
4 C cNO3K $ cH 0,059 V 3O ; lg pNO 3
E ( Z 0,96 V
3.8 Redoxvorgänge
359
Berechnet man E unter der Annahme pNO Z 1 atm Z 1,013 bar und cNO3K Z 1 mol.l für pH Z 0 und pH Z 7, so erhält man: pH
cH3OC in mol.l
E in V
0 7
1 10K7
C0,96 C0,41
Für das Redoxsystem Ag.AgC beträgt E( Z C0,80 V, für Hg.Hg2C ist E( Z C0,85 V. Man kann daher mit Salpetersäure Ag und Hg in Lösung bringen, nicht aber mit einer neutralen NOK 3 -Lösung. Das Redoxpotential kann auch durch Komplexbildung wesentlich beeinflusst werden. Beispiel: Fe2C # Fe3C C eK E Z E ( C 0,059 V lg
cFe3C cFe2C
E ( Z C0,77 V
Betragen die Konzentrationen cFe2C Z cFe3C Z 0,1 mol.l, so erhält man für das Redoxpotential E Z C0,77 V. Setzt man der Lösung NaF zu, so bildet sich der stabile Komplex [FeF6]3K und die Konzentration der nicht komplex gebundenen Fe3C-Ionen beträgt nur noch etwa 10K12 mol.l. Das Redoxpotential nimmt dadurch auf E Z C0,12 V ab, die Lösung wirkt jetzt stärker reduzierend. Nur eine NaF-haltige FeSO4C 2C Lösung kann z. B. Cu2C zu CuC reduzieren (E+ Cu .Cu Z C0,15 V). Ein anderes Beispiel ist die Löslichkeit von Gold. Gold löst sich nicht in Salpetersäure, ist aber in Königswasser, einem Gemisch aus Salzsäure und Salpetersäure, löslich. In Gegenwart von ClK-Ionen bilden die Au3C-Ionen die Komplexionen [AuCl4]K. Durch die Komplexbildung wird die Konzentration von Au3C und damit das Redoxpotential Au.Au3C so stark erniedrigt, dass eine Oxidation von Gold möglich wird. Gibt es von einem Element Ionen mit verschiedenen Ladungen, so sind mehrere Redoxprozesse zu berücksichtigen. Beispiel Standardpotentiale des Eisens und seiner Ionen: Fe # Fe2C C 2 eK Fe # Fe3C C 3 eK Fe2C # Fe3C C eK Aus dem Kreisprozess
E ( ZK0,44 V E ( ZK0,04 V E ( ZC0,77 V
360
3 Die chemische Reaktion
erhält man für die freien Enthalpien ΔG( der Redoxvorgänge relativ zu einer Standardwasserstoffelektrode + + ΔG+ I C ΔGII Z ΔGIII
Da
ΔG( Z Kz FΔE(
folgt
+ + 2 E+ I C EII Z 3 EIII
(vgl. Gl. 3.15)
K0,88 V C 0,77 V Z K 0,11 V Beim Lösen von Eisen in Säure unter H2-Entwicklung bilden sich Fe2C-Ionen und nicht Fe3C-Ionen. Der Redoxprozess mit dem negativeren Potential ist energetisch bevorzugt. Besitzt ein Element mehrere Oxidationsstufen, kann das Redoxverhalten übersichtlich in einem Potentialdiagramm dargestellt werden. Beispiel Standardpotential des Kupfers und seiner Ionen:
CuC ist nicht stabil. Für die Disproportionierungsreaktion 2 CuC $% Cu C Cu2C ist ΔG( negativ, man erhält eine Spannung von ΔE( Z (0,52 K 0,15) V Z 0,37 V Die Gleichgewichtskonstante der Reaktion beträgt K Z 106 (vgl. Abschn. 3.8.9), CuC disproportioniert nahezu vollständig. Eine Disproportionierung von Teilchen erfolgt, wenn das Redoxpotential für die Reduktion zum nächstniedrigeren Oxidationszustand positiver ist als das Redoxpotential für die Oxidation zum nächsthöheren Oxidationszustand.
Aus den Standardpotentialen wird klar, dass z. B. Fe2C nicht disproportionieren kann. Cu(I)-Verbindungen sind Beispiele für den Einfluss der Löslichkeit auf das Redoxpotential.
3.8 Redoxvorgänge
361
Die schwer löslichen Verbindungen CuI, CuCN, Cu2S sind in wässriger Lösung beständig und disproportionieren nicht. Versetzt man eine Lösung, die Cu2C-Ionen enthält, mit IK-Ionen, so entsteht durch Redoxreaktion schwer lösliches CuI. Cu2C C 2 IK $% CuI C 21 I2 K Die Oxidation von IK-Ionen (E+ 2I .I2 Z C0,54V) erfolgt, weil wegen der Schwerlöslichkeit von CuI (LCuI Z 5 · 10K12 mol2.l2) die Konzentration der CuC-Ionen so stark erniedrigt ist, dass das Redoxpotential
ECuC.Cu2 C Z E+ CuC.Cu2C C 0,059 V lg
cCu2 C cCuC
positiver ist als C0,54 V. Dieses Potential ist auch positiver als das Redoxpotential C C ECu.CuC Z E+ Cu.Cu C 0,059 V lg cCu
und es erfolgt daher keine Disproportionierung. Eine Reihe von Redoxprozessen laufen nicht ab, obwohl sie aufgrund der Redoxpotentiale möglich sind. Bei diesen Reaktionen ist die Aktivierungsenergie so groß, dass die Reaktionsgeschwindigkeit nahezu null ist, sie sind kinetisch gehemmt. Die wichtigsten Beispiele dafür sind Redoxreaktionen, bei denen sich Wasserstoff oder Sauerstoff bilden. So sollte sich metallisches Zn (E+ Zn Z K0.76 V) unter Entwicklung von H2 in Säuren lösen. Reines Zn löst sich jedoch nicht. MnOK 4 oxidiert H2O nicht zu O2, obwohl es auf Grund der Redoxpotentiale zu erwarten wäre (vgl. Tabelle 3.13 und S. 366). Die Redoxpotentiale erlauben nur die Voraussage, ob ein Redoxprozess überhaupt möglich ist, nicht aber, ob er auch wirklich abläuft.
3.8.9 Gleichgewichtslage bei Redoxprozessen Auch Redoxreaktionen sind Gleichgewichtsreaktionen. Bei einem Redoxprozess Red 1 C Ox 2 # Ox 1 C Red 2 liegt Gleichgewicht vor, wenn die Potentiale der beiden Redoxpaare gleich groß sind.
Diese Beziehung erhält man auch durch Kombination der Gl. (3.15) und (3.16).
362
3 Die chemische Reaktion
Bei 25 (C erhält man daraus z Z lg K (E1+ K E+ 2 ) 0,059 V
(3.58)
Je größer die Differenz der Standardpotentiale ist, umso weiter liegt das Gleichgewicht auf einer Seite. Beispiele: Zn C Cu2C $% Zn2C C Cu c 2C 2 Z lg Zn2 C (0,34 V C 0,76 V) c 0,059 V Cu Gleichgewicht liegt vor, wenn die Gleichgewichtskonstante KZ
cZn2C Z 1037 cCu2 C
beträgt. Die Reaktion läuft also vollständig nach rechts ab. 2 BrK C Cl2 $% Br2 C 2 ClK 2 (1,36 VK1,07 V) 0,059 V
Z lg K
Obwohl die Differenz der Standardpotentiale nur 0,3 V beträgt, erhält man für K Z 1010, das Gleichgewicht liegt sehr weit auf der rechten Seite.
3.8.10 Die Elektrolyse In galvanischen Elementen laufen Redoxprozesse freiwillig ab, galvanische Elemente können daher elektrische Arbeit leisten. Redoxvorgänge, die nicht freiwillig ablaufen, können durch Zuführung einer elektrischen Arbeit erzwungen werden. Dies geschieht bei der Elektrolyse. Als Beispiel betrachten wir den Redoxprozess freiwillig
#$$$$/ Zn2C C Cu Zn C Cu2C 1#$$$$ erzwungen Im Daniell-Element läuft die Reaktion freiwillig nach rechts ab. Durch Elektrolyse kann der Ablauf der Reaktion von rechts nach links erzwungen werden (Abb. 3.53).
Zn 2e − galvanischer Prozess 2e − Cu
Zn2+ Elektrolyse
E º = -0,76 V
Cu2+
E º = +0,34 V
Dazu wird an die beiden Elektroden eine Gleichspannung gelegt. Der negative Pol liegt an der Zn-Elektrode. Elektronen fließen von der Stromquelle zur Zn-Elektrode
3.8 Redoxvorgänge
363
und entladen dort Zn2C-Ionen. An der Cu-Elektrode gehen Cu2C-Ionen in Lösung, die frei werdenden Elektronen fließen zum positiven Pol der Stromquelle. Die Richtung des Elektronenflusses und damit die Reaktionsrichtung wird durch die Richtung des angelegten elektrischen Feldes bestimmt. Stromfluss e−
e− Batterie
Cu
Zn Diaphragma
Cu2+
Zn2+
ZnSO4Lösung
SO422+
Zn
CuSO4Lösung
Cu2+
SO42-
Abbildung 3.53 Elektrolyse. Durch Anlegen einer Gleichspannung wird die Umkehrung der im Daniell-Element freiwillig ablaufenden Reaktion Zn C Cu2C $% Zn2C C Cu erzwungen. Zn2C wird reduziert, Cu oxidiert. Elektrodenvorgänge Cu $% Cu2C C 2 eQ Zn2C C 2 eQ $% Zn Gesamtreaktion Zn2C C Cu $% Zn C Cu2C
E -0,76 V
Zn
e− Elektronenstrom 0 Cu galvanischer Prozess
+0,34 V
Zn
H
Zn
1,10 V
Cu
Lage der Standardpotentiale von Zn und Cu
Elektronenstrom e− Stromquelle
0
Δ E>1,10 V
Cu e− Elektronenstrom Elektrolyse
Abbildung 3.54 Galvanischer Prozess: Elektronen fließen freiwillig von der negativen ZnElektrode zur positiven Cu-Elektrode (Daniell-Element). Da sie von einem Niveau höherer Energie auf ein Niveau niedrigerer Energie übergehen, können sie elektrische Arbeit leisten. Elektrolyse: Der negative Pol der Stromquelle muss negativer sein als die Zn-Elektrode, damit Elektronen zum Zn hinfließen können. Von der Cu-Elektrode fließen Elektronen zum positiven Pol der Stromquelle. Bei der Elektrolyse werden Elektronen auf ein Niveau höherer Energie gepumpt. Dazu ist eine Spannung erforderlich, die größer sein muss als die EMK der freiwillig ablaufenden Redoxreaktion.
364
3 Die chemische Reaktion
Damit eine Elektrolyse stattfinden kann, muss die angelegte Gleichspannung mindestens so groß sein wie die Spannung, die das galvanische Element liefert. Diese für eine Elektrolyse notwendige Zersetzungsspannung kann aus der Differenz der Redoxpotentiale berechnet werden. Sind die Aktivitäten der Zn2C- und Cu2C-Ionen gerade eins, dann ist die Zersetzungsspannung der beschriebenen Elektrolysezelle 1,10 V (vgl. Abb. 3.54). In der Praxis zeigt sich jedoch, dass zur Elektrolyse eine höhere Spannung als die berechnete angelegt werden muss. Eine der Ursachen dafür ist, dass zur Überwindung des elektrischen Widerstandes der Zelle eine zusätzliche Spannung benötigt wird. Ein anderer Effekt, der zur Erhöhung der Elektrolysespannung führen kann, wird später besprochen. Zunächst soll ein weiteres Beispiel, die Elektrolyse einer HCl-Lösung, behandelt werden (Abb. 3.55).
Abbildung 3.55 Elektrolyse von Salzsäure. Kathodenreaktion Anodenreaktion C K K K H3O C e $% 12 H2 C H2O Cl $% 12 Cl2 C e Gesamtreaktion K H3O C Cl $% 12 H2 C 12 Cl2 C H2O C
In eine HCl-Lösung tauchen eine Platinelektrode und eine Graphitelektrode. Wenn man die an die Elektroden angelegte Spannung allmählich steigert, tritt erst oberhalb einer bestimmten Spannung, der Zersetzungsspannung, ein merklicher Stromfluss auf, und erst dann setzt eine sichtbare Entwicklung von H2 an der Kathode und von Cl2 an der Anode ein (Abb. 3.56). Die Elektrodenreaktionen und die Gesamtreaktion der Elektrolyse sind in der Abb. 3.55 formuliert. Ist die angelegte Spannung kleiner als die Zersetzungsspannung, scheiden sich an den Elektroden kleine Mengen H2 und Cl2 ab. Dadurch wird die Kathode zu einer Wasserstoffelektrode, die Anode zu einer Chlorelektrode. Es entsteht also ein galvanisches Element mit einer der angelegten Spannung entgegengerichteten, gleich großen Spannung. Die EMK des Elements ist gleich der Differenz der Elektrodenpotentiale.
3.8 Redoxvorgänge
365
Abbildung 3.56 Stromstärke-Spannungs-Kurve bei einer Elektrolyse. Die Elektrolyse beginnt erst oberhalb der Zersetzungsspannung. Die Zersetzungsspannung von Salzsäure der Konzentration 1 mol.l (vgl. Abbildung 3.55) ist gleich dem Standardpotential des Redoxpaares ClK.Cl2. Sie beträgt 1,36 V.
Kathode
EH Z 0,059 V lg
cH3OC /
pH1 22 /
Anode
12 pCl 2 C 0,059 V lg ECl Z E+ Cl c K
EMK
ECl K EH Z E+ Cl C 0,059 V lg
Cl
/
/
12 pCl $ pH1 22 2 cClK $ cH3OC
Mit wachsendem Druck von H2 und Cl2 steigt die Spannung des galvanischen Elements. Der Druck von Cl2 und H2 kann maximal den Wert des Außendrucks von 1,013 bar Z 1 atm erreichen, dann können die Gase unter Blasenbildung entweichen. Bei pH2 Z 1 atm Z 1,013 bar und pCl2 Z 1 atm Z 1,013 bar ist also die maximale EMK erreicht. Erhöht man nun die äußere Spannung etwas über diesen Wert, so kann die Gegenspannung nicht mehr mitwachsen, und die Elektrolyse setzt ein. Mit steigender äußerer Spannung wächst dann die Stromstärke linear an. Die Zersetzungsspannung ist also gleich der Differenz der Redoxpotentiale beim Standarddruck p Z 1,013 bar. ECl K EH Z E+ Cl C 0,059 V lg
1 cClK $ cH3OC
Für die Elektrolyse von Salzsäure mit der Konzentration cHCl Z 0,1 mol.l erhält man daraus die Zersetzungsspannung ECl K EH Z (1,36 C 0,12) V Z 1,48 V In vielen Fällen, besonders wenn bei der Elektrolyse Gase entstehen, ist die gemessene Zersetzungsspannung größer als die Differenz der Elektrodenpotentiale. Man bezeichnet diese Spannungserhöhung als Überspannung.
366
3 Die chemische Reaktion
Zersetzungsspannung Z Differenz der Redoxpotentiale C Überspannung. Die Überspannung wird durch eine kinetische Hemmung der Elektrodenreaktionen hervorgerufen. Damit die Reaktion mit ausreichender Geschwindigkeit abläuft, ist eine zusätzliche Spannung erforderlich. Die Größe der Überspannung hängt vom Elektrodenmaterial, der Oberflächenbeschaffenheit der Elektrode und der Stromdichte an der Elektrodenfläche ab. Die Überspannung ist für Wasserstoff besonders an Zink-, Blei- und Quecksilberelektroden groß. Zum Beispiel ist zur Abscheidung von H3OC an einer Hg-Elektrode bei einer Stromdichte von 10K2 A cmK2 eine Überspannung von 1,12 V erforderlich. An platinierten Platinelektroden ist die Überspannung von Wasserstoff null. Die Überspannung von Sauerstoff ist besonders an Platinelektroden groß. Bei der Elektrolyse einer HCl-Lösung müsste sich aufgrund der Redoxpotentiale an der Anode eigentlich Sauerstoff bilden und nicht Chlor. Aufgrund der Überspannung entsteht jedoch an der Anode Cl2. Elektrolysiert man eine wässrige Lösung, die verschiedene Ionensorten enthält, so scheiden sich mit wachsender Spannung die einzelnen Ionensorten nacheinander ab. An der Kathode wird zuerst die Kationensorte mit dem positivsten Potential entladen. Je edler ein Metall ist, um so leichter sind seine Ionen reduzierbar. An der Anode werden zuerst diejenigen Ionen oxidiert, die die negativsten Redoxpotentiale haben. In wässrigen Lösungen mit pH Z 7 beträgt das Redoxpotential von H2.H3OC K0,41 V. Kationen, deren Redoxpotentiale negativer als K0,41 V sind (NaC, Al3C), können daher normalerweise nicht aus wässrigen Lösungen elektrolytisch abgeschieden werden, da H3OC zu H2 reduziert wird. Aufgrund der hohen Überspannung von Wasserstoff gelingt es jedoch, in einigen Fällen an der Kathode Metalle abzuscheiden, deren Potentiale negativer als K0,41 V sind. So kann z. B. Zn2C an einer ZnElektrode sogar aus sauren Lösungen abgeschieden werden. Ohne die Überspannung wäre die Umkehrung der im Daniell-Element ablaufenden Reaktion nicht möglich. Bei der Elektrolyse würden statt der Zn2C-Ionen H3OC-Ionen entladen. Die Abscheidung von NaC-Ionen aus wässrigen Lösungen ist möglich, wenn man eine Quecksilberelektrode verwendet. Durch die Wasserstoffüberspannung am Quecksilber wird das Wasserstoffpotential so weit nach der negativen Seite, durch die Bildung von Natriumamalgam (Amalgame sind Quecksilberlegierungen) das Natriumpotential so weit nach der positiven Seite hin verschoben, dass Natrium und Wasserstoff in der Redoxreihe ihre Plätze tauschen. Lokalelemente. An einer Zinkoberfläche ist die Reaktion 2 H3OC C 2 eK $% H2 C 2 H2O kinetisch gehemmt, da eine hohe Überspannung auftritt. An einer Kupferoberfläche ist dies nicht der Fall. Sorgt man für eine Verunreinigung der Zinkoberfläche mit Kupfer (oder anderen edleren Metallen, bei denen keine Wasserüberspannung auftritt), so bildet sich ein Lokalelement. Die bei der Auflösung von Zink gebildeten Elektronen fließen zum Kupfer und können dort rasch mit H3OC-Ionen zu H2 reagieren (Abb. 3.57a). Man kann Lokalelemente durch Zusatz von Cu2Coder Ni2C-Ionen zum Lösungsmittel erzeugen, da sich dann auf der Zn-Oberfläche Cu bzw. Ni abscheidet.
3.8 Redoxvorgänge
367
Abbildung 3.57 Entstehung von Lokalelementen.
Zn C Cu2C $% Zn2C C Cu Berührt man Zn mit einem Pt-Draht, entsteht ebenfalls ein Lokalelement. Die bei der Reaktion Zn $% Zn2C C 2 eK entstehenden Elektronen fließen zum Pt-Draht. Sie reagieren dort mit H3OC-Ionen und an der Oberfläche des Pt-Drahtes entwickelt sich H2. Lokalelemente sind wichtig bei der Korrosion. Korrosion. Bei der Oxidation von Aluminium und Chrom bilden sich dichthaftende Oxidschichten, die vor weiterer Oxidation schützen (vgl. S. 358). Beim Eisen entsteht eine schützende Schutzschicht nur in trockener Luft. Bei Gegenwart von Luft und Wasser rostet Eisen. Rost ist keine einheitliche Verbindung, sondern abhängig von den Oxidationsbedingungen entstehen unterschiedliche Eisenoxide, vorwiegend Eisen(III)-oxidhydrat und Eisen(II)-Eisen(III)-oxidhydrat. Schutzschichten auf Eisen aus Metallen, die edler als Eisen sind (Cr, Sn, Ni), beschleunigen bei ihrer Verletzung die Korrosion von Eisen durch Bildung eines Lokalelements (Abb. 3.57b). Schutzschichten aus einem unedleren Metall, z. B. Zn, fördern bei ihrer Beschädigung die Korrosion des Eisens nicht. Bei rostfreiem Stahl (Edelstahl, s. Abschn. 5.16.4.1) wird die Korrosion durch Bildung einer chromreichen Oxidschicht verhindert. Der technische Korrosionsschutz von Stahl (z. B. Autoblech) erfolgt durch Phosphatierung (s. Abschn. 4.6.11). Gesetz von Faraday. Die Faraday-Konstante F ist gerade die Elektrizitätsmenge von 1 mol Elektronen (vgl. Gl. 3.54). Das Faraday’sche Gesetz sagt aus, dass durch die Ladungsmenge von einem Faraday 1 mol Ionenäquivalente (vgl. Abschn. 3.1) abgeschieden werden. Bei einer Elektrolyse werden also durch die Ladungsmenge 1 F gerade 1 mol Me1C-Ionen (NaC, AgC), 21 mol Me2C-Ionen (Cu2C, Zn2C) und 31 mol Me3C-Ionen (Al3C, Fe3C) abgeschieden. Die Elektrolyse ist eine wichtige Methode zur qualitativen und quantitativen Analyse von Metallen. Elektrogravimetrie: Aus Lösungen können durch kathodische Reduktion Metallkationen als Metalle abgeschieden werden und die abgeschiedenen Mengen durch Wägung bestimmt werden. Polarographie: Durch Bestimmung der Abscheidungspotentiale an einer Quecksilberkathode können die Metallkationen
368
3 Die chemische Reaktion
von Lösungen K wegen der Überspannung auch unedle Kationen K identifiziert werden. Die Stromstärke der Stromstärke-Spannungs-Kurve ist proportional der Ionenkonzentration. Elektrolytische Verfahren sind von großer technischer Bedeutung. Die Gewinnung von Alkalimetallen, Erdalkalimetallen, Aluminium, Fluor, Zink und die Raffination von Kupfer erfolgen durch Elektrolyse, ebenso die Oberflächenveredelung von Metallen, z. B. das Verchromen und die anodische Oxidation von Aluminium (Eloxal-Verfahren). An dieser Stelle soll die Elektrolyse wässriger NaCl-Lösungen besprochen werden. Die anderen elektrolytischen Verfahren werden bei den Elementen behandelt. Chloralkali-Elektrolyse Diaphragmaverfahren (Abb. 3.58). Bei der Elektrolyse einer NaCl-Lösung mit einer Eisenkathode und einer Titananode (früher Graphit) laufen folgende Reaktionen an den Elektroden ab: Kathode
2 H2O C 2 eK $% H2 C 2 OHK
Anode
2 ClK $% Cl2 C 2 eK
Gesamtvorgang
2 NaC C 2 ClK C 2 H2O $% H2 C Cl2 C 2 NaC C 2 OHK
Abbildung 3.58 Elektrolyse einer NaCl-Lösung nach dem Diaphragmaverfahren.
Bei der Chloralkali-Elektrolyse entstehen also Natronlauge, Chlor und Wasserstoff. Um eine möglichst ClK-freie NaOH-Lösung zu erhalten, wird der Anodenraum vom Kathodenraum durch ein Diaphragma getrennt. Da das Diaphragma für Ionen durchlässig ist, wandern auch ClK-Ionen in den Kathodenraum und OHK-Ionen in den Anodenraum. Da bei zu hoher OHK-Konzentration auch eine unerwünschte OHK-Abscheidung erfolgt, wird der OHK-Wanderung dadurch entgegengewirkt, dass nur eine verdünnte Lauge (bis 15%) erzeugt
3.8 Redoxvorgänge
369
wird. Beim Eindampfen der verdünnten Lauge fällt das unerwünschte NaCl fast vollständig aus und wird erneut elektrolysiert. Quecksilberverfahren. Die Anode besteht aus Graphit oder bevorzugt aus mit Edelmetallverbindungen beschichtetem Titan. Als Kathode wird statt Eisen Quecksilber verwendet. Wegen der hohen Wasserstoffüberspannung bildet sich an der Kathode kein Wasserstoffgas, sondern es werden NaC-Ionen zu Na-Metall reduziert, das sich als Natriumamalgam (Amalgame sind Quecksilberlegierungen) in der Kathode löst. Kathode
NaC C eK $% Na-Amalgam
Anode
ClK $% 21 Cl2 C eK
Das Amalgam wird mit Wasser unter Bildung von Natronlauge und Wasserstoff an Graphitkontakten zersetzt. Na C H2O $% NaC C OHK C 21 H2 Mit dem Quecksilberverfahren erhält man eine chloridfreie Natronlauge und reines Chlorgas. Der Nachteil des Verfahrens ist die Emission von toxischem Quecksilber. Ein neues drittes Verfahren, das Membranverfahren, gewinnt zunehmend technische Bedeutung. Membranverfahren. An der Anode und der Kathode laufen die gleichen Prozesse ab wie beim Diaphragmaverfahren. Kathoden- und Anodenraum sind durch eine ionenselektive Membran getrennt. Sie soll eine hohe Durchlässigkeit für NaC-Ionen und keine Durchlässigkeit für ClK- und OHK-Ionen besitzen. Die Membranen bestehen aus polymeren fluorierten Kohlenwasserstoffen mit Seitenketten, die Sulfonsäure- bzw. Carboxylgruppen enthalten (Nafion-Membran). Die NaC-Ionen treten vom Anodenraum durch die Membran in den Kathodenraum. Bei zu hoher Konzentration an OHK-Ionen erfolgt auch eine Diffusion von OHK-Ionen vom Kathodenraum in den Anodenraum, dadurch sinkt die Stromausbeute. Das Membranverfahren liefert eine chloridfreie Natronlauge mit einem Massenanteil von maximal 35% und die Umweltbelastung durch Hg entfällt. Nachteile sind die hohen Reinheitsanforderungen an die NaCl-Lösung (wegen der Empfindlichkeit der Membranen) und hohe Kosten der Membranen. Weltweit wurden 2005 50% des Chlors mit dem Quecksilberverfahren hergestellt. Obwohl die Quecksilberemission von 26 g Hg.t Chlor auf 1 g Hg.t Chlor gesenkt wurde, sollen bis 2020 alle Hg-Anlagen stillgelegt werden. Für sämtliche Neuanlagen wird die Membrantechnik verwendet. In Europa betrug 2005 der Anteil am Membranverfahren etwa ein Drittel. Die Auslastung der Elektrolysezellen wird zur Zeit durch die Chlornachfrage bestimmt. 97% des Chlors (Weltproduktion 2005 46 · 106 t) wird durch Elektrolyse erzeugt, NaOH und H2 sind Koppelprodukte. In einer Anlage mit 100 Zellen werden täglich 800 t Chlor erzeugt. In Deutschland wurden 2005 5,1 · 106 t Chlor hergestellt und 4,2 · 106 t Natronlauge.
370
3 Die chemische Reaktion
3.8.11 Elektrochemische Stromquellen Galvanische Elemente sind Energieumwandler, in denen chemische Energie direkt in elektrische Energie umgewandelt wird. Man unterscheidet Primärelemente, Sekundärelemente und Brennstoffzellen. Bei Primärelementen und Sekundärelementen ist dieEnergie in den Elektrodensubstanzen gespeichert, durch ihre Beteiligung an Redoxreaktionen wird Strom erzeugt. Sekundärelemente (Akkumulatoren) sind galvanische Elemente, bei denen sich die bei der Stromentnahme (Entladen) ablaufenden chemischen Vorgänge durch Zufuhr elektrischer Energie (Laden) umkehren lassen. Bei einer Brennstoffzelle wird der Brennstoff den Elektroden kontinuierlich zugeführt. Der Bleiakkumulator besteht aus einer Bleielektrode und einer Bleidioxidelektrode. Als Elektrolyt wird 20%ige Schwefelsäure verwendet. Die Potentialdifferenz zwischen den beiden Elektroden beträgt 2,04 V. Wird elektrische Energie entnommen (Entladung), laufen an den Elektroden die folgenden Reaktionen ab: 0
Entladung
C2
Negative Elektrode
$$$$$$$% PbSO4 C 2 eK Pb C SO2K 4
Positive Elektrode
C K $$$$$$$% PbSO4 C 6 H2O PbO2 C SO2K 4 C 4 H3O C 2 e
Gesamtreaktion
Pb C PbO2 C 2 H2SO4 #$$$$$% !#$$$$$ 2 PbSO4 C 2 H2O
C4 0
Entladung
C4
Entladung
C2
C2
Ladung
Bei der Stromentnahme wird H2SO4 verbraucht und H2O gebildet, die Schwefelsäure wird verdünnt. Der Ladungszustand des Akkumulators kann daher durch Messung der Dichte der Schwefelsäure kontrolliert werden. Durch Zufuhr elektrischer Energie (Laden) lässt sich die chemische Energie des Akkumulators wieder erhöhen. Der Ladungsvorgang ist eine Elektrolyse. Dabei erfolgt wegen der Überspannung von Wasserstoff an Blei am negativen Pol keine Wasserstoffentwicklung. Bei Verunreinigung des Elektrolyten wird die Überspannung aufgehoben, und der Akku kann nicht mehr aufgeladen werden. Der Natrium-Schwefel-Akkumulator besteht aus einer Natrium- und einer Schwefelelektrode, die bei der Betriebstemperatur von 300K350 (C flüssig sind. Sie sind durch einen Festelektrolyten voneinander getrennt, der für NaC-Ionen durchlässig ist. Dafür verwendet man den NaC-Ionenleiter β-Al2O3 (vgl. Abschn. 4.8.5.2 und 5.7.5.1). Beim Stromfluss wandern NaC-Ionen durch den Festelektrolyten und reagieren dann mit Schwefel unter Elektronenaufnahme zu Natriumpolysulfid (vgl. Abschn. 4.5.5). Gesamtreaktion
n
2 Na C 8 S8 $% Na2Sn
Der Na.S-Akkumulator liefert eine Spannung von 2,08 V, pro Masse fünfmal soviel Energie wie ein Bleiakkumulator und er ist längerlebig als dieser. Vorwiegend verwendet für stationäre Anwendungen als ununterbrochene Stromversorgungsanlage. Beim Natrium-Nickelchlorid-Akkumulator wird die negative Natriumelektrode und der β-Al2O3-Festelektrolyt beibehalten. Als positive Elektrode wird NiCl2 dis-
3.8 Redoxvorgänge
371
pergiert in einer NaAlCl4-Schmelze verwendet, die als NaC-Ionenleiter zwischen β-Al2O3 und NiCl2 fungiert. Die Betriebstemperatur beträgt 325 (C G 50 (C, die Spannung 2,6 V. Gesamtreaktion
2 Na C NiCl2 $% 2 NaCl C Ni
Im Unterschied zur Na d S-Zelle schadet auch mehrfaches Abkühlen der Batterie nicht. Vorwiegend in Elektrostraßenfahrzeugen verwendet. Der Nickel-Cadmium-Akkumulator liefert eine EMK von etwa 1,3 V. Beim Entladen laufen folgende Elektrodenreaktionen ab: Negative Elektrode Positive Elektrode
Cd C 2 OHK $% Cd (OH)2 C 2 eK 2 NiO (OH) C 2 H2O C 2 eK $% 2 Ni (OH)2 C 2 OHK
Der Nickel-Metallhydrid-Akkumulator basiert auf dem gleichen Prinzip wie die Ni d Cd-Zelle. Das toxische Cd wird durch Metallhydrid, z. B. LaNi5H6Kx ersetzt. Als Elektrolyt wird konz. KOH-Lösung verwendet. MH - KOH - NiO (OH) Entladung
MH C NiO (OH) $% M C Ni (OH)2
Längere Lebenszeiten erhält man mit Hydriden der Legierungen LaNi5KxMx (M Z Co, Al, Mn, Si). Die EMK beträgt 1,3 V. Lithium-Ionen-Akkumulatoren. Negative Elektroden sind graphitische Wirtsgitter, die reversibel LiC-Ionen einlagern können. Durch Elektronenaufnahme aus dem Wirtsgitter werden die LiC-Ionen neutralisiert. In den Schichtlücken des Graphitgitters wird maximal 1 Li pro 6 C-Atome eingelagert (LiC6). Positive Elektroden sind Schichtstrukturen vom Typ LiMO2 (M Z Co, Ni, Mn), die reversibel LiC-Ionen aufnehmen können. Derzeit wird vorwiegend LiCoO2 verwendet, der Trend geht zu Manganoxiden. Für den LiC-Transfer zwischen den Elektroden sorgen organische Elektrolyte. Zellreaktionen:
Entladung
Negative Elektrode
C K Lix Cn #$$$$$% !#$$$$$ Cn C x Li C x e
Positive Elektrode
Li1Kx MO2 C x eK C x LiC #$$$$$% !#$$$$$ LiMO2
Ladung
Entladung Ladung
Die Li-Ionen-Zelle basiert also auf einem reversiblen LiC-Austausch, die Wirtsstrukturen (nicht die LiC-Ionen) sind die redoxaktiven Komponenten und bestimmen das Potential der Zelle. Die Entladespannung beträgt 4K5 V. Lithiumbatterien sind mittlerweile die meist verwendeten Batterien für portable Elektronik (Handy, Laptop) und verdrängen auf Grund ihrer hohen spezifischen Energie die Ni d Cdund Ni-Metallhydrid-Akkus (Spezifische Energie in Wh.kg: Li-Ionen 120K130, Ni d Cd 50, Ni d Hydrid 80). Gesamtreaktion
Entladung
Li1Kx MO2 C LixCn #$$$$$% !#$$$$$ LiMO2 C Cn Ladung
372
3 Die chemische Reaktion
Das Leclanché-Element ist das bekannteste Primärelement. Es besteht aus einer Zinkanode, einer mit MnO2 umgebenen Kohlekathode und einer mit Stärke bzw. Methylcellulose verdickten NH4Cl-Lösung als Elektrolyt. Es liefert eine EMK von 1,5 V. Schematisch lassen sich die Vorgänge bei der Stromentnahme durch die folgenden Reaktionen beschreiben. Negative Elektrode
Zn $% Zn2C C 2 eK
Positive Elektrode
2 MnO2 C 2 H2O C 2 eK $% 2 MnO (OH) C 2 OHK
Elektrolyt
2 NH4Cl C 2 OHK C Zn2C $% Zn (NH3)2Cl2 C 2 H2O
Gesamtreaktion
2 MnO2 C Zn C 2 NH4Cl $% 2 MnO (OH) C Zn (NH3)2Cl2
Lithiumbatterien sind Primärzellen mit hoher Energiedichte, niedriger Selbstentladungsrate und langer Lebensdauer. Bei der Lithium-Thionylchlorid-Zelle erfolgt eine Oxidation der negativen Lithiumelektrode Li $% LiC C eK und eine Reduktion des Elektrolyten Thionylchlorid an einer positiven Kohleelektrode mit großer Oberfläche 2 SOCl2 C 4 eK $% 4 ClK C SO2 C S Die Li-Ionen wandern durch den Elektrolyten zur Kohleelektrode, bilden dort mit ClK-Ionen LiCl, das sich an der Elektrode ablagert. Die Kohleelektrode hat also keinen Anteil an der Zellreaktion. Die Spannung beträgt 3,6 V, die Lebensdauer bis zu 10 Jahre, der Temperaturbereich K50 (C bis über 100 (C. Die Verwendung erfolgt zur langlebigen Energieversorgung zahlreicher elektronischer Geräte, z. B. Personal Computer. Als Elektrolyt wird auch Sulfurylchlorid, SO2Cl2 und ein Gemisch aus SO2Cl2 und BrCl eingesetzt. In der Alkali-Mangan-Zelle, die überwiegend als Primärzelle benutzt wird, wird Kalilauge als Elektrolyt verwendet. Sie arbeitet bis K35 (C. Reaktionen bei der Stromentnahme: Negative Elektrode
Zn $% Zn2C C 2 eK
Positive Elektrode
2 MnO2 C 2 H2O C 2 eK $% 2 MnO (OH) C 2 OHK
Elektrolyt
Zn2C C 2 OHK C KOH $% Zn (OH)2 $% ZnO C H2O
Gesamtreaktion
2 MnO2 C Zn C H2O $% 2 MnO (OH) C ZnO
Die Zn d MnO2-Zelle ersetzt als Primärzelle in zunehmendem Maße das LeclanchéElement. Vorwiegend in den USA hat sie sich als wiederaufladbare Zelle, bezeichnet als RAM-Zelle (Rechargeable Alkaline Manganese) durchgesetzt. Brennstoffzellen. Auch Brennstoffzellen sollen die zukünftige Energieversorgung verbessern. Die Automobilindustrie entwickelt sie für schadstofffreie Motoren. Sie sind aber auch für die dezentrale umweltfreundliche Energieversorgung von Gebäuden und Industrieanlagen verwendbar.
3.8 Redoxvorgänge
373
Brennstoffzellen sind gasgetriebene Batterien, die durch kalte elektrochemische Verbrennung eines gasförmigen Brennstoffs (Wasserstoff, Erdgas, Biogas) Gleichspannungsenergie erzeugen. Das Prinzip einer mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzelle ist in der Abb. 3.59 dargestellt. An der einen Elektrode wird Wasserstoff zu Protonen oxidiert, an der anderen Sauerstoff zu Oxidionen reduziert. Schematische Elektrodenreaktionen: Negative Elektrode
H2 $% 2 HC C 2 eK
Positive Elektrode
1 K 2 O2 C 2 e
Gesamtreaktion
H2 C 21 O2 $% H2O
$% O2K
Die Gasdiffusionselektroden sind durchlässig für die reagierenden Gase und durch einen protonenleitenden Elektrolyten voneinander getrennt, so dass die Gase sich nicht mischen können. Die Sauerstoffionen reagieren mit den HC-Ionen, die durch den Elektrolyten wandern zu H2O. Es wird also elektrochemisch H2 mit O2 zu H2O umgesetzt. Die abgreifbare Zellspannung unter Betriebsbedingungen beträgt für eine Wasserstoff-Sauerstoff-Zelle 0,5K0,7 V. Man unterscheidet Brennstoffzellentypen nach ihren Elektrolyten, aber auch nach der Betriebstemperatur (Hoch- und Niedrigtemperaturzellen). Die meisten Brennstoffzellen enthalten Festelektrolyte, die protonen-, hydroxidionen- oder sauerstoff-
Abb. 3.59 Schematischer Aufbau einer Brennstoffzelle mit Protonenaustauschmembran (PEM). In Brennstoffzellen wird elektrochemisch gasförmiger Brennstoff (H2, Erdgas) mit Sauerstoff (Luft) zu Wasser umgesetzt und damit Gleichspannungsenergie erzeugt. Der Wirkungsgrad beträgt ca. 60%. Mit Brennstoffzellen betriebene Automobile haben höhere Wirkungsgrade als mit Verbrennungsmotoren und sind abgasfrei oder zumindest abgasärmer.
374
3 Die chemische Reaktion
Tabelle 3.14 Überblick über die fünf Typen von Brennstoffzellen (englisch fuel cell, FC) Typ
Alkalische BZ (AFC)
Polymerelektrolytmembran BZ (PEMFC)
Elektrolyt
KOHLösung
Arbeitstemperatur in (C
Phosphorsaure BZ (PAFC)
Carbonatschmelzen BZ (MCFC)
Oxidkeramische BZ (SOFC)
ProtonenleiKonz. H3PO4 tende Polymer- in poröser elektrolytMatrix membran (Nafion)
Li2CO3. K2CO3Schmelze in LiAlO2Matrix
Keramischer Festelektrolyt ZrO2 (Y2O3)
! 100
60K120
160K220
600K660
800K1000
Brennstoff
H2 (hochrein)
H2 rein und aus Reformierung (Methanol, Erdgas)
H2 aus Reformierung (Erdgas, Kohlegas, Biogas)
H2 aus Reformierung (Erdgas, Kohlegas, Biogas) und direkte Verstromung von Erdgas
H2 aus Reformierung (Erdgas, Kohlegas, Biogas) und direkte Verstromung von Erdgas
Oxidationsmittel
Sauerstoff (hochrein)
Luftsauerstoff
Luftsauerstoff Luftsauerstoff Luftsauerstoff
Wirkungsgrad in %
60
50K70
55
65
Anwendung
Raumfahrt, U-Boote
Stationäre und portable Stromversorgung, Kleinanlagen, (Elektrofahrzeuge, Kleinkraftwerke)
Stationäre Stromversorgung, Kleinanlagen bis Kraftwerke, Kraft-Wärmekopplung
Stationäre Stromversorgung, Kraft-Wärme-Kopplung, Schiffe, Schienenfahrzeuge, Kraftwerke
Leistung
5K150 kW
5K250 kW
50 kWK 11 MW
100 kWKMW
60K65
ionenleitend sind (vgl. Abschn. 5.7.5.1) Die Tabelle 3.14 gibt einen Überblick. Brennstoffzellen haben Wirkungsgrade von etwa 60%. Konventionelle Systeme wie Dieselmaschinen und Gasturbinen ähnlicher Leistungsbereiche (250 kW bis 10 MW) erreichen nur Wirkungsgrade bis 45%. Gasturbinenanlagen, die Wirkungsgrade von 60 % erreichen, sind aber ökonomisch nur im Leistungsbereich einiger hundert MW sinnvoll. Es gibt keine Brennstoffzelle, die sich für alle Anwendungen eignen würde. Alkalische Brennstoffzellen finden in der Raumfahrt Verwendung. Für alle anderen Typen gibt es unterschiedliche technische Anwendungen (Tabelle 3.14). Einen
3.8 Redoxvorgänge
375
großen Anwendungsbereich haben Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen (PEMFC). Für die Elektroden wird als Elektrokatalysator Platin verwendet, das in nanodisperser Form auf die innere Oberfläche von Aktivkohle aufgebracht wird. Die Membran besteht aus Nafion, das für die Chloralkalielektrolyse entwickelt wurde (Zusammensetzung siehe dort). Für alle großen Automobilhersteller ist die Protonenaustauschmembran-Brennstoffzelle (PEMFC) eine alternative Technik zum Verbrennungsmotor. Der Gesamtwirkungsgrad dieser Zelle ist ca. 10% höher als der des Verbrennungsmotors und mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge sind abgasfrei. Die Probleme bei wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen sind die Wasserstoffspeicherung und die nötige Wasserstoffinfrastruktur. Mit Brennstoffzellen ausgerüstete Fahrzeuge wurden von Daimler Chrysler, Toyota, Honda und General Motors entwickelt. Einfacher zu handhaben ist als Treibstoff Methanol, das aber durch Methanolreformierung in Wasserstoff umgewandelt werden muss. Dabei entstehen auch Kohlenstoffdioxid und etwas Kohlenstoffmonooxid. 200+C
CH3OH C H2O ##% CO2 C 2 H2 Versuchsfahrzeuge gibt es von Daimler Chrysler und Toyota. Die PEMFC verlangt eine hohe Reinheit des Wasserstoffs. Daher muss bei der Reformierung von Methanol und Erdgas der CO-Gehalt (Katalysatorgift) auf 10 ppm gesenkt werden. PEM-Brennstoffzellen wurden auch für die Hausversorgung entwickelt und weltweit installiert. Brennstoffzellenakkus zur Stromversorgung für Laptops und Handys sind schnell aufladbar und haben eine lange Lebensdauer. Die phosphorsaure Brennstoffzelle (PAFC) ist ebenfalls kommerziell verfügbar. Bei Blockheizkraftwerken (BHKWs) mit Wärme-Kraft-Kopplung (Hotels, Fabriken, Büroräume) kann der Wirkungsgrad auf 80 % gesteigert werden. Weltweit wurden bereits einige hundert BHKWs mit 200 kW installiert. Bei Stromausfällen können sie die Stromversorgung sichern, und in Einzelfällen sind sie ökonomischer als ein konventioneller elektrischer Anschluss. Oxidkeramische Brennstoffzellen (SOFC), bei denen keine Reformierung von Erdgas erforderlich ist, werden im Bereich der Hausenergieversorgung und zur Bordstromversorgung in Kraftfahrzeugen verwendet. Die wenigen Beispiele zeigen wie vielfältig die Nutzung von Brennstoffzellen ist.
4 Die Elemente der Hauptgruppen
4.1 Häufigkeit der Elemente in der Erdkruste Die Erdkruste reicht bis in eine Tiefe von 30K40 km. Die Häufigkeit der Elemente in der Erdkruste ist sehr unterschiedlich. Die zehn häufigsten Elemente ergeben bereits einen Massenanteil an der Erdkruste von 99,5 %. Die zwanzig häufigsten Elemente sind in der Tabelle 4.1 angegeben. Sie machen 99,9 % aus, den Rest von 0,1 % bilden die übrigen Elemente. Sehr selten sind so wichtige Elemente wie Au, Pt, Se, Ag, I, Hg, W, Sn, Pb. Tabelle 4.1 Häufigkeit der Elemente in der Erdkruste Element
Massenanteil in %
Element
Massenanteil in %
O Si Al Fe Ca Mg Na K Ti H
45,50 27,20 8,30 6,20 4,66 2,76 2,27 1,84 0,63 0,15 ##$ 99,51
P Mn F Ba Sr S C Zr V Cl
0,112 0,106 0,054 0,039 0,038 0,034 0,018 0,016 0,014 0,013 ##$ 0,444
Die Anzahl der Mineralarten in der Erdkruste beträgt etwa 3500. 91,5 % der Erdkruste bestehen aus Si d O-Verbindungen (hauptsächlich Silicate von Al, Fe, Ca, Na, Mg), 3,5 % aus Eisenerzen (vorwiegend Eisenoxide), 1,5 % aus CaCO3. Alle anderen Mineralarten machen nur noch 3,5 % aus.
378
4 Die Elemente der Hauptgruppen
4.2 Wasserstoff 4.2.1 Allgemeine Eigenschaften Ordnungszahl Z Elektronenkonfiguration Ionisierungsenergie in eV Elektronegativität Schmelzpunkt in (C Siedepunkt in (C
1 1 s1 13,6 2,2 K259 K253
Wasserstoff nimmt unter den Elementen eine Ausnahmestellung ein. Das Wasserstoffatom ist das kleinste aller Atome und hat die einfachste Struktur aller Atome. Die Elektronenhülle besteht aus einem einzigen Elektron, die Elektronenkonfiguration ist 1 s1. Wasserstoff gehört zu keiner Gruppe des Periodensystems. Verglichen mit den anderen s1-Elementen, den Alkalimetallen, hat Wasserstoff eine doppelt so hohe Ionisierungsenergie und eine wesentlich größere Elektronegativität, und es ist ein typisches Nichtmetall. Die durch Abgabe des 1 s-Valenzelektrons gebildeten HC-Ionen sind Protonen. In kondensierten Phasen existieren HC-Ionen nie isoliert, sondern sie sind immer mit anderen Molekülen oder Atomen assoziiert. In wässrigen Lösungen bilden sich H3OC-Ionen. Wie bei den Halogenatomen entsteht aus einem Wasserstoffatom durch Aufnahme eines Elektrons ein Ion mit Edelgaskonfiguration. Von den Halogenen unterscheidet sich Wasserstoff aber durch seine kleinere Elektronenaffinität und Elektronegativität, der Nichtmetallcharakter ist beim Wasserstoff wesentlich weniger ausgeprägt. Verbindungen mit HK-Ionen wie KH und CaH2 werden daher nur von den stark elektropositiven Metallen gebildet. Da Wasserstoffatome nur ein Valenzelektron besitzen, können sie nur eine kovalente Bindung ausbilden. Im elementaren Zustand besteht Wasserstoff aus zweiatomigen Molekülen H2, in denen die H-Atome durch eine σ-Bindung aneinander gebunden sind. Zwischen stark polaren Molekülen wie HF und H2O treten Wasserstoffbindungen auf (vgl. Abschn. 2.6).
4.2.2 Vorkommen und Darstellung Wasserstoff ist das häufigste Element des Kosmos. Etwa 2.3 der Gesamtmasse des Weltalls besteht aus Wasserstoff (vgl. S. 25). In der Erdkruste ist jedes sechste Atom ein Wasserstoffatom. In der unteren Atmosphäre kommt elementarer Wasserstoff nur in Spuren (Volumenanteil 5 · 10K5 %) vor. Wasserstoff kann aus Wasser (Massenanteil H 11,2 %), der häufigsten Wasserstoffverbindung, dargestellt werden.
4.2 Wasserstoff
379
Stark elektropositive Metalle reagieren mit Wasser unter Entwicklung von Wasserstoff, außerdem entsteht eine Lösung des Metallhydroxids. 2 Na C 2 H2O $% H2 C 2 NaC C 2 OHK Ca C 2 H2O $% H2 C Ca2C C 2 OHK Im Labormaßstab gewinnt man Wasserstoff durch Reaktion von unedlen Metallen, wie Zn oder Fe, mit Säuren. 2 H3OC C Zn $% H2 C Zn2C C 2 H2O Ausgangsstoffe für die technische Herstellung sind Kohlenwasserstoffe und Wasser. Die wichtigsten Verfahren sind: Steam-Reforming-Verfahren Methan aus Erdgasen oder leichte Erdölfraktionen (niedere Kohlenwasserstoffe) werden bei Temperaturen zwischen 700 und 830 (C und bei Drücken bis 40 bar mit Wasserdampf in Gegenwart von Ni-Katalysatoren umgesetzt. ΔH ( Z C206 kJ.mol
CH4 C H2O $% 3 H2 C CO
Da die Ni-Katalysatoren durch Schwefelverbindungen vergiftet werden, müssen die eingesetzten Rohstoffe vorher entschwefelt werden. Partielle Oxidation von schwerem Heizöl Schweres Heizöl und Erdölrückstände werden ohne Katalysator bei Temperaturen zwischen 1200 und 1500 (C und einem Druck von 30 bis 40 bar partiell mit Sauerstoff oxidiert. 2 Cn H2n C 2 C n O2 $% 2 n CO C 2(n C 1) H2 Eine Entschwefelung ist nicht notwendig. Kohlevergasung Wasserdampf wird mit Koks reduziert. C C H2O # CO C H2
ΔH ( Z C 131 kJ.mol
Wassergas
Die Erzeugung von Wassergas ist ein endothermer Prozess. Die dafür benötigte Reaktionswärme erhält man durch Kombination mit dem exothermen Prozess der Kohleverbrennung. C C O2 $% CO2
ΔH+ B Z K 394 kJ.mol
Beim Winkler-Verfahren wird ohne Druck bei 800K1100 (C gearbeitet. Bei anderen Verfahren erfolgt die Umsetzung bei höheren Temperaturen und zum Teil unter Druck.
380
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Bei allen drei Verfahren erfolgt anschließend eine Konvertierung von Kohlenstoffmonooxid CO reagiert in Gegenwart von Katalysatoren mit Wasserdampf zu CO2. Es stellt sich das so genannte Wassergasgleichgewicht ein. CO C H2O (g) # CO2 C H2
ΔH ( Z K41 kJ.mol; K830 (C Z 1
Bei 1 000 (C liegt das Gleichgewicht auf der linken Seite, unterhalb 500 (C praktisch vollständig auf der rechten Seite. Bei der Hochtemperaturkonvertierung arbeitet man bei 350K380 (C mit Eisenoxid-Chromoxid-Katalysatoren. Die Tieftemperaturkonvertierung wird mit Kupferoxid-Zinkoxid-Katalysatoren bei 200K250 (C durchgeführt, man erreicht Restgehalte von CO unter 0,3 %. Dieser Katalysator ist aber, im Gegensatz zum EisenoxidChromoxid-Katalysator, sehr empfindlich gegen Schwefelverbindungen. Für die Tieftemperaturkonvertierung eignen sich daher die Reaktionsgemische aus dem Steam-Reforming-Prozess. CO2 wird unter Druck durch physikalische Absorption (z. B. mit Methanol) oder durch chemische Absorption (organische Amine, wässrige K2CO3-Lösungen) aus dem Gasgemisch entfernt. Thermische Crackung von Kohlenwasserstoffen Zur Benzingewinnung aus Erdöl werden die im Erdöl enthaltenen Kohlenwasserstoffe unter Rußabscheidung und H2-Entwicklung katalytisch gespalten.
Elektrolyse Elektrolytisch erzeugt man Wasserstoff durch Elektrolyse 30 %iger KOH-Lösungen und als Nebenprodukt bei der Elektrolyse von Natriumchloridlösungen (vgl. S. 368). NaC C ClK C H2O $% NaC C OHK C 21 H2 C 21 Cl2 Der erzeugte Wasserstoff ist sehr rein und wird z. B. für Hydrierungen in der Nahrungsmittelindustrie (Fetthärtung) verwendet. In Deutschland wurden 2005 3,5 · 109 m3 Wasserstoff produziert, in Europa 10,4 · 109 m3, weltweit 500 · 109 m3. Gegenwärtig werden 80 % petrochemisch erzeugt. Die Kohlevergasung gewinnt in Ländern mit billiger Kohle wieder an Bedeutung (vor dem 2. Weltkrieg wurden danach weltweit 90 % des Wasserstoffs hergestellt). Der Anteil des elektrolytisch erzeugten Wasserstoffs ist ca. 4 %.
4.2 Wasserstoff
381
Der größte Teil des technisch hergestellten Wasserstoffs wird für Synthesen (NH3, CH3OH, HCN, HCl, Fetthärtung) verwendet, mehr als die Hälfte für die NH3-Synthese. Außerdem benötigt man Wasserstoff als Raketentreibstoff, als Heizgas, zum autogenen Schneiden und Schweißen (vgl. S. 382) sowie als Reduktionsmittel bei der Herstellung bestimmter Metalle (W, Mo, Ge, Co) aus Metalloxiden. Abhängig von der Herstellungsart enthält Wasserstoff Verunreinigungen wie O2, N2 und in Spuren H2S, AsH3. Reinster Wasserstoff wird nach folgenden Methoden hergestellt: Wasserstoff löst sich in Pd und Ni und diffundiert durch beheizte Röhrchen dieser Metalle, die Verunreinigungen lösen sich nicht (vgl. S. 387); Uran wird mit H2 bei höheren Temperaturen zum Hydrid umgesetzt und dieses im Vakuum thermisch zersetzt.
4.2.3 Physikalische und chemische Eigenschaften Wasserstoff ist ein farbloses, geruchloses Gas. Es ist das leichteste aller Gase, 1 l hat bei 0 (C die Masse von 0,08987 g, es ist 14,4mal leichter als Luft. Es hat von allen Gasen die größte spezifische Wärmekapazität und das größte Diffusionsvermögen. Die Diffusionsgeschwindigkeit eines Gases hängt von seiner Molekülmasse m ab. Für die Diffusionsgeschwindigkeit υ zweier Gase gilt: υ1 Z υ2
m2
√m
1
Wasserstoff diffundiert also viermal schneller als Sauerstoff. Auf Grund der hohen mittleren Geschwindigkeit der H2-Moleküle (vgl. S. 253) hat es von allen Gasen die größte Wärmeleitfähigkeit. Bei 20 K kondensiert Wasserstoff zu einer farblosen, nicht leitenden Flüssigkeit, bei 14 K kristallisiert Wasserstoff in einem Molekülgitter mit hexagonal-dichtester Kugelpackung (vgl. S. 171). Von großem theoretischen Interesse ist der Übergang NichtmetallKMetall, der bei hohen Drücken zu erwarten ist und der z. B. beim Iod experimentell realisiert werden konnte (vgl. S. 401). Für die Umwandlung in metallischen Wasserstoff wurde theoretisch ein Druck von 2,5 Mbar abgeschätzt. Wasserstoff, der Stoßwellen mit Drücken bis zu 2 Mbar ausgesetzt wurde, zeigte eine elektrische Leitfähigkeit von 2 000 (Ω cm)K1. Damit wurde erstmalig der experimentelle Nachweis von metallischem Wasserstoff erbracht. Wasserstoff besitzt nur eine geringe Löslichkeit in Wasser (18,2 ml H2.l bei 20 (C) und anderen Lösungsmitteln, löst sich jedoch gut in einigen Übergangsmetallen (vgl. S. 387), am besten in Pd (850 ml H2.ml Pd). Wegen der relativ großen Dissoziationsenergie der Wasserstoffmoleküle ist H2 bei Raumtemperatur ziemlich reaktionsträge. H2 # 2 H
ΔH ( Z C436 kJ.mol
Molekularer Wasserstoff kann aber durch Zufuhr von Wärme- oder Strahlungsenergie sowie durch Oberflächenreaktionen an Katalysatoren (vgl. S. 307) aktiviert wer-
382
4 Die Elemente der Hauptgruppen
den. So wirkt molekularer Wasserstoff erst bei höherer Temperatur auf die Oxide schwach elektropositiver Metalle (Cu, Fe, Sn, W) reduzierend. Cu2O C H2 $% 2 Cu C H2O PdCl2 wird K ausnahmsweise K bereits bei Raumtemperatur reduziert. PdCl2 C H2 $% Pd C 2 HCl PdCl2-Lösungen benutzt man daher zum Nachweis von H2. Bei Raumtemperatur reagiert ein Gemisch aus molekularem Wasserstoff und Sauerstoff (Knallgas) praktisch nicht. In Gegenwart von Katalysatoren (Pt) oder bei erhöhter Temperatur (O 400 (C) läuft die exotherme Reaktion + Z K 242 kJ.mol ΔHB
H2 C 21 O2 $% H2O (g) Knallgas
explosionsartig als Kettenreaktion ab. H2 $% 2 H H C O2 $% OH C O OH C H2 $% H2O C H O C H2 $% OH C H
Startreaktion Kettenreaktion mit Kettenverzweigung
Die Kettenabbruchreaktionen OH C H $% H2O O C H2 $% H2O finden nur dann statt, wenn ein Teil der Rekombinationsenergie von einem weiteren Teilchen (Dreierstöße) oder der Gefäßwand aufgenommen wird. Auf Grund der hohen Verbrennungsenthalpie kann man diese Reaktion zur Erzeugung hoher Temperaturen benutzen (Knallgasgebläse). Damit keine Explosion erfolgen kann, leitet man die Gase getrennt in den Verbrennungsraum (Daniell’scher Brenner). Man erreicht Temperaturen bis 3 000 (C, so dass man das Knallgasgebläse zum Schmelzen hochschmelzender Stoffe sowie zum autogenen Schweißen und Schneiden benutzt. Überraschend ist, dass unter hohem Druck (ca. 80 000 bar) bei Raumtemperatur Knallgas eine stabile Mischung bildet, die nicht zur Reaktion gebracht werden kann. Auch die Reaktion von Chlorknallgas H2 C Cl2 $% 2 HCl muss aktiviert werden. Sie verläuft ebenfalls explosionsartig nach einem Kettenmechanismus (vgl. S. 305). Gegenüber Alkalimetallen und Erdalkalimetallen kann Wasserstoff auch als Oxidationsmittel reagieren. Bei der Reaktion bilden sich salzartige Hydride, die aus Metallkationen und HK-Ionen aufgebaut sind (vgl. S. 386).
4.2 Wasserstoff
383
Atomarer Wasserstoff H ist sehr reaktionsfähig und hat ein hohes Reduktionsvermögen. Schon bei Raumtemperatur erfolgt Reaktion mit Cl2, Br2, I2, O2, S8, P4, As, Sb, Ge und Reduktion der Oxide CuO, SnO2, PbO, Bi2O3 zu Metallen. Atomarer Wasserstoff entsteht mit Ausbeuten bis zu 95 %, wenn man H2- Moleküle unter vermindertem Druck mit Mikrowellen bestrahlt. Auf Grund des ungepaarten Elektrons verhalten sich H-Atome wie Radikale, die sofort wieder zu H2 rekombinieren. Die Halbwertszeit der Rekombination beträgt jedoch einige Zehntelsekunden, da bei der Rekombination ein dritter Stoßpartner (Teilchen oder Gefäßwand) vorhanden sein muss, der einen Teil der frei werdenden Bindungsenergie aufnimmt. Fehlt dieser, wird die frei werdende Bindungsenergie in Schwingungsenergie umgewandelt, das Molekül zerfällt wieder. Die Lebenszeit der H-Atome genügt, um sie aus dem Entladungsraum abzusaugen und den Reaktionspartnern zuzuleiten. Atomarer Wasserstoff entsteht auch durch Aufspaltung der H2-Moleküle bei hohen Temperaturen, z. B. im Lichtbogen. Bei 3 000 (C sind 9 %, bei 3 500 (C 29 % und bei 6 000 (C 99 % H-Atome im Gleichgewicht mit H2. In der Langmuir-Fackel wird die Rekombinationswärme zum Schweißen (reduzierende Atmosphäre) und Schmelzen höchstschmelzender Stoffe (Ta, W) ausgenutzt. Ein scharfer Strahl der im Lichtbogen erzeugten H-Atome wird auf die Metalloberfläche gerichtet. An den Auftreffstellen entstehen durch die Rekombinationswärme Temperaturen bis 4 000 (C.
4.2.4 Wasserstoffisotope Natürlicher Wasserstoff besteht aus den Isotopen 1H (leichter Wasserstoff, Protium), 2 H (Deuterium D) und 3 H (Tritium T) (Häufigkeiten 1 : 10K4 : 10K17). Tritium ist ein β-Strahler und wandelt sich mit einer Halbwertszeit von 12,4 Jahren in 32 He um. Es wird daher zur radioaktiven Markierung von Wasserstoffverbindungen verwendet. Natürliches Tritium entsteht in den höchsten Schichten der Atmosphäre durch Reaktion von N-Atomen mit Neutronen der Höhenstrahlung. 14 1 7N C 0n
$% 31 H C 126 C
Die künstliche Darstellung von T und die Kernfusion von T mit D ist im Abschn. 1.3.3 beschrieben. Tabelle 4.2 Eigenschaften von Wasserstoff und Deuterium
Schmelzpunkt in K Siedepunkt in K Verdampfungsenthalpie in kJ.mol Dissoziationsenergie bei 25 (C in kJ.mol
H2
D2
14,0 20,4 0,117 436
18,7 23,7 0,197 444
384
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Bei keinem Element ist die relative Massendifferenz der Isotope so groß wie beim Wasserstoff, daher sind diese in ihren Eigenschaften unterschiedlicher als die Isotope der anderen Elemente. Einige Eigenschaften von H2 und D2 werden in der Tabelle 4.2 verglichen. H2 und D2 unterscheiden sich nicht nur in den physikalischen Eigenschaften, sondern auch K im Gegensatz zu den Isotopen anderer Elemente K etwas im chemischen Verhalten. H2 ist reaktionsfähiger als D2. Die Reaktionen von H2 mit Cl2, Br2 und O2 verlaufen schneller als die entsprechenden Reaktionen mit D2. Auch die Reaktionsgeschwindigkeiten deuterierter Verbindungen sind meist kleiner als die entsprechender H-Verbindungen. Solche Isotopeneffekte benutzt man zur Anreicherung und Isolierung von Deuteriumverbindungen aus natürlichen Isotopengemischen. Bei der Elektrolyse von Wasser reichert sich D2O im Elektrolyten an, da H2O schneller kathodisch reduziert wird. Aus D2O erhält man D2 durch Elektrolyse oder Reduktion mittels Na. Da deuterierte Verbindungen einen kleineren Dampfdruck als H-Verbindungen haben, kann man D-Verbindungen von H-Verbindungen durch fraktionierende Destillation trennen. Viele deuterierte Verbindungen können durch Isotopenaustauschreaktionen hergestellt werden. Zum Beispiel reagieren H2, H2O, NH3, CH4 an Pt-Katalysatoren mit D2 zu den deuterierten Verbindungen HD, HDO usw. Auch durch Solvolyse mit D2O werden deuterierte Verbindungen hergestellt. Beispiele: SiCl4 C 2 D2O $% SiO2 C 4 DCl SO3 C D2O $% D2SO4 D2O wird in Kernreaktoren als Moderator verwendet (vgl. S. 22). Deuterierte Verbindungen sind wertvoll bei der Aufklärung von Strukturen und Reaktionsabläufen.
4.2.5 Ortho- und Parawasserstoff Der Wasserstoffatomkern besitzt einen Spin. Ein H2-Molekül besteht entweder aus Atomen, deren Spins parallel (Orthowasserstoff) oder antiparallel (Parawasserstoff) sind. Zwischen beiden Molekülformen existiert ein temperaturabhängiges Gleichgewicht. o-H2 # p-H2 p-H2 ist die energieärmere Form. In der Nähe des absoluten Nullpunkts liegt das Gleichgewicht daher vollständig auf der Seite von p-H2 (99,7 % bei 20 K). Nur in Gegenwart von Katalysatoren (Aktivkohle, Pt, paramagnetische Substanzen) erfolgt eine rasche Gleichgewichtseinstellung. Der Reaktionsmechanismus verläuft über die Dissoziation der H2-Moleküle an der Katalysatoroberfläche und nachfolgende Rekombination des Moleküls. Dabei erfolgt Spinkopplung entsprechend der Gleichgewichtslage. Oberhalb 200 K ist im Gleichgewichtszustand der maximal mögliche Gehalt von 75 % o-H2 vorhanden. Reines o-H2 kann aber z. B. durch gaschromatogra-
4.2 Wasserstoff
385
phische Trennung des Gemisches hergestellt werden. o-H2 und p-H2 zeigen keinen Unterschied im chemischen Verhalten, aber geringfügige Unterschiede in den physikalischen Eigenschaften.
4.2.6 Wasserstoffverbindungen Wasserstoff bildet mit fast allen Elementen Verbindungen, mehr als irgendein anderes Element. Nach der vorherrschenden Bindungsart können drei Gruppen von Wasserstoffverbindungen unterschieden werden: kovalente Hydride, salzartige Hydride und metallische Hydride. Kovalente Hydride Zu dieser Gruppe gehören die Hydride der Nichtmetalle und Halbmetalle, sie sind bei Normalbedingungen meist Gase oder Flüssigkeiten. Flüchtige kovalente Hydride bilden auch einige schwach elektropositive Hauptgruppenmetalle (Sn, Pb, Bi, Po). Eine überwiegend kovalente Bindung besitzen die binären Metallhydride von Be, Al und Ga, die bei Raumtemperatur polymer und daher nichtflüchtig sind. Die kovalente Bindung ist fast unpolar (CH4, PH3, AsH3) bis stark polar (HCl, H2O, HF). Bezüglich der Bindungspolarität gibt es Hydride mit positiviertem Wasserstoff δC
δK
HdX
HCl, H2O, NH3
und solche mit negativiertem Wasserstoff δK
δC
HdX
SiH4, B2H6
Der positivierte Wasserstoff ist zu Säurefunktionen befähigt und wirkt als Oxidationsmittel. Beispiele: HCl C H2O $% H3OC C ClK 2 HCl C Zn $% Zn2C C 2 ClK C H2 Der negativierte Wasserstoff hat eine basische Funktion und wirkt reduzierend. Beispiele: SiH4 C 2 H2O $% SiO2 C 4 H2 SiH4 C 2 O2 $% SiO2 C 2 H2O Die wichtigsten kovalenten Wasserstoffverbindungen werden bei den jeweiligen Elementen behandelt. Salzartige Hydride Sie werden von stark elektropositiven Metallen (Alkalimetalle, Erdalkalimetalle außer Be) mit Wasserstoff bei 500K700 (C gebildet und sie kristallisieren in Ionengittern.
386
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Die Ionenkristalle sind aus Metallkationen und Hydridionen HK aufgebaut. Das weiche HK-Ion hat je nach Bindungspartner einen Ionenradius zwischen 130 und 200 pm und ähnelt in der Größe FK und ClK (vgl. Tab. 2.2). Die Hydride der Alkalimetalle kristallisieren daher in der NaCl-Struktur. Die Erdalkalimetallhydride CaH2, SrH2 und BaH2 kristallisieren in der Hochdruckmodifikation im Fluorit-Typ, die ternären Hydride KMgH3, LiBaH3 und LiEuH3 im Perowskit-Typ. + (LiH) Z Die Bildungsenthalpie der Alkalimetallhydride ist viel kleiner (ΔHB + K 91 kJ.mol; ΔHB (NaH) Z K 57 kJ.mol) als die der Alkalimetallhalogenide (vgl. Tabelle 3.2). Dies liegt daran, dass die Reaktion 21 H2 C eK $% HK endotherm ist; + (HK) bei den Halogenen ist die analoge Reaktion exotherm (ΔHB + (ClK) Z K 167 kJ.mol). Bei der Schmelzelektrolyse salzarZ C140 kJ.mol; ΔHB tiger Hydride entwickelt sich an der Anode Wasserstoff, analog der Chlorentwicklung bei der Schmelzelektrolyse von NaCl (vgl. S. 615). 2 HK $% H2 C 2 eK Mit Protonendonatoren reagieren Hydridionen nach HC C HK $% H2 Alle salzartigen Hydride werden daher von Wasser und Säuren unter Wasserstoffentwicklung zersetzt. C2 K1
C1
0
CaH2 C 2 HOH $% 2 H2 C Ca2 C 2 OHK
In schwer zugänglichen Gebieten kann diese Reaktion zur H2-Darstellung dienen (z. B. Füllung von Wetterballons in Polarregionen). CaH2 wird für viele Lösungsmittel als Trocknungsmittel verwendet. Salzartige Hydride werden als Hydrierungs- und Reduktionsmittel benutzt. Vielseitige Anwendung findet Lithiumaluminiumhydrid (Lithiumalanat) LiAlH4, das man durch Hydrierung von AlCl3 mit LiH erhält. 4 LiH C AlCl3 $% LiAlH4 C 3 LiCl LiAlH4 löst sich in Ether; mit dieser Lösung lassen sich z. B. Chloride in Hydride überführen. 2 Si2Cl6 C 3 LiAlH4 $% 2 Si2H6 C 3 LiCl C 3 AlCl3 Metallische Hydride Viele Übergangsmetalle reagieren in exothermer Reaktion mit Wasserstoff zu Hydriden, die meist nicht stöchiometrisch zusammengesetzt sind. Der Wasserstoffgehalt ist variabel und im allgemeinen umso größer, je niedriger die Temperatur und je höher der H2-Druck ist. Sie sind Feststoffe mit metallischem Aussehen, sind metallische Leiter oder Halbleiter und paramagnetisch. Im Metallgitter ist der Wasserstoff atomar gelöst. Die Wasserstoffatome besetzen Tetraederlücken oder Oktaederlü-
4.2 Wasserstoff
387
cken des Metallgitters (vgl. dazu S. 204). Die Aufnahme des Wasserstoffs im Metallgitter bewirkt eine Vergrößerung des Metall-Metall-Abstandes und manchmal auch eine Strukturänderung des Metallgitters. Sie verändert die Struktur der Elektronenbänder der Metalle und damit auch die elektronischen Eigenschaften (elektrische Leitfähigkeit, magnetisches Verhalten). So erfolgt z. B. beim Übergang von Dihydriden der Seltenerdmetalle zu Trihydriden ein Übergang MetallKHalbleiter, Pd wird durch Wasserstoffaufnahme supraleitend (vgl. Abschn. 5.7.5.3), wenn die Zusammensetzung PdH0,8 erreicht wird. In den meisten Metall-Wasserstoff-Systemen existiert eine Reihe von Phasen mit großer Phasenbreite. Bei stöchiometrischen Zusammensetzungen können Kristallstrukturen auftreten, die auch von anderen binären Verbindungen bekannt sind. Beispiel: Im System Pd d H (Abb. 4.1) löst sich bei 20 (C im kubisch-flächenzentrierten Gitter des Pd (a Z 389,0 pm) Wasserstoff bis zur Zusammensetzung PdH0,01 (α-Phase, a Z 389,4 pm). Es folgt ein Zweiphasengebiet aus α-Phase und PdH0,61 (β-Phase, a Z 401,8 pm). Bis zur Zusammensetzung PdH vergrößert sich die Gitterkonstante der β-Phase auf ca. 410 pm. Die H-Atome besetzen die Oktaederlücken des Pd-Gitters, die β-Phase besitzt also eine NaCl-Defektstruktur (vgl. S. 729); bei tiefen Temperaturen (50K80 K) entstehen geordnete Verteilungen, z.B. Pd2H. Die H-Atome besitzen eine hohe Beweglichkeit im Gitter, die Aktivierungsenergie der Diffusion beträgt 22 kJ.mol. PdH hat NaCl-Struktur und ist supraleitend, die Sprungtemperatur beträgt ca. 9 K.
Abbildung 4.1 Phasendiagramm des Systems Palladium-Wasserstoff. Bis 300 (C existieren zwei Phasen, die durch einen Zweiphasenbereich getrennt sind. Die Wasserstoffatome besetzen die Oktaederlücken des Pd-Gitters, es entsteht eine NaCl-Defektstruktur.
388
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Beispiele für stöchiometrische Strukturen: NiAs-Struktur: MnH, CrH; Fluorit-Struktur: TiH2, VH2, CrH2, CeH2. Es gibt für die strukturell sehr komplizierten metallischen Hydride kein einheitliches Bindungsmodell. Die Bindung ist vorwiegend metallisch mit sowohl ionischen als auch kovalenten Bindungsanteilen. Komplexe Übergangsmetallhydride Es sind außer den drei Gruppen binärer Hydride auch ternäre Hydride Ax My Hz bekannt, die sowohl ein elektropositives Metall A als auch ein Übergangsmetall M enthalten und bei denen komplexe Struktureinheiten [MyHz]nxK auftreten können. Es existiert bereits eine so große Anzahl ternärer Übergangsmetallhydride, so dass nur eine Auswahl strukturell untersuchter Alkalimetall- und ErdalkalimetallVerbindungen genannt wird. Erdalkalimetall-Übergangsmetallhydride Mg2FeH6 A2RuH6 (A Z Mg, Ca, Sr, Ba) Mg2RuH4 Mg3RuH3 A2OsH6 (A Z Mg, Ca, Sr, Ba)
Mg2CoH5 Mg6Co2H11 A2RhH5 (A Z Ca, Sr) A2IrH5 (A Z Ca, Sr)
Mg2NiH4 CaMgNiH4 CaPdH2
Die Hydride Mg2FeH6, A2RuH6 und Mg2OsH6 kristallisieren im K2PtCl6-Typ (Abb. 5.101), sie enthalten die oktaedrischen Komplexe [MH6]4K. Die Hochtemperaturformen der Hydride Mg2CoH5, A2MH5 und Mg2NiH4 kristallisieren ebenfalls im K2PtCl6-Typ, die Cl-Punktlagen sind statistisch mit den beweglichen H-Atomen besetzt; bei den Tieftemperaturformen ordnen sich die H-Atome bei Mg2CoH5 tetragonal-pyramidal und bei Mg2NiH4 tetraedrisch. Auch beim CaMgNiH4 ist Ni annähernd tetraedrisch von H koordiniert. [RuH4]4K ist ein Komplex, bei dem aus dem oktaedrischen Koordinationspolyeder zwei H-Atome in cisStellung entfernt sind. Mg3RuH3 enthält den Komplex [Ru2H6]12K, in dem Ru durch drei H in verzerrter T-Konfiguration umgeben ist und für den eine schwache Ru d Ru-Bindung angenommen wird. Alkalimetall-Übergangsmetallhydride A3MnH5 (A Z K, Rb, Cs) Li3RhH4 A2PdH2 K2TcH9 A3RhH6 (A Z Li, Na) A3PdH3 K3ReH6 A3IrH6 (A Z Li, Na) A2PdH4 K2ReH9 A3PdH5 Li2PtH2 A2PtH4 A3PtH5 A2PtH6
(A Z Li, Na) (A Z K, Rb, Cs) (A Z Na, K, Rb, Cs) (A Z K, Rb, Cs) (A Z Na, K, Rb, Cs) (A Z K, Rb, Cs) (A Z Na, K, Rb, Cs)
4.3 Gruppe 18
389
Die Erdalkalimetall-Übergangsmetallhydride besitzen keine metallischen Eigenschaften. Bei den Hydriden A2MH4 existieren bei tiefen Temperaturen Strukturen mit planaren [MH4]2K-Baugruppen (typisch für die d8-Konfiguration von Pt2C und Pd2C; vgl. S. 702); die Hochtemperaturformen kristallisieren im K2PtCl6-Typ, die HAtome besetzen statistisch 2.3 der oktaedrischen Cl-Plätze. Zusätzlich zu den [MH4]2K-Gruppen gibt es bei den Hydriden A3MnH5, A3PdH5 und A3PtH5 einzelne HK-Ionen, die oktaedrisch von A-Ionen umgeben sind. Die Verbindungen A2PdH2 enthalten lineare [PdH2]2-Gruppen (typisch für Pd0 mit d10-Konfiguration; vgl. Abschn. 5.8.7.1), bei K3PdH3 gibt es zusätzlich oktaedrisch von KC-Ionen koordinierte HK-Ionen. Die übrigen Hydride enthalten die komplexen Gruppen [MH6]3K bzw. [MH9]2K (siehe Abb. 5.84). Die Alkalimetall-Übergangsmetallhydride sind meist farblos. Nur Na2PdH2 und Li2PdH2 haben metallische Eigenschaften. Ternäre Hydride sind als Wasserstoffspeicher technisch interessant, da bei höheren Temperaturen reversible Wasserstoffabgabe erfolgt. Mg2NiH4 wurde bereits für wasserstoffgetriebene Automobile eingesetzt (vgl. Abschn. 3.8.11).
4.3 Gruppe 18 (Edelgase) 4.3.1 Gruppeneigenschaften
Ordnungszahl Z Elektronenkonfiguration
Helium Neon He Ne
Argon Ar
Krypton Kr
Xenon Xe
Radon Rn
2
10
18
36
54
86
[He] 2s2 2p6
[Ne] 3s2 3p6
[Ar] 3d10 4s2 4p6
[Kr] 4d10 5s2 5p6
[Xe] 4f14 5d10 6s2 6p6
2
1s
Ionisierungsenergie in eV
24,6
21,6
15,8
14,0
12,1
10,7
Promotionsenergie np $% (n C 1)s in eV Schmelzpunkt in (C
K
16,6
11,5
9,9
8,3
6,8
K272
K249
K189
K157
K112
K 71
Siedepunkt in (C Kritische Temperatur in (C
K269
K246
K186
K153
K108
K 62
K268
K229
K122
K 64
17
105
Van der Waals-Radien in pm
120
160
190
200
220
K
Farbe des in Gasentladungsröhren ausgestrahlten Lichts
gelb
rot
rot
gelbgrün
violett
weiß
Die Edelgase stehen in der 18. Gruppe des PSE. Sie haben die Valenzelektronenkonfiguration s2 p6 bzw. s2, also abgeschlossene Elektronenkonfigurationen ohne ungepaarte Elektronen. Sie sind daher chemisch sehr inaktiv. Wie die hohen Ionisierungsenergien zeigen, sind Edelgaskonfigurationen sehr stabile Elektronenkonfigu-
390
4 Die Elemente der Hauptgruppen
rationen. Viele Elemente bilden daher Ionen mit Edelgaskonfiguration und in zahlreichen kovalenten Verbindungen besteht die Valenzschale der Atome aus acht Elektronen (Oktettregel). Wegen des Fehlens ungepaarter Elektronen sind die Edelgase als einzige Elemente im elementaren Zustand atomar. Bei Zimmertemperatur sind die Edelgase einatomige Gase. Sie sind farblos, geruchlos, ungiftig und unbrennbar. Zwischen den Edelgasatomen existieren nur schwache van der Waals-Kräfte. Dementsprechend sind die Schmelzpunkte und Siedepunkte sehr niedrig. Sie nehmen mit wachsender Ordnungszahl systematisch zu, da mit größer werdender Elektronenhülle die Polarisierbarkeit wächst und damit die van der Waals-Kräfte (Dispersionseffekt) stärker werden. Helium hat den tiefsten Siedepunkt aller bekannten Substanzen. Unterhalb 2,2 K geht das normale flüssige Helium I in einen Zustand extrem niedriger Viskosität über. Dieses superfluide Helium II besitzt außerdem eine extrem hohe Wärmeleitfähigkeit, die um drei Zehnerpotenzen höher ist als die von Cu bei Raumtemperatur. Im festen Zustand kristallisieren alle Edelgase in der kubisch-dichtesten Packung, Helium außerdem auch in der hexagonal-dichtesten Packung (vgl. Abschn. 2.4.2). Edelgase können kovalente Bindungen ausbilden. Da die Ionisationsenergie und die Promotionsenergie sehr hoch sind (siehe Tabelle), sind die Elektronen sehr fest gebunden. Beide nehmen aber von Neon zum Xenon auf die Hälfte ab und Verbindungsbildung ist daher am ehesten bei den schweren Edelgasen zu erwarten. Tatsächlich gibt es hauptsächlich Verbindungen von Kr, Xe und Rn, in denen diese Edelgase kovalente Bindungen mit den elektronegativen Elementen F, O, Cl, N und C ausbilden. In der Matrix1 konnte auch die Existenz der Argonverbindung HArF nachgewiesen werden. Thermodynamisch stabile binäre Verbindungen sind nur die Fluoride von Xe. Erst 1962 wurden die ersten Edelgasverbindungen, Edelgasfluoride, synthetisiert. Vorher waren nur Edelgas-Clathrate, z. B. Hydrat-Clathrate der idealen Zusammensetzung (H2O)46 E8 (E Z Ar, Kr, Xe) bekannt. Bei ihnen sind in den Käfigen des H2O-Wirtsgitters Edelgasatome eingelagert, die durch schwache van der Waals-Wechselwirkungen festgehalten werden (vgl. Abschn. 4.5.4). Die meisten heute bekannten Edelgasverbindungen sind Xenonverbindungen. Die Chemie der Edelgase ist weitgehend die Chemie des Xenons. Durch Zerfall von 238U entsteht 222Rn. In Deutschland verursacht die Inhalation von Radon fast die Hälfte der natürlichen Strahlenbelastung (s. S. 15). Sie ist aber abhängig von lokalen Bedingungen sehr unterschiedlich.
4.3.2 Vorkommen, Gewinnung, Verwendung Edelgase sind Bestandteile der Luft. Ihr Volumenanteil in der Luft beträgt 0,935 %. Im Einzelnen ist die Zusammensetzung der Luft in der Tabelle 4.3 angegeben. Die 1
Bei Raumtemperatur instabile Moleküle kann man bei tiefen Temperaturen isolieren, wenn man sie in eine feste inerte Matrix einbettet.
4.3 Gruppe 18
391
große Häufigkeit von Argon ist durch den β-Zerfall des natürlich vorkommenden 0 40 Isotops 40 K entstanden: 40 19 K C K1 e $% 18 Ar (Elektroneneinfang aus der K-Schale). He ist in Erdgasen enthalten. Ergiebige Erdgasquellen in den USA enthalten Volumenanteile He bis 8 %. Die He-Reserven in Erdgasen werden auf 5 · 109 m3 geschätzt. Tabelle 4.3 Zusammensetzung der Luft (Volumenanteile in %) N2 O2 Ar CO2
78,09 20,95 0,93 0,03
Ne He Kr Xe
1,6 · 10K3 5 · 10K4 1 · 10K4 9 · 10K6
Die technische Gewinnung von Edelgasen aus der Luft erfolgt durch fraktionierende Destillation verflüssigter Luft (vgl. S. 425). He erhält man aus Erdgasen. Bei der Abkühlung auf K205 (C bleibt nur He gasförmig zurück. Ar wird auch aus Industrieabgasen gewonnen. Bei der NH3-Synthese reichert sich in dem im Kreislauf gefahrenen Gasgemisch Ar an (ca. 10 %). 2005 wurden in Deutschland 1,9 · 108 m3 Argon produziert. Die wichtigsten Verwendungsgebiete sind die Lichttechnik und die Schweißtechnik. Argon wird als Schutzgas, z. B. beim Umschmelzen von Metallen und bei der Lichtbogenschweißung verwendet. Gasentladungsröhren mit Edelgasfüllungen dienen als Lichtreklame. Ar, Kr und Xe werden als Füllgase für Glühlampen verwendet, da dann die Temperatur des Wolframglühfadens und damit die Lichtausbeute gesteigert werden kann. Die Lichtausbeute beträgt aber trotzdem nur 5 % bezogen auf die elektrische Leistung. Krypton besitzt eine geringe Wärmeleitfähigkeit, der Kolbendurchmesser der Glühlampen kann daher klein gehalten werden. In den Halogenlampen wird vorwiegend Krypton als Füllgas (3K4 bar) verwendet. Spuren von Halogen (meist Iod) reagieren mit verdampftem Wolfram zu einem gasförmigen Halogenid (s. S. 403). Dieses zersetzt sich in einer Rückreaktion am Wolframglühfaden und transportiert dadurch Wolfram zum Glühfaden zurück (vgl. Transportreaktion Abschn. 5.12.4). Dies ermöglicht eine Steigerung der Glühfadentemperatur bis 3 200 (C (Wolfram schmilzt bei 3 410 (C), und die Lichtausbeute kann auf 10 % gesteigert werden. Die Rückreaktion erfordert eine Mindesttemperatur der Kolbenwand. Daher die kleine Bauform der Halogenlampe. Wegen der hohen Temperaturen müssen Halogenlampen aus Quarzglas gefertigt werden. Hochdruck-Xenonlampen (100 bar) arbeiten mit einem Hochspannungslichtbogen und strahlen ein dem Tageslicht ähnliches Licht aus (Flutlichtlampen, Leuchttürme). Helium wird zur Füllung von Ballons und in der Tieftemperaturtechnik benutzt. He-O2-Gemische (10 % O2) sind vorteilhaft als Atemgas für Taucher, da sich unter Druck weniger He im Blut löst als N2. In der Kerntechnik hat He als Kühlmittel Bedeutung erlangt, da He nicht radioaktiv wird und einen geringen Neutronenabsorptionsquerschnitt hat.
392
4 Die Elemente der Hauptgruppen
4.3.3 Edelgasverbindungen 4.3.3.1 Edelgashalogenide Man kennt bisher die Fluoride KrF2, XeF2, XeF4, XeF6, RnF2 (Tabelle 4.4), die Chloride XeCl2, XeCl4 und das Bromid XeBr2. In der Matrix wurden auch die Spezies HArF, HKrCl, HXeCl, HXeBr und HXeI gefunden. Die Edelgase reagieren nur mit einem Element, dem Fluor, direkt. Das Fluor muss aber entweder durch Erhitzen, Bestrahlen oder elektrische Entladungen aktiviert werden, da Fluor nur in atomarer Form mit den Edelgasen reagiert. Xenon reagiert mit Fluor nach folgenden Gleichgewichtsreaktionen schrittweise und exotherm: Xe C F2 # XeF2 XeF2 C F2 # XeF4 XeF4 C F2 # XeF6 Tabelle 4.4 Eigenschaften von Edelgasfluoriden Oxidationszahl
Eigenschaften
Molekülstruktur
KrF2
C2
linear
XeF2
C2
RnF2 XeF4
C2 C4
XeF6
C6
farblose Kristalle ΔH+ B Z C 15 kJ.mol metastabil bei t ! 0 (C farblose Kristalle ΔH+ B Z K164 kJ.mol; Smp. 129 ºC Festkörper farblose Kristalle ΔH+ B Z K278 kJ.mol; Smp. 117 ºC farblose Kristalle ΔH+ B Z K361 kJ.mol; Smp. 49 ºC
linear
quadratisch verzerrt oktaedrisch
Darstellungsbedingungen der Xenonfluoride: Stoffmengenverhältnis Xe.F2
XeF2 2:1 400 (C oder Mikrowellen
XeF4 1:5 400 (C, 6 bar
XeF6 1 : 20 300 (C, 60 bar
Xe(II)-fluorid XeF2 und Xenon(IV)-fluorid XeF4 sind in allen Phasen monomer. Xenon(VI)-fluorid XeF6 ist nur in der Gasphase monomer, im festen Zustand sind K quadratisch-pyramidale XeFC 5 -Ionen durch F -Ionen zu tetrameren oder hexameren Ringen verbunden. Die Xenonfluoride sind bei Raumtemperatur beständig, zersetzen sich aber beim Erhitzen in die Elemente. Sie sind flüchtig und sublimieren bereits bei Raumtemperatur. Sie sind starke Oxidations- und Fluorierungsmittel. Bei
4.3 Gruppe 18
393
Redoxreaktionen entsteht Xe. Mit der Oxidation einer Verbindung ist vielfach eine Fluorierung verbunden. Beispiele: XeF2 C H2 XeF4 C 4 IK XeF4 C 2 SF4 XeF6 C 6 HCl
+
300 C
$$$$$% $$$$$% $$$$$% $$$$
%$Xe C 2 HF Xe C 2 I2 C 4 FK Xe C 2 SF6 Xe C 3 Cl2C6 HF
Die Xenonfluoride können sowohl als FK-Donatoren als auch als FK-Akzeptoren reagieren. K C XeF6 reagiert z. B. mit PtF5 zu einem gelben Salz [XeFC 5 ][PtF 6 ]. Die XeF 5 -Ionen sind quadratisch-pyramidal gebaut. Mit Alkalimetallfluoriden (außer LiF) entstehen Fluoroxenate(VI) +
50 C
+
O50 C
CsF C XeF6 $$$$$% CsXeF7 $$$$$% 21 Cs2XeF8 C 21 XeF6 Die Octafluoroxenate(VI) zersetzen sich erst oberhalb 400 (C und sind die stabilsten bekannten Xenonverbindungen. Alle Xenonfluoride reagieren mit Wasser. XeF2 zersetzt sich unter Oxidation von H2O. XeF2 C H2O $% Xe C 2 HF C 21 O2 Die Hydrolyse von XeF4 und XeF6 wird bei den Oxiden des Xenons behandelt. Krypton(II)-fluorid KrF2 bildet farblose Kristalle, die bei K78 (C längere Zeit unzersetzt aufbewahrt werden können, die bei K10 (C sublimieren und bei Raumtemperatur spontan zerfallen. KrF2 wird bei K183 (C aus einem Kr-F2-Gemisch durch Einwirkung elektrischer Entladungen hergestellt. Es ist das stärkste bisher bekannte Oxidationsmittel. Mit KrF2 konnte erstmals AuF5 hergestellt werden. 5 KrF2 C 2 Au $% 2 AuF5 C 5 Kr AgF wird zu AgF2 oxidiert. KrF2 C 2 AgF $% 2 AgF2 C Kr Von Wasser wird KrF2 zersetzt. KrF2 C H2O $% Kr C 2 HF C 0,5 O2 Radonfluorid. Rn reagiert mit F2 bei 400 (C zu einem schwerflüchtigen Festkörper, der erst bei 250 (C sublimiert; wahrscheinlich entsteht RnF2. Weitere Verbindungen konnten bisher nicht synthetisiert werden, obwohl eigentlich thermodynamisch stabilere Verbindungen als bei Xe zu erwarten wären. Da aber das stabilste Radonisotop 222 Rn eine Halbwertszeit von nur 3,8 Tagen hat und die freiwerdende Strahlungsenergie außerdem Verbindungen zersetzt, ist die Chemie des Radons äußerst schwierig. XeCl2. XeCl4. XeBr2. Diese instabilen Halogenide konnten als Produkte des β129 129 Zerfalls der isoelektronischen Ionen IClK IClK IBrK 2 , 4 , 2 nachgewiesen werden. 129 K 53I Cl2
%$K 129 54 XeCl2 C e
394
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Isoliert werden konnten die Organoxenon(II)-chloride C6H5XeCl und [(C6H5Xe)2Cl] [AsF6]. Die vermutlich stabilste Verbindung mit einer Xe d Cl-Bindung ist das Kation XeClC, das unterhalb K20 (C als [XeCl]C[Sb2F11]K beständig ist.
4.3.3.2 Oxide, Oxidfluoride und Oxosalze des Xenons Bekannt sind nur die beiden Oxide XeO3 und XeO4, außerdem die Oxidfluoride XeOF2, XeO2F2, XeOF4, XeO3F2 und XeO2F4 (Tabelle 4.5). Xenon(VI)-oxid XeO3 entsteht bei der Hydrolyse von XeF6 und XeF4. XeF6 C 3 H2O $% XeO3 C 6 HF 3 XeF4 C 6 H2O $% Xe C 2 XeO3 C 12 HF Tabelle 4.5 Eigenschaften von Xenonoxiden und Xenonoxidfluoriden Oxidationszahl
XeO3 farblose Kristalle explosiv ΔH+ B Z C 402 kJ.mol XeO4 farbloses Gas explosiv ΔH+ B Z C 643 kJ.mol
XeOF2 gelbe Kristalle instabil ΔH+ B O 0 XeO2F2 farblose Kristalle metastabil, Smp. 31 (C ΔH+ B O 0 XeO3F2 Flüssigkeit Smp. K54 (C
C4
XeOF4 farblose Flüssigkeit Smp. K46 (C ΔH+ B Z K96 kJ.mol XeO2F4 massenspektrometrisch nachgewiesen
C6
C8
Die farblosen Kristalle bestehen aus einem Molekülgitter mit isolierten XeO3-Einheiten, sie sind hochexplosiv. XeO3 (s) $% Xe C 1,5 O2
ΔH ( Z K 402 kJ.mol
Beständig sind wässrige Lösungen von XeO3, in denen es überwiegend molekular gelöst ist. Außerdem entsteht etwas Xenonsäure H2XeO4, deren Anhydrid XeO3 ist. XeO3 C H2O # H2XeO4 H2XeO4 C H2O # H3OC C HXeOK 4 Die Lösungen reagieren schwach sauer und wirken stark oxidierend. Bei Zusatz von Lauge bildet sich Xenat(VI). H2XeO4 C OHK $% HXeOK 4 C H 2O Isoliert werden konnten Xenate(VI) mit Alkalimetallkationen. In stark alkalischer Lösung disproportioniert Xe(VI) in Xe(0) und Xe(VIII). C6
C8
0
C K 2 HXeOK $% Na4XeO6 C Xe C O2 C 2 H2O 4 C 4 Na C 2 OH
4.3 Gruppe 18
395
Auf diese Weise können die thermisch ziemlich stabilen Perxenate(VIII) Na4XeO6 · nH2O und Ba2XeO6 · 1,5 H2O erhalten werden. Perxenate(VIII) sind sehr starke Oxidationsmittel: H4XeO6 C 2 H3OC C 2 eK # XeO3 C 5 H2O
E ( Z C2,36 V
Xenon(VIII)-oxid XeO4 entsteht gasförmig aus Natrium- oder Bariumperxenat(VIII) mit H2SO4. K5 (C
Ba2XeO6 C 2 H2SO4 $$$$$% XeO4 C 2 BaSO4 K2 H2O
XeO4 zerfällt explosionsartig XeO4 (g) $% Xe C 2 O2
ΔH ( Z K 643 kJ.mol
Bei der vorsichtigen Hydrolyse von XeF4 bzw. XeF6 entstehen die Verbindungen Xenondifluoridoxid XeOF2 und Xenontetrafluoridoxid XeOF4. K50 (C
XeF4 C H2O $$$$$% XeOF2 C 2 HF XeF6 C H2O $$$$$% XeOF4 C 2 HF Durch Thermolyse von XeOF2 entsteht Xenondifluoriddioxid XeO2F2. K15 (C
2 XeOF2 $$$$% XeO2F2 C XeF2
4.3.3.3 Verbindungen mit Xe d O-, Xe d N-, Xe d C-, Xe d S-, Xe d Au-, Kr d O-, Kr d N-, und Kr d C-Bindungen Es existieren bereits viele Verbindungen und eine umfangreiche Chemie. Jeweils ein oder wenige Beispiele seien genannt.
d O d TeF5 und d C6F5 sind Substituenten mit einer hohen Gruppenelektronegativität. Die Verbindungen HKrCN, HXeOH und HXeSH sind wie die schon oben erwähnten Halogenide HArF und HXeHal in der Matrix nachgewiesen worden. HXeOH ist bis 48 K und HXeSH bis 100 K stabil.
396
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Der erste isolierbare Komplex mit einer Metall-Edelgas Bindung wurde bei der Reduktion von Gold(III)fluorid mit Xenongas in der Supersäure SbF5.HF erhalten. SbF5.HF
C2
AuF3 C 6 Xe C 3 HC $$$$$$% [AuXe4]2C C XeC 2 C 3 HF Die Verbindung [AuXe4]2C[Sb2F11]K 2 konnte in Form schwarzer Kristalle isoliert werden. Das Goldatom ist quadratisch-planar von vier Xenonliganden umgeben und weist noch Kontakte zu Fluoratomen von Anionen auf.
2C Für die Stabilisierung des XeC -Kations ist die schwache Koordi2 - und des [AuXe4] nation durch das supersaure Medium entscheidend. Mit trans-[AuXe2F]C[SbF6]K[Sb2F11]K wurde der erste Xe-Komplex mit dreiwertigem Gold synthetisiert. Die Reaktion von [(F3As)Au]C[SbF6]K mit Xenon in HF.SbF5 führt zum bei Raumtemperatur stabilen Gemischtligand-Komplex [(F3As)AuXe]C[Sb2F11]K. HgF2 reagiert mit SbF5 in Gegenwart von Xe zu der ebenfalls bei Raumtemperatur und an trockener Luft stabilen Verbindung [HgXe]2C[SbF6]K[Sb2F11]K.
4.3.3.4 Struktur und Bindung Die Edelgasverbindungen bestehen aus Molekülen mit polaren kovalenten Bindungen. Die Molekülgeometrie lässt sich mit dem VSEPR-Modell erklären (Abb. 4.2a). Das Molekül XeF2 kann bei Berücksichtigung der Elektronegativitätsdifferenz zwischen Xe und F mit zwei Grenzstrukturen beschrieben werden.
F Xe
F
F
Xe F
In Übereinstimmung damit wurde berechnet, dass Xe einfach positiv geladen ist. Auch das MO-Modell zeigt, dass eine 3-Zentren-4-Elektronen-Bindung vorliegt und die Bindungen fast nur von p-Orbitalen gebildet werden. Beim Molekül XeF4 folgt aus Regel 2 des VSEPR-Modells eine quadratische Molekülgeometrie. Die berechnete Ladung C2 am Xe stimmt mit der Grenzstruktur
überein, die zwei 3-Zentren-2-Elektronen-Bindungen enthält.
4.3 Gruppe 18
397
Abbildung 4.2a Strukturen einiger Xenonverbindungen. Die Struktur des Moleküls XeF6 ist oktaedrisch verzerrt. Dies ist nach dem VSEPR-Modell zu erwarten, da XeF6 7 Elektronenpaare besitzt und zum AB6E-Typ gehört (vgl. Tab. 2.12). Eine aus F-Atomen gebildete Dreiecksfläche wird aufgeweitet, damit das einsame Elektronenpaar Platz hat.
Die Oxide XeO3 und XeO4 können mit den Grenzstrukturen
beschrieben werden, die in Übereinstimmung mit einer pyramidalen bzw. tetraedrischen Molekülgestalt sind. XeO3 und XeO4 sind isoelektronisch mit ClOK 3 und K ClOK 4 . Für die Bindungen des Moleküls XeO4 kann ein dem Ion ClO4 analoges MO-Diagramm konstruiert werden. Vier tetraedischen σ-Bindungen überlagern sich schwache Mehrzentren-π-Bindungen, die durch Hyperkonjugation entstehen (siehe Abschn. 2.2.12, Hyperkonjugation und Abb. 2.74). Mit zunehmender Ordnungszahl der Edelgase nimmt die Promotionsenergie ab und die Verbindungen werden stabiler. Die größere Promotionsenergie führt beim Krypton zu einer sehr viel kleineren Bindungsenergie, und KrF2 ist daher metastabil, während XeF2 beständig ist. Von Neon und Helium sind keine Verbindungen bekannt. Beispiel:
Xe C F2 $% XeF2
Kr C F2 $% KrF2
Dissoziationsenergie in kJ.mol Bildungsenthalpie ΔH( in kJ.mol Bindungsenergie in kJ.mol
F2 $% 2 F C159 XeF2 (g) K130 Xe d F K144
F2 $% 2 F C159 KrF2 (g) C60 Kr d F K49
398
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Die Stabilität der Edelgashalogenide nimmt mit zunehmender Ordnungszahl des Halogens ab. Ursache ist sowohl die größere Dissoziationsenergie als auch die kleinere Bindungsenergie. Aus den gleichen Gründen sind Xenonoxide K insbesondere wegen der großen Dissoziationsenergie K endotherme, metastabile Verbindungen, während die Xenonfluoride exotherme, beständige Verbindungen sind. Beispiel:
Xe C 2 O2 $% XeO4
Dissoziationsenergie in kJ.mol Bildungsenthalpie ΔH( in kJ.mol Bindungsenergie in kJ.mol
2 O2 $% 4 O XeO4 (g) Xe d O
C996 C643 K 88
Abbildung 4.2b MO-Schema für das Molekül XeF2. Durch Linearkombination von zwei 2pOrbitalen der F-Atome mit dem 5p-Orbital des Xe-Atoms erhält man ein bindendes, ein nichtbindendes und ein antibindendes MO. Die vier Elektronen dieser Orbitale besetzen das bindende und das nichtbindende MO. Dies ergibt eine σ-Bindung und den Bindungsgrad 12 . Für die 3-Zentren F d Xe d F Einheit gibt es also nur ein bindendes Orbital mit 2 Elektronen. Es liegt eine 3-Zentren-4-Elektronen-Bindung vor. Eine analoge Situation ist z. B. auch im K iso(valenz)elektronischen I3 -Ion (Abb. 4.5) vorhanden. Auf Grund der Symmetrie kann das 2 5dz -Orbital von Xe mit dem nichtbindenden MO kombiniert werden. Das nichtbindende MO wird dadurch schwach bindend und der Bindungsgrad ist dann größer als 12 . Das d-Orbital hat aber nur einen sehr geringen Anteil (! 5 %) an den Bindungen.
4.4 Gruppe 17
399
4.4 Gruppe 17 (Halogene) 4.4.1 Gruppeneigenschaften Fluor F
Chlor Cl
Brom Br
Ordnungszahl Z
9
17
35
53
Elektronenkonfiguration
[He]
[Ne]
[Ar]
[Kr]
2s2 2p5
3s2 3p5
3d10 4s2 4p5
4d10 5s2 5p5
4,1
2,8
2,7
2,2
Elektronenaffinität in eV
K3,4
K3,6
K3,4
K3,1
Ionisierungsenergie in eV
17,5
13,0
11,8
10,4
Elektronegativität
Nichtmetallcharakter
$% nimmt ab
Reaktionsfähigkeit
$% nimmt ab
Affinität zu elektropositiven Elementen
$% nimmt ab
Affinität zu elektronegativen Elementen
$% nimmt ab
Iod I
Die Halogene (Salzbildner) sind untereinander recht ähnlich. Sie sind ausgeprägte Nichtmetalle, sie gehören zu den elektronegativsten und reaktionsfähigsten Elementen. Fluor ist das elektronegativste und reaktionsfähigste Element überhaupt, es reagiert mit Wasserstoff sogar bei K250 (C. Die Halogene stehen im PSE direkt vor den Edelgasen. Wie die Elektronenaffinitäten zeigen, ist die Anlagerung eines Elektrons ein stark exothermer Prozess. In Ionenverbindungen treten daher die einfach negativ geladenen Halogenidionen XK mit Edelgaskonfiguration auf. Die Halogene besitzen im Grundzustand ein ungepaartes Elektron, sie sind deshalb zur Ausbildung einer kovalenten Bindung befähigt durch die eine Oktettkonfiguration entsteht. Für Fluor gibt es nur die Bindungszustände FK und d F. Da es als elektronegativstes Element stets der elektronegative Bindungspartner ist, ist in Verbindungen seine einzige Oxidationszahl K1. Die hohe Elektronegativität hat zur Folge, dass Fluor in der Gruppe der Halogene eine Sonderstellung einnimmt. Bei den Halogenen Cl, Br und I können mit elektronegativen Bindungspartnern wie F, O, Cl die Oxidationszahlen C3, C5 und C7 erreicht werden. Beispiele dafür sind C3
C3
C5
C5
C7
C7
K Cl F3 , I Cl3 , BrF5 , Cl OK 3 , I F7 , Cl O4 .
In einigen unbeständigen Verbindungen kommen auch noch andere, seltenere Oxidationszahlen wie C4 (ClO2) vor. Das fünfte Element der 7. Hauptgruppe ist das Astat At. Alle bekannten Isotope sind radioaktiv, das stabilste hat eine Halbwertszeit von nur 8,3 Stunden.
400
4 Die Elemente der Hauptgruppen
4.4.2 Vorkommen Wegen ihrer großen Reaktionsfähigkeit kommen die Halogene in der Natur nicht elementar vor. Die wichtigsten Rohstoffquellen für Fluor sind: Flussspat CaF2, Apatit Ca5 (PO4)3 (OH, F) (der F-Gehalt schwankt, da sich die OHK- und die FK-Ionen gegenseitig substitutieren können), Kryolith Na3AlF6 (die einzigen Kryolithlagerstätten in Grönland sind weitgehend abgebaut). Chlor und Brom kommen als Halogenide in Salzlagerstätten vor, die aus verdunsteten, eingeschlossenen Meerwasserbecken entstanden sind. Die wichtigsten Verbindungen sind: Steinsalz NaCl, Sylvin KCl, Carnallit KMgCl3 · 6 H2O, Kainit KMgCl (SO4) · 3 H2O, Bischofit MgCl2 · 6 H2O, Bromcarnallit KMg (Cl, Br)3 · 6 H2O, Bromsylvinit K (Cl, Br). Die größten Chlormengen befinden sich im Wasser der Ozeane, das 2 % Chloridionen enthält; der Br-Gehalt beträgt nur 0,01 %. Iod kommt im Chilesalpeter NaNO3 als Iodat Ca (IO3)2 vor. Im Meerwasser vorhandenes Iod wird im Tang (Meeresalgen) angereichert.
4.4.3 Die Elemente Aussehen Schmelzpunkt in (C Siedepunkt in (C Dissoziationsenergie D+ 298 (X2 $% 2 X) in kJ.mol Oxidationsvermögen X2 C 2 eK $% 2 XK (aq) Standardpotential (2 XK.X2) in V Bindungslänge X d X im Gas in pm
Fluor
Chlor
Brom
Iod
schwach gelbliches Gas K220 K188 159
gelbgrünes Gas
braune Flüssigk., Dampf rotbraun K7 59 193
blauschwarze Kristalle, Dampf violett 114 185 151
K101 K 34 243
$% nimmt ab C2,87
C1,36
C1,07
C0,54
142
199
228
267
4.4.3.1 Physikalische Eigenschaften, Struktur Auf Grund der Valenzelektronenkonfiguration s2 p5 bestehen die elementaren Halogene in allen Aggregatzuständen aus zweiatomigen Molekülen. Zwischen den Molekülen sind schwache van der Waals-Kräfte wirksam, die Schmelz- und Siedetemperaturen sind daher z. T. sehr niedrig. Innerhalb der Gruppe steigen sie als Folge der zunehmenden van der Waals-Kräfte regelmäßig an (vgl. Abschn. 2.3). Fluor ist bei Raumtemperatur ein gelbliches Gas. Es ist stark ätzend und extrem giftig. Es kann noch in sehr kleinen Konzentrationen am Geruch erkannt werden, der dem eines Gemisches aus O3 und Cl2 ähnelt.
4.4 Gruppe 17
401
Chlor ist bei Raumtemperatur ein gelbgrünes, giftiges, die Schleimhäute angreifendes Gas. Es ist 2,5mal so schwer wie Luft und durch Kompression leicht zu verflüssigen. Die kritische Temperatur beträgt 144 (C, der Dampfdruck bei 20 (C 6,7 bar. Brom ist bei Raumtemperatur eine dunkelbraune Flüssigkeit, die schon bei K7 (C dunkelbraunrot kristallisiert. Bromdampf reizt die Schleimhäute, flüssiges Brom erzeugt auf der Haut schmerzhafte Wunden. In Wasser ist Brom weniger gut löslich als Chlor. Es ist aber mit unpolaren Lösungsmitteln (z. B. CCl4, CS2) gut mischbar. Iod bildet bei Raumtemperatur grauschwarze, metallisch glänzende, halbleitende Kristalle. Es schmilzt bei 114 (C zu einer braunen Flüssigkeit und siedet bei 185 (C unter Bildung eines violetten Dampfes. Alle Phasen bestehen aus I2-Molekülen. Schon bei Raumtemperatur ist Iod flüchtig, beim Schmelzpunkt beträgt der Dampfdruck 0,13 bar. Man kann daher Iod sublimieren und durch Sublimation reinigen. I2 kristallisiert wie Br2 und Cl2 in einer Schichtstruktur (Abb. 4.3) mit ausgeprägter Spaltbarkeit der Kristalle parallel zu den Schichten. Zwischen den Schichten sind die Moleküle durch van der Waals-Kräfte aneinander gebunden. Die Abstände betragen 435K450 pm (van der Waals-Abstand 430 pm). Innerhalb der Schichten sind die Abstände zwischen den I2-Molekülen kürzer, so dass auch schwache kovalente Teilbindungen auftreten. Es liegen Mehrzentrenbindungen vom σ-Typ vor, die sich über die ganze Schicht erstrecken (vgl. Mehrzentrenbindungen in Polyhalogeniden, S. 409). Die damit verbundene Elektronendelokalisierung erklärt Farbe, Glanz und elektrische Leitfähigkeit des Iods (parallel zu den Schichten). Bei Normaldruck ist Iod ein Halbleiter mit einem gefüllten Valenzband und einem leeren Leitungsband. Bei etwa 170 kbar wird Iod ein metallischer Leiter, die Packung der Moleküle ist so dicht geworden, dass Valenzband und Leitungsband überlappen. Bei 210 kbar erfolgt
Abbildung 4.3 Struktur von Iod. a) Elementarzelle des Iodgitters. Das Iodgitter besteht aus Iodschichten. Die Hanteln der I2Moleküle liegen in den Schichten. b) Darstellung einer Schicht. Die Abstände zwischen den I2-Molekülen sind kleiner als der van der Waals-Abstand (430 pm), es existieren kovalente Teilbindungen zwischen den I2Molekülen. Beispiel für eine Grenzstruktur:
1 I
2 I
3 I
4 I
1’ I
2’ I
402
4 Die Elemente der Hauptgruppen
eine Strukturänderung, alle Iodabstände werden gleich groß, es entsteht ein aus Atomen aufgebauter metallischer Kristall. Iod löst sich in unpolaren Lösungsmitteln (CCl4, CHCl3, CS2) mit violetter Farbe. Die Lösungen enthalten wie der Dampf I2-Moleküle. In anderen Lösungsmitteln, wie H2O, Ether, löst sich Iod mit brauner Farbe, in aromatischen Kohlenwasserstoffen mit roter Farbe. Die Farbänderung ist auf die Bildung von Charge-Transfer-Komplexen zurückzuführen. Sie kommen durch den teilweisen Übergang eines Elektronenpaares des Lösungsmittelmoleküls auf ein I2-Molekül zustande. Der Grundzustand der Charge-Transfer-Komplexe (vgl. Abschn. 5.4.8) kann mit den mesomeren Grenzstrukturen C I2 $$$$ D 4 IK 2 D I
II
beschrieben werden, wobei die Grenzstruktur I überwiegt. Donoreigenschaften besitzen z. B. π-Elektronensysteme und die einsamen Elektronenpaare des O-Atoms. Charge-Transfer-Komplexe zeichnen sich meist durch eine intensive Lichtabsorption aus. Dabei erfolgt ein Elektronenübergang in einen angeregten Zustand des Komplexes, bei dem die Grenzstruktur II überwiegt. Die Charge-Transfer-Absorptionen der I2-Komplexe liegen im nahen Ultraviolett. Durch die Bildung der Charge-TransferKomplexe wird die I d I-Bindung geschwächt und damit auch die Energie der Elektronenanregung, die im ungestörten I2-Molekül die violette Farbe verursacht, beeinflusst. Eine Farbänderung in Abhängigkeit von den Donoreigenschaften des Lösungsmittels ist die Folge. Weniger stabile Komplexe sind auch von Cl2 und Br2 bekannt. Die Interhalogenverbindungen IBr und ICl (vgl. Abschn. 4.4.4) bilden ebenfalls Charge-TransferKomplexe.
4.4.3.2 Chemisches Verhalten Fluor ist das reaktionsfähigste Element. Es reagiert direkt mit allen Elementen außer He, Ne, Ar, N2. In Verbindungen mit Fluor erreichen die Elemente hohe und höchste Oxidationszahlen: IF7, SF6, XeF6, ClF5, BiF5, AgF2, AuF5, UF6. Ni, Cu, Stahl sowie die Legierungen Monel (Cu-Ni) und Elektron (Mg-Al) werden von Fluor nur oberflächlich angegriffen. Es bildet sich eine dichte, fest haftende Fluoridschicht, die den weiteren Angriff von Fluor verhindert (Passivierung). Cu kann bis 500 (C, Ni und Monel bis 800 (C für Arbeiten mit Fluor verwendet werden. Fluor ist in Stahlflaschen mit Drücken bis 30 bar im Handel (tK Z K129 (C). In Quarz- und Glasgefäßen kann nur gearbeitet werden, wenn weder H2O noch HF zugegen ist, da sonst ein ständiger Angriff erfolgen würde. 2 F2 C 2 H2O $% 4 HF C O2 SiO2 C 4 HF $% SiF4 C 2 H2O
4.4 Gruppe 17
403
Wie mit H2O reagiert F2 auch mit anderen Wasserstoffverbindungen unter Bildung von HF. Chlor gehört zu den reaktionsfähigsten Elementen, es reagiert außer mit den Edelgasen, O2, N2 und C mit allen Elementen, meist schon bei niedrigen Temperaturen. Mit vielen Metallen reagiert es beim Erwärmen oder bei großer Metalloberfläche unter Feuererscheinung, z. B. mit Alkalimetallen, Erdalkalimetallen, Cu, Fe, As, Sb, Bi. Die Reaktion mit W zu WCl6 und dessen thermische Zersetzung dient zur Reinigung des Metalls. ! 700 (C
WCl6 (Sdp. 346(C) W C 3 Cl2 dddd/ 1dddd O 700 (C Nichtmetalle wie Phosphor und Schwefel werden je nach Reaktionsbedingungen in die kovalenten Chloride PCl3, PCl5, S2Cl2, SCl2, SCl4 überführt. Die Reaktion mit H2 H2 C Cl2 # 2 HCl
ΔH ( Z K185 kJ.mol
verläuft nach Zündung explosionsartig (Chlorknallgas) in einer Kettenreaktion (vgl. S. 305). Cl2 löst sich gut in Wasser, dabei bildet sich in einer Disproportionierungsreaktion HCl und Hypochlorige Säure HOCl (vgl. S. 415). 0
K1
C1
Cl2 C H2O # HCl C HOCl
HOCl wirkt stark oxidierend, daher wird feuchtes Chlor zum oxidativen Bleichen (Papier, Leinen, Baumwolle), sowie zum Desinfizieren (Trinkwasser, Abwässer) verwendet. Brom reagiert analog Cl2, die Reaktionsfähigkeit ist aber geringer. Iod ist noch weniger reaktiv, verbindet sich aber immer noch direkt mit einigen Elementen, z. B. mit P, S, Al, Fe, Hg. Charakteristisch für I2 und als Nachweisreaktion für kleine Iodmengen geeignet ist die intensive Blaufärbung mit wässrigen Stärkelösungen. Bei dieser „Iodstärkereaktion“ erfolgt ein Einschluss von Iod (Einschlussverbindung). Fluor und Chlor sind starke Oxidationsmittel. Fluor ist eines der stärksten Oxidationsmittel. Innerhalb der Gruppe nimmt das Oxidationsvermögen mit zunehmender Ordnungszahl ab. Fluor kann daher alle anderen Halogene aus ihren Verbindungen verdrängen. F2 C 2 ClK $% 2 FK C Cl2 F2 C 2 BrK $% 2 FK C Br2 Chlor kann Brom und Iod, Brom nur Iod in Freiheit setzen. Cl2 C 2 BrK $% 2 ClK C Br2 Br2 C 2 IK
$% 2 BrK C I2
404
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Das Oxidationsvermögen eines Halogens ist umso größer, je mehr Energie bei der Reaktion X2 (g) C 2 eK $% 2 XK (aq) freigesetzt wird. Die Gesamtenergie ist durch die Energiebeträge der folgenden Teilschritte bestimmt. 1 2 X2 (g)
1 D( 2
Eea
Dissoziationsenergie
Elektronenaffinität
ΔH
Hyd. ####% X (g) ####% XK(g) ####% XK (aq)
Hydratationsenthalpie
Obwohl die Elektronenaffinität von Chlor größer als die von Fluor ist, ist Fluor das wesentlich stärkere Oxidationsmittel. Dies liegt an der kleinen Dissoziationsenergie von F2 und der großen Hydratationsenergie der kleinen FK-Ionen. Die viel größere Dissoziationsenergie von Cl2 entspricht im Vergleich mit Br2 und I2 der Erwartung. F2 hat eine kürzere Bindungslänge, daher ist eine starke Abstoßung nichtbindender Elektronenpaare wirksam (vgl. Tabelle 2.13).
4.4.3.3 Darstellung, Verwendung Fluor. Wegen seines hohen Standardpotenzials kann Fluor aus seinen Verbindungen nicht durch chemische Oxidationsmittel freigesetzt werden. F2 wird daher durch anodische Oxidation von FK-Ionen in wasserfreien Elektrolyten hergestellt. In Gegenwart von Wasser erfolgt Entladung von OH-Ionen zu O2. Da wasserfreies HF ein schlechter Leiter ist, verwendet man zur Elektrolyse wasserfreie Schmelzen der Zusammensetzung KF · xHF. Die Schmelzpunkte sinken mit wachsendem HF-Gehalt: KF · HF 217 (C, KF · 3 HF 66 (C. Im technisch verwendeten Mitteltemperaturverfahren elektrolysiert man Schmelzen mit x Z 2K2,2 bei Temperaturen von 70 bis 130 (C. Für die Herstellung im Laboratorium benutzt man Hochtemperaturzellen mit KF · HF-Schmelzen, die Temperaturen von 250 (C erfordern. Da KHF2 praktisch nicht hygroskopisch ist, enthält das damit erzeugte F2 nur sehr wenig O2 bzw. OF2. Die Elektrolysezellen bestehen aus Stahl oder Monel. Die verwendeten Metalle überziehen sich bei Betriebsbedingungen mit einer vor weiterem Fluorangriff schützenden Fluoridschicht (Passivierung). Die Darstellung von Fluor auf chemischem Wege gelingt mit dem Trick, ein instabiles Fluorid herzustellen, das sich unter Entwicklung von elementarem Fluor zersetzt. Aus K2MnF6 wird mit SbF5 das instabile Fluorid MnF4 freigesetzt, das spontan in MnF3 und F2 zerfällt. 150 (C
K2MnF6 C 2 SbF5 $$$% 2 KSbF6 C MnF3 C 21 F2 K2MnF6 und SbF5 werden nach den folgenden Reaktionen hergestellt: 2 KMnO4 C 2 KF C 10 HF C 3 H2O2 $% 2 K2MnF6 C 8 H2O C 3 O2 SbCl5 C 5 HF $% SbF5 C 5 HCl Großtechnisch wird F2 seit dem 2. Weltkrieg erzeugt. Es wurde zur Herstellung des Kampfstoffes ClF3 und beim Bau der Atombombe (vgl. S. 885) zur Trennung der Uranisotope mittels Diffusion von UF6 verwendet. Bedeutung hat F2 zur Herstellung von CF4 und SF6 (Dielektrikum, Kühlmittel), zur Reinstdarstellung hochschmelzen-
4.4 Gruppe 17
405
der Metalle aus Fluoriden (W, Mo, Re, Ta), aber hauptsächlich bei der Aufarbeitung von Kernbrennstoffen (vgl. S. 408). Chlor. Technisch wird Chlor fast ausschließlich durch Elektrolyse wässriger NaClLösungen hergestellt. 2 NaC C 2 ClK C 2 H2O $% 2 NaC C 2 OHK C H2 C Cl2 Das Verfahren wurde bereits im Abschn. 3.8.10 beschrieben. Große technische Bedeutung hatte früher das Deacon-Verfahren 2 HCL C 21 O2 #% Cl2 C H2O das bei 430 (C mit Luftsauerstoff und CuCl2 als Katalysator durchgeführt wurde. In modifizierter Form (Shell-Deacon-Verfahren) verwendet man heute als wirksamere Katalysatoren ein Gemisch von Kupferchlorid und anderen Metallchloriden (z. B. von Lanthanoiden) auf einem Silicatträger. Bereits bei 350 (C erhält man Cl2 mit einer Ausbeute von 76 %. Im Labormaßstab kann Cl2 durch Oxidation von konzentrierter Salzsäure mit MnO2 (historisch als Weldon-Verfahren von Bedeutung) oder KMnO4 hergestellt werden. K1
0
C4
C2
4 HCl CMnO2 $% Cl2C MnCl2C 2 H2O
K1
0
C7
C2
K1
16 HCl C 2 KMnO4 $% 5 Cl2C 2 MnCl2C 2 KCl C 8 H2O Die größten Chlormengen benötigt die organisch-chemische Industrie (mehr als 80 %). In der anorganisch-chemischen Industrie wird es vor allem zur Darstellung von HCl, Br2 und Metallchloriden (z.B. TiCl4, s. S. 789) verwendet. Weiterhin wird es zum Bleichen und zur Desinfektion benötigt. Chlor ist ein Schlüsselprodukt der chemischen Industrie. Etwa 60 % des Umsatzes der deutschen Chemieunternehmen hängen direkt oder indirekt von chlorchemischen Verfahren ab. Die Weltproduktion betrug 2005 46 · 106 t, in Deutschland wurden 5,1 · 106 t produziert. Die Chlorchemie führte allerdings auch zu ökologischen Problemen. Beispiele: Der Abbau der Ozonschicht in der Stratosphäre durch Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) wurde zum globalen Problem (s. Abschn. 4.11). Weltweit wurde das schwer abbaubare Dichlor-diphenyl-trichlorethan (DDT) als Insektizid verwendet. Hochtoxisch sind chlorierte Dioxine. Das Seveso-Dioxin (2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin) führte 1976 zur Katastrophe in Seveso (Italien). Cl
H Cl
O
Cl
O
Cl
Cl C Cl3
Cl DDT
2,3,7,8-TCDD (Seveso-Dioxin)
Brom. Bei der Aufarbeitung von Kalisalzen entstehen BrK-haltige Lösungen. In die schwach sauren Lösungen wird Cl2 eingeleitet und das entstandene Br2 mit einem Luftstrom ausgetrieben. 2 BrK C Cl2 $% Br2 C 2 ClK
406
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Im Labor kann Br2 durch Oxidation von KBr mit konz. H2SO4 hergestellt werden. K1
C6
0
C4
2 HBr C H2 SO4 $% Br2 C SO2 C 2 H2O Iod. Die Hauptmenge des Iods wird aus iodathaltigen Lösungen gewonnen, die bei der Kristallisation von Chilesalpeter zurückbleiben. Zunächst wird ein Teil der Iodsäure HIO3 mit SO2 reduziert. C5
C4
K1
C6
HIO3 C 3 SO2 C 3 H2O $% HI C 3 H2 S O4 HI wird durch noch vorhandene Iodsäure oxidiert. C5
K1
0
HIO3 C 5 HI $% 3 I2 C 3 H2O Gesamtreaktion: 2 HIO3 C 5 SO2 C 4 H2O $% 5 H2SO4 C I2 Außerdem wird Iod aus Salzsolen gewonnen, die oft bei der Erdöl- und Erdgasförderung anfallen. Aus Iodiden (z. B. in der Asche der Meeresalgen) kann I2 durch Oxidation (z. B. mit MnO2 oder H2SO4) hergestellt werden. Technisch ist die Gewinnung aus Algen oder Tang heute ohne Bedeutung. Iod und Iodverbindungen werden für Katalysatoren, pharmazeutische Zwecke, Futtermittelzusätze und Farbstoffe verwendet.
4.4.4 Interhalogenverbindungen Von Verbindungen der Halogene untereinander sind die Typen XY, XY3 , XY5 und XY7 bekannt, in denen das elektropositivere Halogen X in den Oxidationszahlen C1, C3, C5 und C7 vorliegt. Die Interhalogenverbindungen sind typische kovalente Verbindungen. Sie lassen sich aus den Elementen synthetisieren und sind sehr reaktionsfähig. Von den Verbindungen der Zusammensetzung XY sind alle Kombinationen bekannt (Tabelle 4.6). Die Interhalogenverbindungen XY sind wie die Halogene sehr reaktive Substanzen. Sie sind Oxidationsmittel und Halogenüberträger. Die Reaktionsfähigkeit und die Disproportionierungsneigung ist umso größer, je weiter die Halogene im PSE voneinander entfernt stehen. Beispiele: ClF ist disproportionierungsstabil, es wird als Fluorierungsmittel benutzt. BrF disproportioniert nach 3 BrF $% Br2 C BrF3. IF ist nur bei tiefen Temperaturen beständig, oberhalb K14 (C zerfällt es nach 5 IF $% 2 I2 C IF5.
4.4 Gruppe 17
407
Tabelle 4.6 Interhalogenverbindungen vom Typ XY
(Oberer Zahlenwert: Dissoziationsenergie ΔD+ 298 in kJ.mol Unterer Zahlenwert: Bildungsenthalpie ΔH+ B in kJ.mol)
Die Zerfallsneigung der Interhalogenverbindungen XY in die Elemente wächst in der Reihe ClF ! ICl ! BrF ! IBr ! BrCl. Mit Wasser findet die Reaktion XY C HOH $% HY C HOX statt; X ist das elektropositivere Atom. Mit Ausnahme von ICl3 sind alle anderen Interhalogenverbindungen Fluoride (Tabelle 4.7). Die Halogenide XY3 sind T-förmig gebaut, die Pentahalogenide XY5 haben die Geometrie quadratischer Pyramiden, IF7 bildet eine pentagonale Bipyramide (Abb. 4.4). Nur Br, Cl und I sind Zentralatome und hauptsächlich F ist als Substituent geeignet. Die Ionisierungsenergie nimmt von Cl zu I ab, die Affinität zu elektronegativen Tabelle 4.7 Interhalogenverbindungen des Typs XY3, XY5, XY7 ClF3 farbloses Gas K165 BrF3 farblose Flüssigkeit K256 IF3 gelbes Pulver K486 Disproportionierung oberhalb K28 (C
ClF5 farbloses Gas K255 BrF5 farblose Flüssigkeit K429 IF5 farblose Flüssigkeit K841
IF7 farbloses Gas K962
(Zahlenwerte: Bildungsenthalpien ΔH+ B in kJ.mol)
(ICl3)2 gelbe Kristalle K90 ΔH+ B (s))
408
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Abbildung 4.4 Molekülgeometrie der Interhalogenverbindungen XY3, XY5 und XY7 nach dem VSEPR-Modell.
Elementen nimmt zu. Daher ist verständlich, dass die thermodynamische Stabilität der Verbindungen XY3 und XY5 von Cl zu I zunimmt (vgl. Tabelle 4.7) und nur I ein Heptafluorid bildet. Von allen Elementen besitzt Fluor die größte Fähigkeit zur Stabilisierung hoher positiver Oxidationsstufen. Chlor kann nur noch mit Iod zu Iodtrichlorid reagieren. ClF3, BrF3 und IF5 werden neben ClF als Fluorierungsmittel verwendet und technisch hergestellt. Sie werden z. B. zur Trennung von U-Pu-Spaltprodukten in der Kerntechnik verwendet. U C 3 ClF3 $% UF6 C 3 ClF Pu bildet nichtflüchtiges PuF4 und das flüchtige UF6 kann durch Destillation abgetrennt werden. Bekannt sind zahlreiche Interhalogenionen. Beispiele: BrF6K (Oktaeder), IF6K (wie XeF6 verzerrt oktaedrisch), IF8K (quadratisches Antiprisma).
4.4.5 Polyhalogenidionen In Wasser löst sich nur wenig Iod. Es ist dagegen leicht und mit dunkelbrauner Farbe in K KI-Lösungen löslich. Ursache dafür ist die Anlagerung von I2-Molekülen an I -Ionen. I K C I2 # I K 3 K K Bekannt sind auch die weniger beständigen Polyhalogenidionen BrK 3 , Cl3 , F3 , und geK mischte Polyhalogenidionen wie ICl2 , I2BrK, IBrFK. Das Halogen mit der kleinsten Elektronegativität ist das Zentralatom. Es können Alkalimetallsalze wie z. B. CsI3 oder RbI3 isoliert werden. K Die Trihalogenidionen sind linear gebaut; in Lösung sind die Ionen IK 3 und ICl2 symmetrisch mit gleichen Kernabständen, die einem Bindungsgrad von 0,5 entsprechen. Eine Erklärung liefert sowohl die MO-Theorie (Abb. 4.5) als auch die VBTheorie.
4.4 Gruppe 17
I− I
I
I
409
I I−
K K Von Iod sind auch die Anionen IK 5 , I7 , I9 und Salze davon bekannt.
K
Abbildung 4.5 MO-Diagramm des I3 -Ions. Die Linearkombination der 5px-Orbitale der drei I-Atome ergibt ein bindendes, ein nichtbindendes und ein antibindendes MO. In den drei MOs befinden sich vier Valenzelektronen. Da nur zwei davon bindend sind, ist der Bindungsgrad 0,5. Am günstigsten ist die Überlappung bei der 3-Zentren-4-Elektronenbindung bei linearer Anordnung der Atome (vgl. dazu das MO-Diagramm von XeF2 in Abb. 4.2 b).
4.4.6 Halogenide Hydrogenfluorid HF, Hydrogenchlorid HCl, Hydrogenbromid HBr und Hydrogeniodid HI sind farblose, stechend riechende Gase. Einige Eigenschaften der untereinander ähnlichen Verbindungen sind in der Tabelle 4.8 angegeben. Tabelle 4.8 Eigenschaften von Hydrogenhalogeniden
Bildungsenthalpie in kJ.mol Schmelzpunkt in (C Siedepunkt in (C Verdampfungsenthalpie in kJ.mol Säurestärke Dipolmoment in D
HF
HCl
HBr
HI
K271 K 83 C 20 30
K 92 K114 K 85 13 $% nimmt 1,1
K36 K87 K67 18 zu 0,8
C27 K51 K35 20
1,8
0,4
In den Hydrogenhalogeniden liegen polare Einfachbindungen vor. Die Polarität der Bindung wächst entsprechend der zunehmenden Elektronegativitätsdifferenz von HI nach HF. "&
"'
H X
Zwischen den HX-Molekülen wirken nur schwache van der Waals-Kräfte, daher sind alle Verbindungen flüchtig. Erwartungsgemäß nehmen die Schmelzpunkte, Siedepunkte und die Verdampfungsenthalpien von HI zu HCl ab, HF zeigt aber anomal hohe Werte (vgl. Abb. 2.116 u. 2.117). Die Ursache sind zusätzliche Bindungskräfte,
410
4 Die Elemente der Hauptgruppen
die durch Wasserstoffbrücken zustande kommen (vgl. Abschn. 2.6). Im festen Hydrogenfluorid sind die HF-Moleküle über unsymmetrische Wasserstoffbrücken F d H$$$$F d zu Zickzack-Ketten verknüpft (s. S. 210). Ähnliche Brückenbindungen dürften im flüssigen HF vorliegen. Es ist eine farblose, bewegliche, hygroskopische Flüssigkeit. Im Dampf sind gewellte (HF)6-Ringe (s. S. 210) im Gleichgewicht mit HF-Molekülen; erst oberhalb von 90 (C ist Hydrogenfluorid nur monomolekular. Alle Hydrogenhalogenide lösen sich gut in Wasser. Bei 0 (C lösen sich in 1 l Wasser 507 l HCl-Gas und 612 l HBr-Gas. Da sie dabei Protonen abgeben, fungieren sie als Säuren. HX C H2O # H3OC C XK Die Säurestärke nimmt von HF nach HI zu. Die Ursache dafür ist die von HF nach HI abnehmende Bindungsenergie (siehe Tabelle 2.15). Alle Hydrogenhalogenide bilden sich in direkter Reaktion aus den Elementen. H2 C X2 # 2 HX Die Reaktionen mit Fluor und Chlor verlaufen explosionsartig (vgl. S. 295). Br2 reagiert auch in Gegenwart von Pt-Katalysatoren erst bei 200 (C. Die Bildungsenthalpie und die thermische Stabilität nehmen von HF nach HI stark ab. HI zersetzt sich bereits bei mäßig hohen Temperaturen zum Teil in die Elemente (19 % bei 300 (C). Die Bildungsreaktionen der Hydrogenhalogenide verlaufen nach einem Radikalkettenmechanismus (vgl. S. 305), bei I2 allerdings erst bei Temperaturen oberhalb 500 (C (zum Reaktionsmechanismus bei tieferen Temperaturen vgl. S. 298). Hydrogenfluorid HF. Die übliche technische Darstellung von HF ist die Umsetzung von CaF2 mit konz. H2SO4 bei 270 (C. CaF2 C H2SO4 $% 2 HF C CaSO4 Reinstes, wasserfreies HF gewinnt man durch thermische Zersetzung von KHF2. KHF2 $% KF C HF Mit den im Flussspat als Nebenprodukt vorhandenen Silicaten entsteht SiF4, das mit HF zu Hexafluorokieselsäure umgesetzt wird. 2 CaF2 C SiO2 C 2 H2SO4 $% SiF4 C 2 CaSO4 C 2 H2O SiF4 C 2 HF $% H2SiF6 Die Hauptmenge HF wird zur Herstellung von AlF3, Kryolith und Fluorhalogenkohlenwasserstoffen verwendet. In der Glasindustrie dient es zum Ätzen und Polieren. Aus H2SiF6 gewinnt man AlF3 und Kryolith (vgl. S. 591 u. 592). Wässrige Lösungen von HF heißen Flusssäure. Flusssäure ist eine mittelstarke Säure; sie ätzt Glas SiO2 C 4 HF $% SiF4 C 2 H2O und kann daher nicht in Glasflaschen aufbewahrt werden. Handelsübliche Flusssäure ist meist 40 %ig, sie kann in Polyethenflaschen aufbewahrt werden.
4.4 Gruppe 17
411
Hydrogenchlorid HCl. Bei der technischen Darstellung von HCl aus den Elementen benutzt man einen nach dem Prinzip des Daniell’schen Hahns (vgl. S. 382) arbeitenden Quarzbrenner. Beim Chlorid-Schwefelsäure-Verfahren wird NaCl mit konz. H2SO4 umgesetzt. NaCl C H2SO4
20 (C
$$$% NaHSO4 C HCl 80 (C
NaCl C NaHSO4 $$$% Na2SO4 C HCl Das meiste HCl entsteht als Zwangsanfall (zu etwa 90 %) bei der technisch wichtigen Chlorierung organischer Verbindungen.
Technisch nicht verwendbares HCl wird durch Elektrolyse in Cl2 und H2 umgewandelt. Die Weltproduktion von HCl betrug 2000 15 · 106 t, in der Bundesrepublik Deutschland wurden 2005 2,1 · 106 t produziert. Wässrige Lösungen von HCl heißen Salzsäure. In konzentrierter Salzsäure ist ein Massenanteil von ca. 38 % HCl-Gas gelöst. Salzsäure ist eine starke, nicht oxidierende Säure, sie löst daher nur unedle Metalle wie Zn, Al, Fe, nicht aber Cu, Hg, Ag, Au, Pt und Ta. Zn C 2 HCl $% H2 C ZnCl2 Hydrogenbromid HBr. Hydrogeniodid HI. HBr und HI können nicht aus ihren Salzen mit konz. H2SO4 hergestellt werden, da teilweise Oxidation zu Br2 und I2 erfolgt. Sie werden durch Hydrolyse von PBr3 bzw. PI3 hergestellt. PBr3 C 3 H2O $% 3 HBr C H3PO3 PI3 C 3 H2O $% 3 HI C H3PO3 Dazu kann roter Phosphor und das Halogen direkt in Gegenwart von Wasser umgesetzt werden, intermediär bildet sich das Phosphortrihalogenid. Hydrogeniodid ist eine sehr starke Säure, sie ist oxidationsempfindlich. Bei Einwirkung von Luftsauerstoff wird Iod ausgeschieden. 4 HI C O2 $% 2 I2 C 2 H2O Die Halogenide der Alkalimetalle und der Erdalkalimetalle sind typische Salze, die überwiegend in Ionengittern kristallisieren (vgl. Abschn. 2.1.3). Typisch für Fluor ist die Existenz von Hydrogenfluoriden, so z. B. der Alkalimetallhydrogenfluoride C C K K MeCHFK 2 , Me H2F 3 und Me H3F 4 . Mit Nichtmetallen bilden die Halogene flüchtige, kovalente Halogenide, die in Molekülgittern kristallisieren.
412
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Beispiele: BF3, SiF4, SF4, PF5, CF4 SCl2, PCl3, CCl4, SiBr4
Gase (bei 25 (C) Flüssigkeiten (bei 25 (C)
Die mit Fluor erreichbaren Koordinationszahlen sind meist höher als bei den übrigen Halogenen. So existieren zu den Fluoriden SF6, XeF6, UF6, IF7, ReF7 keine analogen Halogenide mit Cl, Br, I. Einige Fluoride, wie BF3, AsF5, SbF5, PF5, sind starke FK-Akzeptoren. Aus AlF3, SiF4, PF5 entstehen dabei die mit SF6 isoelektroni2K K schen Ionen AlF3K 6 , SiF 6 , PF 6 . Sie sind oktaedrisch gebaut und in Wasser stabil, während SiF4 und PF5 hydrolysieren. Der Ionenradius des FK-Ions ist ähnlich dem des OHK-Ions. Diese Ionen können sich daher diadoch vertreten, z. B. in Silicaten und im Apatit. Der Fluorgehalt im Apatit der Zähne (bis 0,5 %) schützt gegen Karies. Durch Fluoridierung des Trinkwassers (1 ppm FK) kann Resistenz gegen Karies erreicht werden. Die Silberhalogenide und der fotografische Prozess werden beim Silber besprochen. Fluorierte Kohlenwasserstoffe. Aus chlorierten Kohlenwasserstoffen können mit HF Fluorchlorkohlenwasserstoffe FCKW (Frigene, Kaltrone) hergestellt werden. Die wichtigsten sind: CCl3F CCl2F2
CHCl2F CHClF2
CCl2F d CCl2F CClF2 d CClF2
Sie sind farblos, meist ungiftig, unbrennbar, chemisch resistent und sie besitzen niedrige Siedepunkte. Sie finden Verwendung als Kühlmittel in Kälteanlagen, als Lösungsmittel und zur Verschäumung von Kunststoffen. Da die FCKW die Ozonschicht abbauen, ist ihr Ersatz notwendig (vgl. Abschn. 4.11).
F
F
und Aus CHClF2 erhält man durch HCl-Abspaltung Tetrafluorethen C C F F daraus durch Polymerisation Polytetrafluorethen (PTFE) F F d C d C d n (Teflon, Hostaflon), das chemisch sehr widerstandsfähig und bei F F Temperaturen von K200 (C bis C260 (C verwendbar ist.
(
)
4.4.7 Sauerstoffsäuren der Halogene Die bekannten Sauerstoffsäuren der Halogene sind in der Tabelle 4.9 aufgeführt. Beim gleichen Halogen steigt die Stabilität der Sauerstoffsäuren mit wachsender Oxidationszahl. In reiner Form lassen sich nur HClO4, HIO3, H5IO6, H7I3O14 und (HIO4)n isolieren. Die anderen Oxosäuren existieren nur in wässrigen Lösungen. K BrOK 2 und IO2 treten nur als instabile Reaktionszwischenprodukte auf.
4.4 Gruppe 17
413
Tabelle 4.9 Sauerstoffsäuren der Halogene* Oxidationszahl
Cl
Br
I
C1 C3 C5 C7
HClO HClO2 HClO3 HClO4
HBrO K HBrO3 HBrO4
HIO K HIO3 HIO4, H5IO6, H7I3O14
* HOF siehe S. 422
Die Formeln, die Nomenklatur der Sauerstoffsäuren des Chlors und ihrer Salze, sowie die Bindungsverhältnisse sind in der Tabelle 4.10 angegeben. Tabelle 4.10 Nomenklatur und Bindungsverhältnisse von Sauerstoffsäuren des Chlors HClOn
HClO
HClO2
HClO3
HClO4
Name
Hypochlorige Säure
Chlorige Säure
Chlorsäure
Perchchlorsäure
Salze MeClOn
Hypochlorite
Chlorite
Chlorate
Perchlorate
Oxidationszahl von Cl
C1
C3
C5
C7
Mesomere Grenzstrukturen
K
2
3
4
Räumlicher Bau
K
gewinkelt
pyramidal
tetraedrisch
σ-Bindungen π-Bindungen
1 0
2 1
3 2
4 3
Abstände CldO in pm
169
156
148
144
Lewisformel der Anionen
Der räumliche Bau ist durch σ-Bindungen bestimmt, die von sp3-Hybridorbitalen gebildet werden. Den σ-Bindungen überlagern sich schwache π-Bindungen. Mit der Mesomerie wird die Delokalisierung der π-Bindungen berücksichtigt. Das ClOK 4 -Ion ist perfekt tetraedrisch gebaut. Die Entstehung der Mehrzentren-π-Bindungen ist am Schluss des Abschnitts 2.2.12 Molekülorbitale, Hyperkonjugation zu finden. Dort wird auch das Beispiel ClOK 4 behandelt.
414
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Mit zunehmender Zahl der π-Bindungen wächst die Anzahl mesomerer Grenzstrukturen, die Anionen werden dadurch stabilisiert, die negative Ladung an den OAtomen wird verringert, und die Protonen werden weniger stark angezogen. Die Säurestärke wächst daher mit steigender Oxidationszahl. Dies ist auch die Ursache für den Anstieg der Säurekonstanten in der Reihe H4SiO4, H3PO4, H2SO4, HClO4. Mit zunehmender Koordinationszahl nimmt die Anzahl freier, reaktiver Elektronenpaare am Cl-Atom ab, die Stabilität erhöht sich. Dies erklärt die typischen Disproportionierungsreaktionen, bei denen aus sauerstoffärmeren Ionen ClK und sauerstoffreichere Anionen entstehen. Beispiel: C1
C5
K1
K 3 Cl OK $% Cl OK 3 C 2 Cl
Über Redoxverhalten und Disproportionierungsreaktionen geben besonders übersichtlich Potentialdiagramme (Zahlenangaben: Standardpotenziale in V) Auskunft. pH Z 0
¯ ClK C1,36 Cl2
C1,65
HClO
C1,63
HClO2
C1,21
ClOK 3
C1,19
ClOK 4
pH Z 14
¯ ClK C1,36 Cl2
C0,32
ClOK
C0,66
ClOK 2
C0,33
ClOK 3
C0,36
ClOK 4
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
Aus den Potentialdiagrammen können die Standardpotentiale für die verschiedenen Redoxsysteme ermittelt werden (vgl. S. 360). Beispiel: Redoxsystem ClOK 3 .Cl2 bei pH Z 0
+ K + + K 5 E+ ClO3 .Cl2 Z 2 EClO3 .HClO2 C 2 EHClO2.HClO C EHClO.Cl2 + 5 EClO3K.Cl2 Z 2 $ 1,21 V C 2 $ 1,63 V C 1,65 V K Z C1,47 V E+ ClO3 .Cl2
In saurer Lösung sind alle Chlorsauerstoffsäuren starke Oxidationsmittel. Ein besonders starkes Oxidationsvermögen besitzt HClO. Mit wachsendem pH-Wert nimmt das Oxidationsvermögen stark ab. Die Potentiale zeigen auch, dass z. B. die Disproportionierung von Cl2 in ClK und ClOK nur in alkalischen Lösungen möglich ist (vgl. dazu unten). In sauren Lösungen ist die Komproportionierung von HClO und ClK zu Cl2 energetisch begünstigt. Hypochlorige Säure HOCl entsteht in einer Disproportionierungsreaktion beim Einleiten von Cl2 in Wasser. 0
K1
C1
Cl2 C H2O # HCl C HOCl
Das Gleichgewicht der Reaktion liegt aber ganz auf der linken Seite (Chlorwasser). Eine Verschiebung des Gleichgewichts nach rechts erreicht man durch Abfangen von
4.4 Gruppe 17
415
HCl mit einer HgO-Suspension als unlösliches HgO · HgCl2. Es entsteht 20 %ige HOCl, die sich aber schon bei 0 (C langsam zersetzt. 2 HOCl $% 2 HCl C O2 HOCl ist eine schwache Säure und ein starkes Oxidationsmittel (Desinfektion von Wasser). Sie ist im wasserfreien Zustand nicht bekannt, beim Entwässern entsteht ihr Anhydrid Cl2O. In Lösungen ist Cl2O im Gleichgewicht mit HOCl 2 HOCl # Cl2O C H2O so dass nebeneinander Cl2, HOCl und Cl2O vorliegen. Die Salze der Hypochlorigen Säure, die Hypochlorite, erhält man durch Einleiten von Chlor in kalte alkalische Lösungen. Cl2 C 2 NaOH $% NaCl C NaOCl C H2O Brom und Iod reagieren analog zu Hypobromiten bzw. zu Hypoioditen. Technisch kann man die Darstellung von NaOCl an die Chloralkalielektrolyse (s. S. 368) anschließen, indem man das anodisch entwickelte Chlor in die kathodisch gebildete Natronlauge einleitet. Chlorkalk erhält man aus Cl2 und Ca (OH)2. Cl2 C Ca (OH)2 $% CaCl (OCl) C H2O Mit Salzsäure entsteht aus Chlorkalk Chlor. CaCl (OCl) C 2 HCl $% CaCl2 C Cl2 C H2O Hypochlorite sind schwächere Oxidationsmittel als HOCl, sie werden als Bleich- und Desinfektionsmittel verwendet. Wässrige Lösungen reagieren basisch, da ClOK eine Anionenbase ist. Chlorige Säure HClO2 ist bedeutungslos, da sie sich schnell zersetzt. 5 HClO2 $% 4 ClO2 C HCl C 2 H2O Beständiger sind ihre Salze, die Chlorite. Sie werden technisch durch Einleiten von ClO2 in NaOH-H2O2-Lösungen hergestellt. 2 ClO2 C H2O2 C 2 NaOH $% 2 NaClO2 C O2 C 2 H2O Verwendet werden sie als Bleichmittel für Textilien, da das beim Ansäurern frei werdende ClO2 faserschonend bleicht. Chlorsäure HClO3 erhält man aus ihren Salzen, den Chloraten. Ba (ClO3)2 C H2SO4 $% 2 HClO3 C BaSO4 Lösungen mit mehr als 40 % HClO3 zersetzen sich. HClO3 ist eine starke Säure + K K Z C1,45 V bei pH Z 0). (pKS Z K2,7) und ein starkes Oxidationsmittel (EClO 3 .Cl „Euchlorin“ ist eine Mischung aus konz. HClO3 und konz. HCl, die sich wegen ihres starken Oxidationsvermögens besonders zur Auflösung organischer Stoffe eignet.
416
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Chlorate entstehen durch Disproportionierung von Hypochloriten in erwärmten Lösungen. C1
C5
K1
K 3 Cl OK $% Cl OK 3 C 2 Cl
Wahrscheinlich wird dabei das Anion ClOK durch die freie Säure HClO oxidiert. 2 HClO C ClOK $% ClOK 3 C 2 HCl Da Cl2 in NaOH zu ClOK und ClK disproportioniert, erhält man ClOK 3 durch Einleiten von Cl2 in heiße Laugen. 3 Cl2 C 6 OHK $% 5 ClK C ClOK 3 C 3 H 2O Technisch elektrolysiert man heiße NaCl-Lösungen ohne Trennung des Kathodenund Anodenraums. Chlorate sind kräftige Oxidationsmittel. Gemische von Chloraten mit oxidierbaren Substanzen (Phosphor, Schwefel, organische Substanzen) sind explosiv. KClO3 wird zur Herstellung von Zündhölzern (vgl. S. 464), Feuerwerkskörpern und Sprengstoffen verwendet. NaClO3 ist Ausgangsprodukt zur Herstellung von ClO2 und Perchlorat und wird als Herbizid verwendet. Perchlorsäure HClO4 ist die beständigste und die einzige in reiner Form herstellbare Chlorsauerstoffsäure. HClO4 ist eine farblose Flüssigkeit, die bei 120 (C siedet und bei K101 (C erstarrt. Beim Erwärmen zersetzt sie sich, manchmal explosionsartig. Mit brennbaren Substanzen erfolgt Explosion. In wässriger Lösung ist HClO4 stabil, sie ist eine der stärksten Säuren. Trotz des hohen Redoxpotentials E+ClO4K.ClK Z C1,38 V) wirkt sie aus kinetischen Gründen weit weniger oxidierend als HClO3. Von HClO3 wird z. B. HCl zu Cl2 und S zu H2SO4 oxidiert, nicht aber von HClO4. HClO4 kann aus Perchloraten dargestellt werden. KClO4 C H2SO4 $% HClO4 C KHSO4 Die entstandene Perchlorsäure wird im Vakuum abdestilliert. Perchlorate werden technisch durch anodische Oxidation von Chloraten hergestellt. C K K ClOK 3 C H2O $% ClO4 C 2 H C 2 e
Perchlorate entstehen auch bei der thermischen Disproportionierung von Chloraten. 400 (C
4 KClO3 $$$% 3 KClO4 C KCl Bei noch stärkerem Erhitzen zersetzt sich KClO4. 500 (C
KClO4 $$$% KCl C 2 O2 Die Perchlorate sind die beständigsten Salze von Oxosäuren des Chlors. Schwer löslich sind die Perchlorate von K, Rb, Cs. NH4ClO4 wird als Raketentreibstoff verwendet. Für Feststoffraketen wird ein Gemisch aus Ammoniumperchlorat und Aluminium verwendet.
4.4 Gruppe 17
417
6 NH4ClO4 (s) C 8 Al (s) $% 4 Al2O3 (s) C 3 N2 (g) C 3 Cl2 (g) C 12 H2O ΔH( Z 7 800 kJ.mol Für den Start eines Space Shuttle werden 850 t benötigt. NH4ClO4 zersetzt sich oberhalb 200 (C (Explosionsgefahr). Iodsäure HIO3 kristallisiert in farblosen Kristallen. Sie ist ein starkes Oxidationsmittel, durch Entwässern erhält man aus ihr I2O5. HIO3 kann durch Oxidation von I2 mit HNO3, Cl2 oder H2O2 hergestellt werden. I2 C 6 H2O C 5 Cl2 $% 2 HIO3 C 10 HCl HCl muss aus dem Gleichgewicht entfernt werden, da es HIO3 reduziert. Iodate enthalten das pyramidale Anion IOK 3 . In den sauren Salzen MeIO3 · HIO3 und MeIO3 · 2 HIO3 sind Iodsäuremoleküle über Wasserstoffbrücken an die Iodationen gebunden. Die Iodate sind beständiger als die Chlorate und die Bromate. Iodhaltiges Speisesalz (Iodsalz) enthält als Vorbeugung gegen Kropf etwa 0,0025 % KIO3. Periodsäuren. Orthoperiodsäure H5IO6 bildet farblose, hygroskopische Kristalle (Smp. 128 (C). Sie ist die einzige in Wasser existenzfähige Iod(VII)-säure; sie ist ein starkes Oxidationsmittel und eine schwache mehrbasige Säure, die nur sehr wenig protolysiert. Es liegen folgende Protolysegleichgewichte vor: H5IO6 C H2O # H3OC C H4IOK 6 H4IOK 6 C H 2O H3IO2K 6 C H 2O
# #
C
H3O C H3IO2K 6 H3OC C H3IO3K 6
KS Z 5 $ 10K 4 KS Z 5 $ 10K 9 KS Z 2 $ 10K 12
Außerdem finden Dehydratisierungen statt: K H4IOK 6 # IO4
C 2 H 2O 2K 4K 2 H3IO6 # H2I2O10 C 2 H2O
K Z 29 K Z 820
Bei Raumtemperatur herrscht in wässriger Lösung das Ion IOK 4 vor. In alkalischen K 2K 3K K Lösungen liegen die Ionen H4IO6 , H3IO6 , H2IO6 , IO4 und H2I2O4K 10 nebeneinander vor. Aus diesen Lösungen können unterschiedliche Salze gewonnen werden: CsIO4, MeH4IO6, Me2H3IO6, Me3H2IO6, Me4H2I2O10 (Me Z Alkalimetalle, Erdalkalimetalle), Ag5IO6. Durch Erhitzen von H5IO6 im Vakuum erhält man zunächst die Triperiodsäure H7I3O14 und daraus die Periodsäure (HIO4)n, aus der bei weiterem Erhitzen unter
Abbildung 4.6 Strukturen der Periodsäuren. In allen Periodsäuren sind die Iodatome oktaedrisch von O-Atomen koordiniert. HIO4 ist daher polymer und nicht wie HClO4 monomer.
418
4 Die Elemente der Hauptgruppen
H2O- und O2-Abspaltung I2O5 entsteht. In wässriger Lösung entsteht aus H7I3O14 und HIO4 wieder H5IO6. Die Strukturen der Periodsäuren sind in der Abb. 4.6 wiedergegeben.
4.4.8 Oxide der Halogene In den Oxiden von Chlor, Brom, Iod kommen die Halogene in positiven Oxidationszahlen vor. Gesichert ist die Existenz der in der Tabelle 4.11 angegebenen Oxide. Mit Ausnahme von I2O5 sind die Halogenoxide endotherme Verbindungen, die beim Erwärmen teilweise explosionsartig zerfallen. Sie sind sehr reaktionsfähig und starke Oxidationsmittel. Die Strukturen sind zum Teil noch ungeklärt. Technische Bedeutung hat ClO2. Dichloroxid Cl2O ist ein gelbrotes Gas, das beim Erwärmen explosionsartig in Cl2 und O2 zerfällt. Es entsteht durch Reaktion von Cl2 mit HgO. 2 Cl2 C 2 HgO $% Cl2O C HgO · HgCl2 In analoger Reaktion entsteht Br2O. Cl2O ist das Anhydrid von HOCl, es bildet in Alkalilaugen Hypochlorit. Cl2O und Br2O sind gewinkelte Moleküle mit schwachen Einfachbindungen.
Chlordioxid ClO2 ist ein gelbes, sehr explosives Gas. Mit CO2 verdünnt, wird es als Oxidationsmittel zum Bleichen (Mehl, Cellulose) und als Desinfektionsmittel (Trinkwasser wird wirksamer und geruchsfreier desinfiziert als mit Chlor) verwendet. Es wird durch Reduktion von NaClO3 mit SO2 oder Salzsäure hergestellt. 2 NaClO3 C SO2 C H2SO4 $% 2 ClO2 C 2 NaHSO4 Im Labor entsteht es aus KClO3 und konz. H2SO4 durch Disproportionierung der Chlorsäure. KClO3 C H2SO4 $% HClO3 C KHSO4 3 HClO3 $% 2 ClO2 C HClO4 C H2O In alkalischen Lösungen disproportioniert ClO2. K 2 ClO2 C 2 OHK $% ClOK 2 C ClO3 C H2O
ClO2 ist ein gewinkeltes Molekül, es enthält ein ungepaartes Elektron.
Wahrscheinlich ist das ungepaarte Elektron über das ganze Molekül delokalisiert. Bei tiefen Temperaturen existieren im festen Zustand Dimere mit kompensierten Spinmomenten. BrO2-Dimere entstehen bei elektrischen Entladungen aus Br2.O2-Gemischen. C1
C7
Die Struktur ist die eines Bromperbromats, Br d O d BrO3.
4.4 Gruppe 17
419
Tabelle 4.11 Oxide der Halogene Oxidationszahl**
Chlor
Brom
Iod
C1
Cl2O gelbrotes Gas ΔH+ B Z C80 kJ.mol
Br2O braun, fest ΔH+ B z C110 kJ.mol Zers. O K40 (C BrO*
IO*
ClO*, Dimere Cl2O3 braun ΔH+ B z C190 kJ.mol Zers. beim Smp. K45 (C ClO2 gelbes Gas ΔH+ B Z C103 kJ.mol
C3
C4
Br2O3 orange, kristallin Zers. O K40 (C
Cl2O4 gelbe Flüssigkeit, Zers. O 0 (C
BrO2 gelb, kristallin ΔH+ B Z C52 kJ.mol Zers. O K40 (C
I2O4 gelb, fest Smp. 130 (C
BrO2* Br2O4
IO2*
C4,5
I4O9 gelb, fest Br2O5 farblos Zers. K20 (C BrO3*
C5 C6
Cl2O6 braunrote Flüssigkeit, ΔH+ B Z C145 kJ.mol
C7
Cl2O7 farblose Flüssigkeit, ΔH+ B Z C238 kJ.mol ClO4*
I2O5 farblos, kristallin ΔH+ B Z C158 kJ.mol IO3* I4O12 hellgelb, fest
* kurzlebige monomere Radikale. ClO und ClO4 siehe unten. ** Bei einigen Verbindungen ist es die mittlere Oxidationszahl. C2
C4
Cl2O3 ist ein Chlor(II)-chlor(IV)-oxid OCl dCl O2 C1
C7
Cl2O4 ist ein Chlorperchlorat Cl dOdCl O3
C5
C
Cl2O6 im festen Zustand ist ein Chlor (V,VII)-oxid [ClO2] C1
C5
Br2O3 ist ein Brombromat BrdOdBrO2
C1
C7
K
[ClO4]
C7
Br2O4 ist vermutlich ein Bromperbromat BrdOdBrO3 C3
C5
I2O4 ist polymer d I dOd I O2dOd, mit schwächeren Bindungen zwischen den Ketten. C3 C5
I4O9 ist ein Iod(III)-iodat I ( I O3)3 I4O12-Moleküle mit I in den Oxidationsstufen C5 und C7 sind zu Schichten verbrückt.
420
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Dichlorhexaoxid Cl2O6. Festes Cl2O6 (rot, Smp. 3 (C) ist aus Ionen mit Cl in unterC5
C7
schiedlichen Oxidationszahlen aufgebaut: [ClO2]C [ClO4]K. Die Struktur im Gaszustand ist nicht gesichert. Gasförmiges Cl2O6 zersetzt sich in ClO2, Cl2O4 und O2. Dichlorheptaoxid Cl2O7 ist das beständigste Chloroxid, es ist das Anhydrid der Perchlorsäure und entsteht durch deren Entwässerung. 2 HClO4 C 61 P4O10 $% Cl2O7 C 32 H3PO4 Es ist eine farblose Flüssigkeit, die bei gewöhnlicher Temperatur langsam zerfällt, durch Schlag explodiert. Das Molekül Cl2O7 besitzt folgende Struktur:
Diiodpentaoxid I2O5 ist ein farbloses, kristallines Pulver, das erst oberhalb 300 (C in die Elemente zerfällt. Die Kristalle sind aus I2O5-Molekülen
aufgebaut, die über koordinative I d O-Wechselwirkungen dreidimensional verknüpft sind. I2O5 ist das Anhydrid der Iodsäure und wird aus dieser durch Entwässern bei 250 (C hergestellt. 2 HIO3 $% I2O5 C H2O I2O5 reagiert mit H2O wieder zu HIO3. Bei 170 (C reagiert I2O5 mit CO quantitativ zu I2 und CO2, so dass CO iodometrisch bestimmt werden kann. Das Radikal ClO tritt als Zwischenprodukt beim Abbau der lebensnotwendigen Ozonschicht in der Stratosphäre (vgl. Abschn. 4.11) auf. Aus den in die Atmosphäre abgegebenen FCKW entstehen durch Photolyse Cl-Atome. Diese reagieren mit Ozonmolekülen unter Bildung von ClO. Cl C O3 $% ClO C O2 ClO C O $% Cl C O2 ClO kann zu ClOOCl dimerisieren. Das Isomere ClClO2, Chlorylchlorid wurde durch Matrixtechnik isoliert. Es hat einen pyramidalen Bau, in der Gasphase zersetzt es sich in ClO2 und Cl.
4.4 Gruppe 17
421
Das Radikal ClO kann mit einer Drei-Elektronen-Bindung formuliert werden (vgl. S. 162). +1/2
Cl
–1/2
O
Das gleiche gilt wahrscheinlich für BrO und IO. Das Radikal ClO4 besitzt drei kurze und eine lange Cl d O-Bindung und hat die Symmetrie C2v (s. S. 214)
Es entsteht bei der Vakuumthermolyse von Cl2O6. Cl2O6 $% ClO4 C ClO2
4.4.9 Sauerstofffluoride Da in den Sauerstoffverbindungen des Fluors nicht O, sondern F der elektronegativere Partner ist, sind diese Verbindungen als Sauerstofffluoride zu bezeichnen. Bekannt sind die Verbindungen OF2, O2F2 und O4F2. Die Existenz von O3F2, O5F2 und O6F2 ist nicht gesichert. Sauerstoffdifluorid OF2 entsteht beim Einleiten von F2 in Natronlauge. 2 F2 C 2 OHK $% 2 FK C OF2 C H2O OF2 ist ein giftiges Gas und ein starkes Oxidations- und Fluorierungsmittel, aber reaktionsträger als F2. Es zerfällt beim Erwärmen auf 200(C in die Elemente. In alkalischer Lösung entsteht kein Hypofluorit, sondern FK und O2. OF2 C 2 OHK $% 2 FK C O2 C H2O OF2 ist wie H2O ein gewinkeltes Molekül mit Einfachbindungen. Disauerstoffdifluorid O2F2 ist eine feste, gelbe Substanz (Smp. K163 (C), die aus einem O2-F2-Gemisch durch elektrische Entladungen bei 80K90 K entsteht. O2F2 zersetzt sich bereits oberhalb K95 (C in die Elemente und ist ein starkes Fluorierungs- und Oxidationsmittel. Die Struktur des Moleküls entspricht der von H2O2 (vgl. Abb. 4.15). Der Bindungsgrad O d F ist viel kleiner als der einer Einfachbindung, der von O d O liegt bei 2. Die folgenden mesomeren Strukturen sind zu berücksichtigen (s. auch S. 161).
F
O
O
F F
O O
F F
O O
F F
O
O
F
422
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Hydroxylfluorid HOF (Hypofluorige Säure) ist ein nicht beständiges Gas. Es zerfällt in HF und O2. Mit Wasser erfolgt Reaktion nach HOF C H2O #% HF C H2O2 Im festen Zustand sind die Moleküle durch Wasserstoffbrücken zu gewinkelten, unendlichen Ketten verknüpft.
In HOF hat F die Oxidationszahl K1, in der formal analogen Hypochlorigen Säure HOCl (vgl. S. 414) hat Cl die Oxidationszahl C1.
4.4.10 Pseudohalogene Einige anorganische Atomgruppen ähneln den Halogenen. Beispiele: Atomgruppe Ionen
CN CNK Cyanid
SCN SCNK Thiocyanat (Rhodanid)
OCN OCNK Cyanat
N3 NK 3 Azid
Analogien: Die Pseudohalogene Dicyan (CN)2 und Dithiocyan (Dirhodan) (SCN)2 sind flüchtig. Die Pseudohalogene bilden Wasserstoffverbindungen, die allerdings schwächer sauer sind als die Hydrogenhalogenide. Am bekanntesten ist das stark giftige Hydrogencyanid (Blausäure) HCN (vgl. S. 531). Sie bilden Verbindungen mit Halogenen (z. B. Bromcyan BrCN) und untereinander (z. B. Cyanazid NCN3). In alkalischer Lösung erfolgt Disproportionierung: (CN)2 C 2 OHK $% CNK C OCNK C H2O. Pseudohalogenidionen bilden schwer lösliche Silber-, Quecksilber (I)- und Blei (II)-Salze. Es existieren Pseudohalogenokomplexe wie [Ag (CN)2]K, [Hg (N3)4]2K und [Hg (SCN)4]2K.
4.5 Gruppe 16
423
4.5 Gruppe 16 (Chalkogene) 4.5.1 Gruppeneigenschaften Sauerstoff O
Schwefel S
Selen Se
Tellur Te
Polonium Po
34
52
84
Ordnungszahl Z
8
16
Elektronenkonfiguration
1s2 2s2 2p4
[Ne]3s2 3p4 [Ar]3d10 4s2 4p4 [Kr]4d10 5s2 5p4 [Xe]4f14 5d10 6s2 6p4
Ionisierungsenergie in eV
13,6
10,4
3,5
2,4
Elektronegativität Nichtmetallcharakter
Nichtmetalle
9,8
9,0
2,5
2,0
Halbmetalle
Affinität zu elektropositiven Elementen
$% nimmt ab
Affinität zu elektronegativen Elementen
$% nimmt zu
8,4 1,8 Metall
Die Chalkogene (Erzbildner) unterscheiden sich in ihren Eigenschaften stärker als die Halogene. Sauerstoff und Schwefel sind typische Nichtmetalle, Selen und Tellur besitzen bereits Modifikationen mit Halbleitereigenschaften, deswegen werden sie zu den Halbmetallen gerechnet. In ihren chemischen Eigenschaften verhalten sie sich aber überwiegend wie Nichtmetalle. Polonium ist ein radioaktives Metall. Das stabilste Isotop 209Po hat eine Halbwertszeit von 105 Jahren. Sauerstoff hat als Element der ersten Achterperiode eine Sonderstellung. Er ist wesentlich elektronegativer als die anderen Elemente der Gruppe, nach Fluor ist er das elektronegativste Element. Er tritt daher hauptsächlich in den Oxidationszahlen K2 und K1 auf, nur in Sauerstofffluoriden besitzt er positive Oxidationszahlen. Schwefel hat eine ausgeprägte Fähigkeit, Ketten und Ringe zu bilden, daher ist es das Element mit vielen Modifikationen. Die Chalkogene stehen zwei Gruppen vor den Edelgasen. Durch Aufnahme von zwei Elektronen entstehen Ionen mit Edelgaskonfiguration. Die meisten Metalloxide sind ionisch aufgebaut. Wegen der wesentlich geringeren Elektronegativität von Schwefel sind nur noch die Sulfide der elektropositivsten Elemente Ionenverbindungen. Auf Grund ihrer Elektronenkonfiguration können alle Chalkogenatome zwei kovalente Bindungen ausbilden. Sie erreichen dabei Edelgaskonfiguration. Bei Schwefel, Selen und Tellur sind in ihren Verbindungen vor allem die Oxidationszahlen C4 und C6 von Bedeutung. Die Beständigkeit der Oxidationszahl C6 nimmt mit steigender Ordnungszahl ab, die oxidierende Wirkung also zu. H2SeO4 ist ein stärkeres Oxidationsmittel als H2SO4, SO2 ein stärkeres Reduktionsmittel als SeO2. Der saure Charakter der Oxide nimmt von SO2 zu TeO2 und von SO3 zu TeO3 ab. Schwefelsäure ist eine starke, Tellursäure eine schwache Säure. SO2 ist ein Säureanhydrid, TeO2 hat amphoteren Charakter.
424
4 Die Elemente der Hauptgruppen
4.5.2 Vorkommen Sauerstoff ist das häufigste Element der Erdkruste. Es kommt elementar mit einem Volumenanteil von 21 % in der Luft vor, gebunden im Wasser und in vielen weiteren Verbindungen (Silicate, Carbonate, Oxide usw.). Schwefel kommt in der Natur elementar in weit verbreiteten Lagerstätten vor. Verbindungen des Schwefels, vor allem die Schwermetallsulfide, besitzen größte Bedeutung als Erzlagerstätten. Einige wichtige Mineralien sind: Pyrit FeS2, Zinkblende ZnS, Bleiglanz PbS, Kupferkies CuFeS2, Zinnober HgS, Schwerspat BaSO4, Gips CaSO4 · 2 H2O, Anhydrit CaSO4. Selen und Tellur sind als Selenide und Telluride spurenweise in sulfidischen Erzen enthalten. Se- und Te-Mineralien sind selten. Te kommt auch in geringer Menge gediegen vor.
4.5.3 Die Elemente
Farbe Schmelzpunkt in (C Siedepunkt in (C Dissoziationsenergie D+ 298 (X2 (g) $% 2 X) in kJ.mol
Sauerstoff
Schwefel
Selen
Tellur
hellblau K219 K183 498
gelb 120* 445 425
rot.grau 220** 685 333
braun 450 1390 258
* monokliner Schwefel ** graues Selen
4.5.3.1 Sauerstoff Disauerstoff O2 Unter Normalbedingungen ist elementarer Sauerstoff ein farbloses, geruch- und geschmackloses Gas, das aus O2-Molekülen besteht. Verflüssigt oder in dickeren Schichten sieht Sauerstoff hellblau aus. In Wasser ist O2 etwas besser löslich (0,049 l in 1 l Wasser bei 0 (C und 1 bar) als N2. Im O2-Molekül sind die Sauerstoffatome durch eine σ-Bindung und eine π-Bindung aneinander gebunden. Die Bindungslänge beträgt 121 pm. Die Lewis-Formel ¯
¯
¯
¯
O]O beschreibt aber nicht den paramagnetischen Grundzustand des O2-Moleküls mit zwei ungepaarten Elektronen, sondern einen diamagnetischen angeregten Zustand (s. Abb. 4.9). Für eine befriedigende VB-Beschreibung des Grundzustandes eignet sich die Drei-Elektronen-Bindung (s. S. 162).
4.5 Gruppe 16
425
r -OqOJede der beiden Drei-Elektronen-Bindungen enthält ein ungepaartes Elektron und hat die Bindungsordnung 0,5. Die MO-Theorie führt zum gleichen Ergebnis (vgl. Abb. 2.65). Das O2-Molekül ist ziemlich stabil und es dissoziiert erst bei hohen Temperaturen. Bei 3000 (C beträgt der Dissoziationsgrad 6 %. O2 $% 2 O
ΔH( Z 498 kJ.mol
Die Umsetzung mit Sauerstoff (Oxidation) erfolgt meist erst bei hohen Temperaturen. Mit vielen Stoffen erfolgen langsame Oxidationen („stille Verbrennung“), z. B. das Rosten (s. S. 367) und das Anlaufen von Metallen. In reinem Sauerstoff laufen Oxidationen viel schneller ab. Ein glimmender Holzspan brennt in Sauerstoff mit heller Flamme, Schwefel verbrennt mit intensiv blauem Licht zu SO2. S C O2 $% SO2 Noch stärker wird die Verbrennung durch flüssigen Sauerstoff gefördert. Ein glimmender Span verbrennt in flüssigem Sauerstoff K trotz der tiefen Temperatur von K183 (C K heftig mit heller Flamme. Sauerstoff wird großtechnisch (Produktion 2005 in Deutschland 5,6 · 109 m3, Weltproduktion ca. 109 t)durch fraktionierende Destillation verflüssigter Luft (Linde-Verfahren) hergestellt (Abb. 4.7 und 4.8).
Abbildung 4.7 Schema der Luftverflüssigung nach Linde. Angesaugte Luft wird im Verdichter auf ca. 200 bar komprimiert, dann im Kühler vorgekühlt und mittels des Drosselventils wieder entspannt und dabei abgekühlt. Mit dieser abgekühlten Luft wird im Gegenstrom-Wärmeaustauscher die nachkommende verdichtete Luft vorgekühlt. Die Temperatur sinkt immer mehr, bis schließlich bei der Entspannung flüssige Luft entsteht. Bei Druckerniedrigung um 1 bar sinkt die Temperatur um etwa 1.4 (C.
426
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Ein Gas kann nur verflüssigt werden, wenn seine Temperatur tiefer als die kritische Temperatur ist (TK (N2) Z 126 K, TK (O2) Z 154 K; vgl. Tabelle 3.1).
Abbildung 4.8 Fraktionierende Destillation flüssiger Luft. Flüssige Luft siedet bei K194 (C (A). Der dabei entstehende Dampf (B) und natürlich auch das bei seiner Kondensation gebildete Destillat ist an der tiefer siedenden Komponente N2 angereichert. Durch wiederholte Verdampfung und Kondensation erhält man schließlich reinen Sauerstoff im Destillationsrückstand und reinen Stickstoff im flüchtigen Destillat. Die fraktionierende Destillation erfolgt großtechnisch in Fraktionierkolonnen. In ihr befinden sich so genannte Böden, in welchen die einzelnen Stufen (vgl. Abbildung ) der Kondensation und Wiederverdampfung erfolgen. Manche Kondensationskurven enthalten ein Maximum oder ein Minimum. Bei diesen Zusammensetzungen siedet eine Flüssigkeit azeotrop, der Dampf hat die gleiche Zusammensetzung wie die Flüssigkeit.
Die Abkühlung des Gases beim Linde-Verfahren beruht auf dem Joule-ThomsonEffekt. Wenn sich ein komprimiertes Gas ausdehnt, so kühlt es sich ab. Bei der Ausdehnung muss Arbeit geleistet werden, um die Anziehungskräfte zwischen den Gasteilchen zu überwinden. Die Energie dazu wird der inneren Energie des Gases entnommen, die kinetische Energie und damit die Temperatur nehmen daher ab. Nur bei Gasen, die sich ideal verhalten, sind zwischen den Gasteilchen keine Anziehungskräfte wirksam. Luft verhält sich bei Normalbedingungen ideal, nicht aber im komprimierten Zustand (vgl. Abschn. 3.2). Das Linde-Verfahren wird seit 1905 technisch eingesetzt. Vorher war das Bariumperoxid-Verfahren die einzige technische Möglichkeit zur Sauerstoffgewinnung aus Luft. 500 (C
1ddd 2 BaO C O2 ddd/ 2 BaO2 700 (C
4.5 Gruppe 16
427
Reinsten Sauerstoff erhält man durch Elektrolyse von Kalilauge. Kathodenreaktion: 2 H3OC C 2 eK $% H2 C 2 H2O Anodenreaktion: 2 OHK $% 2 OH C 2 eK 2 OH $% H2O C 21 O2 Im Labor kann man kleinere Mengen reinen Sauerstoffs durch katalytische Zersetzung von H2O2 (vgl. S. 438) darstellen. Etwa 60 % der Weltproduktion von Sauerstoff wird zur Stahlherstellung benötigt. Singulett-Sauerstoff Normaler Sauerstoff ist der Triplett-Sauerstoff 3O2. Bei diesen O2-Molekülen befinden sich im antibindenden π*-MO zwei Elektronen mit parallelem Spin (vgl. Abb. 2.65). Beim Singulett-Sauerstoff 1O2 handelt es sich um kurzlebige, energiereichere Zustände des O2-Moleküls, bei denen die beiden π*-Elektronen antiparallelen Spin besitzen (Abb. 4.9).
Abbildung 4.9 Elektronenanordnungen und Energieniveaus von Singulett- und Triplett-Sauerstoff. Bei den Symbolen für die Elektronenzustände bedeuten die Zahlen links oben die Spinmultiplizität 2S C 1. Beim Singulett-Sauerstoff 1O2 ist der Gesamtspin S Z 0, beim Triplett-Sauerstoff 3O2 ist S Z 1.
Singulett-Sauerstoff ist diamagnetisch. Er ist reaktionsfähiger als Triplett-Sauerstoff, ein wirkungsvolles Oxidationsmittel und er wird besonders in der organischen Chemie für selektive Oxidationen benutzt. Er kann fotochemisch oder chemisch erzeugt werden. Chemisch entsteht er z. B. durch Abspaltung von O2 aus Verbindungen, die Peroxogruppen enthalten.
428
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Beispiel: Umsetzung von H2O2 mit ClOK CClO
K
schnell
1 HdOdOdH ##% K HdOdOdCl ##% O2 KOH
KHCl
Die frei werdende Energie bei der Umwandlung von 1O2 in 3O2 wird als Lichtenergie abgegeben. Man beobachtet ein rotes Leuchten. Aus zwei 1O2-Molekülen entstehen durch Elektronenaustausch ohne Spinumkehr zwei 3O2-Moleküle. 1
O2 ([Y) C 1O2 ([Y) $% 3O2 ([[) C 3O2 (YY)
ΔH Z K184 kJ.mol
Dabei wird ein Lichtquant mit der Wellenlänge λ Z 633 nm (orangerot) abgestrahlt (vgl. Abb. 4.9). Ozon O3 Sauerstoff kommt in einer zweiten Modifikation, dem Ozon O3 vor. Ozon ist ein charakteristisch riechendes, blassblaues Gas, das sich bei K111 (C verflüssigen lässt und bei K19 (C in den festen Zustand übergeht. Die kondensierten Phasen sind schwarzblau und diamagnetisch. Ozon besteht aus gewinkelten O3-Molekülen (Bindungswinkel 117 (), die beiden O d O-Abstände sind gleich lang (128 pm), es ist daher eine delokalisierte π-Bindung vorhanden. Nach neuen VB-Berechnungen hat die spingepaarte diradikalische Grenzstruktur das höchste Gewicht (s. S. 161).
O
O
O
O
O
O
O
O
O
Mit dem MO-Modell erhält man den Bindungsgrad 1,5 (Abb. 4.10). Ozon ist eine endotherme Verbindung. 3 2 O2
$% O3
ΔH+ B Z 143 kJ.mol
Reines Ozon, besonders in kondensiertem Zustand, ist explosiv (s. S. 293). In verdünntem Zustand erfolgt bei Normaltemperatur nur allmählicher Zerfall, der sich beim Erwärmen und in Gegenwart von Katalysatoren (MnO2, PbO2) beschleunigt. O3 ist ein starkes Oxidationsmittel. PbS wird zu PbSO4 oxidiert, S zu SO3. Das Standardpotential zeigt, dass das Oxidationsvermögen von O3 fast das des atomaren Sauerstoffs erreicht und nur von wenigen Stoffen übertroffen wird (F2, S2O2K 8 , H4XeO6, KrF2). O2 C 3 H2O # O3 C 2 H3OC C 2 eK 3 H2O # O C 2 H3OC C 2 eK
E+ Z 2,07 V E+ Z 2,42 V
Beim Einleiten von O3 in eine KI-Lösung entsteht I2. O3 C 2 IK C H2O $% I2 C O2 C 2 OHK Durch Titration des Iods kann O3 quantitativ bestimmt werden.
4.5 Gruppe 16
429
Abbildung 4.10 Bildung der π-Molekülorbitale im O3-Molekül (3-Zentren-4-ElektronenBindung). Die Linearkombination der drei p-Orbitale ergibt ein bindendes, ein nichtbindendes und ein antibindendes MO. Der π-Bindungsgrad beträgt 0,5. Die Addition mit dem Bindungsgrad der beiden σ-Bindungen ergibt den Gesamtbindungsgrad 1,5.
In größeren Konzentrationen ist O3 giftig, Mikroorganismen werden vernichtet und O3 wird daher zur Entkeimung von Trinkwasser verwendet. O3 ist schlechter in Wasser löslich als andere Reizgase, z. B. HCl, NH3, Cl2 und SO2. Es wird daher nicht wie diese bereits im vorderen Teil der Atemwege absorbiert, sondern dringt tief in die Lunge ein. Ozon bildet sich bei Einwirkung stiller elektrischer Entladungen auf Sauerstoff (Siemens’scher Ozonisator). Die O3-Bildung erfolgt nur teilweise über Sauerstoffatome. 1 2
O2 $% O
O C O2 $% O3
Δ H ( Z C249 kJ.mol Δ H ( Z K106 kJ.mol
Auch angeregte O2-Moleküle reagieren zu O3. O*2 C O2 $% O3 C O Da Ozon durch die schnelle Folgereaktion O3 C O $% 2 O2
ΔH ( Z K392 kJ.mol
abgebaut wird, erhält man nur O3-Volumenanteile von 10 %. Durch fraktionierende Kondensation kann man aber aus den O2-O3-Gemischen reines O3 darstellen. Ozonhaltig ist elektrolytisch entwickelter Sauerstoff, da an der Anode primär atomarer Sauerstoff gebildet wird. Eine Spaltung des Sauerstoffmoleküls in Sauerstoff-
430
4 Die Elemente der Hauptgruppen
atome erfolgt auch durch Lichtquanten mit Wellenlängen ! 240 nm (kurzwelliges UV). In der Umgebung von „Höhensonnen“ riecht es daher nach Ozon. Durch Einwirkung von UV-Strahlung auf Sauerstoff in den oberen Schichten der Atmosphäre entsteht in Spuren Ozon mit einer maximalen Konzentration (1013 Teilchen.cm3) in ca. 25 km Höhe (Stratosphäre 10K50 km). Ozon hat ein hohes Absorptionsvermögen für die UV-Strahlung der Sonne und die Ozonschicht ist daher ein absolut lebensnotwendiger Schutzschirm für alles biologische Leben auf der Erde. Der Abbau der Ozonschicht der Stratosphäre durch FCKW und die Bildung von Ozon in der Troposphäre sind hochaktuelle Umweltprobleme. Sie werden ausführlich im Abschn. 4.11 behandelt.
4.5.3.2 Schwefel Modifikationen. Chemisches Verhalten Schwefel besitzt eine ausgeprägte Tendenz, Ringe oder Ketten auszubilden. Am stabilsten sind S8-Ringe (Abb. 4.11), in denen die S-Atome durch Einfachbindungen ver-
Abbildung 4.11 a) Anordnung der Atome im S8-Molekül. b) Der S8-Ring von oben gesehen. c) Strukturformel des S8-Ringes.
bunden sind. Thermodynamisch stabil bei Normalbedingungen ist der rhombische αSchwefel mit 16 Molekülen S8 in der Elementarzelle. Die Kristalle dieses natürlich vorkommenden Schwefels sind hellgelb, spröde, unlöslich in Wasser, aber sehr gut löslich in CS2. Bei 95,6 (C erfolgt reversible Umwandlung in den monoklinen βSchwefel, der ebenfalls aus S8-Molekülen besteht. Bei Raumtemperatur wandelt er sich langsam in rhombischen Schwefel um. Der Dampfdruck ist bei 100 (C bereits so hoch, dass Schwefel sublimiert werden kann. β-Schwefel schmilzt bei 119,6 (C. Die Schmelze besteht zunächst aus S8-Ringen (λ-Schwefel), und bei sofortiger Abkühlung erstarrt sie wieder bei 119,6 (C. Nach längerem Stehen erstarrt die Schmelze bei 114,5 (C (natürlicher Schmelzpunkt) (Abb. 4.12). Die Schmelzpunktserniedrigung ist auf die Bildung von etwa 5 % an Fremdmolekülen in der Schmelze zurückzuführen (2,8 % S7; 0,5 % S6; 1,5 % O S8). In der Nähe des Schmelzpunktes ist der Schwefel hellgelb und dünnflüssig. Mit steigender Temperatur wächst der Anteil an niedermolekularen Schwefelringen Sn (π-Schwefel; n Z 6K26, hauptsächlich 6, 7, 9, 12) sowie hochmolekularen Schwefelketten Sx (µ-Schwefel; x Z 103K106). Bei
4.5 Gruppe 16
431
Abbildung 4.12 Phasendiagramm des Schwefels (nicht maßstabsgerecht). Bei Normalbedingungen thermodynamisch stabil ist rhombischer α-S. Er wandelt sich bei 95,6 (C reversibel in monoklinen β-S um. Beide Modifikationen sind aus S8-Ringen aufgebaut. Reiner β-S schmilzt bei 119 (C. Das thermodynamische Gleichgewicht liegt aber bei 114 (C (natürlicher Schmelzpunkt), da die Schmelze außer S8 auch andere Schwefelmoleküle enthält, die den Schmelzpunkt erniedrigen.
159 (C nimmt die Viskosität sprunghaft zu, die Schmelze wird dunkelrot, das Gleichgewicht verschiebt sich drastisch in Richtung µ-Schwefel. Durch Abschrecken dieser Schmelze erhält man plastischen Schwefel, der hochmolekulare Schwefelketten enthält. Er ist instabil und wandelt sich nach kurzer Zeit in kristallinen Schwefel um. Bei 187 (C erreicht die Viskosität ein Maximum, bei höheren Temperaturen nimmt die Molekülgröße infolge thermischer Crackung ab und beim Siedepunkt (444,6 (C) ist die Schmelze dunkel-rotbraun und wieder dünnflüssig. In der Gasphase existiert ein temperaturabhängiges Gleichgewicht von Molekülen Sn mit n Z 1K8. S-Atome überwiegen erst bei 2 200 (C (Tabelle 4.12). S8, S7, S6, S5 sind ringförmig gebaut. S4 ist kettenförmig und von roter Farbe. S3 ist blau und wie O3 gewinkelt gebaut. S2 ist blauviolett, paramagnetisch und enthält eine Doppelbindung (die Elektronenkonfiguration ist analog der von O2). Die Reaktion 4 S2 (g) $% S8 (g)
ΔH ( Z K412 kJ.mol
ist exotherm, während die Berechnung für die analoge hypothetische Reaktion von O2-Molekülen zu einem O8-Molekül eine Reaktionsenthalpie ΔH( Z C888 kJ.mol ergibt.
432
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Tabelle 4.12 Zustandsformen des Schwefels
;
Cyclooctaschwefel S8 ist bei Normaltemperatur nicht sehr reaktionsfähig. Bei Raumtemperatur reagiert Schwefel nur mit Fluor und Quecksilber. Bei erhöhter Temperatur verbindet er sich direkt mit vielen Metallen und Nichtmetallen (nicht mit Au, Pt, Ir, N2, Te, I, Edelgasen).
Abbildung 4.13 Strukturen einiger Schwefelmoleküle.
4.5 Gruppe 16
433
Beispiele: Cu C S $% CuS H2 C S $% H2S Gegen Wasser und nicht oxidierende Säuren wie HCl ist S8 inert, von oxidierenden Säuren und Alkalien wird er angegriffen. Synthetisch lassen sich Schwefelmodifikationen mit den Ringmolekülen Sn mit n Z 6, 7, 9, 10, 11, 12, 13, 15, 18, 20 herstellen (Abb. 4.13). Nach thermischer Stabilität und Reaktionsfähigkeit können 4 Gruppen unterschieden werden. S8 S12 S18 S20 S6 S9 S10 S11 S13 S15 Thermische Stabilität ) Reaktionsfähigkeit %
S7
S6 entsteht z. B. bei der Zersetzung von Thiosulfaten mit Säuren. Na2S2O3 C 2 HCl
%$1 6 S6 C SO2 C 2 NaCl C H2O
Zur Synthese von Schwefelmodifikationen mit Polysulfanen siehe S. 444. Darstellung. Verwendung Der kleinere Teil der Weltproduktion entstammt Lagerstätten aus Elementarschwefel. Mit heißem Wasserdampf wird der Schwefel unter Tage geschmolzen und mit Druckluft an die Erdoberfläche gedrückt (Frasch-Verfahren). Der geförderte Schwefel ist bereits sehr rein (99,5K99,9 %). Die Hauptmenge des Schwefels wird aus H2S-haltigen Gasen (Erdgas, Raffineriegas, Kokereigas) nach dem Claus-Prozess hergestellt. Zuerst wird in einer Brennkammer ein Teil des H2S zu SO2 und Wasserdampf verbrannt. H2S C 23 O2 $% SO2 C H2O
ΔH ( Z K 518 kJ.mol
Die Sauerstoffzufuhr muss so geregelt werden, dass sich ein Verhältnis H2S.SO2 Z 2 einstellt. Dieses Gemisch reagiert in hintereinander geschalteten Reaktoren katalytisch zu Schwefel. 200K300 +C
2 H2S C SO2 ####% 3 S C 2 H2O Diese Reaktion findet auch in der Brennkammer statt, so dass dort bereits 60 % des H2S in Schwefel umgewandelt werden. In Deutschland wurden danach 1,6 · 106 t Schwefel gewonnen, das sind ca. 5 % der Weltproduktion. Schwefel wird in großen Mengen zur Herstellung von Schwefelsäure gebraucht (85 % der Produktion von S wird zu H2SO4 verarbeitet). Außerdem ist er wichtig zum Vulkanisieren von Kautschuk, zur Herstellung von CS2, Zündhölzern, Feuerwerkskörpern, Schießpulver und Farbstoffen (Zinnober, Ultramarin).
434
4 Die Elemente der Hauptgruppen
4.5.3.3 Selen, Tellur, Polonium Selen kommt in 6 Modifikationen vor. Vom roten kristallinen Selen gibt es drei monokline Modifikationen, die sich mit roter Farbe in CS2 lösen. Sie sind K analog S8 K aus gewellten Se8-Ringen aufgebaut, in denen die Se-Atome durch Einfachbindungen verbunden sind (Abb. 4.14). Bei 100 (C wandeln sie sich in das thermodynamisch stabile, metallische graue Selen um, dessen Gitter aus spiraligen Se-Ketten besteht (Abb. 4.14). Amorphes rotes Selen enthält diese Ketten etwas deformiert. Schwarzes glasiges Selen, die handelsübliche Form, ist unregelmäßig aus großen Ringen (bis 1 000 Atome) aufgebaut. Man erhält es durch rasches Abkühlen einer Selenschmelze. Synthetisiert werden konnten auch Se7-Ringe und gemischte Chalkogenringe, z. B. Se3S und Se5S. Tellur kristallisiert im gleichen Gitter wie graues Selen. Tellur und graues Selen bilden eine lückenlose Mischkristallreihe. Graues Selen und Tellur sind Halbleiter. Graues Selen ist ein Halbleiter, dessen Leitfähigkeit durch Licht verstärkt wird. Es findet technische Anwendung in Selengleichrichtern und Selenfotoelementen, in der Glasindustrie und für Xerox-Fotokopierer. Selen und seine Verbindungen wirken stark toxisch. Gleichzeitig ist Selen ein essenzielles Spurenelement für Menschen und höhere Tiere. Es schützt Proteine gegen Oxidation.
Abbildung 4.14 a) Struktur des Se8-Ringes. Die Se-Atome sind durch Einfachbindungen aneinander gebunden. Se8-Moleküle enthält das rote Selen. b) Struktur des grauen Selens. Das Gitter besteht aus unendlichen, spiraligen, parallelen Ketten. Jedes Se-Atom ist verzerrt oktaedrisch koordiniert. Die Abstände der Se-Atome zwischen den Ketten sind kleiner als der van der Waals-Abstand. Zwischen den Ketten existieren nicht nur van der Waals-, sondern auch kovalente Bindungskräfte. Ihr Zustandekommen ist in den mesomeren Grenzstrukturen dargestellt. Im gleichen Gitter kristallisiert Tellur.
4.5 Gruppe 16
435
Se und Te sind in Spuren in sulfidischen Erzen enthalten. Beim Rösten der Sulfide (vgl. S. 446) werden SeO2 und TeO2 im Flugstaub angereichert. Hauptausgangsmaterial für die Se- und Te-Gewinnung ist der bei der elektrolytischen Kupferraffination (vgl. S. 746) anfallende Anodenschlamm, in dem die Verbindungen Cu2Se, Ag2Se, Au2Se, Cu2Te, Ag2Te und Au2Te enthalten sind. Aus Selenitlösungen kann mit SO2 rotes amorphes Selen ausgefällt werden. H2SeO3 C 2 SO2 C H2O $% Se C 2 H2SO4 Polonium ist bereits ein Metall. Es kristallisiert in einem kubischen Gitter mit exakt oktaedrischer Koordination. Sauerstoffatome können untereinander stabile (p-p)-π-Bindungen ausbilden. Bei Schwefel- und Selenatomen erfolgt die Valenzabsättigung durch zwei σ-Bindungen. Sie bilden daher eindimensionale Moleküle (Ringe, Ketten) und sind im Gegensatz zum Sauerstoff bei Normaltemperatur kristalline Festkörper. Im Gaszustand bilden aber auch S und Se paramagnetische X2-Moleküle. In Analogie zum Singulett-Sauerstoff konnte auch ein Singulett-S2-Molekül nachgewiesen werden.
4.5.3.4 Positive Chalkogenionen Durch Oxidation der Chalkogene sind positive Ionen darstellbar. 2C Beispiele: S2C S2C S2C Se2C Se2C Te2C Te2C Te2C 4 8 19 Se4 8 10 4 6 8 farblos blau rot gelb grün grünbraun rot orangerot blauschwarz
Die Polychalkogen-Kationen besitzen cyclische Strukturen. Se2C und Te2C bilden 8 4 sich beim Erhitzen von Se und Te mit konz. H2SO4. Die Farbreaktionen dienen zum Nachweis von Se und Te. Es gibt auch Polychalkogenidkationen mit gemischten Chalkogenatomen.
4.5.4 Sauerstoffverbindungen Sauerstoff bildet mit allen Elementen Verbindungen, außer mit He, Ne, Ar und Kr. Die weitaus wichtigsten und häufigsten Verbindungen sind die Oxide mit der Oxidationszahl K2 des Sauerstoffs. Die Bindung variiert von überwiegend ionisch bis vorwiegend kovalent. Die Bildung des Oxidions O2K aus O2 erfordert erhebliche Energie. 1 2 O2 K
OC2e
$% O $% O2K
ΔH( Z 249 kJ.mol ΔH( z 640 kJ.mol
Ist die Gitterenergie (vgl. Abschn. 2.1.4) ausreichend groß, werden stabile ionische Metalloxide gebildet.
436
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Nur F ist elektronegativer als O, daher besitzt Sauerstoff in Fluoriden positive Oxidationszahlen. Die Sauerstofffluoride wurden bereits im Abschn. 4.4.9 behandelt. Einige Fluoride besitzen eine so große Elektronenaffinität, dass sie mit O2 das Kat1 ion OC 2 bilden können, in dem Sauerstoff die Oxidationszahl C 2 besitzt. Die wichtigsten Oxide K außer H2O K werden bei den entsprechenden Elementen behandelt (Strukturen siehe Abschn. 2.1.3). An dieser Stelle werden neben H2O die Sauerstoffverbindungen mit den Oxidationszahlen K1, K 21 , K 31 und C 21 besprochen. Wasser H2O Wasser ist die bei weitem wichtigste Wasserstoffverbindung. Es ist auf der Erde die einzige Substanz, die in allen drei Aggregatzuständen vorkommt. Das H2O-Molekül ist gewinkelt (Bindungswinkel 104,4(), die Bindungen lassen sich am besten mit einem sp3-Hybrid am O-Atom beschreiben (vgl. Abb. 2.35).
Die Bindungen sind stark polar, das Dipolmoment beträgt 1,85 D (vgl. Abschn. 2.2.8). Zwischen den H2O-Molekülen sind Wasserstoffbindungen vorhanden, die für die Eigenschaften des Wassers ausschlaggebend sind. (Waserstoffbindung s. Abschn. 2.6). Wassser besitzt eine Reihe anomaler Eigenschaften, in denen es sich charakteristisch von anderen Flüssigkeiten unterscheidet. Schmelzpunkt, Siedepunkt. Verglichen mit den anderen Hydriden der 16. Gruppe hat Eis einen anomal hohen Schmelzpunkt (0 (C), flüssiges Wasser einen anomal hohen Siedepunkt (100 (C) (vgl. Abb. 2.116). H2S z. B. ist bei Normalbedingungen gasförmig. Dichtemaximum. Die Dichte von Eis bei 0 (C beträgt 0,92 g.cm3. Beim Schmelzen bricht die Gitterordnung zusammen, die Moleküle können sich dichter zusammenlagern und Wasser hat dann eine höhere Dichte als Eis. Das Dichtemaximum liegt bei 4 (C, es beträgt 1,0000 g.cm3. Diese Anomalie ist in der Natur von großer Bedeutung. Da Eis auf Wasser schwimmt, frieren die Gewässer nicht vollständig zu, dies ermöglicht das Weiterleben von Fauna und Flora. Beim Gefrieren dehnt sich das Wasser um 11 % aus, die dadurch auftretende Sprengwirkung gefrierenden Wassers in Rissen und Spalten von Gesteinen fördert ihre Verwitterung. Druckanomalie. Wasser geht nicht wie die meisten Flüsigkeiten bei hohem Druck in die kristalline Form über. Im Phasendiagramm von Wasser hat die Schmelzkurve daher eine negative Steigung (s. Abb. 3.6). Unter Druck schmilzt Eis bei Temperaturen unter 0 (C, es wird gleitfähig. Dies ermöglicht Schlittschuhlaufen und fördert Gletscherbewegungen. Wärmekapazität. Wasser besitzt eine sehr hohe Wärmekapazizät. Diese Eigenschaft hat einen großen Einfluss auf die Ozeanzirkulationen, die das lokale und globale Klima mitbestimmen. Zu den Anomalien des Wassers gehört auch die Vielfalt der Eisphasen. Derzeit sind 15 verschiedene Phasen bekannt. Bei Normaldruck existiert nur die Modifika-
4.5 Gruppe 16
437
tion Eis I. Sie ist isotyp mit β-Τridymit (Abb. 2.113). Jedes Wassermolekül ist tetraedrisch von 4 anderen umgeben. Jedes Sauerstoffatom ist an zwei Wasserstoffatome durch kovalente Bindungen und an zwei weitere durch Wasserstoffbindungen gebunden. Die Wasserstoffbindungen sind die Ursache dafür, dass die Struktur locker ist und Ursache für die Dichteanomalie. Im flüssigen Wasser ist ein raumerfüllendes Zufallsnetzwerk von Wasserstoffbrücken vorhanden. Die Nahordnung ist nicht perfekt. Die Wassermoleküle sind bevorzugt von vier Wassermolekülen umgeben, aber es existieren viele Netzwerkdefekte zu schwach gebundenen fünften Nachbarn. Das H-Brückennetzwerk ist nicht statisch, es fluktuiert. Ständig werden H-Brückenbindungen getrennt und neu geknüpft. Die Lebensdauer einer H-Brücke liegt im Bereich von nur 10K12 s. Die Stärke intakter H-Brücken beträgt etwa 12 kJ.mol. Gashydrate (Clathrathydrate). Die Fähigkeit der Wassermoleküle eine große Zahl von tetraedrisch koordinierten Netzwerken ausbilden zu können, ermöglicht nicht nur die Vielzahl von Eismodifikationen, sondern auch die Ausbildung von Einschlussverbindungen. Gashydrate sind Einschlussverbindungen mit großen Hohlräumen, die mit Gastmolekülen besetzt werden können. Die Strukturen sind aus unterschiedlichen Käfigelementen aufgebaut, z. B. sind in (H2O)20 12 Fünfringe (pentagonales Dodekaeder), in (H2O)24 12 Fünfringe und 2 Sechsringe zu Käfigen verknüpft. Die Käfige sind über Wasserstoffbrücken zu einem dreidimensionalen Gitter verbunden. Sie sind nur stabil, wenn die Käfige mit „Gastmolekülen“ besetzt sind. Gäste sind Edelgase (vgl. Abschn. 4.3.1) und polare organische Moleküle. Großes Interesse finden die riesigen Methanvorkommen, die in Gashydraten im Ozeanboden und in Permafrostregionen vorkommen. In diesen ist doppelt so viel Kohlenstoff gespeichert wie in allen fossilen Energieträgern (Kohle, Erdöl, Erdgas) zusammen (s. auch Abb. 4.68). Das Wasservolumen der Erde beträgt 1,4 · 109 km3, dies entspricht einem Würfel mit 1 100 km Seitenlänge. Davon sind 2,6 % Süßwasser (einschließlich der Eisvorkommen), nur 0,03 % ist als Trinkwasser verfügbar. Wasserarme Länder können Trinkwasser durch Meerwasserentsalzung gewinnen. Weltweit gibt es mehr als 12 000 Anlagen, die 26 Millionen Kubikmeter Trinkwasser pro Tag produzieren. Die Anlagen werden in etwa gleichen Anteilen mit dem Verdampfungsprinzip und dem Membranverfahren betrieben. Bei der thermischen Entsalzung wird Meerwasser erhitzt, aus dem verdampften Wasser durch Kondensation Trinkwasser gewonnen und die zurückbleibende Sole ins Meer geleitet. Beim Membranverfahren presst man Meerwasser unter hohem Druck durch eine semipermeable Membran, durch die gelöste Stoffe zu 99 % zurückgehalten werden. Fragen zu Wasser und Umwelt werden im Abschn. 4.11.2 behandelt. Wasser ist eine sehr beständige Verbindung. Bei 2 000 (C sind nur 2 % Wassermoleküle thermisch in H2- und O2-Moleküle gespalten. Die Autoprotolyse und das Lösungsvermögen von H2O sowie die Protolysegleichgewichte in H2O wurden bereits in Abschn. 3.7 behandelt.
438
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Wasserstoffperoxid H2O2 H2O2 ist eine sirupöse, fast farblose, in dicker Schicht bläuliche Flüssigkeit (Sdp. 150 (C, Smp. K0,4 (C). In den Handel kommt eine 30 %ige Lösung (Perhydrol). H2O2 hat die Strukturformel d d HdOdOdH d d aber es liegt eine verdrillte Kette von 4 Atomen vor (Abb. 4.15). Die O d O-Bindung ist schwach, die Bindungsenergie ist klein (vgl. Tabelle 2.15). H2O2 ist daher eine metastabile Verbindung, die sich bei höherer Temperatur K eventuell auch explosionsartig K zersetzt. H2O2 $% H2O C 21 O2
ΔH ( Z K98 kJ.mol
Abbildung 4.15 Struktur des H2O2-Moleküls. Die vier Atome des Moleküls bilden eine verdrillte Kette. Durch die Verdrillung wird die Abstoßung der freien Elektronenpaare der Sauerstoffatome verringert. Die noch vorhandene Abstoßung ist die Ursache für die geringe Bindungsenergie der O d O-Bindung.
Die Zersetzung wird durch Spuren von Schwermetallionen wie Fe3C, Cu2C, sowie Pt und alkalisch reagierende Stoffe katalysiert. Stabilisierend wirkt Phosphorsäure. H2O2 ist eine sehr schwache Säure (KS Z 10K12). Gegenüber vielen Verbindungen wirkt H2O2 sowohl in saurer als auch in alkalischer Lösung oxidierend. K2
K1
H 2O 2 C 2 H 3O C C 2 e K # 4 H 2 O
E ( Z C1,78 V
K K H2O2 oxidiert SO2 zu SO2K 4 , NO2 zu NO3 , Fe(II) zu Fe(III), Cr(III) zu Chromat. Gegenüber starken Oxidationsmitteln wirkt H2O2 reduzierend. K1
0
H2O2 C 2 H2O # O2C 2 H3OC C 2 eK
E ( Z C0,68 V
Dies ist gegenüber MnOK 4 , Cl2, Ce(IV), PbO2 und O3 der Fall. Die Reaktion C7
K1
0
C 2C C 14 H2O C 5 O2 2 M nOK 4 C 6 H3O C 5 H2O2 $% 2 Mn
wird zur titrimetrischen Bestimmung von H2O2 benutzt. H2O2 bildet ein tiefblaues Chromperoxid CrO5 (vgl. S. 809) und ein gelbes Peroxotitanylion [TiO2]2C (vgl. S. 790), die zum H2O2-Nachweis geeignet sind. H2O2 wird in großen Mengen technisch nach verschiedenen Verfahren produziert.
4.5 Gruppe 16
439
Durch elektrolytische Oxidation von H2SO4-SO2K 4 -Lösungen entsteht Peroxodisulfat, das durch Hydrolyse zu H2O2 umgesetzt wird.
Heute wird H2O2 ganz überwiegend nach dem Anthrachinon-Verfahren hergestellt. Anthrachinon wird zu Anthrahydrochinon hydriert. Durch Oxidation mit Luftsauerstoff entsteht H2O2 und Anthrachinon, das wieder hydriert werden kann.
(R Z C2H5) H2O2 entsteht also letztlich aus H2 und O2. Wegen seiner Oxidationswirkung dient H2O2 als Desinfektionsmittel und als Bleichmittel. Perborat NaBO2 (OH)2 · 3 H2O (vgl. S. 583) ist Bestandteil von Waschmitteln. Die Reaktivität von Ozon, O3 wird durch H2O2 stark erhöht. Die Reaktion von H2O2 mit O3 wird industriell als Peroxon-Prozess eingesetzt, um Bakterien abzutöten oder (polychlorierte poly-)aromatische und andere schwer abbaubare (persistente) Kohlenwasserstoffe bei der Behandlung kontaminierter Böden, Grund- und Abwässer zu entfernen. Als Intermediat in der Peroxon-Reaktion wird die Bildung von Wasserstofftrioxid, HOOOH angenommen. Peroxide Peroxide enthalten Sauerstoff mit der Oxidationszahl K1. Ionische Peroxide sind formal Salze der schwachen zweibasigen Säure H2O2. Sie enthalten das Anion O2K 2 , das eine starke Anionenbase ist. Löst man Peroxide unter Kühlung in Wasser, erhält man eine alkalische Lösung von H2O2. Na2O2 C 2 H2O $% H2O2 C 2 NaOH Ohne Kühlung zersetzt sich wegen der Temperaturerhöhung und der katalytischen Wirkung der OHK-Ionen das gebildete H2O2 unter O2-Entwicklung. Na2O2 C H2O $% 2 NaOH C 21 O2 Beim Erhitzen zersetzen sich die Peroxide in das Oxid und O2. Bekannt sind die Peroxide der Alkalimetalle, sowie die von Ca, Sr, Ba. Wichtig sind Na2O2 und BaO2. Na2O2 entsteht beim Verbrennen von Na an der Luft. 2 Na C O2 $% Na2O2
ΔH( Z K505 kJ.mol
440
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Es ist bis 500 (C thermisch stabil, mit oxidierbaren Stoffen (Schwefel, Kohlenstoff, Aluminiumpulver) reagiert es explosiv. Es dient zum Bleichen von Papier und Textilrohstoffen. Mit CO2 entwickeln alle Alkalimetallperoxide Sauerstoff. Na2O2 C CO2 $% Na2CO3 C 21 O2 In der Raumfahrt wird das leichtere Li2O2 verwendet. Durch Oxidation von BaO erhält man BaO2 (vgl. S. 612). +
500K600 C
BaO C 21 O2 ####% BaO2 2 bar
ΔH ( Z K 71 kJ.mol
Bei höherer Temperatur wird O2 wieder abgegeben, bei 800 (C beträgt der O2-Druck 1 bar. BaO2 dient als Sauerstoffüberträger bei der Entzündung von Thermitgemischen (vgl. S. 562). Hyperoxide K, Rb, Cs verbrennen in O2 zu Verbindungen des Typs MeO2, die das Ion OK 2 enthalten. Die Oxidationszahl des Sauerstoffs ist K 21 . Sie kristallisieren wie CaC2 in einer tetragonal verzerrten NaCl-Struktur (Abb. 4.56). Außerdem sind LiO2, NaO2, Ba (O2)2, Sr (O2)2 bekannt. Ihre Darstellung ist komplizierter. Die Hyperoxide sind paramagnetisch. Sie sind starke Oxidationsmittel und reagieren heftig mit Wasser unter Disproportionierung. 1
K2
0
K1
K 2 OK 2 C 2 H2O $% O2C H2O2 C 2 OH
Dioxygenylverbindungen 1 C Sie enthalten das Kation OC 2 mit der Oxidationszahl C 2 . Das O2 -Kation ist paramagnetisch. Die Entfernung eines Elektrons aus einem der π*-Orbitale erfordert eine hohe Ionisierungsenergie. K O2 $% OC 2 Ce
ΔH ( Z 1168 kJ.mol
Der Reaktionspartner muss daher eine große Elektronenaffinität haben. Beispiele: C6
+
25 C
C5
K O2 C Pt F6 ##% OC 2 [Pt F6]
Außerdem sind bekannt: O2BF4, O2PF6, O2AsF6, O2SbF6, O2AuF6, O2RuF6. K 2K Einen Vergleich der Bindungseigenschaften der Teilchen OC zeigt 2 , O 2 , O2 , O 2 2K C Tabelle 4.13. Die O d O-Bindung wird in der Reihe vom O2 zum O2 geschwächt. Dies ist nach den MO-Energieniveaudiagrammen (Abb. 4.16) auch zu erwarten.
Ozonide Bei der Einwirkung von O3 auf die Hydroxide von Na, K, Rb, Cs entstehen Ozonide 1 MeO3, die das paramagnetische Ion OK 3 mit der Oxidationszahl K 3 enthalten. 3 KOH C 2 O3 $% 2 KO3 C KOH $ H2O C 21 O2
4.5 Gruppe 16
C
K
441
2K
Abbildung 4.16 Energieniveaudiagramme für die Teilchen O2 , O2, O2 , O2 .
Bekannt ist auch das Ozonid N (CH3)4O3, das stabiler ist als das stabilste Alkalimetallozonid CsO3. Nach der MO-Theorie ist der Bindungsgrad 1,25, da sich das ungepaarte Elektron in einem antibindenden π*-MO befindet (vgl. Abb. 4.10). C
K
2K
Tabelle 4.13 Bindungseigenschaften der O d O-Bindung für O2 , O2, O2 und O2 Anzahl der Valenzelektronen
Bindungsgrad
Bindungslänge in pm
Dissoziationsenergie D+ 298 in kJ.mol
O2C
11
2,5
112
628
O2
12
2
121
498
K
13
1,5
134
398
2K
14
1
149
126
O2 O2
4.5.5 Wasserstoffverbindungen von Schwefel, Selen und Tellur Die Elemente S, Se, Te, Po bilden die flüchtigen Hydride Monosulfan (Schwefelwasserstoff) H2S, Monoselan (Selenwasserstoff) H2Se, Monotellan (Tellurwasserstoff) H2Te und Poloniumhydrid H2Po. Vom Schwefel sind außerdem noch Polysulfane H2Sn bekannt.
442
4 Die Elemente der Hauptgruppen
H2S. H2Se. H2Te H2S und H2Se können aus den Elementen dargestellt werden. +
600 C
H2 C S ###$% H2S +
350K400 C
H2 C Se ###$% H2Se
ΔH ( Z K 20 kJ.mol ΔH ( Z C30 kJ.mol
H2Te ist eine stark endotherme Verbindung und wird durch Zersetzung ionischer Telluride hergestellt, z. B. nach Al2Te3 C 6 HCl $% 3 H2Te C 2 AlCl3 In analoger Reaktion entstehen aus Al2S3 und Al2Se3 H2S und H2Se. Im Labor stellt man H2S aus FeS her. FeS C 2 HCl $% H2S C FeCl2 H2S, H2Se und H2Te sind farblose, sehr giftige, unangenehm riechende Gase. H2S zerfällt bei hoher Temperatur in die Elemente. Bei 1 000 (C sind 25 % zerfallen. An der Luft verbrennt H2S mit blauer Flamme. H2S C 1,5 O2 $% H2O C SO2 In 1 l Wasser lösen sich bei 20 (C 2,6 l H2S. H2S wirkt reduzierend, z. B. auf Cl2 und konz. H2SO4. $% 2 HCl C S H2S C Cl2 H2S C H2SO4 $% SO2 C S C 2 H2O H2Se und H2Te sind als endotherme Verbindungen wenig beständig. An der Luft erfolgt Oxidation zu H2O und Se bzw. Te, ihre Darstellung muss daher unter Luftausschluss erfolgen. H2S, H2Se und H2Te sind schwache zweibasige Säuren. H2S C H2O # H3OC C HSK HSK C H2O # H3OC C S2K
KS Z 1,0 $ 10K7 KS Z 1,3 $ 10K13
Die Säurestärke nimmt K analog dem Gang bei den Hydrogenhalogeniden K in Richtung H2Te zu. Ursache ist die abnehmende Bindungsenergie. Die kleinen Säurekonstanten zeigen, dass S2K eine starke Anionenbase ist. Ionische Sulfide zersetzen sich daher in sauren Lösungen unter Entwicklung von H2S (s. S. 329).
Sulfide H2S bildet zwei Reihen von Salzen: Hydrogensulfide mit dem Anion HSK und Sulfide mit dem Anion S2K. Die Sulfide stark elektropositiver Metalle sind ionisch.
4.5 Gruppe 16
443
Beispiele: Na2S, K2S, Al2S3 Technisch erhält man Na2S durch Reduktion von Na2SO4. +
700K1 000 C
Na2SO4 C 4 C ####% Na2S C 4 CO Die aus NH3 und H2S im Stoffmengenverhältnis 2 : 1 hergestellte „farblose Ammoniumsulfidlösung“ enthält keine S2K-Ionen, sondern HSK-Ionen (s. Abschn. 3.7.9). Von Übergangsmetallen sind zahlreiche Sulfide bekannt, die in Strukturen mit überwiegend kovalenten Bindungen kristallisieren: Natriumchlorid-Struktur (Abb. 2.2), Zinkblende-Struktur (Abb. 2.54), Wurtzit-Struktur (Abb. 2.55), Nickelarsenid-Struktur (Abb. 2.56), Cadmiumiodid-Struktur (Abb. 2.58), Pyrit-Struktur (Abb. 5.91). Beispiele: Struktur
Verbindung
Antifluorit Natriumchlorid Nickelarsenid Pyrit Zinkblende Wurtzit Cadmiumiodid
Li2S, Na2S, K2S MgS, CaS, BaS, MnS, PbS, LaS, CeS, US, PuS FeS, CoS, NiS, VS, TiS, CrS FeS2, CoS2, NiS2, MnS2, OsS2, RuS2 BeS, ZnS, CdS, HgS ZnS, CdS, MnS TiS2, ZrS2, SnS2, PtS2, TaS2
Die Schwerlöslichkeit der Metallsulfide benutzt man zur Fällung und Trennung von Metallen. Bei pH Z 0 beträgt in einer gesättigten H2S-Lösung die Konzentration c (S2K) Z 10K21 mol.l (vgl. S. 326). Schwer lösliche Sulfide fallen daher mit H2S schon aus saurer Lösung aus (Schwefelwasserstoffgruppe): SnS HgS PbS Bi2S3 CuS CdS As2S3 Sb2S3 gelb orange braun schwarz schwarz dunkelbraun schwarz gelb Weniger schwer lösliche Sulfide fallen erst in ammoniakalischer Lösung aus, in der die S2K-Konzentration wesentlich größer ist (Ammoniumsulfidgruppe): NiS schwarz
CoS FeS MnS ZnS schwarz schwarz fleischfarben weiß
Als Reagenz eignet sich Thioacetamid, das mit Wasser zu H2S reagiert.
444
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Polysulfide und Polysulfane Schmilzt man Alkalimetallsulfide mit Schwefel bei 500 (C unter Luftausschluss, so entstehen Alkalimetallpolysulfide, die gewinkelte Schwefelketten enthalten: S( S )n S 2'( Gießt man Lösungen von Alkalimetallpolysulfiden unter Kühlung in Salzsäure, erhält man ein gelbes Rohöl, das aus den Polysulfanen H2Sn (n Z 4 bis 8) besteht. Na2Sn C 2 HCl $% 2 NaCl C H2Sn Durch Crack-Destillation können auch H2S2 und H2S3 isoliert werden. Polysulfane sind gelbe Flüssigkeiten. Sie sind schwache Säuren. Sie sind instabil in Bezug auf einen Zerfall in H2S und S8, der schon durch Spuren von Hydroxiden ausgelöst wird. Bedeutung haben Polysulfane für Kondensationsreaktionen zur Synthese z. B. von Schwefelringen (vgl. S. 432).
Lösungen von Polysulfiden (z. B. Na2Sn oder (NH4)2Sn „gelbe Ammoniumsulfidlösung“) zersetzen sich beim Ansäuern in H2S und S. Mit polaren Medien (z. B. Aceton) entstehen aus Alkalimetallpolysulfiden farbige Lösungen, die Polyschwefelanionen SK n enthalten. SK SK 2 3 gelbgrün blau
SK 4 rot
Die blaue Farbe des Ultramarins (Lapislazuli) entsteht durch SK 3 -Ionen, die sich in den Hohlräumen des Alumosilicatgitters befinden (vgl. S. 543).
4.5.6 Oxide des Schwefels Tabelle 4.14 Schwefeloxide Oxidationszahl ! C1 ! C1 C1 C2 C2 C4 C6 C6 C6
Polyschwefelmonooxide Heptaschwefeldioxid Dischwefelmonooxid Schwefelmonooxid Dischwefeldioxid Schwefeldioxid Schwefeltrioxid Schwefeltetraoxid Polyschwefelperoxid
SnO n Z 5 K 10 S7O2 S 2O SO S2O2 SO2 SO3 SO4 (SO3 K 4)n
4.5 Gruppe 16
445
Die stabilsten und ökonomisch wichtigsten Oxide sind Schwefeldioxid SO2 und Schwefeltrioxid SO3. Es gibt eine Reihe weiterer, zum Teil sehr instabiler Schwefeloxide. Eine Übersicht gibt Tabelle 4.14.
Niedere Schwefeloxide Die Polyschwefelmonooxide SnO und das Polyschwefeldioxid S7O2 leiten sich strukturell von den entsprechenden Schwefelringen ab. Beispiele:
Die kristallinen Substanzen sind dunkelgelb bis orange und zersetzen sich bei Raumtemperatur langsam in Schwefel und SO2. Man kann sie durch Einwirkung von Trifluorperoxoessigsäure auf Schwefel Sn in CS2 bei K10 bis K40 (C herstellen.
Dischwefelmonooxid S2O entsteht durch Überleiten von Thionylchloriddampf über Ag2S. +
160 C
Ag2S C SOCl2 ##% 2 AgCl C S2O Die gasförmige Substanz ist unter vermindertem Druck nur einige Tage haltbar. Das S2O-Molekül ist gewinkelt, die Struktur ist analog der von SO2.
Schwefelmonooxid SO und Dischwefeldioxid S2O2 sind instabile Moleküle. SO zersetzt sich in weniger als 1 s in S und SO2. S2O2 zersetzt sich in einigen Sekunden in SO. SO ist wie O2 und S2 paramagnetisch, Bindungslänge und Dissoziationsenergie (524 kJ.mol) entsprechen einer Doppelbindung.
446
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Schwefeldioxid SO2 SO2 ist ein farbloses, stechend riechendes, korrodierendes Gas (Sdp. K10 (C). Es löst sich gut in Wasser, die Lösung reagiert schwach sauer (vgl. S. 452) und wirkt reduzierend. Es wird als Desinfektionsmittel (Ausschwefeln von Weinfässern) verwendet. Das SO2-Molekül ist gewinkelt (119,5(), die Bindungsabstände sind mit 143 pm fast gleich. Es kann mit zwei mesomeren Grenzstrukturen beschrieben werden.
O
S
O
O
S
O
Die beiden σ-Bindungen werden von sp2-Hybridorbitalen des S-Atoms gebildet. Die πBindung ist delokalisiert, es ist eine Mehrzentren-π-Bindung. In der üblichen Formel
O
S
O
symbolisieren die roten π-Bindungsstriche diese eine delokalisierte π-Bindung (3Zentren-4-Elektronen-Bindung, d. h. ein bindendes π-Orbital über 3 Atome und ein besetztes nichtbindendes Orbital). Technisch wird SO2 durch Verbrennen von Schwefel S C O2 $% SO2
ΔH+ B Z K 297 kJ.mol
und durch Erhitzen sulfidischer Erze an der Luft (Abrösten) 4 FeS2 C 11 O2 $% 2 Fe2O3 C 8 SO2 hergestellt und zu Schwefelsäure weiterverarbeitet. Fossile Brennstoffe enthalten Schwefel. Bei ihrer Verbrennung entsteht SO2, das besonders in Ballungsräumen zu Umweltbelastungen führt. In der Bundesrepublik Deutschland betrug 1990 die SO2-Emission 5,2 · 106 t, sie konnte durch Umweltschutzmaßnahmen und Änderungen der industriellen Struktur in den neuen Ländern bis 2004 auf 0,56 · 106 t reduziert werden (56 % entstehen bei der Energieproduktion). Emissionsdaten und die Schadstoffwirkungen von SO2, sowie Verfahren zur Rauchgasentschwefelung enthält Abschn. 4.11. Schwefeltrioxid SO3 SO3 kommt in mehreren Modifikationen vor. Monomer existiert es nur im Gaszustand im Gleichgewicht mit S3O9-Molekülen. 3 SO3 # S3O9
ΔH ( Z K126 kJ.mol
Das SO3-Molekül ist trigonal-planar gebaut und enthält drei gleich starke SdODoppelbindungen (Bindungsabstand 142 pm; SdO-Einfachbindung 162 pm).
O O
S
O
4.5 Gruppe 16
447
Die σ-Bindungen werden von sp2-Hybridorbitalen des S-Atoms gebildet. Es gibt eine 4-Zentren-π-Bindung, jede Bindung besitzt Doppelbindungscharakter. Die Doppel-Bindungsstriche symbolisieren diese eine Mehrzentren-π-Bindung (und zwei besetzte nichtbindende Orbitale). Am Beispiel SO3 wurden diese nicht-klassischen π-Bindungen im Abschn. 2.2.12 erörtert. Kühlt man gasförmiges SO3 auf K80 (C ab, entsteht kristallines, eisartiges γ-SO3, das bei 17 (C schmilzt und bei 44 (C siedet. γ-SO3 ist aus S3O9-Molekülen aufgebaut. Es sind gewellte Ringe, in denen die S-Atome verzerrt tetraedrisch von Sauerstoff umgeben sind.
Unterhalb Raumtemperatur wandelt sich γ-SO3 in stabilere, asbestartige Modifikationen (β-SO3, α-SO3) um, die weiße, seidig glänzende Nadeln bilden. β-SO3 besteht aus kettenförmigen Molekülen
O H O (S O)n H O
n ~ 105
und ist eigentlich eine Polyschwefelsäure. Die genaue Struktur von α-SO3 ist nicht bekannt, wohl aber der von β-SO3 ähnlich. SO3 ist eine sehr reaktive Verbindung, ein starkes Oxidationsmittel und das Anhydrid der Schwefelsäure. Die wichtige technische Darstellung von SO3 wird bei der Schwefelsäure behandelt. Peroxoschwefeloxide Schwefeltetraoxid SO4 entsteht durch Reaktion von SO3 mit atomarem Sauerstoff. Monomeres SO4 wurde bei 15K78 K durch Matrixtechnik (siehe Abschn. 4.3.1) isoliert. Es zerfällt noch unterhalb Raumtemperatur. Polyschwefelperoxide (SO3 D x)n , 0 ! x ! 1, leiten sich von β-SO3 durch statistischen Ersatz von Sauerstoffbrücken durch Peroxobrücken ab.
O
O
O
O S O O S O S O O O Oberhalb 15 (C erfolgt Zerfall in SO3 und O2.
448
4 Die Elemente der Hauptgruppen
4.5.7 Sauerstoffsäuren des Schwefels Die folgende Tabelle 4.15 gibt eine Übersicht über die bekannten Oxosäuren, ihre Namen und Oxidationszahlen, sowie ihre Salze. Tabelle 4.15 Sauerstoffsäuren des Schwefels Oxidationszahl
Säuren des Typs H2SOn und ihre Salze
C1 C2 C3 C4 C5 C6 C6
Säuren des Typs H2S2On und ihre Salze H2S2O2
H2SO2 Sulfoxylsäure Sulfoxylate
H2S2O3
H2SO3 Schweflige Säure Sulfite
H2S2O5
H2SO4 Schwefelsäure Sulfate H2SO5 Peroxoschwefelsäure Peroxosulfate
H2S2O7
H2S2O4
H2S2O6
H2S2O8
Thioschweflige Säure Thiosulfite Thioschwefelsäure Thiosulfate Dithionige Säure Dithionite Dischweflige Säure Disulfite Dithionsäure Dithionate Dischwefelsäure Disulfate Peroxodischwefelsäure Peroxodisulfate
Als reine Verbindungen isolierbar sind: Schwefelsäure, Dischwefelsäure, Peroxoschwefelsäure, Peroxodischwefelsäure, Thioschwefelsäure. Die übrigen Sauerstoffsäuren sind nur in wässriger Lösung oder in Form ihrer Salze bekannt. Die Sulfoxylsäure und die Thioschweflige Säure treten nur als kurzlebige Zwischenprodukte auf, z. B. bei der Hydrolyse von SnCl2 (n Z 1, 2). Mit Ausnahme der einbasigen Peroxoschwefelsäure sind alle Säuren zweibasig. Die Säurestärke wächst mit zunehmendem n. Bei gleicher Oxidationszahl sind Dischwefelsäuren stärker als Monoschwefelsäuren. Redoxverhalten und Disproportionierungsneigung sind aus den Potentialdiagrammen abzulesen (Zahlenangaben: Standardpotentiale in V).
4.5 Gruppe 16
449
Das Oxidationsvermögen ist in saurer Lösung, das Reduktionsvermögen in alkalischer Lösung größer. Das stärkste Oxidationsmittel ist Peroxodisulfat, es folgt Dithionat; das stärkste Reduktionsmittel ist Dithionit, gefolgt von Sulfit. disproportioniert nur Schwefel disproportioniert nur in alkalischer Lösung. S2O2K 3 durch Komin saurer Lösung, in alkalischer Lösung bildet es sich aus S8 und SO2K 3 proportionierung. Dithionit und Sulfit können sowohl in saurer als auch in alkalischer Lösung disproportionieren. Sulfat ist disproportionierungsstabil. Schwefelsäure H2SO4. Dischwefelsäure H2S2O7 Schwefelsäure ist eines der wichtigsten großtechnischen Produkte (2005 wurden in Deutschland 5,6 · 106 t produziert, Weltproduktion ca. 140 · 106 t). Die Hauptmenge wird zur Herstellung von Kunstdünger verwendet (vgl. S. 499). Schwefelsäure wird heute fast ausschließlich nach dem Kontaktverfahren hergestellt. Das Bleikammerverfahren (vgl. S. 307) besitzt keine Bedeutung mehr. SO2 wird mit Luftsauerstoff zu SO3, dem Anhydrid der Schwefelsäure, oxidiert. SO2 C 21 O2 $% SO3
ΔH ( Z K99 kJ.mol
Mit zunehmender Temperatur verschiebt sich das Gleichgewicht in Richtung SO2, da die Reaktion exotherm ist (Abb. 3.37). Bei Raumtemperatur reagieren SO2 und O2 praktisch nicht miteinander. Bei höherer Temperatur stellt sich zwar das Gleichgewicht schnell ein, es liegt aber dann auf der Seite von SO2. Damit die Reaktion bei günstiger Gleichgewichtslage mit gleichzeitig ausreichender Reaktionsgeschwindigkeit abläuft, müssen Katalysatoren verwendet werden. Beim Kontaktverfahren benutzt man V2O5 auf SiO2 als Trägermaterial und arbeitet bei 420K440 (C. Bei der Sauerstoffübertragung durch den Katalysator laufen schematisch folgende Reaktionen ab. V2O5 C SO2 $% V2O4 C SO3 V2O4 C 21 O2 $% V2O5 SO3 löst sich schneller in H2SO4 als in Wasser. Dabei bildet sich Dischwefelsäure. Diese wird dann mit Wasser zu H2SO4 umgesetzt. SO3 C H2SO4 $% H2S2O7 H2S2O7 C H2O $% 2 H2SO4 Reine Schwefelsäure ist eine farblose, ölige Flüssigkeit (Smp. 10 (C, Sdp. 280 (C). Die konzentrierte Säure des Handels ist 98 %ig, sie siedet azeotrop bei 338 (C. Schwefelsäure mit einem Überschuss an SO3 heißt rauchende Schwefelsäure (Oleum). Konzentrierte Schwefelsäure wirkt Wasser entziehend und wird deshalb als Trocknungsmittel verwendet (Gaswaschflaschen, Exsiccatoren). Auf viele organische Stoffe wirkt konz. H2SO4 verkohlend. Beim Vermischen mit Wasser tritt eine hohe Lösungsenthalpie auf. Konz. H2SO4 wirkt oxidierend, heiße Säure löst z. B. Kupfer, Silber und Quecksilber.
450
4 Die Elemente der Hauptgruppen C6
0
C2
C4
2 H2 SO4 C Cu $% CuSO4 C SO2 C 2 H2O Gold und Platin werden nicht angegriffen. Eisen wird von konz. H2SO4 passiviert. Die elektrische Leitfähigkeit reiner Schwefelsäure kommt durch ihre Autoprotolyse zustande. K 2 H2SO4 # H3SOC 4 C HSO4
Bei 25 (C beträgt das Ionenprodukt K4 K c (H3SOC mol2.l2. 4 ) $ c (HSO4 ) Z 2,7 $ 10
In wässriger Lösung ist H2SO4 eine starke, zweibasige Säure und ist praktisch vollstänK dig in H3OC und HSOK 4 protolysiert. HSO4 protolysiert in der 2. Stufe zu ca. 1 %. H2SO4 C H2O # H3OC C HSOK 4 C 2K C H O # H O C SO HSOK 4 2 3 4
pKS Z K 3,0 pKS Z C1,96
Von H2SO4 leiten sich Hydrogensulfate mit dem Anion HSOK 4 und Sulfate mit dem ab. Schwerlöslich sind BaSO , SrSO und PbSO Anion SO2K 4 4 4 4. Die wasserfreie Dischwefelsäure bildet eine durchsichtige, kristalline Masse (Smp. 36 (C). Disulfate entstehen beim Erhitzen von Hydrogensulfaten. 2 NaHSO4 $% Na2S2O7 C H2O 2K H2SO4, HSOK und H2S2O7 können mit den folgenden Strukturformeln be4 , SO4 schrieben werden.
O
O H O S O H O
H O S O O
O
O
O S O O
O
H O S O S O H O O
Die S d O-Bindungslängen im tetraedrisch gebauten SO2K 4 -Ion sind gleich (151 pm), die π-Bindungen delokalisiert. Im HSOK 4 -Ion sind die Mehrzentren-π-Bindungen über drei Bindungen delokalisiert (Bindungslänge 147 pm). Im H2SO4-Molekül sind beide π-Bindungen lokalisiert (Bindungslänge 143 pm). Das SO2K 4 -Ion ist isoelektroK nisch zu ClO4 , die Bindungsverhältnisse sind analog (siehe Abschn. 2.2.12 Molekülorbitale, Hyperkonjugation). Halogenderivate der Schwefelsäure Ersetzt man in der Schwefelsäure OH-Gruppen durch Halogene X, erhält man Halogenoschwefelsäuren Sulfurylhalogenide
und
4.5 Gruppe 16
451
Die Darstellung der Halogenoschwefelsäuren (Halogensulfonsäuren) erfolgt aus SO3 und HF, HCl bzw. HBr. HI wird zu I2 oxidiert.
O SO3 + HX
X = F, Cl, Br
H O S X O
Chloroschwefelsäure (Chlorsulfonsäure) ist eine farblose, an der Luft rauchende Flüssigkeit. Mit Wasser reagiert sie heftig. HSO3Cl C H2O $% H2SO4 C HCl HSO3Cl ist ein starkes Sulfonierungsmittel (Einführung der Sulfongruppe HSO3d). RH C HSO3Cl $% HSO3R C HCl Die Sulfurylhalogenide werden bei den Schwefelhalogenidoxiden besprochen (S. 459). Peroxomonoschwefelsäure H2SO5 (Caro’sche Säure). Peroxodischwefelsäure H2S2O8
O O .
Die Peroxosäuren enthalten die Peroxogruppe
O H O S O O H O
O
O
H O S O O S O H O O
H2S2O8 ist hygroskopisch (Smp. 65 (C) und ein starkes Oxidationsmittel. In Wasser erfolgt zunächst Hydrolyse zu H2SO5 und H2SO4.
H2SO5 ist ebenfalls hygroskopisch (Smp. 45 (C) und ein starkes Oxidationsmittel. Mit Wasser hydrolysiert die Caro’sche Säure langsam zu H2O2 und H2SO4.
452
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Diese Reaktion ist umkehrbar und man erhält H2SO5 durch Einwirkung von H2O2 auf kalte konz. H2SO4. Setzt man Chloroschwefelsäure mit H2O2 unter Kühlung um, so erhält man H2SO5 und H2S2O8 in reinen, farblosen Kristallen.
Von H2SO5 sind keine Salze bekannt. Festes H2SO5 besteht aus Schichten mit Wasserstoffbindungen zwischen den Molekülen. Die Salze von H2S2O8 heißen Peroxodisulfate, ihre Lösungen sind relativ beständig, sie sind starke Oxidationsmittel und oxidieren in Gegenwart von AgC als Katalysator z. B. Mn2C zu MnOK 4 und Cr3C zu Cr2O2K 7 . Peroxodisulfate werden technisch durch anodische Oxidation konzentrierter Sulfatlösungen bei hoher Stromdichte an Pt-Elektroden (Sauerstoffüberspannung) hergestellt: K $% S2O2K 2 SO2K 4 8 C2e
Bei verdünnten Lösungen und kleiner Stromdichte reagiert entladenes SO4 nicht 1 mit SO2K 4 -Ionen, sondern nach SO4 C H2O $% H2SO4 C 2 O2.
Schweflige Säure H2SO3. Dischweflige Säure H2S2O5 SO2 löst sich gut in Wasser (45 l SO2 in 1 l H2O bei 15 (C). Die Lösung reagiert sauer und wirkt reduzierend. Die hypothetische Schweflige Säure H2SO3 kann nicht isoliert werden. Auch in wässriger Lösung existiert keine nichtprotolysierte H2SO3. SO2 C H2O # H2SO3
K / 10K 9
Es existieren folgende Gleichgewichte: SO2 C 2 H2O # H3OC C HSOK 3 C 2K HSOK 3 C H2O # H3O C SO3
pKS Z 1,8 pKS Z 7,0
Bei höheren Konzentrationen entstehen S2O25 K-Ionen. 2K 2 HSOK 3 # S 2O 5 C H 2 O
Auch die Dischweflige Säure H2S2O5 ist sowohl als freie Säure als auch in Lösungen unbekannt. Von der hypothetischen Säure H2SO3 leiten sich zwei Reihen von Salzen ab, die 2K Hydrogensulfite mit dem Anion HSOK 3 und die Sulfite mit dem Anion SO3 . Hy-
4.5 Gruppe 16
453
drogensulfite sind leicht löslich, Sulfite K mit Ausnahme der Alkalimetallsulfite K schwer löslich. Man erhält sie durch Einleiten von SO2 in Laugen. NaOH C SO2 $% NaHSO3 NaHSO3 C NaOH $% Na2SO3 C H2O Disulfite entstehen durch Wasserabspaltung aus Hydrogensulfiten. 2 NaHSO3 $% Na2S2O5 C H2O „Schweflige Säure“ und ihre Salze wirken reduzierend. Man verwendet sie daher zum Bleichen und Konservieren. Die Reduktionswirkung ist in alkalischer Lösung stärker als in saurer Lösung. K K 2K SO2K 3 C 2 OH # SO4 C H2O C 2 e
E ( Z K 0,93 V
Die Anionen haben folgende Strukturen:
Die π-Bindungen sind delokalisiert. Beim tautomeren Gleichgewicht1 von HSOK 3 erfolgt der Ortswechsel des HC-Ions so rasch, dass sich keine der beiden Formen isolieren lässt. Von beiden Formen sind aber Ester bekannt: O2SR (OR) Alkylsulfonsäureester, OS (OR)2 Dialkylsulfite. Die S d S-Bindung im Disulfition ist länger als eine normale S d S-Einfachbindung. Na2S2O5 zerfällt daher bereits bei 400 (C in Na2SO3 und SO2. Dithionige Säure H2S2O4 Dithionite erhält man durch Reduktion von Hydrogensulfiten (mit Zink oder durch kathodische Reduktion). C4
C3
K K $% S2O2K 2 HSOK 3 C2e 4 C 2 OH
Es sind starke Reduktionsmittel, da sie in Umkehrung der Bildungsreaktion die beständigere Oxidationszahl C4 erreichen.
1
Unter Tautomerie versteht man das gleichzeitige Vorliegen von zwei oder mehr isomeren Formen eines Moleküls im Gleichgewicht. Die Tautomere unterscheiden sich nur in der Position einer beweglichen Gruppe, die Umwandlung erfolgt meist schnell.
454
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Im Anion S2O2K 4
ist eine extrem lange S d S-Bindung (239 pm) vorhanden, die leicht zu spalten ist und die die geringe Beständigkeit der Oxidationszahl C3 erklärt. H2S2O4 kann man nicht isolieren. Beim Ansäuern zerfallen Dithionite nach C4
C3
C2
K 2K 2 S2O2K 4 C H2O $% 2 HSO3 C S2O3
Dithionsäure H2S2O6 H2S2O6 ist nur in wässriger Lösung beständig. Dithionate erhält man durch Oxidation von Hydrogensulfiten (mit MnO2 oder durch anodische Oxidation). C4
C5
C K 2K 2 HSOK 3 C 2 H2O $% S2 O6 C 2 H3O C 2 e
Dithionsäure und Dithionate wirken nicht oxidierend, sie disproportionieren aber leicht. C6
C5
C4
$% S O2K S2 O2K 6 4 C S O2
Struktur des S2O2K 6 -Anions:
Thioschwefelsäure H2S2O3 In der Thioschwefelsäure ist ein Sauerstoffatom der Schwefelsäure durch ein Schwefelatom („thio“) ersetzt.
O O S O
S
Die S d O-Bindungen haben starken Doppelbindungscharakter (Bindungslänge 147 pm), der Doppelbindungscharakter der S d S-Bindung ist schwächer (Bindungslänge 201 pm). Für die beiden Schwefelatome erhält man die mittlere Oxidationszahl C2 (vgl. Tab. 4.15 und Abschn. 3.8.1). In wasserfreiem Zustand kann H2S2O3 bei K80 (C als farblose, ölige Flüssigkeit hergestellt werden, z. B. nach SO3 C H2S $% H2S2O3
4.5 Gruppe 16
455
Beim Erwärmen zerfällt sie schon unterhalb 0 (C wieder in H2S und SO3. Die Salze, die Thiosulfate, sind in Wasser beständig. Man erhält sie durch Kochen von Sulfitlösungen mit Schwefel. S8 C 8 Na2SO3 $% 8 Na2S2O3 Zunächst sprengt SO2K den S8-Ring unter Anlagerung des freien Elektronenpaars 3 abgebaut. am Schwefel. Dann wird die Schwefelkette schrittweise durch SO2K 3
Angesäuerte Thiosulfatlösungen zersetzen sich unter Schwefelabscheidung. H2S2O3 $% H2O C SO2 C S Praktische Bedeutung hat Natriumthiosulfat Na2S2O3 · 5H2O in der Fotografie als Fixiersalz (vgl. S. 754). wirkt reduzierend. In der Bleicherei benutzt man es zur Entfernung von S2O2K 3 Chlor aus chlorgebleichten Geweben. Na2S2O3 C 4 Cl2 C 5 H2O $% Na2SO4 C H2SO4 C 8 HCl Die quantitative Reaktion mit Iod zu Tetrathionat S4O2K (vgl. Polythionsäuren) wird 6 in der analytischen Chemie (Iodometrie) verwendet. 2 SSO2K 3 C I2
%$K
K O3S d S d S d S d SOK 3 C2I
Formal kann man H2S2O3 auch von H2S (Monosulfan) durch Ersatz eines H-Atoms durch die Sulfonsäuregruppe d SO3H ableiten. Der rationelle Name ist dann Monosulfanmonosulfonsäure. Analog kann man eine Reihe von Schwefelsäuren von Polysulfanen H d (S)n d H ableiten, in denen beide H-Atome durch Sulfonsäuregruppen ersetzt sind. Sie heißen daher Polysulfandisulfonsäuren HO3S d (S)nK2 d SO3H (n Z 3 bis 14) oder auch Polythionsäuren. Sie sind farblose, ölige Flüssigkeiten und nur bei tiefen Temperaturen beständig. Die Zersetzlichkeit nimmt mit wachsender Kettenlänge zu. Isolierbar sind ihre Salze, z. B. die farblos kristallisierenden Alkalimetallpolythionate. In den Polythionaten sind Schwefel-Zickzack-Ketten mit Einfachbindungen vorhanden.
4.5.8 Oxide und Sauerstoffsäuren von Selen und Tellur Selendioxid SeO2 SeO2 entsteht beim Verbrennen von Selen. Se C O2 $% SeO2
ΔH( Z K225 kJ.mol
456
4 Die Elemente der Hauptgruppen
SeO2 bildet farblose Nadeln, die bei 315 (C sublimieren. In der Gasphase besteht es aus monomeren SeO2-Molekülen (Abb. 4.17a), in der kristallinen Phase liegen nichtplanare hochpolymere Ketten vor (Abb. 4.17b).
Abbildung 4.17 Struktur von SeO2. a) Die Gasphase besteht aus SeO2-Molekülen mit Se ] O-Doppelbindungen. b) Die kristalline Phase besteht aus polymeren, nichtplanaren Ketten. Alle Se d O-Bindungen haben Doppelbindungscharakter. Bindungslängen: Se d O 183 pm; Se ] O 160 pm.
Selentrioxid SeO3 SeO3 bildet farblose, hygroskopische Kristalle (Smp. 118 (C), die aus cyclischen, achtgliedrigen Se4O12-Molekülen bestehen. In der Gasphase stehen diese Moleküle mit monomerem SeO3 im Gleichgewicht. SeO3 ist ein noch stärkeres Oxidationsmittel als SO3. SeO3 erhält man durch Entwässerung von H2SeO4 mit P4O10 bei 150 (C. Mit Wasser reagiert SeO3 wieder zur Selensäure. Selenige Säure H2SeO3 SeO2 löst sich in Wasser unter Bildung der Selenigen Säure H2SeO3. Sie ist eine schwächere Säure als die Schweflige Säure, aber im Gegensatz zu dieser in Form farbloser Kristalle isolierbar. H2SeO3 wird von SO2, H2S, HI, N2H4 zu rotem Selen reduziert. H2SeO3 C 4 HI $% Se C 2 I2 C 3 H2O Selensäure H2SeO4 Selensäure bildet farblose, hygroskopische Kristalle, die bei 60 (C schmelzen. Sie kann durch Oxidation von H2SeO3 mit H2O2, KMnO4 oder von Se mit Cl2 dargestellt werden. H2SeO4 ist eine ebenso starke Säure wie H2SO4, ihr Oxidationsvermögen ist aber bedeutend stärker. Ein Gemisch aus Selensäure und Salzsäure bildet aktives Chlor und es löst wie Königswasser Gold und Platin unter Bildung von Chlorokomplexen. H2SeO4 C 2 HCl $% H2SeO3 C H2O C 2 Cl Wie H2SO4 ist H2SeO4 so stark Wasser entziehend, dass sie auf organische Substanzen verkohlend wirkt. Die Selenate PbSeO4 und BaSeO4 sind wie die Sulfate schwer löslich.
4.5 Gruppe 16
457
Tellurdioxid TeO2 TeO2 ist dimorph. α-TeO2 entsteht durch Verbrennung von Te in Luft. ΔH( Z K323 kJ.mol
Te C O2 $% α-TeO2
Es ist farblos (Smp. 733 (C) und kristallisiert in einem rutilähnlichen Ionengitter. TeO2 löst sich schlecht in Wasser. Es hat aber amphoteren Charakter und löst sich in starken Säuren zu Te(IV)-Salzen (TeO2 C 4 H3OC $% Te4C C 6 H2O) und in starken Laugen zu Telluriten (TeO2 C 2 OHK $% TeO2K 3 C H2O). β-TeO2 kommt als gelbes Mineral (Tellurit) vor und kristallisiert in einer Schichtstruktur. Tellurige Säure H2TeO3 ist nur in wässriger Lösung bekannt. Sie ist eine schwache Säure, die beim Erwärmen in TeO2 und H2O zerfällt. Tellurtrioxid TeO3 TeO3 kommt in zwei Modifikationen vor. α-TeO3 ist gelb, in Wasser unlöslich, ein starkes Oxidationsmittel und zerfällt oberhalb 400 (C in TeO2 und O2. Es entsteht durch Erhitzen von Tellursäure. 300K360 +C
Te (OH)6 #$##% TeO3 C 3 H2O Das stabilere, weniger reaktive graue β-TeO3 entsteht durch Erhitzen von α-TeO3. Tellursäure H6TeO6 Die Orthotellursäure (Smp. 136 (C) wirkt wesentlich stärker oxidierend als die Schwefelsäure. Analog zur Periodsäure besitzt Tellur auf Grund seiner Größe in der Tellursäure die KZ 6. H6TeO6 ist eine sechsbasige Säure. Es sind saure Tellurate MenH6 KnTeO6 und neutrale Tellurate, z. B. Ag6TeO6, Hg3TeO6, bekannt. Das TeO6K 6 -Ion ist wie Te (OH)6 oktaedrisch gebaut. Die Tellursäure bildet Heteropolyanionen: [Te (MoO4)6]6K, [Te (WO4)6]6K (vgl. S. 821).
4.5.9 Halogenverbindungen Halogenide von Schwefel Die binären Halogenverbindungen des Schwefels sind in der Tabelle 4.16 zusammengestellt. Mit I bildet S nur eine endotherme, zersetzliche Verbindung, da die I d S-Bindung sehr schwach ist. Brom bildet nur Verbindungen, die sich von Polysulfanen ableiten. Mit Ausnahme von SF6 sind alle Schwefelhalogenide hydrolyseempfindlich. Schwefelhexafluorid SF6 ist ein farbloses und geruchloses, ungiftiges Gas (Sblp. K64 (C). Es entsteht aus elementarem Schwefel mit Fluor. S C 3 F2 $% SF6
ΔH+ B Z K1 220 kJ.mol
458
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Tabelle 4.16 Binäre Halogenverbindungen des Schwefels Oxidationszahl
Verbindungs- F typ
Cl
Br
C6
Schwefelhexa- SF6 fluorid farbloses Gas SX6 ΔH+ B ZK1220 kJ.mol
C5
Dischwefeldecafluorid X5SSX5
C4
Schwefeltetra- SF4 halogenide farbloses Gas ΔH+ SX4 B zK762 kJ.mol
SCl4 farblose Substanz Zers. O K30 (C
C2
Schwefeldihalogenide SX2
SF2 farbloses Gas ΔH+ B ZK298 kJ.mol
SCl2 rote Flüssigkeit ΔH+ B ZK49 kJ.mol
C1
Dischwefeldihalogenide XSSX oder SSX2
FSSF farbloses Gas ΔH+ B ZK350 kJ.mol
ClSSCl BrSSBr gelbe Flüssigkeit tiefrote ΔH+ B ZK58 kJ.mol Flüssigkeit
S2F10 farblose Flüssigkeit
SSF2 farbloses Gas ΔH+ B ZK385 kJ.mol C1
I
Polyschwefeldihalogenide SnX2 (n O 2)
SnCl2 gelbe bis orangerote Öle (isoliert bis n Z 8)
ISSI dunkelbraune Substanz Zers. O K31 (C
SnBr2 tiefrote Öle (isoliert bis n Z 8)
Es ist ungewöhnlich reaktionsträge und reagiert z. B. nicht mit Wasserdampf bei 500 (C, obwohl das Gleichgewicht der Reaktion SF6 C 4 H2O # H2SO4 C 6 HF ganz auf der rechten Seite liegt. Mit H2 kann SF6 erhitzt werden, ohne dass HF gebildet wird. Die Resistenz von SF6 wird auf die sterische Abschirmung des S-Atoms zurückgeführt. Im Molekül SF6 ist das S-Atom oktaedrisch von sechs F-Atomen umgeben. Die Bindungen wurden mit dem MO-Modell im Abschnitt 2.2.9 Molekülorbitale (Abb. 2.75) diskutiert. Reaktionen mit Lewis-Basen sind kinetisch gehemmt. SF5Cl ist dagegen ein hydrolyseempfindliches Gas, das wesentlich reaktionsfähiger ist. SF6 wird als gasförmiger Isolator in Hochspannungsanlagen verwendet, da es eine hohe Dielektrizitätskonstante besitzt. In Isolierglasfenstern wird SF6 im Fensterinnenraum anstelle von Luft zur Wärme- und Geräuschdämmung
4.5 Gruppe 16
459
eingesetzt. Die Produktion von SF6 beträgt weltweit mehrere tausend Tonnen im Jahr. Zur Wirkung als Treibhausgas siehe Abschn. 4.11.1.2. Als ein Begleiter von SF6 wurde SF5 d CF3 in der Atmosphäre nachgewiesen. Es ist wie SF6 ein äußerst wirksames Klimagas. Es bildet sich evtl. bei der Hochspannungsentladung im SF6-Schutzgas in Gegenwart von Fluorpolymeren. Schwefeltetrafluorid SF4 ist ein farbloses, sehr reaktionsfähiges Gas, das als Fluorierungsmittel verwendet wird und mit Wasser zu SO2 und HF reagiert. S2F2 ist die Summenformel von zwei isomeren gasförmigen Verbindungen: Thiothionylfluorid S Difluordisulfan
F
S S
F F S
(thermodynamisch stabiler) und
F F
S
S
F
Dischwefeldichlorid S2Cl2 ist das beständigste Schwefelchlorid und eine gelbe, stechend riechende Flüssigkeit, die beim Überleiten von Chlor über geschmolzenen Schwefel bei ca. 240 (C entsteht. S2Cl2 dient zur Herstellung von Schwefeldichlorid SCl2, Thionylchlorid SOCl2 und Schwefeltetrafluorid SF4. Es ist technisch von Bedeutung, da sich Schwefel unter Kettenbildung als SnCl2 (n Z 3 bis 100) löst und diese Lösungen zum Vulkanisieren von Kautschuk dienen. S2Cl2 ist wie alle Schwefelchloride hydrolyseempfindlich. SCl2 erhält man als dunkelrote Flüssigkeit aus Schwefel oder S2Cl2 mit einem Chlorüberschuss. Bei Raumtemperatur zersetzt sie sich langsam. 2 SCl2 $% S2Cl2 C Cl2 SCl2 ist Ausgangsstoff zur Herstellung des Kampfstoffes Senfgas (Lost). SCl2 (l) C C2H4 (g) $% S(CH2H2Cl)2 (l) Halogenide von Selen und Tellur Die Halogenide des Selens und Tellurs sind beständiger als die des Schwefels. Eine Ausnahme ist SF6. Mit den Oxidationszahlen C1, C2, C4 sind Chloride und Bromide bekannt. Mit der höchsten Oxidationszahl C6 sind nur Fluoride bekannt. Mit der Oxidationszahl C1 und C2 gibt es keine beständigen Fluoride. Wegen des stärker elektropositiven Charakters bildet nur Te beständige binäre Verbindungen mit I. Strukturell interessant sind die Subiodide Te2I, α-TeI, β-TeI und die Interkalationsverbindung (Te2)2I2, in der zwischen Schichten, die von Te2-Hanteln gebildet werden, Schichten aus I2-Molekülen eingelagert sind. Von TeI4 gibt es 5 Modifikationen, die alle aus tetrameren Molekülen aufgebaut sind; nur eine davon ist bei TeCl4 und TeBr4 bekannt. Typisch für die Tetrahalogenide von Se und Te ist die Bildung von 2K 2K Anionen wie SeCl2K 6 , TeBr6 , TeI6 . Schwefelhalogenidoxide Ersetzt man in Sauerstoffsäuren OH-Gruppen durch Halogenatome, erhält man formal Säurehalogenide. Halogenide der Schwefligen Säure sind die Thionylhalogenide
460
4 Die Elemente der Hauptgruppen
SOF2, SOCl2, SOBr2. Halogenide der Schwefelsäure sind die Sulfurylhalogenide SO2F2, SO2Cl2. Die Thionylhalogenide bestehen aus pyramidalen Molekülen mit sp3hybridisiertem Zentralatom. Die Sulfurylhalogenide sind verzerrt tetraedrisch gebaut. SOCl2 ist eine farblose Flüssigkeit (Sdp. 76 (C), die von H2O zu SO2 und HCl hydrolysiert wird. Man erhält es nach SO2 C PCl5 $% SOCl2 C POCl3 Die technische Gewinnung erfolgt durch Oxidation von SCl2. SCl2 C SO3 $% SOCl2 C SO2 Es wird als Chlorierungsmittel verwendet. SOF2 ist ein Gas, das man durch Chlor-Fluor-Austausch aus SOCl2 mit SbF3 oder HF erhält. SO2Cl2 ist eine farblose Flüssigkeit (Sdp. 69 (C), die aus SO2 und Cl2 in Gegenwart von Aktivkohle als Katalysator hergestellt wird. SO2 C Cl2 $% SO2Cl2 Mit Wasser erfolgt Hydrolyse. SO2Cl2 C 2 H2O $% H2SO4 C 2 HCl SO2Cl2 wird wie SOCl2 als Chlorierungsmittel verwendet. SO2F2 ist ein chemisch relativ inertes Gas. Man erhält es durch Halogenaustausch aus SO2Cl2.
4.6 Gruppe 15 4.6.1 Gruppeneigenschaften
Ordnungszahl Z Elektronenkonfiguration Ionisierungsenergie in eV Elektronegativität Nichtmetallcharakter Affinität zu elektropositiven Elementen Affinität zu elektronegativen Elementen Basischer Charakter der Oxide Salzcharakter der Halogenide
Stickstoff N
Phosphor P
Arsen As
Antimon Sb
Bismut Bi
7 [He]2s2 2p3
15 [Ne]3s2 3p3
14,5
11,0
33 [Ar]3d10 4s2 4p3 9,8
51 [Kr]4d10 5s2 5p3 8,6
83 [Xe]4f14 5d10 6s2 6p3 7,3
3,0
2,1
2,2 nimmt ab $% nimmt ab $% nimmt zu $% nimmt zu $% nimmt zu
%$1,8
1,7
4.6 Gruppe 15
461
Die Elemente der 15. Gruppe zeigen in ihren Eigenschaften ein weites Spektrum. Mit wachsender Ordnungszahl nimmt der metallische Charakter stark zu, und es erfolgt ein Übergang von dem typischen Nichtmetall Stickstoff zu dem metallischen Element Bismut. Auf Grund der Valenzelektronenkonfiguration s2 p3 sind in den Verbindungen die häufigsten Oxidationszahlen K3, C3 und C5. Die Beständigkeit der Verbindungen mit elektropositiven Elementen nimmt mit wachsender Ordnungszahl Z ab. NH3 ist beständig, BiH3 instabil. Bei Verbindungen mit elektronegativen Elementen nimmt die Beständigkeit mit Z zu, und sie werden ionischer. NCl3 ist flüssig, thermisch unbeständig und hydrolyseempfindlich, während BiCl3 farblose Kristalle bildet, die unzersetzt schmelzen. Mit steigender Ordnungszahl nimmt die Stabilität der Oxidationszahl C3 zu, die Oxidationszahl C5 wird instabiler. P4O6 ist im Unterschied zu Bi2O3 ein Reduktionsmittel, Bi2O5 im Unterschied zu P4O10 ein starkes Oxidationsmittel. Mit steigender Ordnungszahl nimmt der basische Charakter der Oxide zu. N2O3, P4O6 und As4O6 sind Säureanhydride, Sb2O3 ist amphoter, Bi2O3 ist ein Basenanhydrid. Stickstoff nimmt innerhalb der Gruppe eine Sonderstellung ein. Dafür sind mehrere Gründe maßgebend. Stickstoff ist wesentlich elektronegativer als die anderen Elemente. Stickstoff bildet im elementaren Zustand und in vielen Verbindungen (p-p)π-Bindungen. In den Verbindungen der anderen Elemente der Gruppe sind (p-p)π-Bindungen seltener und in den elementaren Modifikationen treten nur Einfachbindungen auf. Beim Vergleich der Oxide und der Sauerstoffsäuren des Stickstoffs mit denen des Phosphors wird die Wirkung dieser Unterschiede besonders deutlich.
4.6.2 Vorkommen Stickstoff ist der Hauptbestandteil der Luft, in der er molekular als N2 mit einem Volumenanteil von 78,1 % enthalten ist. In gebundener Form ist er im Chilesalpeter NaNO3 enthalten. Stickstoff ist Bestandteil der Eiweißstoffe. Da Phosphor sehr reaktionsfähig ist, kommt er in der Natur nur in Verbindungen vor. Die wichtigsten Mineralien sind die Phosphate. Häufig ist Apatit Ca5 (PO4)3 (OH, F, Cl). Seltener sind Vivianit (Blaueisenerz) Fe3 (PO4)2 · 8 H2O, Wavellit Al3 (PO4)2 (F, OH)3 · 5 H2O und Monazit, ein Phosphat, das Seltenerdmetalle und Thorium enthält. Hydroxylapatit bildet die Knochensubstanz der Wirbeltiere. Arsen kommt nur gelegentlich elementar vor (Scherbencobalt oder Fliegenstein genannt). Am häufigsten sind Arsenide: Arsenkies FeAsS, Glanzcobalt CoAsS, Arsennickelkies NiAsS, Arsenikalkies (Löllingit) FeAs2. In den Sulfiden Realgar As4S4 und Auripigment As2S3 ist As positiv polarisiert.
462
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Vom Antimon gibt es in der Natur wie beim Arsen Sulfide und Metallantimonide. Am häufigsten ist der Grauspießglanz Sb2S3. Elementares Sb ist selten und tritt meist in Form von Mischkristallen mit As auf. Die wichtigsten Bismuterze sind Bismutglanz Bi2S3 und Bismutocker Bi2O3.
4.6.3 Die Elemente Schmelzpunkt in (C Siedepunkt in (C
Stickstoff
Phosphor
Arsen
Antimon
Bismut
K210 K196
44* 280*
817** 616 (Sblp.)***
630 1635
271 1580
* weißer Phosphor ** graues Arsen unter Luftabschluss bei 27 bar *** graues Arsen sublimiert bei Normaldruck, ohne zu schmelzen
Die Elemente treten im elementaren Zustand in einer Reihe unterschiedlicher Strukturen auf. In allen Strukturen bilden die Atome auf Grund ihrer Valenzelektronenkonfiguration drei kovalente Bindungen aus.
4.6.3.1 Stickstoff Stickstoff ist bei Raumtemperatur ein Gas (Sdp. K196 (C, Smp. K210 (C), das aus N2-Molekülen besteht. l N^N l Die Stickstoffatome sind durch eine σ-Bindung und zwei π-Bindungen aneinander gebunden (vgl. Abschn. 2.2.6 und 2.2.12). Die Dissoziationsenergie ist ungewöhnlich hoch. N2 # 2 N
ΔH ( Z C 945 kJ.mol
Die N2-Moleküle sind dementsprechend chemisch sehr stabil und Stickstoff wird oft als Inertgas bei chemischen Reaktionen verwendet. Eine Aktivierung erfolgt bei hohen Temperaturen oder durch Katalysatoren (s. S. 471). Bei hohen Drücken (115 GPa) und hohen Temperaturen (2 500 K) entsteht eine kristalline gelbe Hochdruckmodifikation des Stickstoffs. In der kubischen Kristallstruktur ist jedes Stickstoffatom von drei Nachbarn in einem dreidimensionalen Raumverband koordiniert. Der Energieinhalt ist fünfmal so groß wie im stärksten nichtnuklearen Sprengstoff. Die technische Stickstoffherstellung (Produktion 2005 in Deutschland 5,6 · 109 m3, Weltproduktion ca. 108 t) erfolgt durch fraktionierende Destillation verflüssigter Luft (vgl. S. 425). Die Entfernung von Sauerstoff aus der Luft durch Reaktion mit glühendem Koks zu CO (vgl. S. 472) hat heute keine technische Bedeutung mehr.
4.6 Gruppe 15
463
Chemisch reinen Stickstoff erhält man durch thermische Zersetzung von Natrium300 +C azid 2 NaN3 $#% 2 Na C 3N2 oder durch Erwärmen konzentrierter NH4NO2-Lösungen. K3
C3
70 +C
0
N H4 NO2 #% N2 C 2 H2O
N2 ist isoelektronisch1 mit CO, NOC und CNK, von denen schon lange Komplexe mit Übergangsmetallen bekannt sind.
N
N
C O
N O
C N
Seit 1965 sind auch Distickstoffkomplexe bekannt. Beispiel: [Ru (H2O)(NH3)5]Cl2 C N2 $$$% [Ru (N2)(NH3)5]Cl2 KH2O
Beständige Komplexe des Typs Me (N2)x konnten bisher jedoch nicht hergestellt werden. Einige Mikroorganismen sind in der Lage, Luftstickstoff N2 enzymatisch aufzunehmen und zum Aufbau von Aminosäuren zu verwenden. An der katalytischen Reduktion von N2 zu NH3 sind Metall-Cluster von Fe und Mo beteiligt (vgl. S. 852). Stickstoff ist ein wesentlicher Bestandteil von Aminosäuren und Nucleobasen. Die pflanzliche Stickstoffassimilation ist eine ebenso wesentliche Voraussetzung für das Leben auf der Erde wie die Photosynthese. Stickstoff bildet als einziges Element der Gruppe mit sich selbst Moleküle mit (p-p)π-Bindungen. Bei den Strukturen der anderen Elemente sind die Atome durch Einfachbindungen an drei Nachbarn gebunden.
4.6.3.2 Phosphor Phosphor tritt in mehreren festen Modifikationen auf (Abb. 4.18). Weißer Phosphor entsteht bei der Kondensation von Phosphordampf. Er ist wachsweich, weiß bis gelblich, schmilzt bei 44 (C und löst sich in CS2, nicht in H2O. Er ist sehr reaktionsfähig und sehr giftig. Er verbrennt zu P4O10, in fein verteilter Form entzündet er sich an der Luft von selbst und er wird daher unter Wasser aufbewahrt. Durch brennenden Phosphor entstehen auf der Haut gefährliche Brandwunden. Im Dunkeln leuchtet weißer Phosphor (Chemilumineszenz). Die spurenweise abgegebenen Dämpfe werden von Luftsauerstoff zunächst zu P4O6 und dann unter Abgabe von Licht zu P4O10 1
Isoelektronisch sind Moleküle, Ionen oder Formeleinheiten, wenn die Anzahl der Atome und Elektronen und die Elektronenkonfiguration gleich sind. Man verwendet den Begriff isoelektronisch im weiteren Sinne auch bei gleicher Valenzelektronenzahl und ValenzelektronenkonfiK K guration, z. B. für SiO2 und BeF2 oder BF4 und ClO4 . Genauer sollte man dies dann als isovalenzelektronisch bezeichnen. Als isoster werden Teilchen bezeichnet, die isoelektronisch sind und außerdem die gleiche Gesamtladung besitzen.
464
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Abbildung 4.18 Modifikationen des Phosphors.
oxidiert. Festkörper, Schmelze, Lösung und Dampf (unterhalb 800 (C) bestehen aus tetraedrischen P4-Molekülen.
Wegen der kleinen Valenzwinkel von 60( befindet sich das Molekül in einem Spannungszustand, es ist daher instabil und sehr reaktiv. Roter Phosphor. Erhitzt man weißen Phosphor unter Luftabschluss auf 180K400 (C, so wandelt er sich in den polymeren, amorphen roten Phosphor um. Iod beschleunigt die Umwandlung katalytisch. Er besteht aus einem unregelmäßigen, dreidimensionalen Netzwerk, dessen Ordnungszustand von der Temperatur und Temperzeit abhängig ist. Roter Phosphor ist ungiftig und luftstabil und entzündet sich erst oberhalb 300 (C. Er wird in der Zündholzindustrie in den Reibflächen für Zündhölzer verwendet. Die Zündholzköpfe enthalten ein leicht brennbares Gemisch von Antimonsulfid Sb2S5 oder Schwefel und Kaliumchlorat. Violetter Phosphor (Hittorf’scher Phosphor) entsteht beim Erhitzen von rotem Phosphor auf 550 (C, er kristallisiert in einer komplizierten Schichtstruktur. Schwarzer Phosphor ist die bei Standarddruck bis 550 (C thermodynamisch stabile Modifikation. Er entsteht aus weißem Phosphor bei 200 (C und 12 kbar oder bei 380 (C in Gegenwart von Hg als Katalysator. Schwarzer Phosphor zeigt Metallglanz, ist ein elektrischer Halbleiter und reaktionsträge. Er kristallisiert in einer rhombischen Schichtstruktur, die aus Doppelschichten besteht (Abb. 4.19). Oberhalb von 550 (C erfolgt Umwandlung in violetten Phosphor, der bis 620 (C die stabile Modifikation ist. Bei 620 (C sublimiert er bei Normaldruck, bei einem Druck von 49 bar schmilzt er. Gas und Schmelze bestehen aus P4-Molekülen.
4.6 Gruppe 15
465
Abbildung 4.19 Struktur des schwarzen Phosphors. Die Struktur besteht aus übereinander liegenden Doppelschichten. Die Doppelschichten bestehen aus unten (•) und oben (•) parallel liegenden Zickzack-Ketten mit P d P-Einfachbindungen. Der kürzeste Abstand zwischen benachbarten Atomen verschiedener Ketten einer Doppelschichthälfte ist kleiner (331 pm) als der Abstand zwischen den Schichten (359 pm). Wie beim Se und Te korrespondieren die Abstandsverkürzungen mit der Halbleitereigenschaft und der grauen bis schwarzen Farbe der Modifikationen.
Schwarzer Phosphor kann in Hochdruckmodifikationen umgewandelt werden. Bei 83 kbar erfolgt reversible Umwandlung in eine rhomboedrische Modifikation, bei 111 kbar in eine kubische Modifikation. Rhomboedrischer Phosphor ist isotyp mit grauem Arsen (vgl. Abb. 4.20). Der kubische Phosphor kristallisiert primitiv mit idealer oktaedrischer Koordination. Neu ist der Nachweis des Phosphormoleküls P6 in der Gasphase. Wahrscheinliche Struktur
Außer den schon lange bekannten Phosphormodifikationen gibt es mehrere neu entdeckte.
466
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Bei der Sublimation von rotem Phosphor mit Iod als Katalysator entsteht einkristalliner faserförmiger roter Phosphor. Die Struktur ist eng verwandt mir der des violetten Phosphors. Aus den Verbindungen (CuI)8 P12 und (CuI)3 P12 kann man zwei bisher unbekannte Phosphormodifikationen isolieren, wenn man mit einer KCN-Lösung CuI in einen wasserlöslichen Komplex überführt. Es entstehen zwei polymere Phosphorstränge mit Durchmessern kleiner 50 pm, von denen der eine linear (Abb. 4.20a), der andere gewunden (Abb. 4.20b) ist. Die Phosphorstränge lagern sich zu Faserbündeln zusammen, die einige mm lang sein können. Sie sind bis 300 (C stabil, bei höheren Temperaturen verbrennen sie.
a)
b)
Abbildung 4.20 Phosphorpolymere a) aus (CuI)8 P12 , b) aus (CuI)3 P12 isoliert.
Darstellung. Phosphor wird aus Calciumphosphat durch Reduktion mit Koks bei 1400 (C im Lichtbogenofen hergestellt, wobei der Phosphor als Dampf entweicht und als weißer Phosphor gewonnen wird. Quarzsand wird als Schlackenbildner zugesetzt. 2 Ca3 (PO4)2 C 6 SiO2 C 10 C $% 6 CaSiO3 C 10 CO C P4 90 % des Phosphors wird zu Phosphorsäure weiterverarbeitet. Roter Phosphor wird aus weißem Phosphor durch Tempern bei 200K400 (C unter Luftabschluss hergestellt.
4.6.3.3 Arsen Die thermodynamisch beständige Modifikation ist metallisches oder graues Arsen. Die rhomboedrischen Kristalle sind spröde, grau und metallisch glänzend, sie leiten den elektrischen Strom. Die Struktur besteht aus gewellten Schichten (Abb. 4.21). Bei 616 (C sublimiert Arsen. Der Dampf besteht aus As4-Molekülen. Schreckt man Arsendampf ab, entsteht metastabiles gelbes Arsen, das analog dem weißen Phosphor aus As4-Molekülen besteht und sich in CS2 löst. Bei 20 (C wandelt es sich in graues Arsen um, unter Lichteinwirkung auch bei tiefen Temperaturen (K180 (C).
4.6 Gruppe 15
467
Abbildung 4.21 a) Anordnung der Atome in einer Schicht des Gitters von grauem Arsen. In demselben Gittertyp kristallisieren rhomboedrischer Phosphor, graues Antimon und Bismut. b) Strukturausschnitt einer Arsenschicht. Die Abstände zwischen den Schichten sind kleiner als die van der Waals-Abstände und es gibt schwache Bindungen auch zwischen den Schichten entsprechend der Mesomerie r2 r1 As As As As As As As As Schicht 1 Schicht 2 Schicht 2 Schicht 1 I II Das Gewicht der mesomeren Struktur II wächst vom As zum Bi und damit auch der metallische Charakter. Das Verhältnis der Bindungslängen r2.r1 nimmt mit Zunahme des metallischen Charakters ab.
Abbildung 4.22 Modifikationen des Arsens.
Kondensiert man Arsendampf an 100K200 (C warmen Flächen, so entsteht amorphes schwarzes Arsen, das nicht leitend, glasartig hart und spröde ist und in der Struktur dem roten Phosphor entspricht. Oberhalb 270 (C wandelt sich das amorphe
468
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Arsen in das graue Arsen um. Erhitzt man amorphes Arsen zusammen mit Hg auf 100K175 (C, so entsteht rhombisches schwarzes Arsen, das mit schwarzem Phosphor isotyp ist. Bei 300 (C wandelt es sich in das graue Arsen um (Abb. 4.22). Wie im grauen Arsen ist auch in der Struktur von Salvarsan ein As-Sechsring vorhanden. Salvarsan war das erste Heilmittel gegen Syphylis (Begründung der Chemotherapie durch Paul Ehrlich).
R R R
As As
As As
As As
NH3+Cl−
R R=
OH
R
R
Salvarsan
Arsen wird durch Erhitzen von Arsenkies unter Luftabschluss dargestellt. Dabei sublimiert As ab. FeAsS $% FeS C As
4.6.3.4 Antimon Stabiles, metallisches oder graues Antimon ist mit grauem Arsen isotyp (Abb. 4.21). Die Kristalle sind silberweiß, glänzend und spröde. Sie leiten den elektrischen Strom gut und schmelzen unter Volumenabnahme. Außerdem gibt es eine instabile nicht leitende, dem roten Phosphor analoge Modifikation (schwarzes Antimon). Sie entsteht durch Kondensation von Antimondampf, bereits bei 0 (C wandelt sie sich in graues Antimon um. Durch den industriellen Einsatz von Antimonverbindungen (Vulkanisierung von Gummi, Autoindustrie, Flammschutzmittel) wird die Umwelt global mit Antimon kontaminiert. In Tierversuchen wirkt Antimon so giftig wie Blei und reichert sich im Organismus an. Antimon wird aus Grauspießglanz Sb2S3 nach zwei Verfahren hergestellt. Beim Niederschlagsverfahren wird Sb2S3 mit Eisen verschmolzen. Sb2S3 C 3 Fe $% 2 Sb C 3 FeS Beim Röstreduktionsverfahren wird Sb2S3 zunächst geröstet Sb2S3 C 5 O2 $% Sb2O4 C 3 SO2 und das entstandene Oxid anschließend mit Kohle reduziert. Sb2O4 C 4 C $% 2 Sb C 4 CO Antimon dient zur Herstellung von Legierungen. Weiche Metalle wie Pb und Sn werden durch Sb gehärtet. Antimonlegierungen werden als Lagermetalle verwendet. Pb-Sb-Legierungen sind als Letternmetalle zum Buchdruck geeignet.
4.6 Gruppe 15
469
4.6.3.5 Bismut Bismut tritt nur in einer metallischen Modifikation auf, die mit grauem Arsen (Abb. 4.21) isotyp ist. Bi ist ein schwach rotstichiges, silberweiß glänzendes, sprödes Metall, das wie Ga, Ge und Sb unter Volumenabnahme schmilzt. Aus oxidischen Erzen wird Bi durch Reduktion mit Kohle hergestellt. Bi2O3 C 3 C $% 2 Bi C 3 CO Aus sulfidischen Erzen erhält man Bi nach dem Röstreduktionsverfahren oder dem Niederschlagsverfahren (vgl. Darstellung von Sb). Bi wird zur Herstellung leicht schmelzender Legierungen verwendet. Das Wood’sche Metall (50 % Bi, 25 % Pb, 12,5 % Sn, 12,5 % Cd) z. B. schmilzt schon bei 70 (C. Solche Legierungen können als Schmelzsicherungen verwendet werden. Bei etwa 130 (C schmelzende Legierungen (31 Bi, 31 Pb, 31 Sn) werden für Abgüsse verwendet, da sie sich beim Erstarren ausdehnen und feinste Konturen scharf abbilden.
4.6.4 Wasserstoffverbindungen des Stickstoffs Bei Raumtemperatur stabil sind: Ammoniak NH3 Hydrazin N2H4 Stickstoffwasserstoffsäure NH3 Hydroxylamin NH2OH, ein Derivat des Ammoniaks Bei tiefen Temperaturen sind isolierbar: Diazen N2H2 Tetrazen N4H4 Ammoniak NH3 K3
NH3 ist ein farbloses, stechend riechendes Gas (Smp. K78 (C, Sdp. K33 (C), das sich leicht verflüssigen lässt. Das NH3-Molekül ist pyramidenförmig gebaut, die Bindungswinkel betragen 107(.
Struktur und Bindung wurden bereits in Abschn. 2.2.2 und 2.2.5 diskutiert. Im flüssigen Ammoniak sind Wasserstoffbrücken vorhanden, die eine Erhöhung des Siedepunktes und der Verdampfungsenthalpie bewirken (vgl. Abschn. 2.6). Flüssiges Ammoniak ist ein gutes Lösungsmittel für viele Salze. Wie in Wasser tritt Autoprotolyse auf (vgl. S. 321). K 2 NH3 # NHC 4 C NH2
470
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Alkalimetalle und Erdalkalimetalle lösen sich in flüssigem NH3 unter Bildung solvatisierter Elektronen. K Me C NH3 # MeC am. C eam.
Die Lösungen sind sehr gute elektrische Leiter (vergleichbar mit Metallen), sind blau gefärbt und paramagnetisch. Auf Grund der Coulomb-Abstoßung zwischen den solvatisierten Elektronen und den Elektronen der NH3-Moleküle entstehen ziemlich große Hohlräume (Radius ca. 350 pm), in denen ein oder zwei Elektronen eingefangen sind. Solvatisierte Elektronen sind starke Reduktionsmittel. Sie reduzieren viele Schwermetallionen zum elementaren Zustand und die meisten Nichtmetalle zu Anionen. Die Lösungen sind metastabil, beim Erwärmen oder bei Zusatz von Katalysatoren (Ni, Pt, Fe3O4) zersetzen sie sich. 1 K NH3 C eK am. # NH 2 C 2 H2
ΔH ( Z K67 kJ.mol
Solvatisierte Elektronen können auch in Wasser erzeugt werden. Ihre Lebensdauer beträgt aber nur etwa 1 ms und es erfolgt rasche Reaktion mit H2O. K 1 eK aq. C H2O # OH C 2 H2
NH3 löst sich gut in Wasser (in 1 l H2O lösen sich bei 15 (C 772 l NH3). Auf Grund des freien Elektronenpaares ist NH3 eine Base. Wässrige NH3-Lösungen reagieren schwach basisch. K NH3 C H2O # NHC 4 C OH
pKB Z 4,75
Das Gleichgewicht liegt weit auf der linken Seite, die Verbindung NH4OH existiert daher nicht und durch Reaktion von Ammoniumsalzen mit Basen entsteht NH3 (vgl. S. 331). NH4Cl C OHK $% NH3 C H2O C ClK Mit Protonendonatoren wie HCl reagiert NH3 praktisch quantitativ zu Ammoniumsalzen. K NH3 C HCl $% NHC 4 Cl
Das tetraedrisch gebaute (sp3-Hybrid), stabile NHC 4 -Ion ähnelt den Alkalimetallkationen. Es bildet Salze, die in der Caesiumchlorid- oder in der Natriumchlorid-Struktur kristallisieren (vgl. Tabelle 2.4). Das freie Elektronenpaar befähigt NH3 zur Komplexbildung. Beispiel: AgCl C 2 NH3 $% [Ag (NH3)2]C C ClK Großtechnisch wird NH3 mit dem Haber-Bosch-Verfahren aus den Elementen hergestellt.
4.6 Gruppe 15 3 1 2 H2 C 2 N2
# NH3
471
ΔH+ B Z K46 kJ.mol
Auch bei Verwendung von Katalysatoren ist die Reaktionsgeschwindigkeit erst bei 400K500 (C ausreichend groß. Bei diesen Temperaturen liegt das Gleichgewicht aber weit auf der linken Seite. Um eine ausreichende NH3-Ausbeute zu erhalten, muss man daher hohe Drücke anwenden (Abb. 3.21). Der wirtschaftlich optimale Druckbereich liegt bei 250K350 bar, es werden aber auch Anlagen bis 1000 bar betrieben. Die Synthese ist ein Kreislaufprozess. In einem Druckreaktor findet die Umsetzung statt, das gebildete NH3 wird durch Kondensation aus dem Kreislauf entfernt und das unverbrauchte Synthesegas in den Reaktor rückgeführt. Der Druckreaktor besteht aus Cr d Mo-Stahl, der gegen Wasserstoff beständig ist. Die erste Produktionsanlage ging 1913 bei der BASF in Betrieb. Man arbeitete bei 200 bar und mit einem Stahlreaktor, der mit einem kohlenstofffreien Weicheisen ausgekleidet war. Dadurch verhinderte man, dass H2 mit dem Kohlenstoff des Stahls reagierte und der Reaktor undicht wurde. Als Katalysator wird Fe3O4 eingesetzt, dem zur Aktivierung als Promotoren Al2O3, CaO und K2O zugesetzt werden (vgl. Abschn. 3.6.6). Der eigentliche Katalysator α-Fe bildet sich in der Anfahrphase durch Reduktion des Eisenoxids mit H2 bei 400 (C. Die Aktivierungsenergie der nicht katalysierten Gasreaktion beträgt ca. 400 kJ.mol, sie wird durch den Katalysator auf 65K85 kJ.mol herabgesetzt. Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Katalyse ist die dissoziative Adsorption (Chemisorption) von N2 an der Eisenoberfläche. Die Aktivierungsenergie dieser Reaktion hängt von der Oberflächenstruktur ab (Reaktivität der Flächen: (111) O (100) O (110)) und sie wächst mit dem Bedeckungsgrad der Oberfläche an N-Atomen. Die N-Atome reagieren zu einem Oberflächennitrid, dessen Fe d N-Bindungsenergie beträgt etwa 590 kJ.mol und liegt damit zwischen den Werten einer StickstoffDreifachbindung und einer Stickstoff-Doppelbindung. Wasserstoff wird ebenfalls dissoziativ adsorbiert und reagiert stufenweise in schneller Reaktion zu NH3, das dann desorbiert wird. Schema des katalytischen Mechanismus der NH3-Synthese: H2 # 2 Hads N2 # N2 ads # 2 Nads Nads C Hads # NHads NHads C Hads # NH2 ads NH2 ads C Hads # NH3 ads # NH3 desorb Al2O3 und CaO (Strukturpromotoren) stabilisieren die Oberflächenstruktur und verhindern das Zusammensintern der Eisenpartikel. K2O (elektronischer Promotor) verringert die Aktivierungsenergie der Dissoziation der adsorbierten N2-Moleküle wahrscheinlich durch eine Verstärkung der π-Rückbindung Fe d N und damit Schwächung der N d N-Bindung (Fe d N ^ N - 4 Fe ] N ] N; vgl. Abschn. 5.5.1) der adsorbierten N2-Moleküle. Die Herstellung des Synthesewasserstoffs wurde bereits im Abschn. 4.2.2 behandelt. Der Synthesestickstoff wird heute überwiegend
472
4 Die Elemente der Hauptgruppen
durch fraktionierende Destillation verflüssigter Luft (siehe S. 425) hergestellt. Chemisch kann er durch Umsetzung von Luft mit Koks erzeugt werden. 4 N2 C O2 C 2 C # 2 CO C 4 N2
?B@BA Luft
?BC@CBA
ΔH ( Z K221 kJ.mol
Generatorgas
Die Entfernung von CO aus dem Gasgemisch erfolgt nach den auf S. 380 beschriebenen Verfahren (Konvertierung in CO2). Die NH3-Synthese ist das einzige technisch bedeutsame Verfahren, bei dem die reaktionsträgen N2-Moleküle der Luft in eine chemische Verbindung überführt werden. Die Reaktion hat daher eine zentrale Bedeutung (z. B. für die Düngemittelindustrie). NH3 wird in riesigen Mengen erzeugt (Weltproduktion 120 · 106 t, Produktion in Deutschland 2,8 · 106 t) und hauptsächlich zu stickstoffhaltigen Düngemitteln verarbeitet, außerdem wird es zur Herstellung von HNO3 und von Vorprodukten für Kunststoffe und Fasern verwendet. Wichtige stickstoffhaltige Düngemittel sind KNO3, NH4NO3, Kalkstickstoff und Harnstoff. Die Weltproduktion an Stickstoffdünger in t N beträgt 90 · 106 t. Zusammen mit den mengenmäßig geringeren phosphor- und kaliumhaltigen Düngemitteln (s. S. 499 und S. 626) war 1999 der weltweite Verbrauch 141 · 106 t. Auf die 15 größten Verbraucher entfielen 109 · 106 t, in Deutschland verbrauchte man 3 · 106 t. Von 1999 bis 2002 verringerte sich in Deutschland der Düngemittelverbrauch von 400 kg.ha auf 200 kg.ha. 2002 wurden in Deutschland 1 Million t Düngemittel produziert. Die Wasserstoffatome im NH3 können durch Metallatome ersetzt werden. Beim Erhitzen reagiert gasförmiges Ammoniak mit Alkalimetallen oder Erdalkalimetallen zu Amiden. 2 Na C 2 NH3 $% 2 NaNH2 C H2 Aus Amiden der Erdalkalimetalle erhält man bei weiterem Erhitzen Imide Ca (NH2)2 $% CaNH C NH3 und schließlich Nitride. 3 CaNH $% Ca3N2 C NH3 2K In Wasser entsteht aus den Ionen NHK und N3K sofort NH3. 2 , NH
Beispiel: Mg3N2 C 6 H2O $% 2 NH3 C 3 Mg (OH)2 Es kann wie bei den Hydriden und Carbiden zwischen salzartigen, kovalenten und metallartigen Nitriden unterschieden werden. Salzartige Nitride bilden Lithium, Natrium, die Erdalkalimetalle, die Lanthanoide und Actinoide. Als Festelektrolyt geeignet ist Li3N, das aus LiC- und N3K-Ionen aufgebaut ist und einer der besten festen Ionenleiter ist (vgl. Abschn. 5.7.5.1). Ladungsträger sind die LiC-Ionen. In den Verbindungen BaN2 und SrN2 sind N 2K 2 Ionen vorhanden, die isoelektronisch mit C 4K 2 -Ionen sind.
4.6 Gruppe 15
473
Kovalente Nitride entstehen mit den Elementen der 3. bis 5. Hauptgruppe. Die Nitride BN (vgl. Abschn. 4.8.4.6), AlN und Si3N4 (vgl. Abschn. 4.7.10.3) gehören zu den nichtmetallischen Hartstoffen und werden als Hochleistungskeramiken verwendet. GaN und InN kristallisieren im Wurtzitgitter und sind wegen ihrer Halbleiterund Lumineszenzeigenschaften interessant (s. Abschn. 5.11.6). P3N5 bildet eine dreidimensionale Raumnetzstruktur aus eckenverknüpften PN4-Tetraedern. Metallartige Nitride werden von den Übergangsmetallen der 4.K8. Nebengruppe gebildet. Dazu gehören die metallischen Hartstoffe. Sie wurden bereits bei den Einlagerungsverbindungen im Abschn. 2.4.6.2 behandelt. Sowohl ionische als auch metallische Bindung ist im Subnitrid NaBa3N vorhanden. Die Ba- und N-Atome bilden Säulen aus flächenverknüpften Oktaedern, zwischen denen sich die Na-Atome befinden. Innerhalb der Säulen ist die Bindung ionisch: 3K 3C ) 3 eK. Die positiv geladenen Säulen werden durch die überschüssigen (Ba2C 3 N Elektronen metallisch aneinander gebunden. Die sowohl zwischen den Säulen als auch den Na-Atomen vorhandene metallische Bindung hat metallisches Verhalten der Verbindung zur Folge. Ionisch und metallisch ist auch die Bindung im Subnitrid K 3K 2C ) 2 eK. Die BindungsCa3AuN, das im Perowskit-Typ kristallisiert: (Ca2C 3 Au N verhältnisse sind denen in Rb- und Cs-Suboxiden analog (vgl. Abschn. 4.10.4.2). Hydrazin N2H4 K2
N2H4 ist eine farblose Flüssigkeit (Smp. 2 (C, Sdp. 113 (C), die an der Luft raucht. Im N2H4-Molekül ist eine N d N-Einfachbindung vorhanden, die Bindungswinkel entsprechen etwa einer sp3-Hybridisierung. H2NdNH2 Die beiden NH2-Gruppen sind um die N d N-Achse des Moleküls ca. 100( gegeneinander verdrillt (gauche-Konformation). In dieser Konformation ist die Abstoßung zwischen den freien Elektronenpaaren am kleinsten. Im Gleichgewicht besteht N2H4 zu gleichen Teilen aus zwei spiegelbildlichen Isomeren, die sich mit hoher Frequenz (Aktivierungsenergie 3 kJ.mol) ineinander umwandeln.
Wie die F d F- und die O d O-Einfachbindung besitzt auch die N d N-Einfachbindung eine kleine Bindungsenergie (vgl. Tabelle 2.15). Hydrazin ist daher eine endotherme Verbindung (ΔH+ B Z C51 kJ.mol), die beim Erhitzen oder bei Initialzündung explosionsartig zerfällt. 3 N2H4 $% 4 NH3 C N2
474
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Mit Wasser ist Hydrazin unbegrenzt mischbar. Wässrige Lösungen lassen sich gefahrlos handhaben. Sie haben reduzierende und basische Eigenschaften. Cu(II)-Salze werden zu Cu2O, Ag- und Hg-Salze zu den Metallen, Selenit und Tellurit zu den Elementen reduziert. Dabei wird N2H4 zu N2 oxidiert. Mit Sauerstoff verbrennt N2H4 unter großer Wärmeentwicklung und wird daher als Raketentreibstoff verwendet. N2H4 C O2 $% N2 C 2 H2O
ΔH( Z K623 kJ.mol
N2H4 ist eine schwächere Base als NH3. K N2H4 C H2O # N2HC 5 C OH
KB1 Z 8 $ 10K7 mol.l
K 2C N2HC 5 C H2O # N2H6 C OH
KB2 Z 8 $ 10K16 mol.l
Es gibt zwei Reihen von Hydraziniumsalzen. N2HC 5 -Salze sind in Wasser beständig. N2H2C 6 -Salze wie N2H6Cl2 und N2H6SO4 hydrolysieren, da KB2 sehr klein ist. C C N2H2C 6 C H 2 O # N 2H 5 C H 3 O
N2H4 kann durch Oxidation von NH3 mit NaOCl hergestellt werden, wobei als Zwischenprodukt Chloramin NH2Cl auftritt (Raschig-Synthese). NH3 C NaOCl $% NaOH C NH2Cl NH2 Cl C H NH2 C NaOH $% H2NdNH2 C NaCl C H2O Gesamtreaktion: 2 NH3 C NaOCl $% N2H4 C NaCl C H2O Spuren von Schwermetallen katalysieren die Konkurrenzreaktion 2 NH2Cl C N2H4 $% 2 NH4Cl C N2 Daher werden Komplexbildner wie EDTA zugesetzt, die die Schwermetallionen binden. Heute wird Hydrazin überwiegend durch Oxidation von NH3 mit Natriumhypochlorit in Gegenwart von Aceton hergestellt (Bayer-Prozess). Das Zwischenprodukt ist Acetonazin. 2 NH3 C NaOCl C 2 CH3COCH3 $% (CH3)2C ] NN ] C (CH3)2 C NaCl C 3 H2O (CH3)2C ] NN ] C (CH3)2 C 2 H2O $% 2 CH3COCH3 C N2H4 Derivate des Hydrazins sind als Polymerisationsinitiatoren, als Herbizide und Pharmaka von Bedeutung. Stickstoffwasserstoffsäure HN3 1
K3
Wasserfreies HN 3 ist eine farblose, explosive Flüssigkeit (Sdp. 36 (C). 2 HN3 $% 3 N2 C H2
ΔH ( Z K 538 kJ.mol
Wässrige Lösungen bis zu einem Massenanteil von 20 % HN3 sind gefahrlos zu handhaben, sie reagieren schwach sauer.
4.6 Gruppe 15
HN3 C H2O # H3OC C NK 3
475
pKS Z 4,9
Die Salze der Stickstoffwasserstoffsäure heißen Azide. Das NK 3 -Ion ist ein Pseudohalogenidion (vgl. Abschn. 4.4.10). Schwermetallazide wie AgN3 und Pb(N3)2 sind schwer löslich und explodieren bei Erhitzen oder Schlag. Pb(N3)2 wird als Initialzünder verwendet. Hochexplosiv sind auch Mo(N3)6 und W(N3)6. (Bu4N)3[U(N3)7] ist das erste binäre Azid eines Actinoiden-Elementes (s. auch Abschn. 5.18.2). Alkalimetall- und Erdalkalimetallazide lassen sich bei höherer Temperatur kontrolliert zersetzen. 300 +C
2 NaN3 $$$% 2 Na C 3 N2 Die Zersetzungsreaktion dient zur Darstellung von Alkalimetallen und Reinststickstoff. HN3 ist ein starkes Oxidationsmittel. Metalle (Zn, Fe, Mn, Cu) lösen sich unter Stickstoffentwicklung. 1
1
C2 K3
K3
0
0
K3
Me C 3 HN3 $% Me (N3) 2 C N2 C N H3 Das Azidion ist linear und symmetrisch gebaut.
N
N
N
N
N
N
2
2
N
N
N
Im Gegensatz dazu enthält das HN3-Molekül zwei unterschiedliche N d N-Bindungen.
H
N
N
N
H
N
N
N
NaN3 stellt man durch Überleiten von N2O über NaNH2 her. 190 +C
NaNH2 C N2O $$$% NaN3 C H2O HN3 erhält man aus NaN3 mit verdünnter H2SO4. K1
Diazen (Diimin) N2H2. Festes Diazen ist gelb und unterhalb K180 (C metastabil. Es entsteht als Reaktionszwischenprodukt bei der Oxidation von N2H4 mit O2 oder H2O2. Oxidation
H2N d NH2 $$$$$$% HN]NH K2 H
Dargestellt wird es durch Thermolyse von Hydrazinderivaten. K1
Tetrazen N4H4 kristallisiert in farblosen Nadeln. Bei 0 (C zersetzt es sich in N2, N2H4 und NH4N3, bei K30 (C ist es metastabil. Strukturformel:
H H
N N N N
H H
N4H4 ist schwächer basisch als Hydrazin und wirkt stark reduzierend.
476
4 Die Elemente der Hauptgruppen
4.6.5 Hydride des Phosphors, Arsens, Antimons und Bismuts Die Stabilität der gasförmigen Hydride NH3, PH3, AsH3, SbH3, BiH3 nimmt mit steigender Ordnungszahl ab. SbH3 und BiH3 sind thermisch instabil. Zusammenstellung einiger Eigenschaften: ΔH+ B in kJ.mol Siedepunkt in (C Bindungswinkel Basizität
NH3
PH3
K46 K33 107(
C 5 (?) K88 94(
AsH3 C66 K62 92( $% nimmt ab
SbH3
BiH3
C145 K 17 91(
C278 C 17 K
Die Hydridmoleküle sind pyramidal gebaut. Mit zunehmender Ordnungszahl nimmt der s-Charakter des freien Elektronenpaares zu und damit die Basizität der Moleküle ab. Phosphoniumsalze, die das Ion PHC 4 enthalten, sind weniger beständig als Ammoniumsalze; sie werden in wässriger Lösung zersetzt. C PHC 4 C H2O $% PH3 C H3O
AsHC 4 ist bereits unbeständig und bildet keine Salze. Darstellung der Hydride: Hydrolyse von Phosphiden, Arseniden, Antimoniden mit Säure. Mg3P2 C 6 HCl $% 2 PH3 C 3 MgCl2 Reduktion mit naszierendem Wasserstoff. AsCl3 C 6 H $% AsH3 C 3 HCl Reduktion der Halogenide mit LiAlH4. 4 AsCl3 C 3 LiAlH4 $% 3 LiCl C 3 AlCl3 C 4 AsH3 PH3 entsteht aus weißem Phosphor und Kalilauge unter Erwärmen. 0
K3
C1
P4 C 3 KOH C 3 H2O $% PH3 C 3 KH2 PO2 Neben Phosphan entsteht auch Diphosphan. Phosphan PH3 ist ein farbloses, knoblauchartig riechendes, sehr giftiges Gas (Sdp. K88 (C). Mit Hydrogenhalogeniden bilden sich Phosphoniumsalze, die in wässriger Lösung hydrolytisch zersetzt werden. PH4I C H2O $% PH3 C H3OC C IK Diphosphan P2H4 ist eine farblose Flüssigkeit (Sdp. 52 (C), es ist selbstentzündlich und zersetzt sich im Licht und in der Wärme unter Disproportionierung in PH3 und wasserstoffärmere Phosphane. Es sind zahlreiche weitere Phosphane bekannt.
4.6 Gruppe 15
477
Kettenförmige Phosphane Pn H2nC2 gibt es bis n Z 6. P5 H5, P6 H6 und P7H3 haben Käfigstrukturen, außerdem gibt es einen polymeren Phosphorwasserstoff. P7H3 und P4 S3 (s. Abb. 4.27) sind isoelektronisch. P HP
PH PH
P
P P
Arsenhydrid (Arsan) AsH3 ist ein farbloses, äußerst giftiges Gas (Sdp. K62 (C). Seine thermische Zersetzung und Abscheidung als Arsenspiegel wird zum Nachweis von As verwendet (Marsh’sche Probe). Das sehr giftige As (CH3)3 kann sich durch Wirkung von Schimmelpilzen aus dem grünen Farbpigment [Cu3 (AsO3)2 · Cu (CH3COO)2] (Schweinfurter Grün) bilden (Biomethylierung).
4.6.6 Oxide des Stickstoffs Es gibt Oxide des Stickstoffs mit den Oxidationszahlen C1 bis C5. Oxidationszahl
C1
C2
C3
C4
C5
Stickstoffoxide
N 2O
NO N2O2
N2O3
NO2 N2O4
N2O5
Die Stickstoffoxide sind K mit Ausnahme von N2O5 und N2O4 K endotherme Verbindungen. Alle Stickstoffoxide zerfallen beim Erhitzen. Die Oxide NO und NO2 besitzen ein ungepaartes Elektron, existieren aber bei Raumtemperatur als stabile Radikale. Sie stehen im Gleichgewicht mit diamagnetischen Dimeren, die in den kondensierten Phasen bei tiefen Temperaturen überwiegen. Nachgewiesen wurde das paramagnetische, instabile Radikal NO3, jedoch nicht als reine Verbindung isoliert. N4O ist nur bei tiefen Temperaturen isolierbar, es ist ein Nitrosylazid. Distickstoffmonooxid N2O N2O ist ein farbloses, reaktionsträges Gas. Es ist metastabil (ΔH+ B Z C82 kJ.mol), zerfällt aber erst oberhalb 600 (C in die Elemente. Es wird als Anästhetikum verwendet, unterhält aber die Atmung nicht. Da es eingeatmet Halluzinationen und Lachlust hervorruft, wird es auch Lachgas genannt. Phosphor, Schwefel und Kohlenstoff verbrennen in N2O wie in Sauerstoff, Gemische mit Wasserstoff explodieren beim Entzünden wie Knallgas. N2O wird durch thermische Zersetzung von Ammoniumnitrat hergestellt. K3
C5
200 +C C1
N H4 NO3 $$$$% N2O C 2 H2O
ΔH ( Z K 124 kJ.mol
478
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Oberhalb von 300 (C kann explosionsartiger Zerfall von NH4NO3 erfolgen. C Das Molekül N2O ist linear gebaut, isoelektronisch mit CO2, NK 3 und NO2 und kann mit den folgenden Grenzstrukturen beschrieben werden.
N
N
O
N
N
O
N2O ist eines der wichtigeren klimawirksamen Spurengase (vgl. Abschn. 4.11). Es wirkt in der Stratosphäre Ozon zerstörend und trägt zum Treibhauseffekt bei. Für die Zunahme der N2O-Konzentration in der Atmosphäre sind landwirtschaftliche Aktivitäten verantwortlich: verstärkter Einsatz mineralischer Dünger und Ausweitung des Nassreisanbaus. NOK 3 wird mikrobiell zu N2O reduziert. Stickstoffmonooxid NO. Distickstoffdioxid N2O2 NO ist ein farbloses, giftiges Gas, das aus N2 und O2 in endothermer Reaktion entsteht. 1 1 2 N 2 C 2 O2
# NO
ΔH+ B Z C90 kJ.mol
Bei Raumtemperatur liegt das Gleichgewicht vollständig auf der linken Seite. Bei 2 000 (C ist ein Volumenanteil von 1 % NO, bei 3 000 (C von 5 % NO im Gleichgewicht mit N2 und O2. Durch Abschrecken kann man NO unterhalb von etwa 400 (C metastabil erhalten (Abb. 4.23). NO ist ein Zwischenprodukt bei der Salpetersäureherstellung. Früher wurde NO durch „Luftverbrennung“ in einem elektrischen Flammenbogen hergestellt. Die technische Darstellung erfolgt heute mit dem billigeren Ostwald-Verfahren, bei dem NH3 in exothermer Reaktion katalytisch zu NO oxidiert wird. 800K950 +C
4 NH3 C 5 O2 $$$$$$$% 4 NO C 6 H2O Pt
ΔH ( Z K 906 kJ.mol
Ein NH3-Luft-Gemisch wird über einen Platinnetz-Katalysator geleitet. Die Kontaktzeit am Katalysator beträgt nur etwa 1.1000 s. Dadurch wird NO sofort aus der heißen Reaktionszone entfernt und auf Temperaturen abgeschreckt, bei denen das metastabile NO nicht mehr in die Elemente zerfällt. Im Labor kann NO durch Reduktion von Salpetersäure mit Kupfer hergestellt werden (vgl. S. 484). 2C C 2 NO C 12 H2O 8 H3OC C 2 NOK 3 C 3 Cu $% 3 Cu
Die Bindung kann am besten mit dem in Abb. 2.65 angegebenen MO-Diagramm beschrieben werden. NO besitzt 11 Valenzelektronen und das π*-Orbital ist nur mit einem Elektron besetzt. Das Molekül ist daher paramagnetisch und der Bindungsgrad beträgt 2,5. Im VB-Modell kann NO mit einer Drei-Elektronen-π-Bindung formuliert werden (s. auch S. 163). 1
1
rC2 l N ] Ol
K2
4.6 Gruppe 15
479
Abbildung 4.23 Volumenanteil NO in % beim Erhitzen von Luft (4 N2 C O2). Nur bei hohen Temperaturen erfolgt Bildung von NO aus N2 und O2. Unterhalb 400 (C ist NO metastabil, darüber erfolgt Zerfall in die Elemente.
Daraus folgt ebenfalls die Bindungsordnung 2,5 und der Paramagnetismus des Moleküls. Durch Abgabe des einsamen Elektrons kann das NO-Molekül leicht zum Nitrosylkation NOC oxidiert werden, das mit N2 und CO isoelektronisch ist und den Bindungsgrad 3 besitzt (vgl. S. 463). Von NOC sind ionische Verbindungen bekannt, z. B. NOClO4, NOBF4 und NOHSO4. Das Nitrosylhydrogensulfat entsteht als Zwischenprodukt bei der Schwefelsäureherstellung nach dem Bleikammerverfahren (weiße „Bleikammerkristalle“). Die Nitrosylsalze reagieren mit Wasser zu Salpetriger Säure. NOC C H2O $% HNO2 C HC Mit Übergangsmetallionen bildet NOC wie CO Komplexe. Der braune Ring beim 2C . NO lagert NOK 3 -Nachweis z. B. entsteht durch das Komplexion [Fe (H2O)5NO] sich an das Zentralion an und gibt dabei formal ein Elektron ab. NO C [Fe (H2O)6]2C $% [Fe (H2O)5NO]2C C H2O Meist sind Moleküle mit ungepaarten Elektronen gefärbt und sehr reaktiv. NO ist jedoch ein farbloses, mäßig reaktives Gas, das unrein im kondensierten Zustand blau aussieht. Für das Radikal NO sollte man eine Dimerisierung erwarten. Die Dimerisierung 2 NO # N2O2
ΔH ( Z K10 kJ.mol
erfolgt erst im kondensierten Zustand. Als Dimer bildet sich ein diamagnetisches Molekül mit cis-Konfiguration und einer schwachen Bindung.
480
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Die „Nicht“-Dimerisierung ist mit dem MO-Diagramm von NO zu verstehen (vgl. Abb. 2.65). Bei der Dimerisierung würde eine Kopplung der Elektronen in einem NO antibindenden Orbital erfolgen. Mit Sauerstoff reagiert NO spontan zu NO2. 2 NO C O2 # 2 NO2
ΔH ( Z K114 kJ.mol
Oberhalb von 600 (C liegt das Gleichgewicht vollständig auf der linken Seite. Das NO-Molekül spielt beim Abbau der Ozonschicht in der Stratosphäre eine Rolle (vgl. Abschn. 4.11). Es ist außerdem ein biologisch relevantes Molekül. Erst in den 90er Jahren erkannte man, dass es in menschlichen Zellen synthetisiert wird und als Botenstoff und für Kontrollfunktionen bei einer Vielzahl physiologischer Prozesse wichtig ist: Blutgerinnung, Blutdruck-Kontrolle, Vasodilatation (Relaxation von glatter Muskulatur, z. B. des Verdauungstraktes und der Blutgefäße). Zur Verringerung des arteriellen Blutdrucks z. B. bei frischen Herzinfarkten wird Nitroprussidnatrium Na2 [Fe (CN)5NO] · 2 H2O (siehe Abschn. 5.16.5) als schnell wirkender Vasodilatator eingesetzt. Distickstofftrioxid N2O3 N2O3 entsteht als blaue Flüssigkeit beim Abkühlen einer Mischung aus gleichen Stoffmengen der beiden Radikalmoleküle NO2 und NO. NO C NO2 # N2O3
ΔH ( Z K40 kJ.mol
Bereits oberhalb K10 (C zerfällt N2O3 in Umkehrung der Bildungsgleichung, bei 25 (C enthält der Dampf nur noch 10 % undissoziiertes N2O3. N2O3 ist das Anhydrid der Salpetrigen Säure. Mit Laugen reagiert N2O3 (oder ein NO-NO2-Gemisch) daher zu Nitriten. N2O3 C 2 OHK $% 2 NOK 2 C H 2O Das N2O3-Molekül ist planar gebaut und enthält eine schwache N d N-Bindung, es kann als Nitrosylnitrit beschrieben werden.
Stickstoffdioxid NO2. Distickstofftetraoxid N2O4 NO2 ist ein braunes, giftiges, paramagnetisches Gas, das zum farblosen diamagnetischen N2O4 dimerisiert. 2 NO2 # N2O4
ΔH ( Z K 57 kJ.mol
Bei 27 (C sind 20 %, bei 100 (C 90 % N2O4 dissoziiert. Bei K11 (C erhält man farblose Kristalle von N2O4. NO2 ist ein Zwischenprodukt bei der Salpetersäureherstellung. Im Labor erhält man es durch thermische Zersetzung von Schwermetallnitraten im Sauerstoffstrom.
4.6 Gruppe 15
481
250K600 +C
Pb (NO3)2 $$$$$$$% PbO C 2 NO2 C 21 O2 Oberhalb 150 (C beginnt NO2 sich in NO und O2 zu zersetzen, bei 600 (C ist der Zerfall vollständig. 2 NO2 $% 2 NO C O2 NO2 und N2O4 sind starke Oxidationsmittel. NO2 ist das gemischte Anhydrid der Salpetersäure und der Salpetrigen Säure. Mit Lauge reagiert NO2 bzw. N2O4 nach K N2O4 C 2 OHK $% NOK 3 C NO2 C H2O
NO2 ist gewinkelt und kann nach neuen VB-Berechnungen (s. S. 161) mit folgenden Grenzstrukturen etwa gleichen Gewichts beschrieben werden.
O
N
O
O
N
O
O
N
O
N2O4 besteht in der Gasphase und auch im festen Zustand aus planaren Molekülen mit einer schwachen N d N-Bindung.
C NO2 kann leicht zum Nitrition NOK 2 reduziert und zum Nitrylion NO2 (vgl. S. 489) oxidiert werden. NOC 2 ist ein lineares Molekül mit einem sp-Hybrid am N-Atom und isoelektronisch mit CO2.
O
N
O
Die Stickstoffoxide NO und NO2 sind Luftschadstoffe, die bei der Bildung von troposphärischem Ozon und anderen Photooxidantien eine Rolle spielen. Die jährliche Emission (berechnet als NO2) betrug 2004 in Deutschland 1,5 · 106 t. 58 % der Stickstoffemissionen entstanden im Bereich Verkehr. Emissionen, Schadstoffwirkungen sowie Umweltschutzmaßnahmen (Entstickung von Rauchgasen, Katalysatoren von Kraftfahrzeugen) werden im Abschn. 4.11 behandelt. Distickstoffpentaoxid N2O5 N2O5 ist das Anhydrid der Salpetersäure und kann aus dieser durch Entwässern mit P4O10 erhalten werden. 2 HNO3 $% N2O5 C H2O N2O5 bildet farblose Kristalle, die bei 32 (C sublimieren, mit Wasser zu HNO3 reagieren und sich bereits bei Raumtemperatur zu NO2 und O2 zersetzen. Festes N2O5
482
4 Die Elemente der Hauptgruppen
K besitzt die ionogene Struktur [NOC 2 ] [NO3 ] und ist also ein Nitrylnitrat. Im gasförmigen Zustand sind Moleküle der Struktur
vorhanden. C Vom NOC 2 -Ion (vgl. oben) sind farblose Salze bekannt z. B. NO2ClO4. NO2 ist auch in der Nitriersäure (konz. HNO3 C konz. H2SO4) vorhanden, mit der aromatische Kohlenwasserstoffe in Nitroverbindungen überführt werden können (vgl. S. 484). Hydroxylamin NH2OH K1
Formal ist NH2OH ein Hydroxylderivat von NH3. Es kristallisiert in farblosen Kristallen (Smp. 32 (C), die sich bei Raumtemperatur langsam zersetzen und oberhalb 100 (C explosionsartig in NH3, N2 und H2O zerfallen. NH2OH ist eine schwächere Base als NH3 (pKB Z 8,2). In saurer Lösung disproportioniert es zu NH3 und N2O, in alkalischer Lösung zu NH3 und N2. K1
K3
C1
4 N H2OH $% 2 N H3 C N2O C 3 H2O K1
K3
0
3 N H2OH $% N H3 C N2
C 3 H 2O
zu Hg, Es ist ein starkes Reduktionsmittel und reduziert AgC zu Ag und Hg 2C 2 wobei es zu N2 oxidiert wird. Mit anderen Oxidationsmitteln reagiert es auch zu N2O und NO. Gegenüber Sn2C, Cr2C, V 2C reagiert es als Oxidationsmittel und wird zu NH3 reduziert. Die Darstellung erfolgt großtechnisch mit drei Verfahren. Beim Stickstoffmonooxid-Reduktionsverfahren wird NO mit Wasserstoff in saurer Lösung katalytisch (Pt, Pd) zu Hydroxylammoniumsulfat reduziert. 2 NO C 3 H2 C H2SO4 $% [NH3OH]2SO4 98 % der Gesamtproduktion wird zur Herstellung von Caprolactam verwendet, das zu Polyamiden verarbeitet wird. Beständiger als NH2OH sind die Hydroxylammoniumsalze wie [NH3OH] Cl oder [NH3OH] NO3.
4.6.7 Sauerstoffsäuren des Stickstoffs Die wichtigsten und stabilsten Sauerstoffsäuren sind:
Salpetersäure HNO3 Salpetrige Säure HNO2 Hyposalpetrige Säure H2N2O2
Oxidationszahl
Salze
C5 C3 C1
Nitrate Nitrite Hyponitrite
4.6 Gruppe 15
483
Außerdem sind einige instabile Oxosäuren bekannt. C5
Peroxosalpetersäure HOONO2. Sie zerfällt bereits bei K30 (C explosionsartig. Salze sind nicht bekannt. C3
Peroxosalpetrige Säure HOONO. Sie wandelt sich rasch in die isomere Salpetersäure um. Alkalische Lösungen sind stabiler. Salze konnten nicht isoliert werden. C2
Oxohyposalpetrige Säure H2 N2O3. Die Säure ist instabil, das Anion
ist in alkalischen Lösungen relativ stabil, bekannt ist das Salz Na2N2O3. Salpetersäure HNO3 HNO3 wird großtechnisch durch Einleiten von N2O4 in Wasser hergestellt, wobei zur Oxidation noch Sauerstoff erforderlich ist. 20K35 +C
N2O4 C H2O C 21 O2 $$$$$$$% 2 HNO3 3K10 bar
Im Einzelnen laufen folgende Reaktionen ab: Aus N2O4 entsteht mit Wasser durch Disproportionierung Salpetersäure und Salpetrige Säure. C4
C5
C3
N2O4 C H2O $% HNO3 C HNO2
HNO2 ist instabil und disproportioniert (vgl. S. 485). C3
C5
C2
3 HNO2 $% HN O3 C 2 N O C H2O NO reagiert mit Luftsauerstoff zu NO2, das überwiegend dimerisiert (vgl. S. 480). 2 NO C O2 $% N2O4 Letztlich wird Salpetersäure durch mehrere großtechnische Reaktionen aus dem Stickstoff der Luft hergestellt: CH2
CO2
Haber-Bosch-Verfahren
Ostwald-Verfahren
CO2
CO2, H2O
N2 $$$$$$$$$$$$$$$% NH3 $$$$$$$$$$$% NO $$% NO2 $$$$$$$% HNO3 HNO3 (Weltproduktion ca. 30 · 106 t, in Deutschland wurden 2005 2,1 · 106 t synthetisiert) wird überwiegend zur Herstellung von Düngemitteln, vor allem NH4NO3 und für Sprengstoffe verwendet. Wasserfreie HNO3 ist eine farblose Flüssigkeit (Sdp. 84 (C). Beim Sieden erfolgt teilweise Zersetzung, die durch Lichteinwirkung schon bei Raumtemperatur einsetzt. 4 HNO3 $% 4 NO2 C 2 H2O C O2
484
4 Die Elemente der Hauptgruppen
HNO3 wird daher in braunen Flaschen aufbewahrt. Gelöstes NO2 färbt HNO3 gelb bis rotbraun. Die konzentrierte Säure hat einen Massenanteil von 69 % HNO3, sie siedet bei 122 (C als azeotropes Gemisch. Rauchende Salpetersäure enthält NO2 gelöst und entwickelt an der Luft rotbraune Dämpfe. HNO3 ist ein starkes Oxidationsmittel. C K NO C 6 H2O # NOK 3 C 4 H3O C 3 e
E ( Z C0,96 V
Die konzentrierte Säure löst Kupfer, Quecksilber und Silber, nicht aber Gold und Platin. C $% 3 Cu2 C 2 NO C 12 H2O 3 Cu C 2 NOK 3 C 8 H 3O
Einige unedle Metalle (Cr, Al, Fe) werden von konz. HNO3 nicht gelöst, da sich auf ihnen eine dichte Oxidhaut bildet, die das Metall vor weiterer Säureeinwirkung schützt (Passivierung). Diese Metalle lösen sich nur in verdünnter HNO3. Die Mischung von konz. HNO3 und konz. HCl im Volumenverhältnis 1 : 3 heißt Königswasser. Es löst fast alle Metalle, auch Gold und Platin, da aktives Chlor entsteht und mit den Metallionen Chlorokomplexe gebildet werden, die das Redoxpotenzial beeinflussen (vgl. Abschn. 3.8.8): HNO3 C 3 HCl $% NOCl C 2 Cl C 2 H2O Niob, Tantal und Wolfram werden von Königswasser nicht gelöst. Eine Mischung von konz. HNO3 und konz. H2SO4 (Nitriersäure) wirkt nitrierend. Dabei ist das angreifende Teilchen das NOC 2 -Ion.
Das HNO3-Molekül ist planar gebaut und kann mit den beiden Grenzstrukturen
beschrieben werden. Die Salze der Salpetersäure heißen Nitrate. Das Nitration NOK 3 ist planar gebaut, die Bindungswinkel betragen 120(, es kann mit drei mesomeren Grenzstrukturen beschrieben werden.
4.6 Gruppe 15
485
Wie beim HNO3-Molekül ist das N-Atom sp2-hybridisiert, die völlige Delokalisierung des π-Elektronenpaares führt zu einer Stabilisierung des NOK 3 -Ions, daher ist das NOK -Ion stabiler als das HNO -Molekül. 3 3 Nitrate sind in Wasser leicht löslich. Alkalimetallnitrate zersetzen sich beim Erhitzen in Nitrite, während aus Schwermetallnitraten NO2 und Metalloxide entstehen. KNO3 $% KNO2 C 21 O2 Hg (NO3)2 $% HgO C 2 NO2 C 21 O2 Nitrate sind, besonders bei höheren Temperaturen, Oxidationsmittel. Durch starke Reduktionsmittel wird das NOK 3 -Ion zu NH3 reduziert. NaNO3 (Chilesalpeter), KNO3 (Salpeter) und NH4NO3 sind wichtige Düngemittel (s. S. 472). Bei höherer Temperatur kann sich NH4NO3 explosiv zersetzen. 1921 explodierten bei der BASF in Oppau 4 500 t und über 500 Menschen starben. KNO3 (Salpeter) ist im ältesten Explosivstoff Schwarzpulver enthalten, der aus einer Mischung von Schwefel, Holzkohle und Kaliumnitrat besteht. Vom späten Mittelalter bis zur Neuzeit war die notwendige Beschaffung von Salpeter zur Herstellung von Schwarzpulver und von Düngemitteln schwierig. Dies führte zu nationalen Konflikten und ist ein interessantes Beispiel für die Beziehung zwischen Wirtschaft und Politik. Zu hohe Nitratgehalte im Trinkwasser und in pflanzlichen Nahrungsmitteln (z. B. Salat) können im Speichel und im Dünndarm zu Nitritbildung führen (siehe unter Nitrit). Die Oxidation von Hämoglobin zu Methämoglobin führt zu Sauerstoffmangelsymptomen (Blausucht). Besonders empfindlich gegenüber Nitrit reagieren Säuglinge während der ersten Lebenswochen. Salpetrige Säure HNO2 HNO2 ist in reinem Zustand nicht darstellbar, sondern nur in verdünnter Lösung einige Zeit haltbar. HNO2 ist eine mittelstarke Säure (KS Z 4 · 10K4), sie zersetzt sich unter Disproportionierung. C3
C5
C2
3 HN O2 $% HN O3 C 2 N C H2O HNO2 kann je nach Reaktionspartner reduzierend oder oxidierend wirken. Als Reduktionsmittel C K K NOK 2 C 3 H2O # NO3 C 2 H3O C 2 e
E ( Z C 0,94 V
fungiert sie gegenüber MnOK 4 , PbO2 und H2O2, als Oxidationsmittel C K # NO C 3 H2O NOK 2 C 2 H 3O C e
gegenüber IK und Fe2C. Mit NH3 reagiert HNO2 zu N2 (vgl. S. 463). NH3 C HNO2 $% N2 C 2 H2O
E ( Z C 0,996 V
486
4 Die Elemente der Hauptgruppen
HNO2 besteht aus planaren cis- und trans-Isomeren.
Das trans-Isomere ist um 2 kJ.mol stabiler als das cis-Isomere. Beständig sind die Salze der Salpetrigen Säure, die Nitrite. Das Nitrition NOK 2 Q isoelektronisch mit O3 Q ist mesomeriestabilisiert.
O
O
N
O
N p
2
s
N
O
sp -Hybrid #-Bindung Darstellung von Nitriten: C2
C4
C3
C3
NO C NO2 (bzw. N2O3) C 2 NaOH $% 2 NaNO2 C H2O Erhitzen
KNO3 $$$$$% KNO2 C 21 O2 Als Komplexligand bildet NOK 2 Nitrokomplexe Me !$ NO2, z. B. Kaliumhexanitrocobaltat (III) K3 [Co(NO2)6], und Nitritokomplexe Me !$ ONO, bei denen die Bindung an das Zentralatom über das O-Atom erfolgt. NaNO2 wird zur Haltbarmachung von Lebensmitteln verwendet, z. B. als Nitritpökelsalz, ein Gemisch aus Speisesalz mit 0,4K0,5 % NaNO2. Es konserviert gegen Botulismus und Salmonellen und bewirkt eine stabile Pökelfarbe. NaNO2 ist giftig, die bei Verwendung von Pökelsalz vorhandene Nitritmenge gilt jedoch als ungefährlich. Allerdings können sich bei gleichzeitiger Aufnahme von Aminen carcinogene Nitrosamine bilden (R2NH C NOK 2 $% R2NdNO). Hyposalpetrige Säure H2N2O2 ist in reinem Zustand in weißen Kristallblättchen isolierbar, die leicht explodieren. Die wäßrige Lösung reagiert schwach sauer und zerfällt nach H2N2O2 $% N2O C H2O N2O ist nur formal das Anhydrid der Hyposalpetrigen Säure, denn weder die Säure noch ihre Salze lassen sich aus N2O herstellen. 2K Es gibt zwei Reihen zersetzlicher Salze mit den Anionen HN2OK 2 und N2O2 . Sie reagieren in wässriger Lösung alkalisch und wirken reduzierend. Von der Säure ist nur die trans-Form
bekannt. Bei den Salzen gibt es auch die cis-Form.
4.6 Gruppe 15
487
4.6.8 Halogenverbindungen des Stickstoffs Die binären Halogenverbindungen der Zusammensetzungen NX3, N2X4, N2X2 und N3X leiten sich vom Ammoniak, Hydrazin, Diimin und der Stickstoffwasserstoffsäure ab. Eine Übersicht enthält die Tabelle 4.17. Tabelle 4.17 Binäre Stickstoff-Halogen-Verbindungen Verbindungstyp
F
Cl
Br
I
NX3 Stickstofftrihalogenide
NF3 farbloses Gas ΔH+ B Z K125 kJ.mol
NCl3 NBr3 gelbes, explosives Öl rote, ΔH+ B Z C229 kJ.mol explosive Kristalle
NI3 rotschwarze, explosive Kristalle NI3 · NH3 schwarze, explosive Kristalle
N2X4 Distickstofftetrahalogenide X2NdNX2 (gauche- und trans-Form)
N2F4 farbloses Gas ΔH+ B Z K7 kJ.mol
K
K
K
N2X2 Distickstoffdihalogenide
trans-N2F2 farbloses Gas ΔH+ B Z C82 kJ.mol
K
K
K
N3Cl farbloses Gas, explosiv
N3Br orangerote Flüssigkeit, explosiv
N 3I farbloser Feststoff, explosiv
cis-N2F2 farbloses Gas ΔH+ B Z C69 kJ.mol N3X Halogenazide
N 3F grüngelbes Gas
Stickstofftrifluorid NF3 ist ein farbloses, wenig reaktionsfähiges Gas, das erst beim Erhitzen mit Metallen zu Metallfluoriden reagiert. Von Wasser wird es nicht hydrolysiert. Ein NF3-Wasserdampf-Gemisch reagiert durch Zündung. δCδK
NF3 C 2 H2O $% HNO2 C 3 HF
NF3 wird technisch bei der Fertigung von Halbleitern und Flüssigkristalldisplays verwendet. Stickstofftrichlorid NCl3 ist eine endotherme Verbindung. Die gelbe, ölige Flüssigkeit ist hochexplosiv. Mit Wasser erfolgt Hydrolyse.
488
4 Die Elemente der Hauptgruppen δKδC
NCl3 C 3 H2O $% NH3 C 3 HOCl
Auf Grund der unterschiedlichen Bindungspolarität reagieren NF3 und NCl3 mit Wasser unterschiedlich. Nicht explosiv und bei tiefen Temperaturen beständig ist das Salz [NCl4]C[AsF6]K, das das tetraedrische Tetrachlorammoniumion NClC 4 enthält. Stickstofftribromid NBr3 und Stickstofftriiodid NI3 sind endotherme, explosive Festkörper. Stickstofftriiodid bildet Ammoniakate NI3 · nNH3 (n Z 1, 3, 5), bei Raumtemperatur entsteht durch NH3-Abgabe NI3 · NH3. NI3 · NH3 hat eine polymere Struktur, die aus Ketten besteht, in denen N annähernd tetraedrisch von I umgeben ist.
NH3 bildet mit je einem der endständigen I-Atome Charge-Transfer-Komplexe: d N d I ····· NH3 (vgl. Abschn. 5.4.8). In trockenem Zustand explodiert NI3 · NH3 bei der geringsten Berührung. Die Trihalogenide NX3 (X Z F, Cl, Br) entstehen durch Reaktion von NH3 mit dem Halogen. NH3 C 3 X2 $% NX3 C 3 HX NI3 lässt sich nicht in Gegenwart von NH3 darstellen, es entstehen Ammoniakate, aus denen es sich nicht durch Entfernung von NH3 darstellen lässt, da dabei Zerfall in die Elemente erfolgt. Man erhält es in CFCl3-Lösung nach der Reaktion BN C 3 IF $% NI3 C BF3 N2F4 ist im Gegensatz zu NF3 sehr reaktionsfähig, da im Molekül eine sehr schwache N d N-Bindung vorhanden ist. N2F4 dissoziiert daher beim Erwärmen in NF2-Radikale. N2F4 # 2 NF2
ΔH ( Z C83 kJ.mol
Es gibt zwei Typen von Halogensauerstoffverbindungen mit Stickstoff-Halogen-Bindungen. Die Nitrosylhalogenide NOF, NOCl und NOBr leiten sich von der SalpetrigenSäure durch Ersatz einer OH-Gruppe durch ein Halogenatom ab (vgl. S. 479).
4.6 Gruppe 15
489
Die Nitrylhalogenide NO2F und NO2Cl sind ganz entsprechend Säurehalogenide der Salpetersäure (vgl. S. 481).
4.6.9 Schwefelverbindungen des Stickstoffs Die wichtigsten Verbindungen sind S2N2, S4N4 und das polymere (SN)n. Außerdem sind Verbindungen des Typs SmN2 (m Z 4, 11, 15, 16, 17, 19) bekannt. Die N d S-Bindung ist kovalent, N ist der negativ polarisierte Bindungspartner: δC δK
S d N. Tetraschwefel-tetranitrid S4N4 bildet orangefarbene, wasserunlösliche Kristalle (Smp. 178 (C). Es explodiert auf Schlag oder Stoß und beim Erhitzen. S4N4 $% 4 S C 2 N2
ΔH( Z K536 kJ.mol
S4N4 ist sehr reaktionsfähig. Mit Lewis-Säuren (BF3, SbCl3, SnCl4) bildet es Addukte, mit naszierendem Wasserstoff entsteht Tetraschwefel-tetraimid S4 (NH)4. S4N4 entsteht durch Lösen von Schwefel in flüssigem NH3, präparativ kann es aus gasförmigem S2Cl2 und NH4Cl bei 160 (C hergestellt werden. Das S4N4-Molekül hat eine Käfigstruktur (Abb. 4.24). Die S d N-Abstände sind gleich groß, es liegen delokalisierte π-Bindungen vor, so dass die S-Atome die Oxidationszahl C3 haben.
N S N
N S N
S
S
S
N S N
S
N S N
Abbildung 4.24 Käfigstruktur von S4N4. Die Abstände zwischen den gegenüberliegenden S-Atomen sind wesentlich kleiner (258 pm) als die van der Waals-Abstände (360 pm). Die Käfigstruktur wird durch SdS-Teilbindungen stabilisiert. (Vergleiche die isotype Struktur von As4S4 in Abb. 4.30).
490
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Polyschwefel-polynitrid (SN)n ist bronzefarben, diamagnetisch und schmilzt bei 130 (C. Es besteht aus gewinkelten Ketten.
Entlang der Ketten existiert metallische Leitfähigkeit.
4.6.10 Oxide des Phosphors Die Phosphoroxide sind im Gegensatz zu den Stickstoffoxiden exotherme Verbindungen. Phosphor(III)-oxid P4O6 P4O6 entsteht bei der Oxidation von Phosphor mit der stöchiometrischen Menge Sauerstoff als sublimierbare, wachsartige, giftige Masse (Smp. 24 (C). P4 C 3 O2 $% P4O6
ΔH+ B Z K1 641 kJ.mol
Die Struktur lässt sich aus dem P4-Molekül ableiten; die P d P-Bindungen sind durch P d O d P-Bindungen ersetzt (Abb. 4.25). Phosphor(III)-oxid besteht in allen Phasen und auch in Lösung aus P4O6-Molekülen. Bei 25 (C ist P4O6 an der Luft beständig, bei 70 (C verbrennt es zu P4O10. Nur mit kaltem Wasser erfolgt Reaktion zu Phosphonsäure, dessen Anhydrid P4O6 ist. P4O6 C 6 H2O $% 4 H2PHO3 Mit heißem Wasser entsteht außerdem P, PH3 und H3PO4.
Abbildung 4.25 Struktur von P4O6.
Phosphor(V)-oxid P4O10 P4O10 entsteht bei der Verbrennung von Phosphor in überschüssigem Sauerstoff als weißes, geruchloses Pulver, das bei 359 (C sublimiert. P4 C 5 O2 $% P4O10
ΔH+ B Z K2 986 kJ.mol
Die Struktur leitet sich ebenfalls vom P4-Tetraeder ab. Jedes P-Atom ist tetraedrisch von Sauerstoffatomen umgeben (Abb. 4.26). Das P-Atom ist sp3-hybridisiert, es bildet vier tetraedrische σ-Bindungen und eine π-Bindung.
4.6 Gruppe 15
491
Abbildung 4.26 Struktur des Moleküls P4O10.
P4O10 reagiert mit Wasser äußerst heftig über Zwischenstufen (vgl. S. 495) zu Orthophosphorsäure. P4O10 C 6 H2O $% 4 H3PO4
ΔH( Z K378 kJ.mol
P4O10 ist eine der wirksamsten wasserentziehenden Substanzen und dient als Trockenmittel und zur Darstellung von Säureanhydriden. An Luft zerfließt P4O10 zu einem sirupösen Gemisch von Phosphorsäuren. Im Gegensatz zu N2O5 ist P4O10 kein Oxidationsmittel. Durch Erhitzen im abgeschlossenen System auf 450 (C wandelt sich das aus P4O10Molekülen aufgebaute Phosphor(V)-oxid nacheinander in zwei polymere Formen mit einer Schichtstruktur und einer Raumnetzstruktur um. Struktur der Schicht:
Das Phosphor(V)-oxid P4O18 entsteht durch eine Addition von vier Ozonmolekülen an P4O6. O O
O O O O
O
P
P O
O
O P OP O O O O O OO
492
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Die Phosphor(III, V)-oxide P4O7, P4O8 und P4O9 entstehen durch kontrollierte Oxidation oder thermische Disproportionierung von P4O6 und bei der Reduktion von P4O10 mit rotem Phosphor. Man erhält die Molekülstrukturen aus P4O10-Molekülen durch Entfernung exoständiger O-Atome. Bekannt und strukturell untersucht sind auch Oxidsulfide und Oxidselenide, z. B. P4O6Sx und P4O6Sex mit x Z 1, 2, 3 (siehe auch S. 502).
4.6.11 Sauerstoffsäuren des Phosphors Einen Überblick über die Sauerstoffsäuren des Phosphors und ihre Strukturen enthält Tabelle 4.18. Bevor die wichtigsten Phosphorsäuren und ihre Salze im Einzelnen besprochen werden, sei auf einige Besonderheiten der Phosphorsäuren hingewiesen. Ist am P-Atom ein freies Elektronenpaar vorhanden, isomerisiert sich eine P d OH-Gruppe.
In den Phosphorsäuren sind die P-Atome daher tetraedrisch koordiniert. Die sauren Eigenschaften der Phosphorsäuren sind durch die P d OH-Gruppen bedingt.
Die P d H-Bindung protolysiert in Wasser nicht, die am P-Atom gebundenen HAtome können nicht titriert werden. Demnach ist z. B. die Phosphonsäure H3PO3 nur eine zweibasige Säure. Dies kann man mit der Schreibweise H2PHO3 zum Ausdruck bringen. Phosphorsäuren und saure Phosphate kondensieren (vgl. S. 496) in vielfältiger Weise. In den kondensierten Phosphorsäuren und Phosphaten gibt es drei verschiedene Gruppen.
O
O
O
O P O
O P O
O P O
O
O
O
Endgruppe
Kettenglied
Verzweigungsgruppe
Polyphosphate enthalten Kettenglieder und Endgruppen. Metaphosphate bestehen nur aus Kettengliedern, da sie ringförmig gebaut sind. Sind Verzweigungsgruppen vorhanden, spricht man von Ultraphosphaten. Die endständigen OH-Gruppen
4.6 Gruppe 15
493
494
4 Die Elemente der Hauptgruppen
der kettenförmigen Polyphosphorsäuren sind schwach, die mittelständigen stark protolysiert. Die cyclischen Metaphosphorsäuren sind relativ starke Säuren. Das Redoxverhalten der Phosphor-Sauerstoffsäuren und ihrer Salze ist in den folgenden Potentialdiagrammen dargestellt (Redoxpotentiale in V).
Das Oxidationsvermögen ist in saurer, das Reduktionsvermögen in alkalischer Lösung größer. Bei jedem pH-Wert ist Phosphor das stärkste Oxidationsmittel. In alkalischer Lösung sind die stärksten Reduktionsmittel Phosphor, gefolgt von Phosphinat und Phosphonat. Phosphor disproportioniert bei jedem pH-Wert. Orthophosphorsäure H3PO4 H3PO4 bildet farblose Kristalle (Smp. 42 (C), die sich gut in Wasser lösen. Konzentrierte Lösungen sind sirupös, da die H3PO4-Moleküle K wie auch im festen Zustand K durch Wasserstoffbrücken vernetzt sind. Handelsüblich ist Phosphorsäure mit einem Massenanteil an H3PO4 von 85 %. H3PO4 ist eine mittelstarke dreibasige Säure, sie bildet daher drei Reihen von Salzen. C1
MeH2PO4 C1
Me2HPO4 C1
Me3PO4
Dihydrogenphosphate
(primäre Phosphate)
Hydrogenphosphate
(sekundäre Phosphate)
Orthophosphate
(tertiäre Phosphate)
Das PO3K 4 -Ion ist tetraedrisch gebaut, die Sauerstoffatome sind gleichartig gebunden. Die Bindungen lassen sich mit einem sp3-Hybrid am P-Atom und einer delokali2K sierten π-Bindung deuten (vgl. S. 160). Das PO3K 4 -Ion ist isoelektronisch mit SO4 K und ClO4 . Als säuernder Zusatzstoff ist Orthophosphorsäure in Coffein-haltigen Erfrischungsgetränken zugelassen (bis 0,7 g.l). Technisch verwendet wird Orthophosphorsäure zur Zinkphosphatierung, dem wichtigsten Korrosionsschutz von Stählen. Die Phosphatierlösungen enthalten neben H3PO4 hauptsächlich Zn-Salze. Die Phosphatierung erfolgt bei 45K70 (C mit Tauchoder Spritzverfahren in 2K5 Minuten. Die schützenden Schichten sind einige nm dick. Bei der Phosphatierung von Stahloberflächen bildet sich Phosphophyllit, FeZn2 (PO4)2 · 4 H2O. Wird, wie in der Automobilindustrie üblich, oberflächenveredelter, verzinkter Stahl eingesetzt, bildet sich Hopeit, Zn3 (PO4)2 · 4 H2O.
4.6 Gruppe 15
495
Calciumhydrogenphosphate sind wichtige Düngemittel (vgl. S. 499) und werden als Futtermittel verwendet. Na2HPO4 findet Verwendung im Lebensmittelbereich und zur Tierernährung, Ca (H2PO4)2 als Backpulver und CaHPO4 · 2 H2O in Zahncremes. H3PO4 wird aus natürlich vorkommendem Ca3 (PO4)2 hergestellt. Auf nassem Wege erfolgt Aufschluss mit verdünnter Schwefelsäure. Ca3 (PO4)2 C 3 H2SO4 $% 3 CaSO4 C 2 H3PO4 Auf trockenem Wege wird zunächst weißer Phosphor hergestellt (vgl. S. 466), der mit Luftüberschuss zu P4O10 umgesetzt wird. 2005 wurden in Deutschland 3,3 · 106 t H3PO4 produziert. Die Hydrolyse von P4O10 führt über die Zwischenstufen Tetrametaphosphorsäure H4P4O12 und Diphosphorsäure H4P2O7 zu H3PO4. In der ersten Stufe werden zwei der sechs P d O d P-Brücken im P4O10 hydrolysiert.
Diphosphorsäure H4P2O7 Beim Erhitzen von H3PO4 auf Temperaturen über 200 (C erfolgt intermolekulare Wasserabspaltung (Kondensation). Es entstehen Diphosphorsäure und Polyphosphorsäuren.
O
O
HO P OH
HO P OH
O H
O H
Reine H4P2O7-Lösungen erhält man aus Na4P2O7 durch H-Ionenaustauscher. Die wasserfreie Säure ist farblos, glasig. Sie löst sich leicht in Wasser und hydrolysiert zu H3PO4. H4P2O7 ist eine stärkere Säure als H3PO4, als vierprotonige Säure bildet sie Salze des Typs Me2H2P2O7 und Me4P2O7. Diphosphate Me4P2O7 erhält man durch Erhitzen von Hydrogenphosphaten. 2 Me2HPO4 $% Me4P2O7 C H2O Na2H2P2O7 verwendet man als Backpulver. In fluoridhaltigen Zahncremes wird das gegen Fluorid nicht reaktive Ca2P2O7 benutzt.
496
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Polyphosphorsäuren. Metaphosphorsäuren Beim Erwärmen von H3PO4 auf Temperaturen über 300 (C führt die Kondensation zu Polyphosphorsäuren Ultraphosphorsäuren Metaphosphorsäuren
HnC2 PnO3nC1 mit linearen Ketten, HnC2 PnO3nC1 mit verzweigten Ketten, (HPO3)n mit ringförmigen Molekülen.
Beispiele: Durch intermolekulare Kondensation erhält man aus vier H3PO4-Molekülen Tetraphosphorsäure H6P4O13 O
O
HO P O H
HO P O H
O H
O H
O
O
O
O HO
P OH O H
O HO P OH O H
O
HO P O P O P O P OH O H
O H
O H
O H
oder bei kettenverzweigender Kondensation die Ultraphosphorsäure iso-Tetraphosphorsäure.
Durch intramolekulare Kondensation entsteht aus Tetraphosphorsäure die cyclische Tetrametaphosphorsäure (HPO3)4.
Polyphosphate und Metaphosphate entstehen beim Erhitzen von primären Phosphaten. Während in den cyclischen Metaphosphaten n relativ klein ist (n Z 3K8) gibt es hochmolekulare Polyphosphate.
4.6 Gruppe 15
497
Hochtemperaturform des Madrell-Salzes Abbildung 4.27 Struktur von Polyphosphatketten
Poly- und Metaphosphate sind waschaktive Substanzen, die Schmutz lösen können. Polyphosphate sind ausgezeichnete Emulgatoren für Wasser und Fett. Sie werden als Lebensmittelzusatzstoffe verwendet, z. B. in Schmelzkäse, Speiseeis, ebenso in Brüh- und Fleischwürsten. Niedermolekulare Polyphosphate werden als Wasserenthärter verwendet, da die Anionen mit Ca2C lösliche Komplexe bilden. Pentanatriumtriphosphat Na5P3O10 war Bestandteil von Waschmitteln (Massenanteil bis 40 %). Da es umweltschädigend wirkt (Eutrophierung von Gewässern, siehe Abschn. 4.11), wurde es durch Zeolithe ersetzt (vgl. S. 542). Man erhält es durch Erhitzen von Gemischen aus NaH2PO4 und Na2HPO4. 2 Na2HPO4 C NaH2PO4 $% Na5P3O10 C 2 H2O In allen kondensierten Phosphaten sind die PO4-Tetraeder eckenverknüpft. Man kennt Polyphosphatketten mit je 2, 3 oder 4 PO4-Tetraedern als sich wiederholende Einheiten (Abb. 4.27). Hochmolekulare Polyphosphate verschiedener Struktur und Kettenlänge sind das Graham-, das Madrell- und das Kurrol-Salz. Das folgende Schema zeigt die Beziehungen zwischen diesen Salzen.
498
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Graham-Salz erhält man durch Erhitzen von NaH2PO4 auf 625 (C und Abschrecken der erhaltenen Schmelze. Das glasartige, hygroskopische Salz besteht zu 90 % aus linearen Polyphosphatketten mit n Z 30K90 und 10 % cyclischem Metaphosphat. Es diente unter dem Handelsnamen Calgon zur Wasserenthärtung. Madrell-Salz entsteht durch Erhitzen von NaH2PO4 oder Tempern von GrahamSalz. Die Tieftemperaturform besteht aus Polyphosphatketten mit n Z 16K32, sie wandelt sich bei 300 (C in die Hochtemperaturform um, in der Ketten mit n Z 36K72 vorhanden sind. Die Ketten bestehen aus spiralig angeordneten Dreiereinheiten (Abb. 4.27). Kurrol-Salz entsteht aus geschmolzenem NaH2PO4 durch Tempern. Die Polyphosphatketten bestehen aus spiralig angeordneten Vierereinheiten. Alle Kettenphosphate wandeln sich bei 400 (C in cyclisches Trimetaphosphat um. Phosphinsäure HPH2O2 P4 disproportioniert beim Erwärmen in Wasser. 0
K3
C1
P4C 6 H2O $% P H3 C 3 HP H2O2 In Gegenwart von Ba (OH)2 wird das Gleichgewicht nach rechts verschoben und es kann Bariumphosphinat Ba (PH2O2)2 isoliert werden. Mit H2SO4 erhält man daraus die Säure. Die reine Säure bildet weiße Blättchen (Smp. 26 (C). Es ist eine mittelstarke, einbasige Säure und ein stärkeres Reduktionsmittel als Phosphonsäure. HPH2O2 C 3 H2O $% H2PHO3 C 2 H3OC C 2 eK
E( Z K0,50 V
Beim Erwärmen disproportioniert Phosphinsäure. C1
130K140 +C K3
C3
3 HP H2O2 $$$$$$$$% P H3 C 2 H2 P HO3 Phosphonsäure H2PHO3 H2PHO3 erhält man durch Hydrolyse von PCl3. PCl3 C 3 H2O $% H2PHO3 C 3 HCl Die reine Säure bildet farblose Kristalle (Smp. 70 (C). Sie ist zweibasig und es leiten sich von ihr Hydrogenphosphonate MeHPHO3 und Phosphonate Me2PHO3 ab. Wie alle Verbindungen mit Phosphor der Oxidationszahl C3 sind H2PHO3 und ihre Salze starke Reduktionsmittel. C3
C5
2 AgC C P HO2K 3 C H2O $% H3 P O4 C 2 Ag Beim Erhitzen erfolgt Disproportionierung. C3
200+C
C5
K3
4 H2 P HO3 $$$% 3 H3 P O4 C P H3
4.6 Gruppe 15
499
Peroxophosphorsäuren Peroxodiphosphate entstehen durch anodische Oxidation von Phosphatlösungen. K $% P2O4K 2 PO3K 4 8 C2e
K4P2O8 ist in festem Zustand beständig. Peroxomonophosphorsäure erhält man durch Hydrolyse von Peroxodiphosphorsäure. H4P2O8 C H2O $% H3PO5 C H3PO4 Die Peroxophosphorsäuren sind unbeständig und gehen leicht unter Sauerstoffabspaltung in Phosphorsäure über, sie wirken daher oxidierend. Phosphathaltige Düngemittel Phosphate sind wichtige Düngemittel. Man verwendet entweder Calcium- oder Ammoniumphosphate (Weltproduktion 1999 37 · 106 t, berechnet als P2O5). Das in der Natur vorkommende Ca3 (PO4)2 ist unlöslich und muss in eine lösliche Verbindung umgewandelt werden. Durch Aufschließen mit halbkonzentrierter Schwefelsäure erhält man lösliches Ca (H2PO4)2 und wenig lösliches CaSO4. Dieses Gemisch heißt „Superphosphat“. Ca3 (PO4)2 C 2 H2SO4 $% Ca (H2PO4)2 C 2 CaSO4 Zur Herstellung von Superphosphat wird etwa 60 % der Welterzeugung von Schwefelsäure verbraucht. Erfolgt der Aufschluss mit H3PO4, entsteht „Doppelsuperphosphat“, das keine inaktiven CaSO4-Beimengungen enthält. Ca3(PO4)2 C 4 H3PO4 $% 3 Ca (H2PO4)2 Besonders bei CaCO3-reichen Phosphaten ist dieses Verfahren vorteilhaft, da auch das CaCO3 in lösliches Phosphat überführt wird. CaCO3 C 2 H3PO4 $% Ca (H2PO4)2 C CO2 C H2O Beim Aufschluss auf trockenem Wege wird Ca3 (PO4)2 mit Soda, Kalk und Alkalisilicaten bei 1 100K1 200 (C im Drehrohrofen gesintert. Das gebildete „Glühphosphat“ besteht aus 3 CaNaPO4 · CaSiO4 („Rhenaniaphosphat“). Es ist ein Langzeitdünger, da er nicht wasserlöslich ist und nur allmählich durch organische Säuren, die von den Pflanzenwurzeln geliefert werden, gelöst wird. Diammoniumhydrogenphosphat (NH4)2HPO4 ist Bestandteil von Mischdüngern wie „Hakaphos“ (Harnstoff, KNO3, (NH4)2HPO4), „Leunaphos“ ((NH4)2SO4, (NH4)2HPO4) und „Nitrophoska“ ((NH4)2SO4, KNO3, (NH4)2HPO4). Es wird durch Einleiten von NH3 in H3PO4 hergestellt. H3PO4 C 2 NH3 $% (NH4)2HPO4
500
4 Die Elemente der Hauptgruppen
4.6.12 Halogenverbindungen des Phosphors Phosphor reagiert mit allen Halogenen. Eine Übersicht über die Halogenverbindungen des Phosphors enthält Tabelle 4.19. Tabelle 4.19 Halogenverbindungen des Phosphors Verbindungstyp
F
Cl
Br
I
Phosphorpentahalogenide PX5
farbloses Gas ΔH+ BZ K1597 kJ.mol
farblose Kristalle
rotgelbe Kristalle
schwarze Kristalle?
Phosphortrihalogenide PX3
farbloses Gas ΔH+ BZ K946 kJ.mol
farblose Flüssigkeit ΔH+ BZ K320 kJ.mol
farblose Flüssigkeit ΔH+ BZ K199 kJ.mol
rote Kristalle ΔH+ BZ K46 kJ.mol
Phosphortetrahalogenide P2X4
farbloses Gas
farblose Flüssigkeit ΔH+ BZ K444 kJ.mol
K
hellrote Kristalle ΔH+ BZ K83 kJ.mol
Die Beständigkeit der Phosphorhalogenide nimmt in Richtung I ab. Es gibt außerdem zahlreiche gemischte Halogenide, sowie Halogenidoxide und Halogenidsulfide. Struktur der Moleküle:
Pentahalogenide PF5 ist ein farbloses, hydrolyseempfindliches Gas, das man durch Chlor-Fluor-Austausch aus PCl5 mit AsF5 herstellt. Intermediär treten die gemischten Halogenide PClnF5Kn auf. Die elektronegativeren Atome besetzen im Molekül die axialen Positionen. PF5 ist eine starke Lewis-Säure und reagiert mit FK zu PFK 6 -Ionen. Mit überschüssigem Cl2 bzw. Br2 reagiert weißer Phosphor oder das Trihalogenid zu weißem kristallinen PCl5 bzw. rotgelbem kristallinen PBr5. PCl3 C Cl2 5 1 4 P4 C 4 Cl2
$% PCl5 $% PCl5
ΔH ( Z K124 kJ.mol ΔH ( Z K444 kJ.mol
Im festen Zustand sind beide Verbindungen salzartig gebaut. Sie bestehen aus den Ionen [PCl4]C[PCl6]K bzw. [PBr4]CBrK. Eine metastabile PCl5-Modifikation enthält
4.6 Gruppe 15
501
die Ionen [PCl4]C, [PCl6]K und ClK. Für PI5 wird ebenfalls die Zusammensetzung [PI4]CIK postuliert, die Existenz von PI5 ist jedoch fraglich. Existent ist aber das C K Tetraiodophosphoniumkation PIC 4 in der Verbindung [PI4] [AsF6] . PCl5-Moleküle treten im Gaszustand und in unpolaren Lösungsmitteln auf. PBr5 ist in der Gasphase in PBr3 und Br2 dissoziiert, in nichtpolaren Lösungsmitteln tritt teilweise Dissoziation ein. PCl5 sublimiert bei 159 (C, bei höheren Temperaturen zersetzt es sich reversibel zu PCl3 und Cl2. Es wird als Chlorierungsmittel benutzt. Mit P4O10 erhält man Phosphorylchlorid POCl3. 6 PCl5 C P4O10 $% 10 POCl3 PCl5 ist eine Lewis-Säure und reagiert mit Chloriddonatoren zu oktaedrischen PClK 6 -Ionen. Die Pentahalogenide hydrolysieren leicht zu H3PO4 und HX. PCl5 C H2O $% POCl3 C 2 HCl POCl3 C 3 H2O $% H3PO4 C 3 HCl
Abbildung 4.28 Struktur der Phosphorsulfide P4Sn (n Z 3K10).
502
4 Die Elemente der Hauptgruppen
POCl3 ist eine farblose, toxische Flüssigkeit (Sdp. 105 (C), die man technisch durch Oxidation von PCl3 mit Sauerstoff herstellt. Aus POCl3 wird Tri-n-butylphosphat (TBP, (C4H9O)3PO) synthetisiert, das ein selektives Lösemittel ist und z. B. zur Trennung von Uran- und Plutoniumverbindungen verwendet wird. PSCl3 ist Ausgangsprodukt für die Synthese von Insektiziden. Trihalogenide PCl3, PBr3 und PI3 können aus den Elementen hergestellt werden. PF3 kann durch Fluorierung aus PCl3 synthetisiert werden. PCl3 C 3 HF $% PF3 C 3 HCl Die Trihalogenide hydrolysieren leicht zu Phosphonsäure. PX3 C 3 H2O $% H2PHO3 C 3 HX
4.6.13 Schwefel-Phosphor-Verbindungen Bekannt sind die binären Sulfide P4Sn mit n Z 3K10. Es sind thermisch beständige Verbindungen. Die meisten können aus Schmelzen der Elemente hergestellt werden. Die Strukturen der Moleküle leiten sich von P4-Tetraedern ab (Abb. 4.28), aber nur einige sind den Oxiden analog (vgl. Abschn. 4.6.10). P4S10 wird zur Herstellung von Insektiziden und Schmierölzusätzen gebraucht. Man kennt auch Oxidsulfide des Phosphors, z. B. P4O4S6 und P4O3S6 (Abb. 4.29, siehe auch S. 492).
Abbildung 4.29 Struktur der Phosphoroxidsulfide P4O4S6 und P4O3S6.
4.6.14 Phosphor-Stickstoff-Verbindungen In der Verbindung Li10P4N10 sind P4N1010L-Ionen vorhanden, die wie P4O10 und P4S10 gebaut sind. Die endständigen P d N-Abstände sind kürzer als die in den P d N d P-Brücken.
4.6 Gruppe 15
503
Zwischen Phosphor(V)-nitriden und Silicaten (vgl. Abschn. 4.7.10.1) existieren strukturchemische Analogien. Im LiPN2 und HPN2 hat [PNK 2 ] eine dem β-Cristobalit isostere Struktur. PN4-Tetraeder sind über gemeinsame Ecken zu einer Raumnetzstruktur verknüpft. Im Li4PN3 gibt es Dreierringe aus eckenverknüpften PN4-Tetraedern, analog den Cyclotrisilicaten, im Ca2PN3 Ketten aus eckenverknüpften PN4Tetraedern, analog den Kettensilicaten. Li7PN4 ist aus isolierten PN7K 4 -Ionen aufgebaut, die mit SiO4K 4 -Baugruppen isoelektronisch sind. Eine dem Sodalith Na8 [Al6Si6O24] Cl2 (vgl. Abb. 4.41) analoge Struktur existiert in der Verbindung Zn7 [P12N24]Cl2. Im Zentrum des β-Käfigs befindet sich ein ClK-Ion, das von Zn2CIonen tetraedrisch umgeben ist (1.8 der Zn-Plätze ist statistisch unbesetzt). Analoge Nitridosodalithe gibt es auch mit Fe, Co, Ni, Mn und Br, I. Eine aufgefüllte Variante dazu sind die Nitridosodalithe Zn8 [P12N24] X2 mit X Z O, S, Se. Die bekanntesten Phosphor-Stickstoff-Verbindungen sind die Phosphazene. Sie enthalten das Strukturelement dN]P . Phosphornitriddichloride (Chlorophosphazene) (NPCl2)n entstehen aus PCl5 und NH4Cl im Autoklaven bei 120 (C. n PCl5 C n NH4Cl $% ( d N ] PCl2 d )n C 4n HCl Es entstehen cyclische Verbindungen und kettenförmige Moleküle. Die cyclischen Verbindungen mit n Z 3K8 sind destillierbare, bei Raumtemperatur feste, farblose Verbindungen. (NPCl2)3 schmilzt bei 113 (C, siedet bei 256 (C und besteht aus planaren Sechsringen mit Bindungswinkeln von 120( und gleichen P d N-Abständen.
Im P3N3-Ring liegt aber nicht wie im Benzol ein aromatisches System mit vollständig delokalisierten π-Bindungen vor. Die π-Elektronen sind in Dreizentrenbindungen an den Gruppen PNP lokalisiert. Die Dreizentrenbindung entsteht durch Kombination des pπ-Orbitals des N-Atoms mit leeren Orbitalen der benachbarten P-Atome. Die polymeren, kettenförmigen Moleküle (NPCl2)n sind aus spiraligen Ketten aufgebaut. Durch Erhitzen niedermolekularer cyclischer Phosphornitriddichloride auf 300 (C bilden sich Moleküle mit Kettenlängen bis n Z 15 000. Das hochpolymere (NPCl2)n
504
4 Die Elemente der Hauptgruppen
besitzt kautschukartige Eigenschaften („anorganischer Kautschuk“), ist aber hydrolyseempfindlich. Aus den Chlorophosphazenen lassen sich durch Substitution der Cl-Atome zahlreiche andere Verbindungen (NPX2)n (X ] F, Br, SCN, NR2, CH3, C6H5, OR) herstellen. Ersetzt man im polymeren (NPCl2)n Cl durch OR, NR2, R oder kettenverbindende Gruppen wie d NR d , d O d , so erhält man hydrolysebeständige Materialien, die gummielastisch bis glashart sind und zu Fasern, Geweben, Folien, Schläuchen und Röhren verarbeitet werden. Verbindungen (NPX2)n mit Substituenten wie OCH2CF3 greifen organische Gewebe nicht an; aus ihnen werden Organersatzteile hergestellt. Ersetzt man in den Phosphazenen jedes dritte P-Atom durch ein C- bzw. S-Atom erhält man Carbophosphazene bzw. Thiophosphazene.
4.6.15 Verbindungen des Arsens 4.6.15.1 Sauerstoffverbindungen des Arsens Die wichtigsten Verbindungen sind: Oxide
Oxosäuren
Arsen(III)-oxid Arsen(V)-oxid Arsen(III,V)-oxid
As2O3 As2O5 As2O4
Arsenige Säure Arsensäure
H3AsO3 H3AsO4
Arsen(III)-Verbindungen Arsen(III)-oxid As2O3 (Arsenik) entsteht als sublimierbares, weißes Pulver beim Verbrennen von As an der Luft oder technisch beim Abrösten arsenhaltiger Erze. 2 As C 1,5 O2 $% As2O3
ΔH+ B Z K657 kJ.mol
2 FeAsS C 5 O2 $% As2O3 C Fe2O3 C 2 SO2 Es kristallisiert in zwei Modifikationen, die auch in der Natur vorkommen. Das etwas stabilere kubische As2O3 (Arsenolith) wandelt sich bei 180 (C in das monokline As2O3 (Claudetit) um. As2O3 kubisch # As2O3 monoklin
ΔH ( Z C2 kJ.mol
4.6 Gruppe 15
505
Die kubische Modifikation und auch die Dampfphase bestehen aus As4O6-Molekülen, die dieselbe Struktur wie P4O6 besitzen (vgl. Abb. 4.25). Die monokline Modifikation enthält gewellte Schichten.
Arsen(III)-Verbindungen sind starke Gifte. Schon 0,1 g Arsenik kann tödlich wirken. As2O3 ist nur mäßig in Wasser löslich. Es bildet sich Arsenige Säure H3AsO3. Sie ist eine schwache, dreiprotonige Säure, die drei Reihen von Salzen (Arsenite) bildet. Versucht man sie aus wässrigen Lösungen zu isolieren, so kristallisiert As2O3 aus. H3AsO3 lässt sich leicht reduzieren. H3AsO3 C 3 H3OC C 3 eK # As C 6 H2O In salzsaurer Lösung wird durch Sn(II) braunes As ausgefällt (Bettendorf’sche Arsenprobe). H3AsO3 ist schwerer oxidierbar als H3PO3. Die Reaktion mit I2 H3AsO3 C I2 C 3 H2O # H3AsO4 C 2 IK C 2 H3OC ist eine Gleichgewichtsreaktion, die zur iodometrischen Bestimmung von As(III) C dient. Durch HCOK 3 -Ionen werden die entstehenden H3O -Ionen aus dem Gleichgewicht entfernt und die Reaktion läuft quantitativ in Richtung H3AsO4. Arsen(V)-Verbindungen Durch Oxidation von As oder As2O3 mit konz. HNO3 erhält man Arsensäure H3AsO4. Es ist eine dreibasige mittelstarke Säure, von der sich drei Reihen von Salzen (Arsenate) ableiten. Im Gegensatz zur Orthophosphorsäure ist sie eine oxidierende Säure (Zunahme der Beständigkeit der Oxidationszahl C3 mit zunehmender Ordnungszahl). Arsen(V)-oxid As2O5 ist eine farblose, hygroskopische Verbindung, die durch Entwässerung der Arsensäure, nicht aber durch Verbrennung von As dargestellt werden kann. As2O5 besitzt eine polymere Struktur.
4.6.15.2 Schwefelverbindungen des Arsens Es sind die binären Verbindungen As4Sn (n Z 3, 4, 5, 6, 10) bekannt. In der Natur kommen als Mineralien As4S4 (Realgar) und As2S3 (Auripigment) vor. Die meisten Strukturen leiten sich vom As4-Tetraeder ab. Die As4S3-Moleküle sind isotyp mit P4S3 (vgl. Abb. 4.28). As2S3 hat eine dem As2O3 analoge Schichtstruktur (vgl. oben), der Dampf besteht aus As4S6-Molekülen, die mit P4O6 isotyp
506
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Abbildung 4.30 Struktur der Arsensulfide As4S4 und As4S5. Die beiden isomeren As4S4-Molekülstrukturen sind mit denen von P4S4 isotyp (Abb. 4.28). Die Darstellung von I ist so gewählt, dass die Isotypie zum S4N4-Molekül deutlich ist (vgl. Abb. 4.24). Realgar besteht aus As4S4(I)-Molekülen.
sind (vgl. Abb. 4.25). Die Struktur von As4S10 ist unbekannt. Die Moleküle As4S4 und As4S5 sind in der Abb. 4.30 wiedergegeben. Amorphes, gelbes As2S3 entsteht beim Einleiten von H2S in salzsaure Arsenlösungen. In Ammonium- und Alkalimetallsulfidlösungen löst es sich unter Bildung von Thioarsenit. As2S3 C 3 S2K $% 2 AsS3K 3 In Ammoniumpolysulfidlösungen wird durch Schwefel As(III) zu As(V) oxidiert. Es entsteht Thioarsenat, das sich auch aus As2S5 mit Sulfidlösungen bildet. As2S3 C 3 S2K C 2 S $% 2 AsS3K 4 Die Säuren H3AsS3 und H3AsS4 zerfallen unter H2S-Abspaltung.
4.6.15.3 Halogenverbindungen von Arsen Arsen bildet die binären Halogenide AsX3, AsX5 und As2X4. Die Molekülstruktur ist denen der Phosphorhalogenide analog. Die Arsenhalogenide lassen sich aus den Elementen herstellen, mit Wasser erfolgt Hydrolyse. Verbindungstyp
F
Cl
Br
I
Arsentrihalogenide AsX3
farblose Flüssigkeit ΔH+ BZ K959 kJ.mol
farblose Flüssigkeit ΔH+ BZ K305 kJ.mol
farblose Kristalle ΔH+ BZ K197 kJ.mol
rote Kristalle ΔH+ BZ K58 kJ.mol
Arsenpentahalogenide AsX5
farbloses Gas ΔH+ BZ K1 238 kJ.mol
Festkörper Zersetzung bei K50 (C
K
K
Diarsentetrahalogenide As2X4
K
K
K
dunkelrote Kristalle
4.6 Gruppe 15
507
Von den Trihalogeniden werden die verzerrt-tetraedrischen Ionen [AsF4]K, [AsCl4]K und [AsBr4]K gebildet, von AsF5 und AsCl5 die oktaedrischen Komplexionen [AsX6]K. Es gibt eine Anzahl Verbindungen mit dem Kation [AsCl4]C, das mit großen Anionen stabilisiert wird, z. B. [AsCl4] [SbCl6]. Die binären As(V)-Verbindungen AsBr5 und AsI5 sind unbekannt. Synthetisiert werden konnten aber die Verbindungen [AsBr4] [AsF6] und [AsI4] [AlCl4] mit den Kationen [AsBr4]C und [AsI4]C, in denen Arsen mit der Oxidationszahl C5 vorliegt.
4.6.16 Verbindungen des Antimons 4.6.16.1 Sauerstoffverbindungen des Antimons Beim Verbrennen von Antimon an der Luft entsteht Antimon(III)-oxid Sb2O3. Die kubische Modifikation ist mit kubischem As2O3 (Arsenolith) isotyp; sie besteht K wie die Dampfphase K aus Sb4O6-Molekülen. Bei 606 (C erfolgt Umwandlung in eine rhombische Modifikation, die aus Ketten besteht.
C1
Sb2O3 ist amphoter. Mit starken Basen werden Antimonite MeSbO2 gebildet. Mit starken Säuren entstehen Antimon(III)-Salze, z. B. Sb2 (SO4)3 und Sb (NO3)3, die dazu neigen, zu Antimonoxidsalzen wie SbONO3 zu hydrolysieren. Durch Hydrolyse von SbCl5 oder Oxidation von Sb mit konz. HNO3 erhält man „Antimonsäure“, ein weißes Pulver, das ein Antimon(V)-oxidhydrat Sb2O5 · xH2O ist. Durch Entwässerung erhält man daraus Antimon(V)-oxid Sb2O5. Sb2O5 löst sich schlecht in Wasser, wahrscheinlich bildet sich Hexahydroxoantimonsäure H [Sb (OH)6], die Salze des Typs Me [Sb (OH)6] bildet. Für die Analytik ist die Schwerlöslichkeit von Na [Sb (OH)6] interessant. Bei 800 (C entsteht aus Sb2O5 und auch aus Sb2O3 Antimon(III, V)-oxid Sb2O4. +
800 C
+
800 C
Sb2O5 $$$% Sb2O4 !$$$ Sb2O3
4.6.16.2 Schwefelverbindungen des Antimons Antimon(III)-sulfid Sb2S3 fällt aus angesäuerten Antimon(III)-Lösungen beim Einleiten von H2S als amorpher orangeroter Niederschlag aus. Wie As2S3 löst er sich in Ammoniumsulfidlösung als Thioantimonit
508
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Sb2S3 C 3 S2K $% 2 SbS3K 3 und in Ammoniumpolysulfidlösung als Thioantimonat. Sb2S3 C 3 S2K C 2 S $% 2 SbS3K 4 Beim Erhitzen entsteht die stabile grauschwarze, kristalline Modifikation, die als Grauspießglanz in der Natur vorkommt. Die Kristalle enthalten Ketten.
Antimon(V)-sulfid Sb2S5 ist orangerot und wird in den Zündholzköpfen als brennbare Komponente verwendet.
4.6.16.3 Halogenverbindungen des Antimons Es sind Verbindungen der Zusammensetzung SbX3 und SbX5 bekannt. Verbindungstyp
F
Cl
Br
I
Antimontrihalogenide SbX3
farblose Kristalle ΔH+ BZ K915 kJ.mol
farblose Kristalle ΔH+ BZ K382 kJ.mol
farblose Kristalle ΔH+ BZ K259 kJ.mol
rubinrote Kristalle ΔH+ BZ K100 kJ.mol
Antimonpentahalogenide SbX5
farbloses Öl
farblose Flüssigkeit ΔH+ BZ K440 kJ.mol
K
K
In SbF5 sind SbF6-Oktaeder über gemeinsame Ecken zu Ketten polymerisiert. SbF5 ist ein FK-Akzeptor und bildet [SbF6]K-Ionen. Entsprechend entsteht aus SbCl5 mit Metallchloriden das Komplexion [SbCl6]K. Die Trihalogenide bilden die Ionen [SbCl4]K, [SbCl5]2K, [SbCl6]3K, [SbF5]2K, sowie die polymeren Ionen [Sb2F7]K, [Sb4F13]K und [Sb4F16]4K Z (SbFK 4 )4. Sie gelten als wenig oder schwachkoordinierende Anionen.
4.6.17 Verbindungen des Bismuts 4.6.17.2 Sauerstoffverbindungen des Bismuts Aus Bismutsalzlösungen fällt mit Alkalilauge Bismut(III)-oxidhydrat Bi2O3 · xH2O als flockiger, weißer Niederschlag aus. Beim Erhitzen entsteht daraus gelbes Bis-
4.6 Gruppe 15
509
mut(III)-oxid Bi2O3 (Smp. 824 (C). Bi2O3 ist ein basisches Oxid, es löst sich nur in Säuren unter Salzbildung, nicht in Basen. Mit starken Oxidationsmitteln wie Cl2, KMnO4, K2S2O8, wird Bi2O3 in alkalischer Lösung zu Bismutaten oxidiert. Bismutate erhält man auch durch Schmelzen von Bi2O3 mit Alkalimetalloxiden (oder Peroxiden) an der Luft. Bi2O3 C Na2O C O2 $% 2 NaBiO3 (gelb) Bi2O3 C 3 Na2O C O2 $% 2 Na3BiO4 (braun) Bismut(III)-Salze bilden sich aus Bi oder Bi2O3 mit den entsprechenden Säuren, z. B. Bi (NO3)3 · 5 H2O und Bi2 (SO4)3 · xH2O. Sie werden in Wasser zu basischen Salzen hydrolysiert. Bi (NO3)3 C H2O $% BiONO3 C 2 HNO3 Bismutnitratoxid
4.6.17.2 Halogenverbindungen des Bismuts Die Bismut(III)-Halogenide BiF3, BiCl3, BiBr3 und BiI3 sind kristalline Substanzen. BiI3 kristallisiert in einer Schichtstruktur. Die Herstellung erfolgt nach der Reaktion Bi2O3 C 6 HX $% 2 BiX3 C 3 H2O Mit Alkalimetallhalogeniden bilden sie Halogenobismutite Me [BiF4], Me2[BiF5], Me3[BiF6]. Durch Wasser werden die Bismuthalogenide hydrolytisch zu Bismuthalogenidoxiden gespalten. BiX3 C H2O $% BiX (O) C 2 HX BiIO ist ziegelrot, die anderen Bismuthalogenidoxide bilden farblose Kristalle. BiCl3, BiBr3 und BiI3 lassen sich mit Bi zu festen Bismutmonohalogeniden BiX reduzieren. Das einzige bekannte Bismut(V)-Halogenid ist BiF5. Es entsteht aus BiF3 mit F2, bildet farblose Nadeln und ist ein starkes Fluorierungsmittel. Mit Alkalimetallfluoriden entstehen Hexafluorobismutate(V) Me [BiF6].
4.6.17.3 Bismutsulfide Aus Lösungen von Bi(III)-Salzen fällt mit H2S dunkelbraunes Bismut(III)-sulfid Bi2S3 aus. Im Gegensatz zu As2S3 und Sb2S3 besitzt es keine sauren Eigenschaften und löst sich nicht in Alkalimetallsulfidlösungen. Das amorphe braune Sulfid wandelt sich in die graue, kristalline Modifikation um, die mit Grauspießglanz Sb2S3 isotyp ist.
510
4 Die Elemente der Hauptgruppen
4.7 Gruppe 14 4.7.1 Gruppeneigenschaften
Ordnungszahl Z Elektronenkonfiguration Ionisierungsenergie in eV Elektronegativität Nichtmetallcharakter
Kohlenstoff Silicium C Si
Germanium Ge
Zinn Sn
6 [He] 2s2 2p2 11,3
32 [Ar] 3d10 4s2 4p2 7,9
50 82 [Kr] [Xe] 4d10 5s2 5p2 4f14 5d10 6s2 6p2 7,3 7,4
2,5
14 [Ne] 3s2 3p2 8,1 1,7
2,0 1,7 $% nimmt ab
%$Blei Pb
1,6
Auch in dieser Gruppe erfolgt ein Übergang von nichtmetallischen zu metallischen Elementen. Kohlenstoff und Silicium sind Nichtmetalle, Germanium ist ein Halbmetall, Zinn und Blei sind Metalle. Diese Zuordnung ist jedoch nicht eindeutig, denn in den Strukturen der Elemente ist beim Zinn noch der nichtmetallische Charakter, beim Silicium schon der metallische Charakter erkennbar. Die gemeinsame Valenzelektronenkonfiguration ist s2 p2. Für die meisten Verbindungen der Nichtmetalle C und Si ist jedoch der angeregte Zustand maßgebend.
s
p
Erfolgt eine sp3-Hybridisierung, dann können die Elemente vier kovalente Bindungen in tetraedrischer Anordnung ausbilden. Charakteristisch für das C-Atom ist seine Fähigkeit, mit anderen Nichtmetallatomen Mehrfachbindungen einzugehen, z. B.:
Das mehrfach gebundene C-Atom ist sp2-hybridisiert, wenn es eine π-Bindung bildet, und sp-hybridisiert, wenn es zwei π-Bindungen bildet. Von allen Elementen besitzt Kohlenstoff die größte Tendenz zur Verkettung gleichartiger Atome. Kohlenstoff bildet daher mehr Verbindungen als alle anderen Elemente, abgesehen von Wasserstoff. Die Fülle dieser Verbindungen K bis heute ca. 12 Millionen K ist Gegenstand der organischen Chemie. Zum Stoffgebiet der anorganischen Chemie zählen traditionsgemäß nur die Modifikationen und einige einfache Verbindungen des Kohlenstoffs. Die wichtigsten Oxidationszahlen sind C2 und C4. Mit wachsender Ordnungszahl nimmt die Stabilität der Verbindungen mit der Oxidationszahl C2 zu, die der Verbindungen mit der Oxidationszahl C4 ab. PbH4 und PbCl4 sind unbeständig, wäh-
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511
rend CH4 und CCl4 sehr stabil sind. Si(II)-Verbindungen sind unbeständig, Ge(II)und Sn(II)-Verbindungen sind stabil, aber Reduktionsmittel; nur beim Pb sind Pb(II)-Verbindungen stabiler als Pb(IV)-Verbindungen. PbO2 ist im Unterschied zu den anderen Dioxiden (CO2, SiO2, GeO2, SnO2) ein Oxidationsmittel. In der Natur gibt es daher Pb nur in Verbindungen mit der Oxidationszahl C2 und C, Si, Ge, Sn nur in Verbindungen mit der Oxidationszahl C4. Mit steigender Ordnungszahl nimmt der basische Charakter der Hydroxide zu. Ge (OH)2 ist schwach sauer, Sn (OH)2 amphoter und Pb (OH)2 überwiegend basisch. In der höheren Oxidationszahl ist bei jedem Element der basische Charakter schwächer. PbO ist basischer als PbO2. Metallisches Blei und Bleiverbindungen sind giftig (vgl. S. 520).
4.7.2 Vorkommen Kohlenstoff kommt elementar als Diamant und Graphit vor. Die Hauptmenge des Kohlenstoffs tritt chemisch gebunden in Carbonaten auf, die gebirgsbildende Mineralien sind. Die wichtigsten Carbonate sind: Calciumcarbonat CaCO3 (Kalkstein, Marmor, Kreide); Calcium-magnesium-carbonat CaCO3 · MgCO3 (Dolomit); Magnesiumcarbonat MgCO3 (Magnesit); Eisencarbonat FeCO3 (Siderit). Im Pflanzen- und Tierreich ist Kohlenstoff ein wesentlicher Bestandteil aller Organismen. Aus urweltlichen Pflanzen und tierischen Organismen sind Kohlen, Erdöle und Erdgase entstanden. Die Luft enthält einen Volumenanteil von 0,038 % CO2, das Meerwasser einen Massenanteil von 0,005 % CO2. Die Kohlenstoffmengen in der Biosphäre, Atmosphäre, Hydrosphäre und Lithosphäre verhalten sich wie 1 : 2 : 50 : 105. Silicium ist das zweithäufigste Element der Erdkruste. Es tritt nicht elementar auf, sondern überwiegend als SiO2 und in einer Vielzahl von Silicaten (vgl. Abschn. 4.7.10.2). Germanium kommt in der Natur nur in seltenen, sulfidischen Mineralien vor. Ausgangsmaterial zur Darstellung ist Germanit Cu6FeGe2S8. Zinn kommt nur selten elementar vor. Das wichtigste Zinnerz ist Zinnstein (Cassiterit) SnO2. Seltener ist Zinnkies (Stannin) Cu2FeSnS4. Das wichtigste Bleierz ist der Bleiglanz (Galenit) PbS. Weitere Bleierze sind: Weißbleierz (Cerussit) PbCO3, Rotbleierz (Krokoit) PbCrO4, Gelbbleierz (Wulfenit) PbMoO4, Scheelbleierz (Stolzit) PbWO4, Anglesit PbSO4. Alle natürlichen Pb-Vorkommen sind Pb(II)-Verbindungen.
512
4 Die Elemente der Hauptgruppen
4.7.3 Die Elemente Schmelzpunkt in (C
Kohlenstoff
Silicium
Germanium
Zinn
Blei
3800*
1410
947
232
327
* Graphit bei 0,2 bar.
4.7.3.1 Kohlenstoff Kohlenstoff kristallisiert in den Modifikationen Diamant und Graphit. Beide kommen in der Natur vor. Sie sind in ihren Eigenschaften sehr unterschiedlich. Neue, bemerkenswerte Modifikationen sind die Fullerene. Im Diamant ist jedes C-Atom tetraedrisch von vier C-Atomen umgeben (Abb. 2.53). Die Bindungen entstehen durch Überlappung von sp3-Hybridorbitalen der C-Atome. Auf Grund der hohen C d C-Bindungsenergie (348 kJ.mol) ist Diamant sehr hart (er ist der härteste natürliche Stoff). Alle Valenzelektronen sind in den sp3-Hybridorbitalen lokalisiert, Diamantkristalle sind daher farblos und elektrisch nicht leitend. Wegen der hohen Lichtbrechung, ihrer Härte, ihres Glanzes und ihrer Seltenheit sind Diamanten wertvolle Edelsteine. Durch Spuren von Beimengungen entstehen gelbe, blaue, violette, grüne und schwarze (Carbonados) Diamanten. 95 % werden wegen ihrer Härte und unübertroffenen Wärmeleitfähigkeit für technische Zwecke verwendet: zum Schleifen und Bohren, zum Schneiden von Glas und als Achslager für Präzisionsinstrumente. Diamant ist metastabil, er wandelt sich aber erst bei 1500 (C unter Luftabschluss in den thermodynamisch stabilen Graphit um. +
1500 C
CDiamant $$$$% CGraphit
ΔH ( Z K1,9 kJ.mol
In Gegenwart von Luft verbrennt er bei 800 (C zu CO2. Graphit kristallisiert in Schichtstrukturen. Die bei gewöhnlichem Graphit auftretende Struktur ist in der Abb. 4.31 dargestellt. Innerhalb der Schichten ist jedes CAtom von drei Nachbarn in Form eines Dreiecks umgeben. Die C-Atome sind sp2hybridisiert und bilden mit jedem Nachbarn eine σ-Bindung. Das vierte Elektron befindet sich in einem p-Orbital, dessen Achse senkrecht zur Schichtebene steht (Abb. 4.31c). Diese p-Orbitale bilden delokalisierte (p-p)π-Bindungen aus, die sich über die gesamte Schicht erstrecken. Der C d C-Abstand im Diamant beträgt 154 pm, innerhalb der Graphitschichten nur noch 142 pm. Die innerhalb der Schichten gut beweglichen π-Elektronen verursachen den metallischen Glanz, die schwarze Farbe und die gute Leitfähigkeit parallel zu den Schichten (104 ΩK1 cmK1). Senkrecht zu den Schichten ist die Leitfähigkeit 104mal schlechter. Zwischen den Schichten sind nur schwache van der Waals-Kräfte wirksam. Dies hat einen Abstand der Schichten von 335 pm zur Folge und erklärt die leichte Verschiebbarkeit der Schichten gegeneinander. Graphit wird daher als Schmiermittel verwendet. Die gute elektrische Leitfähigkeit ermöglicht seine Verwendung als Elektrodenmaterial.
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513
Abbildung 4.31 a) Struktur von hexagonalem α-Graphit. Die Schichtenfolge ist ABAB .. In der rhomboedrischen Form des β-Graphits ist die Schichtenfolge ABCABC .. b) Mesomere Grenzstrukturen eines Ausschnittes einer Graphitschicht. c) Darstellung der zu delokalisierten π-Bindungen befähigten p-Orbitale.
Graphit ist chemisch reaktionsfähiger als Diamant und verbrennt an Luft schon bei 700 (C zu CO2. Das Zustandsdiagramm des Kohlenstoffs (Abb. 4.32) zeigt, dass bei hohen Drücken Diamant thermodynamisch stabiler ist und Graphit sich in den dichteren Diamant umwandeln lässt. Ausreichende Umwandlungsgeschwindigkeiten erreicht man z. B. bei 1 500 (C und 60 kbar in Gegenwart der Metalle Fe, Co, Ni, Mn oder Pt. Wahrscheinlich bildet sich auf dem Graphit ein Metallfilm, in dem sich Graphit bis zur Sättigung löst und aus dem dann der weniger gut lösliche Diamant K in bezug auf Diamant ist die Lösung übersättigt K ausgeschieden wird. Synthetische Diamanten werden mit der Hochdrucksynthese seit 1955 industriell hergestellt. Sie decken bereits etwa die Hälfte des Bedarfs an Industriediamanten. Synthetisch werden auch lupenreine Steine mit Schmuckqualität hergestellt. Sie können von Natursteinen durch unterschiedliche Phosphoreszenz unterschieden werden. Offenbar sind auch die natürlichen Diamanten unter hohem Druck entstanden, denn die primären Diamantvorkommen in Südafrika und Sibirien finden sich in Tiefengesteinen, die an die Erdoberfläche gelangt sind. Der größte bisher gefundene Diamant („Cullinan“ Südafrika 1905) hatte eine Masse von 3 106 Karat (1 Karat Z 0,2 g). In den achtziger Jahren wurde die CVD-Diamantsynthese entwickelt (CVD von chemical vapour deposition). Im Unterschied zur Hochdrucksynthese gelingt bei dieser Niederdrucksynthese die Herstellung dünner Filme und freistehender Membrane aus polykristallinem Diamant, die z. B. zur Beschichtung von Schneidwerkzeugen Verwendung finden. Gasmischungen von Kohlenwasserstoffen werden in reaktive Radikale und Molekülbruchstücke zerlegt, aus denen sich auf einem heißen
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4 Die Elemente der Hauptgruppen
Substrat Diamant abscheidet. Die in der Gasphase erzeugten H-Atome reagieren mit entstandenem Graphit und amorphem Kohlenstoff, jedoch wenig mit Diamant, so dass der unter diesen Bedingungen metastabile Diamant entsteht. Es werden vier Verfahren verwendet. Heißdrahtmethode: Ein CH4 d H2-Gasgemisch wird an einem elektrisch beheizten W-, Mo- oder Ta-Draht zersetzt. Mikrowellen-Plasma-Verfahren: Mikrowellen erzeugen in einer teilevakuierten Kammer in den Reaktionsgasen ein Plasma. Gleichstrom-Bogenentladung: In einer Mischung aus Ar, H2 und CH4 wird ein etwa 5 000 (C heißes Gleichstromplasma erzeugt. Flammen-CVD: In einem Schweißbrenner wird Acetylen mit Sauerstoff verbrannt. Ein Durchbruch ist, dass jetzt auch die Abscheidung zu einkristallinen Diamantschichten gelungen ist. Als Substrat wurde Ir.SrTiO3 verwendet. Seit 2003 gibt es zwei neue Synthesewege für hochreine Diamantkristalle mit Kantenlängen von 0,5 mm bzw. 0,25 mm. MgCO3 wird mit Natrium in einem Autoklav bei 770 K und ca. 870 bar reduziert. Der Druck entsteht durch Zersetzung von MgCO3 in MgO und CO2. Das Gas ist im überkritischen Zustand. Reaktionszeit 12 Stunden. Der zweite Weg ist die direkte Reduktion von überkritischem CO2 (ca. 810 bar) mit Natrium bei 713 K. Reduktionszeit 12 Stunden. Graphitischer Kohlenstoff wird künstlich durch thermische Zersetzung von Kohle, Erdöl oder Erdgas als künstlicher Graphit, Pyrokohlenstoff, Faserkohlenstoff, Koks, Ruß und Aktivkohle hergestellt. Diese verschiedenen Kohlenstoffsorten unterscheiden sich voneinander in der Größe und Anordnung sowie der Schichtstruktur der Graphitkristalle. Schlecht kristallisierte Kohlenstoffsorten entstehen bei tiefen Tem-
Abbildung 4.32 Phasendiagramm des Kohlenstoffs. Der Tripelpunkt Graphit.Diamant.Schmelze liegt bei 130 kbar und 3 800 (C. Für die katalytische Graphit-Diamant-Umwandlung ist das rot gekennzeichnete Gebiet geeignet. Bei hohen Drücken existiert eine hexagonale Form des Diamants (Lonsdaleit). Die Beziehung zwischen den Strukturen kubischer Diamant-hexagonaler Diamant ist analog der Strukturbeziehung Zinkblende-Wurtzit (siehe S. 135).
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peraturen. Sie bestehen aus kleinen Kristallen, die zwar parallel gestapelt sind, aber bei denen die Schichten gegeneinander verschoben und verdreht sind (turbostratische Ordnung) und der Schichtabstand größer ist (bis 360 pm). Beim Ruß z. B. ist die Kristallgröße 2 000K3 000 pm. Mit zunehmender Zersetzungstemperatur wächst die Größe der Graphitschichtpakete. Oberhalb 2500 (C erhält man Kristalle mit der Struktur natürlichen Graphits. Bei Drücken von 17 MPa entsteht aus Graphit reversibel eine durchsichtige superharte Phase, die so hart wie Diamant ist. Die Graphitebenen werden so dicht zusammengepresst, dass sich bereits zur Hälfte Bindungen wie im Diamantgitter bilden. Beim Entspannen bildet sich Graphit zurück. Künstlicher Graphit entsteht aus Koks bei Temperaturen von 2 800K3 000 (C. Beim Acheson-Verfahren setzt man Silicium als Katalysator zu. Die katalytische Wirkung beruht wahrscheinlich auf der intermediären Bildung von SiC. Hitzebeständigkeit, Leitfähigkeit und Schmiereigenschaften sorgen für breite technische Anwendung: Auskleidungsmaterial in Hochöfen und Ferrolegierungsöfen, Schmelztiegel, Elektrodenmaterial, Bleistiftminen, Schmier- und Schwärzungsmittel. Da Graphit schnelle Neutronen abbremst und einen kleinen Neutroneneinfangquerschnitt aufweist, benutzt man ihn in Kernreaktoren als Moderator (vgl. S. 22). Koks, Ruß, Holzkohle bestehen aus schlecht kristallisiertem, mehr oder weniger verunreinigtem, mikrokristallinem Graphit. Industrieruß ist Füllstoff für Elastomere (z. B. Reifenindustrie). Ruß verbessert die mechanischen Eigenschaften des Kautschuks, er erhöht Abriebwiderstand und Zerreißfestigkeit. Autoreifen enthalten etwa 30K35 % Ruß. Weiterhin dient Ruß als Pigment für Druckfarben, Farben und Lacke, sowie zum Einfärben und Stabilisieren von Kunststoffen. Aktivkohle ist eine feinkristalline, lockere Graphitform mit großer spezifischer Oberfläche (ca. 1 000 m2.g), die ein hohes Adsorptionsvermögen besitzt. Man erhält sie durch Erhitzen von Holz, tierischen Abfällen oder Rohrzucker. Die Bildung großer spezifischer Oberflächen erreicht man durch Zusätze (z. B. ZnCl2), die das Zusammensintern verhindern, oder durch Anoxidieren (Aufrauhen) der Oberflächen mit Luft oder Wasserdampf. Verwendung: Gasmaskeneinsätze (CO wird nur adsorbiert, wenn vorherige Oxidation zu CO2 erfolgt ist), Entfuselung von Spiritus, Entfernung von Farbstoffen und Verunreinigungen aus Lösungen (z. B. Entfärbung von Rohrzuckerlösungen), Kohletabletten in der Medizin. Faserkohlenstoff entsteht durch Pyrolyse synthetischer oder natürlicher Fasern. Durch Streckung während der Pyrolyse richten sich die Kohlenstoffschichten parallel zur Faserachse aus. Bei Temperaturen oberhalb 2 000 (C entstehen durch Streckgraphitierung Graphitfasern hoher Zugfestigkeit und Elastizität mit geringer Masse (Tennisschläger, Motorradhelme, Verbundwerkstoff im Flugzeugbau). Pyrographit. Man zersetzt Kohlenwasserstoffe bei niedrigen Drücken an glatten Oberflächen und graphitiert bei 3 000 (C nach. Die Kohlenstoffschichten sind parallel zur Abscheidungsfläche ausgerichtet. Wegen der hohen Anisotropie der thermischen Leitfähigkeit wurde Pyrographit als Hitzeschild für Raumfahrzeuge und für Raketenmotoren verwendet. Hochorientierter Pyrographit dient für Röntgenmonochromatoren.
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4 Die Elemente der Hauptgruppen
Glaskohlenstoff ist eine leichte, spröde, sehr harte, isotrope, gas- und flüssigkeitsdichte Keramik, deren Bruch glasartig ist. Man erhält sie durch Pyrolyse bei etwa 1 000 (C aus vernetzten Polymeren. Sie besteht aus winzigen Kristalliten (! 10 nm), die knäuelartig verschlungene Bänder bilden. Verwendung in der Medizin (Elektrode in Herzschrittmachern) und für Laborgeräte. Graphitfolie. Graphitoxid (siehe S. 522) wird durch schnelles Erhitzen auf 1 000 (C zersetzt. Dabei spalten sich die Graphitaggregate zwischen den Schichten, die sich dann zu Folien verpressen lassen. Die Folien haben ausgeprägt anisotrope Eigenschaften und werden für Auskleidungen und Dichtungen verwendet. Fullerene. Durch Verdampfen von Graphit in einer Heliumatmosphäre entstehen große Kohlenstoffmoleküle mit Hohlkugelgestalt, die faszinierenden Fullerene C60, C70, C76, C78, C80, C82, C84, C86, C88, C90, C94 $$$. Am besten untersucht ist das Buckminsterfulleren C60, dessen Struktur bereits 1985 richtig vorausgesagt wurde (es wurde nach dem Architekten Buckminster-Fuller benannt, der zur Expo 1967 in Montreal eine Kuppelkonstruktion aus sechseckigen und fünfeckigen Zellen entworfen hatte). Das C60-Molekül hat einen Durchmesser von 700 pm, hat ikosaedrische Symmetrie und ist K wie ein Fußball K aus 20 Sechsringen und 12 Fünfringen aufgebaut (Abb. 4.33). Alle C-Atome sind äquivalent. Die mittleren C d C-Abstände betragen 141 pm und sind denen im Graphit fast gleich. Wie im Graphit ist jedes CAtom sp2-hybridisiert und bildet mit jedem der 3 Nachbarn eine σ-Bindung. Da die Atome auf einer Kugeloberfläche liegen, ist die mittlere Winkelsumme auf 348( verringert und das C-Atom bildet mit den 3 Nachbarn eine flache verzerrte Pyramide. Beide Oberflächen der Kugel sind mit π-Elektronenwolken bedeckt. Die πElektronen sind aber nicht wie in den Graphitschichten delokalisiert, sondern bevorzugt in den Bindungen zwischen den Sechsecken lokalisiert. C60 konnte auch auf chemischem Wege aus kommerziellem Ausgangsmaterial in 12 Schritten synthetisiert werden. Letzter Schritt ist die Vakuumpyrolyse von C60H27Cl3 bei 1 100 (C. Die Fullerene lösen sich mit typischen Farben in Toluol. Ihre Trennung gelingt durch Chromatographie an Al2O3. In kristalliner Form wurden C60, C70, C76, C84, C90 und C94 isoliert. Mit der Fullerenfamilie gibt es nun eine Vielzahl neuer Kohlenstoffmodifikationen. Im kristallinen C60-Fulleren sind die C60-Moleküle kubisch-dichtest gepackt (a Z 1 420 pm). Die Kristalle sind im durchscheinenden Licht rot bis braun und zeigen Metallglanz. Die Standardbildungsenthalpie ist ΔH+ B Z 2 282 kJ.mol. Die C60-Kristalle sind also thermodynamisch instabil (relativ zum Graphit um 38 kJ pro C-Atom), aber kinetisch stabil. Die C60-Moleküle sind bei 400 (C unter reduziertem Druck ohne Zersetzung sublimierbar. Durch UV-Strahlung, besonders in Gegenwart von O2, wird der C60-Käfig zerstört. Das C60-Fulleren reagiert vielfältig, es entstehen Verbindungen mit ungewöhnlichen Eigenschaften. Einige Reaktionen werden im Abschn. 4.7.4 besprochen. Nach der Regel isolierter Fünfecke sollten bei den Fullerenen die Fünfecke von Sechsecken umgeben sein. Zwischen C60 und C70 gibt es entsprechend der Regel keine Fullerene. Instabile Fullerene wie C72, C74, C80 und C82 lassen sich aber durch
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eingelagerte Metallatome als endohydrale Fullerene (s. Abschn. 4.7.4) stabilisieren. Es gelang auch die Synthese des allerkleinsten Fullerens C20, das nur aus kondensierten Fünfringen besteht. Fullerene wurden zunächst künstlich erzeugt. Später konnten sie auch in Sedimenten und Meteoriten identifiziert werden. Auf Grund der Isotopenanalyse von Helium- und Argon-Gaseinschlüssen in den derart gefundenen Fullerenkäfigen wurde ihr Entstehen im Weltall angenommen. Mittels der Graphitverdampfungsverfahren konnten mittlerweile weitere geschlossene Formen von Kohlenstoff synthetisiert werden. Zu diesen Formen gehören die röhrenförmig aufgebauten Kohlenstoff-Nanoröhren, „Bucky Tubes“ (Abb. 4.33b) und die Kohlenstoffzwiebeln, Zwiebelschalen-artig aufgebaute Mikropartikel, „Bucky Onions“. Kohlenstoff-Nanoröhren können ein- oder mehrwandig sein. Die Wandung ist gleichsam eine aufgerollte Graphitschicht. Sie besteht aus allseitig aneinander kondensierten Sechsringen. Durch den Einbau von topologischen Fünfeck-SiebeneckDefekten kann aus der linearen Röhre eine abgeknickte, gekrümmte oder sogar spiralige Struktur werden. Kohlenstoff-Nanoröhren können am Ende geschlossen oder offen sein. Der Innenraum kann leer oder gefüllt sein. Der Abstand zwischen den Grafenschichten bei den mehrwandigen Röhren oder den Kohlenstoffzwiebeln gleicht mit 340 pm dem Abstand zweier Schichten im Graphit. Die Herstellung der Kohlenstoff-Nanoröhren kann in der Gasphase durch Lichtbogensynthese, durch die pyrolytische Zersetzung von Kohlenwasserstoffen in Gegenwart von Metallkatalysatoren und durch Laserverdampfung von Graphit erfolgen. Als Synthese in kondensierter Phase ist die Elektrolyse einer LiCl-Schmelze bei 600 (C mit Graphitelektroden im Einsatz. Kohlenstoff-Nanoröhren haben eine größere Festigkeit als Kohlenstofffasern und Siliciumcarbidfasern, sie sind oxidationsbeständiger als Fullerene und Graphit. Na-
Abbildung 4.33 a) Das C60-Molekül (Buckminsterfulleren). Die Oberfläche ist die eines 60eckigen Fußballs. Es gibt 12 isolierte fünfeckige Flächen und 20 sechseckige Flächen. Das 32flächige Polyeder ist ein abgestumpftes Ikosaeder (vgl. Abb. 4.43). Das kugelförmige Molekül hat einen Durchmesser von 700 pm. Die C d C-Abstände der Sechsring-Sechsring-Verknüpfungen sind 138,8 pm, die der Sechsring-Fünfring-Verknüpfungen 143,2 pm. b) Modell einer einwandigen Kohlenstoff-Nanoröhre (nanotube). Die Wandung besteht aus einer aufgerollten, in sich geschlossenen Graphitschicht. Der Durchmesser der Röhre beträgt 1K3 nm. Dunkler dargestellt sind topologische Fünfeck-Siebeneck-Defekte.
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4 Die Elemente der Hauptgruppen
noröhren sind bessere Wärmeleiter als Diamant, vorteilhaft ist, dass die Wärme nur in Längsrichtung gelenkt wird. Sie sind Halbleiter wie Silicium. Die Bandlücke hängt vom Durchmesser der Röhren ab, sie wird kleiner mit wachsendem Durchmesser. Durch Füllung der Röhren mit Metallen entstehen Nanodrähte. Nanodrähte und Nanoröhren haben ein faszinierendes Gebiet mit vielen Anwendungsmöglichkeiten erschlossen. Beispiele für Kohlenstoffnanoröhren: Wasserstoffspeicherung in Kraftfahrzeugen, Spitzen für Rastersondenmikroskope, Verbundwerkstoffe, molekulare Filter und Membranen. Nanoröhren wurden auch mit anderen Elementen und deren Verbindungen synthetisiert, z. B. mit Si, SiO2, BN, BC3, MoS2, WS2. Nanodrähte lassen sich mit vielen Metallen und Metalloxiden herstellen und finden Anwendungen in Mikroelektronik und Mikrosensorik. Die Nanotechnologie wird als Schlüsseltechnologie kommender Jahrzehnte angesehen (s. Abschn 5.7.6). Die Kohlenstoffzwiebeln sind keine Fullerene im engeren Sinne. Fullerene sind geschlossene Hohlkörper. Die Zwiebeln dagegen sind Graphitebenen, die sich durch Fünfring- und Siebenring-Defekte konzentrisch ineinander krümmen und die einzelnen „Zwiebelschalen“ bilden. Kohlenstoffzwiebeln können mehrere 100 nm groß werden.
4.7.3.2 Silicium, Germanium, Zinn, Blei Modifikationen Silicium, Germanium und graues Zinn kristallisieren ebenfalls im Diamantgitter (αModifikationen). Die Bindungsstärke nimmt in Richtung Sn ab. Im Gegensatz zum Diamant ist daher ein kleiner Anteil der Valenzelektronen nicht mehr in bindenden Orbitalen lokalisiert, sondern im Gitter frei beweglich. Si, Ge und graues Zinn sind Eigenhalbleiter. Da die Anzahl der freien Elektronen in Richtung Sn zunimmt, erhöht sich zum Zinn hin die Leitfähigkeit (vgl. Abschn. 2.4.4.3). Durch Dotierung (z. B. mit As oder Ga) werden aus hochreinem Silicium oder Germanium Störstellenhalbleiter hergestellt (vgl. Abschn. 2.4.4.4). Nichtmetallisches graues Zinn (α-Sn) ist nur unterhalb 13 (C beständig, bei höheren Temperaturen ist metallisches Zinn (β-Sn) stabiler. α-Sn
13+C
ddd/ 1ddd
grau nichtmetallisch KZ Z 4 Dichte 5,77 g cmK3
β-Sn
ΔH( Z C2 kJ.mol
weiß metallisch KZ Z 6 Dichte 5,77 g cmK3
Im β-Sn ist jedes Sn-Atom sechsfach koordiniert. Mit der Vergrößerung der Koordinationszahl vergrößert sich auch die Dichte. Die Umwandlungsgeschwindigkeit von β-Sn in α-Sn ist sehr klein. Wenn sich aber Kristallisationskeime von α-Sn gebildet haben, erfolgt schnelle Ausbreitung der zerstörenden Umwandlung der metallischen Struktur in pulvriges graues Zinn (Zinnpest).
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Von Si sind drei Hochdruckmodifikationen bekannt: β-Si ist isotyp mit β-Sn, δ-Si mit hexagonalem Diamant (vgl. Abb. 4.31), γ-Si kristallisiert kubisch-raumzentriert. Dieselben Hochdruckmodifikationen gibt es auch beim Ge. Blei kristallisiert in einer typischen Metallstruktur, nämlich in der kubisch-dichtesten Packung (vgl. Abschn. 2.4.2). Es ist ein bläulich-graues, weiches, dehnbares Schwermetall. Nur frische Schnittflächen zeigen metallischen Glanz, da sich an der Luft eine dünne Oxidschicht bildet. Sie verhindert die oxidative Zerstörung des Metalls. Nur beim Kohlenstoff erfolgt im elementaren Zustand eine Verknüpfung der Atome unter Beteiligung von π-Bindungen. Im Gegensatz zur Diamantstruktur tritt die Graphitstruktur daher bei den anderen Elementen der Gruppe nicht auf. Darstellung. Reaktion. Verwendung Bei der technischen Darstellung von Silicium wird Quarz mit Koks im elektrischen Ofen reduziert. +
1 800 C
SiO2 C 2 C $$$$% Si C 2 CO
ΔH ( Z C690 kJ.mol
Man erhält Si in kompakten Stücken. Im Laboratorium verwendet man Mg oder Al als Reduktionsmittel. 3 SiO2 C 4 Al $% 3 Si C 2 Al2O3
ΔH( Z K619 kJ.mol
Für die Halbleitertechnik benötigt man extrem reines Silicium. Technisches Si wird mit HCl zu SiHCl3 (Trichlorsilan) umgesetzt, dieses durch Destillation gereinigt und dann zu Si reduziert. 300+C
1ddd Si C 3 HCL ddd/ HSiCl3 C H2 + 1100 C
Man erhält polykristallines Silicium einer Reinheit von 10K9 Atom%. Siliciumeinkristalle gewinnt man daraus mit dem Zonenschmelzverfahren (vgl. Abschn. 2.4.6.1) oder mit dem jetzt hauptsächlich eingesetzten Czochralski-Verfahren. Dabei wird das polykristalline Silicium in einem Quarztiegel geschmolzen, in die Schmelze wird ein Impfkristall eingetaucht, an dem das Silicium auskristallisiert. Der wachsende Einkristall wird K unter gegenläufiger Rotation von Tiegel und Kristall K langsam aus der Schmelze herausgezogen. Man erhält anderthalb Meter lange und bis zu 30 cm dicke walzenförmige Einkristalle. Sie werden in 0,5 bis 1 mm dicke Scheiben („Wafer“) zerschnitten. 1990 wurden weltweit 4 000 t Si-Einkristallscheiben im Wert von 3 Milliarden DM hergestellt. Die daraus gefertigten Bauteile hatten ein Umsatzvolumen von 80 Milliarden DM. Si reagiert bei Raumtemperatur nur mit Fluor. Mit den anderen Halogenen, O2, N2, S, C und vielen Metallen reagiert es erst bei hohen Temperaturen. Si löst sich trotz des negativen Standardpotenzials nicht in Säuren (Passivierung), aber leicht in heißen Laugen. Si C 2 NaOH C H2O $% Na2SiO3 C 2 H2
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4 Die Elemente der Hauptgruppen
Zur Darstellung von Germanium wird aus Germanit mit einem H2SO4-HNO3-Gemisch GeO2 abgeschieden und dieses mit konz. Salzsäure zu GeCl4 umgesetzt. Durch Destillation von GeCl4 und Hydrolyse erhält man reines GeO2, das mit H2 zu Ge reduziert wird. GeO2 C 4 HCl $% GeCl4 C 2 H2O GeO2 C 2 H2 $% Ge C 2 H2O Reinstes Ge für Halbleiterzwecke wird mit dem Zonenschmelzverfahren hergestellt. Zur Darstellung von Zinn wird Zinnstein mit Kohle reduziert. SnO2 C 2 C $% Sn C 2 CO
ΔH( Z 360 kJ.mol
Zur Wiedergewinnung von Sn aus Weißblechabfällen (verzinntes Eisenblech) wird das Weißblech elektrolytisch gelöst und daraus das Sn kathodisch abgeschieden. Früher wurde Sn mit Cl2 in SnCl4 überführt (Fe wird nicht angegriffen). Bei Raumtemperatur ist Sn gegenüber Wasser und Luft beständig, von starken Säuren und Basen wird es angegriffen. Sn C 2 HCl $% SnCl2 C H2 Sn C 4 H2O C 2 OHK $% [Sn(OH)6]2K C 2 H2 Mit Chlor und Brom reagiert Sn zu Tetrahalogeniden SnX4. Schon vor der Erfindung des Porzellans diente Sn zur Herstellung von Geschirr. Eisenblech wird durch Eintauchen in geschmolzenes Sn verzinnt (Weißblech) und dadurch vor Korrosion geschützt. Sn ist Bestandteil wichtiger Legierungen. Britanniametall wird zur Herstellung von Gebrauchsgegenständen (Tischgeschirr) verwendet. Es besteht aus 88K90 % Sn, 10K8 % Sb und 2 % Cu. Bronzen sind Cu-SnLegierungen (s. bei Cu). Weichlot besteht aus 40K70 % Sn und 60K30 % Pb (den niedrigsten Schmelzpunkt von 181 (C hat eine Legierung mit 64 % Sn und 36 % Pb). Für die Herstellung von Blei wird fast ausschließlich Bleiglanz PbS verwendet. Röstreduktionsverfahren. Nach der Oxidation von PbS PbS C 1,5 O2 $% PbO C SO2
(Röstarbeit)
wird im Hochofen PbO mit Koks reduziert. PbO C CO $% Pb C CO2
(Reduktionsarbeit)
Röstreaktionsverfahren. PbS wird unvollständig oxidiert 3 PbS C 3 O2 $% PbS C 2 PbO C 2 SO2
(Röstarbeit)
und dann unter Luftausschluss weiter erhitzt. PbS C 2 PbO $% 3 Pb C SO2
(Reaktionsarbeit)
Trotz des negativen Standardpotentials löst sich Pb nicht in H2SO4, HCl und HF (Passivierung). In HNO3 und heißen Laugen löst es sich. Wegen der Giftigkeit von
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Bleiverbindungen ist zu beachten, dass Blei in Gegenwart von Luftsauerstoff von Wasser angegriffen wird. Pb C 21 O2 C H2O $% Pb (OH)2 Auch von CO2-haltigen Wässern wird Pb gelöst. Pb C 21 O2 C H2O C 2 CO2 $% Pb (HCO3)2 Pb wird zur Herstellung von Bleirohren, Geschossen und Flintenschrot sowie Akkumulatorplatten (vgl. S. 370) verwendet. Durch Sb-Zusätze gehärtetes Pb nennt man Hartblei. Wichtige Legierungen sind Bleilagermetalle (60K80 % Pb, Sb, Sn und etwas Alkali- bzw. Erdalkalimetall) und Letternmetall (70K90 % Pb, Sb und etwas Sn).
4.7.4 Graphitverbindungen, Fullerenverbindungen Graphit bildet unter Erhalt der Schichtstruktur zahlreiche polymere Verbindungen. Je nach Reaktionspartner ist die Bindung überwiegend kovalent oder ionisch. Kovalente Graphitverbindungen Bei 700 (C reagiert Graphit mit F2 zu CF4-Molekülen. Bei tieferen Temperaturen bleiben die Graphitschichten erhalten, die Fluoratome bilden mit den π-Elektronen des Graphits kovalente Bindungen. Bei 600 (C entstehen feste Verbindungen mit den Zusammensetzungen CF0,68 bis CF. Die Hybridisierung ändert sich von sp2 nach sp3, die Leitfähigkeit nimmt ab, die schwarze Farbe und der metallische Glanz verschwinden. CF (Abb. 4.34a) ist daher farblos und nicht leitend, es ist eine hydrophobe, chemisch resistente Substanz (inert gegen Wasser, Säuren und Basen).
Abbildung 4.34 Graphitverbindungen a) Eine Schicht im Graphitfluorid (CF)n. Alle π-Elektronen des Elektronengases des Graphits sind in Bindungen mit F-Atomen lokalisiert. CF ist daher nicht leitend und farblos. Die C-Atome sind sp3-hybridisiert, die Schichten daher gewellt. Die Bindungen sind Einfachbindungen. Der Abstand zwischen den Schichten beträgt ca. 700 pm (335 pm im Graphit). Im Kristall liegen die Schichten spiegelbildlich übereinander, so dass jede dritte Schicht dieselbe Lage einnimmt. b) Zwei Schichten im Graphitfluorid (C2F)n. Die Schichten sind durch kovalente Bindungen verbunden. Die eine Hälfte der sp3-hybridisierten C-Atome ist an F-Atome gebunden, die andere Hälfte an C-Atome der Nachbarschicht. Im Kristall liegen die Schichtpakete spiegelbildlich übereinander, ihr Abstand beträgt 800 pm.
522
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Bei 350K400 (C erhält man die durchsichtige, dunkelbraune Verbindung C2F, in der nur noch nach jeder 2. Schicht Fluor eingebaut ist (Abb. 4.34b). Die sp3-hybridisierten C-Atome sind mit drei Bindungen innerhalb der Schicht gebunden, die vierte Bindung geht von der einen Hälfte der C-Atome an die Fluoratome, von der anderen Hälfte an C-Atome der benachbarten Schicht. Mit starken wässrigen Oxidationsmitteln (z. B. H2SO4.KMnO4) erhält man Graphitoxid der idealisierten Zusammensetzung C8O2(OH)2, das noch C ] C-Bindungen enthält. Die OH-Gruppen haben schwach sauren Charakter, daher wird die Verbindung auch als Graphitsäure bezeichnet. Graphit-Intercalationsverbindungen (Einlagerungsverbindungen) Zwischen den Schichten des Graphitgitters können zahlreiche Atome und Verbindungen K zum Teil reversibel K eingelagert werden. Die Schichten des Graphitgitters bleiben erhalten, ihr Abstand vergrößert sich jedoch. Man unterscheidet Einlagerungsverbindungen der 1., 2., 3. Stufe, je nachdem ob nach jeder, jeder 2., jeder 3. Kohlenstoffschicht eine Einlagerungsschicht vorhanden ist. Eingelagerte Elektronendonatoren geben Elektronen an das Graphitgitter ab, eingelagerte Elektronenakzeptoren nehmen Elektronen aus dem Graphitgitter auf. Zwischen den Graphitschichten und den Intercalationsschichten entsteht eine ionogene Bindung. Gut untersucht sind die Alkalimetallgraphitverbindungen. Beispiel: Kalium Zusammensetzung Farbe Stufe
C 8K C24K bronzefarben stahlblau 1 2
C36K C48K dunkelblau schwarz 3 4
C60K schwarz 5
Die K-Atome geben ihr Valenzelektron an das Leitungsband des Graphitgitters ab. Es C entstehen ionische Strukturen, z. B. CK (Abb. 4.34c). Die Kaliumgraphitverbin8 K dungen sind daher metallische Leiter. Die Leitfähigkeit in Richtung der Schichten ist
Abbildung 4.34c Aufsicht auf das Gitter von C8K. Die Kohlenstoffschichten liegen genau übereinander (Schichtenfolge AAA ...). Der Schichtabstand beträgt 540 pm. Beim Graphit ist die Schichtfolge ABAB .. oder ABCABC .., der Schichtabstand 335 pm. Bei den Kaliumgraphitverbindungen höherer Stufen fehlt das mittlere K-Atom. Es bleiben also 13 der K-Plätze unbesetzt und die 2. Stufe hat daher die Zusammensetzung C24K.
4.7 Gruppe 14
523
ca. zehnmal, senkrecht zu den Schichten ca. hundertmal so groß wie im Graphit. Die Leitfähigkeit nimmt mit steigender Temperatur ab. Alkalimetallgraphitverbindungen sind schwach paramagnetisch. Sie sind sehr reaktiv und zersetzen sich heftig mit Wasser. Ähnliche Verbindungen gibt es mit Erdalkalimetallen, Eu, Yb und Sm. Zahlreicher als Graphitverbindungen mit Elektronendonatoren sind die Einlagerungsverbindungen mit Elektronenakzeptoren (Metallhalogenide, Sauerstoffsäuren, Oxide). Beispiele: K K C CC 24 HSO4 $ 2,4 H2SO4 ; C70Cl FeCl2 $ 5 FeCl3
Die Graphitsalze leiten besser als Graphit. Sie werden von Wasser zersetzt. In der präparativen organischen Chemie werden die Graphit-Einlagerungsverbindungen vielfältig verwendet, z. B. C8K als selektiv wirkendes Reduktionsmittel, K CC 24 HSO4 $ 2,4 H2SO4 als Veresterungskatalysator. Verbindungen des Fullerens C60 Im kristallinen C60-Fulleren sind die C60-Moleküle kubisch-dichtest gepackt. In das Kristallgitter können Alkalimetalle und Erdalkalimetalle eingebaut werden. Pro C60 sind im Gitter eine oktaedrische Lücke und zwei tetraedrische Lücken vorhanden. Bei K3C60 und Rb3C60 sind diese Lücken mit den Alkalimetallatomen gefüllt. Ein weiterer Einbau führt zu Strukturänderungen. K4C60 und Rb4C60 haben eine raumzentrierte tetragonale Struktur, K6C60 und Rb6C60 kristallisieren kubischraumzentriert. C60 ist ein Halbleiter (Bandlücke 1,9 eV), der Einbau von Alkalimetallen führt zunächst zu metallischer Leitung, die Phasen Me6C60 sind wieder Isolatoren. Die höchste Leitfähigkeit besitzen die Phasen Me3C60, und nur diese Phasen sind Supraleiter mit Sprungtemperaturen bis 33 K (Cs2RbC60). Im Kristall entsteht aus π-Orbitalen der C60-Moleküle ein schmales Valenzband mit 6 besetzbaren Zuständen pro C60. Die Alkalimetallatome geben ihr Valenzelektron an das Leitungsband ab, es nK entstehen die Fulleride MeC (Me Z K, Rb, Cs; n Z 2, 3, 4, 5, 6). Bei n C60 3K 6K C Me3 (C60) ist das Band halb gefüllt (maximale Leitfähigkeit), bei MeC ist 6 (C60) es vollständig aufgefüllt (Isolator). Zu anderen Phasen führt der Einbau der kleineren Na-Atome. Na3C60 ist kein Supraleiter. Im Na6C60 sind die C60-Moleküle kubisch-dichtest gepackt, die tetraedrischen Lücken mit Na-Atomen besetzt, die oktaedrischen Lücken mit tetraedrischen Na4-Clustern. Im Na11C60 enthalten die oktaedrischen Lücken Na9-Cluster. Durch Einbau von Erdalkalimetallen entstehen die supraleitenden Phasen Ca5C60 und Ba6C60. Der große Hohlraum des C60-Moleküls macht dieses zu einem molekularen Container. Es können Nichtmetall- oder Metallatome (vorwiegend Seltenerdmetalle) in Fullerenkäfigen eingeschlossen sein: Endohedrale Fullerenderivate. Der Einschluss wird durch das Symbol @ angezeigt. Beispiele sind: He@C60, N@C60, La2@C72, Eu@C74, Ce2@C80, La@C82, Sc3@C82, Sc2@C84. Im Käfig wird Sc3N@C80, ein vier-
524
4 Die Elemente der Hauptgruppen
atomiger Cluster eingebaut. Helium kann von außen hineingeschossen werden, die Metallatome werden beim Aufbau der Käfige eingebaut. Die nicht existierenden Fullerene C72 und C74, sowie die weniger stabilen Fullerene C80 und C82 sind als endohedrale Fullerene stabil. Stabilisierend ist die elektronische Struktur der eingelagerten Spezies. Mit Übergangsmetallen bildet C60 durch Addition von Metall-Ligand-Spezies Komplexe, die exohedralen Fullerene. Heterofullerene sind Käfige, in denen einzelne C-Atome durch andere Atome wie Bor oder Stickstoff ersetzt sind. Brom wird an den Doppelbindungen addiert, es entstehen die Verbindungen C60Br6, C60Br8 und C60Br24. Durch Addition von 24 Br-Atomen ist C60 sterisch abgesättigt. Die Reaktion mit Fluor führt stufenweise über C60F6 und C60F42 zum vollständig fluorierten C60F60. Mit Wasserstoff werden nur die konjugierten Doppelbindungen angegriffen, es bleiben 12 Doppelbindungen erhalten, und es bildet sich die Verbindung C60H36. In allen Verbindungen bleibt die Käfigstruktur der C60-Moleküle erhalten.
4.7.5 Carbide Carbide sind Verbindungen des Kohlenstoffs mit Metallen und den Halbmetallen B und Si. Kohlenstoff ist also der elektronegativere Reaktionspartner. Die Carbide können in kovalente, salzartige und metallische Carbide eingeteilt werden. Mit den Elementen ähnlicher Elektronegativität, B und Si, bildet Kohlenstoff kovalente Carbide, z. B. SiC und B13C2 (vgl. Abschn. 4.8.4.1). Siliciumcarbid SiC (Carborund) ist sehr hart, thermisch und chemisch resistent, gut wärmeleitend und wie Silicium ein Eigenhalbleiter. Es dient als Schleifmittel, zur Herstellung feuerfester Steine und von Heizwiderständen (Silitstäbe), sowie für hochtemperaturfeste Teile im Maschinen- und Apparatebau (Gasturbinen, TurboDieselmotore, Lager). SiC kommt in mehreren Modifikationen vor; in allen sind die Atome tetraedrisch von vier Atomen der anderen Art umgeben und durch kovalente Bindungen verknüpft. Eine der Modifikationen kristallisiert in der diamantähnlichen Zinkblende-Struktur (vgl. Abb. 2.54). Technisch stellt man SiC aus Quarzsand und Koks her (Acheson-Verfahren, Weltproduktion ca. 106 t.Jahr). +
2 200 C
SiO2 C 3 C $$$$$% SiC C 2 CO
ΔH ( Z C625 kJ.mol
Man erhält so genanntes α-SiC (hexagonale und rhomboedrische Modifikationen). Kubisches β-SiC entsteht bei der thermischen Zersetzung von Methylchlorsilanen bei Temperaturen über 1 000 (C. CH3SiCl3 $% SiC C 3 HCl Salzartige Carbide werden mit den elektropositiven Metallen gebildet. Es sind farblose, hydrolyseempfindliche Feststoffe. Am häufigsten sind ionische Carbide, die aus
4.7 Gruppe 14
525
Abbildung 4.35 Struktur von CaC2. Die Anordnung der Ionen ist dieselbe wie in der NaCl-Struktur (Abb. 2.2). Da die [lC ^ Cl]2KIonen parallel zu einer Achse der Elementarzelle liegen, verursachen sie eine Verzerrung zu tetragonaler Symmetrie.
Metallkationen und dem Acetylenid-Anion [lC ^ Cl]2K aufgebaut sind: C2
Me2C2
(Me Z Alkalimetall, Cu, Ag, Au)
MeC2
(Me Z Erdalkalimetall, Zn, Cd)
C2
Mit Wasser erfolgt Zersetzung zu Acetylen. CaC2 C 2 H2O $% Ca (OH)2 C HC ^ CH Calciumcarbid CaC2 hat großtechnische Bedeutung (vgl. S. 609). Es wird aus Calciumoxid und Koks im elektrischen Ofen hergestellt. +
2 200 C
CaO C 3 C $$$$% CaC2 C CO
ΔH ( Z C465 kJ.mol
Die Hauptmenge wird zu Acetylen C2H2 weiterverarbeitet. Eine der vier Modifikationen von CaC2 besitzt eine verzerrte NaCl-Struktur (Abb. 4.35), in der auch die meisten anderen Acetylenide MeC2 kristallisieren. Außer den ionischen Carbiden, die als Salze des Acetylens aufzufassen sind, gibt es solche, die sich vom Methan CH4 ableiten und die formal C4K-Ionen enthalten, z. B. Be2C und Al4C3. Bei der Umsetzung mit Wasser entwickeln sie Methan. Al4C3 C 12 H2O $% 4 Al (OH)3 C 3 CH4 Be2C kristallisiert im Antifluorit-Typ, aus Berechnungen folgt die Existenz von C4KIonen im Kristall. Das Carbid Li4C3 hydrolysiert zu Propin Li4C3 C 4 H2O $% 4 LiOH C CH3KC ^ CKH Mg2C3 zu einem Gemisch aus Propin und Propadien CH2 ] C ] CH2. Die Annahme, dass sie das Ion [ C C C ]4K enthalten, konnte für Mg2C3 durch Strukturuntersu-
526
4 Die Elemente der Hauptgruppen
chungen bestätigt werden. C3-Einheiten neben C2-Einheiten und einzelnen C-Atomen treten im metallisch leitenden Carbid Sc3C4 auf. Inhalt der Elementarzelle: 4K 4K 2K )126eK. Die Carbide Me3C4 (Me Z Ho, Sc30 (C3)8 (C2)2 (C)12; Sc3C 30 (C3 )8 (C2 )2 (C Er, Tm, Yb, Lu) sind mit Sc3C4 isotyp. C3
C3
In den Carbiden MeC2 und Me2C3 (Me ] Y, Lanthanoide, U) existieren C3K 2 Ionen. Ein Elektron befindet sich in antibindenden π-MOs der C2-Gruppen (vgl. Abb. 2.66), die Bindung ist geschwächt und die C d C-Abstände vergrößert. Diese Carbide sind nicht mehr salzartig, sondern metallisch leitend. Sie zeigen ein kompliziertes Hydrolyseverhalten, es entsteht ein Gemisch aus Kohlenwasserstoffen. Die Carbide Me4C5 (Me ] Y, Gd, Tb, Dy, Ho) lassen sich mit der Formel 4K 4K beschreiben. Einzelne C-Atome sind oktaedrisch koordiniert. In Me3C 4 (C2 )2C den C2-Gruppen sind Doppelbindungen vorhanden. Das Hydrolyseverhalten ist kompliziert. Es gibt eine große Anzahl ternärer Lanthanoid-Übergangsmetall-Carbide, die C2Paare enthalten und die in vielen unterschiedlichen Strukturen kristallisieren. Metallische Carbide (Einlagerungscarbide) sind Verbindungen mit Übergangsmetallen, in denen die kleinen Kohlenstoffatome die Lücken von Metallgittern besetzen. Es entstehen Stoffe mit großer Härte, hohen Schmelzpunkten und metallischer Leitfähigkeit. Sie sind im Abschn. 2.4.6.2 behandelt worden.
4.7.6 Sauerstoffverbindungen des Kohlenstoffs 4.7.6.1 Oxide des Kohlenstoffs Die wichtigsten und beständigsten Oxide des Kohlenstoffs sind Kohlenstoffmonooxid CO und Kohlenstoffdioxid CO2. Außerdem gibt es die Suboxide C3O2, C4O2, C5O2 und das Mellithsäureanhydrid C12O9. Kohlenstoffmonooxid CO ist ein farbloses, geruchloses, sehr giftiges Gas (Smp. K204 (C, Sdp. K191,5 (C). Die Moleküle CO und N2 sind isoelektronisch, in beiden Molekülen sind die Atome durch eine σ-Bindung und zwei π-Bindungen verbunden
C
O
CO entsteht bei unvollständiger Verbrennung von Kohlenstoff. C C 21 O2 # CO
ΔH+ B Z K111 kJ.mol
Technisch entsteht CO in großen Mengen bei der Erzeugung von Wassergas (vgl. Abschn. 4.2.2). CO ist Bestandteil des früheren Stadtgases, das aus H2, CO, CH4 und etwas CO2 und N2 bestand. Im Laboratorium stellt man CO durch Eintropfen von Ameisensäure in warme konz. H2SO4 her. H2SO4
HCOOH $$$$% H2O C CO An der Luft verbrennt CO mit charakteristischer blauer Flamme zu CO2. CO C 21 O2 # CO2
ΔH ( Z K283 kJ.mol
4.7 Gruppe 14
527
CO ist daher ein Reduktionsmittel. Es reduziert bei erhöhter Temperatur viele Metalloxide (CuO, Fe2O3) zu Metallen (vgl. Hochofenprozess S. 839). Palladium wird von CO schon bei Raumtemperatur aus wässriger Salzlösung ausgefällt. Pd2C C 3 H2O C CO $% Pd C 2 H3OC C CO2 Die dabei auftretende Dunkelfärbung der Lösung ist ein empfindlicher Nachweis für CO. Mit Übergangsmetallen bildet CO eine Vielzahl von Carbonylkomplexen. Sie werden im Abschn. 5.5 behandelt. Technisch interessant ist Tetracarbonylnickel, das zur Reindarstellung von Ni und auch CO dient. 80 (C
ddd/ Ni (CO)4 Ni C 4 CO 1ddd ( 180 C
Die Giftigkeit des CO beruht auf der Bildung von Carbonylkomplexen mit dem Eisen des Hämoglobins im Blut, wodurch der O2-Transport blockiert wird. Von großtechnischer Bedeutung ist die Umsetzung von CO mit H2. Je nach Versuchsbedingungen erhält man Methanol, höhere Alkohole oder gesättigte und ungesättigte aliphatische Kohlenwasserstoffe (vgl. Abschn. 3.6.6). Die Kohlenwasserstoffsynthese von Fischer und Tropsch wird bei 180 (C und Normaldruck mit Katalysatoren durchgeführt. n CO C (2n C 1)H2 $% CnH2nC2 C n H2O n CO C 2n H2 $% CnH2n C n H2O Die Rolle von CO als Luftschadstoff wird im Abschn. 4.11 behandelt. 2004 betrug die CO-Emission in der Bundesrepublik Deutschland 3,7 · 106 t, davon entstanden 48 % im Bereich Verkehr. Kohlenstoffdioxid CO2 CO2 ist ein farbloses, geruchloses Gas, das nicht brennt und die Verbrennung nicht unterhält (Verwendung als Feuerlöschmittel). Es ist anderthalbmal dichter als Luft und sammelt sich deshalb in geschlossenen Räumen (Höhlen, Grotten, Gärkeller) am Boden (Erstickungsgefahr). CO2 kann leicht verflüssigt werden (tK Z K31 (C, pK Z 73,7 bar). Im festen Zustand bildet CO2 Molekülkristalle (Abb. 2.57). Festes CO2 (Trockeneis) sublimiert beim Normdruck bei K78 (C. Es wird K zweckmäßig im Gemisch mit Aceton oder Alkohol K als Kältemittel verwendet. Das Zustandsdiagramm ist in der Abb. 3.9 dargestellt. 1 l H2O löst bei 20 (C 0,9 l CO2. CO2 wird für kohlensäurehaltige Getränke verwendet. Das CO2-Molekül ist linear gebaut. Die wichtigste Grenzstruktur ist
O C O Das C-Atom ist sp-hybridisiert, die beiden verbleibenden p-Orbitale bilden π-Bindungen. Die Delokalisierung der π-Bindungen wird durch die Grenzstrukturen O C O 4 O C O berücksichtigt. Die Bildung der MOs von CO2 und das Energieniveaudiagramm der MOs sind in den Abb. 2.72 und 2.73 dargestellt.
528
4 Die Elemente der Hauptgruppen
CO2 entsteht bei der vollständigen Verbrennung von Kohlenstoff. C C O2 $% CO2
ΔH+ B Z K394 kJ.mol
Es fällt als Nebenprodukt beim Kalkbrennen an (vgl. S. 607). 1 000 +C
CaCO3 $$$$% CaO C CO2 Zur Reinigung leitet man CO2 in eine K2CO3-Lösung, aus der es beim Kochen wieder freigesetzt wird. Kälte
1ddd K2CO3 C CO2 C H2O ddd/ 2 KHCO3 Hitze Im Labor erhält man CO2 durch Zersetzung von Carbonaten mit Säuren. CaCO3 C 2 HCl $% CaCl2 C H2O C CO2 CO2 ist eine sehr beständige Verbindung, die sich erst bei hohen Temperaturen in CO und O2 zersetzt (bei 1 200 (C zu 0,03 %, bei 2 600 (C zu 52 %). CO2 # CO C 21 O2
ΔH ( Z C283 kJ.mol
Nur durch starke Reduktionsmittel (H2, C, Na, Mg) wird CO2 reduziert. Zwischen Kohlenstoffdioxid, Kohlenstoffmonooxid und Kohlenstoff existiert das so genannte Boudouard-Gleichgewicht (vgl. Abb. 3.22). CO2 C C (s) # 2 CO
ΔH ( Z C173 kJ.mol
Mit abnehmender Temperatur verschiebt sich die Gleichgewichtslage in Richtung CO2. Unter Normalbedingungen ist CO daher thermodynamisch instabil, aber die Disproportionierung in CO2 und C ist kinetisch gehemmt. CO ist daher metastabil existent. Auch durch H2 wird CO2 nur bei hohen Temperaturen reduziert. Beim Wassergasgleichgewicht (vgl. S. 380). CO2 C H2 # CO C H2O (g)
ΔH ( Z C41 kJ.mol
liegt das Gleichgewicht erst bei Temperaturen O1 000 (C auf der rechten Seite. CO2 ist für die belebte Natur von großer Bedeutung. Mensch und Tier atmen es als Verbrennungsprodukt aus. Beim Assimilationsprozess nehmen Pflanzen CO2 auf und wandeln es mit Hilfe von Lichtenergie in Kohlenhydrate um. Die Atmosphäre enthält einen Volumenanteil von 0,038 % CO2. Dieser ist für den Wärmehaushalt der Erdoberfläche von großer Bedeutung, da das CO2 der Atmosphäre die von der Erdoberfläche ausgesandten Wärmestrahlen absorbiert, aber die sichtbare Sonnenstrahlung ungehindert passieren lässt. Als Konsequenz des Anstiegs des CO2-Gehalts durch Verbrennung von fossilen Brennstoffen (weltweit wird 80 % der Energie aus fossilen Energieträgern erzeugt) und großflächigen Waldrodungen ist eine Erwärmung der Erdoberfläche (Treibhauseffekt) und als Folge eine weltweite Klimaänderung zu erwarten. Der Treibhauseffekt wird ausführlich im Abschn. 4.11 behandelt.
4.7 Gruppe 14
529
Kohlenstoffsuboxid C3O2 entsteht als farbloses Gas durch Entwässern von Malonsäure mit P4O10.
O HOOC CH2 COOH
'2H2O
O C C C O O
C
O C
O
O
O
O
O
O n
O
O
O
OH
O
Das Molekül hat eine lineare Struktur. Es ist bei K78 (C kinetisch stabil. Bei 25 (C ist es nur unter vermindertem Druck haltbar, bei Normaldruck erfolgt Polymerisation zu einem paramagnetischen, rot-schwarzen Feststoff mit Poly(α-pyron)-Struktur. C5O2, O C C C C C O, ist ein gelber Festkörper, der oberhalb K90 (C zu einem schwarzen Festkörper polymerisiert. C4O2, O C C C C O , ist bei 10 K in Argon isoliert worden (vgl. Fußnote S. 390).
4.7.6.2 Kohlensäure und Carbonate CO2 ist das Anhydrid der Kohlensäure H2CO3. Eine wässrige Lösung von CO2 reagiert schwach sauer (pH Z 4K5). Es treten nebeneinander folgende Gleichgewichte auf: CO2 C H2O # H2CO3 H2CO3 C H2O # H3OC C HCOK 3 C 2K HCOK 3 C H2O # H3O C CO3
pK Z 2,6 pKS Z 3,8 pKS Z 10,3
Das erste Gleichgewicht liegt weit gehend auf der Seite von CO2, 99,8 % des gelösten Kohlenstoffdioxids liegen als physikalisch gelöste CO2-Moleküle vor. H2CO3 ist eine mittelstarke Säure. Da aber nur wenige CO2-Moleküle mit Wasser zu H2CO3 reagieren, wirkt die Gesamtlösung als schwache Säure. Durch Zusammenfassung der ersten beiden Gleichgewichte erhält man die Säurekonstante bezogen auf CO2. CO2 C 2 H2O # H3OC C HCOK 3
pKS Z 6,4
H2CO3 lässt sich aus wässriger Lösung nicht isolieren, bei der Entwässerung zersetzt sich H2CO3, und CO2 entweicht. Lange Zeit nahm man an, dass Kohlensäure instabil ist und nicht in reiner Form isoliert werden kann. Reine Kohlensäure konnte mittlerweile auf verschiedenen Wegen synthetisiert werden, z. B. durch Protonierung von Hydrogencarbonaten. Die freie Säure konnte IR- und massenspektroskopisch charakterisiert werden. Die Kohlensäure
530
4 Die Elemente der Hauptgruppen
ist im festen Zustand und in der Gasphase kinetisch stabil. Wichtig für die Stabilität ist die Abwesenheit von Wasser. Katalytische Mengen beschleunigen den Zerfall um Größenordnungen. Feste Kohlensäure lässt sich sublimieren und wieder kondensieK ren. Beständig bis K16 (C ist das Salz C (OH)C 3 AsF6 , in dem das mit B(OH)3 isoelektronische Trihydroxicarbeniumion C (OH)C 3 vorliegt, eine protonierte Kohlensäure. Als zweibasige Säure bildet Kohlensäure zwei Reihen von Salzen, Hydrogencarbonate („Bicarbonate“) mit den Anionen HCOK 3 und Carbonate mit den Anio2K . CO ist eine starke Anionenbase. Die CO2K nen CO2K 3 3 3 -Anionen sind trigonal2 planar gebaut, das C-Atom ist sp -hybridisiert, die π-Bindung ist delokalisiert (vgl. Abschn. 2.2.7).
In der Natur weit verbreitet sind CaCO3 (Kalkstein, Marmor, Kreide) und CaMg(CO3)2 (Dolomit). In Wasser schwer lösliches CaCO3 wird durch CO2-haltige Wässer in lösliches Calciumhydrogencarbonat überführt. CaCO3 C H2O C CO2 # Ca2 C 2 HCOK 3 Auf diese Weise entsteht die Carbonathärte (temporäre Härte) des Wassers. Beim Erhitzen verschiebt sich das Gleichgewicht infolge des Entweichens von CO2 nach links, und CaCO3 fällt aus. Darauf beruht die Ausscheidung des „Kesselsteins“ und die Bildung von „Tropfsteinen“. Die Sulfathärte (permanente Härte) wird durch gelöstes CaSO4 verursacht, sie kann nicht durch Kochen beseitigt werden. Die Gesamthärte wird in mmol.l Erdalkaliionen angegeben. Häufig erfolgt die Angabe noch in Deutschen Härtegraden. 1 (d entspricht 10 mg CaO.l. Sehr harte Wässer haben Härtegrade O 21, sehr weiche Wässer ! 7. Zur Enthärtung des Wassers verwendet man Polyphosphate (vgl. Abschn. 4.6.11) oder Ionenaustauscher. Ionenaustauscher aus Kunstharzen bestehen aus einem lockeren dreidimensionalen Gerüst, in dem saure (d SO3H) oder basische (d N (CH3)3OH) Gruppen eingebaut sind. Die Gruppen sind Haftstellen für Kationen (Kationenaustauscher) und Anionen (Anionenaustauscher). C C d SO3H C MeC C H2O # d SOK 3 Me C H3O
d N(CH3)3OH C XK
K K # d N(CH3)C 3 X C OH
Lässt man z. B. Wasser durch einen Kationenaustauscher fließen, so werden Ca2Cund Mg2C-Ionen gegen H3OC-Ionen ausgetauscht, anschließend können im AnioK nenaustauscher die SO2K und CO3K 4 2 -Ionen gegen OH -Ionen ausgetauscht werden, so dass voll entsalztes Wasser entsteht. Der Austausch ist umkehrbar, mit Kationen und Anionen beladene Austauscher können durch Säure bzw. Lauge wieder regeneriert werden. Als Ionenaustauscher sind auch Silicate (Zeolithe) geeignet.
4.7 Gruppe 14
531
Derivate der Kohlensäure Harnstoff OC (NH2)2 ist das Diamid der Kohlensäure (die beiden OH-Gruppen sind durch NH2-Gruppen ersetzt). Er wird als Düngemittel verwendet und technisch aus CO2 und NH3 unter Druck hergestellt.
Das Zwischenprodukt ist das Ammoniumsalz der Carbaminsäure Phosgen
ist das Dichlorid der Kohlensäure. Es ist ein giftiges, reaktions-
fähiges Gas (Giftgas Grünkreuz). Es wird technisch aus CO und Cl2 hergestellt.
4.7.7 Stickstoffverbindungen des Kohlenstoffs Hydrogencyanid HCN (Blausäure) ist eine farblose, äußerst giftige, nach bitteren Mandeln riechende Flüssigkeit (Sdp. 26 (C) und eine sehr schwache Säure. Es existieren zwei tautomere Formen:
H
C
N
C
N
H
Das Gleichgewicht liegt aber vollständig auf der linken Seite. In organischen Derivaten sind diese Formen als Nitrile RCN und Isonitrile RNC isolierbar. Die technische Darstellung erfolgt aus Methan und Ammoniak. 1 200 +C
CH4 C NH3 $$$$$$% HCN C 3 H2 Katalysator
2
Ihre Salze, die Cyanide, enthalten das Cyanidion lC^Nl, das isoelektronisch mit N2 und CO ist. CNK bildet mit vielen Übergangsmetallionen Komplexe. Die Cyanide entwickeln mit Säuren HCN, sie werden schon vom CO2 der Luft zersetzt. 2 KCN C H2O C CO2 $% K2CO3 C 2 HCN Man stellt Cyanide durch Einleiten von HCN in Laugen her. Der Hauptverbrauch erfolgt bei der Cyanidlaugerei (vgl. S. 746). Dicyan (CN)2 ist ein farbloses, giftiges, brennbares Gas, das bei 300K500 (C polymerisiert. Das Molekül ist linear gebaut. l N ^ CdC ^ N l Es entsteht bei der thermischen Zersetzung von Hg(CN)2 und bei der Reaktion von Cu2C mit CNK. Cu2C C 2 CNK $% CuCN C 21 (CN)2 (CN)2 ist ein Pseudohalogen und disproportioniert wie die Halogene in basischer Lösung.
532
4 Die Elemente der Hauptgruppen
(CN)2 C 2 OHK $% CNK C OCNK C H2O Die Cyansäure HOCN existiert in den tautomeren Formen
H O
C
N
O
C
N
H
Beide Formen sind unbeständig. Stabil sind Salze mit dem mesomeren Anion
O
C
N
O
C
N.
Eine weitere isomere Form ist die Knallsäure O N C H (Salze: Fulminate). Ersetzt man Sauerstoff durch Schwefel, erhält man die Thiocyansäure (Rhodanwasserstoffsäure) HSCN, die ebenfalls unbeständig ist. Sie bildet beständige Salze, die Thiocyanate (Rhodanide).
4.7.8 Halogen- und Schwefelverbindungen des Kohlenstoffs Kohlenstofftetrafluorid CF4 ist ein farbloses, sehr stabiles (ΔH+ B Z K908 kJ.mol) Gas und das Endprodukt der Fluorierung von Graphit (vgl. S. 521). Polytetrafluorethylen (CF2)n und fluorierte Kohlenwasserstoffe wurden bereits im Abschn. 4.4.6 besprochen. Kohlenstofftetrachlorid CCl4 ist eine farblose, nicht brennbare Flüssigkeit (Sdp. 76 (C). Sie ist chemisch reaktionsträge und wird als Lösungsmittel und Feuerlöschmittel verwendet. Kohlenstoffdisulfid CS2 entsteht aus Schwefeldampf und Kohlenstoff. +
850 C
C C 2 S (g) $$$$% CS2
ΔH+ B Z C117 kJ.mol
Es ist eine farblose, sehr giftige, leicht entzündliche Flüssigkeit (Sdp. 46 (C) und ein gutes Lösungsmittel für Fette, Öle, Schwefel, Phosphor und Iod. Das CS2-Molekül ist wie CO2 ein lineares Molekül mit einem sp-hybridisiertem C-Atom und zwei (p-p)π-Bindungen.
S
C
S
Die Thiokohlensäure H2CS3 ist eine ölige Flüssigkeit. Ihre Salze sind die Thiocarbonate. Bekannt ist auch das gasförmige Kohlenstoffoxidsulfid COS.
4.7.9 Wasserstoffverbindungen des Siliciums Silicium bildet kettenförmige Silane der allgemeinen Zusammensetzung SinH2n C 2, die den aliphatischen Kohlenwasserstoffen CnH2n C 2 entsprechen. Es wurden alle Glieder bis n Z 15 nachgewiesen. Monosilan SiH4 und Disilan Si2H6 sind Gase, die Glieder ab n Z 3 sind flüssig oder fest. Es sind endotherme Verbindungen, die aber in Abwesenheit von O2 und H2O bei Raumtemperatur beständig sind. Beim Erhitzen zerfallen sie in die Elemente. SiH4 $% Si C 2 H2
ΔH( Z K34 kJ.mol
4.7 Gruppe 14
533
An der Luft entzünden sie sich von selbst und verbrennen zu SiO2 und H2O. Während in den Alkanen der Kohlenstoff negativ polarisiert ist
, enthalten die
Silane negativ polarisierten Wasserstoff . Im Gegensatz zu den Kohlenwasserstoffen erfolgt mit starken Nukleophilen Substitution der H-Atome. Hydrolyse erfolgt daher nur bei Anwesenheit von OHK-Ionen. OHK
SiH4 C 4 H2O $$% Si (OH)4 C 4 H2 SiH4, Si2H6 und Si3H8 können durch Reaktion der entsprechenden Chloride mit LiAlH4 in Ether dargestellt werden, z. B. 2 Si2Cl6 C 3 LiAlH4 $% 2 Si2H6 C 3 LiAlCl4 Ein Silangemisch, das alle Silane enthält, entsteht bei der Zersetzung von Mg2Si mit Säure. Mg2Si C 4 HC $% SiH4 C 2 Mg2C Man kennt außerdem die cyclischen Silane Si5H10 und Si6H12 sowie polymere Silane mit variablen Zusammensetzungen, zu denen die Verbindungen (SiH2)n und (SiH)n gehören.
4.7.10 Sauerstoffverbindungen von Silicium 4.7.10.1 Oxide des Siliciums Siliciumdioxid SiO2 SiO2 ist im Gegensatz zu CO2 ein polymerer, harter Festkörper mit sehr hohem Schmelzpunkt. Die Si-Atome bilden nicht wie die C-Atome mit O-Atomen (p-p)πBindungen. Die Si-Atome sind sp3-hybridisiert und tetraedrisch mit vier O-Atomen verbunden. Jedes O-Atom hat zwei Si-Nachbarn, die SiO4-Tetraeder sind über gemeinsame Ecken verknüpft.
O
O
O Si O Si O O
O
Zusätzlich zu den stark polaren Einfachbindungen existieren Wechselwirkungen zwischen den freien p-Elektronenpaaren des Sauerstoffs und leeren Orbitalen des Siliciums. Diese π-Bindungsanteile erklären die außergewöhnlich hohe Bindungsenergie der Si d O-Bindung.
Si
O
Si
O
534
4 Die Elemente der Hauptgruppen
SiO2 existiert in verschiedenen Modifikationen, die sich in der dreidimensionalen Anordnung der SiO4-Tetraeder unterscheiden.
Die Umwandlungen zwischen Quarz, Tridymit und Cristobalit (vgl. Abb. 2.12) verlaufen nur sehr langsam, da dabei die Bindungen aufgebrochen werden müssen. Außer dem bei Normaltemperatur thermodynamisch stabilen α-Quarz sind daher auch alle anderen Modifikationen metastabil existent. Bei der Umwandlung von den αFormen in die β-Formen ändern sich nur die SidOdSi-Bindungswinkel, sie verlaufen daher schnell und bei relativ niedrigen Temperaturen. Nur bei sehr langsamem Abkühlen erhält man aus der Schmelze Cristobalit. Beim raschen Abkühlen erstarrt eine SiO2-Schmelze glasig (vgl. Gläser S. 543). „Quarzglas“ ist bei 25 (C metastabil und kristallisiert erst beim Tempern (1 000K1 100 (C) allmählich. Da es wegen seines kleinen thermischen Ausdehnungskoeffizienten eine sehr gute Temperaturwechselbeständigkeit besitzt, kann man Quarzglas von heller Rotglut auf Zimmertemperatur abschrecken. Auf Grund seiner chemischen Resistenz, Schwerschmelzbarkeit und Temperaturwechselbeständigkeit wird es zur Herstellung hitzebeständiger Apparate verwendet. Da es für UV-Licht durchlässig ist, wird es für Quarzlampen, UV-Mikroskope usw. benutzt. In der Hochdruckmodifikation Stishovit kristallisiert SiO2 im Rutilgitter (Abb. 2.11), Si hat darin die ungewöhnliche Koordinationszahl 6. Im faserförmigen SiO2, das durch Oxidation von SiO erhalten werden kann, sind in einer Kettenstruktur die SiO4-Tetraeder über Kanten verknüpft.
In der Natur ist SiO2 weit verbreitet und tritt in zahlreichen kristallinen und amorphen Formen auf. Gut ausgebildete Kristalle werden als Schmucksteine verwendet: Bergkristall (wasserklar), Rauchquarz (braun), Amethyst (violett), Morion (schwarz), Citrin (gelb), Rosenquarz (rosa). Mikrokristalliner Quarz wird als Chalcedon bezeichnet. Varietäten von Chalcedon sind: Achat, Carneol, Onyx, Jaspis, Heliotrop, Feuerstein. Amorph und wasserhaltig sind Opale. Zu den Opalvarietäten gehört Kieselgur. Quarz ist Bestandteil vieler Gesteine (Quarzsand, Granit, Sandstein, Gneis). Quarz ist piezoelektrisch: durch eine angelegte Wechselspannung wird der Kristall zu Schwingungen angeregt. Auf der hohen Frequenzgenauigkeit der Eigenschwingungen (Δν.ν Z 10K8 ) beruht der Bau von Quarzuhren. Synthetische Quarzkristalle hoher Reinheit werden nach dem Hydrothermalverfahren hergestellt. Im Druckautoklaven wird bei 400 (C die wässrige Lösung mit SiO2 gesättigt. Im kühleren Autoklaventeil ist die Lösung übersättigt und bei 380 (C scheidet sich Quarz an einem Impfkristall ab.
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535
SiO2 ist chemisch sehr widerstandsfähig. Außer von HF (vgl. S. 410) wird es von Säuren nicht angegriffen. Laugen reagieren auch beim Kochen nur langsam mit SiO2. Beim Zusammenschmelzen mit Hydroxiden oder Carbonaten der Alkalimetalle entstehen Silicate. SiO2 C 2 MeOH $% Me2SiO3 C H2O SiO2 C Me2CO3 $% Me2SiO3 C CO2 Siliciummonooxid SiO Beim Erhitzen von SiO2 mit Si auf 1 250 (C im Vakuum entsteht gasförmiges SiO. Si C SiO2 # 2 SiO (g)
ΔH ( Z C812 kJ.mol
Beim Abkühlen disproportioniert SiO in Si und SiO2. Durch Abschrecken erhält man glasiges oder faserförmiges polymeres (SiO)n, das luft- und feuchtigkeitsempfindlich ist. Monomeres SiO wurde mit der Matrix-Technik isoliert.
4.7.10.2 Kieselsäuren, Silicate Die einfachste Sauerstoffsäure des Siliciums ist die Orthokieselsäure H4SiO4. Sie ist nur in großer Verdünnung (bei Raumtemperatur & 2 · 10K3 mol.l) beständig. In der Natur bildet sie sich durch Reaktion von SiO2 und Silicaten mit Wasser und ist in natürlichen Gewässern in Konzentrationen ! 10K3 mol.l vorhanden. SiO2 (s) C 2 H2O # H4SiO4 Durch Hydrolyse von SiCl4 in großer Verdünnung entsteht sie als unbeständige Lösung. Bei höherer Konzentration erfolgt spontane Kondensation zu Polykieselsäuren.
Die Geschwindigkeit der Kondensation ist von der Konzentration, der Temperatur und dem pH-Wert der Lösung abhängig. Am beständigsten sind Lösungen mit einem pH-Wert um 2. Das Endprodukt der dreidimensionalen Kondensation ist SiO2. Die als Zwischenprodukte auftretenden Kieselsäuren sind unbeständig und nicht isolierbar. Beständig sind ihre Salze, die Silicate. Eine hochkondensierte wasserreiche Polykieselsäure ist Kieselgel. Entwässertes Kieselgel (Silicagel) ist ein polymerer Stoff mit großer spezifischer Oberfläche, der zur Adsorption von Gasen und Dämpfen geeignet ist und daher als Trockenmittel, z. B. in Exsiccatoren, dient (vgl. S. 859). Als Hauptbestandteil der Erdkruste, aber auch als technische Produkte sind die Salze der Kieselsäuren, die Silicate, von größter Bedeutung. In den Silicaten hat Silicium die Koordinationszahl vier und bildet mit Sauerstoff SiO4-Tetraeder. Die Tetraeder sind nur über gemeinsame Ecken verknüpft, nicht über Kanten oder Flä-
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4 Die Elemente der Hauptgruppen
Abbildung 4.36 Anionenstruktur einiger Silicate.
chen. Sie sind die Baueinheiten der Silicate, und die Einteilung der Silicate erfolgt nach der Anordnung der SiO4-Tetraeder. Eine Ausnahme ist die Hochdruckphase CaSi2O5, bei der SiO5-Gruppen mit trigonal-bipyramidaler Struktur nachgewiesen sind. Die wichtigsten in den Silicaten auftretenden Anionen sind in der Abb. 4.36 dargestellt. Die außerordentliche Vielfalt der Silicatstrukturen ist natürlich schon durch die zahlreichen Anordnungsmöglichkeiten der SiO4-Tetraeder bedingt. Hinzu kommen aber weitere Gründe. Die Silicatanionen bilden Lücken, in denen die Kationen sitzen, die durch elektrostatische Wechselwirkung mit den Anionen den Kristall zusammenhalten. Ionen mit gleicher Koordinationszahl sind in weiten Grenzen austauschbar, z. B. Fe2C gegen Mg2C und NaC gegen Ca2C. Dieser diadoche Ersatz führt häufig zu variablen und unbestimmten Zusammensetzungen. In vielen Silicaten sind außerdem noch tetraederfremde Anionen wie OHK, FK, O2K vorhanden, die nicht an Si gebunden sind. Die zur Neutralisation erforderlichen Kationen komplizieren die Zu-
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sammensetzungen. Si kann statistisch oder gesetzmäßig durch Al ersetzt sein. Solche Silicate heißen Alumosilicate. Mit jeder Substitution erhöht sich die negative Ladung des Gitteranions um eine Einheit, so dass zur Neutralisation zusätzliche Kationen erforderlich sind. 1. Inselsilicate (Nesosilicate) sind Silicate mit isolierten [SiO4]4K-Tetraedern, die nur durch Kationen miteinander verbunden sind. Dazu gehören Zirkon Zr [SiO4], Granat Ca3Al2 [SiO4]3, Phenakit Be2 [SiO4], Forsterit Mg2 [SiO4], Nephelin NaAl [SiO4] und Olivin (Fe,Mg)2 [SiO4]. Tetraederfremde Anionen enthält der Topas Al2 [SiO4] (F, OH)2. Es sind harte Substanzen mit hoher Brechzahl. Granate, Olivine, Zirkone und Topase sind geschätzte Schmucksteine. Technische Bedeutung haben Olivin und Zirkon als Rohstoffe für feuerfeste Steine und Formsand für Gießereien. 2. Gruppensilicate (Sorosilicate) enthalten Doppeltetraeder [Si2O7]6K. Sorosilicate sind Thortveitit Sc2 [Si2O7] und Barysilit Pb3 [Si2O7]. 3. Ringsilicate (Cyclosilicate). Dreierringe [Si3O9]6K treten im Benitoit BaTi [Si3O9], Sechserringe [Si6O18]12K im Beryll Al2Be3 [Si6O18] auf. Beryll ist das wichtigste Be-Mineral. Abarten des Berylls sind Aquamarin und Smaragd. 4. Kettensilicate (Inosilicate). Die Tetraeder sind zu unendlichen Ketten oder Bändern verknüpft. Aus Ketten mit den Struktureinheiten [Si2O6]4K bestehen die Pyroxene, aus Bändern mit den Struktureinheiten [Si4O11]6K die Amphibole. Die kettenförmigen Anionen liegen parallel zueinander, zwischen ihnen sind die Kationen eingebaut. Zu den Pyroxenen gehört z. B. das wichtigste Lithiummineral Spodumen LiAl [Si2O6], sowie Enstatit Mg2 [Si2O6] und Diopsid CaMg [Si2O6]. Zu den Amphibolen gehören der Tremolit Ca2Mg5 [Si4O11]2 (OH, F)2 und die Hornblenden, in denen Si durch Al bis zur Zusammensetzung Si6Al2O22 substituiert ist. Technische Bedeutung haben Wollastonit Ca [SiO3] (keramische Erzeugnisse und Füllstoff für Anstrichstoffe, Kunststoffe und Baustoffe) und Sillimanit Al [AlSiO5]
Abbildung 4.37 Strukturprinzip bei Kettensilicaten. Die Pyroxenketten bestehen aus Zweier-Einfachketten [Si2O6]4K (Abb. 4.35). Wollastonit besteht aus Ketten mit Dreiereinheiten [Si3O9]6K. Amphibole sind aus Doppelketten mit Zweiereinheiten [Si4O11]4K aufgebaut (Abb. 4.35), Sillimanit besteht aus Einer-Doppelketten [Si2O5]2K, in denen jedes zweite Si durch Al ersetzt ist.
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4 Die Elemente der Hauptgruppen
(feuerfeste Steine, hochtemperaturbeständiger Mörtel). CaSiO3 ist aus Ketten aufgebaut, die aus Dreiereinheiten bestehen, Sillimanit aus Einer-Doppelketten (Abb. 4.37). Die Kettensilicate zeigen parallel zu den Ketten bevorzugte Spaltbarkeit, die Kristalle sind faserig oder nadelig ausgebildet. 5. Schichtsilicate (Phyllosilicate). Jedes SiO4-Tetraeder ist über drei Ecken mit Nachbartetraedern verknüpft. Es entstehen unendlich zweidimensionale Schichten [Si4O10]4K. Im Allgemeinen erfolgt die Verknüpfung zu sechsgliedrigen Ringen. Treten zwischen den Schichten nur van der Waals-Kräfte auf (Talk, Kaolinit), resultieren weiche Minerale mit leicht gegeneinander verschiebbaren Schichten. Werden die Schichten durch Kationen zusammengehalten (Glimmer), wächst die Härte, aber parallel zu den Schichten existiert gute Spaltbarkeit. Das Quellungsvermögen der Tone beruht auf der Wassereinlagerung zwischen den Schichten des Tonminerals Montmorillonit. Talk Mg3 [Si4O10] (OH)2 (Abb. 4.38) ist das weichste der bekannten Mineralien. Es wird vielseitig verwendet: in der Papierindustrie als Pigment und Füllstoff, als Füllstoff bei Kunststoffen, Anstrichmitteln und Lacken, als Grundlage in Pudern und Schminken. Speckstein besteht überwiegend aus Talk. Glimmer sind Alumosilicate. Häufig und technisch wichtig sind: Muskovit KAl2 [AlSi3O10] (OH)2 (s. Abb. 4.39), Biotit K (Mg, Fe)3 [AlSi3O10] (OH)2, Phlogopit KMg3 [AlSi3O10] (OH)2. Zu den Sprödglimmern gehört Margarit CaAl2 [Al2Si2O10] (OH)2. Glimmer werden als Isoliermaterial verwendet.
Abbildung 4.38 Schematische Struktur von Talk Mg3 [Si4O10] (OH)2. Bei den benachbarten Schichten sind die Tetraederspitzen abwechselnd nach oben und nach unten gerichtet. Schicht 1 und 2 werden durch Mg2C-Ionen fest verbunden. Jedes Mg2C-Ion ist oktaedrisch von Sauerstoff koordiniert. Je zwei gehören den Schichten an, die restlichen zwei zu Hydroxidionen. Zwischen Schicht 2 und 3 existieren nur schwache van der Waals-Kräfte.
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Abbildung 4.39 Schematische Struktur von Muskovit KAl2 [Si3AlO10] (OH2). Die Struktur des Glimmers Muskovit zeigt Verwandtschaft zur Struktur des Talks. Ein Viertel der Si-Atome sind durch Al-Atome ersetzt. Die drei Mg2C-Ionen sind durch zwei oktaedrisch koordinierte Al3C-Ionen ersetzt. Der Ladungsausgleich erfolgt durch ein KC-Ion, das von 12 Sauerstoffionen koordiniert ist. Schicht 1 und 2 sind fest durch Al3C-Ionen verbunden. Der Zusammenhalt zwischen Schicht 2 und 3 durch KC-Ionen ist schwächer, aber verglichen mit Talk angewachsen. In Margarit und anderen Sprödglimmern sind statt der KC-Ionen Ca2C-Ionen vorhanden, die Härte wächst und die Spaltbarkeit wird schlechter.
Das technisch wichtigste Schichtsilicat ist Kaolinit Al4 [Si4O10] (OH)8 (Abb. 4.40). Kaolin (Porzellanerde) ist nahezu reiner Kaolinit und dient als Rohstoff für keramische Produkte. Die Hälfte des Kaolinits wird in der Papierindustrie verwendet; für Gummi und Kunststoffe dient er als Füllstoff (Erhöhung der Abriebfestigkeit). Analog aufgebaut ist der Serpentin Mg6 [Si4O10] (OH)8. Im Serpentin sind aber die Oktaederschichten Mg (O, OH)6 ausgedehnter als die Tetraederschichten SiO4. Die Serpentinschichten stabilisieren sich daher durch Krümmung (den außen liegenden Oktaederschichten steht dadurch mehr Platz zur Verfügung). Der faserige Serpentin (Chrysotil) besteht aus aufgerollten Schichten, die hohle Fasern bilden. Er wird auch als „Serpentinasbest“ bezeichnet und dient zur Herstellung von feuerfestem Material, für Asbestzement (Eternit: Verbundwerkstoff von 10K20 % Asbest mit Portlandzement) und als Katalysatorträger für Platin. Da Asbestfasern kanzerogen sind, werden sie durch umweltverträgliche mineralische und synthetische Fasern ersetzt. Ein weiterer Rohstoff für die keramische Industrie ist der quellfähige Montmorillonit (Al1,67Mg0,33) [Si4O10] (OH)2Na0,33 (H2O)4.
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4 Die Elemente der Hauptgruppen
Abbildung 4.40 Schematische Struktur von Kaolinit Al4 [Si4O10] (OH)8. Die Tetraederspitzen der Schichten zeigen in gleiche Richtung. Jedes Al3C ist von 4 OHGruppen und zwei Sauerstoffionen koordiniert. Es treten Schichtpakete auf, die aus einer Schicht von SiO4-Tetraedern und einer Schicht von AlO2 (OH)4-Oktaedern bestehen. Die Schichtpakete sind nur durch van der Waals-Kräfte aneinander gebunden. Tonmineralien sind daher weich und leicht spaltbar.
6. Gerüstsilicate (Tektosilicate). Wie in SiO2 sind die SiO4-Tetraeder über alle vier Ecken mit Nachbartetraedern verknüpft, so dass ein dreidimensionales, locker gepacktes Gerüst entsteht. Ein Teil des Si ist durch Al ersetzt, das Gitter enthält dreidimensionale unendliche Anionen und die zur Ladungskompensation entsprechende Anzahl von Kationen, meist Alkalimetalle und Erdalkalimetalle. Weit verbreitet sind die Feldspate: Albit Na [AlSi3O8], Orthoklas K [AlSi3O8], Anorthit Ca [Al2Si2O8]. Sie sind Bestandteil vieler Gesteine und zu 60 % am Aufbau der Erdkruste beteiligt.
Abbildung 4.41 Struktur von Ultramarinen, von Faujasit und des Zeoliths A. < a) 24 (Si, Al)O4-Tetraeder sind über gemeinsame Ecken zu einem Kuboktaeder verknüpft. b) Schematische Darstellung des Kuboktaeders, das Baustein sowohl der Ultramarine als auch einiger Zeolithe ist. c) Strukturen des Ultramarins Sodalith Na4 [Al3Si3O12]Cl, des synthetischen Zeoliths A Na12 [Al12Si12O48] · 27 H2O und des natürlichen Zeoliths Faujasit. Beim Zeolith A sind die Kuboktaeder mit den quadratischen Flächen über Würfel verknüpft. Beim Gitter des Faujasits, in dem auch die synthetischen Zeolithe X und Y kristallisieren, sind die Kuboktaeder mit den sechseckigen Flächen über hexagonale Prismen verbunden. In allen Strukturen umschließen die Kuboktaeder Hohlräume, die über Kanäle (Fenster) zugänglich sind. Beim Aufbau der Zeolithe unterscheidet man primäre Baugruppen (SiO4-, AlO4-Tetraeder), daraus werden durch Verknüpfung 9 Sekundärbausteine gebildet (Quadrat, Sechseck, Achteck, Würfel, hexagonale Säule etc.). Diese bauen die tertiären Baueinheiten, z. B. das Kuboktaeder, auf. Eine andere tertiäre Baueinheit ist ein Fünfringpolyeder, dessen Verknüpfung zu den Strukturen der wichtigen synthetischen Zeolithe ZSM 5 und ZSM 11 führt. In beiden existieren sich kreuzende Kanäle.
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4 Die Elemente der Hauptgruppen
Die interessantesten Tektosilicate sind die Zeolithe (gr. zein Z sieden, lithos Z Stein). Es sind kristalline, hydratisierte Alumosilicate, die Alkalimetall- bzw. Erdalkalimetallkationen enthalten. Ihre allgemeine Zusammensetzung ist (MeC, Me20,5C)x (AlO2)x (SiO2)y (H2O)z MeC Alkalimetalle, Me2C Erdalkalimetalle. Das Verhältnis Si.Al liegt bei den meisten Zeolithen zwischen 1 und 100. In den Zeolithstrukturen existieren große Hohlräume, die durch kleinere Kanäle verbunden sind (Abb. 4.41). In den Hohlräumen befinden sich die Kationen und Wassermoleküle. Die Kationen sind nicht fest gebunden und können ausgetauscht werden, ebenso ist reversible Entwässerung möglich. Statt H2O können auch andere Moleküle adsorbiert werden. Man kennt 40 natürliche Zeolithe und mehr als 100 synthetisch hergestellte. Ein typischer natürlicher Zeolith ist Faujasit Na2Ca [Al4Si10O28] · 20 H2O. Durch Synthese werden Zeolithe mit unterschiedlich großen Kanälen und Hohlräumen hergestellt. Bei der Synthese bildet sich aus einem Gel aus Natriumaluminat und Natriumsilicat (z. B. Wasserglas) feinkristalliner Zeolith oder eine amorphe Reaktionsmischung, die durch Tempern kristallisiert wird. Wichtige synthetische Zeolithe sind: Zeolith A Zeolith X Zeolith Y
Na12 [Al12Si12O48] · 27 H2O Na43 [Al43Si53O192] · 132 H2O Na28 [Al28Si68O192] · 125 H2O
Bei einem Zeolith mit bestimmter Struktur kann der Durchmesser der Kanäle durch Kationenaustausch modifiziert werden. So kann beim Zeolith A durch Ersatz von NaC-Ionen durch die größeren KC-Ionen eine Verkleinerung, durch die kleineren Ca2C-Ionen eine Vergrößerung der Kanäle bewirkt werden. Synthetische Zeolithe sind, da vielfältig verwendbar, technisch wichtig (Produktion Europa 600 000 t.Jahr). Ionenaustausch. Wasserenthärtung mit Na-Zeolith A. Die NaC-Ionen werden gegen die Ca2C-Ionen des harten Wassers ausgetauscht. Als Bestandteil von Waschmitteln ersetzen sie die umweltschädigenden Polyphosphate (vgl. Abschn. 4.11). Aus galvanischen Abwässern werden toxische Schwermetallionen (Cd, Pb, Cr), aus industriellen und landwirtschaftlichen Abwässern NHC 4 -Ionen entfernt. Eine spezielle Anwendung ist die Entfernung radioaktiver Isotope (137Cs, 90Sr) aus radioaktiven Abwässern. Adsorption. Nur solche Moleküle können adsorptiv zurückgehalten werden, die durch die engen Kanäle in die größeren Hohlräume gelangen können, daher lassen sich Moleküle verschiedener Größe trennen (Molekularsieb). Die Trennung von nund iso-Paraffinen beruht darauf, dass nur die geradkettigen n-Paraffine gut adsorbiert werden. Da die innere kristalline Oberfläche polar ist, werden bevorzugt polare Moleküle adsorbiert (polare Selektivität). Zur Trocknung werden Zeolithe in Isolierglasfenstern, in Kühlmittelkreisläufen und zur Entfernung von Wasserspuren in Gasen eingesetzt. Bei Erdgasen erfolgt neben der Trocknung gleichzeitig Entfernung von CO2, H2S, Toluol und Benzol. In Luftzerlegungsanlagen sind Kohlenwasserstoffe
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neben flüssigem Sauerstoff gefährlich, sie können zusammen mit CO2 und Wasser entfernt werden. Katalyse. Auf der inneren Oberfläche (bis 1 000 m2.g) können katalytisch aktive Zentren (saure Gruppen, Pt, Pd) eingebaut werden. Verwendung: Isomerisierung von n- zu iso-Paraffinen; Crackung von Erdölfraktionen zur Treibstoffherstellung; Umwandlung von Methanol in Kohlenwasserstoffe. Da die im Inneren entstandenen Moleküle die Zeolithkanäle passieren müssen, können bevorzugt Moleküle mit bestimmter Größe und Gestalt synthetisiert werden (Formselektivität). Großtechnische Anwendung ist z. B. die Synthese von Ethylbenzol aus Benzol und Ethen. Neue Molekularsiebe und formselektive Katalysatoren sind Verbindungen, die sich vom AlPO4 ableiten (s. Abschn. 4.8.5.4). Ultramarine sind kubische Alumosilicate, die wie die Zeolithe aus Kuboktaedern aufgebaut sind (Abb. 4.41). Ultramarine sind wasserfrei, die Hohlräume des Gitters enthalten Anionen, z. B. ClK im Sodalith Na4 [Al3Si3O12] Cl. Ersetzt man im Sodalith die ClK-Ionen durch SK 3 -Radikal-Anionen, erhält man tiefblauen „Ultramarin“, der schon in den ältesten Kulturen als Halbedelstein Lapislazuli bekannt war. Synthetische Ultramarine sind blau, grün oder rot und werden als anorganische Pigmente K verwendet. SK 2 -Ionen sind Farbträger grüner, S4 -Ionen rotvioletter Ultramarine.
4.7.10.3 Technische Produkte Gläser Gläser sind sehr alte Werkstoffe. Schon vor 3 500 Jahren wurden in Mesopotamien Gefäße aus Glas hergestellt. Vor 3 300 Jahren verarbeitete man in Ägypten bunte Gläser zu Gefäßen, Perlen und Schmuckstücken. Berühmt sind türkisfarbene Skarabäen. Im Reich von Ramses II galt Glas als ebenso wertvoll wie Gold und Edelsteine. Gläser sind ohne Kristallisation erstarrte Schmelzen. Im Unterschied zu der regelmäßigen dreidimensionalen Anordnung der Bausteine in Kristallen (Fernordnung) sind in den Gläsern nur Ordnungen in kleinen Bezirken vorhanden (Nahordnung) (Abb. 4.42). Beim Erwärmen schmelzen sie daher nicht bei einer bestimmten Temperatur, sondern erweichen allmählich. Der Glaszustand ist metastabil, da er gegenüber dem kristallisierten Zustand eine höhere innere Energie besitzt. Die Fähigkeit, glasig amorph zu erstarren, besitzen außer SiO2 und den Silicaten auch die Oxide GeO2, P2O5, As2O5 und B2O3. Gläser im engeren Sinne sind Silicate, die aus SiO2 und basischen Oxiden wie Na2O, K2O und CaO bestehen. SiO2 bildet das dreidimensionale Netzwerk aus eckenverknüpften SiO4-Tetraedern (Netzwerkbildner). Die basischen Oxide (Netzwerkwandler) trennen SidOdSi-Brücken (Abb. 4.42c).
O Na2O +
O
O Si O Si O O
O
O O Si O' O
Na+ Na+
O '
O Si O O
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4 Die Elemente der Hauptgruppen
Je mehr Trennstellen vorhanden sind, umso niedriger ist der Erweichungspunkt des Glases (er sinkt von etwa 1 500 (C für reines Quarzglas auf 400K800 (C für technische Silicatgläser).
Abbildung 4.42 Schematische zweidimensionale Darstellung der Anordnung von SiO4-Tetraedern (a) in kristallinem SiO2, (b) in glasigem SiO2 und (c) in Glas mit eingebauten Netzwerkwandlern.
Gewöhnliches Gebrauchsglas (Fensterglas, Flaschenglas) besteht aus Na2O, CaO und SiO2. Durch Zusätze von K2O erhält man schwerer schmelzbare Gläser (Thüringer Glas). Ein Zusatz von B2O3 erhöht die chemische Resistenz und die Festigkeit, Al2O3 verbessert Festigkeit und chemische Resistenz, vermindert die Entglasungsneigung und verringert den Ausdehnungskoeffizienten, das Glas wird dadurch unempfindlicher gegen Temperaturschwankungen. Bekannte Gläser mit diesen Zusätzen sind Jenaer Glas, Pyrexglas und Supremaxglas. Ein Zusatz von PbO erhöht das Lichtbrechungsvermögen. Bleikristallglas und Flintglas (optisches Glas) sind KaliBlei-Gläser. Unempfindlich gegen Temperaturschwankungen ist Quarzglas (Kieselglas). Es kann von Rotglut auf Normaltemperatur abgeschreckt werden. Färbungen von Gläsern erzielt man durch Zusätze von Metalloxiden (Fe(II)-oxid färbt grün, Fe(III)oxid braun, Co(II)-oxid blau) oder durch kolloidale Metalle (Goldrubinglas). Ge-
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trübte Gläser wie Milchglas erhält man durch Einlagerung kleiner fester Teilchen. Dazu eignen sich Ca3 (PO4)2 oder SnO2. Emaille ist ein meist getrübtes und gefärbtes Glas, das zum Schutz oder zur Dekoration auf Metalle aufgeschmolzen wird. Glasfasern, die für Lichtleitkabel verwendet werden, bestehen aus einem Kern, dessen Brechungsindex etwas größer ist als der des Fasermantels. Das Licht wird durch Totalreflexion am Mantel weitergeleitet. Glaskeramik Glaskeramik entsteht durch eine gesteuerte teilweise Entglasung. Glasphase und kristalline Phase bilden ein feinkörniges Gefüge. Sind die Kristallite kleiner (etwa 50 nm) als die Lichtwellenlänge und die Brechzahlen der Kristalle und der Glasphase wenig verschieden, sind die Keramiken durchsichtig. Glaskeramiken mit hoher Temperaturbeständigkeit und Temperaturwechselbeständigkeit werden für Geschirr und Kochflächen verwendet. Sie werden aus Lithiumaluminiumsilicaten hergestellt, die sehr kleine Ausdehnungskoeffizienten besitzen (Cordierit, Hochspodumen). Tonkeramik Tonkeramische Erzeugnisse entstehen durch Brennen von Tonen. Die wichtigsten Bestandteile der Tone sind Schichtsilicate (Kaolinit, Montmorillonit). Reiner Ton ist der Kaolin, der überwiegend aus Kaolinit besteht und zur Herstellung von Porzellan dient. Weniger reine Tone dienen zur Herstellung von Steingut, Steinzeug, Fayence und Majolika. Sie enthalten als Verunreinigung Quarz, Glimmer und Eisenoxide. Lehm ist Ton, der stark durch Eisenoxid und Sand verunreinigt ist. Er wird zur Herstellung von Ziegelsteinen verwendet. Man unterscheidet Tongut mit einem wasserdurchlässigen Scherben und Tonzeug mit einem dichten, wasserundurchlässigen Scherben. Zu letzterem gehört Steinzeug und Porzellan. Hartporzellan (w50 % Kaolin, w25 % Quarz, w25 % Feldspat) wird bei 1 400K1 500 (C gebrannt. Weichporzellan enthält weniger Kaolin (Seger-Porzellan z. B. 25 % Kaolin, 45 % Quarz, 30 % Feldspat) und wird bei 1 200K1 300 (C gebrannt. Chinesisches und japanisches Porzellan, auch Sanitärporzellane, sind Weichporzellane. Für die meisten Gebrauchszwecke wird Tongut (Steingut, Majolika, Fayence) glasiert. Hochleistungskeramik Hochleistungskeramiken sind chemisch hergestellte hochreine Oxide, Nitride, Carbide und Boride genau definierter Zusammensetzung und Teilchengröße (0,1K 0,005 μm), die durch Pressen und Sintern zu Kompaktkörpern verarbeitet werden. Hochleistungskeramik ist relativ neu und gilt als eine der Schlüsseltechnologien der Zukunft. Nichtoxidkeramik: Siliciumcarbid SiC (vgl. S. 524), Siliciumnitrid Si3N4, Borcarbid B13C2 (vgl. S. 571), Bornitrid BN (vgl. S. 585), TiC, WC. Hervorragende Eigenschaf-
546
4 Die Elemente der Hauptgruppen
ten sind Festigkeit und Härte auch bei Temperaturen oberhalb 1 000 (C und ausgezeichnete chemische Beständigkeit. Nicht beständig sind B13C2 und BN in oxidierender Umgebung bei hohen Temperaturen. Bei den Si-haltigen Verbindungen bildet sich eine passivierende SiO2-Deckschicht, so dass sie bis 1 600 (C eingesetzt werden können. Siliciumnitrid (Smp. 1 900 (C) wird nach folgenden Reaktionen hergestellt. +
1 200K1 400 C
3 Si C 2 N2 $$$$$$$$$% Si3 N4 +
1 500 C
3 SiO2 C 6 C C 2 N2 $$$% Si3 N4 C 6 CO Außer zwei hexagonalen Modifikationen gibt es eine Hochdruckmodifikation mit Spinellstruktur. Verwendungsbereich wie der von SiC, außerdem für Turbinenteile und in Automotoren. Cermets (Kombination von ceramics and metals) sind Verbundwerkstoffe aus zwei Phasen, bei denen abhängig von der Zusammensetzung bestimmte Eigenschaften optimiert werden. Beispiel: In WC.Co-Cermets ist die Härte von WC mit der Zähigkeit von Co zu einem Hartstoff kombiniert. Komposite sind Kombinationen keramischer Materialien, z. B. Si3N4.SiC. Die Komposite aus Si3N4, SiC und BN z. B. sind bis 2 000 (C stabil. Oxidkeramik: Aluminiumoxid Al2O3 (vgl. S. 590), Zirconiumdioxid ZrO2 (vgl. S. 793), Berylliumoxid BeO (vgl. S. 603). Zusätzlich zu den bei den Verbindungen besprochenen Verwendungen sei noch erwähnt: ZrO2 und Al2O3 sind bioinert und können für belastbare Implantate benutzt werden. Wegen der guten Wärmeleitfähigkeit ist Al2O3 in der Elektronikindustrie als Trägermaterial für Chips geeignet. Es wird durch das besser leitende Aluminiumnitrid AlN (Smp. 2 230 (C; Wurtzit-Struktur) ersetzt. Sialone (Oxidonitridoalumosilicate) sind Substitutionsvarianten von Si3N4. Bei ihnen ist Si4C partiell durch Al3C und NK partiell durch O2K substituiert. Sie sind wegen ihrer thermischen, chemischen und mechanischen Stabilität als keramische Materialien von Bedeutung. Die Sialon-Hochdruckphase γ-Si2AlON3 kristallisiert in der Spinellstruktur und besitzt die Härte von Borcarbid. Wasserglas Durch Zusammenschmelzen von Quarz und Alkalimetallcarbonaten bei 1 300 (C erhält man Alkalimetallsilicate. Die Lösungen (Wasserglas) reagieren alkalisch. SiO2 C 2 Na2CO3 $% Na4SiO4 C 2 CO2 Silicone Die Si d C-Bindung ist thermisch sehr stabil und chemisch wenig reaktiv. (CH3)4Si z. B. wird erst oberhalb von 650 (C thermisch zersetzt und von verdünnten Laugen nicht hydrolysiert. Silicone sind chemisch und thermisch sehr beständige Kunststoffe, in denen die Stabilität der Si d O d Si-Bindung und die chemische Resistenz der Si d CH3-Bindung ausgenutzt wird:
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CH3
CH3
O
Si O
Si O Si O
CH3
CH3
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CH3 O
Ausgangsprodukte der Silicondarstellung sind Methylchlorsilane, die aus Methylchlorid und Si mit Cu als Katalysator hergestellt werden können (Rochow-Synthese). Schematische Reaktion: +
300K400 C
6 RCl C 3 Si $$$$$$$% RSiCl3 C R2SiCl2 C R3SiCl
R Z CH3 , Ph
Durch Direktsynthese können also auch Phenylchlorsilane synthetisiert werden. Durch Hydrolyse erhält man Silanole R3SiOH, Silandiole R2Si (OH)2 und Silantriole RSi(OH)3. Sie kondensieren spontan, wobei die chemisch und thermisch stabilen Siloxanbrücken entstehen.
Das Silanol (monofunktionell) fungiert als Kettenendgruppe, das Silandiol (bifunktionell) als Kettenglied und das Silantriol (trifunktionell) als Verzweigungsstelle. Mit geeigneten Mischungen kann man den Polymerisationsgrad einstellen und es entstehen dünnflüssige, ölige, fettartige, kautschukartige oder harzige Substanzen. Sie sind beständig gegen höhere Temperaturen, Oxidation und Wettereinflüsse, sind hydrophobierend, elektrisch nicht leitend, physiologisch indifferent und daher sehr vielseitig verwendbar (Schmier- und Isoliermaterial, Dichtungen, Imprägniermittel, Lackrohstoff, Schläuche, Kabel).
4.7.11 Halogenverbindungen und Schwefelverbindungen des Siliciums Die wichtigsten Halogenide sind vom Typ SinX2nC2 (X Z F, Cl, Br, I), die sich von Silanen durch Ersatz der H-Atome durch Halogenatome ableiten. Außerdem sind die polymeren Halogenide (SiX2)n und (SiX)n bekannt (X Z F, Cl, Br, I). Siliciumtetrafluorid SiF4 SiF4 ist ein Gas, das stechend riecht und infolge Hydrolyse an der Luft raucht. SiF4 entsteht beim Erwärmen eines Gemisches aus CaF2, SiO2 und konz. H2SO4. 2 CaF2 C 2 H2SO4 $% 2 CaSO4 C 4 HF 4 HF C SiO2 $% SiF4 C 2 H2O
548
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Die Wasser entziehende Wirkung der konz. H2SO4 verschiebt das Gleichgewicht in Richtung SiF4. In Gegenwart von H2O hydrolysiert SiF4 zu SiO2 und HF. Bei Ausschluss von Feuchtigkeit ist die stark exotherme Verbindung (ΔH+ B Z K1 616 kJ.mol) sehr beständig. SiF4 ist tetraedrisch gebaut, der Si d F-Abstand liegt zwischen dem einer Einfachund Doppelbindung. Wie bei der Si d O-Bindung (vgl. S. 533) gibt es π-Bindungsanteile, die die sehr hohe Bindungsenergie erklären:
Hexafluorokieselsäure H2SiF6 Bei der Hydrolyse von SiF4 reagiert HF mit noch unzersetztem SiF4 zu H2SiF6. SiF4 C 2 H2O $% SiO2 C 4 HF 4 HF C 2 SiF4 $% 2 H2SiF6 In reinem Zustand ist H2SiF6 nicht bekannt. Beständig ist das Oxoniumsalz (H3O)2SiF6, das farblose Kristalle (Smp. 19 (C) bildet. H2SiF6 ist eine starke Säure, vergleichbar mit H2SO4. Mit Carbonaten und Hydroxiden setzt sich H2SiF6 zu Hexafluorosilicaten um. Schwer löslich ist BaSiF6. SiF2K 6 -Ionen werden nicht hydrolytisch zersetzt. H2SiF6 wird zur Darstellung von AlF3 und Na3AlF6 verwendet. Siliciumdifluorid SiF2 und höhere Siliciumfluoride Gasförmiges, monomeres SiF2 ist gewinkelt und enthält normale Einfachbindungen. Es entsteht durch Reduktion von SiF4 mit Si. +
1 100K1 400 C
SiF4 (g) C Si (s) $$$$$$$$$% 2 SiF2 (g) Vakuum
Es ist sehr reaktionsfähig und polymerisiert zu kettenförmigem (SiF2)n. Polysiliciumdifluorid ist wachsartig und an der Luft entzündlich. Beim Erhitzen auf 200K350 (C im Hochvakuum entstehen höhere Siliciumfluoride SinF2nC2 (n Z 2K14) und Polysiliciummonofluorid (SiF)n, das oberhalb 400 (C explosionsartig zerfällt. Siliciumtetrachlorid SiCl4 SiCl4 ist eine farblose, an der Luft rauchende Flüssigkeit, die durch Erhitzen von Si im Cl2-Strom hergestellt werden kann. Im Gegensatz zu CCl4 ist SiCl4 leicht hydrolysierbar. Dafür ist sowohl die größere Polarität der Si d Cl-Bindung als auch die Existenz von d-Orbitalen beim Si verantwortlich, die eine Anlagerung von H2O ermöglichen:
4.7 Gruppe 14
549
Siliciumdisulfid SiS2 Im Gegensatz zu CS2 ist SiS2 ein Festkörper, der in farblosen, faserigen Kristallen mit Kettenstruktur kristallisiert. Die Kettenmoleküle
enthalten verzerrt tetraedrisch koordinierte Si-Atome mit nahezu reinen Einfachbindungen. SiS2 ist reaktiver als SiO2. Mit Wasser reagiert es zu SiO2. SiS2 C 2 H2O $% SiO2 C 2 H2S
4.7.12 Germaniumverbindungen Hydride Germane GenH2nC2 sind bis n Z 9 bekannt. GeH4 ist gasförmig, die höheren Glieder sind flüssig bzw. fest. Die Oxidationsempfindlichkeit ist geringer als die der Silane, sie sind schwächere Reduktionsmittel und stabiler gegen Hydrolyse. Chalkogenide GeO2 ist dimorph. Die mit Rutil isotype Modifikation wandelt sich bei 1 033 (C in die im Cristobalitgitter kristallisierende Modifikation um. GeO ist wesentlich beständiger als SiO. Auch GeS, das man durch Reduktion von GeS2 mit H2 erhält, ist verglichen mit SiS recht beständig. Halogenide GeF4 ist ein Gas, das mit Wasser zu GeO2 und H2GeF6 reagiert (vgl. S. 548). Es existieren Salze wie K2GeF6 und BaGeF6. GeF2 ist beständiger als SiF2 und bildet farblose Kristalle. Die Struktur ist analog der von SnCl2 (vgl. S. 551). GeCl4 ist eine Flüssigkeit, die mit Wasser rasch hydrolysiert. Mit Chloriden bilden sich Chlorokomplexe des Typs GeCl2K 6 . GeCl2 ist fest, die salzsaure Lösung wirkt stark reduzierend. Mit Chloriden bildet es Chlorokomplexe des Typs GeClK 3 . In Wasser erfolgt Hydrolyse zu Ge (OH)2.
550
4 Die Elemente der Hauptgruppen
4.7.13 Zinnverbindungen 4.7.13.1 Zinn(IV)-Verbindungen Zinntetrahydrid SnH4 (Monostannan) ist ein bei Raumtemperatur tagelang haltbares, giftiges Gas. Oberhalb von 100 (C zersetzt es sich rasch unter Bildung eines Zinnspiegels. O100 +C
SnH4 $$$$% Sn C 2 H2
ΔH ( Z K163 kJ.mol
Von verdünnten Laugen und Säuren wird es nicht angegriffen. Man erhält es in etherischer Lösung nach +
K30 C
SnCl4 C 4 LiAlH4 $$$$% SnH4 C 4 LiCl C 4 AlH3 Außerdem ist Distannan Sn2H6 bekannt. Zinn(IV)-chlorid SnCl4 wird technisch aus Weißblechabfällen hergestellt. Sn C 2 Cl2 $% SnCl4
ΔH( Z K512 kJ.mol
Es ist eine farblose, rauchende Flüssigkeit (Sdp. 114 (C). Mit wenig Wasser bildet sich SnCl4 · 5 H2O, eine halbfeste kristalline Masse („Zinnbutter“). Die wässrige Lösung ist weit gehend hydrolytisch gespalten. SnCl4 C 2 H2O $% SnO2 C 4 HCl SnO2 bleibt kolloidal in Lösung. Leitet man in eine wässrige konz. SnCl4-Lösung HCl ein, entsteht Hexachlorozinnsäure H2SnCl6. Sie kristallisiert als Hydrat H2SnCl6 · 6 H2O aus (Smp. 19 (C). (NH4)2SnCl6 („Pinksalz“) dient als Beizmittel in der Färberei. Zinndioxid SnO2 ist polymorph. In der Natur kommt es als Zinnstein vor, der im Rutil-Typ kristallisiert. Technisch erhält man SnO2 als weißes Pulver durch Verbrennen von Sn im Luftstrom. Es ist thermisch und chemisch sehr beständig. Es sublimiert erst oberhalb 1 800 (C und ist in Säuren und Laugen unlöslich. Man kann es mit Soda und Schwefel zu einem löslichen Thiostannat aufschließen (Freiberger Aufschluss). 2 SnO2 C 2 Na2CO3 C 9 S $% 2 Na2SnS3 C 3 SO2 C 2 CO2 SnO2 wird als Trübungsmittel in der Glasindustrie verwendet (vgl. S. 545). Zinnsäure. Stannate(IV). Beim Schmelzen von SnO2 mit NaOH erhält man Natriumstannat(IV) Na2SnO3. SnO2 C 2 NaOH $% Na2SnO3 C H2O Aus wässrigen Lösungen kristallisiert es als Natriumhexahydroxostannat(IV) Na2Sn (OH)6 aus. Die Zinnsäure H2Sn (OH)6 ist in freiem Zustand ebenso wenig bekannt wie Sn (OH)4. Beim Ansäuern erhält man Niederschläge von SnO2 · aq, die
4.7 Gruppe 14
551
frisch gefällt in Säuren löslich sind, die aber durch Kondensation (Alterung) in unlösliches SnO2 übergehen. Mg2SnO4 und Zn2SnO4 sind im Spinellgitter kristallisierende Doppeloxide. Zinndisulfid SnS2 bildet goldglänzende Blättchen, die zum Bronzieren verwendet werden („Mussivgold“, „Zinnbronze“). SnS2 löst sich in wässriger Lösung mit Alkalimetallsulfiden zu Thiostannaten. SnS2 C Na2S $% Na2SnS3
4.7.13.2 Zinn(II)-Verbindungen In freien Sn2C-Ionen ist das nichtbindende 5s2-Elektronenpaar vorhanden. Die Strukturchemie der Sn(II)-Verbindungen ist jedoch kompliziert und es treten nicht solche Strukturen auf, die für kugelförmige Ionen zu erwarten wären. Die Ursache dafür ist, dass in Verbindungen das nichtbindende Elektronenpaar hybridisiert ist und stereochemisch einen großen Einfluss ausübt. So bildet z. B. SnF2 kein regelmäßiges Koordinationsgitter, sondern ist aus Sn4F8-Tetrameren aufgebaut, die durch schwächere Sn-F-Bindungen verknüpft sind. Die Sn-Ionen sind verzerrt oktaedrisch koordiniert. Das nichtbindende Elektronenpaar kann als Donor gegenüber unbesetzten Orbitalen fungieren. Sowohl in saurer als auch in alkalischer Lösung wirken Sn(II)-Verbindungen reduzierend und haben die Tendenz, in die Oxidationszahl C4 überzugehen. Zinn(II)-chlorid SnCl2 erhält man wasserfrei als weiße, glänzende Masse (Smp. 247 (C) durch Überleiten von HCl über erhitztes Zinn. Sn C 2 HCl $% SnCl2 C H2 Aus wässrigen Lösungen kristallisiert das Dihydrat SnCl2 · 2 H2O aus. In wenig Wasser ist SnCl2 klar löslich, beim Verdünnen erfolgt Hydrolyse, die Lösung trübt sich unter Abscheidung eines basischen Salzes. SnCl2 C H2O $% Sn (OH) Cl C HCl Technisch erhält man SnCl2 durch Lösen von Sn in Salzsäure. Mit ClK-Ionen entstehen in wässrigen Lösungen Halogenokomplexe, z. B. SnClK 3. Strukturen:
SnCl2-Moleküle gewinkelt sind oberhalb 1000 (C im Dampfzustand vorhanden
K
SnCl3 -Ionen pyramidal
(SnCl2)n-Ketten aus pyramidalen SnCl3Gruppen bilden mit den exoständigen Cl-Atomen Schichten
552
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Die hervorstechende Eigenschaft von SnCl2 ist sein Reduktionsvermögen. Au, Ag und Hg werden aus den Lösungen ihrer Salze als Metalle ausgefällt. Beim Quecksilauf. ber tritt als Zwischenstufe Hg2C 2 4C 2 Hg 2C C Sn 2C $% Hg 2C 2 C Sn 2C 4C 2C Hg 2 C Sn $% 2 Hg C Sn
Chromate werden zu Cr(III)-Salzen, Permanganate zu Mn(II)-Salzen reduziert, Schweflige Säure zu H2S. Zinn(II)-oxid SnO. Aus Sn(II)-Salzlösungen fällt mit Basen Zinn(II)-oxid-Hydrat aus. Beim Erwärmen unter Luftausschluss erhält man daraus SnO. SnO ist polymorph. Beim Erhitzen an Luft wird es zu SnO2 oxidiert, unter Luftausschluss zersetzt es sich zu SnO2 und Sn, als Zwischenprodukt tritt Sn3O4 auf. SnO ist amphoter. Mit Säuren entstehen Sn(II)-Salze, mit starken Basen Stannate(II) Sn (OH)K 3 . Stannate(II) sind Reduktionsmittel, sie werden leicht zu Stannaoxidiert. ten(IV) Sn (OH)2K 6 Zinn(II)-sulfid SnS erhält man aus Sn(II)-Salzlösungen mit H2S. Sn2CC S2K $% SnS Es ist nur in Polysulfidlösungen, z. B. in (NH4)2Sn, unter Oxidation löslich. C2
C4
SnS C (NH4)2S2 $% (NH4)2SnS3
4.7.14 Bleiverbindungen 4.7.14.1 Blei(II)-Verbindungen Blei(II)-oxid PbO kommt in zwei Modifikationen vor, die sich reversibel ineinander umwandeln lassen. 488(C
1ddd PbOgelb PbOrot ddd/ tetragonal
ΔH( Z C1,7 kJ.mol
rhombisch
Da die Umwandlungsgeschwindigkeit klein ist, ist gelbes PbO bei Raumtemperatur metastabil. Man erhält es durch thermische Zersetzung von PbCO3. PbO ist unterhalb des Schmelzpunktes (Smp. 884 (C) flüchtig. Technisch wird es durch Oxidation von geschmolzenem Pb mit Luftsauerstoff hergestellt. In Säuren löst sich PbO unter Salzbildung. Nur in starken konzentrierten Basen löst es sich als Hydroxoplumbat(II). PbO C H2O C OHK $% Pb (OH)K 3 Mit Reduktionsmitteln (Kohlenstoff oder Wasserstoff) lässt sich PbO zum Metall reduzieren. PbO wird zur Herstellung von Mennige Pb3O4, Bleiweiß
4.7 Gruppe 14
553
Pb (OH)2 · 2 PbCO3 und Bleigläsern verwendet. Mit Basen fällt aus Pb (II)-Salzlösungen weißes Blei (II)-oxid-Hydrat aus. Reines Pb (OH)2 konnte bisher nicht dargestellt werden. Blei (II)-Halogenide sind schwer löslich und können aus Pb(II)-Salzlösungen mit Halogenidionen ausgefällt werden. Im Gegensatz zu SnCl2 besitzt PbCl2 keine reduzierenden Eigenschaften. Mit Chloriden entstehen Chloroplumbate(II) [PbCl3]K und [PbCl4]2K. Blei(II)-sulfat PbSO4 bildet glasklare Kristalle. Es ist schwer löslich und fällt aus Pb2C-haltigen Lösungen mit SO2K 4 -Ionen als weißer kristalliner Niederschlag aus. In konzentrierten starken Säuren (H2SO4, HCl, HNO3) löst sich PbSO4 auf. PbSO4 C HC $% Pb (HSO4)C In ammoniakalischer Tartratlösung löst es sich unter Komplexbildung, in konzentrierten Laugen als Hydroxoplumbat (II). Blei(II)-carbonat PbCO3 erhält man aus Pb(II)-Salzlösungen und CO2K 3 -Ionen in der Kälte. In der Wärme entstehen basische Carbonate. Ein basisches Carbonat ist Bleiweiß Pb (OH)2 · 2 PbCO3. Es hat von allen weißen Farben den schönsten Glanz und die größte Deckkraft und ist daher trotz seiner Giftigkeit und seines Nachdunkelns (Bildung von PbS) ein geschätztes Farbpigment. Blei(II)-chromat PbCrO4 wird als Malerfarbe verwendet (Chromgelb), ebenso das basische Chromat PbO · PbCrO4 (Chromrot). Blei(II)-sulfid PbS ist die wichtigste natürlich vorkommende Bleiverbindung (Bleiglanz). Es kristallisiert in bleigrauen, glänzenden, leicht spaltbaren Kristallen vom NaCl-Typ. Es fällt als schwer löslicher, schwarzer Niederschlag aus Pb (II)-Salzlösungen mit H2S aus. Blei(II)-acetat Pb (CH3COO)2 entsteht beim Auflösen von PbO in Essigsäure. Die stark giftigen Lösungen schmecken süß (Bleizucker).
4.7.14.2 Blei(IV)-Verbindungen Anorganische Blei(IV)-Verbindungen sind weniger beständig als Blei(II)-Verbindungen. Bleidioxid PbO2 entsteht durch Oxidation von Pb(II)-Salzen mit starken Oxidationsmitteln wie Chlor und Hypochlorit oder durch anodische Oxidation. Pb2 C C 2 H2O $% PbO2 C 4 HC C 2 eK PbO2 kristallisiert im Rutilgitter, es ist ein schwarzbraunes Pulver und ein starkes Oxidationsmittel. Beim Erhitzen mit konz. Salzsäure entsteht Cl2. PbO2 C 4 HCl $% PbCl2 C 2 H2O C Cl2
554
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Beim Erwärmen spaltet es Sauerstoff ab. PbO2 $% PbO C 21 O2 PbO2 ist amphoter mit überwiegend saurem Charakter. Mit konzentrierten Laugen entstehen Hydroxoplumbate(IV), z. B. K2 [Pb (OH)6]. Mit basischen Oxiden bilden C2
C1
sich wasserfreie Plumbate des Typs Me2PbO4 (Orthoplumbate) bzw. Me2PbO3 (Metaplumbate). Über die Rolle von PbO2 im Bleiakkumulator s. Abschn. 3.8.11. Blei(II,IV)-oxid Pb3O4 (Mennige) enthält Blei mit den Oxidationszahlen C2 und C4 und kann formal als Blei(II)-orthoplumbat(IV) aufgefasst werden. Es kommt in zwei Modifikationen vor. Bei Raumtemperatur ist rotes, tetragonales Pb3O4 stabil, das beim Erhitzen von PbO im Luftstrom entsteht. +
500 C
3 PbO C 21 O2 $$$$% Pb3O4 Bei 550 (C zersetzt sich Pb3O4 zu PbO. Interessant ist die Reaktion mit HNO3. C4
C2
Pb3O4 C 4 HNO3 $% PbO2 C 2 Pb (NO3)2 C 2 H2O Pb3O4 ist ein ausgezeichnetes Rostschutzmittel. Da Bleiverbindungen giftig sind, wird es für Schutzanstriche kaum noch verwendet. Als Korrosionsschutzpigmente werden jetzt Zinkstaub oder Zinkphosphat benutzt. Blei(IV)-Halogenide. PbCl4 ist eine unbeständige, gelbe, rauchende Flüssigkeit (Sdp. 150 (C), die sich leicht in PbCl2 und Cl2 zersetzt und oxidierende Eigenschaften C1
besitzt. Beständiger sind Hexachloroplumbate Me2[PbCl6]. PbBr4 und PbI4 sind nicht existent, da BrK bzw. IK von Pb4C oxidiert wird. Pb4C C 2 XK $% Pb2C C X2 2K Das feste, salzartige PbF4 bildet Fluorokomplexe des Typs PbFK 5 und PbF 6 . Bleitetraethyl Pb (C2H5)4 und Bleitetramethyl Pb (CH3)4 sind giftige, in Wasser unlösliche Flüssigkeiten. Sie werden Benzinen als Antiklopfmittel zugesetzt und waren die Hauptquelle (1982 zu 60 %) für Bleiemissionen. Inzwischen ist die Verwendung von Bleialkylen verboten. Die bleifreien Kraftstoffe dürfen maximal 13 mg Pb.l enthalten. Durch Verwendung bleifreien Benzins erfolgte eine Abnahme des Pb-Gehalts in der Biosphäre.
4.8 Gruppe 13
555
4.8 Gruppe 13 4.8.1 Gruppeneigenschaften Bor B
Aluminium Al
Gallium
Indium
Thallium
Ga
In
Tl
49
81
Ordnungszahl Z
5
13
31
Elektronenkonfiguration
[He] 2s2 2p1
[Ne] 3s2 3p1
[Ar] 3d10 [Kr] 4d10 [Xe] 4f14 4s2 4p1 5s2 5p1 5d10 6s2 6p1
1. Ionisierungsenergie in eV 2. Ionisierungsenergie in eV 3. Ionisierungsenergie in eV
8,3 25,1 37,9
6,0 18,8 28,4
6,0 20,5 30,7
5,8 18,9 28,0
6,1 20,4 29,8
2,0
1,5
1,8
1,5
1,4
Elektronegativität Metallcharakter
Halbmetall
Standardpotenziale in V Me.Me3C Me.MeC MeC.Me3C
K0,87* K K
Metalle K1,68 K K
K0,53 K K
K0,34 K K
Beständigkeit der Me(I)Verbindungen
nimmt zu
%$Basischer Charakter der Oxide und Hydroxide
nimmt zu
%$Salzcharakter der Chloride
nimmt zu
%$C0,72 K0,34 C1,25
* B.B(OH)3
Bor ist ein Halbmetall mit Halbleitereigenschaften, die anderen Elemente der Gruppe sind Metalle. Alle Elemente treten entsprechend ihrer Elektronenkonfiguration bevorzugt in der Oxidationszahl C3 auf. Außerdem gibt es Verbindungen mit der Oxidationszahl C1, deren Beständigkeit mit Z zunimmt. Tl(I)-Verbindungen sind stabiler als Tl (III)-Verbindungen. Das Standardpotenzial Tl3C. TlC zeigt, dass Tl3C ein kräftiges Oxidationsmittel ist (fast so stark wie Chlor), während InC stark reduzierend wirkt (etwa wie Cr (II)). Alle Elemente sind in nicht oxidierenden Säuren löslich, Tl löst sich als TlC. Der unedle Charakter ist bei Al am größten und nimmt K anders als in der 1. und 2. Hauptgruppe K mit Z wieder ab. Bor bildet als einziges Element der Gruppe keine freien Ionen mit der Ladung C3. Die Affinität zu den elektronegativen Elementen (Sauerstoff, Halogene) ist größer als zu den elektropositiven Elementen. Der Salzcharakter der Verbindungen nimmt mit Z zu und ist bei Verbindungen mit der Oxidationszahl C1 stärker ausgeprägt.
556
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Trotz der großen Elektronegativitätsdifferenz zwischen Bor und den Nichtmetallen bildet es keine Salze mit B3 C-Kationen. Ursache ist die zu kleine Koordinationszahl von B3C (vgl. S. 133). Der saure Charakter der Oxide und Hydroxide nimmt mit Z ab. B (OH)3 hat saure Eigenschaften, Al (OH)3 und Ga (OH)3 sind amphoter, In (OH)3 und Tl (OH)3 überwiegend basisch. Entsprechend dem Charakter der Hydroxide reagieren die Salze sauer. Die Basizität ist in der Oxidationszahl C1 stärker, Tl (OH) ist eine starke Base. Für kovalente Verbindungen stehen sp2-Hybridorbitale zur Verfügung, und die Koordination ist trigonal-planar. Diese Verbindungen enthalten eine Elektronenlücke, sie sind daher starke Lewis-Säuren. Der Elektronenmangel ist ganz wesentlich für die Strukturen und Reaktionen der kovalenten Verbindungen. In einer Reihe von Eigenschaften ähnelt Bor dem Silicium mehr als seinem Homologen Aluminium (Schrägbeziehung im PSE). Elektronegativitäten: B 2,0; Si 1,7; Al 1,5. Bor und Silicium sind harte, hochschmelzende Halbmetalle mit Halbleitereigenschaften. Aluminium ist ein typisches, duktiles Metall. B und Si bilden zahlreiche flüchtige Wasserstoffverbindungen, von Al ist nur ein polymeres Hydrid bekannt. BCl3 ist wie SiCl4 flüssig, monomer, hydrolyseempfindlich. AlCl3 kristallisiert in einer Schichtstruktur und ist in der flüssigen und gasförmigen Phase dimer. B2O3 neigt wie SiO2 zur Glasbildung. Nicht nur unter den Elementen der Gruppe nimmt Bor eine Sonderstellung ein. Seine Modifikationen, die Wasserstoffverbindungen, die Carbaborane und die Metallboride sind einzigartig und es gibt dafür keine Analoga bei allen anderen Elementen des PSE. Es gibt in der Gruppe 13 eine weitere Besonderheit. Die Elektronegativitäten und Ionisierungsenergien ändern sich nicht regelmäßig. Nur in dieser Gruppe nehmen die Elektronegativitäten x (Abb. 2.51 und Tabelle 2.17) und Ionisierungsenergien I nicht ab wie in den anderen Gruppen, sondern ab der 3. Periode zu.
x (EN) I1 I2
x (EN) I1 I2 I3
Mg
Ca
Sr
Ba
1,2 7,6 15,0
1,0 6,1 11,9
1,0 5,7 11,0
0,9 5,2 10,0
Al
Ga
In
Tl
1,5 6,0 18,8 28,4
1,6 6,0 20,5 30,7
1,7 5,8 18,9 28,0
1,8 6,1 20,4 29,8
I in eV; x (EN) Pauling-Werte
Der Verlauf der Elektronegativitäten zeigt, dass in den Gruppen 1 und 2 der metallische Charakter mit Z zunimmt, während er in der Gruppe 13 von Al zu Tl abnimmt. Dies zeigen auch die Standardpotentiale: Al.Al3C K1,68 V; Ga.Ga3C K0,56 V. Die Anomalie entsteht durch die Auffüllung der d-Unterschalen. Zwischen den Elementen Aluminium und Gallium z. B. wird die 3d-Unterschale aufgefüllt (Tabelle
4.8 Gruppe 13
557
1.9), die Kernladungszahl erhöht sich um 10 Einheiten. Die wachsende Kernladung wird durch die 3d-Elektronen weniger gut abgeschirmt, und auf die 4s- und 4pElektronen von Gallium wirkt eine relativ hohe Kernladung, besonders wirksam bei den kugelsymmetrischen s-Elektronen. Dies zeigt der Vergleich der Ionisierungsenergien von Aluminium und Gallium. Die Auffüllung der 3d-Orbitale beeinflusst auch die Hauptgruppenelemente der 4. Periode Sn, As, Se. Bei ihnen ist die höchste Oxidationszahl gegenüber den Elementen der 3. Periode Ge, P, S weniger stabil.
4.8.2 Vorkommen Wegen ihrer Reaktionsfähigkeit kommen die Elemente der 13. Gruppe nicht elementar vor. Natürliche Borverbindungen sind Borate. Die wichtigsten Mineralien sind Kernit Na2B4O7 · 4 H2O, Borax [Na (H2O)4]2 [B4O5 (OH)4] („Na2B4O7 · 10 H2O“), Borocalcit CaB4O7 · 4 H2O, Colemanit Ca2B6O11 · 5 H2O. Hauptförderländer sind die USA und die Türkei. Borsäure H3BO3 findet man in heißen Quellen. Aluminium ist das häufigste Metall der Erdrinde und das dritthäufigste Element überhaupt. Es ist Bestandteil der Feldspate, Glimmer und Tonmineralien (vgl. Silicate, Abschn. 4.7.10.2). Relativ selten kommt Al2O3 (Tonerde) als Korund und Schmirgel (mit Eisenoxid und Quarz verunreinigt) vor. Gut ausgebildete und gefärbte Al2O3-Kristalle sind Edelsteine: Rubin (rot), Saphir (blau). Die Naturvorräte an Kryolith Na3AlF6 sind weitgehend abgebaut. Das wichtigste Ausgangsmaterial zur Aluminiumgewinnung ist Bauxit. Es ist ein Gemenge aus Aluminiumhydroxidoxid AlO (OH) (Böhmit und Diaspor) und Aluminiumhydroxid Al (OH)3 (Hydrargillit) mit Beimengungen an Tonmineralien und Eisenoxiden. Die Weltförderung lag 2004 bei 140 · 106 t (40 % in Australien). Gallium und Indium sind Begleiter des Zinks in der Zinkblende. Thallium ist Begleiter von Zink in der Zinkblende und von Eisen im Pyrit. Selten sind die Mineralien Lorandit TlAsS2 und Crookesit (Tl, Cu, Ag)2Se.
4.8.3 Die Elemente
Modifikationen Dichte in g.cm3 Schmelzpunkt in (C Siedepunkt in (C Sublimationsenthalpie in kJ.mol
B
Al
Modifikationen mit kovalenten Bindungen 2,46* 2180** 3660 570**
MetallischeModifikationen kdp K kdpverzerrt hdp 2,70 5,91 7,31 11,85 660 30 156 302 2467 2400 2080 1457 327 277 243 182
* α-rhomboedrisches Bor ** β-rhomboedrisches Bor
Ga
In
Tl
558
4 Die Elemente der Hauptgruppen
4.8.3.1 Modifikationen, chemisches Verhalten Bor Hauptgruppenelemente mit weniger als vier Valenzelektronen kristallisieren in Metallgittern. Eine Ausnahme ist Bor. Wegen der hohen Ionisierungsenergie und der relativ großen Elektronegativität bevorzugt es kovalente Bindungen. Die komplizierten und einmaligen Strukturen der Bormodifikationen sind eine Folge des Elektronenmangels der Boratome, die vier Valenzorbitale, aber nur drei Elektronen besitzen. Raumnetzstrukturen können nur unter Beteiligung von Mehrzentrenbindungen gebildet werden. Von Bor sind mehrere kristalline Modifikationen bekannt. In allen Strukturen treten als Struktureinheiten B12-Ikosaeder auf (Abb. 4.43). Alle 12 Atome des Ikosaeders sind äquivalent, haben 5 Bornachbarn und liegen auf einer fünfzähligen Achse. Die Ikosaeder lassen sich nur locker packen, in der dichtesten Modifikation beträgt die Raumausfüllung 37 %. In die Lücken der Strukturen können zusätzlich Boratome oder Metallatome eintreten. α-rhomboedrisches Bor hat die einfachste Struktur (Abb. 4.44). Die B12-Ikosaeder sind in einer annähernd kubisch-dichten Packung angeordnet. 6 B-Atome eines Ikosaeders haben die Koordinationszahl 7. Sie sind durch eine Dreizentrenbindung an zwei B-Atome zweier Nachbarikosaeder innerhalb der Ikosaederschicht gebunden (Abb. 4.45). Die anderen 6 B-Atome haben die Koordinationszahl 6. Sie sind durch Zweizentrenbindungen an je drei Ikosaeder der darüber und darunter liegenden Ikosaederschicht gebunden. β-rhomboedrisches Bor ist die thermodynamisch stabile Modifikation. Man erhält es durch Erhitzen von α-rhomboedrischem Bor auf 1 200 (C. Die Struktur ist kompliziert. Die Elementarzelle enthält 105 B-Atome. Ein Teil der Struktureinheiten sind Ikosaeder.
Abbildung 4.43 B12-Ikosaeder (Zwanzigflächner). Alle Atome sind äquivalent. Jedes Atom liegt auf einer fünfzähligen Achse (C5) und hat 5 Nachbarn. Die 12 B-Atome bilden 13 bindende Molekülorbitale. Der B12-Ikosaeder erhält seine maximale Stabilität durch Besetzung dieser MOs mit 26 Valenzelektronen. Von den 36 Valenzelektronen der 12 B-Atome stehen noch 10 für Bindungen nach außen zur Verfügung.
4.8 Gruppe 13
559
Abbildung 4.44 Struktur und Bindung in α-rhomboedrischem Bor. a) Die Struktureinheiten sind B12-Ikosaeder. Sie haben die Anordnung einer kubisch-dichten Packung. B b) 6 B-Atome eines Ikosaeders sind durch eine geschlossene 3-Zentren-BBB-Bindung B B innerhalb einer Schicht an zwei Nachbarikosaeder gebunden (KZ Z 7). 3 B-Atome sind durch 2-Zentren-BB-Bindungen an drei Ikosaeder der darüber liegenden Schicht (Position 1) und 3 B-Atome B an drei Ikosaeder der darunter liegenden Schicht (Position 2) gebunden (KZ Z 6).
•
•
Typ
Bindungen Anzahl Abstand B d B in pm
2-Zentren-Bindung B d B 3-Zentren-Bindung
B B
B
Bindende MOs im B12-Gerüst
6
171
6
202
13
173K179
Elektronenzahl 6 6$
4 Z4 6 26 36
α-tetragonales Bor enthält B12-Ikosaeder und einzelne B-Atome. (Abb. 4.46). Die B12-Ikosaeder sind in einer hexagonal-dichten Packung angeordnet. 14 der vorhandenen Tetraederlücken sind mit B-Atomen besetzt. Die einzelnen B-Atome sind tetraedrisch koordiniert, sie verbinden 4 Ikosaeder. Die B-Atome der Ikosaeder haben die Koordinationszahl 6. Jedes Ikosaeder ist mit 10 Nachbarikosaedern durch je eine B d B-Einfachbindung verbunden. Die Verbindung zum 11. und 12. Nachbarikosaeder erfolgt über die einzelnen B-Atome. Die gleiche Struktur wie α-tetragonales Bor haben das Borcarbid B24C, sowie das Bornitrid B24N, in denen die tetraedrisch koordinierten B-Atome durch C- bzw. N-Atome ersetzt sind. α-tetragonales Bor erhält man nur durch epitaktische Abscheidung auf den Oberflächen von B24C oder B24N. Wahrscheinlich ist α-tetragonales Bor nur stabil, wenn es kleine Mengen C oder N enthält. β-tetragonales Bor enthält pro Elementarzelle 190 B-Atome.
560
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Abbildung 4.45 Typen von 3-Zentren-BBB-Bindungen. Sie sind an der chemischen Bindung in den Bormodifikationen, den Boranen und Carbaboranen beteiligt.
Kein anderes Element zeigt in seinen Modifikationen eine ähnliche Flexibilität seiner Atome. Die B-Atome besitzen Koordinationszahlen von 4 bis 9, die Bindungsabstände variieren stark. Da die Boratome nur drei Valenzelektronen besitzen, können die hohen Koordinationszahlen nur durch Ausbildung von Mehrzentrenbindungen erreicht werden. Mit der MO-Theorie erhält man für ein B12-Ikosaeder 13 bindende Molekülorbitale, die mit 26 Elektronen besetzt sind. Von den insgesamt 36 Valenzelektronen der 12 Boratome stehen also nur noch 10 für Bindungen nach außen zur Verfügung. Im α-rhomboedrischen Bor gehen von 6 Boratomen Zweizentrenbindungen aus. Dazu werden 6 Valenzelektronen benötigt. Die restlichen 6 Atome sind durch Dreizentrenbindungen an zwei benachbarte Ikosaeder gebunden. Jedem Boratom stehen dafür durchschnittlich 64 Elektronen zur Verfügung. Für eine Dreizentrenbindung erhält man also 64 $ 3 Z 2, also gerade ein bindendes Elektronenpaar. Die Bormodifikationen sind sehr hart und halbleitend. Das thermodynamisch stabile β-rhomboedrische Bor hat die Mohs-Härte 9,3 und ist nach dem Diamant das härteste Element; die elektrische Leitfähigkeit bei Raumtemperatur beträgt 10K6 ΩK1 cmK1, sie nimmt bis 600 (C auf das Hundertfache zu. Bor ist reaktionsträge und reagiert erst bei höheren Temperaturen. Trotz des negativen Standardpotenzials wird es weder von Salzsäure noch von Flusssäure angegriffen. Heiße Salpetersäure und Königswasser oxidieren es zu Borsäure. Beim Schmelzen mit Alkalimetallhydroxiden erhält man unter H2-Entwicklung Borate. Bei höheren Temperaturen (oberhalb 400 (C) reagiert Bor mit Sauerstoff, Chlor, Brom, Schwefel und Stickstoff. Bor reduziert bei hohen Temperaturen Wasserdampf, CO2 und SiO2, ist also ein starkes Reduktionsmittel.
4.8 Gruppe 13
561
Das Zentrum der schwarz gezeichneten Ikosaeder liegt in der Höhe 1.4 der Elementarzelle, das der rot gezeichneten in der Höhe 3.4. B Isolierte B-Atome. Abbildung 4.46 Struktur von α-tetragonalem Bor. Die Elementarzelle enthält 50 Atome: 4 Ikosaeder in der Anordnung eines Tetraeders, im Zentrum dieses Tetraeders und in den Ecken der Elementarzelle einzelne B-Atome. Jedes Ikosaeder ist mit 10 Nachbarikosaedern durch eine B d B-Einfachbindung verbunden. Die Bindung an die restlichen beiden Nachbarikosaeder erfolgt über die isolierten B-Atome. Ersetzt man die isolierten B-Atome durch C- bzw. N-Atome, erhält man das Carbid B24C und das Nitrid B24N, die mit α-tetragonalem Bor isotyp sind. Man erhält dieses nur durch epitaktische Abscheidung auf den Oberflächen des Carbids oder Nitrids.
Aluminium Aluminium ist ein silberweißes Leichtmetall (Leichtmetalle haben Dichten!5 g. cm3), es kristallisiert kubisch-flächenzentriert. Die elektrische Leitfähigkeit beträgt etwa 32 von der des Kupfers. Aluminium ist sehr dehnbar, lässt sich zu feinen Drähten ziehen und zu dünnen Folien (bis 0,004 mm Dicke) auswalzen. Bei 600 (C wird Aluminium körnig, in Schüttelmaschinen erhält man Aluminiumgrieß. In noch feinerer Zerteilung erhält man es als Pulver. Nach seiner Stellung in der Spannungsreihe sollte Aluminium leicht oxidiert werden. An der Luft ist Aluminium jedoch beständig, da es durch die Bildung einer fest anhaftenden dünnen Oxidschicht (10K6K10K4 mm dick) vor weiterer Oxidation geschützt wird (Passivierung). Man kann diese Schutzwirkung noch verbessern, indem man durch elektrochemische Oxidation von Aluminium (Eloxal-Verfahren) eine harte und dickere Oxidhaut (0,01K0,02 mm) erzeugt. Durch Einlagerung von Farbstoffen lassen sich für Aluminiumgegenstände auch farbige Eloxalschichten herstellen. Eloxiertes Al ist beständig gegen Meerwasser, Säuren und Laugen. Aluminiumdrähte lassen sich durch Eloxieren elektrisch isolieren. Al löst sich entsprechend seinem Standardpotenzial (E ( Z K1,68 V) in verdünnten Säuren unter Wasserstoffentwicklung, Al C 3 H3OC $% Al3C C 1,5 H2 C 3 H2O
562
4 Die Elemente der Hauptgruppen
nicht aber in oxidierenden Säuren (Passivierung). Von Wasser oder sehr schwachen Säuren wird es nicht angegriffen, da in diesem Milieu die OHK-Konzentration groß genug ist, um das Löslichkeitsprodukt von Al (OH)3 (L Z 2 · 10K33) zu überschreiten, und das an der Al-Oberfläche gebildete Al (OH)3 vor weiterer Einwirkung schützt. In stark saurer oder alkalischer Lösung kann sich die Schutzschicht nicht ausbilden, da wegen des amphoteren Charakters Al(OH)3 sowohl in Säuren als auch in Laugen gelöst wird. Al (OH)3 C 3 H3OC $% [Al (H2O)6]3C Al (OH)3 C OHK $% [Al (OH)4]K Al kann sich unter Wasserstoffentwicklung lösen. Auf amalgamiertem Aluminium kann sich keine feste Deckschicht ausbilden. Es oxidiert daher leicht an der Luft und löst sich in Wasser unter H2-Entwicklung. Man erhält es durch Verreiben von Quecksilberchlorid auf Aluminium. 3 HgCl2 C 2 Al $% 2 AlCl3 C 3 Hg Beim Erhitzen verbrennt fein verteiltes Aluminium an der Luft mit hellem Licht und großer Wärmeentwicklung. 2 Al C 23 O2 $% Al2O3
ΔH+ B Z K1 677 kJ.mol
In der Fotografie wurde die Lichtentwicklung bei den „Kolbenblitzen“ ausgenutzt. In einem Glaskolben verbrennt eine Al-Folie in reinem Sauerstoff nach elektrischer 1 Zündung in etwa 50 s. Aluminothermisches Verfahren. Man nutzt die große Bildungsenthalpie von Al2O3 aus. Al kann alle Metalloxide Me2O3 reduzieren, deren Bildungsenthalpien kleiner sind als die von Al2O3, z. B. Cr2O3. ΔH+ B (Cr2O3) Z K1 130 kJ.mol Cr2O3 C 2 Al $% Al2O3 C 2 Cr
ΔH ( Z K547 kJ.mol
Schwer reduzierbare Oxide und solche, bei denen die Reduktion mit Kohlenstoff zu Carbiden führt, können durch aluminothermische Reduktion dargestellt werden (Cr, Si, B, Co, V, Mn). Die Oxide werden mit Alumiumgrieß gemischt (Thermit). Das Gemisch wird mit einer Zündkirsche (Magnesiumpulver und BaO2 bzw. KClO3) gezündet. Durch die große Reaktionswärme entstehen Temperaturen von über 2 000 (C und das entstehende Metall fällt flüssig an. Das Al2O3 wird als Korundschlacke für Schleifzwecke verwendet. Das Thermitschweißen beruht auf der Reaktion 3 Fe3O4 C 8 Al $% 4 Al2O3 C 9 Fe
ΔH( Z K3 341 kJ.mol
Es entstehen Temperaturen bis 2 400 (C, so dass flüssiges Eisen entsteht, das die Schweißnaht bildet.
4.8 Gruppe 13
563
Gallium. Indium. Thallium Ga ist ein weiches, dehnbares, glänzend weißes Metall. Es kristallisiert nicht in einer typischen Metallstruktur, sondern bei Raumtemperatur als α-Ga in einem orthorhombischen Gitter. Beim Schmelzen erfolgt wie bei Bi und H2O eine Volumenkontraktion. Ga ist an der Luft beständig, da es wie Al passiviert wird; auch von Wasser wird es bis 100 (C nicht angegriffen (LGa(OH)3 Z 5 $ 10K 37). Es löst sich wie Al in nicht oxidierenden Säuren (Bildung von Ga3C-Ionen) und Basen (Bildung von [Ga (OH)4]K-Ionen) unter H2-Entwicklung. In ist ein silberweißes, glänzendes, sehr weiches Metall (es lässt sich mit dem Messer schneiden). Es kristallisiert in einer tetragonal verzerrten kubisch-dichten Packung. Es ist beständig gegenüber Luft, kochendem Wasser und Alkalien. Es löst sich in Mineralsäuren. Tl ist weißglänzend, weich wie Blei und zäh. Bei Normaltemperatur kristallisiert Tl in der hexagonal-dichten Packung. An der Luft läuft es grau an, es wird daher unter Glycerin aufbewahrt. In Gegenwart von Luft wird es von Wasser unter Bildung von TlOH angegriffen. Es löst sich nicht in wässrigen Alkalien, aber gut in HNO3 und H2SO4. Tl und seine Verbindungen sind giftig. Tl-Verbindungen färben die Flamme intensiv grün.
4.8.3.2 Darstellung und Verwendung Bor Kristallines, hochreines Bor erhält man durch Reduktion von Borhalogeniden mit Wasserstoff bei 1 000K1 400 (C, 2 BCl3 C 3 H2 $% 2 B C 6 HCl
ΔH( Z C262 kJ.mol
sowie durch thermische Zersetzung von BI3 an Wolframdrähten bei 800K1 000 (C (Aufwachsverfahren). 2 BI3 $% 2 B C 3 I2
ΔH( Z K71 kJ.mol
Welche Modifikation entsteht, hängt im Wesentlichen von der Reaktionstemperatur ab. Amorphes Bor entsteht als braunes Pulver geringer Reinheit durch Reduktion von B2O3 mit Na oder Mg. B2O3 C 3 Mg $% 2 B C 3 MgO
ΔH( Z K533 kJ.mol
Aus geschmolzenem Aluminium kristallisiert AlB12 (quadratisches Bor) aus. Technisch wird kristallines Bor heute meist durch Schmelzflusselektrolyse eines Gemisches von KBF4, KCl und B2O3 bei 800 (C hergestellt. Da Bor bei hohen Temperaturen korrosiv ist, mit vielen Metallen Boride bildet und gegenüber Oxiden als starkes Reduktionsmittel wirkt (CO2 und SiO2 werden reduziert), ist es schwierig, kristallines Bor in hoher Reinheit darzustellen.
564
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Bor wird in der Metallurgie als Desoxidationsmittel und zum Vergüten von Stahl (Erhöhung der Härtbarkeit) verwendet. Das quadratische Bor AlB12 ist wegen seiner Härte („Bordiamant“) ein gutes Schleifmittel. Das Isotop 10B wird wegen seines hohen Neutroneneinfangquerschnitts in der Kerntechnik verwendet. Fasern aus Bor erhält man durch Reduktion von Bortrichlorid bei 1 200 (C. 2 BCl3 (g) C 3 H2 $% 2 B (s) C 6 HCl (g) Das Bor schlägt sich an Seelen von Kohlenstoff- oder Wolfram-Mikrofasern ab (Faserdicke ca. 100 μm). Wegen der hohen Festigkeit und Temperaturbeständigkeit werden Borfasern für Verbundwerkstoffe z. B. im Flugzeugbau, in der Raumfahrt und für Sportgeräte verwendet. Aluminium Nach Eisen ist Aluminium das wichtigste Gebrauchsmetall. 2004 betrug die Weltproduktion 27,6 · 106 t. Wegen seines negativen Standardpotentials kann Aluminium nicht durch Elektrolyse aus wässrigen Lösungen erzeugt werden. Es wird aus Al2O3 durch Schmelzflusselektrolyse hergestellt. Ausgangsmaterial zur Herstellung von Aluminium ist Bauxit, der überwiegend AlO (OH) enthält. Bauxit ist mit Fe2O3 verunreinigt. Fe2O3 muss vor der Schmelzflusselektrolyse entfernt werden, da sich bei der Elektrolyse Eisen an der Kathode abscheiden würde. Für die Aufarbeitung zu reinem Al2O3 gibt es mehrere Verfahren. Bei allen Verfahren wird der amphotere Charakter von Al2O3 ausgenutzt. Amphotere Stoffe lösen sich sowohl in Säuren als auch in Basen. AlO (OH) kann daher mit basischen Stoffen in das lösliche Komplexsalz Na [Al (OH)4] überführt werden. Fe2O3 ist in Basen unlöslich und wird von der Na [Al (OH)4]-Lösung durch Filtration abgetrennt. Die einzelnen Reaktionsschritte des vorwiegend durchgeführten nassen Aufschlussverfahrens (Bayer-Verfahren) sind im folgenden Schema dargestellt: + 170 C
Bauxit C NaOH $$$$$% Na [Al (OH)4] C Fe2O3 Druck
Al2O3 C H2O
+
Y Impfen
1200 C
!$$$$$ Al (OH)3 C NaOH
AlO (OH) wird mit Natronlauge in Lösung gebracht und durch Filtration von Fe2O3 getrennt. Durch Impfen mit Al (OH)3-Kriställchen wird aus dem Hydroxokomplex Al (OH)3 ausgeschieden. Nach erneuter Filtration wird Al (OH)3 bei hohen Temperaturen zum Oxid entwässert. Der SiO2-Anteil des Bauxits wird zusammen mit Fe2O3 als unlösliches Natriumaluminiumsilicat Na2Al2SiO6 · 2 H2O abgetrennt. Da die Bildung des Silicats zu NaOH- und Al2O3-Verlusten führt, bevorzugt man beim Bayer-Verfahren SiO2arme Bauxite. Al2O3 hat einen Schmelzpunkt von 2 050 (C. Zur Schmelzpunktserniedrigung wird Al2O3 in Kryolith Na3AlF6 gelöst. Na3AlF6 schmilzt bei 1 000 (C und bildet mit Al2O3 ein Eutektikum (vgl. Abb. 2.107), das bei 960 (C schmilzt und die Zusammen-
4.8 Gruppe 13
565
setzung 10,5 % Al2O3 und 89,5 % Na3AlF6 hat. Man elektrolysiert Na3AlF6-Schmelzen, die neben Al2O3 (2K8 %), AlF3 (5K15 %), CaF2 (2K6 %), LiF (2K5 %) und selten MgF2 (2K3 %) enthalten. Miteinander kombiniert setzen diese Fluoride die Liquidustemperatur, die Verdampfungsverluste, die Dichte, den elektrischen Widerstand und die Metalllöslichkeit der Schmelze herab und verbessern die Stromausbeute. Man kann daher die Elektrolyse bei 950K970 (C durchführen. Als Elektrodenmaterial wird Kohle verwendet (vgl. Abb. 4.47). Die chemischen Reaktionen bei der Schmelzflusselektrolyse sind nicht vollständig geklärt. Es ist nicht genau bekannt, wie sich Al2O3 in der Schmelze löst, man vermutet die Bildung von Oxidfluorid-Komplexen, z. B. von Al2OF 4K 8 , die aber noch nicht nachgewiesen werden konnten. Wahrscheinlich sind folgende Reaktionen. Dissoziation von Kryolith Anodenreaktion Kathodenreaktion
2 Na3AlF6 # 6 NaC C 2 AlF 3K 6 3 Al2O3 C 2 AlF 3K # O C 4 AlF3 C 6 eK 6 2 2 6 NaC C 6 eK # 6 Na 6 Na C 2 AlF3 # 2 Al C 6 NaF
NaF reagiert mit dem überschüssigen AlF3 der Anodenreaktion 2 AlF3 C 6 NaF # 2 Na3AlF6 Gesamtreaktion Al2O3 # 2 Al C 23 O2 Das abgeschiedene Aluminium hat eine größere Dichte als die Schmelze und sammelt sich flüssig am Boden des Elektrolyseofens (der Schmelzpunkt von Al beträgt 660 (C). Durch die Schmelze wird das Aluminium vor Oxidation geschützt. Der an der Anode entstandene Sauerstoff reagiert mit der Kohleanode. Das als Anodengas bezeichnete Gasgemisch enthält 80K85 % CO2, 15K20 % CO und Spuren von verdampften Fluorverbindungen (HF und staubförmige Fluoride). An der Anode stellt sich nicht das Boudouard-Gleichgewicht ein, da die primär gebildeten CO2-Gasblasen sehr schnell von der Anodenkohlenfläche abrollen. Der größte Teil des CO entsteht durch Rückreaktion von Al mit CO2. 2 Al C 3 CO2 # Al2O3 C 3 CO Außerhalb der Schmelze wird CO durch Luftsauerstoff sofort zu CO2 oxidiert. Die Abgasreinigung erfolgt durch Absorption der Fluorverbindungen an Al2O3. Es bildet sich AlF3, das wieder der Schmelze zugesetzt wird. Das Reingas enthält noch 0,5 mg.m3 Fluor (erlaubter Grenzwert 1 mg.m3). An der Kohleanode entstehen allerdings auch Kohlenstofffluoride (z. B. CF4), die als Abgase treibhauswirksam sind. Moderne Elektrolysen arbeiten mit etwa 80 000K150 000 A und 4K5 V. Bei einer Stromausbeute von 95 % beträgt die Produktion eines Ofens z. B. 1 400 kg Al.Tag. Die beiden größten deutschen Hütten (in Neuss und Essen) produzierten 2006 je 220 000 t von insgesamt in Deutschland hergestellten 660 000 t Primäraluminium aus Bauxit. Aus Schrott, Spänen u. a. wurden außerdem noch 700 000 t Recyclingaluminium produziert. Das Al hat eine Reinheit von 99,8K99,9 %, Verunreinigungen sind
566
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Abbildung 4.47 Schematische Darstellung eines Elektrolyseofens zur Herstellung von Aluminium.
hauptsächlich Fe und Si. Für 1 t Al benötigt man 1,9 t Al2O3 (aus 4,5K5 t Bauxit), 0,5 t Elektrodenkohle und je nach Zellentyp eine Energiemenge von 14K16 · 103 kWh. Die wirtschaftliche Al-Herstellung erfordert billige Energie. Wichtige Aluminium-Legierungen sind: Magnalium (10K30 % Mg), Hydronalium (3K12 % Mg; seewasserfest), Duralumin (2,5K5,5 % Cu, 0,5K2 % Mg, 0,5K1,2 % Mn, 0,2K1 % Si; lässt sich kalt walzen, ziehen und schmieden). Wegen der guten elektrischen Leitfähigkeit wird Al in der Elektrotechnik verwendet. Die chemische Widerstandsfähigkeit ermöglicht seine Verwendung im chemischen Apparatebau. Hauptsächlich verwendet wird es für den Fahrzeug-, Schiff-, Flugzeug- und Hausbau sowie für Haushaltsgegenstände. Al-Pulver wird zur Herstellung von Anstrichmitteln, pyrotechnischen Produkten und in der Aluminothermie verwendet. Al-Folien dienen als Verpackungsmaterial. Gallium, Indium und Thallium können durch Elektrolyse ihrer Salzlösungen dargestellt werden. Ga wird in Quarzthermometern für hohe Temperaturen verwendet (Smp. 30 (C, Sdp. 2 400 (C). Für Halbleiterzwecke wird GaCl3 vor der Elektrolyse mit dem Zonenschmelzverfahren gereinigt. In wird als Legierungsbestandteil für Lagermetalle verwendet und hat Bedeutung zur Herstellung von III-V-Verbindungen als Halbleitermaterial. Tl wird mit Hg legiert für Tieftemperaturthermometer benutzt.
4.8.4 Verbindungen des Bors Die Chemie des Bors unterscheidet sich wesentlich von der seiner homologen Elemente. Aber auch verglichen mit anderen Elementen ist die Chemie des Bors einzigartig.
4.8 Gruppe 13
567
Bor tritt nicht als Kation B3C auf. Auf Grund seiner Elektronenkonfiguration bildet Bor kovalente Bindungen mit sp2-hybridisierten B-Atomen. Es entstehen Verbindungen mit trigonal-planarer Koordination. Die Bindungen mit elektronegativen Partnern (Halogene, Sauerstoff) sind stark polar. In Wasserstoffverbindungen ist H negativ polarisiert, in den Reaktionen K z. B. der Hydrolyse K ähneln sie daher mehr den Silanen als den Alkanen. Die Verbindungen des Typs BX3 sind Elektronenmangelverbindungen und besitzen nur ein Elektronensextett. Sie stabilisieren sich auf verschiedenen Wegen unter Ausbildung eines Elektronenoktetts. Ausbildung von π-Bindungen Beispiel: BF3 Das Boratom bildet mit nichtbindenden Elektronen der F-Atome π-Bindungen.
Durch die delokalisierte π-Bindung verkürzt sich die Bindungslänge auf 130 pm (B d F 145 pm, B ] F 125 pm), die Lewis-Acidität verringert sich. Wie in BF3 existieren π-Bindungsanteile auch in BCl3 und BBr3, sowie zwischen B und N in Bornitriden und B und O in Bor-Sauerstoffverbindungen. Mehrzentrenbindungen Wenn keine freien Elektronenpaare für π-Bindungen zur Verfügung stehen, kann Stabilisierung durch Mehrzentrenbindungen erfolgen. Beispiel: BH3 BH3 ist nicht beständig. Zwei BH3-Moleküle reagieren miteinander zum Diboran B2H6 (vgl. S. 573).
Mehrzentrenbindungen treten auch bei den anderen Boranen, bei den Bormodifikationen und den Metallboriden auf. Anlagerung von Donormolekülen Die Elektronenlücke kann durch ein Elektronenpaar eines Donormoleküls geschlossen werden. Dabei erfolgt am B-Atom Änderung der Hybridisierung von sp2 nach sp3.
568
4 Die Elemente der Hauptgruppen
K Beispiele: BFK 4 , BH4 , BF3OR2
Mit stärker werdender π-Bindung in den Molekülen BX3 nimmt die Akzeptorstärke ab: BH3 O BBr3 O BCl3 O BF3. Die Bindungslängen in BFK 4 entsprechen Einfachbindungen. Im Gegensatz zu den BX3-Molekülen sind die BXK 4 -Ionen nicht hydrolyseempfindlich. Durch die Ausbildung von Mehrzentrenbindungen hat Bor K neben den normalen Koordinationszahlen 3 und 4 K in den Boranen, Carbaboranen und Bormodifikationen auch die Koordinationszahlen 5 bis 9. Kein anderes Nichtmetall ist dazu befähigt. Bor bildet selten B ] B-Doppelbindungen. B d B-Einfachbindungen treten bei den Halogeniden
auf. Bor bildet selten Ketten und Ringe mit B d B-Bindungen, sondern bevorzugt räumliche Strukturen mit Mehrzentrenbindungen.
4.8.4.1 Metallboride, Borcarbide Es gibt mehr als 200 binäre Metallboride. Zusammensetzungen und Strukturen sind vielfältig. Zusammensetzungen Me5B, Me4B, Me3B, Me5B2, Me7B3, Me2B, Me5B3, Me3B2, Me11B8, MeB n (B) O n (Me) Me10B11, Me3B4, Me2B3, Me3B5, MeB2, Me2B5, MeB3, MeB4, MeB6, Me2B13, MeB10, MeB12, MeB15, MeB18, MeB66 Außerdem gibt es zahlreiche nichtstöchiometrische Phasen mit variablen Zusammensetzungen. 75 % aller Boride gehören den Verbindungsklassen Me2B, MeB, MeB2, MeB4 und MeB6 an. n (Me) S n (B)
Eigenschaften Die Boride sind sehr harte, temperaturbeständige Substanzen. Schmelzpunkte und elektrische Leitfähigkeit sind oft höher als die der Wirtsmetalle. ZrB2 und TiB2 z. B. haben fünfmal höhere Leitfähigkeiten als die Metalle, die Schmelzpunkte sind um 1 000 (C höher, sie liegen bei 3 000 (C. Boride sind daher bei extremen Beanspruchungen verwendbar. Von Nachteil ist, dass sie nur wenig oxidationsbeständig sind und mit Metallen reagieren. Sie lassen sich daher nicht wie die Carbide zu Hartmetalllegierungen verarbeiten (vgl. S. 204). Technisch werden bisher nur TiB2 (Elektroden- und Tiegelmaterial) sowie CrB und
4.8 Gruppe 13
569
CrB2 (Verschleißschutzschichten) verwendet. MgB2 ist ein Supraleiter mit der Sprungtemperatur 39 K (s. Abschn. 5.7.5.3). Strukturen Es ist zweckmäßig, die Metallboride nach der Art des Bornetzwerkes zu klassifizieren, die Stellung der Metalle im PSE eignet sich dazu nicht. Metallreiche Boride Isolierte B-Atome Die B d B-Abstände liegen zwischen 210 und 330 pm
Mn4B; Me3B (Tc, Re, Co, Ni, Pd); Pd5B2; Me7B3 (Tc, Re, Ru, Rh); Me2B (Ta, Mo, W, Mn, Fe, Co, Ni)
Isolierte B2-Paare B d B-Abstände: 179K180 pm
Cr5B3; Me3B2 (V, Nb, Ta)
Bor-Zickzackketten
Me3B4 (Ti, V, Nb, Ta, Cr, Mn, Ni) MeB (Ti, Hf, V, Nb, Ta, Cr, Mo, W, Mn, Fe, Co, Ni)
B d B-Abstände: 175K185 pm Bor-Doppelketten
Me3B4 (V, Nb, Ta, Cr, Mn)
B d B-Abstand: 175 pm Bor-Schichten
MeB2 (Mg, Al, Sc, Y, Ti, Zr, Hf, V, Nb, Ta, Cr, Mo, W, Mn, Tc, Re, Ru, Os, U, Pu) Me2B5 (Ti, W, Mo)
B d B-Abstände: 170K186 pm In den metallreichen Boriden besetzen die B-Atome häufig die Mittelpunkte von trigonalen Prismen der Metallatome.
570
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Metallarme Boride Boride mit großen Borgehalten bilden Strukturen mit einem dreidimensionalen Netzwerk aus Boratomen.
Die tetragonale Struktur besteht aus Ketten von B6-Oktaedern in c-Richtung, die durch B2-Paare verknüpft sind. Die Metallatome besetzen in c-Richtung liegende Kanäle. Der Radius der Metallplätze beträgt 185K200 pm.
Die kubische Struktur leitet sich von der CsCl-Struktur ab. Die Anionen sind durch B6-Oktaeder ersetzt. Der Radius der von 24 Boratomen umgebenen Metallplätze beträgt 215K225 pm. MeB12 (Sc, Y, Zr, Lanthanoide, Actinoide) Die Struktur leitet sich von der NaCl-Struktur ab. Die Cl-Atome sind durch B12Kuboktaeder ersetzt. MeB66 (Y) Die Struktur ist mit der des β-rhomboedrischen Bors verwandt.
4.8 Gruppe 13
571
Bindung Die Bindung in den Metallboriden ist kompliziert, es sind mehrere Bindungstypen beteiligt. Beispiel LaB6 Innerhalb der B6-Cluster existieren kovalente Mehrzentrenbindungen, es gibt 7 bindende MOs. Die Bindung an die 6 Nachbarcluster erfolgt durch kovalente Zweizentrenbindungen. Die kovalenten Bindungen erfordern also pro Cluster 20 Valenzelektronen. Den 6 B-Atomen fehlen zwei Valenzelektronen, die von den Metallatomen geliefert werden. Es entsteht ein positiv geladenes Metalluntergitter und ein negativ geladenes Boruntergitter: La2CB2K 6 . Zwischen den Untergittern existiert ionische Bindung. Das dritte Valenzelektron der La-Atome befindet sich im Leitungsband des Kristalls und liefert einen metallischen Bindungsanteil. LaB6 ist ein besserer elektrischer Leiter als metallisches Lanthan. Borcarbid B13C2 B13C2 bildet schwarze, glänzende Kristalle (Smp. 2 400 (C), die fast so hart wie Diamant sind. Es ist gegen HNO3 beständig und wird erst oberhalb 1 000 (C von O2 und Cl2 angegriffen. Die Struktur ist aus B12-Ikosaedern aufgebaut. Die Anordnung der Ikosaeder ist gleich der im α-rhomboedrischen Bor, zusätzlich sind die Ikosaeder durch lineare CBC-Ketten verbunden. Pro Ikosaeder ist eine Kette vorhanden: (B12)CBC Z B13C2. Das B-Atom der Kette ist linear nur an die beiden C-Atome gebunden. Die Substitution von B-Atomen der Ikosaeder durch C-Atome führt zu einer großen Variationsbreite in der Stöchiometrie, die Grenzzusammensetzung ist B4C Z (B11C)CBC. Die technische Herstellung erfolgt aus B2O3 und Kohlenstoff bei 2 400 (C. Nach Diamant und Borazon hat B13C2 die größte Härte (oberhalb 1 000 (C ist es härter als diese), es wird daher als Schleifmittel, für Panzerplatten und Sandstrahldüsen verwendet. Es ist Ausgangsstoff für die Herstellung von Metallboriden und wird zur Härtung von Metalloberflächen durch Erzeugung von Metallboridschichten benutzt. In Kernreaktoren wird es als Neutronenabsorber eingesetzt. Borcarbid B24C Die strukturelle Beziehung zwischen B24C und α-tetragonalem Bor wurde bereits besprochen (S. 559).
4.8.4.2 Wasserstoffverbindungen des Bors (Borane) Bor und Wasserstoff bilden binäre Verbindungen, für deren Zusammensetzung und Struktur sich keine Analoga bei den Hydriden der anderen Elemente finden. Die Verbindungen sind Glieder der folgenden Reihen:
572
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Abbildung 4.48 a) Struktur und Bindung im Diboran-Molekül B2H6. Die B-Atome sind verzerrt tetraedrisch von vier H-Atomen umgeben. Für die Bindungen stehen den B-Atomen vier sp3-Hybridorbitale zur Verfügung. Zwei sp3-Hybridorbitale bilden mit den endständigen H-Atomen 2-Zentren-2-Elektronen-Bindungen (B d H 120 pm). Die beiden Brücken-H-Atome werden durch 3-Zentren-2-Elektronen-Bindungen gebunden (B d H 132 pm). An der Dreizentrenbindung sind das 1s-Orbital des H-Atoms und die sp3Hybridorbitale der beiden B-Atome beteiligt. Da auch die sp3-Hybridorbitale der B-Atome überlappen, entsteht außerdem eine schwache B d B-Bindung (B d B 176 pm). b) MO-Diagramm einer B d H d B-Dreizentrenbindung. Die Linearkombination zweier sp3-Hybridorbitale der Boratome ergibt ein bindendes und ein antibindendes MO (B d B). Kombiniert man das bindende MO mit dem 1s-Orbital des HAtoms, so erhält man ein bindendes und ein antibindendes MO (B d H d B). Das aus den sp3Hybridorbitalen gebildete antibindende MO (B d B) überlappt nicht mit dem 1s-H-Orbital, es ist ein nichtbindendes MO der B d H d B-Dreizentrenbindung. Die bindenden Elektronen stammen vom H-Atom und einem B-Atom.
4.8 Gruppe 13
BnHn C 4
n Z 2, 5, 6, 8, 10, 12, 14, 16, 18
B nH n C 6
n Z 4, 5, 6, 8, 9, 10, 13, 14, 20
B nH n C 8
n Z 8, 10, 14, 15, 30
BnHn C 10
n Z 8, 26, 40
573
Außerdem ist das wasserstoffarme Hydrid B20H16 bekannt. Nomenklatur: Vor dem Wortstamm Boran wird die Anzahl der B-Atome durch das griechische Zahlwort angegeben, die Anzahl der H-Atome wird als arabische Ziffer in Klammern angefügt. Beispiele: B2H6 Diboran(6);
B4H10 Tetraboran(10)
Das einfachste stabile Boran ist das Diboran B2H6. Die Struktur ist in der Abb. 4.48a dargestellt. Jedes B-Atom ist tetraedrisch von zwei endständigen und zwei brückenbildenden H-Atomen umgeben. Für die 8 Atome stehen 12 Valenzelektronen zur Verfügung. Davon werden 8 Valenzelektronen für die vier σ-Bindungen der BAtome zu den endständigen H-Atomen verbraucht. Für die Bindung der brückenbildenden H-Atome stehen noch 4 Valenzelektronen zur Verfügung. Damit werden zwei 3-Zentren-2-Elektronen-Bindungen gebildet (Abb. 4.48b). Die höheren Borane besitzen einseitig geöffnete Käfigstrukturen. Die Boratome besetzen die Ecken hochsymmetrischer Polyeder (Tetraeder, Oktaeder, pentagonale Bipyramide, Dodekaeder, Oktadekaeder, Ikosaeder). Die Strukturen lassen sich danach einteilen, ob ein, zwei oder drei Ecken eines Polyeders unbesetzt bleiben. Zahl unbesetzter Polyederecken
Bezeichnung
Beispiele
1
nido-Borane (nidus Z Nest)
BnHn C 4
2
arachno-Borane (arachne Z Spinne)
BnHn C 6
3
hypho-Borane (hypho Z Netz)
BnHn C 8
Die Strukturen einiger Polyborane sind in der Abb. 4.49 dargestellt. An den Bindungen sind Zweizentren- und Dreizentrenbindungen beteiligt. Die Valenzstrichformeln können unter Benutzung der folgenden Bindungssymbole formuliert werden. BdH
Zweizentren-BH-Bindung
BdB
Zweizentren-BB-Bindung Dreizentren-BHB-Bindung Offene Dreizentren-BBB-Bindung
574
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Abbildung 4.49 Strukturen einiger Borane.
4.8 Gruppe 13
575
Geschlossene Dreizentren-BBB-Bindung Beispiele:
B5H11 kann mit zwei mesomeren Grenzstrukturen beschrieben werden.
Die Anzahl mesomerer Grenzstrukturen wächst mit der Anzahl der B-Atome (z. B. 24 bei B10H14). Ob B8H16 und B10H18 hypho-Borane sind, ist noch ungeklärt. Eine hypho-Struktur besitzt das Boranat-Anion B5HK 12 und das Carbaboran B4C3H12. Geschlossene Käfigstrukturen existieren bei neutralen Boranen nicht (sie wären für Borane BnH2nC2 zu erwarten, die aber nicht bekannt sind), es gibt sie aber bei Boran-Anionen (siehe unten) und Carbaboranen (vgl. Abschn. 4.8.4.3). Für sie wird die Vorsilbe closo verwendet. Borane mit mehr als 10 Boratomen sowie B8H18 und B10H16 bestehen aus zwei Käfigen, die durch gemeinsame B-Atome verbunden sind. Man bezeichnet sie als conjuncto-Borane.
576
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Beispiele für conjuncto-Borane: Zwei Cluster sind durch eine B d B-σ-Bindung verbunden: B8H18 Z (B4H9)2; B10H16 Z (B5H8)2 Zwei Cluster sind über eine gemeinsame Kante verbunden, die von zwei-B-Atomen gebildet wird: B13H19, B14H18, B14H20, B16H20, B18H22. Bei B20H16 entsteht durch 4 gemeinsame B-Atome eine closo-Struktur. Diboran B2H6 ist ein farbloses, giftiges Gas von unangenehmem Geruch. Man erhält es nach folgenden Reaktionen: Ether
4 BCl3 C 3 LiAlH4 $$$% 2 B2H6 C 3 LiAlCl4 4 BF3 C 3 NaBH4 $$$% 2 B2H6 C 3 NaBF4 Es ist bis 50 (C metastabil, darüber zersetzt es sich in H2 und höhere Borane. Erhitzt man B2H6 unter vermindertem Druck, so entsteht bis 300 (C praktisch kein BH3. B2H6 # 2 BH3
ΔH ( Z C164 kJ.mol
Oberhalb 300 (C beginnt die Zersetzung in die Elemente. BH3 $% B C 23 H2
ΔH ( Z K100 kJ.mol
Durch Einwirkung starker Lewis-Basen werden die Brückenbindungen gespalten und es entstehen Addukte des Borans BH3. B2H6 C 2 D $% 2 D d BH3
D Z CO, NH3, PH3, PF3, PR3, NR3
Mit Wasser erfolgt, entsprechend der Polarisierung der B d H-Bindung, schnelle Hydrolyse zu H2 und B(OH)3. B2H6 C 6 H2O $% 2 B(OH)3 C 6 H2
ΔH( Z K467 kJ.mol
B2H6 verbrennt unter hoher Wärmeentwicklung. B2H6 C 3 O2 $% B2O3 C 3 H2O
ΔH( Z K2 066 kJ.mol
Reines B2H6 entflammt in Luft bei 145 (C; wenn es Spuren höherer Borane enthält, ist es bereits bei Raumtemperatur selbstentzündlich. Polyborane entstehen aus MgB2 bei Einwirkung nicht oxidierender Säuren oder durch Pyrolyse von Boranen. Alle Polyborane sind giftig. Tetraboran ist ein Gas, die Pentaborane bis Nonaborane sind Flüssigkeiten, ab den Decaboranen sind sie Feststoffe. Pentaborane sind selbstentzündlich. Ähnlich hydrolyseempfindlich wie B2H6 sind B4H10, B5H11 und B6H12.
4.8 Gruppe 13
577
Hydridoborate (Boran-Anionen) BH3 kann seine Elektronenlücke durch Anlagerung eines HK-Ions schließen. Es entsteht das stabile Tetrahydridoboration (Boranat) BHK 4 , das isoelektronisch mit CH4 ist und wie dieses tetraedrisch gebaut ist. Die Darstellung kann nach folgenden Reaktionen erfolgen: 2 LiH C B2H6 $% 2 LiBH4 4 NaH C B (OCH3)3 $% NaBH4 C 3 NaOCH3 AlCl3 C 3 NaBH4 $% Al (BH4)3 C 3 NaCl LiBH4 und NaBH4 sind feste, weiße, salzartige Verbindungen, sie werden als Hydrierungsmittel verwendet. Al (BH4)3 ist eine kovalente Verbindung und bei 25 (C flüssig. Bei den polyedrischen Boran-Anionen gibt es closo-, nido- und arachno-Strukturen. Nur ein hypho-Boranat, B5HK 12, ist bekannt. Unter den closo-Boranaten 2K BnH2K (n Z 5K12) sind besonders die Boranate B10 H2K n 10 und B12 H12 interessant. Ihre Strukturen sind in der Abb. 4.50 dargestellt. Beide Ionen sind chemisch ähnlich und ungewöhnlich stabil. Sie werden von Laugen und Säuren auch bei 100 (C nicht angegriffen, die Alkalimetallsalze sind bis 600 (C stabil.
2K
2K
Abbildung 4.50 Strukturen der Polyboranationen B10H10 und B12H12 . An jedes B-Atom ist durch eine Zweizentrenbindung ein H-Atom gebunden. Von den 50 2K Valenzelektronen des B12H12 -Ions werden 24 für die B d H-Bindungen gebraucht, die restlichen 26 stehen für die Besetzung der Molekülorbitale des B12-Ikosaedergerüstes zur Verfügung. Diese Delokalisierung ist die Ursache der Stabilität der symmetrischen geschlossenen B-Gerüste.
Wade-Regel Die Geometrie des Gerüsts von Boranen, Boran-Anionen und Carbaboranen ist durch das Verhältnis der Anzahl der Gerüstelektronen zur Anzahl der Gerüstatome n bestimmt.
578
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Gerüstelektronen
Gerüstelektronenpaare
Struktur
2n C 2 2n C 4 2n C 6 2n C 8
nC1 nC2 nC3 nC4
closo nido arachno hypho
Die Anzahl der Gerüstelektronen kann durch eine einfache Abzählregel bestimmt werden. Anzahl der Gerüstelektronen Z Summe der Valenzelektronen der Gerüstatome C Valenzelektronen der H-Atome C Anzahl der Elektronenladungen K zwei Elektronen pro Hauptgruppen-Gerüstatom. Dies bedeutet, dass jede BH-Gruppe als Einheit des Clustergerüsts betrachtet wird, die zwei Gerüstelektronen liefert. Von den CH-Gruppen werden drei Gerüstelektronen geliefert. Jedes weitere H-Atom liefert ein Elektron. Beispiele: Gerüstelektronen
Struktur
B5H11
15 C 11 K 10 Z 16
2n C 6
arachno
K B5H12 2K B 6H 6 B12H2K 12
15 C 12 C 1 K 10 Z 18
2n C 8
hypho
18 C 6 C 2 K 12 Z 14
2n C 2
closo
36 C 12 C 2 K 24 Z 26
2n C 2
closo
B10C2H12
30 C 8 C 12 K 24 Z 26
2n C 2
closo
4.8.4.3 Carbaborane (Carborane) Carbaborane sind Verbindungen, bei denen in den Gerüsten der Borane oder Hydridoborate B-Atome durch C-Atome ersetzt sind. Die CH-Gruppe ist isoelektronisch mit der BHK-Gruppe. So erhält man formal aus den Hydridoboraten BnH2K n durch Ersatz von zwei BHK-Gruppen neutrale Moleküle der allgemeinen Formel Bn K 2C2Hn, die eine geschlossene Käfigstruktur besitzen. Aus der Vielzahl der Verbindungen soll als Beispiel das gut untersuchte ikosaederförmige B10C2H12 besprochen werden. Es gibt drei Isomere (Abb. 4.51). 1,2-B10C2H12 erhält man durch Reaktion von B10H14 mit Ethin in Gegenwart von Lewis-Basen, z. B. Dialkylsulfan. B10H14 C 2R2S $% B10H12 (R2S)2 C H2 B10H12 (R2S)2 C C2H2 $% B10C2H12 C H2 C (R2S)2 Bei 470 (C erfolgt Umwandlung in das 1,7-Isomer, bei 615 (C in das thermodynamisch stabilste 1,12-Isomer. Das B10C2-Gerüst zersetzt sich erst oberhalb 630 (C. Die Carbaborane B10C2H12 sind chemisch ähnlich resistent wie B10H2K 10 und 2K B12H12 und werden von kochendem Wasser, Säuren, Alkalien und Oxidationsmitteln nicht angegriffen. Die Chemie der Carbaborane ist vielfältig und ähnelt der
4.8 Gruppe 13
579
Abbildung 4.51 Isomere des closo-Carboborans B10C2H12. Das B10C2-Gerüst ist ein Ikosaeder. Es gibt drei Isomere. Die Bindungen sind denen im Bo2K ran-Anion B12H12 analog (vgl. Abb. 4.50).
Chemie konventioneller Kohlenstoffsysteme. Es lassen sich zahlreiche C-substituierte organische Derivate herstellen. Durch nukleophile Reagenzien erfolgt ein Abbau des B10C2-Gerüstes. Aus dem closo-Carbaboran B10C2H12 entsteht das nido-Carbaboran-Anion B9C2HK 12. B10C2H12 C C2H5OK C 2 C2H5OH $% B9C2HK 12 C B (OC2H5)3 C H2 Dieses lässt sich protonieren oder durch HC-Abspaltung in das Anion B9C2H2K 11 überführen.
K B9C2H2K 11 ist ein ähnlich guter Ligand wie das Cyclopentadienylanion C5H5 . Es bildet daher Komplexe, die dem Ferrocen analog sind (Abb. 4.52). Es gibt eine große Anzahl solcher Metallcarbaborane mit einer interessanten Chemie. In das Borgerüst können auch andere Nichtmetallatome, z. B. Phosphor, Silicium, Stickstoff oder Schwefel, eingebaut werden. Ein Beispiel ist das closo-Heteroboran B11NH12.
4.8.4.4 Sauerstoffverbindungen des Bors Borsäuren Orthoborsäure H3BO3 kommt in Wasserdampfquellen und als Mineral Sassolin vor. Sie wird aber heute aus Boraten durch saure Hydrolyse hergestellt, z. B. aus Borax. [Na (H2O)4]2 [B4O5 (OH)4] C H2SO4 $% 4 H3BO3 C Na2SO4 C 5 H2O
580
4 Die Elemente der Hauptgruppen
2K
Abbildung 4.52 Das nido-Carbaboran-Anion B9C2H11 bildet dem Ferrocen analoge Sandwich-Komplexe. An der offenen Käfigseite befinden sich freiliegende Orbitale, sie eignet sich daher als Koordinationsstelle für Metallatome. Der Komplex [(B9C2H11)2Fe]2K kann reversibel oxidiert werden.
H3BO3 kristallisiert in einer Schichtstruktur, in der planare B (OH)3-Moleküle über Wasserstoffbrücken zu zweidimensionalen Schichten verbunden sind. Zwischen den Schichten sind nur van der Waals-Kräfte wirksam (Abb. 2.118). H3BO3 bildet daher schuppige, weiß glänzende, sechsseitige Blättchen mit dem Smp. 171 (C. H3BO3 ist relativ schwer in Wasser löslich (40 g.l bei 20 (C), die Lösung wird als Antiseptikum verwendet (Borwasser). H3BO3 ist eine sehr schwache einbasige Säure. Sie wirkt nicht als Protonendonator, sondern als OHK-Akzeptor (Lewis-Säure). B (OH)3 C 2 H2O # H3OC C B (OH)K 4
pKS Z 9,2
In verdünnten Lösungen liegen praktisch nur die monomeren Teilchen H3BO3 vor. Nur sehr stark basische Lösungen enthalten das Anion (OH)K 4 . Bei höheren Konzentrationen erfolgt in alkalischen Lösungen partielle Kondensation. 3 H3BO3 $% [B3O3 (OH)4]K C H3OC C H2O
pKS Z 6,8
Neben [B3O3 (OH)4]K sind aber wahrscheinlich noch die Teilchen [B3O3 (OH)5]2K, [B4O5 (OH)4]2K und [B5O6 (OH)4]K vorhanden. Diese Anionen kommen auch in kristallinen Boraten vor. Beim Erhitzen geht die Orthoborsäure durch intermolekulare Kondensation zunächst in die Metaborsäure (HBO2)n, dann in glasiges Bortrioxid B2O3 über. +
+
O90 C
500 C
KH2O
KH2O
H3BO3 $$$$% (HBO2)n $$$$% B2O3 Löst man Metaborsäure in Wasser, bildet sich wieder die Orthoborsäure. Von der Metaborsäure gibt es drei Modifikationen. α-HBO2 besteht aus ringförmigen Molekülen, die über Wasserstoffbrücken zu Schichten verbunden sind.
4.8 Gruppe 13
581
Im planaren Boroxin-Ring der α-Metaborsäure und ihrer Salze sind (p-p)π-Bindungen vorhanden. Die Bindungsabstände liegen zwischen denen von Einfach- und Doppelbindungen. In β-HBO2 und γ-HBO2 sind die Ringe über brückenbildende O-Atome verknüpft. β-HBO2 besteht aus kettenförmigen Molekülen, γ-HBO2 aus einem dreidimensionalen Netzwerk mit der KZ Z 4 der Boratome.
β-HBO2 kettenförmige Moleküle [B3O4 (OH)(H2O)]n; KZ Z 3 und 4
Borsäure bildet mit Alkoholen leicht flüchtige Ester. Aus borsäurehaltigen Substanzen entsteht beim Erhitzen mit Methanol und konzentrierter Schwefelsäure Borsäuretrimethylester, der die Flamme grün färbt und zum Bornachweis geeignet ist. B (OH)3 C 3 CH3OH $% B (OCH3)3 C 3 H2O Bortrioxid B2O3 Durch Glühen von Borsäure H3BO3 erhält man B2O3 als glasige, hygroskopische Masse. Kristallines B2O3 (Smp. 450 (C; ΔH+ B Z K1 274 kJ.mol) entsteht bei sehr langsamer Dehydratisierung von HBO2. Es kristallisiert in einer Raumnetzstruktur, ist eine sehr beständige Verbindung und wird auch bei Weißglut durch Kohlenstoff nicht reduziert. Oberhalb von 1 000 (C besteht der Dampf aus monomeren B2O3Molekülen, in denen die B-Atome sp-hybridisiert sind.
Die Bindungslängen der endständigen B d O-Bindungen liegen zwischen denen einer Doppel- und Dreifachbindung, die der B d O d B-Bindungen zwischen denen einer Einfach- und Doppelbindung.
582
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Borate Die Borate leiten sich von der Orthoborsäure H3BO3, den Metaborsäuren (HBO2)n und von noch wasserärmeren Polyborsäuren ab, die als freie Säuren nicht isolierbar sind. Die Alkalimetallborate sind leicht löslich, ihre Lösungen reagieren stark basisch. Orthoborate. Isolierte trigonal-planare Ionen [BO3]3K
Beispiele: Salze mit den Kationen LiC, Mg2C, Ca2C, Co2C, Ni2C, Cu2C, Zn2C, Me3C (Me Z Lanthanoid). Metaborate. BO3-Gruppen sind über gemeinsame Sauerstoffatome zu Ringen (meist n Z 3) oder Ketten mit den Anionen [BO2]nK verknüpft. n
Beispiele: Na3 [B3O6], K3 [B3O6], Ba3 [B3O6]2
Li [BO2], Ca [BO2]2, Sr [BO2]2
Hydroxoborate. Die natürlichen Borate sind meist hydratisiert. Das Wasser ist als Strukturwasser (OH-Gruppen) oder Kristallwasser (H2O-Moleküle) enthalten. Struktureinheiten sind planare B3O3-Sechsringe, in denen trigonale BO3- und tetraedrische BO4-Gruppen enthalten sind.
Beispiele: Meyerhoffit
Ca [B3O3 (OH)5] · H2O
Colemanit
Ca [B3O4 (OH)3] · H2O. Die [B3O3 (OH)5]2K-Anionen sind zu Ketten kondensiert.
4.8 Gruppe 13
Borax
583
[Na (H2O)4]2 [B4O5 (OH)4]. Die Boratanionen sind im Kristall über Wasserstoffbrücken zu Ketten verknüpft. Die NaC-Ionen sind oktaedrisch von H2O-Molekülen koordiniert, die Oktaeder sind über gemeinsame Kanten zu Ketten verbunden. (Die Formel Na2B4O7 · 10 H2O ist nicht korrekt.)
Borax geht beim Erhitzen auf 400 (C in wasserfreies Na2B4O7 über (Smp. 878 (C), die glasartige Schmelze löst Metalloxide unter Bildung charakteristisch gefärbter Borate (Boraxperle). Die Verwendung beim Schweißen und Löten beruht ebenfalls darauf, dass Borax die Oxidschicht auf den Metallen löst und blanke Oberflächen schafft. Borax wird in der Glasindustrie (temperaturbeständige Glassorten), Keramikindustrie (leicht schmelzende Glasuren) und zur Herstellung von Perboraten verwendet. Perborate Viele Wasch- und Bleichmittel enthalten Perborate. Die Perborate des Handels enthalten teils echte Peroxoverbindungen, teils Additionsprodukte aus H2O2 und Boraten. Perborax ist vermutlich eine Additionsverbindung: Na2B4O7 · xH2O2 · yH2O. Ersetzt man in den Boraten ein Sauerstoffatom durch die Peroxogruppe, so erhält man Peroxoborate. Natriumperborat hat die Zusammensetzung Na2 [B2 (O2)2 (OH)4] · 6 H2O. Es enthält das Anion
Die Herstellung erfolgt in zwei Stufen: Na2B4O7 C 2 NaOH $% 4 NaBO2 C H2O NaBO2 C H2O2 C 3 H2O $% NaBO2 (OH)2 · 3 H2O Waschmittel enthalten 10K25 % Natriumperborat. Es ist erst oberhalb 60 (C wirksam, daher ist für niedrigere Temperaturen der Zusatz von Bleichmittelaktivatoren erforderlich.
4.8.4.5 Halogenverbindungen des Bors Eine Übersicht enthält Tabelle 4.20. Die Bor(III)-Halogenide BX3 sind trigonal-planar gebaut (vgl. S. 567). Die Bor(II)-Halogenide X2B d BX2 haben im kristallinen Zustand eine planare Struktur mit einer B d B-Einfachbindung. Die B d X-Abstände liegen wie bei den Trihalogeniden zwischen Einfach- und Doppelbindung. In den Bor(I)-Halogeniden (BX)n bilden die Boratome geschlossene Käfige mit Mehrzentrenbindungen, die Halogenatome sind durch Zweizentrenbindungen an die B-Atome gebunden. Im Molekül B4Cl4 z. B. bilden die B-Atome ein Tetraeder. Von den 12 Valenzelektronen der B-Atome
584
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Tabelle 4.20 Borhalogenide BX3 Bortrihalogenide
BF3 farbloses Gas ΔH+ B Z K1 138 kJ.mol
BCl3 farbloses Gas ΔH+ B Z K404 kJ.mol
BBr3 farblose Flüssigkeit ΔH+ B Z K206 kJ.mol
BI3 farblose Kristalle ΔH+ B Z C71 kJ.mol
B2X4 Dibortetrahalogenide
B2F4 farbloses Gas ΔH+ B Z K1 441 kJ.mol
B2Cl4 farblose Flüssigkeit ΔH+ B Z K523 kJ.mol
B2Br4 farblose Flüssigkeit
B2I4 gelbe Kristalle ΔH+ B Z ca. K80 kJ.mol
(BX)n Bormonohalogenide
BF1 K
(BCl)n n Z 4, 8K12 gelbe bis dunkelrote Kristalle
(BBr)n n Z 7K10 gelbe bis dunkelrote Kristalle
(BI)n n Z 8, 9 dunkelbraune Kristalle
(Die ΔH+ B -Werte beziehen sich auf den gasförmigen Zustand) BF entsteht als instabiles Gas aus BF3 und B bei 2000 (C.
1
werden 4 für die B d Cl-Bindungen gebraucht, die restlichen stehen für 4 geschlossene BBB-Dreizentrenbindungen zur Verfügung, die auf jeder Tetraederfläche von den sp3-Hybridorbitalen gebildet werden. Bortrifluorid BF3 ist ein farbloses, stechend riechendes Gas. Es entsteht durch Erhitzen von B2O3 und CaF2 mit konzentrierter Schwefelsäure. B2O3 C 3 CaF2 C 3 H2SO4 $% 2 BF3 C 3 CaSO4 C 3 H2O Mit Wasser erfolgt Hydrolyse zu B (OH)3. BF3 C 3 H2O $% B (OH)3 C 3 HF Als Lewis-Säuren reagieren BF3 und auch die anderen Trihalogenide mit Aminen, Ethern und anderen Donatoren unter Bildung von Addukten. BF3 wird als FriedelCrafts-Katalysator eingesetzt. Aus Flusssäure und Borsäure entsteht Fluoroborsäure HBF4, eine starke Säure, die aber nur in wässriger Lösung bekannt ist. B(OH)3 C 4 HF $% HBF4 C 3 H2O C1
Ihre Salze, die Tetrafluoroborate MeBF4, ähneln den isoelektronischen Perchloraten, so ist z. B. das Kaliumsalz schwer löslich. Bortrichlorid BCl3 ist ein farbloses, an der Luft rauchendes Gas. Mit Wasser erfolgt Hydrolyse zu B (OH)3. BCl3 entsteht aus den Elementen oder durch Einwirkung von Chlor auf ein Gemisch von B2O3 und Kohlenstoff. +
550 C
B2O3 C 3 C C 3 Cl2 $$$$% 2 BCl3 C 3 CO
4.8 Gruppe 13
585
4.8.4.6 Stickstoffverbindungen des Bors Die B d N-Gruppe
ist isoelektronisch mit der C d C-Gruppe. Es gibt daher Ähnlichkeiten zwischen BorStickstoff- und Kohlenstoffverbindungen. Bornitrid BN Es sind vier Modifikationen bekannt. Unter Normalbedingungen thermodynamisch stabil sind hexagonales BN und kubisches BN. Hexagonales BN hat eine graphitanaloge Struktur (Abb. 4.53). In den planaren Schichten sind alle Atome sp2-hybridisiert. An den Bor-Stickstoff-Bindungen sind (p-p)π-Bindungen beteiligt. Wegen der Elektronegativitätsdifferenz zwischen B und N sind die π-Elektronen jedoch weitgehend am Stickstoff lokalisiert und nicht wie in den Graphitschichten delokalisiert und frei beweglich. BN ist daher weiß und kein elektrischer Leiter. BN ist thermisch sehr beständig (Smp. 3 270 (C) und chemisch ziemlich inert. Beim Erhitzen an Luft reagiert es erst oberhalb 750 (C zu B2O3, von Wasserdampf wird es erst bei Rotglut hydrolysiert.
Abbildung 4.53 Struktur von hexagonalem Bornitrid BN. Innerhalb der Schichten sind alle B d N-Abstände gleich. Außer den sp2-Hybridorbitalen sind auch π-Orbitale an den Bindungen beteiligt. Die Schichten sind durch van der Waals-Kräfte aneinander gebunden. Die Bindungsabstände sind denen im Graphit (142 pm; 335 pm) sehr ähnlich. Die Schichten sind im BN aber anders gestapelt als im Graphit. Sie liegen direkt übereinander, die Folge der Atome ist alternierend BNBN ...
BN wird technisch als Hochtemperaturschmiermittel, für feuerfeste Auskleidungen von Plasmabrennern und Raketendüsen sowie für Schmelztiegel verwendet. Bei der technischen Herstellung, die zu einem Rohprodukt von 80K90 %iger Reinheit führt, wird B2O3 mit NH3 in einer Matrix von Ca3 (PO4)2 umgesetzt.
586
4 Die Elemente der Hauptgruppen 800K1 200 +C
B2O3 C 2 NH3 $$$$$$$$% 2 BN C 3 H2O Ein reines kristallines BN liefert die folgende Umsetzung: +
1 800K1 900 C
B2O3 C 3 C C N2 $$$$$$$$% 2 BN C 3 CO Analog der Hochdruckumwandlung von Graphit in Diamant erhält man aus hexagonalem BN ein kubisches BN, Borazon, das in der Zinkblende-Struktur (vgl. Abb. 2.9) kristallisiert. Die B d N-Abstände betragen 156 pm (der C d C-Abstand im Diamant 154 pm), sie entsprechen Einfachbindungen, die von den sp3-hybridisierten B- und N-Atomen ausgehen:
B N
. 60K90 kbar
BNhexagonal $$$$$$$$% BNkubisch + 1 500K2 200 C
Bei der Hochdrucksynthese verwendet man Li3N, Alkali- oder Erdalkalimetalle als Katalysatoren. Kubisches BN ist ähnlich hart wie Diamant (nach Diamant das härteste Material), aber oxidationsbeständiger (es verbrennt erst bei 1 900 (C zu B2O3). Es wird daher an Stelle von Diamant als Schleifmittel verwendet. Beim Erhitzen unter Normaldruck wandelt sich kubisches BN in hexagonales BN um. Aus hexagonalem BN mit Schichtstruktur entsteht bei 100K130 kbar (Stoßwellen) eine Hochdruckmodifikation mit Wurtzit-Struktur (vgl. Abb. 2.55), die im gesamten p, T-Bereich metastabil ist. Eine rhomboedrische Modifikation mit Schichtstruktur existiert nur im Gemisch mit hexagonalem BN. Borazin B3N3H6 („anorganisches Benzol“) Borazin ist eine farblose Flüssigkeit von aromatischem Geruch. In seinen physikalischen Eigenschaften ist es dem Benzol sehr ähnlich (es wird daher als anorganisches Benzol bezeichnet). Man erhält es aus Diboran und NH3 bei 250K300 (C. Borazan H3B d NH3 und Borazen H2B ] NH2 können als formale Zwischenstufen angenommen werden. 1 2 B2H6 C NH3
$% H3B d NH3 $$% KH Borazan
2
H 2B Borazen
Z NH2 $$% HB ^ NH KH 2
Borazen polymerisiert und ist monomer nur in Form von Derivaten wie Cl2B ] N(CH3)2 beständig. HB ^ NH trimerisiert sofort. Die Molekülstruktur entspricht folgender Mesomerie:
4.8 Gruppe 13
587
Die B d N-Abstände sind gleich (144 pm), die Valenzwinkel im Ring betragen 120(. Die B d N-Bindung ist stark polar (entgegen den Formalladungen sind die N-Atome negativ polarisiert) und Borazin ist daher viel reaktionsfähiger als Benzol. Es addiert leicht HCl, H2O, CH3OH oder CH3I.
4.8.5 Aluminiumverbindungen Aluminium bildet keine (p-p)π-Bindungen. Bei den Halogeniden AlX3 erfolgt die Stabilisierung daher nicht wie bei den Borhalogeniden BX3 durch (p-p)π-Bindungen (s. S. 567), sondern die Elektronenlücke wird intermolekular durch Dimerisierung aufgefüllt.
AlN kommt nicht wie BN in einer graphitähnlichen Struktur vor, es existiert auch keine dem Borazin B3N3H6 analoge Verbindung. Al-Atome können in kovalenten Verbindungen oktaedrisch koordiniert sein. Es 2K K existiert z. B. das monomere oktaedrische Ion AlF 3K 6 , die Ionen AlF 5 , AlF 4 sind polymer und bestehen aus kondensierten AlF6-Einheiten. Al hat eine viel kleinere Elektronegativität als B, es bildet K unterschiedlich zu B K in wässriger Lösung die Kationen [Al (H2O)6]3C, die als Kationensäuren fungieren. Nur in sehr verdünnten Lösungen erfolgt mit zunehmendem pH stufenweise Deprotonierung bis zu [Al (OH)6]3K. Bei höheren Konzentrationen (ca. 0,1 mol.l) bilden sich bei pH O 3 mehrkernige Aluminiumkationen. Im Bereich pH Z 4K8 liegt überwiegend das Ion [Al13O4 (OH)24 (H2O)12]7C vor. In den stabilen Al-Verbindungen hat Al die Oxidationszahl C3. Verbindungen mit der Oxidationszahl C1 sind endotherme Verbindungen, die nur unter besonderen Bedingungen beständig sind.
588
4 Die Elemente der Hauptgruppen
4.8.5.1 Wasserstoffverbindungen des Aluminiums Die Aluminiumhydride heißen auch Alane, die Doppelverbindungen mit anderen Metallhydriden, die Hydridoaluminate, auch Alanate. Aluminiumhydrid (AlH3)n (Alan) Unter normalen Bedingungen ist weder AlH3 noch Al2H6 stabil. Beide Verbindungen polymerisieren zu (AlH3)n, das das einzige stabile binäre Hydrid von Al ist. In der strukturell aufgeklärten hexagonalen Form ist jedes Al-Atom an drei Brücken beteiligt, bei denen wie beim Diboran 3-Zentren-2-Elektronen-Bindungen vorliegen. Die KZ von Al ist also 6. Eine direkte Al d Al-Bindung ist nicht vorhanden. (AlH3)n ist ein farbloses Pulver (ΔH+ B Z K45 kJ.mol), luft- und feuchtigkeitsempfindlich und zerfällt im Vakuum oberhalb 100 (C in die Elemente. Es ist ein starkes Reduktionsmittel und eignet sich besonders in etherischen Lösungen zur Hydrierung. Man erhält (AlH3)n durch Zusammengießen etherischer Lösungen von AlCl3 und LiAlH4. Zunächst bildet sich unter Ausscheidung von LiCl eine klare Lösung von monomerem AlH3 als Etherat 3 LiAlH4 C AlCl3 $% 3 LiCl C 4 AlH3 aus der sich langsam durch Polymerisation (AlH3)n ausscheidet. Aus den Elementen erhält man bei hohen Temperaturen AlH3. 2 Al C 3 H2 $% 2 AlH3 (g)
ΔH( Z C300 kJ.mol
An kalten Flächen kann polymeres (AlH3)n abgeschieden werden. Hydridoaluminate (Alanate) Alanate sind stabil, in vielen organischen Lösungsmitteln (z. B. Ether) löslich und wichtige Reduktionsmittel. Man unterscheidet salzartige Alanate wie Li [AlH4] und Na [AlH4] und die kovalenten Hydride wie Be [AlH4]2 und Mg [AlH4]2. Die Reduktionswirkung der salzartigen Hydride ist schwächer. Am wichtigsten ist Lithiumaluminiumhydrid LiAlH4, das nach 4 LiH C AlX3 $% LiAlH4 C 3 LiX
X Z Cl, Br
in Ether entsteht. LiAlH4 ist ein fester, weißer Stoff, der oberhalb 150 (C in LiH, Al und H2 zerfällt. Mit LiAlH4 können viele Wasserstoffverbindungen synthetisiert werden. z. B. B2H6 und SiH4. 4 BCl3 C 3 LiAlH4 $% 2 B2H6 C 3 LiAlCl4 SiCl4 C LiAlH4 $% SiH4 C LiAlCl4 Mit LiAlD4 können Deuteriumverbindungen dargestellt werden.
4.8 Gruppe 13
589
Beispiel: SiCl4 C LiAlD4 $% SiD4 C LiAlCl4 Im Unterschied zu Boranaten kennt man auch Alanate mit der KZ 6, z. B. Li3AlH6 und Na3AlH6.
4.8.5.2 Sauerstoffverbindungen des Aluminiums Aluminiumhydroxid Al (OH)3 Es gibt drei kristalline Modifikationen. Die beiden wichtigsten sind: Hydrargillit (Gibbsit) γ-Al (OH)3, es ist thermodynamisch stabil und Bestandteil von Bauxiten; Bayerit α-Al (OH)3, es ist metastabil und kommt in der Natur nicht vor. Al (OH)3 kristallisiert in Schichtstrukturen, in denen Al oktaedrisch von OH koordiniert ist, die Oktaeder sind kantenverknüpft. Kristallines Al (OH)3 erhält man beim Einleiten von CO2 in Aluminatlösungen. 2 [Al (OH)4]K C CO2 $% 2 Al (OH)3 C CO2K 3 C H 2O Hydrargillit entsteht bei langsamer Fällung, fällt man schnell, so entsteht Bayerit, der sich allmählich in Hydrargillit umwandelt. Aus Aluminiumsalzlösungen entsteht mit NH3 amorphes Aluminiumhydroxid. Al (OH)3 ist amphoter und löst sich frisch gefällt in Säuren und Laugen. Al (OH)3 C 3 H3OC $% [Al (H2O)6]3C Al (OH)3 C OHK $% [Al (OH)4]K Wie die kondensierte Kieselsäure SiO2 · aq und die kondensierte Zinnsäure SnO2 · aq, altert Aluminiumhydroxid und wandelt sich in kristalline Formen um, die von Laugen und Säuren viel schwerer angegriffen werden. Das amorphe Aluminiumhydroxid wandelt sich über Böhmit γ-AlO (OH) in Bayerit und schließlich in Hydrargillit um. Aluminate Das Tetrahydroxoalumination [Al (OH)4]K kann durch Wasseraustritt zu höhermolekularen Oxoverbindungen kondensieren. Im ersten Schritt entsteht ein Dialumination [Al (OH)3 d O d Al (OH)3]2K, dessen Kaliumsalz isoliert wurde. Die Wasserabspaltung führt über Zwischenstufen zu wasserfreien Aluminaten, z. B. NaAlO2, mit dem hochpolymeren (AlO2)nK n -Ion, das eine Raumnetzstruktur besitzt. Durch Anlagerung von OHK-Ionen bilden sich in stark alkalischer Lösung Aluminate mit dem Anion [Al (OH)6]3K, die aber nicht sehr stabil sind.
590
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Aluminiumhydroxidoxid AlO (OH) Es gibt zwei, auch in der Natur vorkommende kristalline Modifikationen: Diaspor α-AlO (OH) und Böhmit γ-AlO (OH). In beiden ist Al oktaedrisch von O und OH koordiniert. Aluminiumoxid Al2O3 Durch Entwässern von Hydrargillit oder Böhmit entsteht γ-Al2O3. +
+
400 C
400 C
K3 H2O
K2 H2O
2 γAl (OH)3 $$$$$% γ-Al2O3 !$$$$$ 2 γ-AlO (OH) Hydrargillit
Böhmit
γ-Al2O3 (ΔH+ B Z K1 654 kJ.mol) ist ein weißes, in Wasser unlösliches, in starken Säuren und Laugen lösliches, hygroskopisches Pulver. Je nach Darstellung sind die Teilchengrößen verschieden und starke Gitterstörungen vorhanden. Es ist oberflächenreich und besitzt ein gutes Adsorptionsvermögen (aktive Tonerde). Es wird als Trägermaterial für Katalysatoren verwendet. γ-Al2O3 kristallisiert in einer fehlgeordneten Spinellstruktur (vgl. Abb. 2.19), in der ein Teil der Oktaederplätze im Spinellgitter statistisch unbesetzt sind: Al (Al5.3,1.3)O4 (, Z Leerstelle). γ-Al2O3 kommt in der Natur nicht vor. Beim Glühen über 1 000 (C wandelt sich γ-Al2O3 in α-Al2O3 (Korund) um. 1 000 (C
γ-Al2O3 $$$$% α-Al2O3
ΔH ( Z K23 kJ.mol
Aus Diaspor entsteht schon bei 500 (C α-Al2O3. +
500 C
2 α-AlO (OH) $$$$% α-Al2O3 Diaspor
KH2O
Korund, α-Al2O3 (Smp. 2 045 (C; ΔH+ B Z K1 677 kJ.mol) ist sehr hart, wasser-, säure- und basenunlöslich und nicht hygroskopisch. Im Kristallgitter des Korunds (vgl. Abb. 2.17) bilden die Sauerstoffionen eine hexagonal-dichte Kugelpackung, also eine Schichtenfolge ABAB ... Von den vorhandenen oktaedrischen Lücken werden 2.3 von Al3C-Ionen besetzt. Im Korrundgitter kristallisieren auch die Oxide α-Fe2O3, V2O3, Ti2O3, Cr2O3, Rh2O3, α-Ga2O3. Technisch wird α-Al2O3 in großen Mengen aus Bauxit hergestellt. Der größte Teil dient zur Aluminiumgewinnung, der Rest zur Herstellung von Schleif- und Poliermitteln sowie hochfeuerfester Geräte (Sinterkorund). Dazu wird Al2O3 im elektrischen Ofen geschmolzen, nach dem Erkalten wird das Material nach Bedarf zerkleinert. Geräte aus Korund werden durch Sintern bei 1 800 (C hergestellt. Aus Schmelzen von Al2O3 mit kleinen Mengen von Metalloxiden lassen sich durch Einkristallzüchtung gefärbte, künstliche Edelsteine herstellen, z. B. Rubin (enthält Cr3C), Saphir (enthält Fe2C, Fe3C, Ti4C). Rubine werden auch in der Uhrenindustrie, als Spinndüsen und als Lasermaterial (s. Abschn. 5.14.5.6) verwendet.
4.8 Gruppe 13
591
Al2O3 bildet mit einigen Oxiden MeO (Me Z Mg, Zn, Fe, Co, Mn, Ni, Cu) Doppeloxide MeAl2O4, die in der Spinell-Struktur (Abb. 2.19) kristallisieren. Das Mineral Spinell ist MgAl2O4. Es ist hart (Mohs-Härte 8), zeigt Glasglanz und ist je nach Beimengungen rot, blau, grün oder violett gefärbt. Es wird als Schmuckstein verwendet; Spinelle für Schmuckzwecke können auch künstlich hergestellt werden. β-Al2O3 wurde zunächst für eine Al2O3-Modifikation gehalten, ist aber nur bei Anwesenheit von Natrium stabil. Das Natrium-β-aluminat hat die idealisierte Zusammensetzung NaAl11O17 (Na2O · 11Al2O3), hat Bedeutung als Festelektrolyt (vgl. Abschn. 5.7.5.1 und 3.8.11) und eine Struktur, in der sich zwischen Spinellblöcken Ebenen mit den beweglichen NaC-Ionen befinden. Aluminium(I)-oxid Al2O erhält man als instabile Verbindung bei 1 800 (C durch Reduktion von Al2O3 mit Al oder Si.
4.8.5.3 Halogenverbindungen des Aluminiums Aluminiumfluorid AlF3 Wasserfreies AlF3 (Smp. 1 290 (C) ist ein weißes, in Wasser, Säuren und Alkalien unlösliches Pulver. Es kristallisiert in einem Gitter, das aus AlF6-Oktaedern aufgebaut ist, die über alle Oktaederecken verknüpft sind (Abb. 2.16). AlF3 wird neben Kryolith bei der elektrolytischen Al-Herstellung eingesetzt und daher technisch K hauptsächlich nach zwei Verfahren K hergestellt. +
400K600 C
Al2O3 C 6 HF $$$$$$$% 2 AlF3 C 3 H2O +
100 C
2 Al (OH)3 C H2SiF6 $$$$% 2 AlF3 C SiO2 C 4 H2O Fluoroaluminate C1
C1
AlF3 bildet mit Metallfluoriden Komplexsalze des Typs Me3 [AlF6] , Me2 [AlF5] und C1
Me [AlF4]. Sie sind aus AlF6-Oktaedern aufgebaut (Abb. 4.54).
Abbildung 4.54 Strukturen von Fluoroaluminaten. 3K Isolierte AlF6 -Oktaeder sind in der Struktur des Kryoliths vorhanden. Die Oktaeder bilden eine kubisch-dichte Packung, alle Oktaeder- und Tetraederlücken sind mit NaCIonen besetzt. Ketten aus Oktaedern liegen in Tl2AlF5, Schichten in NaAlF4 vor.
592
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Fluoroaluminate kommen in der Natur vor. Am wichtigsten ist Kryolith Na3AlF6, das bei der Al-Herstellung sowie als Trübungsmittel für Milchglas und Emaille verwendet wird. Na3AlF6 (Eisstein) ist in reinem Zustand ein weißes Pulver (Smp. 1 009 (C). Es wird industriell hergestellt. Ausgangsprodukte sind Hexafluorokieselsäure und Natriumaluminat. H2SiF6 C 6 NH3 C 2 H2O $% 6 NH4F C SiO2 6 NH4F C 3 NaOH C Al (OH)3 $% Na3AlF6 C 6 NH3 C 6 H2O Aluminiumchlorid AlCl3 Wasserfreies AlCl3 ist eine farblose, kristalline, flüchtige, hygroskopische Substanz, die bei 183 (C sublimiert. Im festen Zustand liegt eine Schichtstruktur vor, in der die Al3C-Ionen oktaedrisch von ClK-Ionen koordiniert sind. Im flüssigen Zustand, im Dampfzustand bei tiefen Temperaturen und in bestimmten Lösungsmitteln wie CCl4 existieren Al2Cl6-Moleküle mit Chlorbrücken. Mit steigender Temperatur entstehen im Dampf trigonal-planare AlCl3-Moleküle, die bei 800 (C ausschließlich vorhanden sind.
KZ Z 6 Kristall
KZ Z 4
KZ Z 3 Gasphase
Wasserfreies AlCl3 wird hauptsächlich durch Chlorieren von flüssigem Al hergestellt. +
750K800 C
2 Al C 3 Cl2 $$$$$$$% 2 AlCl3 Durch Auflösen von Al (OH)3 oder Al in Salzsäure lässt sich wasserhaltiges Aluminiumchlorid auskristallisieren. Al (OH)3 C 3 HCl C 3 H2O $% [Al (H2O)6]Cl3 Es wird als Textilimprägnierungsmittel und in der Kosmetik (Desodorant, Antiseptikum) verwendet. Wie BF3 und BCl3 reagiert Aluminiumchlorid als Lewis-Säure mit vielen anorganischen (H2S, SO2, SCl4, PCl5) und organischen Donoren (Ether, Ester, Amine) zu Additionsverbindungen. Beispiel: AlCl3 C PCl5 $% [PCl4]C [AlCl4]K Darauf beruht ein Hauptanwendungsgebiet von AlCl3, nämlich die Verwendung als Katalysator für organische Reaktionen nach Friedel-Crafts.
4.8 Gruppe 13
593
Beispiel: Anlagerung von Alkylgruppen an Benzolmoleküle
Aluminiumbromid AlBr3 und Aluminiumiodid AlI3 bestehen im festen Zustand aus Molekülgittern mit Al2X6-Molekülen. Subhalogenide Leitet man Dampf von AlCl3 und AlBr3 unter vermindertem Druck bei 1 000 (C über Aluminium, so entstehen in endothermer Reaktion Aluminium(I)-Halogenide. 2 Al C AlX3 # 3 AlX Beim Abkühlen erfolgt Zerfall in die Ausgangsprodukte. Mit dieser Gleichgewichtsreaktion kann man daher das Metall weit unterhalb seines Siedepunkts transportieren (Transportreaktion) (s. Abschn. 5.12.4) und reinigen.
4.8.5.4 Aluminiumsalze Aluminiumsulfat Al2 (SO4)3 · 18 H2O erhält man aus Al (OH)3 und heißer konz. Schwefelsäure. 2 Al (OH)3 C 3 H2SO4 $% Al2 (SO4)3 C 6 H2O Wasserfreies Al2(SO4)3 entsteht daraus durch Erhitzen auf 340 (C. Aluminiumsulfat wird technisch hergestellt (Weltproduktion ca. 2 · 106 t.a); es dient zum Leimen von Papier, zur Gerbung von Häuten, als Beizmittel sowie als Flockungsmittel bei der Wasserreinigung. Es ist weiterhin Ausgangsverbindung zur Herstellung anderer AlSalze. Aluminiumacetat Al (CH3COO)3 entsteht nach Al2 (SO4)3 C 3 Ba (CH3COO)2 $% 3 BaSO4 C 2 Al (CH3COO)3 Das basische Aluminiumacetat Al (CH3COO)2(OH) wird in der Medizin als „essigsaure Tonerde“ verwendet. C1 C3 Alaune sind Verbindungen des Typs MeMe (SO4)2 $ 12 H2O; MeC Z Na, K, Rb, Cs, NH4, Tl; Me3C Z Al, Sc, V, Cr, Mn, Fe, Co, Ga, In. Alaune sind Doppelsalze. Die wässrigen Lösungen von Doppelsalzen zeigen die chemischen Reaktionen der Einzelkomponenten MeC, Me3C, SO2K 4 , die physikalischen Eigenschaften setzen sich additiv aus den Eigenschaften der einzelnen Komponenten zusammen, so z. B. die elektrische Leitfähigkeit aus der der Ionen MeC, Me3C und SO2K 4 . Ganz anders verhalten
594
4 Die Elemente der Hauptgruppen
sich Komplexsalze (vgl. Abschn. 5.4), bei denen durch die Komplexionen neue Eigenschaften entstehen. Der gewöhnliche Alaun, nach dem die Verbindungsklasse benannt ist, ist KAl (SO4)2 · 12 H2O Aluminiumkaliumsulfat-Dodekahydrat. Er kristallisiert aus Aluminiumsulfatlösungen nach Zusatz von Kaliumsulfat aus. Da er Blut stillend wirkt, verwendete man ihn als „Rasierstein“. Im Altertum benutzte man ihn wegen seiner fäulnishemmenden und adstringierenden (zusammenziehenden) Wirkung zur Mumifizierung. Aluminiumphosphat AlPO4 kommt in vielen polymorphen Formen vor. Es kristallisiert in den auch beim SiO2 auftretenden Modifikationen mit ähnlichen Umwandlungstemperaturen (siehe Abschn. 4.7.10.1). Neu entdeckte Strukturen des AlPO4 sind teilweise strukturanalog zu den Zeolithen (siehe Abschn. 4.7.10.2). Reine Aluminiumphosphate (ALPO) enthalten keine austauschbaren Kationen und sind katalytisch inaktiv. Sie können jedoch in vielfältiger Weise modifiziert werden: Ersatz eines Teils der P-Atome durch Si-Atome (SAPO); Einbau von Metallatomen (Li, Fe, Mn, Co, Zn, Ni) in das Gitter (MAPO). Wie die Zeolithe können diese Verbindungen als Molekularsiebe verwendet werden und sie besitzen als heterogene Katalysatoren ebenfalls Formselektivität.
4.8.6 Galliumverbindungen In den wichtigsten Verbindungen hat Ga die Oxidationszahl C3. Ga(III)-Verbindungen sind den entsprechenden Aluminiumverbindungen sehr ähnlich. Die Salze sind farblos und reagieren in wässriger Lösung sauer. Ga (OH)3 ist amphoter, mit Basen bildet es [Ga (OH)4]K-Ionen. Beim Entwässern entsteht zunächst α-GaO (OH) (Diaspor-Struktur), dann α-Ga2O3 (Korund-Struktur). Von Ga2O3 sind 5 Modifikationen bekannt. In Analogie zum Al gibt es den C1
Defektspinell γ-Ga2O3. Mit Alkalimetallen entstehen Gallate MeGaO2, mit MgO, C2
ZnO, CoO, NiO und CuO die Spinelle MeGa2O4. Die flüchtigen Halogenide GaCl3, GaBr3 und GaI3 bestehen in allen Phasen aus dimeren Ga2X6-Molekülen, nur beim Iodid sind in der Gasphase überwiegend monomere, planare GaI3-Moleküle vorhanden. GaF3 (Sblp. 950 (C) hat eine der AlF3Struktur ähnliche Struktur. Ga3C ist oktaedrisch koordiniert, die Oktaeder sind eckenverknüpft, der Ga d F d Ga-Winkel ist aber kleiner als 180(. GaF3 bildet Fluorokomplexe [GaF6]3K GaN besitzt Wurtzit-Struktur. GaAs kristallisiert in der Zinkblende-Struktur und ist ein III-V-Halbleiter (vgl. S. 184). GaAs und GaN werden für Leuchtdioden (LEDs, Light Emitting Diodes) (s. Abschn. 5.11.6) verwendet. Ga2 (SO4)3 bildet mit (NH4)2SO4 den Alaun NH4Ga (SO4)2 · 12H2O. Von den Wasserstoffverbindungen sind Lithiumgallanat LiGaH4 und Galliumalanat Ga (AlH4)3 zu erwähnen. Aus LiGaH4 und GaCl3 in etherischer Lösung entsteht polymeres Galliumhydrid (GaH3)n.
4.8 Gruppe 13
595
Durch Komproportionierungsreaktionen (z. B. 4 Ga C Ga2O3 $% 3 Ga2O) können Ga (I)-Verbindungen wie GaCl, GaBr, GaI, Ga2O dargestellt werden. In Lösungen disproportionieren Ga (I)-Verbindungen in Ga und Ga (III)-Verbindungen. Diamagnetisches GaCl2 enthält keine Ga2C-Ionen, es hat die Zusammensetzung C1 C3
Ga [GaCl4].
4.8.7 Indiumverbindungen In (III)-Verbindungen ähneln weitgehend den Ga (III)-Verbindungen. Die Salze sind farblos, ihre wässrigen Lösungen regieren sauer. Analoge Verbindungen sind: (InH3)n, LiInH4, In (AlH4)3, InF3, InCl3, InBr3, InI3, In2 (SO4)3 (bildet mit (NH4)2SO4 und Rb2SO4 Alaune). In (OH)3 ist amphoter, es bildet mit Alkalimetallhydroxiden Hydroxoindate, z. B. Na3 [In (OH)6] · 2H2O. In2O3 zersetzt sich im Vakuum bei 700 (C zu In2O. In (I)-Verbindungen sind etwas beständiger als die Ga (I)-Verbindungen. Die In (I)-Halogenide InX (X Z Cl, Br, I) können aus den Elementen hergestellt werden. InCl ist rot und hat eine deformierte NaCl-Struktur. In Wasser zerfällt es in In und InCl3. InCl2 ist ein In (I, III)-chlorid. Die stabile rote Modifikation β-In2S3 kristallisiert im Spinellgitter. Aus den Elementen erhält man weinrotes In (I, III)-sulfid InS.
4.8.8 Thalliumverbindungen Tl (III)-Verbindungen sind starke Oxidationsmittel. Beständiger sind dieTl (I)-Verbindungen. Sie ähneln einerseits den Alkalimetallverbindungen (TlOH, Tl2CO3, Tl2SO4), andererseits den Silberverbindungen (TlCl, Tl2O, Tl2S). Tl (I)-Ionen enthalten ein s-Elektronenpaar, das nicht an Bindungen beteiligt ist und keinen stereochemischen Einfluss ausübt (Inert-Pair-Effekt). TlOH löst sich in Wasser unter alkalischer Reaktion. Mit CO2 bildet sich Tl2CO3. Es ist das einzige in Wasser leicht lösliche Schwermetallcarbonat, es reagiert stark alkalisch. Tl2SO4 ist isotyp mit K2SO4 und bildet Alaune wie TlAl (SO4)2 · 12 H2O. Die Halogenide ähneln in Löslichkeit und Farbe denen des Silbers. TlF ist weiß, kristallisiert in der NaCl-Struktur und ist gut löslich. TlCl ist weiß und lichtempfindlich, TlBr hellgelb, TlI tiefgelb. Sie sind schwer löslich und kristallisieren im CsClTyp. Tl2O und Tl2S sind schwarz. Tl2O entsteht durch Entwässern von TlOH bei 100 (C, Tl2S beim Einleiten von H2S in Tl (I)-Salzlösungen. Tl (III)-Verbindungen. Aus Tl (III)-Salzlösungen und KI entsteht ein Polyiodid TlI · I2 (isotyp mit Alkalimetalltriiodiden; vgl. S. 408). In flüssigem NH3 reagiert Na mit TlI zu der interessanten intermetallischen Verbindung NaTl (vgl. Abb. 2.114).
596
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Das am meisten benutzte Tl (III)-Salz ist Tl2 (SO4)3 · 7 H2O. TlF3 ist bis 500 (C stabil. TlCl3 gibt bereits bei 40 (C Cl2 unter Bildung von TlCl ab. TlBr3 geht unter C1 C3
Bromabspaltung in Tl [TlBr4] über. Tiefbraunes Tl2O3 entsteht durch Erhitzen von Tl (NO3)3 · 3 H2O, es gibt oberhalb von 800 (CO2 ab und geht in Tl2O über. Mit Wasserstoff ist das unbeständige, polymere, etherunlösliche (TlH3)n herstellbar, das bei Raumtemperatur in (TlH)n zerfällt. Tl (I) bildet das beständige Boranat TlBH4. Thalliumverbindungen sind sehr giftig, sie bewirken u. a. Haarausfall. Tl2SO4 wird als Rattengift verwendet. Tl-Verbindungen färben die Flamme intensiv grün.
4.9 Gruppe 2 (Erdalkalimetalle)
Ordnungszahl Z Elektronenkonfiguration
Beryllium Be
Magnesium Mg
Calcium Ca
Strontium Sr
Barium Ba
4
12
20
38
56
2
[He] 2s
2
[Ne] 3s
2
[Ar] 4s
2
[Kr] 5s
[Xe] 6s2
1. Ionisierungsenergie in eV
9,3
7,6
6,1
5,7
5,2
2. Ionisierungsenergie in eV
18,2
15,0
11,9
11,0
10,0
1,5
1,2
1,0
1,0
0,9
Elektronegativität Reaktionsfähigkeit
nimmt zu
%$Ionenradius r (Me2C) für KZ 6 in pm Hydratationsenthalpie von Me2C in kJ.mol
45
72
100
118
135
K2494
K1921
K1577
K1443
K1305
K19
K74
K186
K180
K179
K610
K602
K635
K592
K554
Bildungsenthalpie der Hydride MeH2 in kJ.mol Bildungsenthalpie der Oxide MeO in kJ.mol Basischer Charakter der Hydroxide Flammenfärbung
nimmt zu $% K
K
ziegelrot
karminrot grün
4.9.1 Gruppeneigenschaften Die Erdalkalimetalle stehen in der zweiten Gruppe des PSE. Sie haben die Valenzelektronenkonfiguration s2. Es sind reaktionsfähige, elektropositive Metalle und starke Reduktionsmittel. Die Reaktionsfähigkeit und der elektropositive Charakter nehmen mit der Ordnungszahl Z zu. In ihren stabilen Verbindungen treten sie nur in der Oxidationszahl C2 auf. Trotz der relativ hohen 2. Ionisierungsenergie sind im festen und gelösten Zustand die Me2C-Kationen mit Edelgaskonfiguration stabil, da sie durch Gitterenergie und Hydratationsenthalpie stabilisiert werden. Die
4.9 Gruppe 2
597
Berechnung ergibt für die Bildungsenthalpie hypothetischer Erdalkalimetallchloride MeCl zwar negative Werte (z. B. für MgCl ΔH+ B Z K125 kJ.mol), aber die Verbindungen sind instabil hinsichtlich der Disproportionierung 2 MeCl $% MeCl2 C Me (für die Disproportionierung von 2 MgCl ist ΔH( Z K392 kJ.mol). Im Gaszustand sind MeC-Ionen stabil. Die Erdalkalimetalle verbrennen an der Luft zu Oxiden MeO. Mit Ba entsteht auch ein Peroxid BaO2. Mit Stickstoff bilden sich Nitride Me3N2. Wasserstoff wird reduziert, es bilden sich Hydride MeH2, die K mit Ausnahme von BeH2 K in Ionengittern kristallisieren, aber thermisch weniger stabil sind als die Oxide und Halogenide. Der basische Charakter der Hydroxide Me(OH)2 nimmt mit Z zu. Mit zunehmender Basizität wächst auch die Beständigkeit der Carbonate und Nitrate. Die Löslichkeit der Sulfate und Carbonate nimmt mit Z ab, die der Hydroxide zu. Ca, Sr, Ba und Ra zeigen charakteristische Flammenfärbungen. Ra gibt eine karminrote Flamme. Strontiumsalze werden für bengalisches Feuer verwendet. Beryllium ist dem Aluminium ähnlicher als dem nächsten Homologen seiner Gruppe, dem Magnesium (Schrägbeziehung im PSE). Die Ähnlichkeit ist auf die fast gleiche Elektronegativität und den ähnlichen Ionenradius zurückzuführen. Be bevorzugt die Koordinationszahl 4, die auch bei Al häufig auftritt, während bei Mg die bevorzugte Koordinationszahl 6 ist. Beispiele für die Ähnlichkeit: (BeH2)n ist wie (AlH3)n hochpolymer, die Bindungen sind kovalent. MgH2 ist ionisch aufgebaut. BeCl2 und AlCl3 sind sublimierbare Lewis-Säuren, die in wässriger Lösung stark sauer reagieren. MgCl2-Lösungen reagieren schwach sauer. Be (OH)2 und Al (OH)3 sind amphoter und bilden keine stabilen Carbonate. Mg (OH)2 ist basisch und bildet ein stabiles Carbonat. BeO und Al2O3 sind sehr harte (Mohs-Härte 9) kristalline Substanzen mit hohen Schmelzpunkten. Be und Al sind Leichtmetalle mit ähnlichen Standardpotentialen. Sie lösen sich in Säuren und Basen unter H2-Entwicklung. In Wasser werden sie passiviert. Mg ist viel unedler und löst sich nur in Säuren unter H2-Entwicklung. Radium, Ra ist ein Zerfallsprodukt von 238U, es ist in der Pechblende UO2 enthalten (0,34 g Ra pro t U). Alle Ra-Isotope sind radioaktiv. Ra ähnelt in seinen Eigenschaften Ba und kristallisiert wie dieses kubisch-raumzentriert. Beryllium und seine Verbindungen sind toxisch und wirken Krebs erregend.
4.9.2 Vorkommen Wegen ihrer großen Reaktionsfähigkeit kommen die Erdalkalimetalle nicht elementar in der Natur vor.
598
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Beryllium gehört zu den selteneren Metallen. Am häufigsten ist das Cyclosilicat Beryll Be3Al2 [Si6O18]. Gefärbte Abarten sind Smaragd (grün, chromhaltig) und Aquamarin (hellblau, eisenhaltig). Weniger häufig sind die Inselsilicate Euklas BeAl [SiO4]OH und Phenakit Be2 [SiO4], die ebenfalls Edelsteine sind. Chrysoberyll Al2 [BeO4] hat Olivinstruktur, eine Varietät ist der von Grün nach Rot schillernde Edelstein Alexandrit. Magnesium und Calcium gehören zu den 10 häufigsten Elementen. Es gibt zahlreiche Magnesiummineralien. Carbonate: Dolomit CaMg (CO3)2, Magnesit MgCO3. Silicate: Olivin (Mg, Fe)2 [SiO4] (Inselsilicat), Enstatit Mg [SiO3] (Kettensilicat), Talk Mg3 [Si4O10](OH)2, Serpentin Mg6 [Si4O10](OH)8 (Schichtsilicate). In Salzlagern kommen vor: Carnallit KCl · MgCl2 · 6 H2O, Kieserit MgSO4 · H2O, Kainit KCl · MgSO4 · 3 H2O, Schönit K2SO4 · MgSO4 · 6 H2O. Als Doppeloxid kommt Spinell MgAl2O4 (Abb. 2.19) vor, der in gefärbten Varietäten als Edelstein Verwendung findet. Das Meerwasser enthält 0,13 % Mg, es ist nach NaC und ClK das dritthäufigste Ion. Die als „Bitterwässer“ bezeichneten Mineralwässer enthalten MgSO4 (MgSO4 · 7 H2O wird Bittersalz genannt). Calciumverbindungen kommen als gesteinsbildende Mineralien vor. Der Feldspat Anorthit Ca [Al2Si2O8] ist ein Tektosilicat. Calciumcarbonat CaCO3 kommt als Kalkstein, Marmor und Kreide vor. Dolomit CaMg (CO3)2 ist ein Doppelcarbonat. Große Lagerstätten bilden Gips CaSO4 · 2 H2O, Anhydrit CaSO4, Apatit Ca5 (PO4)3 (OH, F, Cl) und Flussspat CaF2. Die wichtigsten Strontiummineralien sind Strontianit SrCO3 und Cölestin SrSO4. Beim Barium sind es Witherit BaCO3 und Schwerspat BaSO4.
4.9.3 Die Elemente Be
Mg
Ca
Sr
Kristallstruktur
hexagonal-dichteste Packung
kubisch-dichteste Packung
Schmelzpunkt in (C Siedepunkt in (C Sublimationsenthalpie in kJ.mol Dichte bei 20 (C in g.cm3 Standardpotential E((Me.Me2C) in V
1285 2477 321
845 1483 178
1,85 K1,85
650 1105 148 1,74 K2,36
1,54 K2,87
771 1385 165 2,63 K2,89
Ba kubischraumzentriert 726 1696 180 3,62 K2,90
4.9.3.1 Physikalische und chemische Eigenschaften Die Erdalkalimetalle sind Leichtmetalle. Be weicht in seinen physikalischen Daten von den anderen Erdalkalimetallen ab. Es ist stahlgrau, spröde und hart, Schmelzpunkt,
4.9 Gruppe 2
599
Siedepunkt und Sublimationswärme sind höher. Mg ist silberglänzend, läuft mattweiß an, ist von mittlerer Härte und duktil. Die Leitfähigkeit beträgt etwa 2.3 von der des Aluminiums. Ca, Sr, Ba sind in ihren Eigenschaften sehr ähnlich. Sie sind silberweiß, laufen schnell an und sind weich wie Blei. Ba kristallisiert allerdings K wie auch Ra K kubisch-raumzentriert. Dichten, Schmelzpunkte, Siedepunkte, Sublimationsenthalpien und Härten sind höher als die der Alkalimetalle. Die Erdalkalimetalle sind elektropositive Elemente mit stark negativen Standardpotentialen. Die deutlich elektropositiveren Metalle Ca, Sr, Ba haben ähnliche Standardpotentiale wie die Alkalimetalle. Sie reagieren mit Wasser unter H2-Entwicklung zu Hydroxiden. Trotz der negativen Standardpotentiale reagieren Be und Mg nicht mit Wasser, da ihre Oberflächen passiviert werden. Auf Grund der Passivierung sind Be und Mg an der Luft beständig.
4.9.3.2 Darstellung und Verwendung Die Erdalkalimetalle können durch Schmelzelektrolyse oder durch chemische Reduktion hergestellt werden. Technisch wird die Schmelzelektrolyse zur Herstellung von Be und Mg eingesetzt. Will man kompaktes Beryllium gewinnen, muss die Elektrolyse oberhalb des Schmelzpunktes von Be (1 285 (C) durchgeführt werden. Als Elektrolyt wird basisches Berylliumfluorid 2 BeO · 5 BeF2 verwendet. Technisch elektrolysiert man Mischungen von BeCl2 und NaCl bei tieferer Temperatur. Be muss im Vakuum umgeschmolzen werden oder das komprimierte Pulver bei 1 150 (C gesintert werden. Meist wird Be durch Reduktion von BeF2 mit Mg im Graphittiegel hergestellt. +
1 300 C
BeF2 C Mg $$$$% Be C MgF2 80 % der Weltproduktion an Magnesium wird durch Schmelzelektrolyse von MgCl2 hergestellt. +
700K800 C
MgCl2 $$$$$$$% Mg C Cl2 Elektrolyse
ΔH ( Z C642 kJ.mol
Wasserfreies MgCl2 erhält man durch Umsetzung von MgO mit Koks und Chlor. +
1 000K1 200 C
MgO C Cl2 C C $$$$$$$$$% MgCl2 C CO
ΔH ( Z K150 kJ.mol
Das Chlor wird bei der Schmelzelektrolyse zurückgewonnen. MgO wird durch thermische Zersetzung von MgCO3 hergestellt. Als Gesamtreaktion ergibt sich: MgO C C $% Mg C CO
ΔH ( Z C492 kJ.mol
Diese endotherme Reaktion kann auch direkt im elektrischen Ofen bei 2 000 (C durchgeführt werden. Technisch wird calcinierter Dolomit mit Si im Vakuum reduziert.
600
4 Die Elemente der Hauptgruppen +
1 200 C
2 (MgO $ CaO) C Si $$$$$% 2 Mg C Ca2SiO4 Das dampfförmige Magnesium (Sdp. 1 105 (C) wird in einer Kondensationskammer niedergeschlagen. Calcium kann durch Elektrolyse von geschmolzenem CaCl2 (Smp. 772 (C) im Gemisch mit CaF2 oder KCl bei 700 (C hergestellt werden. An den Eisenkathoden, die gerade die Schmelze berühren (Berührungselektrode) scheidet sich Ca flüssig ab. Beim langsamen Heben der Elektroden während der Elektrolyse erstarrt das Metall in langen Stäben. Analog kann Strontium gewonnen werden. Die technische Darstellung von Ca erfolgt derzeit aber aluminothermisch. +
1 200 C
6 CaO C 2 Al $$$$$% 3 Ca (g) C 3 CaO $ Al2O3 Vakuum
Auch Barium wird durch Reduktion von BaO mit Al oder Si bei 1 200 (C im Vakuum hergestellt. 3 BaO C 2 Al $% Al2O3 C 3 Ba 3 BaO C Si $% BaSiO3 C 2 Ba BaO erhält man durch thermische Zersetzung von BaCO3. BaCO3 $% BaO C CO2 Wird BaSO4 als Ausgangsmaterial verwendet, so wird es zuerst in BaCO3 umgewandelt. BaSO4 wird zunächst mit Kohlenstoff reduziert. +
1 000K1 200 C
BaSO4 C 4 C $$$$$$$$$% BaS C 4 CO Aus BaS-Lösungen wird BaCO3 mit CO2 oder Na2CO3 ausgefällt. BaS C Na2CO3 $% BaCO3 C Na2S Bei der Aufarbeitung der Uranerze auf Radium (0,34 g Ra.t U) wird Ra nach Zusatz von BaCl2 zusammen mit dem Ba als Sulfat ausgefällt. Ra und Ba können durch fraktionierende Kristallisation z. B. der Bromide getrennt werden. Aus Salzlösungen kann Ra elektrolytisch an Hg-Elektroden als Amalgam abgeschieden werden. Durch Erhitzen des Amalgams auf 400K700 (C in einer H2-Atmosphäre wird daraus metallisches Ra (Smp. 700 (C) gewonnen. Be ist als Legierungsbestandteil von Bedeutung. Eine Cu-Legierung mit 6K7 % Be ist hart wie Stahl, die thermische und elektrische Leitfähigkeit von Cu bleibt erhalten. Wegen des niedrigen Neutronen-Absorptionsquerschnitts von Be wird es bei Kernreaktionen zur Moderierung von Neutronen benutzt. Da Be Röntgenstrahlung wenig absorbiert, werden daraus die Austrittsfenster in Röntgenröhren hergestellt. Aus Mg werden Legierungen hergestellt, die wegen ihrer geringen Dichte für Flugzeugbau und Raumfahrt wichtig sind. An der Luft ist es bei Raumtemperatur beständig, da es sich mit einer schützenden Oxidschicht überzieht. Elektronmetalle bestehen
4.9 Gruppe 2
601
aus 90 % und mehr Mg sowie Zusätzen von Si, Al, Zn, Mn, Cu; sie sind gegen alkalische Lösungen und Flusssäure beständig. In der Metallurgie dient Mg als starkes Reduktionsmittel. Ca wird in der Metallurgie als Reduktionsmittel zur Darstellung von Ti, Zr, Cr, U verwendet. Strontiumverbindungen sind für Leuchteffekte in der Pyrotechnik geeignet. Ba wird als Gettermetall zur Hochvakuumerzeugung in Elektronenröhren benutzt.
4.9.4 Berylliumverbindungen Beryllium unterscheidet sich als erstes Element der 2. Gruppe stärker von den anderen Elementen der Gruppe als diese sich voneinander unterscheiden. Die Ionisierungsenergie ist wesentlich größer, ebenso die Elektronegativität, der Ionenradius von Be2C ist viel kleiner. Die Be-Verbindungen sind daher kovalenter. Be kann mit zwei sp-Hybridorbitalen lineare BeX2-Moleküle bilden. Diese Elektronenmangelverbindungen streben jedoch durch Erhöhung der Koordinationszahl auf 4 nach einer abgeschlossenen Elektronenkonfiguration. Dies wird auf verschiedenen Wegen erreicht. Dreizentrenbindungen. In (BeH2)n betätigt jedes Be-Atom zwei BeHBe-Dreizentrenbindungen.
Koordinative Bindungen. (BeCl2)n ist kettenförmig aufgebaut und entspricht dem faserförmigen, isoelektronischen SiO2.
Auch in den Raumnetzstrukturen von BeF2 (Cristobalit-Struktur), BeO, BeS (Wurtzit-Struktur) ist Be tetraedrisch koordiniert. Viele Be-Verbindungen erreichen die maximale Koordinationszahl 4, indem sie als Lewis-Säuren fungieren und komplexe Ionen wie [BeF4]2K, [Be (H2O)4]2C bzw. Addukte wie
Cl OR2 bilden. Be Cl OR2
(p-p)π-Bindungen. Nur in der Gasphase werden bei entsprechender Energiezufuhr Elektronenlücken durch π-Bindungen geschlossen. Ein Beispiel ist Berylliumchlorid. Beim Erhitzen wird (BeCl2)n depolymerisiert. Bei 560 (C sind in der Gasphase 20 % dimere Moleküle (BeCl2)2 vorhanden, bei 750 (C fast nur noch monomere BeCl2-Moleküle.
602
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Zwischen isoelektronischen Beryllium-Fluor- und Silicium-Sauerstoff-Verbindungen existieren erstaunliche strukturelle Verwandtschaften. Isotyp sind: Verbindung SiO2 Mg[SiO3] Ca[SiO3] Mg2 [SiO4] Zr[SiO4]
Struktur BeF2 Li[BeF3] Na[BeF3] Na2 [BeF4] Ca[BeF4]
Cristobalit Enstatit Wollastonit Forsterit Zirkon
Berylliumhydrid BeH2 BeH2 ist eine feste, weiße, nichtflüchtige, hochpolymere Substanz (ΔH+ B z 0), die bei 300 (C in die Elemente zerfällt. BeH2 ist luft- und feuchtigkeitsempfindlich und dem Aluminiumhydrid ähnlich, jedoch nicht in Ether löslich. Es bildet eine Kettenstruktur mit kovalenten Bindungen.
Die Be-Atome sind tetraedrisch von 4 H-Atomen umgeben. Jedes Be-Atom betätigt zwei Be d H d Be-Dreizentrenbindungen. Die Darstellung aus den Elementen gelingt nicht. Man erhält BeH2 nach der Reaktion Ether
2 Be (CH3)2 C LiAlH4 $$$% 2 BeH2 C LiAl (CH3)4 oder durch Thermolyse von Bis(tert-butyl)beryllium.
Berylliumhydroxid Be (OH)2 Versetzt man Berylliumsalzlösungen mit Basen, fällt Be (OH)2 als weißer, gallertartiger Niederschlag aus. Dieses frisch gefällte Be (OH)2 ist amphoter. Be (OH)2 C 2 H3OC $% [Be (H2O)4]2C Be (OH)2 C 2 OHK $% [Be (OH)4]2K Beim Kochen oder Stehen altert Be (OH)2, es löst sich dann nur noch schwer in Säuren und Laugen.
4.9 Gruppe 2
603
Berylliumoxid BeO Beim Erhitzen von Be (OH)2 auf 400 (C entsteht BeO als lockeres, weißes Pulver (Smp. 2 530 (C), das sich in Säuren löst. Hochgeglüht ist es säureunlöslich; es wird zur Herstellung von Tiegeln für Reaktionen bei sehr hohen Temperaturen verwendet. Hoher Preis und Giftigkeit begrenzen den Einsatz. BeO hat Wurtzit-Struktur mit tetraedrischer Koordination der Atome und ist sehr hart (Mohs-Härte 9). Berylliumfluorid BeF2 BeF2 (Smp. 552 (C) ist isoelektronisch mit SiO2 und mit diesem strukturell verwandt. Es erstarrt wie SiO2 glasartig. Im kristallinen Zustand ist es oberhalb 516 (C isotyp mit β-Cristobalit, unterhalb 430 (C mit α-Quarz. BeF2 löst sich in Wasser und bildet 2K 3K mit Fluoriden Fluoroberyllate des Typs BeFK 3 , BeF4 , Be2F7 . Berylliumchlorid BeCl2 BeCl2 entsteht durch Erhitzen von Be im trockenen Chlor- oder Hydrogenchloridstrom. Be C Cl2 $% BeCl2 Be C 2HCl $% BeCl2 C H2 Es bildet farblose, hygroskopische, nadelförmige Kristalle (Smp. 430 (C) mit Kettenstruktur. Die Be-Atome sind durch Cl-Brücken verbunden, die Koordination ist annähernd tetradrisch.
BeCl2 löst sich gut in Ether und Alkohol und bildet Additionsverbindungen. Wässrige Lösungen von BeCl2 K und den anderen Be-Salzen K reagieren sauer. [Be (H2O)4]2C C H2O $% [Be (H2O)3 (OH)]C C H3OC
pKS Z 6,5
4.9.5 Magnesiumverbindungen Magnesium ist ein starkes Reduktionsmittel, mit dem bei hohen Temperaturen SiO2 und B2O3 reduziert werden können. Es ist elektropositiver als Be. Mg-Verbindungen sind daher heteropolarer als die analogen Be-Verbindungen. Die bevorzugte Koordinationszahl ist 6. [Mg (H2O)6]2C-Ionen reagieren im Gegensatz zu [Be (H2O)4]2CIonen nur schwach sauer. Magnesiumhydrid MgH2 Aus den Elementen kann MgH2 bei 570 (C und 200 bar dargestellt werden. Mg C H2 $% MgH2
ΔH+ B Z K74 kJ.mol
604
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Außerdem erhält man es durch thermische Zersetzung von Diethylmagnesium im Hochvakuum. +
175 C
Mg (C2H5)2 $$$$% MgH2 C 2 C2H4 MgH2 ist weiß, fest und nichtflüchtig. Es kristallisiert in der Rutil-Struktur, der Bindungscharakter ist ionisch. An trockener Luft ist MgH2 beständig, erst oberhalb 280 (C zerfällt es in die Elemente. Mit Wasser reagiert MgH2 unter H2-Entwicklung. In etherischer Lösung sind die Mischhydride Magnesiumboranat und Magnesiumalanat nach den folgenden Reaktionen herstellbar. 3 MgR2 C 4 (BH3)2 $% 3 Mg (BH4)2 C 2 BR3 MgBr2 C 2 LiAlH4 $% Mg (AlH4)2 C 2 LiBr Magnesiumoxid MgO Mg verbrennt an der Luft mit blendend weißem Licht zu MgO. Mg C 21 O2 $% MgO
+ Z K602 kJ.mol ΔHB
Gemische von Mg mit Oxidationsmitteln wie KClO3 wurden früher als Blitzlichtpulver verwendet. Technisch erhält man MgO durch thermische Zersetzung von MgCO3. MgCO3 $% MgO C CO2 MgO ist weiß (Smp. 2 642 (C) und kristallisiert wie CaO, SrO und BaO in der NaCl-Struktur. Zersetzt man MgCO3 bei 800K900 (C, erhält man „kaustische Magnesia“, ein mit Wasser abbindendes Produkt. Brennt man bei 1 700K2 000 (C, so sintert MgO zu einer mit Wasser nicht mehr abbindenden Masse zusammen, die zur Herstellung hochfeuerfester Steine (Magnesiasteine) und für Laboratoriumsgeräte (Sintermagnesia) verwendet wird. Erhitzt man Magnesiumhydroxid oder basisches Magnesiumcarbonat auf 600 (C, erhält man MgO als lockeres, weißes Pulver (Magnesia usta), das in der Medizin als Neutralisationsmittel Verwendung findet. Mg (OH)2 $% MgO C H2O MgCO3 · Mg (OH)2 $% 2 MgO C H2O C CO2 Mischungen von MgO und konzentrierten MgCl2-Lösungen erhärten steinartig (Magnesiazement, Sorelzement) unter Bildung basischer Chloride vom Typ MgCl2 · 3 Mg (OH)2 · 8 H2O. Sie werden unter Zumischung neutraler Füllstoffe und Farben zur Herstellung künstlicher Steine und fugenloser Fußböden (Steinholz, Kunstmarmor), sowie von künstlichem Elfenbein (Billardkugeln, Kunstgegenstände) verwendet. Da MgO ein guter Wärmeleiter und auch bei hohen Temperaturen ein elektrischer Isolator ist, wird MgO für elektrische Kochplatten benutzt.
4.9 Gruppe 2
605
Magnesiumhydroxid Mg(OH)2 Mg (OH)2 wird aus MgCl2-Lösungen und Kalkmilch Ca (OH)2 hergestellt. MgCl2 C Ca (OH)2 $% Mg (OH)2 C CaCl2 Mg(OH)2 ist ein farbloses Pulver, das in Wasser schwer löslich, in Säuren leicht löslich ist. Als echtes basisches Oxid löst es sich nicht in Laugen. Magnesiumchlorid MgCl2 MgCl2 kristallisiert aus wässriger Lösung bei Normaltemperatur als Hexahydrat [Mg (H2O)6] Cl2. Beim Entwässern des Hexahydrats entstehen unter HCl-Abspaltung basische Chloride, z. B. MgCl2 C H2O $% Mg (OH) Cl C HCl Wasserfreies MgCl2 wird daher durch Entwässern des Hexahydrats in einer HClAtmosphäre hergestellt. MgCl2 ist blättrig-kristallin (Smp. 708 (C) und sehr hygroskopisch. Es kristallisiert in der Schichtstruktur vom CdCl2-Typ. Um das Feuchtwerden von MgCl2-haltigem Kochsalz zu verhindern, wird Na2HPO4 zugesetzt, dadurch wird MgCl2 als MgHPO4 gebunden. Magnesiumfluorid MgF2 MgF2 (Smp. 1265 (C) kristallisiert in der Rutil-Struktur (KZ 6 : 3). Entsprechend den Radienquotienten kristallisiert BeF2 in der Cristobalit-Struktur (KZ 4 : 2) und CaF2 in der Fluorit-Struktur (KZ 8 : 4). MgF2 ist schwer löslich, es wird zur Vergütung auf optische Linsen aufgedampft (Verhinderung von Spiegelungen). Magnesiumcarbonat MgCO3 Natürliches Magnesiumcarbonat (Magnesit) ist das wichtigste Magnesiummineral, das in großen Lagerstätten vorkommt. Es wird überwiegend zur Herstellung von MgO verwendet. Aus Magnesiumsalzlösungen fällt mit Alkalimetallcarbonaten nur bei CO2Überschuss MgCO3 aus, andernfalls entstehen basische Carbonate. Das basische Carbonat 4 MgCO3 · Mg (OH)2 · 4 H2O, ein lockeres weißes Pulver, wird als „Magnesia alba“ in der Medizin als Neutralisationsmittel verwendet, außerdem in Pudern, Putzpulvern und hauptsächlich als weißes Farbpigment und als Füllstoff für Papier und Kautschuk. Magnesiumsulfat MgSO4 MgSO4 bildet eine Reihe von Hydraten. Von 2K48 (C kristallisiert aus wässrigen Lösungen das Heptahydrat MgSO4 · 7 H2O (Bittersalz) aus, das als Abführmittel dient. Es gehört zur Gruppe der Vitriole [Me (H2O)6] SO4 · H2O (Me Z Mg, Mn, Zn, Fe, Ni, Co). Sechs H2O-Moleküle sind oktaedrisch an das Metallatom angelagert,
606
4 Die Elemente der Hauptgruppen
das siebente ist durch Wasserstoffbrücken an das Sulfation gebunden. Beim Erhitzen verliert MgSO4 · 7 H2O bei 150 (C 6 Moleküle Wasser, das siebente erst bei 200 (C. Bittersalz dient als Dünger („Tannendünger“) für Koniferen, da für Chlorophyll Magnesium erforderlich ist.
CH2 H3C
CH3
CH
CH2CH3 N
N Mg
N
N
H3C
CH3 CH2 CH2
COOCH3
O
COOC20H39 Struktur von Chlorophyll a
Magnesium ist noch an einem Imidazolring gebunden, also fünffach koordiniert. Grignardverbindungen Darunter versteht man Verbindungen des Typs RMgX (X Z Halogen, R Z organischer Rest). Man erhält sie durch Einwirkung von Organylhalogeniden RX auf aktiviertes Mg in Donorlösungsmitteln (Ether, Tetrahydrofuran). Man benutzt sie als Alkylierungs- und Arylierungsmittel. Beispiel: SiCl4 C 4 CH3MgI $% Si (CH3)4 C 4 MgClI
4.9.6 Calciumverbindungen Verbindungen des Calciums sind technisch besonders für die Baustoffindustrie von Bedeutung. Calciumhydrid CaH2 CaH2 ist eine weiße, kristalline Masse. Es ist heteropolar aufgebaut und kristallisiert unterhalb 780 (C in der PbCl2-Struktur, darüber in der Fluorit-Struktur. Es wird durch Überleiten von H2 über Ca bei 400 (C hergestellt. Ca C H2 $% CaH2
ΔH+ B Z K186 kJ.mol
4.9 Gruppe 2
607
Mit Wasser reagiert es heftig unter H2-Entwicklung. K1
C1
0
CaH2 C 2 H2 O $% Ca (OH)2 C 2 H2 CaH2 wird zur Wasserstofferzeugung, als Trocken- und Reduktionsmittel verwendet. Calciumoxid CaO (Ätzkalk, gebrannter Kalk) CaO wird großtechnisch durch Erhitzen von CaCO3 (Kalkstein) auf 1000K1200 (C hergestellt (Kalkbrennen). Es entsteht eine weiße, amorphe Masse (Smp. 2 587 (C). CaCO3 $% CaO C CO2
ΔH ( Z C178 kJ.mol
Nach dem MWG entspricht jeder Temperatur ein ganz bestimmter Gleichgewichtsdruck pCO2 (Abb. 4.55), bei 908 (C erreicht er 1,013 bar. Gebrannter Kalk reagiert mit Wasser unter starker Wärmeentwicklung zu Ca (OH)2 (Kalklöschen). CaO C H2O $% Ca (OH)2
ΔH ( Z K 65 kJ.mol
Aus gelöschtem Kalk wird Luftmörtel (vgl. S. 610) hergestellt. Hauptsächlich wird CaO bei der Stahlproduktion gebraucht. Außerdem dient CaO zur Herstellung von CaC2 und Chlorkalk, wird bei der Glasfabrikation, bei der Sodasynthese und als basischer Zuschlag im Hochofen verwendet. Bei starkem Erhitzen mit einer Knallgasflamme strahlt CaO ein helles, weißes Licht aus (Drummond’sches Kalklicht).
Abbildung 4.55 Dissoziationsdrücke pCO2 der Erdalkalimetallcarbonate. Da die Basizität der Hydroxide mit zunehmender Ordnungszahl stärker wird, nimmt auch die Temperatur, bei der der Dissoziationsdruck 1 bar erreicht, vom MgCO3 zum BaCO3 zu.
Calciumhydroxid Ca (OH)2 Im trockenen Zustand ist Ca (OH)2 ein weißes Pulver, das bei 450 (C Wasser abspaltet. +
450 C
Ca (OH)2 $$$$% CaO C H2O
608
4 Die Elemente der Hauptgruppen
In Wasser löst sich nur wenig Ca (OH)2 (1,26 g in 1 l bei 20 (C), die Lösung heißt Kalkwasser, sie reagiert stark basisch. Eine Suspension von Ca (OH) 2 heißt Kalkmilch, sie dient als weiße Anstrichfarbe. Ca (OH)2 wird als billigste Base industriell verwendet (vgl. Herstellung von Chlorkalk und Soda). Calciumchlorid CaCl2 CaCl2 entsteht technisch als Abfallprodukt bei der Sodaherstellung. Aus wässrigen Lösungen kristallisiert das Hexahydrat [Ca (H2O)6]Cl2 aus, das im Gegensatz zum [Mg (H2O)6]Cl2 durch Erhitzen zum wasserfreien CaCl2 entwässert werden kann. CaCl2 ist weiß (Smp. 772 (C), sehr hygroskopisch und wird als Trockenmittel für Gase verwendet. CaCl2 löst sich exotherm (ΔH( Z K83 kJ.mol), [Ca (H2O)6]Cl2 endotherm (ΔH( Z C14 kJ.mol). Aus Wasser und Calciumchlorid lassen sich flüssige Kältemischungen bis K55 (C herstellen. Es wird als Frostschutzmittel gegen Straßenvereisung eingesetzt. Calciumcarbonat CaCO3 CaCO3 kristallisiert in drei Modifikationen: Calcit (Kalkspat), Aragonit, Vaterit. Beständig ist Calcit (vgl. Abb. 2.20). Aus Calcitkristallen bestehen Kalkstein, Kreide und Marmor. Kalkstein ist ein durch Ton verunreinigtes feinkristallines CaCO3. Bei stärkeren Tongehalten (10K90 % Ton) wird er als Mergel bezeichnet. Kreide ist CaCO3, gebildet aus Schalentrümmern von Einzellern in der Kreidezeit. Marmor ist sehr reiner grobkristalliner Calcit. Er entsteht durch Metamorphose aus Kalkstein bei hohen Drücken und Temperaturen. Perlen bestehen aus Aragonit. Die Weltförderung von Kalkstein und Dolomit beträgt ca. 2 Milliarden t.a. Das schwer lösliche CaCO3 wird durch CO2-haltige Wässer als Ca (HCO3)2 gelöst. Die durch CaSO4 und Ca (HCO3)2 verursachte Wasserhärte und ihre Beseitigung wurde bereits an anderer Stelle (S. 530) besprochen. Calciumsulfat CaSO4 In der Natur findet man Gips CaSO4 · 2 H2O und Anhydrit CaSO4. Eine Varietät des Gipses ist Alabaster. Aus wässrigen Lösungen kristallisiert CaSO4 unterhalb 66 (C als Gips, oberhalb 66 (C als Anhydrit. Bei 120 (C geht Gips in „gebrannten Gips“ über +
120K130 C
CaSO4 $ 2 H2O $$$$$$$% CaSO4 $ 0,5 H2O Mit Wasser erhärtet dieser rasch wieder zu einer aus Gipskristallen bestehenden festen Masse. Er wird im Baugewerbe, in der keramischen Industrie und in der Bildhauerei verwendet. Weiteres Erhitzen von gebranntem Gips führt zu Stuckgips. +
130K180 C
CaSO4 $ 0,5 H2O $$$$$% CaSO4 $ (0,18 K 0,48) H2O
4.9 Gruppe 2
609
Bei 190K200 (C entsteht wasserfreier Stuckgips, der so schnell abbindet, dass er praktisch nicht verwendbar ist. Bei 500 (C verliert dieser Stuckgips seine Abbindefähigkeit. Bei 800K900 (C entsteht Estrichgips, der langsam (in Tagen) abbindet und hydraulische Eigenschaften aufweist, während Stuckgips in 10K20 Minuten abbindet und unter Wasser erweicht. Bei 1 000K1 200 (C entsteht totgebrannter Gips, der sich wie natürlicher Anhydrit praktisch nicht mit Wasser umsetzt. Oberhalb 1 200 (C erfolgt thermische Zersetzung. CaSO4 $% CaO C SO2 C 21 O2 Calciumphosphate Calciumdihydrogenphosphat, Ca (H2PO4)2 ist der Hauptbestandteil von PhosphatDüngemitteln und wird aus den Phosphat-Erzen Phosphorit und den verschiedenen Apatiten durch sauren Aufschluss mit Schwefel- oder Phosphorsäure gewonnen (vgl. S. 499). Es ist außerdem in vielen Backpulvern und in Zahnpflegemitteln enthalten. Calciumhydrogenphosphat, CaHPO4 wird auch Dicalciumphosphat genannt und kommt in der Natur als Monetit und im Dihydrat als Brushit vor. Calciumphosphat Ca3 (PO4)2 (Tricalciumphosphat) liegt im Fluorapatit Ca5 (PO4)3F (häufigster Apatit), Hydroxylapatit Ca5 (PO4)3OH, Chlorapatit Ca5 (PO4)3Cl, Carbonatapatit bzw. Carbonat-Fluor-Apatit und in sedimentären marinen Phosphaterzen (Phosphorit) vor. Aus Hydroxylapatit besteht die harte Substanz der Zähne, aus Hydroxylapatit im Gemisch mit Calciumcarbonat die Knochen des menschlichen Körpers. Keramische Werkstoffe auf der Basis von Hydroxylapatiten gewinnen als resorbierbarer Knochenersatz bei Implantationen zunehmend an Bedeutung. Nierensteine enthalten mitunter Tricalciumphosphat. Di- und Tricalciumphosphat werden als Putz- u. Poliermittel in der Zahnmedizin, in der Email-, Glas- und Porzellanfabrikation zur Verstärkung der Weißeffekte und zur Herstellung von Milchglas eingesetzt. Bei Zucker und Salz dienen sie als Rieselhilfe (1 %). Tetracalciumphosphat, Ca3 (PO4)2 · CaO oder Ca4P2O9 ist als Calciumsilicophosphat (z. B. Ca4P2O9 · Ca2SiO4) im Thomasmehl (s. S. 844) enthalten und geht als Dünger im Boden mit Wasser und Kohlendioxid in Calciumhydrogenphosphat über. Calciumcarbid CaC2 CaC2 wird zu Acetylen und Kalkstickstoff weiterverarbeitet. CaC2 wird daher großtechnisch aus Kalk und Koks im Lichtbogen eines elektrischen Ofens hergestellt. 2 000K2 200(C
CaO C 3 C dddddd/ 1dddddd CaC2 C CO
ΔH( Z C465 kJ.mol
Unterhalb von 1 600 (C läuft die Reaktion nach links. Struktur und Reaktionen von CaC2 wurden bereits behandelt (vgl. S. 525).
610
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Bei der Herstellung von CaC2 entsteht aus Calciumphosphat-Verunreinigungen des Kalks Calciumphosphid. Ca3 (PO4)2 C 8 C $% Ca3P2 C 8 CO Bei der Reaktion von Carbid mit Wasser entsteht deshalb nicht nur das geruchlose Acetylen, sondern auch etwas Phosphan PH3, das den unangenehmen „Carbidgeruch“ verursacht. Wegen der abnehmenden Bedeutung von Acetylen ist die CaC2-Produktion stark rückläufig. Kalkstickstoff Aus CaC2 entsteht bei 1 100 (C mit Stickstoff ein Gemisch aus Calciumcyanamid und Kohlenstoff, das als Kalkstickstoff bezeichnet wird. CaC2 C N2 $% CaCN2 C C
ΔH( Z K291 kJ.mol
CaCN2 ist das Calciumsalz des Cyanamids H2NdC^Nl. Es wird als Düngemittel verwendet, da es im Boden unter Einwirkung von Wasser und Bakterien in Ammoniak übergeht. CaCN2 C 3 H2O $% CaCO3 C 2 NH3 Mörtel Mörtel sind Bindemittel, die mit Wasser angerührt erhärten und zur Verkittung von Baumaterial oder als Verputz dienen. Man unterscheidet Luftmörtel, der von Wasser angegriffen wird, und Wassermörtel, der wasserbeständig ist. Luftmörtel Kalkmörtel besteht aus einem Brei von gelöschtem Kalk und Sand. Die Erhärtung beruht auf der Bildung von CaCO3 mit dem CO2 der Luft. Sand und Bausteine werden dadurch verbunden. Ca (OH)2 C CO2 $% CaCO3 C H2O Gipsmörtel. Gips schwindet nicht wie Kalk, sondern dehnt sich um 1 % aus. Stuckgips ist wegen der Volumenvergrößerung für Gipsabgüsse geeignet. Außerdem wird er für Gießformen, schmückende Bauteile an Decken und Wänden und Rabitzwände verwendet. Aus Estrichgips werden hauptsächlich Fußböden hergestellt. Wassermörtel Zement entsteht durch Brennen von Gemischen aus Kalkstein und Ton bei 1 450 (C. Die Hauptbestandteile sind Dicalciumsilicat 2 CaO · SiO2, Tricalciumsilicat 3 CaO · SiO2, Tricalciumaluminat 3 CaO · Al2O3 und Calciumaluminatferrit
4.9 Gruppe 2
611
2 CaO · Al2O3 · Fe2O3. Die Strukturen sind noch nicht geklärt. Die weltweite Jahresproduktion von Zement liegt bei 2 Milliarden t. Beim Abbinden entstehen kompliziert zusammengesetzte Hydrate. Zementmörtel erhärtet auch unter Wasser.
4.9.7 Bariumverbindungen Lösliche Bariumsalze, z. B. BaCl2, sind giftig. BaCO3 wird als Mäuse- und Rattengift verwendet. Ba (NO3)2 dient in der Pyrotechnik als „Grünfeuer“. Bariumsulfat BaSO4 BaSO4 (Smp. 1 350 (C) ist die wichtigste natürliche Bariumverbindung (Weltförderung 2 000 6 · 106 t) und Ausgangsmaterial für die Gewinnung anderer Bariumsalze (vgl. S. 600). BaSO4 ist wasserunlöslich und chemisch sehr beständig. Erst oberhalb 1 400 (C zersetzt es sich. +
1 400 C
BaSO4 $$$$$% BaO C SO2 C 21 O2 BaSO4 wird als weiße Malerfarbe (Permanentweiß) verwendet. Größere Deckkraft besitzen die Lithopone, Mischungen aus BaSO4 und ZnS. Man erhält sie durch Umsetzung von BaS mit ZnSO4 und anschließendes Glühen bei 850 (C. BaS C ZnSO4 $% BaSO4 C ZnS Sie besitzen nahezu die Deckkraft von Bleiweiß, dunkeln aber nicht wie dieses nach, sind aber weitgehend durch TiO2-Pigmente verdrängt worden. BaSO4 wird als Füllstoff in der Papier- und Gummiindustrie verwendet. Da Bariumionen Röntgenstrahlen gut absorbieren, wird BaSO4 als Kontrastmittel bei Röntgenuntersuchungen im Magen- und Darmbereich verwendet. Gelöste Ba2C-Ionen sind zwar giftig, aber BaSO4 ist so schwer löslich, dass es unverändert wieder ausgeschieden wird. Bariumoxid BaO. Bariumhydroxid Ba (OH)2 BaO (Smp. 1 923 (C) kristallisiert in der NaCl-Struktur. Es entsteht beim Erhitzen von Ba im Sauerstoffstrom. Technisch wird es durch Zersetzung von BaCO3 in Gegenwart von Kohle hergestellt. BaCO3 C C $% BaO C 2 CO Mit Wasser reagiert BaO zu Bariumhydroxid. BaO C H2O $% Ba (OH)2 Die wässrigen Ba (OH)2-Lösungen (Barytwasser) reagieren stark alkalisch. Aus ihnen kristallisiert das Hydrat Ba (OH)2 · 8 H2O aus.
612
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Bariumperoxid BaO2 Es wird technisch aus BaO bei 500K600 (C und 2 bar im Luftstrom hergestellt. 500 (C
2 BaO C O2 ddd/ 1ddd 2 BaO2
ΔH( Z K143 kJ.mol
Bei höherer Temperatur und vermindertem Druck wird der Sauerstoff wieder abgegeben (s. S. 440). Mit verdünnten Säuren reagiert BaO2 zu H2O2. Es wird zum Bleichen und als Entfärbungsmittel für Bleigläser verwendet. Ein Gemisch von BaO2 und Mg dient als Zündkirsche beim aluminothermischen Verfahren.
4.10 Gruppe 1 (Alkalimetalle) Lithium Li
Natrium Na
Kalium K
Rubidium Rb
Caesium Cs
Ordnungszahl Z Elektronenkonfiguration Ionisierungsenergie in eV Elektronegativität Ionenradius r (MeC) für KZ 6 in pm Hydratationsenthalpie von MeC in kJ.mol Reaktivität Reduktionsvermögen
3 [He] 2s1 5,4 1,0 76
11 [Ne] 3s1 5,1 1,0 102
19 [Ar] 4s1 4,3 0,9 138
37 [Kr] 5s1 4,2 0,9 152
55 [Xe] 6s1 3,9 0,9 167
K519
K406
K322
K293
K264
Flammenfärbungen
karminrot
violett
blau
nimmt zu $% nimmt zu $% gelb
violett
4.10.1 Gruppeneigenschaften Die Alkalimetalle stehen in der 1. Gruppe des PSE. Sie haben die Valenzelektronenkonfiguration s1. Das s-Elektron wird leicht unter Bildung positiver Ionen abgegeben. Daher sind Alkalimetalle die reaktivsten Metalle und gehören zu den stärksten Reduktionsmitteln. Reaktivität und Reduktionsfähigkeit nehmen mit der Ordnungszahl Z zu. In ihren Verbindungen treten sie fast ausschließlich in der Oxidationszahl C1 auf. Unter hohem Druck verhalten sich aber K, Rb und Cs wie Übergangsmetalle, da das s-Elektron in ein d-Niveau wechselt. Li und Na reagieren mit Wasser unter H2-Entwicklung zum Hydroxid, ohne dass es zur Entzündung von H2 kommt. Dagegen reagieren K und Rb unter spontaner Entzündung des Wasserstoffs, Cs reagiert explosionsartig. Die Hydroxide sind starke Basen. Wasserstoff wird zum Hydridion reduziert. Na C 21 H2 $% NaCHK
4.10 Gruppe 1
613
Die thermische Stabilität der im NaCl-Gitter kristallisierenden Hydride nimmt mit Z ab, die Reaktivität zu. Mit Sauerstoff reagiert Li unterhalb 130 (C langsam zu Li2O. Dagegen verbrennen Na zum Peroxid Na2O2 und K, Rb, Cs zu Hyperoxiden MeO2. Die Halogenide sind stabile Ionenverbindungen, die mit Ausnahme von CsCl, CsBr und CsI (CsCl-Struktur) in der NaCl-Struktur kristallisieren. Die einzigen gut löslichen Carbonate sind die Alkalimetallcarbonate, Ammoniumcarbonat und Thalliumcarbonat Tl2CO3 (als einziges gut lösliches Schwermetallcarbonat). Die Alkalimetalle geben charakteristische Flammenfärbungen. In flüssigem Ammoniak lösen sich Alkalimetalle unter Bildung solvatisierter Elektronen (s. Abschn. 4.6.4). C und RbC liegt, ähneln Da der Ionenradius von NHC 4 zwischen den Radien von K Ammoniumverbindungen den entsprechenden Alkalimetallverbindungen. Lithium unterscheidet sich in einigen Eigenschaften von den anderen Alkalimetallen und ähnelt darin K hauptsächlich auf Grund des ähnlichen Ionenradius K Magnesium (Schrägbeziehung im PSE). Beispiele für die Ähnlichkeit: Die Löslichkeiten und Basizitäten von LiOH und Mg (OH)2 sind ähnlich. Die Phosphate, Carbonate und Fluoride von Li und Mg sind schwer löslich. Li2CO3 und MgCO3 sind leicht thermisch zu zersetzen. Mit N2 bilden sich die Nitride Li3N und Mg3N2, die zu NH3 hydrolysieren. Alle anderen Alkalimetalle bilden keine Nitride. LiCl und MgCl2 sind im Gegensatz zu NaCl hygroskopisch. Die Oxidation im O2-Strom führt zu den normalen Oxiden Li2O und MgO. Na bildet ein Peroxid, die anderen Alkalimetalle Hyperoxide. Alle Isotope des Elements Francium sind radioaktiv, das längstlebige Isotop 223 87Fr hat eine Halbwertszeit von 21,8 Minuten. In seinen Eigenschaften ist Fr ein typisches Alkalimetall mit s1-Konfiguration und einer Ionisierungsenergie von 3,8 eV. Es schmilzt bei etwa 30 (C und bildet analog zu den anderen schweren Alkalimetallen die schwer löslichen Verbindungen FrClO4 und Fr2PtCl6.
4.10.2 Vorkommen Wegen ihrer großen Reaktivität kommen die Alkalimetalle in der Natur gebunden vor. Wichtige Lithiummineralien sind: Amblygonit (Li, Na) AlPO4 (F, OH); Spodumen LiAl [Si2O6], ein Silicat mit Kettenstruktur; Lepidolith KLi1,5Al1,5 [AlSi3O10] (OH, F)2, ein Glimmer; Petalit (Kastor) Li [AlSi4O10], ein Tektosilicat. Natrium und Kalium gehören zu den 10 häufigsten Elementen der Erdkruste.
614
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Die meistverbreiteten Natriummineralien sind Tektosilicate: Natronfeldspat (Albit) Na [AlSi3O8]; Kalk-Natron-Feldspate (Plagioklase), Mischkristalle zwischen Albit und Anorthit Ca [Al2Si2O8]. In großen Lagerstätten kommen vor: Steinsalz NaCl, Soda Na2CO3 · 10 H2O, Trona Na2CO3 · NaHCO3 · 2 H2O, Thenardit Na2SO4, Kryolith Na3 [AlF6] (weitgehend abgebaut). Große Mengen NaCl sind im Meerwasser gelöst. Es enthält etwa 3 % NaCl, die zehnfache Menge der Vorkommen an festem NaCl. Die wichtigsten Kaliumverbindungen kommen wie NaCl in Salzlagerstätten vor: Sylvin KCl, Carnallit KCl · MgCl2 · 6 H2O, Kainit KCl · MgSO4 · 3 H2O. Die häufigsten Kaliummineralien sind Silicate, z. B. der Kalifeldspat K [AlSi3O8] und der Kaliglimmer Muskovit KAl2 [AlSi3O10] (OH, F)2. Rubidium und Caesium sind Begleiter der anderen Alkalimetalle. Lepidolith enthält ca. 1 % Rb. Ein seltenes Mineral ist das Tektosilicat Pollux Cs [AlSi2O6] · 0,5 H2O. In der Natur kommen die radioaktiven Isotope 40K (Isotopenhäufigkeit 10K2 %) und 87Rb (Isotopenhäufigkeit 28 %) vor. Ihr Zerfall wird zu Altersbestimmungen (vgl. S. 18) genutzt.
4.10.3 Die Elemente Li Kristallstruktur Schmelzpunkt in (C Siedepunkt in (C Sublimationsenthalpie in kJ.mol Dichte bei 20 (C in g.cm3 Dissoziationsenergie von Me2-Molekülen in kJ.mol Standardpotential in V
Na
K
kubisch-raumzentriert 181 98 64 1347 881 754 155 109 90 0,53 0,97 0,86 111 75 51 K3,04
K2,71
K2,92
Rb
Cs
39 688 86 1,53 49
28 705 79 1,90 45
K2,92
K2,92
4.10.3.1 Physikalische und chemische Eigenschaften Die Alkalimetalle sind weiche Metalle (sie lassen sich mit dem Messer schneiden) und von geringer Dichte. Li, Na, K sind leichter als Wasser, Li ist das leichteste aller festen Elemente. Li, Na, K, Rb sind silberweiß, Cs hat einen Goldton. Alle Alkalimetalle kristallisieren in der kubisch-raumzentrierten Struktur, Li und Na bei tiefen Temperaturen in der hexagonal-dichtesten Packung. Schmelzpunkte, Siedepunkte und Sublimationsenthalpien sind niedrig und nehmen mit steigender Ordnungszahl Z ab. Die Gasphase besteht überwiegend aus Atomen und einem geringen Anteil von zweiatomigen Molekülen. Die kleine, mit Z abnehmende Dissoziationsenergie der Me2-Moleküle spiegelt die abnehmende Fähigkeit zu kovalenten Bindungen wider.
4.10 Gruppe 1
615
Die Standardpotentiale sind stark negativ und werden vom Na zum Cs negativer, dem entspricht eine Zunahme des elektropositiven Charakters. Li besitzt einen anomal hohen negativen Wert des Standardpotentials, ist also am unedelsten. Für die Größe des Standardpotenzials eines Redoxpaares Me.MeC ist die Energiedifferenz zwischen festem Metall Me(s) und den Me-Ionen in der Lösung MeC(aq) entscheidend. Dieser Übergang kann in drei Einzelreaktionen zerlegt werden. 1. Me (s) $% Me (g) Dafür ist die Sublimationsenthalpie erforderlich. 2. Me (g) $% MeC(g) C eK Es muss die Ionisierungsenergie aufgewandt werden. Es wird die Hydratationsenthalpie gewonnen. 3. MeC (g) $% MeC(aq) Die besonders große Hydratationsenthalpie des LiC-Ions führt zu einer günstigen Energiebilanz des Gesamtprozesses und zu dem hohen Wert des Standardpotentials. Wegen ihres unedlen Charakters laufen die Metalle an feuchter Luft an, es bildet sich eine Hydroxidschicht; sie werden daher unter Petroleum aufbewahrt. In mit P4O10 getrocknetem Sauerstoff behält dagegen z. B. Na tagelang seinen metallischen Glanz.
4.10.3.2 Darstellung und Verwendung Verbindungen unedler Metalle sind chemisch nur schwer zum Metall zu reduzieren. Unedle Metalle werden daher häufig durch elektrochemische Reduktion gewonnen. Durch Elektrolyse wässriger Lösungen ist ihre Herstellung nicht möglich, da die unedlen Metalle hohe negative Standardpotentiale besitzen und sich Wasserstoff und nicht Metall abscheidet. Man elektrolysiert daher geschmolzene Salze, die die betreffenden Metalle als Kationen enthalten. Durch Schmelzelektrolyse werden technisch die Alkalimetalle Li und Na hergestellt, außerdem Be, Mg und in riesigen Mengen Al. Zur elektrolytischen Gewinnung von Natrium kann man NaOH (Castner-Verfahren) oder NaCl (Downs-Verfahren) verwenden. Beim jetzt fast ausschließlich angewandten Downs-Verfahren wird die Schmelztemperatur (Smp. NaCl 808 (C) durch Zusatz von ca. 60 % CaCl2 auf etwa 600 (C herabgesetzt. Bei zu hoher Elektrolysetemperatur löst sich das entstandene Na in der Schmelze. Kathodenreaktion: 2 NaC C 2 eK $% 2 Na Anodenreaktion:
2 ClK $% Cl2 C 2 eK
Technische Einzelheiten sind in der Abb. 4.56 dargestellt. Lithium wird durch Schmelzelektrolyse eines eutektischen Gemisches von LiCl und KCl bei 450 (C dargestellt. LiCl erhält man durch alkalischen Aufschluss von Spodumen. Im Labor wird Li auch durch Elektrolyse einer Lösung von LiCl in Pyridin gewonnen.
616
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Abbildung 4.56 Downs-Zelle für die Schmelzelektrolyse von NaCl. Die Schmelztemperatur wird durch CaCl2 auf 600 (C herabgesetzt. Pro kg Natrium werden 11 kWh benötigt.
Kalium wird durch Reduktion von geschmolzenem KCl mit metallischem Na bei 850 (C hergestellt. Es entsteht eine K-Na-Legierung, aus der reines K durch Destillation gewonnen wird. Rubidium und Caesium werden durch chemische Reduktion hergestellt, z. B. durch Erhitzen der Dichromate mit Zirconium im Hochvakuum. +
500 C
Cs2Cr2O7 C 2 Zr $$$$% 2 Cs C 2 ZrO2 C Cr2O3 Man kann auch die Hydroxide mit Mg im H2-Strom oder die Chloride mit Ca im Hochvakuum reduzieren. Li dient in der Metallurgie als Legierungsbestandteil zum Härten von Blei, Magnesium und Aluminium. Wegen der geringen Dichte werden Lithiumlegierungen im Flugzeugbau verwendet. Für die Technik am wichtigsten ist Lithiumcarbonat Li2CO3. Es wird bei der Aluminiumherstellung und in der Glas- und Keramikindustrie benutzt. Mit Lithiumionen behandelt man psychische Erkrankungen, z. B. manische Depressionen. 6Li2H wird bei der Kernfusion verwendet (vgl. S. 24). Na ist Ausgangsstoff zur Herstellung von Na2O2, NaNH2, NaH, NaCN. Na-PbLegierungen dienen zur Herstellung des Antiklopfmittels Tetraethylblei Pb (C2H5)4. Diese bisher wichtigste Verwendung von Natrium für Kraftstoffe geht stark zurück, da die Produktion von Tetraethylblei allmählich eingestellt wird. Beim Hunter-Verfahren (s. S. 787) wird TiCl4 mit Na zu Titanmetall reduziert. In der Beleuchtungstechnik verwendet man Na für Natriumdampfentladungslampen, in Schnellbrutreaktoren dient flüssiges Natrium als Kühlmittel. Im Labor ist es ein wichtiges Reduktionsmittel und wird zur Trocknung organischer Lösungsmittel (Ether, Benzol) verwendet. Die Alkalimetalle spalten bei Bestrahlung mit UV-Strahlung Elektronen ab (photoelektrischer Effekt). Am geeignetsten ist Cs, es wird daher für Photozellen benutzt.
4.10 Gruppe 1
617
137
Cs wird in der Medizin als Strahlenquelle verwendet. Es ist ein β-Strahler mit einer Halbwertszeit von 30 Jahren.
4.10.4 Verbindungen der Alkalimetalle 4.10.4.1 Hydride Alkalimetalle reagieren mit Wasserstoff zu stöchiometrischen, thermodynamisch stabilen Hydriden. Sie kristallisieren in der NaCl-Struktur, die Gitterpunkte werden von Alkalimetallkationen und HK-Ionen besetzt. Die berechneten Gitterenergien (Abb. 4.60) liegen zwischen denen der Alkalimetallfluoride und Alkalimetallchloride. Die Bildungsenthalpien ΔH+ B (Abb. 4.60) sind kleiner als die der Alkalimetallhalogenide, da bei den Halogenen die Reaktion 21 X2 C eK $% XK exotherm ist, während beim Wasserstoff die Reaktion 21 H2 C eK $% HK endotherm ist (vgl. S. 386). Die kovalenten Bindungsanteile nehmen in Richtung LiH zu. Die thermische Stabilität nimmt vom LiH zum CsH ab. RbH z. B. ist sehr reaktiv, entzündet sich an der Luft und verbrennt zu RbO2 und H2O. Lithiumhydrid LiH ist das stabilste Alkalimetallhydrid (Smp. 686 (C). Es kann aus den Elementen bei 600 (C dargestellt werden. Li C 0,5 H2 $% LiH
ΔH+ B Z K91 kJ.mol
Die Schmelze leitet den elektrischen Strom, bei der elektrolytischen Zersetzung entwickelt sich an der Anode Wasserstoff. Mit Wasser entwickelt LiH Wasserstoff, pro kg 2,8 m3 H2. K1
0
C1
LiH C HOH $% LiOH C H2 In etherischen Lösungen reagiert LiH mit vielen Halogeniden zu Doppelhydriden. 4 LiH C AlCl3 $% LiAlH4 C 3 LiCl Lithiumhydridoaluminat ist ein wichtiges selektives Reduktionsmittel. Natriumhydrid NaH entsteht bei 300 (C aus den Elementen. Na C 0,5 H2 $% NaH
ΔH+ B Z K57 kJ.mol
Mit Wasser reagiert NaH stärker als Na, so dass es zur Beseitigung letzter Wasserspuren geeignet ist. NaH wird als Reduktionsmittel verwendet. Beispiele:
+
200 C
2 BF3 C 6 NaH $$$$$$$$% B2H6 C 6 NaF BF3
+
Ether.125 C
C 4 NaH $$$$$$$$% NaBH4 C 3 NaF (CH3)2O
AlBr3 C 4 NaH $$$$$$$$% NaAlH4 C 3 NaBr +
400 C
TiCl4 C 4 NaH $$$$$$$$% Ti C 4 NaCl C 2 H2
618
4 Die Elemente der Hauptgruppen
4.10.4.2 Sauerstoffverbindungen K2
K1
K1.2
Alle Alkalimetalle bilden Oxide Me2O , Peroxide Me2O2 und Hyperoxide MeO2 mit den Anionen O2K, O2K und OK 2 2 (vgl. S. 441). K2.3
K1.3
Es gibt außerdem Sauerstoffverbindungen des Typs Me4O6, Ozonide MeO3 und Suboxide mit Oxidationszahlen des Alkalimetalls ! 1. Erhitzt man Alkalimetalle an der Luft, entsteht aus Li das Oxid Li2O, aus Na das Peroxid Na2O2, während die schwereren Alkalimetalle die Hyperoxide KO2, RbO2, CsO2 bilden. Oxide Me2O. Die Oxide Me2O mit Me Z Li, Na, K, Rb kristallisieren in der Antifluorit-Struktur (vgl. Abb. 2.10), Cs2O in der Anti-CdCl2-Struktur (vgl. S. 138). Li2O und Na2O sind weiß, K2O ist gelblich, Rb2O gelb und Cs2O orange. Die Verbindungen sind thermisch ziemlich stabil und zersetzen sich erst oberhalb 500 (C. Li2O (Smp. 1570 (C) entsteht auch bei der thermischen Zersetzung von LiOH, Li2CO3 und LiNO3. Es wird in der Glasindustrie als Flussmittel verwendet. Na2O (Smp. 920 (C) ist hygroskopisch, man erhält es aus Natriumperoxid mit Natrium. Na2O2 C 2 Na $% 2 Na2O In sehr reiner Form entsteht es nach der Reaktion NaNO3 C 5 NaN3 $% 3 Na2O C 8 N2 Peroxide Me2O2. Na2O2 (vgl. S. 439) entsteht durch Verbrennung von Na im Sauerstoffstrom. 2 Na C O2 $% Na2O2
ΔH ( Z K505 kJ.mol
Es ist bis 500 (C thermisch stabil und ein kräftiges Oxidationsmittel, das technisch zum Bleichen (Papier, Textilrohstoffe) verwendet wird. Mit oxidierbaren Substanzen eine reagiert es oft explosionsartig. Wässrige Lösungen reagieren alkalisch, da O2K 2 Anionenbase ist. K O2K 2 C 2 H2O $% 2 OH C H2O2
Li2O2 wird industriell aus LiOH · H2O mit H2O2 hergestellt. LiOH $ H2O C H2O2 $% LiOOH $ H2O C H2O Erhitzen
2 LiOOH $ H2O $$$$$% Li2O2 C H2O2 C 2 H2O Li2O2 zersetzt sich oberhalb 195 (C in Li2O. K2O2, Rb2O2, Cs2O2 werden durch Oxidation der Metalle in flüssigem NH3 bei K60 (C dargestellt. Peroxide reagieren mit Säure bzw. H2O unter Bildung von H2O2. Me2O2 C H2SO4 $% Me2SO4 C H2O2
4.10 Gruppe 1
619
Mit CO2 wird O2 freigesetzt. Me2O2 C CO2 $% Me2CO3 C 21 O2 Na2O2 und K2O2 finden daher Verwendung in der Unterwassertechnik und Feuerwehrtechnik, das leichtere Li2O2 in der Raumfahrttechnik. Sie absorbieren ausgeatmetes Kohlenstoffdioxid und setzen Sauerstoff frei. Hyperoxide MeO2. Bei der Oxidation mit Luftsauerstoff reagieren K, Rb, Cs zu Hyperoxiden. K C O2 $% KO2 ΔH ( Z K285 kJ.mol Hyperoxide sind nur mit den großen Alkalimetallkationen stabil. LiO2 wurde bei 15 K mit der Matrixtechnik isoliert. Es zersetzt sich bereits bei K33 (C in Li2O2. NaO2 erhält man durch Oxidation bei hohen Drücken. 150 bar
Na C O2 $$$$$% NaO2 + 450 C
Oberhalb 67 (C zersetzt es sich in Na2O2. KO2, orange (Smp. 380 (C), RbO2, dunkelbraun (Smp. 412 (C), CsO2, orange (Smp. 432 (C) kristallisieren in der tetragonalen CaC2-Struktur (Abb. 4.57).
Abbildung 4.57 Struktur der Hyperoxide MeO2 (Me Z K, Rb, Cs). Die Struktur lässt sich von der des NaCl ableiten. Die NaC-Positionen sind von MeC-Ionen K K besetzt, die ClK-Plätze von O2 -Ionen. Da die O2 -Hanteln parallel zur z-Achse liegen, entsteht tetragonale Symmetrie.
Durch kontrollierte thermische Zersetzung von KO2, RbO2, CsO2 erhält man Sauund erstoffverbindungen des Typs Me4O6. Es sind Doppeloxide mit den Ionen O2K 2 C 2K K OK 2 : (Me )4 (O2 ) (O2 )2. Phasenrein entsteht Rb4O6 durch Festkörperreaktion aus Rb2O2 und RbO2 bei 200 (C. Ozonide MeO3. Die Ozonide MeO3 mit Me Z Na, K, Rb, Cs, die das paramagnetische Ion OK 3 enthalten, können bei niedriger Temperatur durch Einwirkung von Ozon auf MeOH dargestellt werden.
620
4 Die Elemente der Hauptgruppen
3 MeOH (s) C 2 O3 $% 2 MeO3 (s) C MeOH $ H2O (s) C 21 O2 Suboxide. Von Cs sind 9 Verbindungen mit Sauerstoff bekannt. Außer den schon besprochenen existieren noch folgende Suboxide: Cs7O
Cs4O
bronzefarben, Smp. 4 (C
rotviolett, schmilzt inkongruent bei 10 (C
Cs11O3
violett, schmilzt inkongruent bei 52 (C
Cs3CxO nicht stöchiometrisch, obere Zusammensetzung Cs4O; Zers. 166 (C
Von Rb sind zwei Suboxide bekannt: +
K7 C
2 Rb6O $$$$% Rb9O2 C 3 Rb
kupferfarben, schmilzt inkongruent bei 40 (C
Das Suboxid Cs11O3 ist aus Cs11O3-Clustern (Abb. 4.58) aufgebaut, in denen drei OCs6-Oktaeder über gemeinsame Flächen verknüpft sind. Die Bindung innerhalb der Cluster ist ionogen. Unter der Annahme der Oxidationszahl C1 für Cs und K2 für O sind die Cluster fünffach positiv geladen, sie werden durch die überschüssigen Elektronen metallisch aneinander gebunden: (Cs11O3)5C5eK. Die Sauerstoff-MetallAbstände sind etwas kleiner als die Summe der Ionenradien, die Metallabstände zwischen den Clustern entsprechen denen im reinen Metall, die Metallabstände innerhalb der Cluster sind viel kleiner.
Abbildung 4.58 Struktur der Cluster Rb9O2 und Cs11O3. Die Cluster sind aus flächenverknüpften OMe6-Oktaedern aufgebaut. Alle Suboxide von Rb und Cs enthalten Rb9O2- bzw. Cs11O3-Cluster als Baugruppen.
Die Cluster bilden mit Cs quasi intermetallische Phasen. Cs4O ist aus Cs11O3Clustern und Cs im Verhältnis 1 : 1 aufgebaut, Cs7O im Verhältnis 1 : 10. Die Rb-Suboxide sind aus Rb9O2-Clustern aufgebaut, in denen zwei Oktaeder über gemeinsame Flächen verknüpft sind.
4.10 Gruppe 1
621
4.10.4.3 Hydroxide Die Alkalimetallhydroxide sind von allen Hydroxiden die stärksten Basen. Sie reagieren mit Säuren zu Salzen, mit CO2 und H2S zu Carbonaten bzw. Sulfiden. Ihre großtechnische Herstellung durch Elektrolyse von Chloridlösungen (Chloralkalielektrolyse) wurde bereits im Abschn. 3.8.10 besprochen. LiOH wird auch durch Umsetzung von Li2CO3 mit Ca (OH)2 hergestellt. Li2CO3 C Ca (OH)2 $% 2 LiOH C CaCO3 In analoger Reaktion wurde früher Natronlauge durch Kaustifizierung (kaustifizieren Z ätzend machen) von Soda hergestellt. Na2CO3 C Ca (OH)2 $% 2 NaOH C CaCO3 Aus wässrigen Lösungen von LiOH erhält man das Monohydrat LiOH · H2O, das zur Herstellung von Schmierfetten dient. Von den anderen Alkalimetallhydroxiden gibt es zahlreiche Hydrate, z. B. NaOH · nH2O mit n Z 1K7. Bei den wasserfreien Hydroxiden nehmen die Schmelzpunkte von 471 (C für LiOH auf 272 (C für CsOH ab. NaOH (Ätznatron) ist eine weiße, hygroskopische, kristalline Substanz (Smp. 318 (C). Die Industrie benötigt große Mengen NaOH zum Aufschluss von Bauxit (S. 564), zur Herstellung von NaOCl (S. 415) sowie bei der Fabrikation von Papier, Zellstoff und Kunstseide. 2001 betrug die Weltproduktion ca. 46 · 106 t, 2005 wurden in Deutschland 4,2 · 106 t Natronlauge hergestellt. Die Herstellung wurde im Abschn. 3.8.10 beschrieben. NaOH wird auch in der Nahrungsmittelindustrie und im Haushalt z. B. in Abflussreinigern verwendet. KOH (Ätzkali) (Smp. 360 (C) ist eine weiße, sehr hygroskopische Substanz; sie wird daher als Trocknungsmittel und Absorptionsmittel für CO2 verwendet. Technisch ist KOH wichtig für die Herstellung von Schmierseifen und Wasser enthärtenden Kaliumphosphaten für flüssige Waschmittel (die Kaliumpolyphosphate sind besser löslich als die entsprechenden Natriumsalze).
4.10.4.4 Halogenide Die Alkalimetallhalogenide sind farblose, hochschmelzende, kristalline Feststoffe. CsCl, CsBr, CsI kristallisieren in der CsCl-Struktur, alle anderen in der NaCl-Struktur. Der Gang der Schmelzpunkte ist in der Abb. 4.59 dargestellt, Gitterenergien und Bildungsenthalpien in der Abb. 4.60. Die Alkalimetallhalogenide können durch Reaktion von Alkalimetallhydroxiden MeOH oder Alkalimetallcarbonaten Me2CO3 mit Hydrogenhalogeniden HX hergestellt werden. Von NaCl und KCl gibt es reichhaltige natürliche Vorkommen. Zur Trennung von KCl und NaCl gibt es mehrere Verfahren. Das Heißlöseverfahren beruht auf der unterschiedlichen Temperaturabhängigkeit der Löslichkeit. Bei 110 (C löst sich aus
622
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Abbildung 4.59 Schmelzpunkte der Alkalimetallhalogenide. Die Schmelzpunkte zeigen folgenden Gang: F O Cl O Br O I. In jeder Serie hat NaX ein Maximum (Ausnahme KI).
der Salzmischung KCl, der NaCl-Anteil bleibt ungelöst. Nach Filtration kristallisiert beim Abkühlen KCl aus. Zur Trennung in einem elektrischen Feld wird die Salzmischung durch Vermahlung elektrisch aufgeladen. Die KCl-Kristalle sind negativ aufgeladen, der Rest ist positiv und KCl kann abgetrennt werden. LiF (Smp. 848 (C) ist im Gegensatz zu den anderen Lithiumhalogeniden schwer löslich. Wegen der hohen IR-Durchlässigkeit werden LiF-Einkristalle als Prismenmaterial für IR-Geräte verwendet. LiCl (Smp. 613 (C) kristallisiert bei Normaltemperatur als Hydrat, oberhalb 98 (C wasserfrei. Die starke Solvatisierung des Li-Ions bewirkt die gute Löslichkeit von LiCl, LiBr und LiI in Ethanol, was zur Trennung von anderen Alkalimetallhalogeniden genutzt wird. NaCl (Smp. 808 (C) ist die industriell wichtigste Natriumverbindung und ist Ausgangsprodukt für die Herstellung von Na2CO3, NaOH, Cl2, HCl und Wasserglas. Es wird überwiegend durch Abbau von Steinsalzlagern gewonnen, aber auch in großen Mengen durch Eindunsten von Meerwasser (Weltförderung ca. 200 · 106 t). NaCl ist nicht hygroskopisch, das Feuchtwerden von Speisesalz wird durch Vorhandensein von MgCl2 verursacht (vgl. S. 605). Der tägliche Bedarf an Kochsalz beträgt mindestens 3 g. Die Löslichkeit von NaCl ist nur wenig temperaturabhängig (bei 0 (C lösen sich 35,6, bei 100 (C 39,1 g NaCl in 100 g Wasser). Eis-Kochsalz-Mischungen können als Kältemischungen verwendet werden. (Ein Gemisch Eis : Kochsalz im Verhältnis 3,5 : 1 schmilzt bei K21 (C. KCl (Smp. 772 (C) ist das wichtigste Kalirohsalz und Ausgangsprodukt für die Herstellung von Kaliumverbindungen, z. B. KOH und K2CO3. Die wichtigsten Kalisalze, aus denen KCl durch Aufarbeitung gewonnen wird, sind: Carnallit KMgCl3 · 6 H2O; Hartsalz, ein Gemenge aus Steinsalz NaCl, Sylvin KCl und Kieserit MgSO4 · H2O; Sylvinit, ein Gemisch aus Steinsalz und Sylvin. CsI wird als Prismenmaterial für IR-Spektrometer verwendet.
4.10 Gruppe 1
623
Abbildung 4.60 Standardbildungsenthalpien ΔH+ B und GitterenergienUg von Alkalimetallhalogeniden und Alkalimetallhydriden. Die Absolutwerte der Gitterenergien und der Standardbildungsenthalpien der Halogenide zeigen folgenden Gang: F O Cl O Br O I. Bei jedem Halogen und auch bei H gilt für die Gitterenergie: Li O Na O K O Rb O Cs. Der gleiche Gang ist für die Bildungsenthalpien nur bei den Fluoriden und Hydriden vorhanden. Die geringe Zunahme der ΔH+ B -Werte von Li zum Cs bei den Chloriden, Bromiden, Iodiden spiegelt die geringere Sublimationsenthalpie und Ionisierungsenergie der schweren Alkalimetalle wider, die nur bei den Fluoriden und Hydriden durch den Gang der Gitterenergie überkompensiert wird.
4.10.4.5 Salze von Oxosäuren Natriumcarbonat Na2CO3 Na2CO3 gehört zu den wichtigsten Produkten der chemischen Industrie und wird in der Glasindustrie (ca. 50 %), zur Herstellung von Wasserglas, Waschmitteln und Natriumsalzen gebraucht. 1994 betrug die Weltproduktion 32 · 106 t, davon waren etwa 70 % synthetische Soda. Auf Grund der riesigen Naturvorkommen in den USA wächst der Anteil an Natursoda. Das wichtigste Sodamineral Na2CO3 · NaHCO3 · 2 H2O (Trona) entsteht durch Salzablagerungen von Sodaseen.
624
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Wasserfreie Soda (calcinierte Soda) ist ein weißes Pulver (Smp. 851 (C), das sich unter Erwärmung und alkalischer Reaktion in Wasser löst. K K CO2K 3 C H2O $% HCO3 C OH
Aus wässrigen Lösungen kristallisiert unterhalb 32 (C das Decahydrat Na2CO3 · 10 H2O (Kristallsoda) aus. Im Kristall liegen neben den CO2K 3 -Ionen 2C C [Na2 (H2O)10] -Ionen vor, in denen jedes Na oktaedrisch von H2O umgeben ist, so dass eine gemeinsame Oktaederkante vorhanden ist. Bei 32 (C schmilzt Kristallsoda im eigenen Kristallwasser (siehe S. 625). Oberhalb 32 (C entsteht ein Heptahydrat, dann ein Monohydrat und oberhalb 107 (C die wasserfreie Verbindung. Soda wird überwiegend nach dem Ammoniak-Soda-Verfahren (Solvay-Prozess) hergestellt, bei dem die relative Schwerlöslichkeit von NaHCO3 ausgenutzt wird. Aus einer NaCl-Lösung, in die CO2 und NH3 eingeleitet wird, fällt NaHCO3 aus. 2 NaCl C 2 H2O C 2 NH3 C 2 CO2 $% 2 NaHCO3 C 2 NH4Cl NaHCO3 wird thermisch zersetzt, das entstehende CO2 wird wieder in den Prozess zurückgeführt. 2 NaHCO3 $% Na2CO3 C H2O C CO2 Die andere Hälfte des CO2 wird durch Brennen von Kalkstein gewonnen (vgl. S. 607). CaCO3 $% CaO C CO2 Das CaO wird zur Rückgewinnung von NH3 verwendet. 2 NH4Cl C CaO $% CaCl2 C 2 NH3 C H2O Die resultierende Bruttogleichung ist 2 NaCl C CaCO3 $% Na2CO3 C CaCl2 und nur CaCl2 entsteht als Abfallprodukt. Natriumhydrogencarbonat NaHCO3 Stabile Hydrogencarbonate („Bicarbonate“) bilden mit Ausnahme von Lithium nur die Alkalimetalle. Natriumhydrogencarbonat NaHCO3 ist schlechter in Wasser löslich als Na2CO3. Daher fällt beim Einleiten von CO2 in eine Na2CO3-Lösung NaHCO3 aus. Na2CO3 (aq.) C CO2 C H2O $% 2 NaHCO3 (s) Erhitzt man NaHCO3, dann zerfällt es in Na2CO3, CO2 und Wasserdampf. Auf Grund dieser Reaktion wird NaHCO3 in Pulverfeuerlöschern verwendet. In der Nahrungsmittelindustrie dient es als Backpulver.
4.10 Gruppe 1
625
Kaliumcarbonat K2CO3 K2CO3 (Pottasche) ist eine weiße, hygroskopische Substanz (Smp. 894 (C), die in der Seifenindustrie und zur Fabrikation von Kaligläsern verwendet wird. K2CO3 kann nicht analog dem Solvay-Prozess hergestellt werden, da KHCO3 K im Gegensatz zu NaHCO3 K gut löslich ist. Die Darstellung erfolgt durch Carbonisierung von Kalilauge 2 KOH C CO2 $% K2CO3 C H2O oder mit dem Formiat-Pottasche-Verfahren. In eine wässrige Lösung von Kaliumsulfat und Ätzkalk wird CO eingeleitet. +
230 C
K2SO4 C Ca (OH)2 C 2 CO $$$$% CaSO4 C 2 HCOOK 30 bar
Das abgetrennte Formiat wird zusammen mit KOH unter Luftzufuhr calciniert. 2 HCOOK C 2 KOH C O2 $% 2 K2CO3 C 2 H2O Natriumsulfat Na2SO4 Na2SO4 erhält man durch Umsetzung von Steinsalz mit Kieserit 2 NaCl C MgSO4 $% Na2SO4 C MgCl2 oder als Nebenprodukt bei der Salzsäureherstellung (vgl. S. 411). 2 NaCl C H2SO4 $% Na2SO4 C 2 HCl Beim Abkühlen kristallisiert aus Na2SO4-Lösungen unterhalb 32 (C das Decahydrat Na2SO4 · 10 H2O (Glaubersalz) aus, darüber wasserfreies Natriumsulfat (Smp. 884 (C). Na2SO4 wird in der Glas-, Textil- und Papierindustrie verwendet. Na2SO4 ist im Karlsbader Salz enthalten. Bei Raumtemperatur verwittert Na2SO4 · 10 H2O, bei 32 (C schmilzt es im eigenen Kristallwasser. Ist bei Raumtemperatur der Wasserdampfdruck eines Salzes größer als der Wasserdampf-Partialdruck in der Luft, gibt das Salz Kristallwasser ab, es verwittert. Aus Na2SO4 · 10 H2O entsteht durch Verwitterung Na2SO4. Wenn der Wasserdampf-Partialdruck eines wasserhaltigen Salzes den H2O-Partialdruck der gesättigten Lösung dieses Salzes erreicht, dann schmilzt es im eigenen Kristallwasser. Bei 32 (C erreicht der H2O-Partialdruck von Na2SO4 · 10 H2O den H2O-Partialdruck einer gesättigten Na2SO4-Lösung, oberhalb 32 (C schmilzt deshalb Na2SO4 · 10 H2O (Glaubersalz) im eigenen Kristallwasser unter Abscheidung von Na2SO4. Natriumnitrat NaNO3 Naturvorkommen existieren hauptsächlich in Chile (Chilesalpeter). Die technische Darstellung erfolgt durch Umsetzung von Soda mit Salpetersäure. Na2CO3 C 2 HNO3 $% 2 NaNO3 C H2O C CO2
626
4 Die Elemente der Hauptgruppen
NaNO3 (Smp. 308 (C) ist isotyp mit Calcit (Abb. 2.20). Es wird hauptsächlich als Düngemittel und zur Herstellung von KNO3 verwendet. Kaliumnitrat KNO3 KNO3 (Kalisalpeter) wird entweder aus K2CO3 mit HNO3 hergestellt 2 HNO3 C K2CO3 $% 2 KNO3 C H2O C CO2 oder durch „Konversion“ von NaNO3 mit KCl. NaNO3 C KCl # KNO3 C NaCl In heißen Lösungen ist NaCl am schwersten löslich und kristallisiert zuerst aus, beim Abkühlen fällt dann reines KNO3 aus (Abb. 4.61). KNO3 (Smp. 339 (C) ist im Gegensatz zu NaNO3 nicht hygroskopisch und wird in der Pyrotechnik verwendet. Oberhalb des Schmelzpunktes geht es unter Sauerstoffabgabe in Nitrit über. Es ist Bestandteil des Schwarzpulvers (vgl. S. 485) und ein wichtiges Düngemittel.
Abbildung 4.61 Löslichkeit der Salze des Gleichgewichts NaNO3 C KCl # KNO3 C NaCl in Abhängigkeit von der Temperatur.
Perchlorate. Hexachloroplatinate Schwer löslich sind die Perchlorate MeClO4 und die Hexachloroplatinate Me2PtCl6 (Me Z K, Rb, Cs). Zur Fällung von Kalium eignet sich weiterhin das schwerlösliche Kalium-hexanitrocobaltat(III) K3 [Co (NO2)6] (s. S. 860). Kaliumhaltige Düngemittel Die wichtigsten Kalisalze, die als Düngemittel (Weltproduktion 2 000 26 · 106 t, berechnet als K2O) Verwendung finden, sind: KNO3, KCl, Carnallit KMgCl3 · 6 H2O, Kainit KMgCl (SO4) · 3 H2O, K2SO4, Schönit K2Mg (SO4)2 · 6 H2O. Viele Pflanzen (z. B. Kartoffeln) sind allerdings gegen Chloride empfindlich. Kaliumhaltige Mischdünger sind „Kaliammonsalpeter“ (KNO3 und NH4Cl) sowie „Nitrophoska“ und „Hakaphos“ (siehe Phosphate S. 499).
4.11 Umweltprobleme
627
4.11 Umweltprobleme Seit Beginn der Industrialisierung hat die Weltbevölkerung exponentiell zugenommen (Abb. 4.62a). Seit 1960 hat sich die Weltbevölkerung verdoppelt, dies entspricht einer Wachstumsrate von 1,7 %. Auch die globale Industrieproduktion nahm exponentiell zu (Abb. 4.62b). Von 1970K90 betrug die Wachstumsrate durchschnittlich 3,3 %, die Verdoppelungszeit also 21 Jahre; die Produktion pro Kopf nahm jährlich um 1,5 % zu. Wie Bevölkerungswachstum und Industrieproduktion war auch das Tempo technologischer Entwicklungen exponentiell. In vielen Bereichen der Forschung und Wissenschaft sind in den letzten Jahrzehnten größere Fortschritte erzielt worden als in der bisherigen gesamten Geschichte der Wissenschaft. Parallel dazu
Bevölkerung in Milliarden
6
4
2
0
1700
1800
1900
2000
2100
Index 1963 = 100 300 globale Industrieproduktion 200 Industrieproduktion pro Kopf
100
1930
1950
1970
1990
Abbildung 4.62 a) Wachstum der Weltbevölkerung. 2005 betrug sie 6,5 Milliarden. Trotz Verringerung der Wachstumsrate Prognose für 2050 9 Milliarden. b) Globale Industrieproduktion d , Industrieproduktion pro Kopf d . Das Bruttosozialprodukt zeigt weltweit drastische Unterschiede. 2004 betrug es pro Kopf in Luxemburg 56 380 Dollar (höchster Wert), in Deutschland 30 690, in Burundi 90 Dollar (niedrigster Wert).
628
4 Die Elemente der Hauptgruppen
wuchs aber auch die Belastung der Umwelt mit Schadstoffen und die Erschöpfung wichtiger Rohstoffe droht. In einigen Bereichen sind die Grenzen der Belastbarkeit der Erde nahezu erreicht oder schon überschritten. Die Menschheit ist dadurch von Problemen einer Größenordnung herausgefordert, die völlig neu in ihrer Geschichte sind und zu deren Lösung die traditionellen Strukturen und Institutionen nicht mehr ausreichen. Sie können nur international gelöst werden. Ein Beispiel mit globalem Charakter ist das Ozonproblem. Es zeigte sich, dass es möglich war, rasch und wirkungsvoll eine internationale Übereinkunft durchzusetzen, sobald erkannt wurde, dass dies unerlässlich sei. Aber dazu war die weltweite Zusammenarbeit von Wissenschaftlern, Technikern, Politikern und Organisationen erforderlich. Beim Treibhauseffekt, der das bedrohlichste und am schwierigsten zu lösende Umweltproblem ist, stehen wir noch immer am Anfang. Kenntnis und Erkenntnis des Ausmaßes der Umweltprobleme sind Voraussetzungen dafür, mithelfen zu können, Umweltbewusstsein zu verbreiten. Dazu sollen die folgenden 30 Seiten etwas beitragen. In zwei Abschnitten werden wesentliche globale Umweltprobleme und einige regionale Umweltprobleme behandelt. Sie nehmen Bezug auf chemische Verbindungen, die im 4. Kapitel besprochen wurden und beschränken sich auf diese. Umfassende Darstellungen und wichtige Quellen dieser Abschnitte sind: Donella und Dennis Meadows, Die neuen Grenzen des Wachstums, Deutsche Verlags-Anstalt GmbH, Stuttgart 1992. Daten zur Umwelt Ausgabe 2005, Umweltbundesamt, Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin 2005. Umweltdaten Deutschland 2002, Umweltbundesamt. Emissionsdaten 2004, Umweltbundesamt 2006. Internet www.ippc.ch.Summary for Policymakers 2001. Der Fischer Weltalmanach 2007, S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2006.
4.11.1 Globale Umweltprobleme 4.11.1.1 Die Ozonschicht In der Stratosphäre existiert neben den Luftbestandteilen Stickstoff N2 und Sauerstoff O2 auch die Sauerstoffmodifikation Ozon O3 (vgl. Abschn. 4.5.3.1). Die so genannte Ozonschicht hat ein Konzentrationsmaximum in ca. 25 km Höhe (Abb. 4.63). Die Gesamtmenge atmosphärischen Ozons ist klein. Würde es bei Standardbedingungen die Erdoberfläche bedecken, dann wäre die Ozonschicht nur etwa 3,5 mm dick. Die Existenz der Ozonschicht und ihr merkwürdiges Konzentrationsprofil wurde bereits 1930 erklärt. Durch harte UV-Strahlung der Sonne (λ ! 240 nm) wird molekularer Sauerstoff in Atome gespalten. Die O-Atome reagieren mit O2-Molekülen zu Ozon.
4.11 Umweltprobleme
629
Abbildung 4.63 Spurengaskonzentration in der Stratosphäre. In der Stratosphäre existiert eine Ozonschicht mit einer maximalen Konzentration von 10 ppm, also einem Partialdruck der hunderttausendmal kleiner ist als der Gesamtdruck. (Als Faustregel gilt, dass der Druck in der Höhe alle 5,5 km auf die Hälfte fällt.) Die Konzentration anderer Spurengase (N2O, CH4 und CH3Cl) ist noch wesentlich kleiner, sie sind aber am Abbau von Ozon beteiligt. (ppm bedeutet part per million, 1 ppm Z 1 Teil auf 106 Teile)
hν
O2 $$$% 2 O O C O2 $$$% O3 Ozon wird durch UV-Strahlung (λ ! 310 nm) oder durch Sauerstoffatome wieder zerstört. hν
O3 $$$% O2 C O O3 C O $% 2 O2 Bildung und Abbau führen zu einem Gleichgewicht. Die Bildungsgeschwindigkeit von O3 erhöht sich mit wachsender O2-Konzentration und mit zunehmender Intensität der UV-Strahlung. Mit abnehmender Höhe führt die zunehmende O2-Konzentration daher zunächst zu einer Erhöhung der Bildungsgeschwindigkeit, dann jedoch wird die harte UV-Strahlung immer stärker geschwächt und die Bildungsgeschwindigkeit nimmt ab, die O3-Konzentration muss ein Maximum durchlaufen. Die gemessene Ozonkonzentration ist aber etwa eine Größenordnung kleiner als die nach obigem Mechanismus berechnete (Abb. 4.63). Ursache dafür sind natürlich entstandene Spurengase wie CH4, H2O, N2O, CH3Cl, die zum Ozonabbau beitragen. Als Beispiel wird die Wirkung von N2O behandelt. Durch UV-Strahlung (λ ! 320 nm) wird N2O gespalten, die entstandenen O-Atome reagieren mit N2O zu NO-Radikalen. hν
N2O $$$% N2 C O N2O C O $% 2 NO
630
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Tabelle 4.21 Eigenschaften einiger Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) Formel
Name
Siedepunkt (C
Verwendung
Verweilzeit in der Atmosphäre Jahre
Weltproduktion 1985 t
CCl3F CCl2F2 CClF2 d CCl2F
FCKW 11 FCKW 12 FCKW 113
C24 K30 C48
T, PUS, PSS, R T, K, PSS R
75 100 85
300 000 440 000 140 000
T Z Treibgas, PUS Polyurethanschaumherstellung, PSS Polystyrolschaumherstellung, R Z Reinigungs- und Lösemittel, K Z Kältemittel in Kühlaggregaten. FCKW sind gasförmige oder flüssige Stoffe. Sie sind chemisch stabil, unbrennbar, wärmedämmend und ungiftig. Auf Grund dieser Eigenschaften werden sie vielfach verwendet und sind nicht leicht zu ersetzen.
Die NO-Radikale zerstören in einem katalytischen Reaktionszyklus Ozonmoleküle. NO C O3 $% NO2 C O2 NO2 C O $% NO C O2 Reaktionsbilanz
Reaktionskette
O3 C O $% 2 O2
Nicht nur natürlich entstandenes N2O, sondern auch N2O anthropogenen Ursprungs (Hauptquelle Stickstoffdüngung) gelangt in die Atmosphäre. Zum ersten Mal wurde 1974 vor einer möglichen Gefährdung der Ozonschicht durch FCKW gewarnt. Es ist jetzt sicher, anthropogene Spurengase, vor allem Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), aber auch Halone, verursachen den beobachteten Abbau der Ozonschicht (ihre Mitwirkung am Treibhauseffekt wird im Abschn. 4.11.1.2 besprochen). Die FCKW (Tabelle 4.21) sind chemisch inert, sie wandern daher unverändert durch die Troposphäre und erreichen in ca. 10 Jahren die Stratosphäre. Sie werden dort in Höhen ab 20 km durch UV-Strahlung (λ ! 220 nm) unter Bildung von Cl-Atomen gespalten. CF3Cl $% CF3C Cl Jedes Cl-Atom kann katalytisch im Mittel einige Tausend O3-Atome zerstören. Cl C O3 $% ClO C O2 ClO C O $% Cl C O2 Reaktionsbilanz
Reaktionskette
O3 C O $% 2 O2
Halone sind vollhalogenierte bromhaltige Kohlenwasserstoffe, die als Löschmittel verwendet werden. Beispiele: H 1211 CF2ClBr (Nummercode: Zahl der C-, F-, Cl-, Br-Atome) H 1301 CF3Br
4.11 Umweltprobleme
631
Die durch UV-Strahlung abgespaltenen Br-Atome verursachen eine den Cl-Atomen analoge Reaktionskette, wirken aber wesentlich stärker ozonabbauend. Ein Maß für die ozonschädigende Wirkung eines Spurengases ist der ODP-Wert (ozone depletion potential). Er gibt an, um welchen Faktor ein Spurengas die Ozonschicht stärker oder schwächer als FCKW 11 abbaut. FCKW 11 FCKW 12 H 1211 H 1301 HFCKW 22
ODP 1 0,9 5 12 0,05
Die Konzentration von natürlichem Cl in der Stratosphäre wird auf 0,6 ppb geschätzt, bis 1993 hatte sich der Cl-Gehalt auf 3,4 ppb fast versechsfacht (1 ppb Z 1 Teil auf 109 Teile). Insgesamt ist der hauptsächlich durch FCKW verursachte Ozonabbau jedoch besonders über der Antarktis viel komplizierter als die obige Reaktionskette beschreibt. In der Stratosphäre ist der Ozonabbau zwar von Reaktionen beeinflusst, durch die ClO und Cl der Reaktionskette entzogen werden. Diese Gasphasenreaktionen sind aber zu langsam, um einen wirksamen Ozonabbau zu verhindern. Seit 1984 wurde beobachtet, dass über der Antarktis im Frühling (September und Oktober) die Ozonkonzentration drastisch abnimmt. Dieses so genannte Ozonloch vertiefte sich von Jahr zu Jahr. In den Jahren 1992 bis 1995 betrug der Ozonverlust bis zu 70 % im Vergleich zum Mittel dieser Jahreszeit vor Mitte der siebziger Jahre und das Ozonloch hatte 1995 eine Ausdehnung der Fläche von Nordamerika (Abb. 4.66). Im November und Dezember nimmt die O3-Konzentration wieder zu, und das Ozonloch heilt weit gehend aus. Die wahrscheinliche Erklärung dafür ist die folgende: Im Polarwinter entsteht über der Antarktis durch stabile Luftwirbel ein von der Umgebung isoliertes „Reaktionsgefäß“ für die in der Atmosphäre wirksamen Stoffe. Während der Polarnacht finden keine photochemischen Reaktionen statt, da kein Sonnenlicht in die Antarktisatmosphäre eindringt. Bildung und Abbau des Ozons „frieren ein“, die photolytische Bildung von O-Atomen findet nicht mehr statt. Die katalytisch reagierenden Teilchen Cl und ClO werden verbraucht, z. B. nach ClO C NO2 $% ClONO2 ClO C OH $% HCl C O2 Cl C HO2 $% HCl C O2 Die Stickstoffoxide reagieren zu Salpetersäure. NO C HO2 $% HNO3 NO2 C OH $% HNO3
632
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Abbildung 4.64 a) Zeitlicher Verlauf von Ozonmenge, Temperatur und Aerosolkonzentration der stratosphärischen Wolken über der Antarktis in 17 km Höhe für das Jahr 1984. Während der Polarnacht fällt die Temperatur, und es bilden sich stratosphärische Wolken. Nach Ende der Polarnacht sinkt die Ozonkonzentration drastisch, es entsteht das Ozonloch, das bald wieder ausheilt. (Die Ozonkonzentration ist in Dobson-Einheiten (D. U.) angegeben. 1 D. U. entspricht einem Hundertstel mm und bezieht sich auf die Dicke der Ozonschicht, die entstünde, wenn das Ozon bei Standardbedingungen vorläge. Wenn die Dobson-Einheiten unter 220 D. U. liegen spricht man von einem Ozonloch.) b) Ozonabnahmetrends in % pro Jahrzehnt in Abhängigkeit von geografischer Breite und verschiedenen Jahreszeiten (gemessen 1978K1991). Auf der Südhalbkugel erfolgt ein wesentlich größerer Ozonabbau.
4.11 Umweltprobleme
633
(Die Radikale OH und HO2 entstehen photolytisch aus H2O-Molekülen nach hν H2O $$% OH C H (λ ! 185 nm) und O3 C OH $% O2 C HO2.) Bei Temperaturen bis K90 (C bilden sich Stratosphärenwolken aus Eiskristallen (Aerosole). Die Eiskristalle bestehen hauptsächlich aus Wasser und Salpetersäure. An der Oberfläche der Eiskristalle kann dann Chlornitrat in heterogenen Reaktionen mit HCl und H2O reagieren. ClONO2 C HCl $% Cl2 C HNO3 ClONO2 C H2O $% HOCl C HNO3 Wenn Ende September die Zeit des Polartages anbricht, entstehen durch Photolyse aus Cl2 und HOCl Cl-Atome in hoher Konzentration (Abb. 4.64a). hν
Cl2 $$% 2Cl hν
HClO $$% OH C Cl Da desaktivierende Stickstoffoxide nicht vorhanden sind, bewirken die Cl-Atome einen drastischen Ozonabbau. Da bei beginnendem Polartag aber nicht ausreichend O-Atome durch photolytische Spaltung aus O2 oder O3 für die Rückbildung von Cl aus ClO zu Verfügung stehen (Licht mit λ ! 310 nm ist nur in sehr geringer Intensität vorhanden), nimmt man folgenden Mechanismus an: ClO C ClO $% Cl2O2 hν
Cl2O2 $$% Cl C ClO2 ClO2 $$% Cl C O2 Der Ozonabbau in der Nordhemisphäre ist geringer. Für die Ozongehalte sind außer den chemischen Prozessen Umverteilungen durch Transportvorgänge wesentlich. Ein Ozonloch wurde nicht beobachtet. Über Mitteleuropa nahm die Ozonschicht seit 35 Jahren um etwa 7 % ab, wobei die letzten Jahre keine weitere Abnahme zeigen. Der äquatoriale Bereich ist kaum betroffen. Der Gesamt-Ozongehalt hat in den letzten 30 Jahren global um 10 % abgenommen. Für den Zeitraum 1978K1991 sind die Ozonabnahmetrends in Abhängigkeit von geografischer Breite und Jahreszeit in der Abb. 4.64b dargestellt. Als Folge der Ausdünnung der Ozonschicht hat die Intensität der UV-Strahlung zugenommen. In mittleren südlichen Breiten z. B. ist sie um 6 % erhöht. Im Zeitraum 1995K2004 ist in Deutschland (4 Messstellen) kein UV-Trend erkennbar. Durch Abbau des Ozons kühlt sich die Stratosphäre ab (0,6 (C pro Dekade), und der positive Temperaturkoeffizient schwächt sich ab. Die Folge ist eine erhöhte Durchlässigkeit für den Stofftransport zwischen Troposphäre und Stratosphäre. Anthropogene Spurengase können leichter in die Stratosphäre eindringen und sie angreifen. Außerdem wird dadurch das Auftreten polarer stratosphärischer Wolken begünstigt, die maßgeblich am Ozonabbau in polaren Regionen beteiligt sind. Die Ozonschicht ist für das Leben auf der Erde absolut notwendig. Sie schützt wirksam gegen die gefährliche UV-B-Strahlung (Abb. 4.65). Ihr Abbau bewirkt nicht
634
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Abbildung 4.65 Sonnenlichtspektrum. Wirkung der Ozonschicht. d Das Sonnenlichtspektrum außerhalb der Lufthülle. d Das Spektrum am Erdboden. Die maximale Strahlungsintensität liegt bei 480 nm, im grünen Bereich des sichtbaren Spektrums. Die UV-B-Strahlung erreicht den Erdboden nicht. Sie wird im Bereich 310K240 nm von O3 und im Bereich ! 240 nm von O2 fast vollständig absorbiert.
nur vermehrte Hautkrebserkrankungen und Augenschädigungen, sondern vor allem die Gefährdung des Meeresplanktons, das das Fundament der Nahrungsketten in den Ozeanen ist. Eine Schädigung vieler Populationen wäre die Folge. Wegen der verringerten Photosynthese sind Ernteeinbußen zu erwarten. 1974 erschien die erste wissenschaftliche Arbeit über die Gefährdung der Ozonschicht durch FCKW. Aber erst 1985 alarmierte die Entdeckung des Ozonloches die Weltöffentlichkeit. Die Weltproduktion von FCKW betrug 1987 1,1 Million t (vgl. Tabelle 4.21). Seit 1981 erfolgte ein jährlicher Anstieg der FCKW in der Stratosphäre um 6 %. 1987 kam es in Montreal zum ersten internationalen, historisch bedeutsamen Abkommen. Bis 1999 sollte die FCKW-Produktion stufenweise um 50 % verringert werden. Die alarmierenden Nachrichten über die Vergrößerung des Ozonloches führten zu verschärften Maßnahmen von London (1990), Kopenhagen (1992), Wien (1995), Montreal (1997) und Peking (1999). Die Industriestaaten verpflichteten sich bis zum 1. 1. 1996 Produktion und Verbrauch von voll halogenierten FCKW und von Halonen zu stoppen. Für die Entwicklungsländer gilt ein etappenweiser Ausstieg bis 2010. Insgesamt kann ein Erfolg der internationalen Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht festgestellt werden. Weltweit konnte die Produktion von vollhalogenierten FCKW bis 2000 (relativ zu 1986) um 92 % gesenkt werden. Jedoch werden gespeicherte, ozonschädigende Stoffe (Dämmstoffe, Feuerlöscheinrichtungen, Klimaanlagen) teilweise weiterhin freigesetzt. Geschätzter Bestand 2,4 Millionen t weltweit. Die Gesamtmenge ozonschädigender Substanzen erreichte 1994 in der unteren Atmosphäre ihren Höchstwert und nimmt seitdem langsam ab. Die Abnahme des
4.11 Umweltprobleme
635
30
Größe (Millionen Quadratkilometer)
25
Fläche von Nordamerika
20 15
Fläche der Antarktis
10 5 0
1980
1985
1990
1995
2000
2005
Abbildung 4.66 Entwicklung der Flächengröße des Ozonloches (Werte % 220 D. U.) seit 1980.1 Unterschiedliche meteorologische Bedingungen beeinflussen die Ausbildung von Ozonlöchern. Ein seltenes Ereignis gab es 2002, als sich der polare Wirbel frühzeitig durch eine ungewöhnliche Stratosphärenerwärmung auflöste. Das Ozonloch teilte sich, es bildeten sich zwei schwache Zentren und das Ozonloch verschwand vorzeitig.
stratosphärischen Ozons über den mittleren Breiten hat sich verlangsamt, allerdings tritt das Ozonloch immer noch auf (Abb. 4.66). Wegen der langen Verweilzeit der FCKW in der Stratosphäre (s. Tabelle 4.21) werden diese aber noch lange wirksam sein. Frühestens ab 2010 wird sich aufgrund des allmählichen Rückgangs des Cl-Gehalts in der Stratosphäre die Ozonschicht erholen, und das Ozonloch wird allmählich verschwinden. Ersatzstoffe für die FCKW als begrenzte Zwischenlösung sind wasserstoffhaltige Fluorchlorkohlenwasserstoffe H-FCKW, die bereits weitgehend in der Troposphäre abgebaut werden (der ODP-Wert für z. B. H-FCKW 22 ist 0,05). Ausstiegstermin ist in der EU 2026, weltweit 2030. Weltproduktion in t (ODP-gewichtet)
FCKW Halone H-FCKW
1986
2000
1 046 906 142 513
85 800 1 200 31 287
Zunehmende Verbreitung finden H-FKW. Sie enthalten kein Chlor und verursachen keinen Ozonabbau, aber einen Treibhauseffekt. In Kälteanlagen wird Cyclopentan verwendet. 1
H. Claude, W. Steinbrecht, U. Köhler, Entwicklung der Ozonschicht, in: Klimastatusbericht des Deutschen Wetterdienstes 2005, 2006
636
4 Die Elemente der Hauptgruppen
4.11.1.2 Der Treibhauseffekt Die Temperatur der Erdoberfläche wird hauptsächlich durch die Intensität der einfallenden Sonnenstrahlung bestimmt. Die Oberflächentemperatur der Sonne beträgt 5 700 K, die maximale Strahlungsintensität liegt im sichtbaren Bereich (Abb. 4.65). Der größte Teil der einfallenden Strahlung wird auf der Erde in Wärme umgewandelt und als terrestrische Strahlung von der Erde abgegeben. 30 % der einfallenden Strahlung wird als sichtbares Licht in den Weltraum zurückgeworfen. Diesen Anteil nennt man die Albedo der Erde. Es muss Strahlungsgleichgewicht herrschen, d. h. pro Zeiteinheit muss die Energie der einfallenden und abgegebenen Strahlung gleich groß sein. Die berechnete Strahlungsgleichgewichtstemperatur der Erde beträgt 255 K Z K18 (C. Dieser Temperatur entspricht eine terrestrische Strahlung im IRBereich. Die tatsächliche mittlere Temperatur der Erdoberfläche beträgt aber 288 K Z 15 (C. Die Differenz von 33 K nennt man den natürlichen Treibhauseffekt. Er wird durch das Vorhandensein der Atmosphäre verursacht. Terrestrische IR-Strahlung wird von Spurengasen der Atmosphäre absorbiert, als Wärmeenergie in der Atmosphäre gespeichert und von dort zum Teil an die Erdoberfläche zurückgestrahlt. Es kommt zu einem „Wärmestau“ und dadurch zu einer Erhöhung der mittleren Temperatur der Erdoberfläche. Die wichtigsten natürlichen Spurengase sind H2ODampf, CO2, N2O, CH4 und troposphärisches O3. Die Anteile der Spurengase am natürlichen Treibhauseffekt enthält Tabelle 4.22. Die Hauptbeiträge stammen von H2O-Dampf (einschließlich Wolken) und CO2. Tabelle 4.22 Anteil der Spurengase am natürlichen Treibhauseffekt H2O (Dampf)
CO2
O3 (Troposphäre)
N 2O
CH4
Rest
ΔT in K Σ ΔT Z 33 K
20,6
7,2
2,4
1,4
0,8
0,6
ΔT in %
62,4
21,8
7,3
4,3
2,4
1,8
Die Wirkung der Treibhausgase beruht darauf, dass sie sichtbares Licht nicht absorbieren, aber für IR-Strahlung starke Banden existieren. Der Anteil der Spurengase am Treibhauseffekt hängt aber nicht nur von ihrer Konzentration ab, sondern auch von ihrer spezifischen Fähigkeit die Infrarotstrahlung der Erde zu absorbieren. Der Treibhauseffekt verschiedener Spurengase wird mit dem GWP-Wert (Global Warming Potential) verglichen. Der GWP-Wert ist ein Relativwert, der angibt, wie treibhauswirksam ein Stoff über einen bestimmten Zeitraum, z. B. 20 Jahre oder 100 Jahre, im Vergleich zur selben Masse CO2 ist. Dadurch wird auch die Abnahme der Spurengase im angegebenen Zeitraum berücksichtigt, also ihre Verweilzeit. Der GWP-Wert vermittelt also außer der Absorptionsfähigkeit auch die Lebensdauer der Spurenmoleküle und ändert sich natürlich mit dem gewählten Zeithorizont.
4.11 Umweltprobleme
637
Beispiele für den Zeitraum 100 Jahre (dieser gilt auch für spätere Beispiele):
GWP Verweilzeit in Jahren
CO2
CH4
H2O
CCl3F (FCKW 11)
1
23 12
310 120
4 680 45
Nicht nur die Strahlungsintensität der Sonne, sondern auch die Zusammensetzung der Erdatmosphäre hat also einen entscheidenden Einfluss auf unser Klima. Seit mehreren hunderttausend Jahren ist die Zusammensetzung der Atmosphäre weitgehend konstant geblieben, nur die Konzentration von CO2 schwankte zwischen ca. 200 ppm und 300 ppm. Mit Beginn der Industrialisierung ist es zu einem Anstieg der klimarelevanten Spurengase gekommen. Die von Menschen erzeugten Spurengase verursachen einen zusätzlichen anthropogenen Treibhauseffekt. Das wichtigste klimarelevante Spurengas ist CO2. Die Konzentration von CO2 hat in den letzten 200 Jahren um 35 % von 280 auf 380 ppm zugenommen (Abb. 4.67). In den letzten 420 000 Jahren war die Konzentration von CO2 niemals so hoch, noch nie hat es in den letzten 20 000 Jahren einen so explosiven Anstieg gegeben. Mehrere Tausend Jahre betrug die Konzentration von CO2 280 G 10 ppm. Die Hauptursachen dieses Anstiegs sind die Verbrennung fossiler Brennstoffe (Kohle, Öl, Gas) und das Abholzen der Regenwälder. Im 20. Jahrhundert hat sich der Verbrauch an Primärenergie etwa verzehnfacht. 90 % der Primärenergie wird durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe erzeugt (Abb. 4.68). Von 1990 bis 1999 wurden pro Jahr durch
380
CO2-Gehalt in ppm
360
340
320
300 1880
1920
1960
2000
2040
Abbildung 4.67 Anstieg des CO2-Gehalts der Erdatmosphäre seit Beginn der Industrialisierung. Die Werte vor 1960 wurden durch Analyse von in Eis eingeschlossenen Gasblasen erhalten. Die Tiefe der entnommenen arktischen und antarktischen Eisproben ist der Zeitmaßstab.
638
4 Die Elemente der Hauptgruppen 500
Wasserkraft Kernenergie
400
Naturgas
300 Mineralöl
EJ 200 100 0 1950
Kohle 1970
1960
1980
1990
2000
2010
Abbildung 4.68 Zunahme des globalen Primärenergieverbrauchs seit 1950. 2002 betrug die Weltenergieerzeugung 402 000 PJ, 87 % wurden aus fossilen Brennstoffen erzeugt. In Deutschland wurden 14 300 PJ Primärenergie verbraucht (3,6 % der Welterzeugung), davon 84 % aus fossilen Brennstoffen (Peta P Z 1015).
Anteile der Energieträger am Primärenergieverbrauch in % Welt 2004 Kohle Mineralöl Naturgas Kernenergie Wasserkraft
Deutschland 2004 27,5 36,8 23,7 6,1 6,2
Kohle Mineralöl Naturgas Kernenergie Alternative Energien
24,8 36,4 22,4 12,6 3,8
Verbrennung fossiler Brennstoffe 6,3 · 109 t C an die Atmosphäre abgegeben. Zwischen der Atmosphäre und der Oberfläche der Ozeane findet ein langsamer CO2Austausch statt und von den Ozeanen wurden 1,7 · 109 t C.Jahr aus der Atmosphäre aufgenommen. Die Biosphäre nahm 1,4 · 109 t C.Jahr aus der Atmosphäre auf und es verbleiben also 3,2 · 109 t C.Jahr als CO2 in der Atmosphäre (Abb. 4.69). Durch Abholzen und Brandrodung von Wäldern1 ist die CO2-Aufnahme durch die Biosphäre erheblich vermindert und wirkt wie eine CO2-Abgabe. In den letzten 20 Jahren betrug die Zunahme des CO2-Gehalts in der Atmosphäre 0,4 % pro Jahr. Bei gleich bleibender Konzentrationszunahme würde in 100 Jahren der CO2-Gehalt auf etwa 550 ppm ansteigen. 1
1990K2000 nahm der Bestand tropischer Regenwälder um 7 % ab. Über die Hälfte aller Arten der Erde leben im tropischen Regenwald. Seine Zerstörung führt zu einem nicht wieder gut zu machenden Verlust von Lebensformen. Außerdem ist der Regenwald ein wichtiger Wasserspeicher.
4.11 Umweltprobleme
639
Abbildung 4.69 Schematischer Kohlenstoffkreislauf. Bei der Photosynthese werden aus CO2 und H2O mit der Energie des Sonnenlichts Kohlenhydrate erzeugt. Dabei werden der Atmosphäre jährlich 120 · 109 t C entnommen. Die eine Hälfte der Kohlenhydrate wird in der Biomasse der Pflanzen eingebaut, die andere Hälfte dient zur Energieproduktion der Pflanzen, Kohlenstoff wird dabei durch Oxidation als CO2 an die Atmosphäre abgegeben (Veratmung). Aus der Biomasse wird durch Mikroorganismen CO2 erzeugt. Nur 0,1 · 109 t C aus der Biomasse werden in den Sedimenten gespeichert und dem Kohlenstoffkreislauf entzogen. Durch anthropogene Eingriffe wird der Kohlenstoffkreislauf beeinflusst. Zwischen 1990 und 1999 wurden pro Jahr durch Verbrennung fossiler Brennstoffe 6,3 G 0,4 · 109 t C als CO2 an die Atmosphäre abgegeben. Von den Ozeanen wurden 1,7 G 0,5 · 109 t C.Jahr aufgenommen, von der Biosphäre 1,4 G 0,7 · 109 t C.Jahr. Es verbleiben also 3,2 G 0,1 · 109 t C.Jahr als CO2 in der Atmosphäre. Durch Abholzung und Brandrodung von Wäldern ist die CO2-Aufnahme der Biosphäre erheblich vermindert und wirkt wie eine CO2-Abgabe. 1980K1989 waren dies 1,7 · 109 t C.Jahr, allerdings ein unsicherer Mittelwert aus Werten erheblicher Bandbreite (0,6K2,5). 5,0
1984
4,0 Weltbevölkerung in 109
2,0
CH4-Gehalt in ppm
1,5
1,0
0,5
a)
3,0 2,0 1,0 1640
1600
1800
2000
b)
0 0,4
0,8 1,2 Ch4-Gehalt in ppm
1,6
Abbildung 4.70 a) Zunahme des CH4-Gehalts in der Atmosphäre seit 1600. b) Die CH4-Konzentration nimmt linear mit dem Wachstum der Weltbevölkerung zu.
640
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Weitere anthropogene Treibhausgase sind Methan CH4, Distickstoffoxid N2O, Fluorchlorkohlenwasserstoffe FCKW, perfluorierte Kohlenwasserstoffe FKW und Schwefelhexafluorid SF6. Für das Spurengas Methan (Verweilzeit in der Atmosphäre 12 Jahre, GWP 23, Konzentration 0,176 ppm) existiert ein linearer Zusammenhang zwischen Wachstum der Weltbevölkerung und Zunahme der Methankonzentration in der Atmosphäre (Abb. 4.70). Reissümpfe und Verdauungsorgane von Wiederkäuern sind ideale Lebensbedingungen für anaerob wirksame Bakterien, die Methan erzeugen. Der mit der Weltbevölkerung wachsende Viehbestand und Reisanbau sind die Quellen dieser Zunahme. Seit 1750 ist die Konzentration um 150 % gestiegen. Für Distickstoffoxid (GWP 296, atmosphärische Verweilzeit 114 Jahre, Konzentration 0,31 ppm) sind global die wichtigsten Quellen mikrobielle Umsetzungen von Stickstoffverbindungen in den Böden (Hauptursache Stickstoffdüngung). Die jährliche Konzentrationszunahme beträgt 0,25 %. Seit 1750 ist die Konzentration um 17 % gestiegen. Die FCKW wurden bereits im Abschn. 4.11.1.1 besprochen. Die wichtigsten FKW sind CF4 und C2F6. Die Hauptquellen sind die Aluminiumelektrolyse und die Halbleiterproduktion. Die atmosphärischen Verweilzeiten betragen 50 000 und 10 000 Jahre, die GWP-Werte sind 5 700 und 11 900. Die Konzentration von CF4 beträgt 80 ppt (parts per trillion, 10K12), die Hälfte ist natürlichen Ursprungs. Das spezifisch wirksamste Treibhausgas ist SF6 mit einer Verweilzeit von 3 200 Jahren und einem GWP-Wert von 22 200. Die Konzentration ist erst seit 1960 um zwei Größenordnungen auf 4 ppt gestiegen. Quellen sind die Verwendung in gasisolierten Schaltanlagen und in Schallschutzfenstern. Tabelle 4.23 Gegenwärtiger anthropogener Treibhauseffekt der wichtigsten langlebigen Spurengase
Anteil in %
CO2
CH4
N2O
FCKW
63
18
6
13
Die Tabelle 4.23 enthält die Anteile der wichtigsten langlebigen Spurengase CO2, CH4, N2O und FCKW am gegenwärtigen anthropogenen Treibhauseffekt. Sie verursachen hauptsächlich die Zunahme der globalen mittleren Oberflächentemperatur um 0,6 G 0,2 K im 20. Jahrhundert. Auch Ozon ist ein wichtiges Treibhausgas. Trophosphärisches Ozon wird nicht direkt emittiert, sondern es entsteht durch photochemische Reaktionen (siehe Abschn. 4.11.2.3). Die globale Konzentration beträgt etwa 50 ppb, seit der vorindustriellen Zeit erfolgte eine Zunahme um 36 %. Der positive Treibhauseffekt ist fast gleich groß wie der der FCKW. Die Abnahme des stratosphärischen Ozons verursacht einen wesentlich kleineren negativen Treibhauseffekt. Wegen der geringen Verweilzeit gibt es zeitliche Schwankungen der troposphärischen Ozonkonzentrationen,
4.11 Umweltprobleme
641
außerdem auch räumliche Schwankungen. Daher ist der Anteil am Treibhauseffekt unsicherer zu bestimmen als bei langlebigen Treibhausgasen. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe führt auch zu Emissionen von SO2. In der Stratosphäre bilden sich daraus Sulfat-Aerosole. Sie verursachen einen negativen Treibhauseffekt, sind also treibhausbremsend. Auch bei starken Vulkanausbrüchen entstehen durch SO2-Emission kurzlebige Aerosole. Der gegenwärtige Treibhauseffekt der FKW ist klein. Wegen der großen GWPWerte haben sie aber ein Potenzial für einen zukünftigen Einfluss auf das Klima. Die klimatischen Veränderungen im 20. Jhdt., besonders in den letzten 30K35 Jahren sind bereits Signale für die Wirkung anthropogener Spurengase. Beispiele dafür sind: Die Erhöhung der globalen mittleren Oberflächentemperatur um 0,6 K. Auf der Nordhalbkugel war das 20. Jhdt. das wärmste der letzten 1 000 Jahre. Das Jahrzehnt 1990K2000 war die wärmste Dekade des Jahrhunderts. In den letzten hundert Jahren stieg der Meeresspiegel um 0,1K0,2 m an, die Oberflächentemperatur erhöhte sich. Rückbildung von Gletschern in nichtpolaren Regionen. Seit 1960 hat die Schneedecke um 10 % abgenommen. Verringerung der Ausdehnung und Dicke der arktischen Ozeaneisdecke. In Europa stieg im 20. Jhdt. die mittlere Lufttemperatur in Bodennähe um 0,95 (C. In Nordeuropa erhöhten sich die Niederschläge um 10K40 %, während einige Gebiete Südeuropas um 20 % trockener wurden. Nach gegenwärtiger Erkenntnis ist bei weiter ungebremster Emission von Treibhausgasen gegen Ende des 21. Jahrhunderts eine Temperaturerhöhung zwischen 1,4 und 5,8 K zu befürchten. Die Temperaturerhöhung würde mit einer Schnelligkeit erfolgen, wie sie in den letzten 10 000 Jahren nicht vorkam. Bedrohliche Klimaänderungen wären unvermeidlich. Die Voraussagen sind schwierig, da nicht nur die Konzentrationen der Treibhausgase zu berücksichtigen sind, sondern auch die durch den Treibhauseffekt verursachten Rückkoppelungen. Die Sicherheit einer genauen Voraussage hängt von der Kenntnis der Rückkoppelungen und ihrer komplexen Wechselwirkungen ab. Sie können positiv (treibhausverstärkend) oder negativ (treibhausmindernd) sein. Für Klimamodelle müssen die wichtigsten Komponenten des Klimasystems Ozean, Atmosphäre, Landoberfläche, Biosphäre und Kryosphäre berücksichtigt werden. Beispiele: Die Erwärmung durch Zunahme der CO2-Konzentration führt zu einer Zunahme der Wasserdampfkonzentration in der Atmosphäre und verursacht eine positive Rückkoppelung. Die Rückbildung von Ozeaneis bewirkt ebenso wie die Abnahme von Schnee auf Grund der verringerten Albedo eine positive Rückkoppelung. Trotz hoher Löslichkeit von CO2 im Ozean wird die CO2-Aufnahme durch die langsame vertikale Vermischung begrenzt und verringert sich dadurch mit zunehmender CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Erwärmung der Permafrostregion führt zur Freisetzung von Methan, das als starkes Treibhausgas wirkt. So könnte der Treibhauseffekt beginnen, sich selbst zu beschleunigen. Nach Modellrechnungen ist für das zukünftige Klima wahrscheinlich: Bis zum Ende des 21. Jhdts. ein Anstieg des Meeresspiegels zwischen 10 und 90 cm. Für Millionen Menschen wäre dies ein Überschwemmungsrisiko. Veränderungen der globalen und regionalen Niederschläge. Wasserarme Gebiete können noch trockener
642
4 Die Elemente der Hauptgruppen
werden. Zunahme von Extremereignissen: Starkniederschläge, maximale Tagestemperaturen, weniger Frosttage, verstärkt Trockenperioden. Das Absterben von Korallenriffen und das Schmelzen der Gletscher gehen weiter. Für Europa ist zu erwarten, dass im Süden Europas Wüstenbildung und Wasserknappheit zunehmen. Abrupte globale Klimaänderungen sind wenig wahrscheinlich, aber schwer abzuschätzen, z. B. Abbruch des Golfstroms. Das Klima hat für unsere Gesellschaft größte Bedeutung. Es beeinflusst nicht nur die wirtschaftliche Situation, sondern auch das soziale Leben. In der Vergangenheit war Zivilisation immer von stabilen Klimabedingungen abhängig. Um die gefährliche Klimaänderung zu verhindern, muss man die globale Temperatur langfristig auf 2 (C über dem vorindustriellen Niveau begrenzen. Dazu ist es notwendig, die Treibhauskonzentration bei 400 ppm CO2-Äquivalenten zu stabilisieren. Dies erfordert, die globale Emission bis 2050 auf die Hälfte des heutigen Niveaus zu senken. Die Industrieländer sind aufgrund ihres hohen Pro-Kopf-Verbrauchs an Primärenergie Hauptverursacher der CO2-Emission (vgl. Tabelle 4.24). Ein Viertel der globalen CO2Emission verursachen allein die USA. Für die Industrieländer ist die Minderung der Treibhausgasemissionen um 80 % relativ zu 1990 bis 2050 notwendig. Es gab mehrere internationale Konferenzen zu einer Klimarahmenkonvention mit dem Ziel, weltweit Treibhausgasemissionen zu reduzieren. In Kyoto (1997) wurde beschlossen, die sechs wichtigsten Treibhausgase (CO2, CH4, N2O, H-FKW, KFW, SF6) in ihrer Summe um 6 % bis zum Zeitraum 2008K2012 relativ zu 1990 bzw. 1995 zu reduzieren. Erst 2005 haben 150 Staaten das Kyoto-Protokoll ratifiziert. Erstmals haben die Vereinten Nationen eine rechtlich bindende Mengenbegrenzung der Treibhausgasemissionen vereinbart. Die in Kyoto festgelegten Minderungen sind aber nicht ausreichend. Es sind weitergehende Maßnahmen erforderlich. Tabelle 4.24 CO2-Emissionen und Pro-Kopf-Verbrauch an Primärenergie 2001 Land.Erdteil
CO2-Emission in Gt in %
in t.Einw.
USA VR China1 Ex-UdSSR Japan Deutschland Lateinamerika Afrika Großbritannien Kanada Frankreich Australien Welt
5,67 3,11 2,24 1,13 0,85 0,84 0,72 0,54 0,52 0,38 0,37 23,68
19,6 2,4 7,8 8,9 10,3 2,0 0,9 9,2 16,7 6,3 19,0 3,9
24,0 13,1 9,5 4,8 3,6 3,6 3,0 2,3 2,2 1,6 1,6 100
Land.Erdteil
Pro-Kopf-Verbrauch in 103 SKE
USA Kanada Australien Frankreich UdSSR Deutschland Japan Brasilien Ägypten VR China Indien
11,07 10,94 8,58 6,03 5,99 (1990) 5,66 (1990) 5,33 1,02 0,98 0,86 0,44
Steinkohleneinheit (SKE) 1 kg Steinkohle Z 1 SKE Z 29,3 MJ Z 8,14 KWh 1 2004 betrugen die Emissionswerte verursacht durch das rapide Wirtschaftswachstum schon 4,73 und 3,6
4.11 Umweltprobleme
643
Die EU verpflichtete sich zu einer Emissionsminderung der sechs Treibhausgase um 8 % bis zum Zeitraum 2008K2012. Deutschland hat sich im Rahmen des Lastenausgleichs der EU verpflichtet, die Emission der sechs Treibhausgase in der Zeit 2008K2012 gegenüber 1990 um 21 % zu senken. Bis 2003 wurde eine Reduzierung um 18,5 % erreicht. Die Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgase, insbesondere für CO2, konzentrieren sich auf Energieeinsparung (z. B. Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung), Steigerung der Energieeffizienz (z. B. Bereich Verkehr) und den Ausbau erneuerbarer Energien. Erneuerbare Energien hatten 2004 einen Anteil von 3,6 % am Primärenergieverbrauch, der sich aus den Anteilen für die Stromerzeugung (1,7 %), Wärmeerzeugung (1,6 %) und Kraftstoffverbrauch (0,3 %) zusammensetzt. Etwa die Hälfte der Energie lieferte die Biomasse, die Windenergie 19 %, die Wasserkraft 16 % (s. Tabelle 4.25). Der Beitrag erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung war 9,3 %, 44 % lieferte die Wasserkraft, 40 % die Windenergie. Die Stromerzeugung durch erneuerbare Energien konnte aber die Zunahme des Stromverbrauchs nicht kompensieren. Tabelle 4.25 Erneuerbare Energien in Deutschland 2004 in % Biogene Brennstoffe, Wärme Windenergie Wasserkraft Biokraftstoffe Biogene Brennstoffe, Strom Solarthermie Geothermie Photovoltaik
45,6 19,1 16,0 8,5 7,2 2,0 1,2 0,2
Die CO2-Emissionen und die Anteile der Verursacher für Deutschland enthält die Tabelle 4.26. Durch die erneuerbaren Energien vermied man 2004 70 Millionen t CO2-Emissionen. Tabelle 4.26 CO2-Emission in Deutschland 2004 Verursacher
106 t
%
Gesamtemission Energieindustrie (Kraft- und Fernheizwerke etc.) Verkehr Haushalte, Kleinverbraucher, Landwirtschaft Verarbeitendes Gewerbe Industrieprozesse
866 364 171 169 99 81
41 19 19 11 9
4.11.1.3 Rohstoffe Die meisten technisch genutzten Metalle sind nur mit einem sehr geringen mittleren Massenanteil in der Erdkruste vorhanden. Er ist zusammen mit dem so genannten Grenzmassenanteil für wichtige Metalle in der Tabelle 4.27 angegeben.
644
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Der Grenzmassenanteil ist derjenige Metallgehalt eines Erzes, der nach heutigen technologischen und wirtschaftlichen Maßstäben einen kommerziellen Abbau erlaubt. Auch wenn sich dieser Wert durch verbesserte Technologien und Marktfaktoren erniedrigen würde, so bliebe doch bei den meisten Metallen das Verhältnis Grenzmassenanteil.Mittlerer Massenanteil so groß, dass Energieaufwand und Umweltbelastungen bei der Gewinnung nicht tragbar wären. Nur Eisen, Aluminium und Titan sind in ausreichendem Anteil in der Erdkruste zu finden. Glücklicherweise haben sich in geochemischen Prozessen im Laufe von Jahrmillionen die Metalle in abbauwürdigen Lagerstätten angereichert. Diese sich nicht erneuernden Rohstoffquellen werden jedoch bei vielen Metallen bald erschöpft sein, wenn der gegenwärtige Verbrauch beibehalten wird. Tabelle 4.27 Mittlerer Massenanteil und Grenzmassenanteil wichtiger Metalle in der Erdkruste Metall
Massenanteil %
Grenzmassenanteil %
Verhältnis
Wolfram Blei Chrom Zinn Silber Gold Zink Nickel Kupfer Titan Eisen Aluminium
0,00012 0,0013 0,012 0,0002 0,000008 0,0000004 0,0094 0,0099 0,0068 0,63 6,2 8,3
0,45 4,0 23 0,35 0,01 0,00035 3,5 0,9 0,35 10 20 18,5
3 700 3 300 1 900 1 700 1 200 870 370 90 51 16 3,2 2,2
„Selbst wenn es kein weiteres Wachstum gäbe, wären die gegenwärtig umgesetzten Materialmengen längerfristig nicht weiter tragbar. Wenn daher eine wachsende Weltbevölkerung unter materiell zuträglichen Bedingungen leben soll, braucht man dringend alle sich künftig entwickelnden Technologien zur Schonung der Quellen und zur Wiederverwertung von Rohstoffen. Alle Materialien müssen dann als begrenzte und kostbare Gaben der Erde geschätzt und behandelt werden. Mit den Denkstrukturen einer Wegwerfgesellschaft verträgt sich das nicht mehr.“ (Donella und Dennis Meadows, Die neuen Grenzen des Wachstums, Deutsche Verlags-Anstalt GmbH, Stuttgart, 1992, S. 116)
4.11.2 Regionale Umweltprobleme 4.11.2.1 Luft Schwefeldioxid Bei der Verbrennung schwefelhaltiger Substanzen entsteht Schwefeldioxid SO2 (vgl. Abschn. 4.5.6). SO2 als Luftschadstoff entsteht vorwiegend bei der Verbrennung fos-
4.11 Umweltprobleme
645
siler Brennstoffe in der Energiewirtschaft. In der Tabelle 4.28 sind die Schwefelgehalte verschiedener fossiler Brennstoffe angegeben, in der Tabelle 4.29 die Verursacher der SO2-Emissionen in Deutschland für das Jahr 2004. Die SO2 Emission betrug 2004 0,56 · 106 t, etwas mehr als die Hälfte entsteht durch Energieerzeugung. Die jährlichen Emissionen seit 1850 sind in der Abb. 4.71 dargestellt. In den 80er Jahren ist in den alten Ländern durch den Einsatz von Abgasentschwefelungsanlagen ein drastischer Rückgang der SO2-Emissionen erreicht worden. In den frühen 60er Jahren betrugen diese z. B. im Ballungsraum Ruhrgebiet im Jahresmittel 200K250 µg.m3, 1989K1990 nur noch 50 µg.m3. In der DDR war zwischen 1985 und 1989 die ProKopf-Emission mit 320K330 kg.Jahr weltweit die höchste. In Leipzig wurden Jahresmittelwerte von 200 µg.m3 gemessen. Zwischen 1990 und 2004 ist in Deutschland gesamt eine Abnahme der SO2-Emission um 90 % erreicht worden. Der Grenzwert von 20 µg.m3 als Jahresmittelwert wird deutschlandweit eingehalten. Tabelle 4.28 Schwefelgehalt verschiedener fossiler Brennstoffe in kg, bezogen auf die Brennstoffmenge mit dem Brennwert 1 GJ Z 109 J Brennstoff
Schwefelgehalt
Brennstoff
Schwefelgehalt
Steinkohle Braunkohle Schweres Heizöl
10,9 8,0 6,7
Leichtes Heizöl Kraftstoffe Erdgas
1,7 0,8 0,2
Tabelle 4.29 SO2-Emission in Deutschland 2004 Verursacher
kt
%
Gesamtemission Energieerzeugung (Kraft- und Fernheizwerke etc.) Verarbeitendes Gewerbe Haushalte, Kleinverbraucher, Landwirtschaft Industrieprozesse Öl-, Erdgasindustrie Verkehr
562 317 91 77 57 18 1
56 16 14 10 3 0,3
Die Abgase aus Feuerungsanlagen werden als Rauchgase bezeichnet. Der SO2Gehalt der Rauchgase beträgt 1K4 g.m3. In einem großen Kraftwerk (700 MW elektrische Leistung) z. B. werden stündlich 250 t Steinkohle verbrannt und 2,5 · 106 m3 Rauchgas erzeugt, das 2,5 t Schwefel enthält. Von den zahlreich entwickelten Rauchgasentschwefelungsverfahren sind die drei wichtigsten: Calciumverfahren. CaO (Kalkverfahren) oder CaCO3 (Kalksteinverfahren) wird mit dem SO2 der Rauchgase zunächst zu CaSO3 und dann durch Oxidation zu CaSO4 · 2 H2O (Gips) umgesetzt. Dazu wird eine Waschflüssigkeit, die aus einer CaCO3-Suspension oder einer Ca (OH)2-Suspension (entsteht aus CaO mit H2O) besteht, in den Abgasstrom eingesprüht.
646
4 Die Elemente der Hauptgruppen 5,5 5,0 4,5 4,0 3,5 3,0 Millionen 2,5 t pro Jahr 2,0 1,5 1,0 0,5 0
1850
1900
1950
2000
Abbildung 4.71 SO2-Emissionen von 1850 bis 1990 bezogen auf die Fläche der BR Deutschland von 1989 (alte Länder d ). Die seit der Industrialisierung rapid ansteigende SO2-Emission ist auf die Kohlewirtschaft zurückzuführen. Ein deutlicher Rückgang erfolgte während der beiden Weltkriege und der Weltwirtschaftskrise 1930. Der erfreuliche Rückgang in den 80er Jahren ist durch den Einsatz von Abgasentschwefelungsanlagen erreicht worden. Die Emissionen in den alten Ländern lagen 1990 75 % unter denen von 1970. Zum Vergleich sind für die neuen Länder Werte für 1970K1990 angegeben ( d ). Für 1990 bis 2004 sind die Emissionen für Deutschland gesamt dargestellt ( ). Sie nehmen um 90 % ab.
d
Ca (OH)2 C SO2 $% CaSO3 · 0,5 H2O C 0,5 H2O CaCO3 C SO2 C 0,5 H2O $% CaSO3 · 0,5 H2O C CO2 In der Oxidationszone bildet sich mit eingeblasener Luft Gips. CaSO3 · 0,5 H2O C 1,5 H2O C 0,5 O2 $% CaSO4 · 2 H2O Der anfallende Gips wird teilweise weiterverwendet. 90 % der Abgasentschwefelungsanlagen in der BR Deutschland arbeiten mit dem Calciumverfahren. Regenerative Verfahren, bei denen das Absorptionsmittel zurückgewonnen wird: WellmannLord-Verfahren. Als Absorptionsflüssigkeit wird eine alkalische Natriumsulfitlösung verwendet. Mit SO2 bildet sich eine Natriumhydrogensulfitlösung. Na2SO3 C SO2 C H2O $% 2 NaHSO3 In einem Verdampfer kann die Reaktion umgekehrt werden, es entsteht technisch verwendbares SO2-Gas und wiederverwendbare Natriumsulfitlösung.
4.11 Umweltprobleme
647
Magnesiumverfahren. Eine Magnesiumhydroxidsuspension, die aus MgO und Wasser entsteht, wird mit SO2 zu Magnesiumsulfit umgesetzt. Mg (OH)2 C SO2 C 5 H2O $% MgSO3 · 6 H2O MgSO3 · 6 H2O wird thermisch zersetzt, das MgO wiedergewonnen. MgSO3 · 6 H2O $% MgO C 6 H2O C SO2 Das Magnesiumverfahren wird häufig in Japan und den USA eingesetzt.
Stickstoffoxide Die anthropogen emittierten Stickstoffoxide entstehen als Nebenprodukte bei Verbrennungsprozessen. Kohle z. B. enthält Stickstoff (bis 2 %) in organischen Stickstoffverbindungen, aus denen bei der Verbrennung Stickstoffmonooxid NO entsteht. Bei hohen Temperaturen z. B. in Kfz-Motoren reagiert der Luftstickstoff mit Luftsauerstoff zu NO (vgl. Abschn. 4.6.6). In der Tabelle 4.30 sind die Verursacher der NOEmissionen in Deutschland für das Jahr 2004 angegeben. Die NOx-Emission betrug 1,47 · 106 t (berechnet als NO2), mehr als die Hälfte entsteht im Bereich Verkehr. Die jährlichen Emissionen seit 1850 sind in der Abb. 4.72 dargestellt. Seit 1950 erfolgte parallel zum zunehmenden Kraftfahrzeugverkehr eine drastische Erhöhung der NOx-Emission. Von 1990 bis 2004 nahm dank der Umweltschutzmaßnahmen die NOx-Emission in Deutschland um ca. 50 % ab. Der mit 40 µg.m3 für 2010 verbindliche mittlere Jahresgrenzwert wird derzeit noch nicht deutschlandweit eingehalten. NO wird in der Atmosphäre zu NO2 oxidiert. Die Oxidation und die Rolle der Stickstoffoxide bei der Bildung von Photooxidantien werden im Abschn. ,Troposphärisches Ozon‘ behandelt. Tabelle 4.30 Stickstoffemission in Deutschland 2004 (berechnet als NO2) Verursacher
kt
%
Gesamtemission Verkehr Energieerzeugung (Kraft- und Fernheizwerke etc.) Haushalte, Kleinverbraucher Verarbeitendes Gewerbe Industrieprozesse Militärische Quellen
1466 847 276 181 146 9 7
58 19 12 10 0,6 0,5
Die Landwirtschaft verursacht eine Emission von 101 kt.
Die wichtigsten Umweltschutzmaßnahmen sind: Entstickung von Rauchgasen. In die Rauchgase wird Ammoniak eingedüst, durch Reaktion mit den Stickstoffoxiden bildet sich Stickstoff und Wasserdampf. 6 NO C 4 NH3 $% 5 N2 C 6 H2O
648
4 Die Elemente der Hauptgruppen 3,5 3,0 2,5 2,0 106 t 1,5 1,0 0,5 0
1850
1900
1950
2000
Abbildung 4.72 NOx-Emissionen von 1850 bis 1990 bezogen auf die Fläche der BR Deutschland von 1989 (alte Länder #). Der steile Anstieg nach 1950 ist auf die schnelle Zunahme der Anzahl der Kraftfahrzeuge zurückzuführen. 1955 waren dies 1,7 Millionen PKW, 1990 35 Millionen. Die Umweltschutzmaßnahmen bewirkten nach 1980 eine Abnahme der NOxEmissionen. Zum Vergleich sind die Emissionswerte für die neuen Bundesländer von 1970K1990 eingetragen (#). Sie sind von 1970K1990 konstant mit einem Durchschnittswert von 0,68 · 106 t.Jahr. Für 1990K2004 sind die Emissionen für Deutschland gesamt dargestellt ( ). Sie nehmen um fast 50 % ab.
d
Vorhandener Luftsauerstoff reagiert nach 4 NO C 4 NH3 C O2 $% 4 N2 C 6 H2O Analog reagiert das in geringer Konzentration vorhandene NO2. Beim SNCR-Verfahren (selective noncatalytic reduction) wird bei 850K1 000 (C gearbeitet. Beim SCR-Verfahren (selective catalytic reduction) erfolgt die Reaktion mit TiO2-Katalysatoren bei 400 (C, mit Aktivkohle bei 100 (C. Katalysatoren bei Kraftfahrzeugen. Die Hauptschadstoffe in den Abgasen von Kfz-Motoren sind NO, CO und Kohlenwasserstoffe. Geregelte Dreiweg-Katalysatoren beseitigen die Schadstoffe bis zu 98 %. Die wichtigsten nebeneinander ablaufenden Reaktionen sind NO C CO $% CO2 C 0,5 N2 CO C 0,5 O2 $% CO2 CmHn C (m C n.4)O2 $% mCO2 C n.2 H2O Die Reaktionen sind aber gegenläufig vom O2-Gehalt des Abgases abhängig. Dies zeigt die Abb. 4.73. Daher muss der so genannte λ-Wert, das Verhältnis von zugeführter Sauerstoffmenge zum Sauerstoffbedarf bei vollständiger Verbrennung, nahe bei 1 liegen. Die Regelung des O2-Gehalts der Kraftstoffmischung erfolgt durch Messung des O2-Partialdrucks vor dem Katalysator mit der λ-Sonde. Verwendete Kataly-
4.11 Umweltprobleme
649
Abb. 4.73 Umwandlungsgrad von NO, CO und Kohlenwasserstoffen beim Dreiweg-Katalysator. Für das gesamte Abgas ist er nur in einem kleinen λBereich (λ-Fenster) günstig. λZ
Zugeführte Sauerstoffmenge O2-Verbrauch bei vollständiger Verbrennung
satoren sind die Edelmetalle Platin, Rhodium und Palladium, die auf einem keramischen Träger aufgebracht sind. 2000 wurden dazu weltweit 57 t Platin, 175 t Palladium und 25 t Rhodium benötigt. Katalysatoren für Dieselfahrzeuge Hauptschadstoffe bei Dieselfahrzeugen sind Stickstoffoxide und Ruß. Die Abgasreinigung gelingt mit der Selective Catalytic Reduction-Technik (SCR). Zunächst werden in einem Oxidationskatalysator teilweise verbrannte Kohlenwasserstoffe und Kohlenmonooxid (CO) in Wasserdampf und Kohlendioxid (CO2) umgewandelt. Ein Teil des Stickstoffmonooxids (NO) wird zu Stickstoffdioxid (NO2) oxidiert. Dann werden mit einem Partikelfilter Rußpartikel abgeschieden, die bei 300K400 (C mit dem teilweise im Oxidationskatalysator gebildeten NO2 abgebrannt werden. Zum Abbau der Stickstoffoxide durchströmen die Abgase den SCR-Katalysator, der bis 550 (C stabil ist. Über eine Düse wird eine wässrige Harnstofflösung (AdBlue) eingespritzt, die bei höherer Temperatur Ammoniak freisetzt. (NH2)2CO C H2O $% CO2 C 2 NH3
Harnstoff
Das Gemisch aus NO und NO2 wird von Ammoniak zu Stickstoff reduziert. NO C NO2 C 2 NH3 $% 2 N2 C 3H2O Troposphärisches Ozon, Smog Die in die Atmosphäre gelangten Schadstoffe werden nicht direkt durch den Luftsauerstoff oxidiert, da dafür die Temperatur zu niedrig ist. Es finden jedoch photo-
650
4 Die Elemente der Hauptgruppen
chemisch induzierte Oxidationsreaktionen statt, die zu vielfältigen Oxidationsprodukten der Schadstoffe führen. Die Oxidationsprodukte, die ebenfalls oxidierende Eigenschaften besitzen, wie z. B. Ozon werden als Photooxidantien bezeichnet. Durch Diffusion gelangt etwas Ozon O3 aus der Stratosphäre in die Troposphäre. Durch Licht mit einer Wellenlänge ! 310 nm wird es photolytisch gespalten. hν
O3 $$% O2 C O Da Licht dieser Wellenlänge nur in geringer Intensität vorhanden ist (vgl. Abb. 4.65), erfolgt der Zerfall langsam. Die reaktiven Sauerstoffatome bilden mit Wassermolekülen OH-Radikale. O C H2O $% 2 OH Die OH-Radikale leiten Reaktionsketten ein, durch die Spurengase oxidiert werden. In Gegenwart von Stickstoffmonooxid NO führt die Oxidation überraschenderweise zur Bildung von Ozon. Kohlenwasserstoffe, z. B. Propan C3H8, Butan C4H10 (abgekürzt mit RCH3), werden in Gegenwart von NO zu Aldehyden RCHO oxidiert, aus NO entsteht NO2. Reaktionskette: R d CH3 C OH $% R d CH2 C H2O R d CH2 C O2 $% R d CH2O2 R d CH2O2 C NO $% R d CH2O C NO2 R d CH2O C O2 $% R d CHO C HO2 NO C HO2 $% NO2 C OH Das rückgebildete Startradikal steht wieder für eine neue Reaktionskette zur Verfügung. Gesamtbilanz: RCH3 C 2 O2 C 2 NO $% RCHO C 2 NO2 C H2O NO2 wird photolytisch gespalten. hν
NO2 $$% NO C O (λ ! 400 nm) Die Sauerstoffatome reagieren sehr schnell mit Sauerstoffmolekülen zu Ozonmolekülen. O C O2 $% O3 Bei bestimmten Konzentrationsverhältnissen (verkehrsreiche Stadtzentren) findet auch die Abbaureaktion NO C O3 $% NO2 C O2 statt. Die Aldehyde können weiter oxidiert werden, z. B. der Acetaldehyd zum Peroxyacetylnitrat (PAN). CH3CHO C OH C O2 C NO2 $% CH3C (O) O2NO2 C H2O
4.11 Umweltprobleme
651
Abbildung 4.74 Simulation der Entstehung von troposphärischem Ozon im Laborexperiment. Durch Reaktion von NO mit Propen werden beide abgebaut, es entstehen NO2 und Aldehyde. CH3 d CH ] CH2 C 2 O2 C 2 NO $% CH3CHO C HCHO C 2 NO2 Aus NO2 entstehen durch photolytische Spaltung O-Atome, die schnell mit O2 zu Ozon reagieren. Die O3-Konzentration wächst nur so lange, bis sie so groß ist, dass jedes durch Photolyse neu entstandene O3-Molekül mit dem dabei auch entstandenen NO-Molekül wieder zu NO2 reagiert. Durch Bildung von PAN (Peroxyacetylnitrat) CH3CHO C OH C O2 C NO2 $% PAN C H2O nimmt die NO2-Konzentration ab.
Eine weitere Reaktion, die zum Abbau von NO2 unter Bildung von Salpetersäure führt, ist die Reaktion mit OH-Radikalen. NO2 C OH $% HNO3 Diese Mechanismen erklären, dass troposphärisches Ozon in verkehrsreichen Großstädten mit hohen Emissionen an NO und Kohlenwasserstoffen bevorzugt in sonnenreichen Sommermonaten entsteht. Die Abb. 4.74 zeigt den zeitlichen Ablauf der photochemischen Reaktionen im Laborexperiment, der eine gute Simulation des tatsächlichen Verlaufs darstellt. Bei normalen Wetterverhältnissen wird die Luft mit den primär emittierten Schadstoffen (NO, RCH3) durch Wind abtransportiert, die Bildung von Ozon verläuft im Bereich von Stunden fern von den Ballungszentren während des Transportweges. Übereinstimmend damit sind die gemessenen jährlichen mittleren Ozongehalte in ländlichen Gebieten höher als in den Städten, sie sind am höchsten in Bergregionen. Da Ozon nicht direkt emittiert wird, sondern aus anderen Schadstoffen gebildet wird, gibt es keine Emissionsgrenzwerte wie z. B. beim SO2. Es sind daher Schwellen-
652
4 Die Elemente der Hauptgruppen
werte als 1-Stunden-Mittelwerte festgelegt worden: Unterrichtung der Bevölkerung bei 180 µg.m3 und Auslösung eines Warnsystems bei 360 µg.m3. Die Jahresmittelwerte haben seit 1984 in Deutschland von 36 µg.m3 um ca. 30 % zugenommen. Wichtiger zur Bewertung der Ozonbelastung, insbesondere der Gesundheitsgefährdung sind die Überschreitungshäufigkeiten der Ozonschwellenwerte. Ozon ist wenig wasserlöslich und dringt daher viel weiter in die Atemwege ein als z. B. SO2. Die Überschreitungshäufigkeiten sind aber von Jahr zu Jahr durch schwankende meteorologische Bedingungen überlagert (Abb. 4.75). Die hohen Werte des Jahres 2003 sind auf den ungewöhnlichen Sommer zurückzuführen. Der Trend der Abnahme ist auf die Reduzierung der Emissionen der Vorläuferstubstanzen NO und Kohlenwasserstoffe zurückzuführen. 30 25
Tage
20 15 10
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
0
1990
5
Abb. 4.75 Anzahl der Tage mit Überschreitung des Ozonschwellenwertes 240 µg.m3. Der Abnahmetrend kommt durch die Reduzierung der Emissionen NO und Kohlenwasserstoffe (Vorläufersubstanzen bei der Ozonbildung) zustande.
Bei Inversionswetterlagen (kalte Luftschichten in Bodennähe sind durch warme Luftschichten überlagert) entsteht der Photosmog (Los-Angeles-Smog) mit gefährlich hohen lokalen Konzentrationen an O3, PAN und HNO3 in der Mittagszeit. Die Spitzenwerte treten in der Peripherie der Städte auf, da in den verkehrsreichen Stadtzentren ein Abbau von O3 durch NO erfolgt. Bei zusätzlicher Emission von SO2 kann auch SO3 und H2SO4 am Photosmog beteiligt sein. Reaktionskette: SO2 C OH $% SO2OH SO2OH C O2 $% SO3 C HO2 HO2 C NO $% OH C NO2 Bilanz: SO2 C O2 C NO $% SO3 C NO2 SO3 C H2O $% H2SO4
4.11 Umweltprobleme
653
Für die Entstehung von SO3 bzw. H2SO4 aus SO2 ohne Beteiligung von NO gibt es mehrere Reaktionswege. Einer davon ist die katalytische Oxidation von SO2 an schwermetallhaltigen Ruß- und Staubteilchen: SO2 C H2O C 0,5 O2 $% H2SO4 Nebel begünstigt den Reaktionsablauf. Der schwefelsäurehaltige Nebel, der in der Luft bleibt und nicht ausregnet, wird als Saurer Smog (London-Smog; Smog ist eine Kombination aus smoke und fog) bezeichnet. Er entsteht bevorzugt morgens und abends in der feuchtkalten Jahreszeit.
4.11.2.2 Wasser Trinkwasser Das auf der Erde vorhandene Wasser besteht zu 97,5 % aus Salzwasser und zu 2,5 % aus Süßwasser. Als Trinkwasser verfügbar sind nur 1 % des Süßwassers. Davon wird bereits die Hälfte benutzt. 20 % der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu sauberem Wasser, 40 % leiden an Wasserknappheit. 2001 wurden in Deutschland von den Wasservorkommen 38 Milliarden m3 (20 %) genutzt, auf die öffentliche Wasserversorgung entfielen davon 5,4 Milliarden m3 (14,2 %). Der häusliche Wasserverbrauch pro Person und Tag betrug 127 l. Der Wasserbedarf an Trinkwasser wird zu 74 % aus Grundwasser und Quellwasser und zu 17 % aus Oberflächenwasser gedeckt. Die Qualität des Grundwassers ist durch Nitratgehalte beeinträchtigt. 2002 wurde an 14 % der 730 Messstellen der Grenzwert der Nitratrichtlinie (50 mg.l) überschritten. Hauptursache sind Düngemittel. Eutrophierung Eine Gefährdung der Gewässer ist die Anreicherung mit anorganischen Pflanzennährstoffen (Stickstoffverbindungen und Phosphat). Die daraus folgende vermehrte Produktion pflanzlicher Biomasse bezeichnet man als Eutrophierung (eutroph Z nährstoffreich). Abgestorbene Pflanzenmassen sinken auf den Gewässerboden und werden dort unter Sauerstoffverbrauch (aerob) bakteriell zersetzt. Durch kontinuierliche Überdüngung kommt es zu einem Sauerstoffdefizit, die abgestorbene Biomasse zersetzt sich dann anaerob, es entstehen Methan und toxische Zersetzungsprodukte, z. B. H2S und NH3. Am Gewässerboden bildet sich Faulschlamm. Lebewesen, die Sauerstoff benötigen, sterben, das Gewässer „kippt um“, es wird hypertroph. 1975 stammten in der Bundesrepublik 40 % der in die Oberflächenwässer gelangten Phosphate aus Waschmitteln. Sie enthielten bis zu 40 % Pentanatriumtriphosphat Na5P3O10 (vgl. 4.6.11). Nach Erlass der Phosphathöchstmengenverordnung für Waschmittel wurde erreicht, dass 1991.92 nur noch 7 % der Phosphate in Gewässern aus Waschmitteln stammten. 1975 wurden 276 000 t Na5P3O10 im Haushalt und gewerblichen Bereich verbraucht, 1993 waren es nur noch 15 000 t. Ein Beispiel für
654
4 Die Elemente der Hauptgruppen
die Wirkung der Reduzierung der Phosphatemissionen ist die Reoligotrophierung (Zurücksetzung in den nährstoffarmen Zustand) des Bodensees. Von 1985K2003 konnte der Phosphatgehalt um 75 % gesenkt werden. Wichtigster Phosphatersatzstoff in Waschmitteln ist der Zeolith A (vgl. Abschn. 4.7.10.2). Mit den Polyphosphaten erfolgte die Enthärtung des Wassers (vgl. Abschn. 4.7.6.2) durch Komplexbildung mit den Ca2C-Ionen. Zeolithe wirken als Ionenaustauscher. Die NaC-Ionen des Zeoliths werden gegen die Ca2C-Ionen des Wassers ausgetauscht. Zeolithe sind ökologisch unbedenklich, vermehren aber die Klärschlammmengen in den Kläranlagen. Gewässer Die seit den 70er Jahren intensivierten Abwasserreinigungsmaßnahmen verbesserten die biologische Gewässerqualität deutlich. 1998 waren bereits 93 % der Einwohner an die öffentliche Kanalisation angeschlossen. Von 1995K2000 erhöhte sich der Anteil der Fließgewässer mit der Güteklasse II (mäßig belastet) und besser von 47 % auf 65 %. Für die chemische Beschaffenheit der Gewässer ist die Belastung durch Schwermetalle und Nährstoffe wichtig. Für Fließgewässer mit der Güteklasse II ist die Zielvorgabe für die wichtigsten Schwermetalle:
Zielvorgabe in mg.kg Erreichte Werte 2003 in %
Pb
Cd
Cr
Cu
Ni
Hg
Zn
% 100 76
% 1,2 55
% 100 86
% 60 48
% 50 69
% 0,8 86
% 200 19
Die Hauptverursacher der Schwermetallbelastung sind diffuse Quellen (Kanalisation, Erosion, Grundwasserzuflüsse). Der Anteil der diffusen Quellen an der Emission beträgt für Hg 72, Cd 76, Cu 84, Pb 80, Cr 80, Zn 82 und Ni 94 %. Trotz der Reduktion bis zu 95 % bei Einträgen aus Punktquellen (kommunale Kläranlagen, industrielle Direkteinträge) konnte die Zielvorgabe für die Gewässerqualität II nicht erreicht werden. Seit 1988 erfolgte aber eine Abnahme der Schwermetallgehalte und die geforderten Reduktionsvorgaben des internationalen Meeresschutzabkommens wurden (mit Ausnahme von Ni) erreicht oder überschritten. Für Nährstoffe gibt es ab 1995 einen abnehmenden Trend der Belastungen für Ammonium-Stickstoff und Gesamtphosphor, aber nicht für Nitrat-Stickstoff. Gegenüber 1995 nahm 2000 die Gesamtstickstoffemission um 37 % ab und verfehlte das international vereinbarte Ziel der Halbierung der Stickstoffemission in die Nordund Ostsee. Die Verringerung erfolgte zu 70 % durch Punktquellen. Die Phosphoremission konnte um 64 % reduziert werden, und die Zielsetzung der Halbierung wurde erreicht. Die Reduzierung ist zu 86 % auf Punktquellen zurückzuführen. Es erfolgte eine Verschiebung der Nährstoffemisssionen zu diffusen Quellen. 2003 wurde die Zielvorgabe Güteklasse II für Ammonium-Stickstoff nur zu 56 % und für Nitrat-Stickstoff sogar nur zu 15 % erreicht.
4.11 Umweltprobleme
655
Nordsee Weite Bereiche der südlichen Nordsee bis zur Südküste Norwegens und Schwedens wurden 2003 als Eutrophierungsgebiete eingestuft. Ebenfalls eutrophiert ist das Wattenmeer. Eine Folge ist z. B. die Bedeckung des Wattbodens mit Grünalgen. Sie beeinträchtigen Wattbodenfauna und Seegraswiesen. Bodenbewohner sterben bei Sauerstoffmangel oder auch durch Sulfidvergiftung. Seit Beginn der 80er Jahre wurde in der Deutschen Bucht Sauerstoffmangel beobachtet. Je nach Ausmaß des Sauerstoffmangels werden Bodenbewohner (Seesterne, Seeigel) dezimiert. Der Hauptgrund der Eutrophierung sind die Nährstoffeinträge aus deutschen Flüssen. 2000 betrug der Stickstoffeintrag 530 770 t.a, 79 % stammte aus diffusen Quellen, die Hauptmenge von 59 % verursachte die Landwirtschaft. Der Phosphoreintrag betrug 27 140 t.a, 71 % stammte aus diffusen Quellen, die Landwirtschaft verursachte 51 %.
4.11.2.3 Wald Waldsterben durch „Rauchschäden“ als Folge hoher Schwefeldioxidkonzentrationen im Einflussgebiet großer Braunkohlenwerke gab es z. B. in den achtziger Jahren in Böhmen und Sachsen. „Neuartige“ Waldschäden, die seit Beginn der 80er Jahre auftraten, werden durch flächendeckende Beobachtung des Kronenzustandes der Waldbäume seit 1984 erfasst. Das Ausmaß der Schäden hat sich zwar stabilisiert, ist aber zu hoch. 2004 zeigten 31 % der Waldbäume deutliche Schäden (deutliche Kronenverlichtungen), ohne Schäden waren 28 %. Der Anteil der Warnstufe (schwache Verlichtungen) betrug 41 %. Deutliche Schäden zeigten besonders Buchen (55 %), Eichen (45 %) und Fichten (35 %). Am geringsten waren diese bei Kiefern (17 %). Durch Waldschäden am stärksten betroffen sind Bayern, Baden-Württemberg, SchleswigHolstein und Berlin. Ursache der Waldschäden sind neben natürlichen Einflussfaktoren (Witterung, Insektenfraß usw.) aber die von Menschen verursachten atmosphärischen Stoffeinträge. Die schädigenden Luftschadstoffe sind Ammoniak (NH3), Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffoxide (NOx) und Ozon (O3) (Emissionswerte s. 4.11.2.1). Ozon verursacht direkte Schäden durch Einwirkung auf Blätter und Nadeln. Außer der akuten Wirkung (z. B. Gewebezerstörungen) gibt es latente Wirkungen mit Veränderungen biochemischer und physiologischer Prozesse (z. B. Störung der Photosynthese). Fast alle Wälder weisen in den Bodenschichten eine Versauerung auf. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die Säuredeposition im Wesentlichen durch SO2 verursacht, mittlerweile sind überwiegend die Stickstoffverbindungen (mit einem Anteil von 65 %) dafür verantwortlich. Trotz des Rückgangs der SO2-Emissionen sind in den Böden Altlasten gespeichert, die noch Jahrzehnte den Bodenmechanismus belasten und in das Grundwasser gelangen. Bei Stickstoffeinträgen gibt es für das Waldökosystem eine Verträglichkeitsschwelle (Critical Load). Liegt die Stickstoffzufuhr längerfristig über dieser, dann werden die Speichermöglichkeiten der
656
4 Die Elemente der Hauptgruppen
Bäume, der Waldböden und der Bodenvegetation zunehmend aufgefüllt, der ursprünglich geschlossene Stickstoffkreislauf gerät aus dem Gleichgewicht. Bei 90 % der untersuchten Waldflächen wird diese Verträglichkeitsschwelle überschritten, es wird mehr Stickstoff eingetragen als die Waldökosysteme auf Dauer vertragen können. Durch die Bodenversauerung werden Aluminiumionen gelöst, sie behindern die Nährstoffaufnahme und schädigen die Baumwurzeln. Durch Sickerwasser verarmen die Waldböden an Pflanzennährstoffen (Calcium, Kalium und das besonders wichtige Magnesium). Nur eine konsequente Reduzierung der Luftschadstoffe, besonders der Stickstoffemissionen, kann eine weitere Versauerung verhindern. Um die Stickstoffemissionen unter den kritischen Bereich zu senken, müssen die Zielvorgaben für die Minderung von Stickstoffemissionen, insbesondere für Ammoniak, verschärft werden. 95 % der Ammoniakemissionen stammen aus der Landwirtschaft. Der Lebensraum Wald ist auch wichtig für den Erhalt der Artenvielfalt. In Deutschland sind nur ca. 50 % sowohl der Pflanzen- als auch der Tierarten nicht gefährdet. Wälder speichern Kohlenstoffdioxid, auch als CO2-Senken (s. Abschn. 4.11.1.2) ist ihr Erhalt wichtig. Der Vergleich aus Zuwachs und Holzernte ergibt, dass gegenwärtig mehr Kohlenstoff in der Vegetation gebunden wird als durch Holzernte entfernt wird und im deutschen Wald die Speicherkapazität zunimmt.
4.11.2.4 Verkehr 2003 gab es in Deutschland 44,7 Millionen PKW, 2,8 Millionen LKW und 5,2 Millionen motorisierte Zweiräder. 17 % der PKW hatten einen Dieselmotor. Der Motorisierungsgrad ist mit 541 PKW.1000 Einwohner einer der höchsten in der Welt. Mit 28 % hatte der Bereich Verkehr den höchsten Anteil am Energieverbrauch. Bei der CO2-Emission betrug er 20 % und nahm seit 1991 um 4,8 % zu. Die Ursache für den Emissionsanstieg ist die Zunahme von Fahrleistungen.1 2003 gab es bereits 96,9 % schadstoffarme PKW (Dreiweg-Katalysator s. Abb. 4.72). Gegenüber 1990 konnten die spezifischen Emissionen pro Verkehrsleistung2 für SO2 um 95 %, für NOx um 77 %, für flüchtige organische Verbindungen um 92 % gesenkt werden. Für LKW war die Abnahme der spezifischen Emissionen pro Verkehrsleistung geringer: für SO2 98 %, für NOx 39 %, für flüchtige organische Verbindungen 47 % und für Rußpartikel 66 %. Obwohl der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch bei den PKW seit 1991 um 1,3 l.100 km abnahm, blieb der Kraftstoffverbrauch wegen der Zunahme der Fahrleistung um 16 % praktisch unverändert. Bei den LKW nahm der Kraftstoffverbrauch auf Grund der rapiden Zunahme der Fahr1 2
Fahrleistungen werden in km angegeben. Die Multiplikation der Fahrleistung mit der Zahl der beförderten Personen (P) bzw. Tonnen (t) ergibt die Verkehrsleistung in P km bzw. t km.
4.11 Umweltprobleme
657
leistung von 54 % um 33 % zu. Der Anstieg der Fahrleistungen bei LKW ist für die Umwelt problematisch, da sie höhere Luftschadstoff- und Lärmemissionen als bei PKW verursachen. Der Trend der Entwicklung der Verkehrswege geht in Richtung steigender Umweltbelastung. Die Güterverkehrsleistung auf der Straße nahm von 61 % 1991 auf 71 % 2003 zu, während der Gütertransport mit der Eisenbahn von 21 % auf 15 % abnahm. Der Straßengüterverkehr erzeugt das 5,6-fache der spezifischen CO2-Emission (pro t km) des Schienengüterverkehrs. Die Steigerung der Personenverkehrsleistung seit 1991 betrug 21 %. Sie nahm beim motorisierten Individualverkehr um 22 % zu und war damit weiter dominierend. Beim öffentlichen Straßen- und Schienenverkehr nahm sie nur um 6 % zu, beim Luftverkehr um 92 %. Im Straßenverkehr erzeugen PKW ca. doppelt so viel spezifische CO2-Emissionen (pro P km) wie der Schienenverkehr. Der Anteil am Personenverkehr 2003 war beim motorisierten Individualverkehr 82 %, beim öffentlichen Straßenverkehr 7 %, bei der Eisenbahn 7 % und beim Luftverkehr 4 %.
4.11.2.5 Baudenkmäler Bei carbonathaltigen Bauten wird durch SO2-Emissionen Carbonat in Sulfat umgewandelt. CaCO3 C H2SO4 $% CaSO4 C CO2 C H2O Das Sulfat hat ein größeres Volumen als das Carbonat, seine Bildung sprengt das Gesteinsgefüge. Da das Sulfat wasserlöslicher ist als das Carbonat, kann es mit Wasser an die Gesteinsoberfläche transportiert werden und dort zu einer weißen Gipskruste auskristallisieren. Carbonathaltige Natursteine sind Kalkstein und basischgebundener Sandstein. Die SiO2-Körner des Sandsteins werden durch eine basische Matrix z. B. Dolomit CaMg (CO3)2 verbunden. Bei Bronzedenkmälern bildet sich bei Einwirkung saurer Gase (SO2, CO2) an der Oberfläche grüne Patina. Sie besteht aus basischem Kupfercarbonat CuCO3 · Cu (OH)2 und basischem Kupfersulfat CuSO4 · Cu (OH)2, kann einige mm dick werden und abplatzen. Gläser von alten Kirchenfenstern verwittern durch Korrosion, da sich mit saurem Regen aus dem Kalium des Glases lösliches Kaliumsulfat bildet.
5 Die Elemente der Nebengruppen
Alle Nebengruppenelemente sind Metalle. Sie unterscheiden sich charakteristisch von den Metallen der Hauptgruppen. Außer den s-Elektronen der äußersten Schale sind auch die d-Elektronen der zweitäußersten Schale an chemischen Bindungen beteiligt. Die Nebengruppenmetalle treten daher in vielen Oxidationsstufen auf. Die meisten Ionen haben unvollständig besetzte d-Niveaus. Sie sind gefärbt und paramagnetisch und besitzen überwiegend eine ausgeprägte Neigung zur Komplexbildung. Durch Wechselwirkung paramagnetischer Momente der Ionen entsteht kollektiver Magnetismus. Viele Verbindungen sind nichtstöchiometrisch zusammengesetzt, wenn die Gitterplätze von Ionen verschiedener Oxidationsstufen besetzt sind. Vor der Besprechung der zehn Nebengruppen ist es zweckmäßig, dies in einigen theoretischen Kapiteln geschlossen abzuhandeln.
5.1 Magnetochemie 5.1.1 Materie im Magnetfeld Ein Magnetfeld wird durch die magnetische Induktion (magnetische Flussdichte) B oder die magnetische Feldstärke (magnetische Erregung) H beschrieben. Im Vakuum gilt B Z µ0 H Die SI-Einheit der magnetischen Induktion ist das Tesla (Einheitenzeichen T). 1 T Z 1 Vs.m2. Die SI-Einheit der magnetischen Feldstärke ist A.m. Die magnetische Feldkonstante µ0 Z 4 π · 10K7 Vs.Am. Die magnetische Induktion kann durch die Dichte von Feldlinien veranschaulicht werden. Bringt man einen Körper in ein homogenes Magnetfeld, so ist im Inneren des Körpers nicht die Induktion Baußen, sondern eine neue Induktion Binnen vorhanden. Man kann das magnetische Verhalten durch zwei Größen beschreiben, die Permeabilität μ und die Suszeptibilität χ. Aus der Beziehung Binnen Z µr Baußen erhält man μr als dimensionslose Proportionalitätskonstante. Sie wird Permeabilitätszahl (relative magnetische Permeabilität, Durchlässigkeit) eines Stoffes genannt. Bezeichnet man die im Körper hinzukommende oder wegfallende Induktion, die magnetische Polarisation, mit J, so gilt
660
5 Die Elemente der Nebengruppen
Binnen Z Baußen C J Aus der Beziehung J Z χV Baußen erhält man die Suszeptibilität (Aufnahmefähigkeit) χV eines Stoffes als dimensionslose Proportionalitätskonstante. Es gilt auch M Z χV Haußen J Z µ0 M
und
M ist die Magnetisierung (SI-Einheit: A.m). Man kann die Materie in drei Gruppen einteilen (Abb. 5.1). Diamagnetische Stoffe Paramagnetische Stoffe Ferromagnetische Stoffe
µr ! 1 µr O 1 µr Z 1
χV ! 0 χV O 0 χV Z 0
Abbildung 5.1 Verhalten diamagnetischer und paramagnetischer Stoffe in einem homogenen Magnetfeld. Ein diamagnetischer Stoff wird durch ein inhomogenes Magnetfeld abgestoßen, ein paramagnetischer Stoff in das Feld hineingezogen.
Der Chemiker gibt die Suszeptibilität meist nicht als volumenbezogene Suszeptibilität χV (Volumensuszeptibilität), sondern als molare (stoffmengenbezogene) Suszeptibilität χmol (Molsuszeptibilität) an. Für diese und die massenbezogene Suszeptibilität χg gilt χVVm Z χg M Z χmol Vm molares Volumen, M molare Masse. Es ist üblich χg in cm3.g und χmol in cm3. mol anzugeben. Bei 300 K liegen die volumenbezogenen Suszeptibilitäten annähernd in folgenden Bereichen.
5.1 Magnetochemie
661
χV K10K5 bis K10K4 C10K5 bis C10K3 C104 bis C105
Diamagnetische Stoffe Paramagnetische Stoffe Ferromagnetische Stoffe
5.1.2 Magnetisches Moment, Bohr’sches Magneton Fließt durch eine Spule ein elektrischer Strom, so entsteht ein Magnetfeld. Die Richtung des Feldes ist parallel zur Spulenachse. Die Spule stellt somit einen magnetischen Dipol dar und besitzt ein magnetisches Moment µmag. Ein Strom der Stärke I erzeugt auf einer Kreisbahn mit dem Radius r ein magnetisches Moment, das gleich dem Produkt aus Stromstärke und umflossener Fläche ist (Abb. 5.2) µmag Z I r 2 π Die SI-Einheit des magnetischen Moments ist Am2.
Abbildung 5.2 Entstehung eines magnetischen Dipols durch einen elektrischen Kreisstrom. Das magnetische Moment (magnetisches Dipolmoment) beträgt μmag Z I r 2 π. Die Richtung des Pfeils symbolisiert die Richtung des magnetischen Dipolmoments, seine Länge dessen numerische Größe.
Auch ein um einen Atomkern sich bewegendes Elektron erzeugt ein magnetisches Feld. Es besitzt ein magnetisches Bahnmoment, wenn es einen Bahndrehimpuls besitzt. Dies ist bei p-, d- und f-Elektronen der Fall (nicht bei s-Elektronen). Auf Grund seines Eigendrehimpulses (Spin) besitzt es außerdem ein magnetisches Spinmoment. Jeder Drehimpuls eines Elektrons ist mit einem magnetischen Moment nach der Gleichung e Z X (X C 1) (5.1) μmag Z 2 me √ gekoppelt. e Elementarladung, me Elektronenmasse, X Quantenzahl des Drehimpulh . ses, h Planck-Konstante Z Z 2π
(
)
662
5 Die Elemente der Nebengruppen
Die magnetischen Momente von Atomen, Ionen und Molekülen werden in BohrMagnetonen μB angegeben. μB Z
eZ 2 me
Das Bohr-Magneton ist die kleinste Einheit des magnetischen Moments, es ist das elektronische Elementarquantum des Magnetismus. Setzt man für die Konstanten die Zahlenwerte ein, erhält man µB Z 9,27 · 10K4 Am2 Für das magnetische Bahnmoment eines Elektrons erhält man aus den Gl. (5.1) und (5.2) mit X Z l μ l Z √l (l C 1) μB Für das Spinmoment muss ein g-Faktor (gyromagnetische Anomalie) eingeführt werden. Er hat annähernd den Wert 2. Mit X Z s erhält man μs Z g
√s (s C 1) μB
und mit s Z 21 , μ s Z 1,7321 μB .
5.1.3 Elektronenzustände in freien Atomen und Ionen, Russell-SaundersTerme Das gesamte magnetische Moment von Atomen oder Ionen resultiert aus den Bahnund Spinmomenten aller Elektronen. Für leichtere Atome (bis etwa zu den Lanthanoiden) erhält man den Gesamtdrehimpuls aus den einzelnen Elektronen nach einem Schema, das als Russell-Saunders-Kopplung oder LS-Kopplung bezeichnet wird. Die Spins der einzelnen Elektronen ms koppeln zu einem Gesamtspin Ms mit der Quantenzahl S MS Z Σ ms MS Z S, S K 1, S K 2, ..., KS Die Bahndrehimpulse der einzelnen Elektronen ml koppeln zu einem Gesamtbahndrehimpuls ML mit der Quantenzahl L ML Z Σ ml ML Z L, L K 1, L K 2, ..., KL Analog zu den Bezeichnungen für einzelne Elektronen werden folgende Symbole verwendet. L 0 1 2 3 4 5 Symbol S P D F G H
5.1 Magnetochemie
663
Gesamtspin und Gesamtbahndrehimpuls koppeln zu einem Gesamtdrehimpuls mit der Quantenzahl J J Z L C S , L C S K 1, L C S K 2, ..., L K S J Z S C L , S C L K 1, S C L K 2, ..., S K L
(L R S) (S R L)
Die durch die Quantenzahlen S, L und J bestimmten Zustände nennt man RussellSaunders-Terme. Das Symbol dafür ist 2S C 1LJ. 2S C 1 nennt man Spinmultiplizität. Beispiel: Kohlenstoffatom Es sind die möglichen Zustände (Terme) des Kohlenstoffatoms zu finden. Die Elektronenkonfiguration des C-Atoms ist 1s2 2s2 2p2. Vollständig gefüllte Schalen oder Unterschalen können außer Acht gelassen werden. Für sie ist immer ML Z 0 und MS Z 0. Zu berücksichtigen sind also nur die beiden p-Elektronen. Für p-Elektronen ist l Z 1 und jedes p-Elektron kann die ml-Werte C1, 0, K1 annehmen. Die möglichen ML-Werte liegen daher zwischen C2 und K2. Für jedes der beiden p-Elektronen ist ms Z C 21 oder ms Z K 21 , die möglichen MS -Werte sind 1, 0, K1. In der Abb. 5.3 sind alle erlaubten Kombinationen von ml - und ms -Werten den ML MSKästchen zugeordnet. Sie führen zu drei Zuständen: 3P, 1D, 1S. Zum Term 3P mit L Z 1 und S Z 1 gehören neun Kombinationen (graue Kästchen). Zum Term 1D mit L Z 2 und S Z 0 gehören fünf Kombinationen (rote Kästchen) und zum Term 1S eine Kombination mit L Z 0 und S Z 0 (weißes Kästchen). Bei Berücksichtigung der J-Werte erhält man die folgenden Terme: 3P2, 3P1, 3P0, 1 D 2 , 1S 0 .
Abbildung 5.3 MLMS-Zustände für die Elektronenkonfiguration p2. Die Zahlen bezeichnen die ml -Werte; die ms-Werte C1.2 und K1.2 sind mit C bzw. K gekennzeichnet. Graue Kästchen: 9 Kombinationen mit ML Z 1, 0, K1 und Ms Z 1, 0, K1, die zum Term 3P mit L Z 1, S Z 1 gehören. Rote Kästchen: 5 Kombinationen mit ML Z 2, 1, 0, K1, K2 und MS Z 0, die zum Term 1D mit L Z 2, S Z 0 gehören. Weißes Kästchen: 1 Kombination, sie gehört zum Term 1S mit L Z 0, S Z 0.
664
5 Die Elemente der Nebengruppen
Der Term mit der niedrigsten Energie, der Grundzustand, kann nach den Regeln von Hund ermittelt werden. Der Grundterm besitzt den höchsten Wert der Spinmultiplizität 2S C 1. Wenn mehrere Terme die gleiche Spinmultiplizität haben, dann ist der Term mit dem größeren L-Wert stabiler. Bei gleicher Spinmultiplizität und gleichem L-Wert ist in der ersten Hälfte einer Untergruppe der Term mit dem kleinsten J-Wert, in der zweiten Hälfte der mit dem größten J-Wert am stabilsten. Der Grundterm des C-Atoms ist also der Term 3P0. Der 1D-Term liegt 105 kJ. mol, der 1S-Term 135 kJ.mol über dem 3P-Grundterm (Abb. 5.4). Die energetische Aufspaltung eines Terms auf Grund seiner verschiedenen J-Werte bezeichnet man als Multiplettaufspaltung. Die Energiedifferenz der Multipletterme ist im allgemeinen eine Größenordnung kleiner als die der 2S C 1L-Terme. Jeder Multipletterm ist (2J C 1)-fach entartet. Im Magnetfeld wird die Entartung aufgehoben und es erfolgt eine Aufspaltung in 2 J C 1 Energieterme (Zeeman-Aufspaltung).
Abbildung 5.4 Schematisches Termdiagramm der Konfiguration p2.
Die Russell-Saunders-Terme für die Elektronenkonfigurationen d1Kd9 sind in der Tabelle 5.1 angegeben. Die Terme des Grundzustandes für alle Elektronenkonfigurationen enthält die Tabelle 2 in Anh. 2. Tabelle 5.1 Russell-Saunders-Terme für die Elektronenkonfigurationen d1Kd9 Konfiguration
2S C 1
d1, d2, d3, d4,
2
2
3
3
d5
d9 d8 d7 d6
L-Terme
D F, 3P, 1G, 1D, 1S 4 F, 4P, 2H, 2G, 2F, 2mal 2D, 2P 5 D, 3H, 3G, 2mal 3F, 3D, 2mal 3P, 1I, 2mal 1G, 1F, 2mal 1D, 2mal 1S 6 S, 4G, 4F, 4D, 4P, 2I, 2H, 2mal 2G, 2mal 2F, 3mal 2D, 2P, 2S
Grundterme D3.2, 2D5.2 F2, 3F4 4 F3.2, 4F9.2 5 D0, 5D4 6
S5.2
5.1 Magnetochemie
665
5.1.4 Diamagnetismus Diamagnetisch sind alle Stoffe, deren Atome, Ionen oder Moleküle abgeschlossene Schalen oder Unterschalen haben. Sie besitzen kein resultierendes magnetisches Moment, da sich die Spinmomente und die Bahnmomente der Elektronen kompensieren. Die meisten Substanzen sind diamagnetisch, weil die ungepaarten Elektronen der Atome bei der Bildung von Verbindungen abgesättigt werden. Die durch ein Magnetfeld induzierte magnetische Polarisation ist dem äußeren Feld entgegengerichtet. Dies führt zu einer Schwächung im Inneren des diamagnetischen Stoffes: χ dia ! 0 (Abb. 5.1). Die diamagnetische Suszeptibilität ist unabhängig von der Feldstärke und der Temperatur. Die diamagnetische Suszeptibilität eines Moleküls kann additiv aus empirischen Einzelwerten der Atome (χAtom) und der Bindungen (χBindung) des Moleküls berechnet werden. χdia Z Σ χ Atom C Σ χ Bindung Bei Ionenverbindungen erhält man die diamagnetische Suszeptibilität aus der Summe der Ionensuszeptibilitäten. χdia Z χ Kation C χ Anion
5.1.5 Paramagnetismus Atome, Ionen und Moleküle, in denen ungepaarte Elektronen vorhanden sind, besitzen ein permanentes magnetisches Moment (vgl. Abschn. 5.1.2). Ohne äußeres Feld sind die magnetischen Momente statistisch verteilt und heben sich daher gegenseitig auf. Legt man ein äußeres Feld an, so richten sich die magnetischen Momente in Feldrichtung aus, es entsteht ein Magnetfeld, das dem äußeren Feld gleichgerichtet ist. Ein solcher Stoff ist paramagnetisch: χpara O 0 (Abb. 5.1). Die Paramagnetische Suszeptibilität ist unabhängig von der Feldstärke, aber temperaturabhängig, da eine Temperaturzunahme der Ausrichtung der permanenten Magnete im äußeren Feld entgegenwirkt. Der diamagnetische Effekt tritt bei allen Stoffen auf. χ Z χ dia C χ para Der Diamagnetismus ist mehrere Größenordnungen schwächer als der Paramagnetismus. (Eine Ausnahme ist der Paramagnetismus des Elektronengases von Metallen.) Substanzen mit ungepaarten Elektronen sind daher paramagnetisch. Die gemessene Suszeptibilität paramagnetischer Stoffe χ ist etwas kleiner als die wahre paramagnetische Suszeptibilität χpara, da χdia negativ ist.
666
5 Die Elemente der Nebengruppen
Die Temperaturabhängigkeit der paramagnetischen Suszeptibilität kann mit dem Curie-Gesetz C χ para Z T bzw. mit dem Curie-Weiss-Gesetz χpara Z
C TKΘ
Abbildung 5.5 Abhängigkeit der paramagnetischen Suszeptibilität von der Temperatur 1 T Z a) Curie-Gesetz χpara C TKΘ 1 Z ; Θ , die paramagnetische Curie-Temperatur, kann pob) Curie-Weiss-Gesetz χpara C sitiv oder negativ sein.
beschrieben werden (Abb. 5.5). Θ, die paramagnetische Curie-Temperatur, kann positiv oder negativ sein. Ihr Vorhandensein bedeutet, dass die magnetischen Dipole der Teilchen nicht unabhängig voneinander sind, sondern dass ihre Orientierung durch die Orientierung der Nachbardipole beeinflusst wird. Für die Curie-Konstante C gilt C Z
u0 NA 2 μ mag 3k
µ0 magnetische Feldkonstante, NA Avogadro-Konstante, k Boltzmann-Konstante. Durch Messung der volumenbezogenen Suszeptibilität, Umrechnung auf die molare Suszeptibilität und Abzug der diamagnetischen Suszeptibilität erhält man die paramagnetische Suszeptibilität. Daraus kann das magnetische Moment ermittelt werden. μexp Z
√
3k χ (T K Θ) μ 0 NA para
Zur magnetochemischen Lösung von Strukturproblemen wird das experimentelle magnetische Moment µexp mit dem berechneten magnetischen Moment verglichen. Man bezeichnet letzteres als effektives magnetisches Moment µeff.
5.1 Magnetochemie
667
Für die Berechnung der magnetischen Momente kann man zwei Grenzfälle unterscheiden. Wenn die Kopplung zwischen Gesamtbahndrehimpuls und Gesamtspin stark ist, dann ist die Multiplettaufspaltung viel größer als kT. Alle Teilchen befinden sich daher im Zustand niedrigster Energie, der durch die Quantenzahl J bestimmt ist. Dafür erhält man (vgl. Gleichung 5.1 und Gleichung 5.2) μeff Z gJ μ B √J (J C 1) gJ Z 1 C
J (J C 1) C S (S C 1) K L (L C 1) 2 J (J C 1)
Dieser Fall ist bei den Lanthanoiden realisiert. Bei ihnen kommt das paramagnetische Moment durch die 4f-Elektronen zustande. Diese inneren Elektronen sind nicht an Bindungen beteiligt und nach außen gegen den Einfluss von Ligandenfeldern weit gehend abgeschirmt. Abb. 5.6 zeigt die gute Übereinstimmung zwischen µexp und µeff.
Abbildung 5.6 Magnetische Momente der Lanthanoidionen Ln3C Mit der Beziehung μ Z gJ √J (J C 1) μB berechnete magnetische Momente (K). Die Grundterme sind in der Tabelle 5.9 angegeben. Beispiel: Terbium Tb, Grundterm 7F6 2 S C 1 Z 7; S Z 3; L Z 3, J Z 6 6(6 C 1) C 3(3 C 1) K 3(3 C 1) 3 Z gJ Z 1 C 2 2 $ 6(6 C 1) 3 μ Z √6 (6 C 1) μB Z 9,72 μB 2 C Experimentelle magnetische Momente. Nur für Sm3C und Eu3C sind die experimentellen Werte größer. Bei beiden Ionen liegt der erste angeregte J-Zustand relativ nahe über dem Grundzustand, so dass er bei normaler Temperatur teilweise besetzt ist. Da die angeregten Zustände höhere J-Werte als der Grundzustand besitzen, sind die experimentellen magnetischen Momente größer, als die Berechnung unter ausschließlicher Berücksichtigung des Grundzustandes ergibt.
668
5 Die Elemente der Nebengruppen
Bei schwacher Spin-Bahn-Kopplung ist die Multiplettaufspaltung viel kleiner als kT. Die Teilchen haben keinen durch J bestimmten Gesamtdrehimpuls. Der durch L bestimmte Bahndrehimpuls und der durch S bestimmte Spin nehmen unabhängig voneinander alle im Raum erlaubten Lagen ein. Das effektive magnetische Moment beträgt μeff Z μB √L (L C 1) C 4 S (S C 1) Oft sind die Bahnmomente ganz oder teilweise unterdrückt. Mit L Z 0 erhält man die „spin-only“-Werte. μef Z 2 μB √S (S C 1) Tabelle 5.2 Vergleich berechneter und experimenteller magnetischer Momente für 3d-Ionen. Anzahl Ion der d-Elektronen 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Sc3C Ti3C V4C V3C Ti2C V2C Cr3C Mn4C Cr2C Mn3C Mn2C Fe3C Co3C Co2C Ni3C Ni2C Cu2C CuC Zn2C
Grundterm
μexp μB
μef μB gJ √S (S C 1)
√L (L C 1) C 4 S (S C 1)
2 √S (S C 1)
S0 D3.2
0 1,55
0 3,00
0 1,73
3
F2
1,63
4,47
2,83
4
F3.2
0,70
5,20
3,87
5
D0
0
5,48
4,90
6
S5.2
5,92
5,92
5,92
5
D4 F9.2
6,71 6,63
5,48 5,20
4,90 3,87
3,8K3,9 3,7K3,9 3,8K4,0 4,8K4,9 4,9K5,0 5,7K6,1 5,7K6,0 5,1K5,7 4,3K5,2
F4 D5.2 1 S0
5,59 3,55 0
4,47 3,00 0
2,83 1,73 0
2,8K3,5 1,8K2,1 0
1 2
4 3
2
0 1,7K1,8 1,6K1,8 2,8K2,9
Beispiel: V3C, Grundterm 3F2 2 S C 1 Z 3; S Z 1; L Z 3, J Z 2 2 √S (S C 1) Z 2 √1 (1 C 1) Z 2,83
√L (L C 1) C 4 S (S C 1) Z √3 (3 C 1) C 4 (1 C 1) Z 4,47 gJ Z 1 C
J(J C 1) C S(S C 1) K L(L C 1)
gJ √J (J C 1) Z
2 J(J C 1)
2 2 (2 C 1) Z 1,63 3√
Z1 C
2(2 C 1) C 1(1 C 1) K 3(3 C 1) 2 $ 2(2 C 1)
Z
2 3
5.1 Magnetochemie
669
Beispiele sind die Verbindungen der 3d-Übergangsmetalle (Tabelle 5.2), bei denen die paramagnetischen Eigenschaften der 3d-Ionen durch die sie umgebenden Liganden beeinflusst werden. Bei den Ionen der ersten Hälfte der 3d-Elemente stimmen die experimentellen magnetischen Momente mit den spin-only-Werten überein. Bei den Ionen der zweiten Hälfte sind durch das Kristallfeld die Bahnmomente nur teilweise unterdrückt.
5.1.6 Spinordnung, Spontane Magnetisierung Beim Diamagnetismus und beim Paramagnetismus erfolgt keine Wechselwirkung zwischen den Atomen, Ionen und Molekülen, sie sind magnetisch isoliert. Die magnetischen Eigenschaften sind annähernd additiv aus denen der einzelnen Teilchen zusammengesetzt. Wenn in Feststoffen Wechselwirkungen zwischen den Spins paramagnetischer Teilchen auftreten, sprechen wir von kooperativem oder kollektivem Magnetismus. Sind die Teilchen, zwischen denen die Wechselwirkung auftritt, benachbart, ist eine direkte Wechselwirkung vorhanden. Bei indirekter Wechselwirkung wird die Austauschwechselwirkung durch die Elektronen diamagnetischer Ionen vermittelt, die sich zwischen den paramagnetischen Teilchen befinden. Unterhalb einer charakteristischen Temperatur erfolgt auf Grund der Spin-SpinWechselwirkung eine Spinordnung und eine spontane Magnetisierung. Die Spinordnung stellt sich ohne äußeres Feld ein. Es existiert unterschiedlich zu diamagnetischen und paramagnetischen Stoffen eine komplizierte Abhängigkeit der Suszeptibilität von der Feldstärke. Es gibt verschiedene Spinordnungen. Am wichtigsten ist die parallele Ausrichtung der Spins (ferromagnetische Spinordnung) und die antiparallele Ausrichtung der Spins (antiferromagnetische Spinordnung). Außerdem gibt es Spinordnungen mit komplizierten Spiralstrukturen und verkantete Spinstrukturen (Abb. 5.7). Beispiele ferromagnetisch
Fe, Co, Ni, Tb, Dy, Gd, CrO2
antiferromagnetisch
MnO, CoO, NiO, FeF2, MnF2
ferrimagnetisch
Ferrite, Granate
verkantet
FeF3, FeBO3 (schwache Ferromagnetika)
spiralförmig Lanthanoide (nur ein Beispiel für spiralförmige Spinstrukturen) Abbildung 5.7 Schematische Darstellung verschiedener Spinstrukturen.
670
5 Die Elemente der Nebengruppen
Ferromagnetismus Unterhalb der Curie-Temperatur TC erfolgt innerhalb eines kleinen Bereichs, der so genannten „Domäne“ (Weiss’scher Bereich) eine parallele Kopplung der Spins benachbarter Atome. Die Suszeptibilität ist 107 bis 1010 mal größer als die der Paramagnetika, sie erreicht ihren größten Wert bei T Z 0 K. Mit steigender Temperatur nimmt die magnetische Polarisation, also auch die Suszeptibilität ab, da sich innerhalb der Weiss’schen Bezirke die magnetischen Spinmomente teilweise antiparallel zueinander orientieren. Oberhalb der Curie-Temperatur bricht die Spinkopplung zusammen, es gilt dann das Curie-Weiss-Gesetz. Θ ist bei ferromagnetischen Stoffen positiv (Abb. 5.8).
Abbildung 5.8 Schematische Darstellung des Verlaufs der spontanen Magnetisierung und der reziproken Suszeptibilität ferro-, ferri- und antiferromagnetischer Stoffe als Funktion der Temperatur (Schwarze Kurven: Bereiche des kooperativen Magnetismus. Rote Kurven: Paramagnetische Bereiche).
5.1 Magnetochemie
671
Nach außen ist ein ferromagnetischer Stoff auch unterhalb TC unmagnetisch, da die Richtungen der Magnetisierung der einzelnen Weiss’schen Bereiche statistisch verteilt sind, so dass ein Gesamtmoment Null resultiert (Abb. 5.8). In einem Magnetfeld erfolgt eine Magnetisierung des ferromagnetischen Stoffes, da sich die magnetischen Momente der Weiss’schen Bereiche im Feld ausrichten (Abb. 5.9).
Abbildung 5.9 Hysterese-Schleife von ferromagnetischen und ferrimagnetischen Stoffen. In einem Magnetfeld richten sich die magnetischen Momente der Weiss’schen Bereiche im Feld aus. Die Magnetisierung M wächst solange mit der Feldstärke, bis bei Hs eine vollständige Spinausrichtung erfolgt ist; man erhält dann die Sättigungsmagnetisierung MS. Verringert man die Feldstärke des äußeren Feldes auf Null, verläuft die Magnetisierung nicht entlang der Neukurve, sondern in einer Hysterese-Schleife. Bei H Z 0 verbleibt eine Magnetisierung MR (Remanenzmagnetisierung). Es ist ein Permanentmagnet entstanden. Erst bei einem Feld KHC (Koerzitivfeldstärke) erreicht man wieder die Magnetisierung M Z 0. Bei KHS erhält man die Sättigungsmagnetisierung KMS. Verringert man die Feldstärke und kehrt ihre Richtung um, verläuft die Magnetisierung in Pfeilrichtung über M Z KMR, M Z 0 nach M Z CMS . „Magnetisch harte“ Werkstoffe sind solche mit einer großen Remanenzmagnetisierung und großer Koerzitivfeldstärke (Permanentmagnete).
Ferromagnetismus tritt bei Fe, Co, Ni, Gd, Dy, EuS, CrO2 sowie Legierungen aus Cu, Al und Mn (Heusler’sche Legierungen) auf. Diese Stoffe bestehen aus Atomen mit nicht abgeschlossenen d- oder f-Unterschalen Ferrimagnetismus Innerhalb eines Weiss’schen Bereichs erfolgt unterhalb der ferrimagnetischen CurieTemperatur TC eine antiparallele Kopplung verschieden großer Spinmomente. Es
672
5 Die Elemente der Nebengruppen
resultiert ein magnetisches Moment und es findet eine spontane Magnetisierung statt. Wegen der statistischen Verteilung der Momente der einzelnen Weiss’schen Bereiche tritt nach außen keine Magnetisierung auf und erst bei Einwirkung eines äußeren Feldes erfolgt Magnetisierung (Abb. 5.8). Die Abhängigkeit der Magnetisierung von der Temperatur und dem äußeren Feld ähnelt der ferromagnetischer Stoffe (Abb. 5.8 u. Abb. 5.9). Oberhalb der Curie-Temperatur gilt das Curie-Weiss-Gesetz, Θ ist negativ. Wichtige Beispiele für ferrimagnetische Stoffe sind Spinelle und Granate. In Spinellen (vgl. Abb. 5.10) gibt es zwei Metalluntergitter. Das A-Untergitter besteht aus den Kationen, die tetraedrisch, das B-Untergitter aus den Kationen, die oktaedrisch von Sauerstoffionen koordiniert sind. In jedem Untergitter sind die Spins parallel zueinander orientiert. Zwischen den Untergittern ist die Orientierung antiparallel. Da die Momente der Untergitter verschieden sind, resultiert ein Gesamtmoment. Bei T Z 0 K sind die Spins vollkommen orientiert, man erhält die Sättigungsmagnetisierung. In jedem Untergitter beträgt das Sättigungsspinmoment µ Z g S µB Mit g Z 2 und nB Z Anzahl ungepaarter Elektronen folgt µ Z n B µB
Abbildung 5.10 Ferrimagnetische Kopplung der Spins in Spinellen (vgl. Abb. 2.19). In jedem Teilgitter ist die Spinorientierung (durch Pfeile symbolisiert) parallel. Zwischen den beiden Untergittern ist die Spinorientierung antiparallel.
In der Tabelle 5.3 sind die experimentellen und die theoretischen Sättigungsmomente für verschiedene Ferrite MeFe2O4 (Me Z Fe, Co, Ni, Mn, Zn, Cd) mit Spinell-Struktur angegeben. Der bekannteste Ferrit ist der Magnetit Fe3O4, ein inverser Spinell, bei dem das A-Untergitter von Fe3C-Ionen, das B-Untergitter statistisch mit Fe3Cund Fe2C-Ionen besetzt ist.
5.1 Magnetochemie
673
Tabelle 5.3 Magnetische Momente einiger Ferrite mit Spinellstruktur in μB Spinell
nB (A)
nB (B)
nB (theor.)
nB (exp.)*
Fe3C(Fe2CFe3C)O4 Fe3C(Co2CFe3C)O4 Fe3C(Ni2CFe3C)O4 3C 2C 3C Mn2C 0,8 Fe0,2 (Mn0,2 Fe1,8 )O4 3C 2C Zn (Fe2 )O4 Cd2C (Fe23C)O4
5 5 5 5 0 0
9 8 7 10 0 0
4 3 2 5 0 0
4,0K4,2 3,3K3,9 2,2K2,4 4,4K5,0 0 0
* Die größeren experimentellen magnetischen Momente werden wahrscheinlich durch Beiträge des Bahnmoments verursacht.
In der Abb. 5.11 ist für einige Ferrite die Magnetisierung in Abhängigkeit von der Temperatur wiedergegeben. Die Curie-Temperatur spiegelt die Größe der Austauschwechselwirkung wider.
Abbildung 5.11 Temperaturabhängigkeit der spontanen Magnetisierung einiger Ferrite MeFe2O4 (Me Z Fe, Mn, Co, Ni).
Die antiferromagnetische Kopplung zwischen den Metalluntergittern in Spinellen oder NaCl-Strukturen ist eine durch die Anionen vermittelte indirekte Austauschwechselwirkung. Sie wird Superaustausch genannt. 3C Ferrite der Zusammensetzung Me3C 3 Fe5 O1 2 (Me Z Y, Gd, Tb, Dy, Ho, Er, Tm, Yb, Lu) kristallisieren in der komplizierten, kubischen Granat-Struktur. Die Elementarzelle enthält 8 Formeleinheiten, also 96 Sauerstoffionen. Die Sauerstoffionen sind nicht in einer der dichtesten Packungen angeordnet. Es gibt 3 Metalluntergitter. Die Seltenerdmetalle sind von 8 Sauerstoffionen dodekaedrisch umgeben. Zwei Fe3CIonen sind oktaedrisch, drei tetraedrisch koordiniert. Die magnetischen Momente der beiden Fe-Untergitter sind antiparallel zueinander orientiert. Das resultierende Moment ist wiederum antiparallel zum Moment des Seltenerdmetalluntergitters
674
5 Die Elemente der Nebengruppen
orientiert. Für die beiden Fe-Untergitter folgt daraus mit nB (Fe) Z 5 das Sättigungsmoment µFe Z (3 nB (Fe) K 2 nB (Fe)) µB Z 5 µB Berücksichtigt man auch für die Lanthanoide (Ln) nur die Spinmomente, erhält man das Gesamtmoment nach mit
µGes Z nB µB nB Z - 3 nB (Ln) K 5 -
nB (Ln) Z 2 S ist gleich der Zahl ungepaarter Elektronen der Ln3C-Ionen (vgl. Tab. 5.9).
nB (Ln) nB theor. nB exp.
Y
Gd
Tb
Dy
Ho
Er
Tm
Yb
Lu
0 5 4,72
7 16 16
6 13 18,2
5 10 16,4
4 7 15,2
3 4 10,4
2 1 1,2
1 2 0
0 5 5
Berechnete und gemessene magnetische Momente stimmen nur überein, wenn das Bahnmoment L Z 0 beträgt. Bei allen anderen Lanthanoid-Ferriten ist das gemessene magnetische Moment wesentlich größer als der spin-only-Wert. Das Bahnmoment ist nur teilweise durch das Kristallfeld unterdrückt und liefert unterschiedlich zu Ferriten mit Spinellstruktur einen erheblichen Beitrag zum Gesamtmoment. Der Neodym-YAG-Laser besteht aus Yttrium-Aluminium-Granat (Y3Al5O12), in dem Y3C durch etwas Nd3C substituiert ist. Antiferromagnetismus Unterhalb der Néel-Temperatur TN erfolgt eine spontane antiparallele Kopplung gleich großer Momente in einem Weiss’schen Bereich. Beim absoluten Nullpunkt ist die Ausrichtung vollkommen und es resultiert Diamagnetismus. Mit zunehmender Temperatur und damit zunehmender Wärmebewegung ist die Kopplung gestört, die Suszeptibilität χ nimmt zu und durchläuft bei TN ein Maximum. Oberhalb TN bricht die Spinordnung zusammen, die Substanz verhält sich normal paramagnetisch, mit zunehmender Temperatur nimmt χ ab (Abb. 5.8). Bei Antiferromagnetika resultiert aus der Spinkopplung keine magnetische Polarisation und im äußeren Feld erfolgt keine makroskopische Magnetisierung. Antiferromagnetisch sind z. B. MnO (vgl. Abschn. 5.3), CoO, NiO, α-Fe2O3, FeF2. Ihre Néel-Temperaturen betragen 122 K, 292 K, 523 K, 953 K und 80 K.
5.2 Mößbauer-Spektroskopie Das beim Übergang eines angeregten Kernzustandes (Quelle) in den Grundzustand emittierte γ-Quant kann von einem gleichen Kern im Grundzustand (Absorber) absorbiert werden. Emission und Absorption müssen rückstoßfrei erfolgen (Abb. 5.12).
5.2 Mößbauer-Spektroskopie
675
Die rückstoßfreie Kernresonanz von γ-Strahlen wird Mößbauer-Effekt genannt. Er wurde 1958 von R. Mößbauer entdeckt.
Abbildung 5.12 Kernresonanz von 57Fe. Der angeregte Zustand des Eisenkerns hat eine Lebensdauer von 10K7 s. Beim Übergang in den Grundzustand wird ein γ-Quant der Energie von 14,4 keV abgegeben. Trifft es auf einen Eisenkern, der sich im Grundzustand befindet und dessen chemische Umgebung identisch ist, kann durch Absorption des γ-Quants Anregung erfolgen. Der Anteil rückstoßfreier Kernübergänge beträgt beim Eisen bei Raumtemperatur 70 %. Rückstoßfreie Kernresonanz ist nur im festen Zustand möglich. Angeregte 57Fe-Kerne entstehen aus 57Co-Kernen durch Elektroneneinfang. 57Co hat eine Halbwertszeit von 270 Tagen.
Ist die Energiedifferenz zwischen angeregtem Zustand und Grundzustand für die Quelle und den Absorber nicht genau gleich, erfolgt keine Resonanz. Man kann aber die Resonanzbedingung dadurch herstellen, dass man dem γ-Quant DopplerEnergie zuführt. Bei der 57Fe-Mößbauer-Spektroskopie wird die Quelle mit einer Geschwindigkeit zwischen K10 mm.s und C10 mm.s bewegt. Pro mm.s erhält das γ-Quant eine zusätzliche Energie von 5 · 10K8 eV. Misst man die Kernresonanz in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit der Quelle, erhält man ein MößbauerSpektrum (Abb. 5.13). Die Energieniveaus der Kernzustände werden durch die chemische Umgebung beeinflusst. Die Energieänderung ist von der Größenordnung 10K8K10K7 eV. Aus den Wechselwirkungen zwischen dem Kern des Mößbauer-Atoms und den umgebenden Elektronen K des Mößbauer-Atoms oder anderer Atome der Umgebung K lassen sich chemische Informationen ableiten. Drei Arten der Wechselwirkung können unterschieden werden (Abb. 5.14). 1. Elektrische Monopol-Wechselwirkung zwischen Atomkern und s-Elektronen am Kernort. Die Energie des Grundzustandes und die Energie des angeregten Zustandes werden unterschiedlich verändert. Die dadurch veränderte Übergangsenergie wird durch die Isomerieverschiebung δ registriert. δ liefert also eine Information über die s-Elektronendichte und lässt Rückschlüsse zu über Oxidationszustand, Koordination,
676
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.13 Mößbauer-Spektrum. Bei einer charakteristischen Geschwindigkeit der Quelle erfolgt Resonanz. Die Resonanzabsorption der γ-Quanten wird vom Detektor als Schwächung der Strahlungsintensität der Quelle registriert. Es entsteht eine Mößbauer-Linie. Die Linienbreite ist sehr klein (beim 57FeKern 5 $ 10K9 eV), man kann daher außerordentlich kleine Energieänderungen messen.
Elektronegativität von Liganden, π-Akzeptoreigenschaften von Liganden in Komplexen (vgl. Abschn. 5.4.6). Bei high-spin-Eisenverbindungen ändert sich die Elektronendichte deswegen mit der Oxidationszahl, weil bei unterschiedlicher Anzahl der d-Elektronen die s-Elektronen verschieden stark abgeschirmt werden. 2. Elektrische Quadrupolwechselwirkung zwischen dem elektrischen Quadrupolmoment des Kerns und einem inhomogenen elektrischen Feld am Kernort. Das Energieniveau des angeregten Zustandes des 57Fe-Kerns spaltet symmetrisch auf (Quadrupolaufspaltung Δ). Es gibt zwei Resonanzabsorptionen, das Spektrum besteht aus einem Dublett. Bei Ionen mit kugelsymmetrischer Ladungsverteilung, z. B. Fe3C, wird ein inhomogenes Feld durch eine nichtkubische Umgebung im Kristallgitter erzeugt (Gittereffekt). Beim Gittereffekt ist die Quadrupolaufspaltung klein. Verursacht die nichtkubische Umgebung eine nichtkugelsymmetrische Ladungsverteilung der Elektronenhülle wie z. B. beim Fe2C (vgl. Abschn. 2.7.2), dann ist die Quadrupolaufspaltung groß (Valenzeffekt). Aus dem Vorhandensein und der Größe der Quadrupolaufspaltung erhält man Informationen über Molekülsymmetrie, Platzsymmetrie, Oxidationszustand, Koordination, Ligandenfeldaufspaltung. 3. Magnetische Dipolwechselwirkung zwischen dem magnetischen Dipolmoment eines Kerns mit einem magnetischen Feld am Kernort. Die Energieniveaus des Grundzustandes und des angeregten Zustandes werden aufgespalten (Magnetische Aufspaltung Δ EM). Beim 57Fe-Kern sind sechs Übergänge möglich, das Spektrum besteht aus einem Sextett. Die magnetische Aufspaltung liefert Informationen über den magnetischen Zustand (Ferromagnetismus, Ferrimagnetismus) und die Stärke innerer Magnetfelder. Aus den bei verschiedenen Temperaturen gemessenen Spektren können Curie-Temperaturen ermittelt werden.
5.2 Mößbauer-Spektroskopie
Abbildung 5.14 Hyperfeinwechselwirkungen des
677
57
Fe-Kerns.
In den meisten Spektren sind mehrere Wechselwirkungen überlagert. Beispiel: Fe3O4 Fe3O4 ist ein inverser Spinell: Fe3C (Fe2C Fe3C)O4. Er ist ferrimagnetisch und ein guter elektrischer Leiter. Die Analyse des gemessenen Mößbauer-Spektrums ergibt, dass es durch Überlagerung von zwei Sextetts erklärt werden kann (Abb. 5.15). Der Mößbauer-Effekt wurde bei etwa einem Drittel der Elemente nachgewiesen. Die Mößbauer-Untersuchungen sind aber auf relativ wenige Elemente beschränkt. Am umfangreichsten und wichtigsten ist die 57Fe-Mößbauer-Spektroskopie. Zahlreiche Untersuchungen gibt es aber auch von Sn, Sb, Te, I, Xe, Cs, Ni, Ru, Os, Ir, Pt, Au und einigen Lanthanoiden.
678
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.15 Mößbauer-Spektrum von Fe3O4. Das an polykristallinem Fe3O4 gemessene Spektrum ist eine Überlagerung der beiden dargestellten Sextetts. Das Sextett mit der kleineren Intensität (rot gezeichnet) stammt von tetraedrisch koordiniertem Eisen. Aus der Isomerieverschiebung folgt, dass dieses Sextett von Fe3C-Ionen herrührt. Die Oktaederplätze sind von Fe2C- und Fe3C-Ionen besetzt. Sie ergeben aber nur ein Sextett (schwarz gezeichnet) mit einer Isomerieverschiebung, die der Oxidationsstufe 2,5 entspricht. Das Mößbauer-Spektrum registriert nur eine einheitliche Eisenspezies, und es beweist, dass auf den Oktaederplätzen ein schneller Elektronenaustausch zwischen Fe2C- und Fe3C-Ionen stattfindet. Die Größe des inneren Feldes ist für den Tetraederplatz größer (49,2 T) als für den Oktaederplatz (45,8 T) (s. Abschn. 5.7.5.2).
5.3 Neutronenbeugung Wie Elektronen (vgl. S. 38), so besitzen auch Neutronen Welleneigenschaften. Die Wellenlängen von Neutronenstrahlen haben die Größe der Atomabstände in Kristallen. Man kann daher analog der Röntgenbeugung (vgl. Abschn. 2.7.2) Kristallstrukturuntersuchungen mit der Neutronenbeugung durchführen. Die Wechselwirkung der Neutronen mit dem Kristall ist durch zwei Prozesse annähernd gleicher Größenordnung bestimmt. Kernstreuung. Wechselwirkung des Neutrons mit den Atomkernen auf Grund von Kernwechselwirkungskräften. Das Streuvermögen für Röntgenstrahlen nimmt proportional mit der Ordnungszahl Z der Atome zu. Bei der Neutronenbeugung ist das Streuvermögen der Kerne regellos über die Elemente des PSE verteilt. So ist z. B. das Streuvermögen der Wasserstoffatome vergleichbar mit dem schwerer Elemente. Magnetische Streuung. Magnetische Dipol-Dipol-Wechselwirkung des magnetischen Moments des Neutrons mit dem magnetischen Moment der Elektronenhülle. Mit der Neutronenbeugung können Strukturprobleme gelöst werden, für die die Röntgenbeugung nicht geeignet ist. Unterscheidung von Elementen ähnlicher Ordnungszahl.
5.3 Neutronenbeugung
679
Beispiel: MgAl2O4 MgAl2O4 kristallisiert im Spinell-Typ. Die Mg2C- und Al3C-Ionen sind isoelektronisch und röntgenographisch nicht unterscheidbar. Ihre Verteilung auf die beiden Plätze des Spinellgitters kann mit der Röntgenbeugung nicht bestimmt werden. Die Neutronenbeugung ergibt annähernd normale Verteilung (vgl. S. 84). Lokalisierung leichter Elemente neben schweren Elementen. Besonders wichtig ist die Möglichkeit, die Positionen von Wasserstoffatomen zu bestimmen. Beispiele: Lokalisierung von Wasserstoffatomen in Wasserstoffbrücken, Hydriden und der leichten Atome in Carbiden und Nitriden von Schwermetallen. Mit der magnetischen Streuung können bestimmt werden: Curie- und Néel-Temperaturen. Magnetischer Ordnungszustand (Ferro-, Ferri-, Antiferromagnetismus). Größe der magnetischen Elementarzelle, Verteilung der magnetischen Ionen im Kristall. Größe und Richtung der magnetischen Momente.
Abbildung 5.16 a) Neutronenbeugungsdiagramm von MnO oberhalb (K) und unterhalb (K) der Néel-Temperatur. Die Beugungsreflexe oberhalb der Néel-Temperatur kommen nur durch Kernstreuung zustande. Unterhalb der Néel-Temperatur gibt es auf Grund der magnetischen Streuung zusätzliche Reflexe. b) Magnetische Struktur von MnO (die Sauerstoffionen sind weggelassen). Die magnetische Elementarzelle des antiferromagnetischen MnO hat eine doppelt so große Gitterkonstante wie die chemische Elementarzelle. Die magnetische Struktur besteht aus (111)-Ebenen (gestrichelt dargestellte Flächen), in denen alle Spins der Mn2C-Ionen parallel ausgerichtet sind. In den aufeinander folgenden Ebenen sind die Spins antiparallel orientiert, die Folge ist antiferromagnetisch.
680
5 Die Elemente der Nebengruppen
Beispiel: MnO MnO ist antiferromagnetisch, die Néel-Temperatur beträgt 120 K. Das Beugungsdiagramm oberhalb der Néel-Temperatur kommt nur durch Kernstreuung zustande. Es ist dem Röntgenbeugungsdiagramm analog. Unterhalb der Néel-Temperatur überlagert sich der Kernstreuung die magnetische Streuung, es treten zusätzliche Reflexe auf (Abb. 5.16a). Die magnetische Elementarzelle von MnO und der Ordnungszustand der Spins ist in der Abb. 5.16b dargestellt.
5.4 Komplexverbindungen 5.4.1 Aufbau und Eigenschaften von Komplexen Komplexverbindungen werden auch als Koordinationsverbindungen bezeichnet. Ein Komplex besteht aus dem Koordinationszentrum und der Ligandenhülle. Das Koordinationszentrum kann ein Zentralatom oder ein Zentralion sein. Die Liganden sind Ionen oder Moleküle. Die Anzahl der vom Zentralteilchen chemisch gebundenen Liganden wird Koordinationszahl (KZ) genannt. Beispiele: Koordinationszentrum
Ligand
Komplex
KZ
Al3C Cr3C Fe3C Ni AgC
FK NH3 H2O CO CNK
[AlF6]3K [Cr(NH3)6]3C [Fe(H2O)6]3C Ni(CO)4 [Ag(CN)2]K
6 6 6 4 2
Komplexionen werden in eckige Klammern gesetzt. Die Ladung wird außerhalb der Klammer hochgestellt hinzugefügt. Sie ergibt sich aus der Summe der Ladungen aller Teilchen, aus denen der Komplex zusammengesetzt ist. Komplexe sind an ihren typischen Eigenschaften und Reaktionen zu erkennen. Farbe von Komplexionen. Komplexionen sind häufig charakteristisch gefärbt. Eine wässrige CuSO4-Lösung z. B. ist schwachblau gefärbt. Versetzt man diese Lösung mit NH3, entsteht eine tiefblaue Lösung. Die Ursache für die Farbänderung ist die Bildung des Ions [Cu (NH3)4]2C. Eine wässrige FeSO4-Lösung ist grünlich gefärbt. Mit CNK-Ionen bildet sich der gelb gefärbte Komplex [Fe (CN)6]4K. Elektrolytische Eigenschaften. misst man beispielsweise die elektrische Leitfähigkeit einer Lösung, die K4 [Fe (CN)6] enthält, so entspricht die Leitfähigkeit nicht einer Lösung, die Fe2C-, KC- und CNK-Ionen enthält, sondern einer Lösung mit den
5.4 Komplexverbindungen
681
Ionen KC und [Fe (CN)6]4K. Das Komplexion [Fe (CN)6]4K ist also in wässriger Lösung praktisch nicht dissoziiert. Ionenreaktionen. Komplexe dissoziieren in wässriger Lösung oft in so geringem Maße, dass die typischen Ionenreaktionen der Bestandteile des Komplexes ausbleiben können, man sagt, die Ionen sind „maskiert“. AgC-Ionen z. B. reagieren mit ClK-Ionen zu festem AgCl. In Gegenwart von NH3 bilden sich [Ag (NH3)2]C-Ionen, und mit ClK erfolgt keine Fällung von AgCl. AgC ist maskiert. Fe2C bildet mit S2K in ammoniakalischer Lösung schwarzes FeS. [Fe (CN)6]4K gibt mit S2K keinen Niederschlag von FeS. Fe2C ist durch Komplexbildung mit CNK maskiert. An Stelle der für die Einzelionen typischen Reaktionen gibt es statt dessen charakteristische Reaktionen des Komplexions. [Fe (CN)6]4K z. B. reagiert mit Fe3C zu intensiv gefärbtem Berliner Blau Fe4 [Fe (CN)6]3. Die bisher besprochenen Komplexe besitzen nur ein Koordinationszentrum. Man nennt diese Komplexe einkernige Komplexe. Mehrkernige Komplexe besitzen mehrere Koordinationszentren. Ein Beispiel für einen zweikernigen Komplex ist das Mangancarbonyl Mn2 (CO)10
Die bisher besprochenen Liganden H2O, NH3, FK, CNK und CO besetzen im Komplex nur eine Koordinationsstelle. Man nennt sie daher einzähnige Liganden. Liganden, die mehrere Koordinationsstellen besetzen, nennt man mehrzähnige Liganden. Ein zweizähniger Ligand ist beispielsweise das CO2K 3 -Anion:
Mehrzähnige Liganden, die mehrere Bindungen mit dem gleichen Zentralteilchen ausbilden, wodurch ein oder mehrere Ringe geschlossen werden, nennt man Chelatliganden (chelat, gr. Krebsschere). Beispiele für Chelatliganden: Ethylendiamin („en“) ist zweizähnig.
682
5 Die Elemente der Nebengruppen
Ethylendiamintetraacetat (~essigsäure) (EDTA) ist sechszähnig.
Die Atome, die mit dem Zentralteilchen koordinative Bindungen eingehen können, sind durch einen Pfeil markiert. Abb. 5.17 zeigt den räumlichen Bau eines EDTA-Komplexes.
Abbildung 5.17 Räumlicher Bau des Chelatkomplexes [Me (EDTA)]2K.
5.4.2 Nomenklatur von Komplexverbindungen Für einen Komplex wird zuerst der Name der Liganden und dann der des Zentralatoms angegeben. Anionische Liganden werden durch Anhängen eines o an den Stamm des Ionennamens gekennzeichnet. Beispiele für die Bezeichnung fluoro FK ClK chloro OHK hydroxo CNK cyano
von Liganden: H 2O aqua NH3 ammin CO carbonyl
Die Anzahl der Liganden wird mit vorangestellten griechischen Zahlen (mono, di, tri, tetra, penta, hexa) bezeichnet. Die Oxidationszahl des Zentralatoms wird am Ende des Namens mit in Klammern gesetzten römischen Ziffern gekennzeichnet. Schema für kationische Komplexe am Beispiel von [Ag (NH3)2]Cl. Di
ammin
silber
(I)
K
chlorid
Anzahl der Liganden
Ligand
Zentralteilchen
Oxidationszahl
K
Anion
K
Anion
Kationischer Komplex
5.4 Komplexverbindungen
683
Weitere Beispiele: [Cu (NH3)4]2C [Ni (CO)4] [Cr (H2O)6] Cl3
Tetraamminkupfer (II) Tetracarbonylnickel (0) Hexaaquachrom (III)-chlorid
(Die Zahl der Cl-Atome braucht nicht bezeichnet zu werden, sie ergibt sich aus der Ladung des Komplexes.) In negativ geladenen Komplexen endet der Name des Zentralatoms auf -at. Er wird in einigen Fällen vom lateinischen Namen abgeleitet. Schema für anionische Komplexe am Beispiel von Na[Ag (CN)2]. Natrium
K
di
cyano
argent
at
(I)
Kation
K
Anzahl der Liganden
Ligand
Zentralteilchen
at
Oxidationszahl
Kation
K
Anionischer Komplex
Weitere Beispiele: [CoCl4]2K [Al (OH)4]K K4 [Fe (CN)6]
Tetrachlorocobaltat (II) Tetrahydroxoaluminat (III) Kalium-hexacyanoferrat (II)
(Die Zahl der K-Atome wird nicht bezeichnet. Sie ergibt sich aus der Ladung K4 des Komplexes.) Bei verschiedenen Liganden ist die Reihenfolge in der Formel: Anionische Liganden vor Neutralliganden im Namen: Alphabetisch Beispiel: [CrCl2 (H2O)4]C
Tetraaquadichlorochrom (III)
5.4.3 Räumlicher Bau von Komplexen, Isomerie Häufige Koordinationszahlen in Komplexen sind 2, 4 und 6. Die räumliche Anordnung der Liganden bei diesen Koordinationszahlen ist linear, tetraedrisch oder quadratisch-planar und oktaedrisch. Beispiele für solche Komplexe sind in der folgenden Tabelle angegeben. Für die meisten Ionen gibt es bei wechselnden Liganden Komplexe mit unterschiedlicher Koordination. So kann z. B. Ni2C oktaedrisch, tetraedrisch und quadratisch-planar koordiniert sein. Einige Ionen allerdings bevorzugen ganz bestimmte
684
5 Die Elemente der Nebengruppen
Koordinationen, nämlich Cr3C, Co3C und Pt4C die oktaedrische, Pt2C und Pd2C die quadratisch-planare Koordination. Eine Erklärung dafür gibt die Ligandenfeldtheorie (Abschn. 5.4.6). Die Koordinationszahl 2 tritt bei den einfach positiven Ionen AgC, CuC und AuC auf. KZ
Räumliche Anordnung der Liganden
Beispiele [Ag(NH3)2]C, [Ag(CN)2]K, [AuCl2]K, [CuCl2]K
2 linear
[BeF4]2K, [ZnCl4]2K, [Cd(CN)4]2K, [CoCl4]2K, [FeCl4]K, [Cu(CN)4]3K, [NiCl4]2K
4
tetraedrisch [PtCl4]2K, [PdCl4]2K, [Ni(CN)4]2K, [Cu(NH3)4]2C, [AuF4]K
4 quadratisch-planar
[Ti(H2O)6]3C, [V(H2O)6]3C, [Cr(H2O)6]3C, [Cr(NH3)6]3C, [Fe(CN)6]4K, [Fe(CN)6]3K, [Co(NH3)6]3C, [Co(H2O)6]2C, [Ni(NH3)6]2C, [PtCl6]2K
6
oktaedrisch
Konfigurationsisomerie (Stereoisomerie) Komplexe, die dieselbe chemische Zusammensetzung und Ladung, aber einen verschiedenen räumlichen Aufbau haben, sind stereoisomer. Man unterscheidet verschiedene Arten der Stereoisomerie. Bei dem quadratisch-planaren Komplex PtCl2 (NH3)2 gibt es zwei mögliche geometrische Anordnungen der Liganden.
cis-Form
trans-Form
Bei der trans-Form stehen die gleichen Liganden einander gegenüber, bei der cisForm sind sie einander benachbart. Bei oktaedrischen Komplexen kann ebenfalls cis.trans-Isomerie auftreten. Ein Beispiel dafür ist der Komplex [Cr (NH3)4Cl2]C.
5.4 Komplexverbindungen
cis-Form
685
trans-Form
Bei tetraedrischen Komplexen ist keine cis.trans-Isomerie möglich. Bei oktaedrischen Komplexen gibt es außerdem fac (facial)- und mer (meridional)-Isomerie z. B. bei [Rh (H2O)3Cl3].
fac-Form
mer-Form
Optische Isomerie (Spiegelbildisomerie) Bei tetraedrischer Koordination mit 4 verschiedenen Liganden sind zwei Formen möglich, die sich nicht zur Deckung bringen lassen und die sich wie die linke und rechte Hand verhalten oder wie Bild und Spiegelbild.
„Spiegelbild
Bild“
Bei oktaedrischer Koordination tritt optische Isomerie häufig in Chelatkomplexen auf.
en Z Ethylendiamin Optische Isomere bezeichnet man auch als enantiomorph. Enantiomorphe Verbindungen besitzen identische physikalische Eigenschaften mit Ausnahme ihrer Wir-
686
5 Die Elemente der Nebengruppen
kung auf linear polarisiertes Licht. Sie drehen die Schwingungsebene des polarisierten Lichts um den gleichen Betrag, aber in entgegengesetzter Richtung (optische Aktivität). Ein Gemisch optischer Isomere im Stoffmengenverhältnis 1 : 1 nennt man racemisches Gemisch. Außerdem gibt es bei Verbindungen mit Komplexen: Bindungsisomerie (Salzisomerie) Sie tritt auf, wenn Liganden wie SCNK oder NOK 2 durch verschiedene Atome an das Zentralteilchen gebunden sind.
N
Me S C
Thiocyanato-Komplex
Me N
O
Me N C
S
Isothiocyanato-Komplex
Me O N O
O
Nitro-Komplex
Nitrito-Komplex
Beispiel (anionische Liganden vor Neutralliganden): [CoNO2 (NH3)5]2C
[CoONO (NH3)5]2C
Koordinationsisomerie Sie tritt bei Verbindungen auf, bei denen Anionen und Kationen Komplexe sind. Beispiele: [Co (NH3)6] [Cr (CN)6]
[Cr (NH3)6] [Co (CN)6]
[Cu (NH3)4] [PtCl4]
[Pt (NH3)4] [CuCl4]
Ionenisomerie In einer Verbindung kann ein Ion als Ligand im Komplex oder außerhalb des Komplexes gebunden sein. In der Lösung treten dann verschiedene Ionen auf. Beispiel (anionische Liganden vor Neutralliganden): [CoCl (NH3)5]SO4
[CoSO4(NH3)5]Cl
Ein spezieller Fall der Ionenisomerie ist die Hydratisomerie Beispiel (anionische Liganden vor Neutralliganden): [Cr (H2O)6]Cl3
[CrCl (H2O)5]Cl2 · H2O
[CrCl2(H2O)4]Cl · 2 H2O
5.4 Komplexverbindungen
687
5.4.4 Stabilität und Reaktivität von Komplexen Die Bildung eines Komplexes ist eine Gleichgewichtsreaktion, auf die sich das MWG anwenden lässt. Der Komplex entsteht durch stufenweise Anlagerung der Liganden L an das Zentralteilchen Me. Für einen Komplex MeL4 erhält man die folgenden Gleichgewichte und Gleichgewichtskonstanten: cMeL Me C L # MeL K1 Z cMe$cL MeL C L # MeL2
K2 Z
cMeL2 cMeL$cL
MeL2 C L # MeL3
K3 Z
cMeL3 cMeL2$cL
MeL3 C L # MeL4
K4 Z
cMeL4 cMeL3$cL
Die Gleichgewichtskonstanten K werden als individuelle Komplexbildungskonstanten oder Stabilitätskonstanten bezeichnet. Man kann die Bildung des Komplexes auch mit folgenden Gleichgewichten beschreiben: cMeL Me C L # MeL β1 Z cMe$cL Me C 2 L # MeL2
β2 Z
Me C 3 L # MeL3
β3 Z
Me C 4 L # MeL4
β4 Z
cMeL2 cMe$cL2 cMeL3 cMe$cL3 cMeL4 cMe$cL4
Die Konstanten β werden Bruttokomplexbildungskonstanten genannt. Es gilt βn Z K1 · K2 ... Kn also β4 Z K1 · K2 · K3 · K4 Fast immer ist K1 O K2 O K3 ... O Kn Beispiel: Cd2C
C CNK # [Cd (CN)]C
K1 Z 105, 5
[Cd (CN)]C C CNK # [Cd (CN)2]
K2 Z 105, 2
[Cd (CN)2] C CNK # [Cd (CN)3]K
K3 Z 104, 6
[Cd (CN)3]K C CNK # [Cd (CN)4]2K
K4 Z 103, 5
β4 Z 1018, 8
688
5 Die Elemente der Nebengruppen
Eine anschauliche Darstellung der Gleichgewichtsverhältnisse bei der Komplexbildung zeigt Abb. 5.18.
Abbildung 5.18 Gleichgewichtskonzentrationen von Cd2C und der Komplexe [Cd (CN)]C, [Cd (CN)2], [Cd (CN)3]K- und [Cd (CN)4]2K in Abhängigkeit von der CNK-Konzentration. Die Ziffern an den Kurven geben die Anzahl der Liganden an (0 bedeutet Cd2C, 4 bedeutet [Cd (CN)4]2K). Mit steigender CNK-Konzentration wird zunächst der Komplex [Cd (CN)]C gebildet, dann [Cd (CN)2] usw. Die Konzentrationen der Komplexe [Cd (CN)]C, [Cd (CN)2] und [Cd (CN)3]K durchlaufen ein Maximum. Auf ihre Kosten bildet sich [Cd (CN)4]2K, der schließlich der allein vorhandene Komplex ist.
Je größer die Komplexbildungskonstanten sind, umso beständiger ist ein Komplex. Komplexe, die nur sehr gering dissoziiert sind, nennt man starke Komplexe. In der Tabelle 5.4 sind für einige Komplexe die lg β-Werte angegeben. Tabelle 5.4 Komplexbildungskonstanten einiger Komplexe in Wasser Komplex
lg β
Komplex
lg β
[Ag(NH3)2]C [Ag(S2O3)2]3K [Ag(CN)2]K [Au(CN)2]K [Co(NH3)6]2C [Co(NH3)6]3C
7 13 21 37 5 35
[Cu(NH3)4]2C [Fe(CN)6]3K [Fe(CN)6]4K [Ni(CN)4]2K [Zn(NH3)4]2C [Cu(CN)4]K
13 44 35 29 10 27
(In der Literatur sind z. Teil sehr unterschiedliche Werte angegeben)
Chelatkomplexe sind stabiler als Komplexe des gleichen Zentralions mit einzähnigen Liganden (Chelateffekt). Beispiel: Ni2 C C 6 NH3 # [Ni (NH3)6]2C
β z 109
Ni2 C C 3 en
β z 1018
# [Ni (en)3]2C
Von Komplexsalzen zu unterscheiden sind Doppelsalze. Sie sind in wässrigen Lösungen in die einzelnen Ionen dissoziiert.
5.4 Komplexverbindungen
689
Beispiele: KAl (SO4)2 · 12 H2O KMgCl3 · 6 H2O KMgCl3 · 6 H2O dissoziiert in wässriger Lösung in KC-, Mg2C- und ClK-Ionen, es existiert kein Chlorokomplex. Die Größe der Stabilitätskonstante ist für die Maskierung von Ionen wichtig. Die Stabilität des Komplexes [Ag (NH3)2]C reicht aus, um die Fällung von AgC mit ClK zu verhindern (LAgCl Z 10K10), AgC ist maskiert. Sie reicht aber nicht aus, um die Fällung von AgC mit IK zu verhindern, da das Löslichkeitsprodukt von AgI viel kleiner ist (LAgI Z 10K16). Aus dem stärkeren Komplex [Ag (CN)2]K fällt auch mit IK kein AgI aus. Bei Ligandenaustauschreaktionen von Komplexen bildet sich der stärkere Komplex. Beispiele: [Cu ( H2O )4]2C C 4 NH3 $% [Cu ( NH3 )4]2C C 4 H2O hellblau
tiefblau
[Ag ( NH3 )2]C C 2 CNK $% [Ag (CN)2]K C 2 NH3 Die Gleichgewichtseinstellung des Ligandenaustauschs kann mit sehr unterschiedlicher Reaktionsgeschwindigkeit erfolgen. Komplexe, die rasch unter Ligandenaustausch reagieren, werden als labil (kinetisch instabil) bezeichnet. Dazu gehören die Komplexe [Cu (H2O)4]2C und [Ag (NH3)2]C. Bei inerten (kinetisch stabilen) Komplexen erfolgt der Ligandenaustausch nur sehr langsam oder gar nicht. So wandelt sich beispielsweise der inerte Komplex [CrCl2 (H2O)4]C nur sehr langsam in den thermodynamisch stabileren Komplex [Cr (H2O)6]3C um. Man muss also zwischen der thermodynamischen Stabilität und der kinetischen Stabilität (Reaktivität) eines Komplexes unterscheiden.
5.4.5 Die Valenzbindungstheorie von Komplexen Es wird angenommen, dass zwischen dem Zentralatom und den Liganden kovalente Bindungen existieren. Die Bindung entsteht durch Überlappung eines gefüllten Ligandenorbitals mit einem leeren Orbital des Zentralatoms. Die bindenden Elektronenpaare werden also von den Liganden geliefert. Die räumliche Anordnung der Liganden kann durch den Hybridisierungstyp der Orbitale des Zentralatoms erklärt werden. Die häufigsten Hybridisierungstypen (vgl. Abschn. 2.2.5) sind: sp3 dsp2 d2sp3
tetraedrisch quadratisch-planar oktaedrisch
690
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.19 Zustandekommen der Bindungen im Komplex [Cr (NH3)6]3C nach der Valenzbindungstheorie.
Abb. 5.19 zeigt das Zustandekommen der koordinativ kovalenten Bindungen (vgl. Abschn. 2.2.3) im Komplex [Cr (NH3)6]3C. Die Valenzbindungsdiagramme einiger Komplexe sind in der Abb. 5.20 dargestellt. Mit der Valenzbindungstheorie kann man Geometrie und magnetisches Verhalten der Komplexe (vgl. Abschn. 5.1) verstehen. Diese Theorie kann jedoch einige experimentelle Beobachtungen, vor allem die Farbspektren von Komplexen, nicht erklären.
5.4.6 Die Ligandenfeldtheorie Die meisten Komplexe werden von Ionen der Übergangsmetalle gebildet. Die Übergangsmetallionen haben unvollständig aufgefüllte d-Orbitale. In der Ligandenfeldtheorie wird die Wechselwirkung der Liganden eines Komplexes mit den d-Elektronen des Zentralatoms berücksichtigt. Eine Reihe wichtiger Eigenschaften von Komplexen, wie magnetisches Verhalten, Absorptionsspektren, bevorzugtes Auftreten bestimmter Oxidationszahlen und Koordinationen bei einigen Übergangsmetallen, können durch das Verhalten der d-Elektronen im elektrostatischen Feld der Liganden erklärt werden.
5.4.6.1 Oktadrische Komplexe Ein Übergangsmetallion, z. B. Co3C oder Fe2C, besitzt fünf d-Orbitale. Bei einem isolierten Ion haben alle fünf d-Orbitale die gleiche Energie, sie sind entartet. Be-
5.4 Komplexverbindungen
691
Abbildung 5.20 Valenzbindungsdiagramme einiger Komplexe. Die von den Liganden stammenden bindenden Elektronen sind rot gezeichnet. Die Ni2C-Komplexe zeigen den Zusammenhang zwischen der Geometrie und den magnetischen Eigenschaften.
trachten wir nun ein Übergangsmetallion in einem Komplex mit sechs oktaedrisch angeordneten Liganden. Zwischen den d-Elektronen des Zentralions und den einsamen Elektronenpaaren der Liganden erfolgt eine elektrostatische Abstoßung, die Energie der d-Orbitale erhöht sich (Abb. 5.22). Die Größe der Abstoßung ist aber für die verschiedenen d-Elektronen unterschiedlich. Die Liganden nähern sich den Elektronen, die sich in dz 2 - und dx 2Ky 2 -Orbitalen befinden und deren Elektronenwolken in Richtung der Koordinatenachsen liegen, stärker als solchen Elektronen, die sich in den dxy -, dxz - und dyz -Orbitalen aufhalten und deren Elektronenwolken zwischen den Koordinatenachsen liegen (Abb. 5.21). Die d-Elektronen werden sich bevorzugt in den Orbitalen aufhalten, in denen sie möglichst weit von den Liganden entfernt sind, da dort die Abstoßung geringer ist. Die dxy -, dxz - und dyz -Orbitale sind also energetisch günstiger als die dz 2 - und dx 2Ky 2 -Orbitale. Im oktaedrischen Ligandenfeld sind die dOrbitale nicht mehr energetisch gleichwertig, die Entartung ist aufgehoben. Es erfolgt eine Aufspaltung in zwei Gruppen von Orbitalen (Abb. 5.22). Die dz 2 - und dx 2Ky 2 -Orbitale liegen auf einem höheren Energieniveau, man bezeichnet sie als eg-Orbitale.
692
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.21 Oktaedrisch angeordnete Liganden nähern sich den dz 2 - und dx 2Ky 2 -Orbitalen des Zentralatoms stärker als den dxy -, dyz - und dxz -Orbitalen. Die Abstoßung zwischen den Liganden und den d-Elektronen, die sich in den dz 2 - und dx 2Ky 2 -Orbitalen aufhalten, ist daher stärker als zwischen den Liganden und solchen d-Elektronen, die sich in den dxy -, dxz und dyz -Orbitalen befinden.
Die dxy -, dxz - und dyz -Orbitale werden als t2g -Orbitale bezeichnet, sie liegen auf einem tieferen Energieniveau. Die Energiedifferenz zwischen dem eg- und dem t2gNiveau, also die Größe der Aufspaltung, wird mit Δ oder 10 Dq bezeichnet. Bezogen auf die mittlere Energie der d-Orbitale ist das t2g-Niveau um 4 Dq erniedrigt, das eg-Niveau um 6 Dq erhöht. Sind alle Orbitale mit zwei Elektronen besetzt, gilt C4 · 6 Dq K 6 · 4 Dq Z 0. Dies folgt aus dem Schwerpunktsatz. Er besagt, dass beim Übergang vom kugelsymmetrischen Ligandenfeld zum oktaedrischen Ligandenfeld der energetische Schwerpunkt der d-Orbitale sich nicht ändert. Bei der Besetzung der d-Niveaus mit Elektronen im oktaedrischen Ligandenfeld wird zuerst das energieärmere t2g-Niveau besetzt. Entsprechend der Hund’schen Regel (vgl. Abschn. 1.4.7) werden Orbitale gleicher Energie zunächst einzeln mit Elektronen gleichen Spins besetzt. Für Übergangsmetallionen, die 1, 2, 3, 8, 9 oder 10 d-Elektronen besitzen, gibt es jeweils nur einen energieärmsten Zustand. Die Elektronenanordnungen für diese Konfigurationen sind in Abb. 5.23 dargestellt. Für Übergangsmetallionen mit 4, 5, 6 und 7 d-Elektronen gibt es im oktaedrischen Ligandenfeld jeweils zwei mögliche Elektronenanordnungen. Sie sind in der Abb. 5.24 dargestellt.
5.4 Komplexverbindungen
693
Abbildung 5.22 Energieniveaudiagramm der d-Orbitale eines Metallions in einem oktaedrischen Ligandenfeld. Bei einem isolierten Ion sind die fünf d-Orbitale entartet. Im Ligandenfeld ist die durchschnittliche Energie der d-Orbitale um 20K40 eV erhöht. Wäre das Ion von den negativen Ladungen der Liganden kugelförmig umgeben, bliebe die Entartung der d-Orbitale erhalten. Die oktaedrische Anordnung der negativen Ladungen hat eine Aufspaltung der dOrbitale in zwei äquivalente Gruppen zur Folge. Δ hat die Größenordnung 1K4 eV.
Abbildung 5.23 Für Metallionen mit 1K3 bzw. 8K10 d-Elektronen gibt es in oktaedrischen Komplexen nur einen möglichen Elektronenzustand.
694
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.24 Für Metallionen mit 4K7 d-Elektronen gibt es in oktaedrischen Komplexen zwei mögliche Elektronenanordnungen. In schwachen Ligandenfeldern entstehen high-spin-Anordnungen, in starken Ligandenfeldern low-spin-Zustände.
Man bezeichnet die Anordnung, bei der das Zentralion aufgrund der Hundschen Regel die größtmögliche Zahl ungepaarter d-Elektronen besitzt, als high-spin-Zu-
5.4 Komplexverbindungen
695
stand. Der Zustand, bei dem entgegen der Hundschen Regel das Zentralion die geringstmögliche Zahl ungepaarter d-Elektronen besitzt, wird low-spin-Zustand genannt. Wann liegt nun ein Übergangsmetallion mit d4-, d5-, d6- bzw. d7-Konfiguration im high-spin- oder im low-spin-Zustand vor? Betrachten wir ein d4-Ion. Beim Wechsel vom high-spin-Zustand zum low-spin-Zustand wird das 4. Elektron auf dem um Δ energetisch günstigeren t2g-Niveau eingebaut, es wird also der Energiebetrag Δ gewonnen. Andererseits erfordert Spinpaarung Energie. Ist Δ größer als die Spinpaarungsenergie, entsteht ein low-spin-Komplex, ist Δ kleiner als die Spinpaarungsenergie, entsteht ein high-spin-Komplex. Die Größe der Ligandenfeldaufspaltung Δ bestimmt also, ob der high-spin- oder der low-spin-Komplex energetisch günstiger ist. Δ ist abhängig von der Ladung und Ordnungszahl des Metallions und von der Natur der Liganden (vgl. Tabelle 5.5). Ordnet man die Liganden nach ihrer Fähigkeit, d-Orbitale aufzuspalten, erhält man eine Reihe, die spektrochemische Reihe genannt wird. Die Reihenfolge ist für die häufiger vorkommenden Liganden IK ! ClK ! FK ! OHK ! H2O ! NH3 ! en ! CNK z CO z NOC schwaches Feld
mittleres Feld
starkes Feld
CNK-Ionen erzeugen ein starkes Ligandenfeld mit starker Aufspaltung der d-Niveaus, sie bilden low-spin-Komplexe. In Komplexen mit FK entsteht ein schwaches Ligandenfeld, und es wird die high-spin-Konfiguration bevorzugt. Beispielsweise sind die Fe3C-Komplexe [FeF6]3K und [Fe (H2O)6]3C high-spin-Komplexe, während [Fe (CN)6]3K ein low-spin-Komplex ist. Bei gleichen Liganden wächst Δ mit der Hauptquantenzahl der d-Orbitale der Metallionen: 5d O 4d O 3d. Eine Zunahme von Δ erfolgt auch, wenn die Ladung des Zentralions erhöht wird. Zum Beispiel ist [Co (NH3)6]2C ein high-spin-Komplex, [Co (NH3)6]3C ein low-spin-Komplex. Für die Metallionen erhält man die Reihe Mn2C ! Ni2C ! Co2C ! Fe2C ! V2C ! Fe3C ! Cr3C ! V3C ! Co3C ! Mn4C ! Mo3C ! Rh3C ! Pd4C ! Ir3C ! Re4C ! Pt4C Tabelle 5.5 enthält die Δ-Werte von einigen oktaedrischen Komplexen. Die Ligandenfeldaufspaltung erklärt einige Eigenschaften, die für die Verbindungen der Übergangsmetalle K natürlich besonders für die Komplexe K typisch sind. Ligandenfeldstabilisierungsenergie. Aufgrund der Aufspaltung der d-Orbitale tritt für die d-Elektronen bei den meisten Elektronenkonfigurationen ein Energiegewinn auf. Er beträgt für die d1-Konfiguration 4 Dq, für die d2-Konfiguration 8 Dq, für die d3-Konfiguration 12 Dq usw. (Tabelle 5.6). Dieser Energiegewinn wird Ligandenfeldstabilisierungsenergie (LFSE) genannt. Die Ligandenfeldstabilisierungsenergie ist groß für die d3-Konfiguration und für die d6-Konfiguration mit low-spin-Anordnung, da bei diesen Konfigurationen nur das energetisch günstige t2g-Niveau mit 3 bzw. 6 Elektronen besetzt ist. Dies erklärt die bevorzugte oktaedrische Koordination von Cr3C, Co3C und Pt4C und auch die große Beständigkeit der Oxidationsstufe C3 von Cr und Co in Komplexverbindungen.
696
5 Die Elemente der Nebengruppen
Tabelle 5.5 Δ-Werte in kJ.mol von einigen oktaedrischen Komplexen (hs Z high-spin, ls Z low-spin) Zentralion Konfiguration 3d1 3d2 3d3 3d5 3d6 4d6 5d6 3d7 3d8
Ligand
ClK
FK
H2 O
NH3
CNK
Ion Ti3C V3C Cr3C Fe3C Fe2C Co3C Rh3C Ir3C Co2C Ni2C
K K 163 K K K 243 ls 299 ls K 87
203 K K K K 156 hs K K K K
243 214 208 164 124 218 323 K 111 102
K K 258 K K 274 408 479 122 129
K K 318 419 ls 404 ls 416 ls K K K K
hs hs ls ls hs
ls ls ls hs
Die LFSE liefert einen zusätzlichen Beitrag zur Gitterenergie (Abschn. 2.1.4). In der Abb. 5.25 ist als Beispiel der Verlauf der Gitterenergien der Halogenide MeX2 für die 3d-Metalle dargestellt.
Abbildung 5.25 Gitterenergie der Halogenide MeX2 der 3d-Metalle. Die Ligandenfeldstabilisierungsenergie liefert einen Beitrag zur Gitterenergie (Differenz zwischen roter und schwarzer Kurve). Entsprechend der theoretischen Erwartung für oktaedrische Koordination ist er meist bei dem d3-Ion V2C und dem d8-Ion Ni2C am größten.
Auch für die Verteilung von Ionen auf unterschiedliche Plätze in Ionenkristallen spielt die Ligandenfeldstabilisierungsenergie als Beitrag zur Gitterenergie eine wichtige Rolle.
5.4 Komplexverbindungen
697
Beispiel: Spinelle In Spinellen besetzen die Metallionen oktaedrisch oder tetraedrisch koordinierte Plätze (vgl. S. 84). Man kann für die 3d-Ionen die Ligandenfeldstabilisierungsenergien für die Tetraeder- und die Oktaederplätze berechnen. Aus der Differenz erhält man die „site preference“-Energie für den Oktaederplatz (Tabelle 5.6). Sie gibt den Energiegewinn an, wenn ein Ion von Tetraeder- zum Oktaederplatz wechselt. Die Werte der Tabelle 5.6 erklären, warum alle Cr (III)-Spinelle normale 3C
2C
Spinelle Me (Cr2)O4 sind, die Cr3C-Ionen also immer die Oktaederplätze besetzen, und warum andererseits NiFe2O4 und NiGa2O4 die inverse Verteilung Fe3C(Ni2CFe3C)O4 und Ga3C(Ni2CGa3C)O4 besitzen, bei der die Oktaederplätze statistisch mit Ni2C- und Me3C-Ionen besetzt sind. Tabelle 5.6 Ligandenfeldstabilisierungsenergien LFSE für die oktaedrische und die tetraedrische Koordination und „site preference“-Energie für den Oktaederplatz Anzahl Oktaederplatz der Elekt- Konfiguration ronen 1
LFSE in Dq
Tetraederplatz Konfiguration*
LFSE in DqOkt**
„site preference“Energie in Dq LFSEOkt K LFSETetr.
1 2 3 4 5 6
t2g 2 t2g 3 t2g 3 1 t2geg 3 2 t2geg 4 2 t2geg
K 4 K 8 K12 K 6 C 0 K 4
e1 e2 2 1 e t2 2 2 e t2 2 3 e t2 3 3 e t2
K2,7 K5,3 K3,6 K1,8 0 K2,7
K1,3 K2,7 K8,4 K4,2 0 K1,3
7
t2geg
K 8
e t2
K5,3
K2,7
K12
e t2
K3,6
K8,4
K 6
e t2
K1,8
K4,2
8 9
5
2
6 2 t2geg 6 3 t2geg
4 3 4 4 4 5
* Die Aufspaltung im tetraedrischen Ligandenfeld ist in der Abb. 5.30 dargestellt. Die Orbitale dz 2 und dx 2Ky 2 werden als e-Orbitale, die Orbitale dxy , dxz und dyz als t2-Orbitale bezeichnet. Die Konfigurationen im oktaedrischen Feld werden zusätzlich durch den Index g(gerade) gekennzeichnet, da das Oktaeder ein Symmetriezentrum besitzt, das beim Tetraeder fehlt. ** Für die Berechnung wird angenommen, dass die tetraedrische Aufspaltung 4.9 der oktaedrischen Aufspaltung beträgt.
Magnetische Eigenschaften. Ionen können diamagnetisch oder paramagnetisch sein. Ein diamagnetischer Stoff wird durch ein Magnetfeld abgestoßen, ein paramagnetischer Stoff wird in das Feld hineingezogen. Teilchen, die keine ungepaarten Elektronen besitzen, sind diamagnetisch. Alle Ionen mit abgeschlossener Elektronenkonfiguration sind also diamagnetisch. Dazu gehören die Metallionen der Hauptgruppenmetalle, wie NaC, Mg2C, Al3C, aber auch die Ionen der Nebengruppenmetalle mit vollständig aufgefüllten d-Orbitalen, wie AgC, Zn2C, Hg2C. Teilchen mit ungepaarten
698
5 Die Elemente der Nebengruppen
Elektronen sind paramagnetisch. Alle Ionen mit ungepaarten Elektronen besitzen ein permanentes magnetisches Moment, das umso größer ist, je größer die Zahl ungepaarter Elektronen ist (vgl. Abschn. 5.1). Durch magnetische Messungen kann daher entschieden werden, ob in einem Komplex eine high-spin- oder eine low-spin-Anordnung vorliegt. Für [Fe (H2O)6]2C und [CoF6]3K misst man ein magnetisches Moment, das 4 ungepaarten Elektronen entspricht, es liegen high-spin-Komplexe vor. Die Ionen [Fe (CN)6]4K und [Co (NH3)6]3C sind diamagnetisch, es existieren also in diesen Komplexionen keine ungepaarten Elektronen, es liegen d6-low-spin-Anordnungen vor. Die Zentralionen in low-spin-Komplexen haben im Vergleich zu den high-spin-Komplexen immer ein vermindertes magnetisches Moment, da die Zahl ungepaarter Elektronen vermindert ist (Tabelle 5.7). Tabelle 5.7 Ligandenfeldstabilisierungsenergie (LFSE) und magnetische Momente in μB möglicher dn -Konfigurationen im oktaedrischen Ligandenfeld. Die magnetischen Momente der Tabelle sind Spinmomente: μmag Z √n (n C 2) μB (n Z Anzahl ungepaarter Elektronen) (vgl. Abschn. 5.1.5). Anzahl der d-Elektronen
Konfiguration
1 2 3 4 4 5 5 6 6 7 7 8 9 10
t2g 2 t2g 3 t2g 3 1 t2geg hs 4 t2g ls 3 2 t2geg hs 5 t2g ls 4 2 t2geg hs 6 t2g ls 5 2 t2geg hs 6 1 t2geg ls 6 2 t2geg 6 3 t2geg 6 4 t2geg
1
LFSE in Dq
Magnetisches Moment in µB
K 4 K 8 K12 K 6 K16 0 K20 K 4 K24 K 8 K18 K12 K 6 0
1,73 2,83 3,88 4,90 2,83 5,92 1,73 4,90 0 3,88 1,73 2,83 1,73 0
(hs Z high spin, ls Z low spin)
Farbe der Ionen von Übergangsmetallen. Die Metallionen der Hauptgruppen wie NaC, KC, Mg2C, Al3C sind in wässriger Lösung farblos. Diese Ionen besitzen Edelgaskonfiguration. Auch die Ionen mit abgeschlossener d10-Konfiguration wie Zn2C, Cd2C und AgC sind farblos. Im Gegensatz dazu sind die Ionen der Übergangsmetalle mit nicht aufgefüllten d-Niveaus farbig. Das Zustandekommen der Ionenfarbe ist besonders einfach beim Ti3C-Ion zu verstehen, das in wässriger Lösung rötlich-violett gefärbt ist (Abb. 5.26). In wässriger Lösung bildet Ti3C den Komplex [Ti (H2O)6]3C. Die
5.4 Komplexverbindungen
699
Abbildung 5.26 Entstehung der Farbe des Komplexions [Ti (H2O)6]3C.
Größe der Ligandenfeldaufspaltung 10 Dq beträgt 243 kJ.mol. Ti3C besitzt ein d-Elektron, das sich im Grundzustand auf dem t2g-Niveau befindet. Durch Lichtabsorption kann dieses Elektron angeregt werden, es geht dabei in den eg-Zustand über. Die dazu erforderliche Energie beträgt gerade 243 kJ.mol, das entspricht einer Wellenlänge von 500 nm. Die Absorptionsbande liegt also im sichtbaren Bereich (blaugrün) und verursacht die rötlich-violette Färbung (komplementäre Farbe zu blaugrün). Die Farben vieler anderer Übergangsmetallkomplexe entstehen ebenfalls durch Anregung von d-Elektronen. Aus den Absorptionsspektren lassen sich daher die 10 Dq-Werte experimentell bestimmen (vgl. Abschn. 5.4.6.4). Die Farbe eines Ions in einem Komplex hängt natürlich vom jeweiligen Liganden ab. So entsteht z. B. aus dem grünen [Ni (H2O)6]2C-Komplex beim Versetzen mit NH3 der blaue [Ni (NH3)6]2C-Komplex. Die Absorptionsbanden verschieben sich zu kürzeren Wellenlängen, also höherer Energie, da im Amminkomplex das Ligandenfeld und damit die Ligandenfeldaufspaltung stärker ist (vgl. Tabelle 5.5). Ionenradien. Die Aufspaltung der d-Orbitale beeinflusst auch die Ionenradien. Abb. 5.27 zeigt den Verlauf der Radien der Me2C-Ionen der 3d-Metalle für die oktaedrische Koordination (KZ Z 6). Bei einer kugelsymmetrischen Ladungsverteilung der d-Elektronen wäre auf Grund der kontinuierlichen Zunahme der Kernladungszahl (vgl. Abschn. 2.1.2) eine kontinuierliche Abnahme der Radien zu erwarten (gestrichelte Kurve der Abb. 5.27). Auf Grund der Aufspaltung der d-Orbitale werden bevorzugt die energetisch günstigeren t2g-Orbitale mit den d-Elektronen besetzt. Die Liganden können sich dadurch dem Zentralion stärker nähern, denn die auf die Liganden gerichteten eg-Orbitale wirken weniger abstoßend als bei kugelsymmetrischer Ladungsverteilung. Es resultieren kleinere Radien, als für die kugelsymmetrische Ladungsverteilung zu erwarten wäre. Ionen mit low-spin-Konfiguration sind daher kleiner als die mit high-spin-Konfiguration (vgl. Abb. 5.27). Jahn-Teller-Effekt. Bei einigen Ionen treten aufgrund der Wechselwirkung zwischen den Liganden und den d-Elektronen des Zentralteilchens verzerrte Koordinationspolyeder auf. Man bezeichnet diesen Effekt als Jahn-Teller-Effekt. Tetragonal deformierte oktaedrische Strukturen werden bei Verbindungen von Ionen mit d4- (Cr2C,
700
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.27 Me2C-Ionenradien der 3d-Elemente (KZ Z 6). Die gestrichelte Kurve ist eine theoretische Kurve für kugelsymmetrische Ladungsverteilungen. Auf ihr liegt der Radius von Mn2C mit der kugelsymmetrischen high-spin-Anordnung 3 2 3 6 2 t2geg. Die Kurve der high-spin-Radien hat Minima bei den Konfigurationen t2g und t2g eg, die 6 low-spin-Kurve hat ihr Minimum bei der Konfiguration t2g. Die Kurven spiegeln also die asymmetrische Ladungsverteilung der d-Elektronen wider.
Mn3C) und d9-high-spin-Konfigurationen (Cu2C, Ag2C) sowie von Ionen mit d7-lowspin-Konfiguration (Co2C, Ni3C) beobachtet. Beispiele sind die Komplexe [Cr (H2O)6]2C, [Mn (H2O)6]3C, der tetragonal verzerrte Spinell Mn2 C (Mn32 C)O4 und K3NiF6. Die mit dem Jahn-Teller-Effekt erklärbaren Koordinationsverhältnisse von Cu2C und Ag2C werden in den Abschn. 5.8.5.2 und 5.8.6.2 behandelt. Die Ursache des Jahn-Teller-Effekts ist eine mit der Verzerrung verbundene Energieerniedrigung. Das Energieniveaudiagramm der Abb. 5.28 zeigt, wie diese Energieerniedrigung zustande kommt. Bei der Verzerrung zu einem gestreckten Oktaeder werden alle Orbitale mit einer z-Komponente energetisch günstiger. Bei der d4- und der d9-high-spin-Konfiguration sowie bei der d7-low-spin-Konfiguration führt die Besetzung des dz 2 -Orbitals zu einem Energiegewinn, wenn das Oktaeder verzerrt ist.
5.4.6.2 Tetraedrische Komplexe Auch im tetraedrischen Ligandenfeld erfolgt eine Aufspaltung der d-Orbitale. Aus der Abb. 5.29 geht hervor, dass sich die tetraedrisch angeordneten Liganden den dxy-, dxz- und dyz-Orbitalen des Zentralions stärker nähern als den dz 2 - und dx 2Ky 2 Orbitalen. Im Gegensatz zu oktaedrischen Komplexen sind die dz2 - und dx 2Ky 2 Orbitale also energetisch günstiger (Abb. 5.30). Bei gleichem Zentralion, gleichen
5.4 Komplexverbindungen
701
Abbildung 5.28 Jahn-Teller-Effekt. a) Tetragonale Verzerrung eines Oktaeders. b) Das Energieniveaudiagramm gilt für ein gestrecktes Oktaeder. Diese Verzerrung wird überwiegend beobachtet. Für ein gestauchtes Oktaeder erhält man ein analoges Diagramm. Die Reihenfolge der Orbitale ist dafür dxy; dxz, dyz; dx 2Ky 2; dz 2. Die Aufspaltungen sind nicht maßstäblich dargestellt. Die durch die Verzerrung verursachte Aufspaltung ist sehr viel kleiner als 10 Dq. Die Aufspaltungen gehorchen dem Schwerpunktsatz. c) Die Verzerrung führt zu einem Energiegewinn bei der d4- und der d9-high-spin- sowie der d7-low-spin-Konfiguration. (Das durch einen roten Pfeil dargestellte Elektron bringt den Energiegewinn).
Abbildung 5.29 Tetraedrisch angeordnete Liganden nähern sich dem dxy-Orbital des Zentralatoms stärker als dem dx 2Ky 2 -Orbital.
702
5 Die Elemente der Nebengruppen
Liganden und gleichem Abstand Ligand-Zentralion beträgt die tetraedrische Aufspaltung nur 94 von der im oktaedrischen Feld: Δtetr Z 94 Δokt. Die Δ-Werte der tetraedrischen Komplexe VCl4, [CoI4]2K und [CoCl4]2K z. B. betragen 108, 32 und 39 kJ.mol. Prinzipiell sollte es für die Konfigurationen d3, d4, d5 und d6 high-spinund low-spin-Anordnungen geben. Wegen der kleinen Ligandenfeldaufspaltung sind aber nur high-spin-Komplexe bekannt.
Abbildung 5.30 Aufspaltung der d-Orbitale im tetraedrischen Ligandenfeld.
Co2C bildet mehr tetraedrische Komplexe als jedes andere Übergangsmetallion. Dies stimmt damit überein, dass für Co2C (3d7) die Ligandenfeldstabilisierungsenergie in tetraedrischen Komplexen größer ist als bei anderen Übergangsmetallionen (Abb. 5.31).
Abbildung 5.31 Besetzung der d-Orbitale von Co2C im tetraedrischen Ligandenfeld.
5.4.6.3 Quadratisch-planare Komplexe Für die Ionen Pd2C, Pt2C und Au3C mit d8-Konfigurationen ist die quadratische Koordination typisch. Alle quadratischen Komplexe dieser Ionen sind diamagnetische low-spin-Komplexe. In Abb. 5.32 ist das Energieniveaudiagramm der d-Orbitale des Komplexes [PtCl4]2K dargestellt. In quadratischen Komplexen fehlen die Liganden in z-Richtung, daher sind die d-Orbitale mit einer z-Komponente energetisch
5.4 Komplexverbindungen
703
günstiger als die anderen d-Orbitale. Die dxz- und dyz-Orbitale werden von den Liganden in gleichem Maße beeinflusst, sie sind daher entartet. Da die Ladungsdichte des dx 2Ky 2 -Orbitals direkt auf die Liganden gerichtet ist, ist es das bei weitem energiereichste Orbital. Δ1, die Energiedifferenz zwischen dem dx 2Ky 2 - und dem dxyOrbital, ist bei gleicher Ligandenfeldstärke gleich der Aufspaltung im oktaedrischen Feld Δokt. Wenn Δ1 größer als die Spinpaarungsenergie ist, entsteht ein low-spinKomplex, der bei d8-Konfigurationen die größtmögliche Ligandenfeldstabilisierungsenergie besitzt. Quadratische Komplexe sind daher bei d8-Konfigurationen mit großen Ligandenfeldaufspaltungen zu erwarten. Dies stimmt mit den Beobachtungen überein. Bei dem 4d-Ion Pd2C und den 5d-Ionen Pt2C und Au3C ist die Aufspaltung bei allen Liganden groß, es entstehen quadratisch-planare Komplexe. Ni2C (3d8) bildet mit starken Liganden wie CNK einen quadratischen Komplex, während mit den weniger starken Liganden H2O und NH3 oktaedrische Komplexe gebildet werden. Das dz 2 -Orbital muss nicht wie in den Komplexen [PtCl4]2K und [PdCl4]2K das energetisch stabilste Orbital sein (siehe Abb. 5.32). Wahrscheinlich liegt es bei den quadratischen Komplexen von Ni2C zwischen dem dxy-Orbital und den entarteten Orbitalen dyz, dxz.
Abbildung 5.32 Aufspaltung und Besetzung der d-Orbitale im quadratischen Komplex [PtCl4]2K. Da Δ1 größer ist als die aufzuwendende Spinpaarungsenergie, entsteht ein lowspin-Komplex mit großer LFSE.
5.4.6.4 Termdiagramme, Elektronenspektren Bei der bisherigen Darstellung der Ligandenfeldtheorie wurde angenommen, dass das Ligandenfeld stark gegenüber der Elektronenwechselwirkung zwischen den einzelnen d-Elektronen ist. Dadurch wird die Russell-Saunders-Kopplung (zum Verständnis dieses Abschnitts ist die Kenntnis von Abschn. 5.1.3 erforderlich), die in isolierten
704
5 Die Elemente der Nebengruppen
Atomen oder Ionen auftritt, zerstört. Man betrachtet daher die Aufspaltung eines dEinelektronenzustandes K der im freien Ion fünffach entartet ist K im Feld der Liganden. Die Besetzung der Einelektronenzustände erfolgt unter Berücksichtigung des Pauli-Prinzips. Diese Darstellung wird als Methode des starken Feldes bezeichnet. Bei der Methode des schwachen Feldes wird angenommen, dass das Ligandenfeld so schwach ist, dass es die Kopplung der Elektronen nicht verhindert. Die durch die Kopplung entstandenen Russell-Saunders-Terme werden aber durch das Ligandenfeld „gestört“. Die Störung verursacht eine energetische Anhebung und eine Aufspaltung der RS-Terme. Die Anzahl der Spaltterme und ihre Bezeichnung folgt aus der Gruppentheorie. Hier kann nur kurz ihr Gebrauch besprochen werden. Außerdem soll nur ein oktaedrisches Ligandenfeld berücksichtigt werden. Die Aufspaltung der RS-Terme im oktaedrischen Feld ist in der Tabelle 5.8 angegeben. Tabelle 5.8 Aufspaltung der Russell-Saunders-Terme im oktaedrischen Ligandenfeld Russell-SaundersTerme
Spaltterme im oktaedrischen Ligandenfeld Anzahl Bezeichnung
S P D F G
1 1 2 3 4
Bahnentartungsgrad
A1g T1g
Eg T2g A2g T1g T2g A1g Eg T1g T2g
1
1
2 2
1 3 3
3 3
3
3
(Für Einelektronenzustände werden kleine Buchstaben verwendet, z. B. e, t2g, für Mehrelektronenzustände große Buchstaben E, T2g; g (gerade) kennzeichnet Zustände, die wie bei oktaedrischen Komplexen ein Symmetriezentrum besitzen).
Die Aufspaltung der RS-Grundterme im oktaedrischen Feld führt für die Elektronenkonfigurationen d1 bis d9 zu den in der Abb. 5.33a dargestellten Termdiagrammen. Bei einem vollständigen Termdiagramm ist nicht nur die Aufspaltung des Grundterms, sondern auch die der angeregten Terme zu berücksichtigen. Als Beispiel ist in der Abb. 5.34 das Termschema der d2-Konfiguration dargestellt. Für alle Diagramme gilt: Die Spaltdiagramme besitzen die gleiche Spinmultiplizität wie die Terme des freien Ions, aus denen sie hervorgehen. Die Summe der Bahnentartungsgrade der Spaltterme ist gleich dem Bahnentartungsgrad des Terms des freien Ions, aus dem sie hervorgehen. Terme mit identischen Bezeichnungen überschneiden sich nicht. Bei Termen, die allein vorkommen, ändert sich die Energie linear mit der Ligandenfeldstärke. Für Terme mit identischer Bezeichnung ist eine Termwechselwirkung zu berücksichtigen. Sie führt zu einer Abstoßung der Terme, daher zeigen diese Terme gekrümmte Kurven.
5.4 Komplexverbindungen
705
Abbildung 5.33a Termdiagramme der RS-Terme für die Elektronenkonfigurationen von d1 bis d9 im oktaedrischen Ligandenfeld. Für die Spaltterme gilt der Schwerpunktsatz. Das Termschema eines Systems mit (10Kn)-Elektronen ist gleich einem System mit n Löchern in der d-Schale (Elektron-Loch-Formalismus). Die Löcher besitzen das magnetische Moment und die Ladung von Positronen. Das Termschema des Systems mit n Elektronen erhält man durch Umkehrung der Energie des Termschemas für n Löcher. Das Termschema eines d9-Ions entspricht also dem eines d1-Ions mit vertauschter Reihenfolge der Terme. Entsprechend ist d2 invers zu d8, d3 zu d7 und d4 zu d6.
In der Abb. 5.33b ist die Korrelation der Spaltterme mit den Elektronenkonfigurationen der Einelektronenzustände für das oktaedrische Ligandenfeld dargestellt. Aus den vollständigen Korrelationsdiagrammen geht hervor, dass unter Berücksichtigung der Elektronenwechselwirkungen aus den Einelektronenzuständen (Methode des starken Feldes) dasselbe Termschema entsteht wie aus den Spalttermen der RSTerme bei Berücksichtigung der Termwechselwirkung (Methode des schwachen Feldes). Termdiagramme eignen sich zur Voraussage oder Deutung von Elektronenspektren. Auf Grund der Auswahlregeln sind nur Übergänge zwischen Termen gleicher Spinmultiplizität erlaubt. Treten spinverbotene Übergänge zwischen Termen verschiedener Spinmultiplizität auf, so sind ihre Intensitäten um mehrere Größenordnungen schwächer als die spinerlaubten. Es sollen die Konfigurationen d2 und d6 besprochen werden. Für das d2-Ion sind drei Übergänge zu erwarten (vgl. Abb. 5.34). Aus dem Termschema können die Bandenlagen berechnet werden.
706
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.33b Korrelation der RS-Spaltterme und der Elektronenkonfigurationen der Einelektronenzustände im oktaedrischen Ligandenfeld. Berücksichtigt sind nur high-spin-Zustände, also Terme mit gleicher Spinmultiplizität. 1 Beispiel d1: Bei der Konfiguration t2g kann sich das Elektron in 3 Orbitalen aufhalten (Entartung 1 3), bei der Konfiguration eg nur in 2 Orbitalen (Entartung 2). Dies entspricht den Spalttermen 2 T2g und 2Eg. 3 2 Beispiel d5: Bei der Konfiguration t2g eg sind 5 Elektronen in 5 Orbitalen (Entartung 1), dies entspricht dem Term 6A1g.
Abbildung 5.34 a) Termdiagramm der d2-Konfiguration im oktaedrischen Ligandenfeld.
5.4 Komplexverbindungen
707
Abbildung 5.34 b) Wellenlänge in nm und Energie in cmK1 des sichtbaren Spektrums. 103 cmK1 entsprechen 11,96 kJ.mol.
Beispiel [V(H2O)6]3C: Übergang 3
T1g (F) $% 3T2g (F) T1g (F) $% 3T1g (P) 3 T1g (F) $% 3A2g (F) 3
8 Dq 18 Dq
Energiewerte der [V(H2O)6]3C-Banden in cmK1 beobachtet berechnet mit 10 Dq Z 21 500 cmK1 17 000 17 300 25 000 25 500 38 000 38 600
Das Termdiagramm der d6-Konfiguration ist in der Abb. 5.35 wiedergegeben. Bei schwachen Ligandenfeldern ist der 5T2g-Term der Grundterm. Die Spinmultiplizität 2S C 1 Z 5 entspricht einer high-spin-Konfiguration mit 4 ungepaarten Elektronen (S Z 2). Mit wachsender Ligandenfeldstärke nimmt die Energie des 1A1g-Terms stärker ab als die Energie des 5T2g-Terms. Bei einer bestimmten Ligandenfeldstärke schneiden sich beide Terme. Bei starken Ligandenfeldern ist dann der 1A1g-Term der Grundterm. Die Spinmultiplizität 2S C 1 Z 1 bedeutet eine low-spin-Konfiguration (S Z 0). Wir erwarten für beide Konfigurationen verschiedene Spektren. (Abb. 5.35): für die high-spin-Konfiguration den Übergang 5T2g $% 5Eg, also eine Bande, für die low-spin-Konfiguration zwei Banden mit den Übergängen 1A1g $% 1T1g und 1 A1g $% 1T2g.
708
5 Die Elemente der Nebengruppen 1
Eg
E
1
T2g Eg
5
1 1
5
I
T1g
D
high-spin Konfiguration
5
T2g
1
A1g
low-spin 10 Dq Konfiguration
Abbildung 5.35 Schematischer Ausschnitt aus dem Termdiagramm der d6-Konfiguration im oktaedrischen Ligandenfeld.
Für die high-spin-Komplexe [Fe (H2O)6]2C, [Fe (NH3)6]2C und [CoF6]3K beobachtet man tatsächlich eine Bande, für die low-spin-Komplexe [Fe (CN)6]4K, [Co (H2O)6]3C und [Co (NH3)6]3C werden zwei Banden gefunden. Im Termdiagramm des d2-Ions ist bei allen Ligandenfeldstärken der 3T1g-Term der energetisch stabilste, also immer eine high-spin-Konfiguration vorhanden (vgl. Abschn. 5.4.6.1).
5.4.7 Molekülorbitaltheorie von Komplexen Im Abschn. 2.2.12 sahen wir, dass man Molekülorbitale durch Linearkombination von Atomorbitalen (LCAO-Näherung) erhält. Bei Komplexen müssen die Atomorbitale des Zentralatoms mit denen der Liganden kombiniert werden. Welche Orbitale auf Grund ihrer Symmetrieeigenschaften kombiniert werden können, lässt sich mit Hilfe der Gruppentheorie ableiten. Wir wollen hier die möglichen Linearkombinationen bildlich darstellen und uns auf oktaedrische Komplexe beschränken. Zunächst sollen nur Komplexe mit σ-Bindungen zwischen dem Zentralion und den Liganden berücksichtigt werden. Zur σ-Bindung geeignet sind diejenigen Orbitale des Metallions, deren größte Elektronendichte in der Bindungsrichtung MetallLigand liegt. Dies sind: s, px, py , pz, dz 2, dx 2Ky 2. Jeder Ligand besitzt ein σ-Orbital. Es gibt sechs Linearkombinationen zwischen den Liganden- und den Metallorbitalen, die zu sechs bindenden und zu sechs antibindenden Molekülorbitalen führen. Sie sind in der Abb. 5.36 dargestellt, das zugehörige Energieniveaudiagramm in der Abb. 5.37. Betrachten wir als Beispiele die beiden Komplexe [Ti (H2O)6]3C und [FeF6]3K. Wir müssen alle Elektronen der Valenzorbitale abzählen. Jeder Ligand steuert zwei Elektronen bei, also stammen von den Liganden insgesamt 12 Elektronen. Ti3C hat
5.4 Komplexverbindungen
709
Abbildung 5.36 Kombinationen von Ligandenorbitalen mit den σ-Orbitalen des Zentralions. Dargestellt ist die Addition, die zur Bildung der bindenden MOs führt. Bei der Subtraktion, die zur Bildung der antibindenden MOs führt, müssen die Vorzeichen der Liganden umgekehrt werden.
710
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.37 Energieniveaudiagramm eines oktaedrischen Komplexes. Es sind nur σ-Bindungen berücksichtigt. Die Orbitale dxy , dxz, dyz sind nur für π-Bindungen geeignet. Ihre energetische Lage ist daher unverändert. Die Orbitale px, py , pz und dx 2Ky 2, dz 2 bilden jeweils einen Satz äquivalenter MOs, die energetisch entartet sind.
die Konfiguration 3d1. Der Grundzustand von [Ti (H2O)6]3C ist also 6 b 4 1 b 2 2 2 (σ bs )2 (σ x, y, z ) (σ x Ky , z ) (π xy, yz, xz )
Fe3C hat die Konfiguration d5 und [FeF6]3K den Grundzustand 6 b 4 3 * 2 b 2 2 2 2 2 2 (σ bs )2 (σ x, y, z ) (σ x Ky , z ) (πxy, xz, yz ) (σ x Ky , z )
Diese Ergebnisse entsprechen denen der Ligandenfeldtheorie. Die antibindenden Orbitale haben Metallcharakter und Elektronen in diesen Orbitalen sind vorwiegend „Metallelektronen“. In den nichtbindenden Orbitalen sind die Elektronen reine Metallelektronen (solange diese Orbitale nicht an π-Bindungen beteiligt sind). Die MOs πxy , πxz , πyz entsprechen den t2g-Orbitalen, die MOs σx*2Ky 2 , σz*2 den eg-Orbitalen im oktaedrischen Ligandenfeld (vgl. Abb. 5.22). Ihr Abstand entspricht der Ligandenfeldaufspaltung Δ und ist auch hier maßgebend dafür, ob ein high-spin- oder ein low-spin-Komplex entsteht. Die dxy-, dxz- und dyz-Orbitale sind zu π-Bindungen befähigt (Abb. 5.38). Die Liganden-π-Orbitale können wie z. B. bei ClK p-Orbitale sein oder wie bei mehratomi-
5.4 Komplexverbindungen
711
Abbildung 5.38 Durch Linearkombination des dxz-Orbitals mit vier p-Orbitalen der Liganden erhält man ein π-Molekülorbital. Äquivalente Kombinationen gibt es für das dxy- und das dyz-Orbital.
gen Liganden, z. B. CO oder NOC, bindende π-Orbitale π b oder antibindende πOrbitale π* (vgl. Abb. 2.69). Bei Komplexen mit π-Bindung können zwei Grenzfälle unterschieden werden. In einem Grenzfall sind die Liganden-π-Orbitale besetzt und besitzen eine niedrigere Energie als die d π-Orbitale der Metallionen. Ein Ausschnitt aus dem Energieniveaudiagramm ist in der Abb. 5.39 dargestellt. Im bindenden π-Molekülorbital wird Ladung vom Liganden zum Metall übertragen. Wir nennen diese Bindung daher dative π-Bindung Ligand $% Metall. Die π-Orbitale des Metalls werden destabilisiert und gehen in schwach antibindende MOs über. Diese Art der π-Bindung verkleinert Δ. Beim anderen Grenzfall sind die Liganden-π-Orbitale unbesetzt, ihre Energie liegt oberhalb der der π-Metallorbitale. Ein Ausschnitt aus dem Energieniveaudiagramm ist in der Abb. 5.40 dargestellt. Die d π-Elektronen der Metallionen werden durch die
Abbildung 5.39 Dative π-Bindung L $% Me.
712
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.40 Dative π-Bindung Me $% L.
π-Bindung stabilisiert, sie erhalten etwas Ligandencharakter. Es wird also Elektronendichte vom Metall entfernt. Wir nennen diese Bindung daher dative π-Bindung Metall $% Ligand, sie vergrößert Δ. Die spektrochemische Reihe der Liganden (vgl. Abschn. 5.4.6) ist mit der Fähigkeit der Liganden korreliert, π-Bindungen zu bilden. Reine σ-Donatoren sind NH3 und NR3. Schwache π-Donatoren sind OHK und FK. Gute π-Donatoren wie ClK, BrK, IK sind zu starken π-Bindungen L $% Me befähigt und verursachen kleine Aufspaltungen. Gute Akzeptorliganden wie CO und NOC sind zu starken π-Bindungen Me $% L befähigt und verursachen große Aufspaltungen. Die zweiatomigen Liganden CO und NOC besitzen besetzte π b- und leere π*Orbitale (vgl. S. 149). Sie können daher sowohl π-Bindungen L $% Me als auch Me $% L ausbilden. Letztere wird auch als Rückbindung bezeichnet. σ-Bindung und π-Rückbindung sind synergetisch (zusammenwirkend). Je stärker die σ-Bindung ist, umso mehr Elektronendichte wird am Metallion konzentriert, dies verstärkt die Tendenz zur Rückbindung. Eine starke Rückbindung zieht Elektronen vom Metall ab und verstärkt wiederum die σ-Bindung. Die Rückbindung stabilisiert die dπ-Molekülorbitale, die σ-Bindung destabilisiert die σx*2Ky 2 - und die σz*2 -Orbitale. Je stärker beide Bindungen sind, umso größer ist Δ. Die Rückbindung ist für die Stabilität der Carbonyl- und Nitrosylkomplexe wichtig (vgl. Abschn. 5.5).
5.4.8 Charge-Transfer-Spektren Bei vielen Komplexen ist die Ursache der Farbigkeit eine Charge-Transfer-Absorption. Durch Absorption eines Lichtquants wird Elektronenladung innerhalb eines
5.5 Metallcarbonyle
713
Komplexes übertragen. Die Charge-Transfer (CT)-Absorptionen können innerhalb oder außerhalb des sichtbaren Bereichs des elektromagnetischen Spektrums liegen. Die CT-Banden sind meist intensiv und breit. Man kann Elektronenübertragung vom Ligand zum Metall, vom Metall zum Ligand und zwischen Metallatomen unterscheiden. Übergang L $% M. Ein Elektron wird aus einem besetzten Molekülorbital des Liganden in ein niedrig liegendes, unbesetztes oder teilweise besetztes Molekülorbital des Metallatoms angeregt. Bei den intensiv rot gefärbten Thiocyanatoeisen (III)Komplexen (vgl. Abschn. 5.16.5.1) erfolgt eine Elektronenübertragung vom SCNLiganden zum Fe (III). Diese Übertragung lässt sich so beschreiben als wäre Fe (III) (d5) zu Fe (II) (d6) reduziert und ein SCN-Ligand zu einem SCN-Radikal oxidiert worden. Die große Intensität der Banden beruht auf der gleichen Symmetrie des Elektronendonator- und des Elektronenakzeptor-Orbitals. Symmetrieerlaubte Übergänge überwiegen bei CT-Absorptionen. Die intensive violette Farbe des MnOK 4 -Ions beruht auf dem Elektronenübergang von den Sauerstoffliganden zum Mn (VII). ReOK 4 ist farblos, da die Bande im UV liegt. Auch die Farben der tetraedrischen Ionen CrO24 K (gelb), MnO24 K (grün), MnO34 K (blau) und FeO24 K (rot) kommen durch CT-Absorptionen zustande. Übergang M $% M. Intensive Farben treten bei Verbindungen auf, die Metallatome in unterschiedlichen Oxidationsstufen enthalten. Ein bekanntes Beispiel ist C3 C2
Berlinerblau Fe4 [Fe (CN)6]3 · nH2O (vgl. Abschn. 5.16.5.1), bei dem durch gelbes Licht der Übergang eines d-Elektrons vom low-spin-Fe (II) zum high-spin-Fe (III) erfolgt. Übergang M $% L. Aus einem am Metall lokalisierten, besetzten MO (z. B. aus einem besetzten d-Orbital) erfolgt eine Elektronenanregung in ein energetisch höher gelegenes leeres MO mit Ligandencharakter (z. B. in ein π*-Orbital gleicher Symmetrie). Dies ist bei Komplexen mit CO-, CNK- und aromatischen Amin-Liganden (Phenanthrolin, Bipyridin) der Fall. Die intensiv rote Farbe des Komplexes [Fe (bipy)3]2 C entsteht durch Elektronenübergang vom low-spin-Fe (II) in ein leeres Ligandenorbital. Ebenfalls rot gefärbt ist der Komplex [Fe (phen)3]2C (Ferroin).
5.5 Metallcarbonyle Die Übergangsmetalle besitzen die charakteristische Fähigkeit, mit vielen neutralen Molekülen Komplexe zu bilden. Dazu gehören Kohlenstoffmonooxid, Isocyanide, substituierte Phosphane und Arsane, Stickstoffmonooxid, Pyridin, 1,10-Phenanthrolin. Diese Liganden besitzen unbesetzte Orbitale, die zu einer π-Bindung Metall $% Ligand befähigt sind (vgl. S. 712). Es sind π-Akzeptorliganden. Der wichtigste π-Akzeptorligand ist Kohlenstoffmonooxid CO. Verbindungen von Metallen mit CO heißen Carbonyle. Das erste Carbonyl, das Tetracarbonylnickel Ni (CO)4, wurde bereits 1890 entdeckt. Heute sind von den
714
5 Die Elemente der Nebengruppen
meisten Übergangsmetallen, besonders von denen der 5.K10. Gruppe, Carbonyle bekannt. Zusammen mit gemischten Komplexen gibt es Tausende von Verbindungen.
5.5.1 Bindung Kohlenstoffmonooxid bildet mit dem einsamen Elektronenpaar am Kohlenstoffatom eine dative σ-Bindung Ligand $% Metall (L $% Me) (Abb. 5.41a). Dadurch entsteht eine hohe Elektronendichte am Metallatom. CO besitzt leere π-Orbitale (vgl. S. 149), es kann Elektronendichte aus besetzten π-Orbitalen des Metallatoms aufnehmen. Es entsteht eine π-Rückbindung Metall $% Ligand (Me $% L), durch die die Ladung am Metallatom verringert wird (Abb. 5.41b). Dieser Bindungsmechanismus wird als synergetisch (zusammenwirkend) bezeichnet. Die Rückbindung erhöht die negative Ladung am CO, verstärkt seine Lewis-Basizität und damit die σ-Bindung. Die σ-Bindung wiederum positiviert CO und erhöht seinen π-Säurecharakter, also die Akzeptorstärke. Die Bindungen verstärken sich gegenseitig. Nur mit π-Akzeptorliganden werden von Metallen in niedrigen Oxidationsstufen stabile Komplexe gebildet. Ohne Rückbindung würde bei neutralen Metallatomen oder Ionen der Ladung C1 die L $% Me-Bindung zu einer zu hohen Ladung am Metallatom führen.
Abbildung 5.41 Bindung in Metallcarbonylen. a) Bildung der σ-Bindung CO $% Metall (L $% Me). Das freie Elektronenpaar eines spHybridorbitals des C-Atoms überlappt mit einem leeren σ-Orbital des Metallatoms. b) Entstehung der π-Rückbindung Metall $% CO (Me $% L). Ein besetztes dπ-Orbital des Metallatoms überlappt mit einem leeren π*-Molekülorbital von CO. Durch die Rückbindung wird die C d O-Bindung geschwächt, dies bestätigt die Frequenzänderung der C d O-Valenzschwingung. Beide Bindungen übertragen Ladung. Die Ladungsübertragungen kompensieren sich aber weit gehend, so dass annähernd Elektroneutralität erreicht wird. Die Bindung in Carbonylen kann durch zwei mesomere Grenzstrukturen formuliert werden. Me – C;Ou L Me=C=O
5.5 Metallcarbonyle
715
CO verursacht große Ligandenfeldaufspaltungen (vgl. Abschn. 5.4.6). Die Carbonyle sind daher immer low-spin-Komplexe.
5.5.2 Strukturen Die Zusammensetzung der meisten Carbonyle kann mit der 18-Elektronen-Regel (Edelgasregel) vorhergesagt werden. Die Anzahl der Valenzelektronen des Metallatoms plus der Anzahl der von den Liganden für σ-Bindungen stammenden Elektronen ist gleich 18. Die Metallatome benutzen also alle nd-, (n C 1)s- und (n C 1)pOrbitale zur Ausbildung von Bindungen mit den Liganden und erreichen dadurch die Elektronenschale des nächstfolgenden Edelgases. Einkernige Metallcarbonyle Gruppe
5
6
7
8
9
10
Anzahl der Valenzelektronen
5
6
7
8
9
10
Verbindungen
V (CO)6
Cr(CO)6 Mo(CO)6 W(CO)6
K
Fe(CO)5 Ru(CO)5 Os(CO)5
K
Ni(CO)4
Struktur
oktaedrisch
oktaedrisch
trigonalbipyramidal
tetraedrisch
Eigenschaften
kristallin paramagnetisch
kristallin
flüssig
flüssig
Nur bei Übergangsmetallen mit gerader Anzahl der Valenzelektronen ist die Edelgasregel erfüllt. Alle kristallinen Carbonyle sublimieren im Vakuum. Die bei Raumtemperatur flüssigen Carbonyle sind flüchtig, leicht entzündlich und sehr giftig. Zweikernige Metallcarbonyle Gruppe
7
8
9
Anzahl der Valenzelektronen
7
8
9
Verbindungen
Mn2 (CO)10 Tc2 (CO)10 Re2 (CO)10
Fe2 (CO)9 Ru2 (CO)9 Os2 (CO)9
Co2 (CO)8
Es sind kristalline, meist gefärbte Substanzen mit niedrigen Schmelzpunkten, die reaktionsfähiger als einkernige Carbonyle sind. Ru2 (CO)9 und Os2 (CO)9 zersetzen sich bei Raumtemperatur.
716
5 Die Elemente der Nebengruppen
Auf Grund der ungeraden Valenzelektronenzahl des Metallatoms können Mn (CO)5 und Co (CO)4 als Radikale mit 17 Elektronen betrachtet werden, die durch Dimerisierung unter Ausbildung einer MedMe-Bindung die Edelgasregel erfüllen (Abb. 5.42a). Von Co2 (CO)8 ist eine weitere Struktur bekannt, bei der zwei Brücken-Carbonyl-Gruppen auftreten (Abb. 5.42b). Die beiden Struktureinheiten
unterscheiden sich energetisch so wenig, dass nicht vorausgesagt werden kann welche Anordnung auftritt. Entscheidend können sterische Ursachen sein, da bei der verbrückten Form die Koordinationszahl der Metallatome größer ist. Auch V(CO)6 könnte durch Dimerisierung eine 18-Elektronen-Konfiguration erreichen. Dabei würde sich die Koordinationszahl erhöhen. Wahrscheinlich ist eine sterische Behinderung die Ursache dafür, dass die Dimerisierung bei V(CO)6 nicht stattfindet. Aus demselben Grund tritt vermutlich beim Mn2 (CO)10 keine Struktur mit verbrückenden CO-Liganden auf. Fe2 (CO)9 besitzt eine Struktur mit drei verbrückenden CO-Gruppen (Abb. 5.42c). Die alternative Struktur mit einer Verbrückung
existiert vermutlich bei Os2 (CO)9 und Ru2 (CO)9. Mehrkernige Carbonyle Verbindungen, die nur CO-Moleküle als Liganden enthalten, sind nicht sehr zahlreich. Bekannt sind: Me3 (CO)12 Me4 (CO)12 Me6 (CO)16
Me Z Fe, Ru, Os Me Z Co, Rh, Ir Me Z Co, Rh, Ir
Es sind farbige, zersetzliche oder sublimierbare Kristalle mit relativ niedrigen Schmelzpunkten. Die Strukturen (Abb. 5.43) enthalten symmetrische Metallcluster (Dreieck, Tetraeder, Oktaeder). Bei den dreikernigen und vierkernigen Carbonylen sind zwei Strukturen bekannt. Große Cluster werden von Osmium gebildet: Os5 (CO)16, Os6 (CO)18, Os7 (CO)21 und Os8 (CO)23.
5.5 Metallcarbonyle
717
Mn, Tc, Re
a)
b)
Co
Fe
Co
c)
Abbildung 5.42 Strukturen zweikerniger Carbonyle. a) Struktur von Me2 (CO)10 (Me Z Mn, Tc, Re) b) Strukturen von Co2 (CO)8. Eine Struktur enthält zwei verbrückende CO-Moleküle (KZ Z 6), bei der anderen ist jedes CO-Molekül nur an ein Metallatom gebunden (KZ Z 5). c) In Fe2 (CO)9 sind drei verbrückende CO-Gruppen vorhanden. Die Struktur kann als flächenverknüpftes Di-Oktaeder betrachtet werden. In allen Strukturen existiert eine Me d Me-Bindung, und die Edelgasregel ist erfüllt.
5.5.3 Darstellung Reaktionen von Metall mit CO Fein verteiltes Nickel reagiert schon bei 80 (C mit CO zu Ni (CO)4. Fein verteiltes Eisen und Cobalt reagieren mit CO bei 150K200 (C und 100 bar zu Fe (CO)5 und Co2 (CO)8.
718
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.43 Strukturen mehrkerniger Carbonyle. a) Me3 (CO)12. Die Metallcluster bestehen aus Dreiecken. In Fe3 (CO)12 sind zwei Fe-Atome durch zwei CO-Moleküle verbrückt. b) Me4 (CO)12. Die Metallatome bilden tetraedrische Cluster. In Co4 (CO)12 und Rh4 (CO)12 gibt es drei verbrückende CO-Moleküle. c) Rh6 (CO)16. Die Metallatome bilden ein Oktaeder. Jedes Rh-Atom hat zwei endständige CO-Gruppen. Die restlichen vier CO-Gruppen befinden sich in dreifach verbrückenden Positionen über vier der Dreiecksflächen des Oktaeders. 2K d) Os20 (CO)40 . Der Cluster besitzt eine perfekte tetraedrische Symmetrie. Die Metallatome sind kubisch-dichtest gepackt. An die rot gezeichneten Os-Atome sind drei, an die weißen zwei CO-Moleküle und an die schwarzen ist ein CO-Molekül gebunden.
5.5 Metallcarbonyle
719
Reduktion von Metallsalzen in Gegenwart von CO Es gibt eine Vielzahl von Verfahren. Bei erhöhter Temperatur und unter Druck fungiert CO gleichzeitig als Reduktionsmittel. Es reagieren die Oxide von Mo, Re, Ru, Os, Ir, Co, die Halogenide von Re, Fe, Co, Ni, Ru, Os, Ir und die Sulfide von Mo, Re. Reduktionen in flüssiger Phase werden mit verschiedenen Reduktionsmitteln und Lösungsmitteln durchgeführt. Beispiele: Cr (CO)6 aus CrCl3 mit Al in Benzol unter Druck Cr (CO)6, Mo (CO)6, W(CO)6, Mn2 (CO)10 aus Halogeniden mit AlR3, ZnR2, Na in Ether unter Druck Rh6 (CO)16, Ir4 (CO)12 aus Chloriden mit CO in Methanol unter Druck Zersetzung von Metallcarbonylen Durch Energiezufuhr (z. B. photochemisch) entstehen durch CO-Abspaltung höher kernige Spezies. Beispiele: 2 Me (CO)5 $% Me2 (CO)9 C CO 3 Me2 (CO)9 $% 2 Me3 (CO)12 C 3 CO
Me Z Fe, Ru, Os Me Z Ru, Os
Oxidation von Carbonylmetallaten Dieses Verfahren ist zweckmäßig, wenn Carbonylmetallate (vgl. unten) leichter hergestellt werden können als die Carbonyle. Beispiel: H
C
[V (CO)6]K $$$% V (CO)6 C 21 H2 H3PO4
5.5.4 Carbonylmetallat-Anionen, Metallcarbonylhydride Durch Reduktion von Metallcarbonylen erhält man Carbonylmetallat-Anionen. Sie können einkernig und mehrkernig sein und sind überwiegend einfach negativ oder zweifach negativ geladen. Für fast alle ist die Edelgasregel gültig. Die ein- bis dreikernigen Verbindungen enthält die folgende Tabelle. Gruppe
4
5
6
7
8
9
Me
Zr
V Nb Ta
Cr Mo W
Mn Tc Re
Fe Ru Os
Co Rh Ir
Einkernig
2K Zr (CO)6
K Me (CO)6 3K Me (CO)5
2K Me (CO)5 4K Me (CO)4
K Me (CO)5 3K Me (CO)4
2K Me (CO)4
K Me (CO)4 3K Me (CO)3
2K
2K
Zweikernig
Me2 (CO)10 Me2 (CO)9
Dreikernig
Me3 (CO)14
2K
10 Ni Pd Pt
2K
Ni2 (CO)6
2K
Ni3 (CO)8
Fe2 (CO)8
Fe3 (CO)11
2K 2K
720
5 Die Elemente der Nebengruppen
Einige Beispiele für vielkernige Komplexe: Fe4 (CO)213K, Os5 (CO)215K, Pt6 (CO)212K, Rh12 (CO)230K, Rh15 (CO)327K, Os17 (CO)236K , Pt18 (CO)236K, Os20 (CO)240K (Abb. 5.43 d). Die Metall-CO-Bindung ist stabiler als in neutralen Carbonylen, da die negative Ladung am Metallatom die π-Rückbindung verstärkt. Es gibt daher nicht nur eine Vielzahl von Verbindungen, sondern es existieren auch mehrkernige Carbonylmetallat-Anionen, zu denen keine isoelektronischen Metallcarbonyle bekannt sind. Im allgemeinen sind die CO-Liganden wegen ihrer festen Bindung nicht substituierbar. Die Ionen werden bereits durch Luft oxidiert. Aus wässrigen Lösungen lassen sie sich mit großen Kationen, z. B. [Co (NH3)6]3C, ausfällen. Carbonylmetallate reagieren mit Säuren unter Bildung von Carbonylwasserstoffen. C $% HCo (CO)4 Co (CO)K 4 CH
Sie lassen sich auch auf anderen Wegen, z. B. durch Hydrierung von Metallcarbonylen unter Druck, herstellen. Einkernige Hydridometallkomplexe Gruppe
7
Verbindungen
HMn(CO)5 HRe(CO)5
8 H2Fe(CO)4 H2Ru(CO)4 H2Os(CO)4
9 HCo(CO)4
Zunahme der Stabilität Abnahme der Acidität Y)
Die Carbonylhydride sind unbeständiger als die zugehörigen Anionen, da die Fähigkeit zur π-Rückbindung geschwächt ist. Die einkernigen Verbindungen sind zersetzliche Flüssigkeiten, die unter Wasserstoffabspaltung reagieren. HMn (CO)5 $% 21 H2 C 21 Mn2 (CO)10 Sie lösen sich nicht gut in Wasser, reagieren aber als Säuren. HCo (CO)4 C H2O $% H3OC C Co (CO)K 4
Kz1
H2Fe (CO)4 C H2O $% H3OC C HFe (CO)K 4
K z 10K5
HMn (CO)5 C H2O $% H3OC C Mn (CO)K 5
K z 10K7
In den einkernigen Hydriden besetzt das H-Atom eine Koordinationsstelle des Komplexes, der Me-H-Abstand entspricht der Summe der kovalenten Radien.
5.5.5 Metallcarbonylhalogenide Durch Oxidationsreaktionen der Metallcarbonyle mit Halogenen X2 erhält man Carbonylhalogenide Mex (CO)y Xz. Man erhält sie auch durch Reaktion von Metallhalo-
5.6 π-Komplexe mit organischen Liganden
721
geniden mit CO unter Druck. Carbonylhalogenide werden von den meisten Metallen gebildet, von denen auch binäre Carbonyle existieren, außerdem aber auch von Pd, Pt, Au. In den Carbonylhalogeniden hat das Metallatom eine positive Oxidationszahl. Beispiele: Ru (CO)4X2, Os (CO)4X2, Pt (CO)2X2, [Pd (CO)X2]2, [Pt (CO)X2]2 In mehrkernigen Komplexen sind die Me-Atome immer über Halogenatome, niemals durch CO-Gruppen verbrückt. Beispiel:
5.5.6 Nitrosylcarbonyle In den Metallcarbonylen kann CO durch andere Liganden, z. B. NO, substituiert werden. NO besitzt ein Elektron mehr als CO und fungiert als Dreielektronenligand. Die Bindung kann wie folgt beschrieben werden. Zunächst wird ein Elektron auf das Metall übertragen, dann bildet NOC wie CO (vgl. Abb. 5.41) eine dative σBindung Ligand / Metall und eine π-Rückbindung Metall / Ligand. NOC ist ein noch stärkerer π-Akzeptor als CO, die Bindung an das Metallatom ist sehr stabil. Me – N;Ou L Me=N=O
Ein Beispiel für Nitrosylcarbonyle ist die folgende Reihe isoelektronischer Komplexe: Ni (CO)4, Co (CO)3NO, Fe (CO)2 (NO)2, Mn (CO)(NO)3, Cr (NO)4
5.6 π-Komplexe mit organischen Liganden1 Die Bindung Ligand $% Metall wird von den π-Elektronen organischer Verbindungen errichtet. Die Komplexe werden durch π-Rückbindung stabilisiert. Die organischen Liganden können aromatische Ringsysteme, Alkene oder Alkine sein. 1
Ausführlich behandelt in Erwin Riedel (Hrsg.) Moderne Anorganische Chemie, verfasst von C. Janiak, T. M. Klapötke, H.-J. Meyer und R. Alsfasser, 3. Aufl., Walter de Gruyter, Berlin, New York 2007, siehe Kapitel 4.
722
5 Die Elemente der Nebengruppen
5.6.1 Aromatenkomplexe Aromatische Ringsysteme mit einem π-Elektronensextett sind
Die Ringsysteme sind eben gebaut (vgl. S. 153). Die π-Elektronen können mit den leeren Orbitalen von Übergangsmetallen überlappen. Im Dibenzolchrom (C6H6)2Cr (braunschwarze Kristalle, Smp. 285 (C) befindet sich das Chromatom zwischen zwei parallel übereinander liegenden Benzolringen (Sandwich-Verbindung). Sind alle π-Elektronen an Bindungen beteiligt, ist die Edelgasregel erfüllt.
Bekannt ist auch Dibenzolmolybdän (C6H6)2Mo und Dibenzolwolfram (C6H6)2W. Dibenzolverbindungen der höheren Nebengruppen gibt es als Kationen: (C6H6)2ReC, (C6H6)2Fe2C, (C6H6)2Co3C. Der bekannteste Cp-Komplex ist das Bis (cyclopentadienyl)eisen (C5H5)2Fe (Ferrocen) (orangefarbene Kristalle, Smp. 174(C). Im Ferrocen hat Eisen die Oxidationszahl C2. In der Sandwich-Struktur liegen die Cp-Ringe wie auch im homologen Ruthenocen Ru (Cp)2 „auf Deckung“. Die zahlreichen Cp-Komplexe sind die wichtigsten aromatischen π-Komplexe.
5.6.2 Alkenkomplexe, Alkinkomplexe Das π-Elektronenpaar der Doppelbindung eines Alkens kann mit einem leeren Metallorbital überlappen. Es besetzt eine Koordinationsstelle.
5.7 Fehlordnung
723
Beispiel:
Die katalytische Wirkung von Platinverbindungen bei der Oxidation von Alkenen beruht auf der intermediären Bildung von π-Komplexen. Alkene mit konjugierten Doppelbindungen (
) können Chelate bilden.
Beispiel:
Alkine können zwei π-Elektronenpaare für Bindungen zur Verfügung stellen. Beispiel:
Die π-Elektronenpaare errichten Bindungen mit zwei Metallatomen und ersetzen zwei CO-Moleküle.
5.7 Fehlordnung In jedem Realkristall sind Abweichungen vom idealen Kristallgitter vorhanden. In jedem Realkristall treten also Baufehler auf. Diese Baufehler haben einen wesentlichen Einfluss auf die Eigenschaften der Kristalle, z. B. auf optische und elektrische Eigenschaften, Diffusion, Reaktivität, Plastizität, Festigkeit. Man teilt die Baufehler nach der Dimension ihrer geometrischen Ausdehnung ein. KNulldimensionale Baufehler: Punktfehlordnung. KEindimensionale Baufehler: Versetzungen. KZweidimensionale Baufehler: Korngrenzen, Stapelfelder (vgl. S. 173). Die Punktfehlordnung ist eine reversible Fehlordnung, die in allen kristallinen Stoffen auftritt und deren Konzentration von thermodynamischen Parametern abhängt. Eindimensionale und zweidimensionale Baufehler sind irreversible Defekte, die von der Entstehungsgeschichte des Kristalls abhängen.
724
5 Die Elemente der Nebengruppen
5.7.1 Korngrenzen Korngrenzen sind der Grenzbereich zwischen zwei verschieden orientierten Kristalliten im polykristallinen Festkörper. Sie beeinflussen z. B. die elektrische Leitfähigkeit (Korngrenzenwiderstand) und die Diffusion (Korngrenzendiffusion).
5.7.2 Versetzungen Stufenversetzung. Bei einer Stufenversetzung endet eine Netzebene im Inneren eines Kristalls (Abb. 5.44). Man kann eine Stufenversetzung als Einfügung einer Halbebe-
Abbildung 5.44 Dreidimensionales Modell einer Stufenversetzung.
ne in einen Kristall auffassen. Die untere Kante der Halbebene ist die Versetzungslinie. Sie ist einige hundert bis tausend Atome lang. Die Versetzungsdichte hängt von den Herstellungsbedingungen des Kristalls ab. Bei normal behandelten Metallen beträgt sie 107 bis 109 cmK2, bei stark deformierten Metallen 1011 bis 1013 cmK2. Mit besonderen Züchtungsmethoden kann man Kristalle herstellen, die praktisch
Abbildung 5.45 Wanderung einer Stufenversetzung entlang einer Gleitebene bei plastischer Verformung. Bei der Verformung eines Idealkristalls müssten ganze Netzebenen gegeneinander verschoben werden. Die Verformung durch Bewegung einer Versetzung erfordert viel weniger Energie (Analogie: Bewegung eines Teppichs durch die Bewegung einer Teppichfalte).
5.7 Fehlordnung
725
versetzungsfrei sind, z. B. Si- und Ge-Einkristalle. Stufenversetzungen sind für das Verständnis der plastischen Verformung von Metallen wichtig (Abb. 5.45). Schraubenversetzung. Die Netzebenen sind nicht übereinander gestapelt, sondern eine einzige Atomschicht windet sich wie eine Wendeltreppe um eine senkrechte Linie (Versetzungslinie) (Abb. 5.46). Schraubenversetzungen führen zu einem spiraligen Wachstum. Whiskers (Haarkristalle) enthalten nur eine Schraubenversetzung, entlang der das Wachstum des Kristalls erfolgt.
Abbildung 5.46 Modell einer Schraubenversetzung.
Versetzungen haben nicht nur für die mechanischen Eigenschaften, sondern auch für chemische Eigenschaften Bedeutung. Versetzungslinien sind schnelle Diffusionswege im Kristall, dort erfolgt Einstellung von Punktfehlstellengleichgewichten, und es sind Stellen bevorzugter Keimbildung bei Phasenneubildungen. Mit der Erhöhung der Versetzungsdichte ist eine Erhöhung der katalytischen Aktivität gekoppelt.
5.7.3 Punktfehlordnung Es gibt drei Arten von Punktfehlstellen (Abb. 5.47). Leerstellen: im Idealgitter sind Gitterplätze unbesetzt. Zwischengitterteilchen: im Idealgitter unbesetzte Gitterplätze sind besetzt. Substitutionsteilchen: einzelne Gitterplätze sind durch falsche Teilchen besetzt.
Abbildung 5.47 Mögliche Punktfehlstellen in einem AB-Gitter.
726
5 Die Elemente der Nebengruppen
Punktfehlordnung tritt prinzipiell in allen kristallinen Stoffen auf, es ist eine thermodynamisch bedingte Fehlordnung. Die Konzentration der Punktfehlstellen ist eine Gleichgewichtskonzentration, die vom Druck, der Temperatur und der Kristallzusammensetzung abhängt. Die thermischen Schwingungen der Kristallbausteine um die Ruhelage des idealen Gitterplatzes führen dazu, dass einige Kristallbausteine den Gitterplatz verlassen. Sie wandern unter Hinterlassung einer Leerstelle auf einen Zwischengitterplatz oder an die Oberfläche des Gitters. Die Konzentration der Fehlstellen wächst daher mit zunehmender Temperatur.
5.7.3.1 Eigenfehlordnung in stöchiometrischen binären Ionenkristallen Die wichtigsten Fehlordnungstypen sind: Frenkel-Typ. Zwischengitterplätze sind mit Kationen besetzt, im Kationenteilgitter sind Leerstellen vorhanden. Die Konzentrationen der Zwischengitterteilchen und der Leerstellen sind gleich groß (Abb. 5.48a). Beispiele für den Frenkel-Typ sind die Silberhalogenide. Schottky-Typ. Im Kationenteilgitter und im Anionenteilgitter sind Leerstellen vorhanden, ihre Konzentrationen sind gleich groß (Abb. 5.48b). Beispiele für den Schottky-Typ sind die Alkalimetallhalogenide. Dicht unterhalb des Schmelzpunktes beträgt die Anzahl der Fehlstellen z. B. bei NaCl 4 · 1017 cmK3. Zur Bildung der Fehlstellen muss Energie aufgewendet werden. Für einen bestimmten Kristall sind die Fehlordnungsenergien für die verschiedenen Fehlordnungstypen unterschiedlich groß. Es wird sich der Fehlordnungstyp mit der kleinsten Fehlordnungsenergie ausbilden. Bei den Silberhalogeniden liegen die Fehlordnungsenergien für den Frenkel-Typ zwischen 60 und 170 kJ.mol. Die Fehlordnungsenergien des Schottky-Typs (Bildung je einer Leerstelle im Anionen- und Kationenteilgitter) liegen bei den Alkalimetallhalogeniden zwischen 125 und 250 kJ.mol.
Abbildung 5.48 a) Bildung einer Frenkel-Fehlstelle. Ein Kation wandert auf einen Zwischengitterplatz und hinterlässt eine Leerstelle. b) Bildung einer Schottky-Fehlstelle. Ein Kation und ein Anion verlassen ihre Gitterplätze und wandern an die Kristalloberfläche. In beiden Teilgittern entsteht eine Leerstelle.
5.7 Fehlordnung
727
Substitutionsteilchen gibt es in binären Ionenkristallen nicht, da ihre Bildung zu viel Energie erfordert. Sie können aber z. B. in intermetallischen Phasen auftreten, da dort keine elektrostatische Abstoßung erfolgt (vgl. S. 188). Punktfehlstellen können wie chemische Teilchen behandelt werden und auf die Fehlordnungsgleichgewichte kann das Massenwirkungsgesetz angewendet werden. Dazu wird die folgende Symbolik benutzt: K Ai Teilchen A auf Zwischengitterplatz (interstitial site) K VA Leerstelle (vacancy) im A-Teilgitter K Positive Ladung einer Fehlstelle (bezogen auf das ungestörte Gitter), oberer • Index K Negative Ladung einer Fehlstelle (bezogen auf das ungestörte Gitter), oberer Index#. Beispiele: Frenkel-Fehlordnung von AgCl MWG: cAgi• $ c V#Ag Z K Schottky-Fehlordnung von NaCl MWG: c V #Na $ c VCl• Z K Transportvorgänge wie Ionenleitung und Diffusion kommen durch die Wanderung von Fehlstellen zustande (Abb. 5.48c). In einem idealen Kristall gibt es keine Transportvorgänge. Auf der Existenz von Fehlstellen beruht die Reaktivität von Kristallen. Reaktionen im festen Zustand sind nur in Zusammenhang mit der Fehlordnung zu verstehen und zu diskutieren.
Abbildung 5.48 c) Materietransport im Kristall. Der Materietransport (Ionenleitung, Diffusion) erfolgt durch Wanderung von Defektstellen. Frenkel-Typ: Wanderung der Kationenleerstelle; Wanderung des Zwischengitterkations von einem Zwischengitterplatz zu einem anderen; Verdrängung eines Gitterkations durch ein Zwischengitterkation. Schottky-Typ: Wanderung einer Kationenleerstelle und einer Anionenleerstelle.
728
5 Die Elemente der Nebengruppen
5.7.3.2 Fehlordnung in nichtstöchiometrischen Verbindungen Auf Grund des Phasengesetzes von Gibbs (vgl. S. 258) KC2 Z PCF ist in einer binären Verbindung AB (K Z 2) die kristalline Phase (P Z 1) durch drei unabhängige Variable (F Z 3) eindeutig bestimmt, z. B. durch den Druck p, die Temperatur T und den Partialdruck pB der Komponente B. Die Konzentrationen der Fehlstellen und die Zusammensetzung hängen also bei gegebenem Druck und bei gegebener Temperatur vom Partialdruck pB ab. Zwar bewirken relativ große Änderungen des Gleichgewichtspartialdrucks pB nur kleine Abweichungen von der Stöchiometrie, aber relativ große Änderungen der Störstellenkonzentrationen und der damit zusammenhängenden Eigenschaften. Außer den materiellen Fehlordnungsteilchen Leerstellen und Zwischengitterteilchen existiert bei nichtstöchiometrischen Verbindungen auch eine elektronische Fehlordnung. Bei nichtstöchiometrischen Verbindungen mit Metallüberschuss A1CxB treten als elektronische Fehlstellen Elektro• nen e# auf, bei Verbindungen mit Metallunterschuss A1KxB Defektelektronen h (vgl. S. 183). Beispiel: Zn1CxO Wenn der Sauerstoffpartialdruck pO2 kleiner ist als der Gleichgewichtspartialdruck bei der stöchiometrischen Zusammensetzung, dann entsteht durch Abgabe von O2 ein Metallüberschuss. Unter Abgabe eines Elektrons gehen ZnC-Ionen auf Zwischengitterplätze (Zn•i ), dadurch wird die Anzahl der Zwischengitterplätze (Vi) verringert. Da freie Elektronen gebildet werden, ist ZnO ein n-Halbleiter. Die Abweichung von der Idealzusammensetzung ZnO ist sehr gering, bei 800 (C ist x Z 7 · 10K5. Fehlordnungsgleichgewicht:
Die Leitfähigkeit von ZnO ist praktisch gleich der Teilleitfähigkeit der Elektronen, sie nimmt mit zunehmendem Sauerstoffpartialdruck ab. Dieser atomistischen Beschreibung der Leitfähigkeit entspricht das in der Abb. 5.49 wiedergegebene Bändermodell. Beispiel: Ni1KxO. Wenn der Sauerstoffpartialdruck pO2 größer ist als der Gleichgewichtspartialdruck bei der stöchiometrischen Zusammensetzung, wird Sauerstoff in das Kristallgitter eingebaut. Nickelionen verlassen ihre Gitterplätze (NiNi), hinterlassen also Leerstellen im Nickelteilgitter (V$ Ni) und wandern an die Oberfläche. Der an der Kristallober-
5.7 Fehlordnung
729
Abbildung 5.49 Bändermodell von Zn1CxO. ZnO ist ein n-Leiter. Die Leitung entsteht durch Donatoren, die dicht unterhalb des Leitungsbandes sitzen. Donatoren sind Zinkatome auf Zwischengitterplätzen. Die Konzentration der Donatoren hängt vom Sauerstoffpartialdruck ab. Es sind nur 0,05 eV notwendig, um ein Zinkdonatoratom zu dissoziieren. Das Elektron gelangt dabei in das Leitungsband und ist dort frei beweglich.
fläche adsorbierte Sauerstoff bildet unter Elektronenaufnahme O2K-Ionen, dadurch entstehen im Gitter Defektelektronen h•. NiO ist ein p-Halbleiter. Fehlordnungsgleichgewicht:
Die Leitfähigkeit von NiO nimmt mit zunehmendem Sauerstoffpartialdruck zu. Die Erzeugung von Defektelektronen bedeutet Entstehung von Ni3C-Ionen. Metallunterschuss entsteht bei solchen Oxiden, bei denen für die Metallionen eine höhere Oxidationszahl existiert (MnO, FeO, Cu2O).
5.7.4 Spezifische Defektstrukturen Die Defekte treten nicht auf Grund thermodynamischer Gleichgewichtsbedingungen auf, sondern sie sind für bestimmte kristalline Verbindungen spezifisch. Man kann unterscheiden: Statistische Verteilung der Defekte, Überstrukturordnung der Defekte, Scherstrukturen. Es gibt zahlreiche Defektstrukturen; nur wenige Beispiele können behandelt werden. Titanmonooxid hat bei 900 (C den Zusammensetzungsbereich TiO0,75KTiO1,25. Es kristallisiert in einer NaCl-Defektstruktur mit einem hohen Anteil von statistisch verteilten Leerstellen (Abb. 5.50). Bei der Zusammensetzung TiO sind 15 % aller Gitterplätze unbesetzt. TiOx ist ein metallischer Leiter. Durch Überlappung der dOrbitale der Ti-Ionen entsteht ein Metallband mit delokalisierten d-Elektronen. Wahrscheinlich begünstigen die Sauerstoffleerstellen die Überlappung. Ganz analog verhält sich Vanadiummonooxid.
730
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.50 Anteile der Leerstellen im Titanteilgitter , Ti und der Leerstellen im Sauerstoffteilgitter , O in der Phase TiOx. TiO kristallisiert im NaCl-Typ. Bei der Zusammensetzung TiO beträgt der Anteil für beide 15 %. Die Leerstellen sind statistisch verteilt.
50 +C
Von Ag2HgI4 gibt es zwei Strukturen: β-Ag2HgI4 25 α-Ag2HgI4. α-Ag2HgI4 hat eine Zinkblende-Defektstruktur. Auf den Kationenplätzen des Zinkblendegitters sind AgC-Ionen, Hg2C-Ionen und Leerstellen statistisch verteilt. Unterhalb 50 (C entsteht die tetragonale β-Ag2HgI4-Struktur, die Leerstellen sind geordnet (Abb. 5.51). Die ungeordnete Struktur besitzt eine um zwei Zehnerpotenzen höhere Ionenleitfähigkeit. Beim Übergang von der NiAs-Struktur zur CdI2-Struktur (Abb. 5.52) können nichtstöchiometrische Phasen sowohl mit statistischer als auch mit geordneter Verteilung der Defekte auftreten. Fe7S8 kristallisiert oberhalb 400 (C in einer NiAs-Defektstruktur mit statistischer Verteilung der Leerstellen im gesamten Metallteilgitter. Bei Cr7S8 sind in jeder zweiten Metallschicht des NiAs-Gitters 25 % Leerstellen statistisch verteilt. Beim Cr5S6 sind in jeder zweiten Schicht 13 geordnete Leerstellen, beim Cr2S3 in jeder zweiten Schicht 32 geordnete Leerstellen vorhanden.
Abbildung 5.51 Statistische und geordnete Verteilung von Leerstellen bei der Verbindung Ag2HgI4. Oberhalb 50 (C sind die Hg2C- und AgC-Ionen und die Leerstellen , auf den Kationenplätzen des Zinkblendegitters statistisch verteilt. Unterhalb 50 (C ist die Verteilung geordnet. Es entsteht ein eigener tetragonaler Strukturtyp.
5.7 Fehlordnung
731
Abbildung 5.52 Beziehung zwischen NiAs-Typ und CdI2-Typ. Wenn jede zweite Metallschicht im NiAs-Typ unbesetzt bleibt, entsteht der CdI2-Typ. Zwischen beiden Strukturen gibt es Übergänge sowohl mit statistischer als auch mit geordneter Verteilung von Leerstellen.
Abbildung 5.53 Entstehung einer Scherebene. a) In der ReO3-Struktur sind MeO6-Oktaeder dreidimensional über Ecken verknüpft. Verringert sich der Sauerstoffgehalt, dann entstehen Sauerstoffleerstellen. b) Durch Kantenverknüpfung der Oktaeder verschwinden die Leerstellen, es entsteht eine Scherebene.
732
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.53 c) Von der ReO3-Struktur leiten sich homologe Serien von Scherstrukturen der Stöchiometrie MenO3nK1 ab. Sie entstehen durch den Übergang von eckenverknüpften Oktaedern zu kantenverknüpften Oktaedern entlang der Scherebenen. Die Strukturen sind schematisch für Verbindungen der Zusammensetzungen Me2O5 und Me3O8 dargestellt.
Statistisch verteilte Leerstellen können sich nicht nur zu neuen Strukturen ordnen, sondern es kann auch durch ihr Verschwinden zur Ausbildung neuer Strukturen kommen. Sie werden als Scherstrukturen bezeichnet. Beispiele sind Verbindungen, die sich von der ReO3-Struktur ableiten. Die ReO3-Struktur (Abb. 2.16) ist aus ReO6-Oktaedern aufgebaut, die in allen Raumrichtungen eckenverknüpft sind. Durch Reduktion entstehen Sauerstoffleerstellen, die sich entlang bestimmter Kristallebenen häufen. Die Sauerstoffleerstellen verschwinden, wenn entlang dieser Ebenen eine Kantenverknüpfung der Oktaeder erfolgt (Abb. 5.53). Die fortschreitende Entfernung von Sauerstoff führt zu einer ganzen Serie stöchiometrischer Scherstrukturen (Abb. 5.53c). Im Bereich MeO2,875KMeO2,929 (Me Z Mo, W) gibt es z. B. sechs Phasen MenO3nK1 mit n Z 8, 9, 10, 11, 12, 14. Im System TitanKSauerstoff gibt es im Bereich TiO1,90KTiO1,75 eine Serie stöchiometrischer Phasen TinO2nK1 (4 % n % 10). Bei ihnen nimmt die Zahl flächenverknüpfter Oktaeder auf Kosten von Ecken- und Kantenverknüpfungen zu. Im System VanadiumKSauerstoff gibt es die Verbindungen VnO2nK1 (4 % n % 9).
5.7.5 Elektrische Eigenschaften von Defektstrukturen 5.7.5.1 Ionenleiter In Ionenkristallen erfolgt Ionenleitung durch die Wanderung von Kristalldefekten (s. Abschn. 5.7.3.1). Aber bei den meisten ionischen Feststoffen ist nur bei hohen Temperaturen die Defektkonzentration und die thermische Energie der Ionen groß genug um eine nennenswerte Leitfähigkeit zu erzeugen. Bei den Silberhalogeniden
5.7 Fehlordnung
733
entsteht die Leitfähigkeit hauptsächlich durch Wanderung der AgC-Ionen auf Zwischengitterplätzen. Bei den Alkalimetallhalogeniden sind die Kationenleerstellen die Hauptladungsträger. Unterhalb des Schmelzpunktes bei 800 (C beträgt z. B. die Leitfähigkeit von NaCl 10K3 ΩK1 cmK1, bei Raumtemperatur ist es mit 10K12 ΩK1 cmK1 ein Isolator. Eine kleine Gruppe von Feststoffen hat eine hohe Ionenbeweglichkeit. Sie werden als schnelle Ionenleiter oder als Festelektrolyte bezeichnet. Es sind Verbindungen mit Kristallstrukturen, in denen eine strukturelle Fehlordnung vorhanden ist, die die Ionenbeweglichkeit ermöglicht (Abb. 5.54a). β-Aluminiumoxid ist die Bezeichnung für die Verbindungen Me2O · nAl2O3 (Me Z Alkalimetalle, Ag, Cu; n Z 5K11). Am wichtigsten ist das Natrium-β-Aluminiumoxid. Die Struktur ist aus Spinellblöcken aufgebaut. Diese Blöcke bestehen aus 4 Sauerstoffschichten dichtester Packung, in denen die Al3C-Ionen Tetraeder- und Oktaederlücken besetzen. In jeder 5. Schicht existieren Sauerstoffleerstellen. In diesen Schichten befinden sich die NaC-Ionen, die sich innerhalb der Schicht leicht bewegen können. β-Aluminiumoxide sind zweidimensionale Ionenleiter. Bei 25 (C beträgt die Leitfähigkeit von Natrium-β-Aluminiumoxid 10K1 ΩK1 cmK1 (die Aktivierungsenergie 0,16 eV). Die Verwendung als Festelektrolyt für Natrium-SchwefelAkkumulatoren wurde im Abschn. 3.8.11 besprochen. AgC-Ionen-Festelektrolyte sind AgI und RbAg4I5. Bei der Phasenumwandlung von β-AgI in α-AgI bei 146 (C erhöht sich die Ionenleitfähigkeit um 4 Zehnerpotenzen auf 1 ΩK1 cmK1. β-AgI hat Wurtzitstruktur mit festen AgC-Positionen, im α-AgI sind die AgC-Ionen statistisch im Raum zwischen den IK-Ionen verteilt, das Ag-Teilgitter ist quasi geschmolzen. RbAg4I5 hat bei Raumtemperatur mit 0,23 ΩK1 cmK1 die höchste Ionenleitfähigkeit aller kristallinen Substanzen. Auch in dieser Struktur sind die AgC-Ionen statistisch über eine große Anzahl zur Verfügung stehender Plätze verteilt und daher gut beweglich.
Abb. 5.54a Ionenleitfähigkeit einiger Festelektrolyte.
734
5 Die Elemente der Nebengruppen
Festelektrolyte mit Anionenleitung sind bei hohen Temperaturen Oxide und Fluoride mit Fluorit-Struktur. Im PbF2 und CaF2 sind die FK-Ionen fehlgeordnet, die FK-Anionenleerstellen sind beweglicher als die FK-Ionen auf Zwischengitterplätzen. ZrO2 bildet mit CaO und Y2O3 Mischkristalle. Dadurch wird die Fluorit-Struktur von ZrO2 stabilisiert (vgl. Abschn. 5.12.7) und es entstehen Sauerstoffleerstellen. Beispiel: Y2O3 C 2 ZrZr C OO $% 2 Y#Zr C V •• O C 2 ZrO2 Y3C-Ionen verdrängen Zr4C-Ionen von den Gitterplätzen, es entstehen zwei negative Ladungen (2 Y#Zr ). Die substituierten Zr-Ionen reagieren mit den Sauerstoffionen von Y2O3 und einem Sauerstoffion des Gitters (OO) zu ZrO2. Es entsteht eine zweifach positiv geladene Sauerstoffleerstelle (V•• O). Die ZrO2-Mischkristalle sind daher Anionenleiter mit einer Leitfähigkeit von etwa 5 · 10K2 ΩK1 cmK1 bei 1 000 (C. Sie werden in Brennstoffzellen sowie in galvanischen Ketten zur Bestimmung von kleinen O2-Partialdrücken (vgl. λ-Sonde Abschn. 4.11.2.2) verwendet (Abb. 5.54b). Voltmeter e'
e'
O2' O2' O2 p1
O2' O2'
b)
negative Festelektrolyt Elektrode O2+4e' 2O2' Gesamtreaktion O2(p1)
+ + + + + + + +
O2 p2
positive Elektrode 2O2' 2+4e' O2(p2)
Abb. 5.54b Schema zur Messung von Sauerstoffpartialdrücken mit Festelektrolyten.
Analog zu Konzentrationsketten (Abschn. 3.8.6) haben Gase unterschiedlicher Drücke das Bestreben den Druck auszugleichen. Bei der elektrochemischen Zelle (Abb. 5.54b) kann die durch Druckdifferenz entstehende Spannung wie bei den Konzentrationsketten berechnet werden.
5.7 Fehlordnung
735
Anstelle der Konzentrationen stehen die Drücke des Gases EZ
p1 (O2 ) 0,059 V lg 4 p2 (O2 )
p1 O p2 T Z 298 K.
Ist der Druck p1 bekannt, kann man durch Messung von E den unbekannten Partialdruck von p2 ermitteln. Es sind Partialdrücke bis 10K16 bar messbar.
5.7.5.2 Hopping-Halbleiter Im Abschn. 2.4.4 wurden die elektrischen Eigenschaften von Metallen, Halbleitern und Isolatoren mit dem Bändermodell beschrieben. Die elektrische Leitfähigkeit σ von Halbleitern liegt im Bereich 10K5K102 ΩK1 cmK1. Sie hängt von der Konzentration der Ladungsträger n und ihrer Beweglichkeit µ ab: σ Z neµ (e Elementarladung). Bei Eigenhalbleitern ist die Ladungsträgerkonzentration klein, sie nimmt mit zunehmender Temperatur exponentiell zu, damit auch die Leitfähigkeit. µ ändert sich mit der Temperatur nur wenig. Die charakteristische Größe der Eigenhalbleiter ist die Breite der verbotenen Zone. Sie ist bestimmend für die Ladungsträgerkonzentration. Durch Dotierung erhält man Störstellenhalbleiter. Die dadurch erzeugte Ladungsträgerkonzentration ist meist schon bei Raumtemperatur annähernd konstant und mit zunehmender Temperatur nimmt dann die Leitfähigkeit wie bei Metallen etwas ab, da die Beweglichkeit der Ladungsträger durch die Gitterschwingungen (Phononen) behindert wird. Bei vielen Übergangsmetallverbindungen ist das Bändermodell nicht anwendbar. Die äußeren Valenzelektronenorbitale überlappen nicht, es wird kein Leitungsband gebildet. Die elektrische Leitfähigkeit entsteht durch „Hüpfen“ von Elektronen von einem Atom zu einem benachbarten Atom, wenn sie dafür genügend Energie besitzen. Diese Halbleiter werden Hopping-Halbleiter genannt. Bei ihnen ist die Ladungsträgerkonzentration konstant, die Beweglichkeit µ der Ladungsträger hängt aber exponentiell von der Temperatur T und der Aktivierungsenergie q ab, die für einen Ladungsträgersprung erforderlich ist: µ w eKq.kT. Die Beweglichkeit nimmt daher mit wachsender Temperatur exponentiell zu, damit auch die Leitfähigkeit. Hopping-Halbleiter sind z. B. die Spinelle Li (Ni3CNi4C)O4, Li (Mn3CMn4C)O4 und Fe3C(Fe2CFe3C)O4 (vgl. S. 84 und 678). Auf den Oktaederplätzen erfolgt ein schneller Elektronenaustausch zwischen Fe2C- und Fe3C-Ionen, Mn3C- und Mn4KIonen, bzw. Ni3C- und Ni4C-Ionen. Bei LiNi2O4 z. B. beträgt die Aktivierungsenergie q Z 0,27 eV bei LiMn2O4 0,16 eV. Sie können als spezifische Defektstrukturen betrachtet werden, da identische kristallographische Plätze, nämlich die oktaedrisch koordinierten Plätze, statistisch mit Ionen unterschiedlicher Ladung besetzt sind. Man bezeichnet die Übergangsmetallverbindungen, bei denen ein kristallographischer Platz mit einer Ionensorte unterschiedlicher Ladung besetzt ist als kontrollierte Valenzhalbleiter.
736
5 Die Elemente der Nebengruppen
Weitere Beispiele: 3C 4C Vanadiumspinelle Me2C (Me2C x V2K2xVx ) O4
Titanperowskite
2C La3C x Ba1Kx
(Me Z Mg, Mn, Zn, Cd)
4C (Ti3C x Ti1Kx) O3
Wegen der reproduzierbaren starken Temperaturabhängigkeit der Leitfähigkeit sind kontrollierte Valenzhalbleiter zur Temperaturmessung geeignet und werden daher als Thermistoren verwendet. Die Spinelle Li (Ti3CTi4C)O4 und Li (V3CV4C)O4 sind ebenso wie TiO (vgl. S. 791) und VO, die im NaCl-Typ kristallisieren, keine Halbleiter, sondern metallische Leiter. Die t2g-Orbitale von Ti bzw. V überlappen und bilden ein nur teilweise besetztes, schmales Leitungsband. Ersetzt man im Spinell LiTi2O4 Ti3C-Ionen durch Fremdionen, z. B. Al3C, wird die Bandbildung verhindert, es erfolgt ein Übergang 4C 3C )O4 sind bei x ! 0,33 Metalle, bei Metall-Halbleiter. Die Spinelle Li (Al3C x Ti1Kx Ti x O 0,33 Halbleiter.
Abb. 5.55 a) Orthorhombische Elementarzelle des Hochtemperatursupraleiters YBa2Cu3O7. Die Struktur leitet sich von der Perowskit-Struktur ab. Wesentlich ist die Existenz geordneter Sauerstoffleerstellen (siehe Text). b) Beim Übergang vom metallischen Zustand in den supraleitenden Zustand fällt der Widerstand auf null ab, ein in einem Ringleiter induzierter Strom fließt unendlich lange. Die Sprungtemperatur TC beträgt für YBa2Cu3O7 93 K.
5.7 Fehlordnung
737
5.7.5.3 Hochtemperatursupraleiter Bei Supraleitern sinkt unterhalb einer charakteristischen Temperatur, der Sprungtemperatur, der elektrische Widerstand schlagartig auf den Wert Null, außerdem entsteht Diamagnetismus. Revolutionierend war die Entdeckung von oxidischen Hochtemperatursupraleitern (1986). Ein solcher ist z. B. YBa2Cu3O7, die Sprungtemperatur beträgt 93 K, ist also höher als die Siedetemperatur von flüssigem Stickstoff (77 K). Vorher war die höchste bekannte Sprungtemperatur 23 K (Nb3Ge). YBa2Cu3O7 kristallisiert in einem orthorhombisch-verzerrten Defektperowskittyp (siehe Abb. 5.55). Drei Perowskitelementarzellen sind übereinander gestapelt. In der neuen Elementarzelle sind zwei geordnete Sauerstoffleerstellen vorhanden, dies ergibt für Ba die 3C 2C O7. Cu3C ist KZ 10, für Y die KZ 8 und die Ionenverteilung Y3CBa2C 2 Cu2 Cu planar-quadratisch koordiniert, die Quadrate bilden eckenverknüpfte Ketten. Die Koordination von Cu2C ist quadratisch-pyramidal. Die quadratischen Pyramiden sind über gemeinsame Ecken zu Schichten verknüpft. Leitungsschichten sind ein gemeinsames Merkmal von Cuprat-Supraleitern. Die planaren Kupferoxidschichten der pyramidal koordinierten Cu2C-Ionen gelten als die Leitungsschichten und die quadratisch-planar koordinierten Cu3C-Ionen als Ladungsreservoirs. Sinkt die mittlere Oxidationszahl von Kupfer auf unter zwei (nahe YBa2Cu3O6,4), so bricht die Supraleitung zusammen. Bei Raumtemperatur sind Cuprat-Supraleiter metallische Leiter. Neu ist die Entdeckung der Supraleitung des lang bekannten Magnesiumborids, MgB2. Die Sprungtemperatur von 39 K ist Rekord für kupferfreie Materialien. Unterschiedlich zu Cuprat-Supraleitern ist MgB2 ein dreidimensionaler Supraleiter. Induzierte Defekte (Protonenbeschuss) verhindern das Zusammenbrechen der Supraleitung in starken Magnetfeldern, ein Vorteil gegenüber Cuprat-Supraleitern.
5.7.6 Nanotechnologie Prinzip Nano kommt vom griechischen nanos Z Zwerg. Es dient als Vorsatz in allgemeinen Begriffen mit der Bedeutung „extrem klein“. Der Sammelbegriff Nanotechnologie gründet häufig auf einer Strukturgröße zwischen 0,1 und 100 nm. Eine Technologiedefinition allein auf Basis einer Längenskala ist jedoch problematisch. Demgegenüber steht folgende strenge Definition: „Nanotechnologie basiert auf den fortschreitenden Anwendungen der Nanowissenschaften. Die Nanowissenschaften befassen sich mit funktionalen Systemen, die auf der Nutzung von Bausteinen mit spezifischen, größenabhängigen Eigenschaften der individuellen Bausteine oder eines Systems aus diesen basieren.“ Als funktionales System wird eine Ansammlung einer konkreten Anzahl wechselwirkender Bausteine verstanden. Diese Bausteine bilden zusammen eine neue Einheit mit systemspezifischen Eigenschaften. Entscheidend ist eine Ordnung der Bausteine, die dem System neuartige Eigenschaften verleiht, die
738
5 Die Elemente der Nebengruppen
bei unkontrollierter Kombination nicht zustande kommen. Spezifische größenabhängige Eigenschaften sind physikalisch definierte magnetische, elektronische, optische, thermische u.a. Eigenschaften, die sich bei Verkleinerung des betreffenden Materials, hier in den Nanometerbereich, sprunghaft ändern. Ein reiner Skalierungseffekt bei dem mit zunehmender Verkleinerung keine wirklich neue Eigenschaft auftritt, die nicht auch schon im mikro- oder makroskopischen Bereich vorgelegen hat, zählt danach nicht zur Nanotechnologie. Ein Beispiel für einen solchen Skalierungseffekt ist der Lotuseffekt (s. u.). Beispiele für Effekte durch Nanomaterialien Eigenschaft Katalytisch Elektrisch Magnetisch Mechanisch Optisch Sterisch Biologisch
Erhöhte katalytische Wirkung durch stark vergrößerte Oberfläche Erhöhte elektrische Leitfähigkeit in Keramiken und magnetischen Nanokompositen, höherer elektrischer Widerstand in Metallen Erhöhte magnetische Koerzitivität bis zu einer kritischen Korngröße (unterhalb dieser Größe Abnahme der Koerzitivität bis zu superparamagnetischen Verhalten) Erhöhte Härte und Festigkeit von Metallen und Legierungen, verbesserte Duktilität, Härte und Formbarkeit von Keramiken Spektrale Verschiebung der optischen Absorptions- und Fluoreszenzeigenschaften, Steigerung der Lumineszenz von Halbleiterkristalliten Erhöhte Selektivität und Wirksamkeit von Membranen, Anpassung von Hohlräumen für den Transport oder die kontrollierte Abgabe spezifischer Moleküle Erhöhte Durchlässigkeit für physiologische Barrieren (Membrane, Blut-HirnSchranke etc.), erhöhte Biokompatibilität
Nanotechnologie als Wissenschaft ist keineswegs so neu, wie es oft dargestellt wird, sondern sie baut in weiten Bereichen auf der lange bekannten Kolloidchemie auf. Kolloidchemische Verfahren werden genutzt, um weiterverarbeitbare Pulver aus Nanoteilchen zu gewinnen. Die Erfindung des Rastertunnelmikroskops (STM, scanning tunneling microscope) im Jahr 1981, gefolgt vom Kraftmikroskop (AFM, atomic force microscope) 1986 waren wesentliche Voraussetzungen für die Entwicklung der Nanowissenschaften. Mit diesen Mikroskopien standen bildgebende Verfahren mit atomarer Auflösung für die Untersuchung von Oberflächen zur Verfügung. Daraus entwickelte Varianten erlauben darüber hinaus die Messung von elektrischen und magnetischen Eigenschaften, chemischen Potentialen, Reibung usw. Darstellung, Funktion Teilchen im Größenbereich von 0,1 nm bis (mehrere) hundert Nanometer (w10K7 m, unscharfe Grenzen) werden als Nanopartikel, nanoskalige Partikel oder Nanophasen-Materialien bezeichnet (Abb.).
5.7 Fehlordnung Atom
InfluenzaVirus
Hämoglobin
TabakmosaikVirus
10'10 1Å
10'9 1nm
10'8 Nanopartikel
10'7 100 nm
sichtbares Licht
10'6 1 μm
rotes Blutkörperchen
10'5
739
menschliches Haar %
10'4 m
Bei „normalen“ Metallen, Keramiken oder anderen Festkörpern sind die Gefüge aus Körnern aufgebaut, deren Durchmesser 1 µm-1 mm betragen. Bei Nanoteilchen liegen die Korndurchmesser unter 100 nm. Körner in diesem Bereich bezeichnet man auch als Cluster. Solche Cluster können durch Gasphasenreaktionen (Flammsynthese, Kondensation, CVD), Flüssigphasenreaktionen (Sol-Gel, Fällung, Hydrothermalprozess) oder mechanische Verfahren (Kugelmahlen, Plastische Deformation) erzeugt werden. Bei der Gasphasenabscheidung lässt sich ihre Größe über die Verdampfungsgeschwindigkeit sowie über die Art und den Druck eines Inertgases beliebig zwischen einem und hundert Nanometern steuern. Nanopartikel weisen besondere Eigenschaften auf, weil die winzigen Körner auf Licht, mechanische Spannung oder Elektrizität völlig anders reagieren als Kriställchen im Mikro- oder Millimeterbereich. In Nanopartikeln befinden sich weit mehr Atome an der Oberfläche als in anderen kleinen Teilchen. Mit abnehmender Größe der Nanoteilchen gewinnt die Oberfläche gegenüber den Volumeneigenschaften einen immer stärkeren Einfluss auf strukturelle und elektronische Eigenschaften. Eine Kugel mit 1 µm (Z 1 000 nm) Durchmesser hat nur etwa 0.0015 % der Atome an der Oberfläche. Bei einer Kugel von 10 nm befinden sich 15 % der Atome an der Oberfläche. In Nanoteilchen sind viele Atome Teil der Oberfläche und nicht mehr im Festkörperverband vollständig eingebunden. Sie reagieren daher mit der Umgebung oder zeigen ungewöhnliche physikalische Phänomene. Nanophasen können Oberflächenleitfähigkeit und elektronische Oberflächenzustände von Filmen aus HalbleiterNanopartikeln, erhöhte photokatalytische Aktivität in TiO2-Nanopartikeln, Superparamagnetismus in magnetischen Nanopartikeln und superharte Beschichtungen von Metalllegierungen zeigen. Beispiele: Bei Nanophasen-Metallen, etwa bei Kupfer, beobachtet man bei Korndurchmessern von 6 nm eine fünfmal höhere Härte als bei „normalen“ Metallen. Die Verformbarkeit von Metallen wird mit der Anwesenheit und Wanderung von Kristallversetzungen erklärt (s. Abschn. 5.7.2). Dagegen konnten bei der elektronenmikroskopischen Betrachtung von Nanophasen-Metallen keine Versetzungen beobachtet werden. Dies erklärt ihre stark erhöhte Festigkeit. Chemisch identische Cadmiumtellurid-Partikel fluoreszieren in Abhängigkeit von der Partikelgröße in unterschiedlichen Farben (grün-gelb-rot). Nanopartikel aus Blei mit Abmessungen unter der Korrelationslänge von Cooper-Paaren (ca. 30 nm) verlieren die Supraleitfähigkeit.
740
5 Die Elemente der Nebengruppen
Nanoskalige Objekte sind kleiner als die typischen 10 000K20 000 nm Abmessungen von menschlichen Zellen. Sie besitzen ähnliche Dimensionen wie große biologische Makromoleküle, z. B. Enzyme, Rezeptoren und Viren (vgl. Abb.). Hämoglobin, z. B. hat einen Durchmesser von ca. 5 nm. Die Lipid-Doppelschicht um Zellen ist ungefähr 6 nm dick. Nanoskalige Objekte kleiner als 50 nm können leicht in die meisten Zellen eindringen, solche kleiner als 20 nm können die Blutgefäße durchdringen. Nanoteilchen können also leicht mit Biomolekülen an der Zelloberfläche und innerhalb der Zelle wechselwirken. Beschichtete magnetische Eisenoxid(Fe2O3-)Nanopartikel sind eine neue Generation von Kontrastmitteln für die Kernspintomographie. Weiterhin soll ein solches Fe2O3-Nanopartikel über rezeptorspezifische Gruppen in der Beschichtung gezielt in Tumorzellen eingeschleust werden. Ein von außen angelegtes Magnetfeld kann dann über das Eisenoxid eine Temperaturerhöhung in der Zelle bewirken, die zu ihrem Absterben führt. Die Verwendung von Nanometer-großen Teilchen zur Erkennung und zur Behandlung von Krankheiten wird auch als Nanomedizin oder Nanobiotechnologie bezeichnet. Anwendungen Einheitliche TiO2- und ZnO-Teilchen von ca. 50 nm Durchmesser werden als hocheffiziente UV-Absorber in Sonnencremes eingesetzt, um eine geringere Lichtstreuung und ein transparenteres Erscheinungsbild der Sonnenschutz-Dispersion zu erreichen. Bisherige Sonnenschutzmittel auf der Basis von TiO2-Pigmenten geben häufig ein schmierig-weißes Erscheinungsbild nach Auftragung auf die Haut, da die 200 nm großen TiO2-Pigmentpartikel zu viel Sonnenlicht reflektieren. Aufgrund der geringen Partikelgröße sind die verwendeten Nanopartikel-Dispersionen transparent und bieten somit einen auf der Haut unsichtbaren Sonnenschutz. Ein weiterer Vorteil anorganischer im Vergleich zu organischen UV-Absorbern ist ein geringeres Allergiepotential. Das gleiche Phänomen gilt für Zinkoxid, ZnO, als häufiger Bestandteil von Cremes u.a. Körperpflegemitteln. Allerdings ist noch nicht abschließend geklärt, ob die Nanopartikel unter gewissen Umständen über die Haut in den menschlichen Organismus gelangen und dort eventuell systemische Effekte auslösen könnten. Der Weltmarkt für Nanopartikel, die im Sonnenschutz eingesetzt werden, wird für das Jahr 2005 auf 87 Mio. US-Dollar geschätzt (s. Fußnote S. 742). TiO2-Teilchen mit 500 nm Durchmesser zum Aufbringen auf modifizierte NylonTextilfasern dienen als UV-Absorber zum Sonnenschutz. Es wird ein Sonnenschutzfaktor von über 80 erreicht. Nanstrukturierte Pigmente werden in Kosmetikfarben eingesetzt, um besondere Farbeffekte zu erzielen. Derartige Pigmente basieren auf mit Metalloxiden (TiO2 oder Fe2O3) nanoskalig beschichteten Silikatplättchen. Aufgrund von Interferenzeffekten ändern sie ihre Farbe abhängig vom Betrachtungswinkel (Perlglanzeffekte s. auch S. 789 und Fußnote S. 742).
5.7 Fehlordnung
741
Mit Siliciumdioxid-Nanopartikeln beschichtete Glasscheiben haben auf Grund verminderter Reflexion eine erhöhte Lichtdurchlässigkeit (Antireflexglas). Dies steigert die Lichtausbeute z. B. bei Photovoltaik-Anlagen. Sonnenlicht
Reflexion
Reflexion
AntireflexSchicht
Photovoltaikmodul oder Sonnenkollektor > 90 %
> 95 % Lichtenergieausbeute
Einer der bekanntesten Anwendungen ist der Lotuseffekt.1 Damit wird die Fähigkeit zur Selbstreinigung von Oberflächen an einer Luft-Wasser-Phasengrenze bezeichnet. Dieser Effekt wurde zuerst am Blatt der Lotuspflanze beobachtet. Inzwischen sind selbstreinigende Fassadenfarben und Keramikoberflächen mit Lotuseffekt auf dem Markt. Nanopulver in der Keramiktechnologie haben als Vorteile eine Verringerung der Sintertemperatur und das Maßschneidern von Materialeigenschaften. NanophasenTitandioxid lässt sich 600 (C unter der üblichen Sintertemperatur von TiO2 (1 400 (C) sintern und ergibt ein härteres, bruchfesteres Produkt, dessen Formbarkeit bei Korngrößen unter 30 nm außerdem noch zunimmt. So kann kompakt gepresstes Nanophasen-TiO2 bei 800 (C unter Druck sehr stark verformt werden. Auf diese Weise können komplizierte Keramikteile direkt geformt werden, anstatt die Rohlinge nachträglich abtragend zu bearbeiten. Dieses net-shape forming oder endkonturgenaue Formgebung genannte Verfahren lässt eine sehr schnelle und relativ kostengünstige Massenfertigung unterschiedlicher Keramikteile zu. Zurückzuführen ist dies auf das Korngrenzengleiten, bei dem die nanometerkleinen Partikel viel leichter als millimetergroße Körner übereinander gleiten. Hydroxylapatit-(Ca5 [OH (PO4)3]-)Nanopartikel in Zahnpasta dienen als zahnschmelzidentisches Material zum Verschließen von freiliegenden Dentinkanälen, die ansonsten zu einer unangenehmen Heiß-Kalt-Empfindlichkeit der Zähne führen. 1
G. Schmid, Chem. Unserer Zeit 2005, 39, 8. Weitere Ausführungen zu Anwendungen mit farbigen Abbildungen siehe DVD.
742
5 Die Elemente der Nebengruppen
Die Nanopartikel sollen leicht in Dentinkanälchen der Zähne eindringen können. Dort fungieren sie als Kristallisationskeime, an denen sich weitere Mineralien anlagern, die Kanäle verschließen und somit das Problem empfindlicher, freiliegender Zahnhälse entschärfen. Zahlreiche Nanoanwendungen haben bereits in die Autoindustrie Eingang gefunden: Neuartige Beschichtungen verhindern das Beschlagen von Windschutzscheiben oder Außenspiegeln. Nanometerdicke Schichten aus wasserliebenden (hydrophilen) chemischen Verbindungen lassen Kondenswasser zu einem gleichmäßigen, durchsichtigen Film zerlaufen, anstatt Sicht behindernde Tröpfchen zu bilden. Im Rückspiegel sorgen elektrochrome Nano-Schichten für eine automatische Abdunklung, die optimale Sicht bei allen Lichtverhältnissen garantiert. Nanometergroße Keramikkügelchen können einem Autolack neuartige Härte und Kratzfestigkeit verleihen. Für kratzfeste Beschichtungen werden diverse Metalloxide und -carbide eingesetzt. Diese Teilchen schwimmen zunächst ungeordnet in dem flüssigen Klarlack und vernetzen sich während des Trockenprozesses. Dabei verbinden sich die winzigen Partikel, so dass an der Lackoberfläche eine sehr dichte, regelmäßige Netzstruktur entsteht. Der neue Nano-Klarlack ist deutlich besser vor Kratzern geschützt, die beispielsweise durch Waschanlagen verursacht werden. Darüber hinaus können dank wasser- und schmutzabweisender Oberflächen demnächst möglicherweise einige Autowäschen entfallen. Bei Kohlenstoffpartikeln dominieren hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung derzeit klassische nanostrukturierte Materialien, wie Carbon Black und Spezialruße, mit einem geschätzten Weltmarktvolumen von 8 Mrd. US-Dollar im Jahr 2006. Bei Carbon Black handelt es sich um kettenförmig agglomerierte Kohlenstoffpartikel, deren Primärpartikelgröße im Nanometerbereich liegt. Haupteinsatzgebiete dieser durch Flammsynthese hergestellten Materialien sind Füllstoffe für Gummi und Pigmente, beispielsweise für Autoreifen oder Toner.1 Für die Zukunft wird Kohlenstoff-Nanoröhren (CNT) (s. S. 517) mittel- bis langfristig ein hohes wirtschaftliches Potential prognostiziert. Grund sind ihre außergewöhnlichen molekularen Eigenschaften, wie z. B. extrem hohe Zugfestigkeiten (auf molekularer Ebene eine ca. 100mal bessere Zugfestigkeit als Stahl bei einem sechsfach geringeren spezifischen Gewicht) sowie hervorragende thermische und elektrische Leitfähigkeit. Einer breiten wirtschaftlichen Anwendung von Kohlenstoff-Nanoröhren, z. B. in der Sensorik, in der Elektronik (CNT-basierte Verbindungsleitungen und Transistoren), in Kompositmaterialien (z. B. elektrisch leitfähige Polymere) oder in Flachbildschirmen (Elektronenemitter in Feld-Emissionsdisplays) steht derzeit in erster Linie der hohe Preis entgegen.1
1
Nanotechnologie als wirtschaftlicher Wachstumsmarkt, Innovations- und Technikanalyse, W. Luther, N. Malanowski, Hrsg.: Zukünftige Technologien Consulting der VDI Technologiezentrum GmbH, Graf-Recke-Str. 84, 40239 Düsseldorf, im Auftrag und mit Unterstützung des Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2004.
5.8 Gruppe 11
743
5.8 Gruppe 11 5.8.1 Gruppeneigenschaften
Ordnungszahl Z Elektronenkonfiguration 1. Ionisierungsenergie in eV 2. Ionisierungsenergie in eV 3. Ionisierungsenergie in eV Elektronegativität Schmelzpunkt in (C Siedepunkt in (C Sublimationsenthalpie in kJ.mol Standardpotentiale in V Me.MeC Me.Me2C Me.Me3C Me.[Me(CN)2]K Elektrische Leitfähigkeit in ΩK1 cmK1
Kupfer Cu
Silber Ag
Gold Au
29 [Ar]3d10 4s1 7,7 20,3 37,1 1,7 1083 2595 339
47 [Kr]4d10 5s1 7,6 21,5 34,8 1,4 961 2212 285
79 [Xe]4f 14 5d10 6s1 9,2 20,4 30,5 1,4 1063 2660 366
C0,52 C0,34 K K0,43 5,7 · 105
C0,80 C1,39 K K0,31 6,1 · 105
C1,69 K C1,50 K0,60 4,1 · 105
Die Münzmetalle Kupfer, Silber und Gold wurden schon bei den alten Kulturvölkern als Zahlungsmittel verwendet, Sie kommen alle gediegen vor, und es waren die ersten Metalle, die den Menschen bekannt waren. Gold glänzt, ist korrosionsbeständig, hat einen niedrigen Schmelzpunkt und ist mechanisch gut bearbeitbar. Es ist daher ideal zur Herstellung von Kult- und Schmuckgegenständen geeignet und wurde schon im 5. Jahrtausend vor Chr. dafür verwendet. Auch bei den alten Völkern war der Besitz von Gold nicht nur Reichtum sondern auch Macht. Der Sarg von Tutanchamun (Pharao von Ägypten 1415K1403 vor Chr.) enthielt 112 kg Gold. Legendär waren die Goldschätze der Azteken und Inkas. Berühmte Funde in Europa sind die Goldmaske des Agamemnon (1400 vor Chr., Nationalmuseum Athen) und die Himmelsscheibe von Nebra (1600 vor Chr.). Silber wurde ebenfalls seit dem 5. Jahrtausend vor Chr. verarbeitet. Zunächst hielt man es für wertvoller als Gold, da es gediegen seltener vorkommt als Gold. Eine bedeutende antike Silberfundstätte gab es in Attika, Griechenland. Die Verwendung von Kupfer als Werkstoff begann wahrscheinlich vor 9000 Jahren. Die Gewinnung von Kupfer aus Erzen durch Reduktion mit Kohle kannten die Ägypter schon um 3500 vor Chr. Etwa um 3000 vor Chr. begann man in Indien, Mesopotamien und Griechenland Kupfer mit Zinn zur härteren Bronze zu legieren. Dies war der Beginn der Bronzezeit. Zinn war seit 3500 vor Chr. bekannt, und ein Zinnbergwerk gab es um 3000 vor Chr. z. B. im südtürkischen Taurusgebirge. Auch die Kupfer-Zink-Legierung Messing war bereits im antiken Griechenland bekannt. Die Elemente der Kupfergruppe Kupfer, Silber und Gold haben die Elektronenkonfiguration (n K 1)d10 n s1. Sie treten daher alle in der Oxidationsstufe C1 auf.
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5 Die Elemente der Nebengruppen
Daneben existieren als wichtige weitere Oxidationsstufen C2 und C3. Seltener sind die Oxidationsstufen C4 und C5. Innerhalb der Gruppe gibt es keinen regelmäßigen Gang. Die stabilste Oxidationsstufe ist für Kupfer C2, für Silber C1, für Gold C3. Zu den Alkalimetallen mit s1-Konfiguration besteht nur eine formale Ähnlichkeit. Da die d10-Konfiguration die Kernladung nicht so wirksam abschirmt wie die Edelgaskonfiguration, sind die 1. Ionisierungsenergien wesentlich höher als die der Alkalimetalle. Dies und die höhere Sublimationsenergie verursacht den edlen Charakter, der in der Gruppe von Cu nach Au zunimmt. Verbindungen mit der Oxidationsstufe C1 haben die gleiche Zusammensetzung wie die der Alkalimetalle, aber sie sind kovalenter und haben deswegen höhere Gitterenergien. Daher sind z. B. die Halogenide und Pseudohalogenide schwerer löslich. In allen Oxidationsstufen werden Komplexverbindungen gebildet. Typisch für die Oxidationsstufe C1 ist die ungewöhnliche lineare Koordination. Für die Oxidationsstufen C2 und C3 sind die verzerrt-oktaedrische und die quadratisch-planare Koordination typisch.
5.8.2 Die Elemente Die Metalle der Kupfergruppe kristallisieren kubisch-flächenzentriert; sie besitzen relativ hohe Schmelzpunkte. Kupfer ist ein hellrotes Metall, zäh und dehnbar. Es besitzt nach Silber die höchste elektrische und thermische Leitfähigkeit. Mit Sauerstoff bildet sich an der Oberfläche eine festhaftende Schicht von Cu2O, die dem Kupfer die typische Farbe verleiht. An CO2- und SO2-haltiger Luft bilden sich fest haftende Deckschichten von basischem Carbonat Cu2CO3 (OH)2 und basischem Sulfat Cu2SO4 (OH)2 (Patina). Cu wird von Salpetersäure und konz. Schwefelsäure gelöst. Cu ist toxisch für niedere Organismen (Bakterien, Algen, Pilze). Nach Eisen und Zink ist Kupfer das drittwichtigste Spurenelement. Der tägliche Bedarf ist 5 mg pro Tag. Silber ist ein weiß glänzendes Metall. Es ist weich, sehr dehnbar und hat die höchste thermische und elektrische Leitfähigkeit aller Metalle. Es wird von O2 nicht angegriffen. Mit H2S bildet sich in Gegenwart von O2 oberflächlich schwarzes Ag2S. 2 Ag C H2S C 21 O2 $% Ag2S C H2O Ag wird nur von oxidierenden Säuren wie Salpetersäure und konz. Schwefelsäure gelöst. In Gegenwart von O2 löst es sich auch in Cyanidlösungen, da wegen der Beständigkeit des Cyanokomplexes [Ag (CN)2]K das Redoxpotential negativ wird. Silber wirkt bakterizid. Gold ist „goldgelb“, es ist das dehnbarste und geschmeidigste Metall und lässt sich zu Blattgold (bis 0,0001 mm Dicke) auswalzen. Es besitzt 70 % der Leitfähigkeit des Silbers. Es ist chemisch sehr inert. In Königswasser löst es sich unter Bildung von [AuCl4]K-Ionen und in KCN-Lösung bei Gegenwart von O2 unter Bildung des Komplexes [Au (CN)2]K. Goldverbindungen werden zur Behandlung von chronischem Gelenkrheumatismus verwendet.
5.8 Gruppe 11
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5.8.3 Vorkommen Kupfer ist ein relativ häufiges Metall. Die wichtigsten Vorkommen sind Sulfide. Durch Verwitterung der Sulfide sind oxidische Mineralien entstanden. In kleinen Mengen kommt es gediegen vor. Die wichtigsten Mineralien sind: Kupferkies (Chalkopyrit) CuFeS2, Kupferglanz (Chalkosin) Cu2S, Buntkupfererz (Bornit) Cu5FeS4, Covellin CuS, Cuprit (Rotkupfererz) Cu2O, Malachit Cu2 (OH)2CO3, Azurit (Kupferlasur) Cu3 (OH)2 (CO3)2. Silber und Gold gehören zu den seltenen Elementen. Die Lagerstätten mit gediegenem Silber sind weit gehend abgebaut. In sulfidischen Erzen wie Bleiglanz und Kupferkies ist Silber K meist unter 0,1 % K enthalten. Silber wird daher als Nebenprodukt bei der Pb- und Cu-Herstellung gewonnen. Wichtige Silbermineralien sind: Silberglanz (Argentit) Ag2S, Pyrargyrit (Dunkles Rotgültigerz) Ag3SbS3, Proustit (Lichtes Rotgültigerz) Ag3AsS3. Gold kommt hauptsächlich gediegen vor, aber meist mit Silber legiert. Gold der Primärlagerstätten, meist in Quarzschichten, heißt Berggold. Bei der Verwitterung der Gesteine wurde es weggeschwemmt und in Flusssanden in Form von Goldstaub oder Goldkörnern als Seifengold oder Waschgold abgelagert. In geringen Mengen ist Gold in sulfidischen Kupfererzen enthalten. Im Jahr 2004 betrug die Weltförderung von Silber 19 295 t und von Gold 2 470 t.
5.8.4 Darstellung Herstellung von Rohkupfer. Das wichtigste Ausgangsmaterial ist Kupferkies CuFeS2. Durch Rösten wird zunächst der größte Teil des Eisens in Oxid überführt und durch SiO2-haltige Zuschläge zu Eisensilicat verschlackt. FeS C 23 O2 C SiO2 $% FeSiO3 C SO2 Die Schlacke kann flüssig abgezogen werden. Anschließend erfolgt im Konverter durch Einblasen von Luft zunächst Verschlackung und Abtrennung des restlichen Eisens, dann teilweise Oxidation des Kupfersulfids (Röstarbeit) und Umsatz (Reaktionsarbeit) zu Rohkupfer. $% 2 Cu2O C 2 SO2 2 Cu2S C 3 O2 Cu2S C 2 Cu2O $% 6 Cu C SO2 Der größte Teil des Rohkupfers wird elektrolytisch gereinigt. Raffination von Kupfer. Man elektrolysiert eine schwefelsaure CuSO4-Lösung mit einer Rohkupferanode und einer Reinkupferkathode (Abb. 5.56). An der Anode geht Cu in Lösung, an der Kathode scheidet sich reines Cu ab. Unedle Verunreinigungen (Zn, Fe) gehen an der Anode ebenfalls in Lösung, scheiden sich aber nicht an der Kathode ab, da sie ein negativeres Redoxpotential als Cu haben. Edle Metalle (Ag, Au, Pt) gehen an der Anode nicht in Lösung, sondern setzen sich bei der Auflösung der Anode als Anodenschlamm ab, aus dem die Edelmetalle gewonnen werden.
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5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.56 Elektrolytische Raffination von Kupfer.
Man benötigt zur Elektrolyse Spannungen von etwa 0,3 V, da nur der Widerstand des Elektrolyten zu überwinden ist. Das Elektrolytkupfer enthält ca. 99,95 % Cu. In analogen Verfahren werden Nickel, Silber und Gold elektrolytisch raffiniert. Gewinnung von Silber und Gold. Die Gewinnung von Silber und Gold aus ihren Erzen erfolgt meist durch Cyanidlaugerei. Die Metalle in elementarer Form oder in Verbindungen werden mit Cyanidlösung als Cyanokomplexe aus den Erzen herausgelöst. Beispiel: Silber 4 Ag C 8 CNK C 2 H2O C O2 $% 4 [Ag (CN)2]K C 4 OHK Ag2S C 4 CNK C 2 O2 $% 2 [Ag (CN)2]K C SO2K 4 Aus den Cyanidlaugen lässt sich Silber durch Zinkstaub ausfällen. 2 [Ag (CN)2]K C Zn $% [Zn (CN)4]2K C 2 Ag Beim Amalgamverfahren wird aus dem fein gemahlenen Gestein Gold mit Quecksilber als Amalgam abgetrennt. Das Quecksilber wird aus dem Amalgam durch Destillation entfernt. Mit dem Amalgamverfahren wird etwa 60 %, mit der Cyanidlaugerei 95 % des vorhandenen Goldes extrahiert. Der größte Teil des Silbers wird als Nebenprodukt bei der Blei- und Kupferherstellung gewonnen. Nach dem Parkes-Verfahren wird das Silber aus geschmolzenem Blei mit etwa 1 % flüssigem Zink extrahiert. Flüssiges Blei und flüssiges Zink sind fast nicht miteinander mischbar und Silber löst sich weit besser in Zn (Verteilungskoeffizient ca. 300). Beim Abkühlen erstarrt zunächst ein „Zinkschaum“, der von der Oberfläche abgezogen wird. Er besteht aus einer Zn-Ag-Legierung und anhängendem Blei. Das Zink wird durch Destillation entfernt, Blei durch Treibarbeit (Kupelation) in PbO überführt, das flüssig abgezogen wird. Das gewonnene Rohsilber ist wenigstens 95 %ig. Aus silberhaltigem Kupfer fällt Silber bei der elektrolytischen Raffination von Kupfer im Anodenschlamm an. Die Feinreinigung von Silber und Gold erfolgt analog der Kupferraffination elektrolytisch.
5.8 Gruppe 11
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5.8.5 Verwendung Nach Eisen und Aluminium ist Kupfer das wichtigste Gebrauchsmetall. Die Hauptverwendung ist durch die hohe elektrische und thermische Leitfähigkeit (Elektroindustrie, Wärmeaustauscher) und die gute Korrosionsbeständigkeit (Schiffbau, chemischer Apparatebau) bestimmt. Kupfer wird zur Herstellung wichtiger Legierungen verwendet. Messing ist eine Cu-Zn-Legierung. Man unterscheidet: Rotmessing (bis 20 % Zn), es ist sehr dehnbar und korrosionsbeständig (unechtes Blattgold; vergoldet als „Talmi“ bekannt); Gelbmessing (20K40 % Zn) dient besonders zur Fertigung von Maschinenteilen; Weißmessing (50K80 % Zn) ist spröde und kann nur vergossen werden. Bronzen sind Cu-Sn-Legierungen. Es sind die ersten von Menschen hergestellten Legierungen (Bronzezeit). Sie enthalten meist weniger als 6 % Sn. Reines Kupfer lässt sich nicht gießen, da es beim Erstarren gelöste Gase abgibt (Spratzen). Durch Sn-Zusatz wird dies vermieden. Bronzen mit Sn-Gehalten bis 10 % sind schmiedbar, und die Härte und Festigkeit des Kupfers wird erhöht. Die im Mittelalter verwendete Geschützbronze enthielt 88 % Cu, 10 % Sn und 2 % Zn. Glockenbronze enthält 20K25 % Sn. Durch Zusatz von P (! 0,5 %) wird beim Guss Oxidbildung verhindert und die Zähigkeit erhöht (Phosphorbronze). Durch Zusatz von 1K2 % Si (Siliciumbronze) wird die Festigkeit und Härte erhöht, ohne dass die elektrische Leitfähigkeit sich wesentlich verschlechtert (Verwendung für Schleifkontakte). Kunstbronzen (Statuenbronzen) enthalten bis 10 % Sn, außerdem etwas Zn und Pb zur Erhöhung der Gießbarkeit und Bearbeitbarkeit. Aluminiumbronzen sind Cu-Al-Legierungen (5K10 % Al). Sie besitzen goldähnlichen Glanz, sind fest und hart wie Bronzen und zäh wie Messing. Monel (70 % Ni) ist besonders korrosionsbeständig. Konstantan (40 % Ni) hat einen sehr kleinen Temperaturkoeffizienten der elektrischen Leitfähigkeit. Neusilber (ca. 60 % Cu, 20 % Ni, 20 % Zn) wird versilbert als Alpaka bezeichnet. Reines Silber und Gold sind sehr weich. Sie werden daher für den Gebrauch legiert. Die meisten Silbermünzen enthalten 10 % Cu, silberne Gebrauchsgegenstände 20 % Cu. Der Silbergehalt wird auf 1 000 Gewichtsteile bezogen. Ein 80 %iges Silber hat einen „Feingehalt“ von 800. Große Mengen Silber werden zum Versilbern, zur Herstellung von Spiegeln, in der Elektronik und in der fotografischen Industrie gebraucht. Auch Goldmünzen enthalten meist 10 % Cu. Der Goldgehalt wird in Karat angegeben. Reines Gold ist „24karätig“. Ein 18karätiges Gold enthält also 75 % Au (Feingehalt 750). Dukatengold hat einen Feingoldgehalt von 986. Weißgold ist eine Legierung mit Cu, Ni, Ag (Massenanteil von Gold 31 bis 43). Im Goldrubinglas ist kolloidales Gold gelöst. Kolloidales Gold erhält man durch Reduktion von Goldsalzlösungen mit Sn (II)-chlorid (Cassius’scher Goldpurpur) 2 Au3C C 3 Sn2C C 18 H2O $% 2 Au C 3 SnO2 C 12 H3OC Das kolloidale Gold ist an kolloidalem Zinndioxid adsorbiert.
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5 Die Elemente der Nebengruppen
5.8.6 Kupferverbindungen 5.8.6.1 Kupfer (I)-Verbindungen (d10) Die wichtigsten Oxidationsstufen des Kupfers sind C1 und C2. Die relativen Stabilitäten sind aus den Redoxpotentialen ersichtlich. C 0,52 V
C 0,15 V
Cu $$$$$% CuC $$$$$% Cu2 C In wässriger Lösung disproportionieren CuC-Ionen in Cu und Cu2C-Ionen. 2 CuC $% Cu2C C Cu 2 6 C z 10 K Z cCu2 C.cCu
ΔE Z C0,37 V
Das Disproportionierungsgleichgewicht wird durch Löslichkeit und Komplexbildung stark beeinflusst. schwer lösliche Cu (I)-Verbindungen wie CuI und CuCl sind gegen Wasser beständig. So reagiert z. B. Cu2C mit IK zu CuI. Cu2C C 2 IK $% CuI C 21 I2 Cu2C wird von IK reduziert, obwohl das Standardpotential 2IK.I2 (E( Z C0,53 V) positiver ist als das von CuC.Cu2C (E( Z C0,15 V). CuI ist aber so schwer löslich (L Z 5 · 10K12) und die CuC-Konzentration daher so klein, dass dadurch das Potential CuC.Cu2C positiver wird als das von 2 IK.I2 und damit auch positiver als das von Cu.CuC. Cu (I) kann nicht mehr disproportionieren (vgl. S. 360). Cu2SO4 wird dagegen durch Wasser sofort zu CuSO4 und Cu zersetzt. H2 O
Cu2SO4 $$$% Cu2 C C SO24 K C Cu Bei Anwesenheit von NH3 läuft die Reaktion in umgekehrter Richtung, Cu (II) reagiert mit Cu, da von CuC-Ionen mit NH3 ein stabilerer Komplex gebildet wird als von Cu2C-Ionen. [Cu (NH3)4]2C C Cu $% 2 [Cu (NH3)2]C Ethylendiamin (en) bildet einen sehr stabilen planaren Chelatkomplex mit Cu2CIonen. Bei Zusatz von en fällt daher wieder Cu aus, Cu (I) disproportioniert. 2 [Cu (NH3)2]C C 2 en $% [Cu (en)2]2C C Cu C 4 NH3 Cu (I) bevorzugt die tetraedrische Koordination. Außerdem ist die lineare Koordination häufig. Cu (I)-Verbindungen besitzen die Elektronenkonfiguration d10 und sind folglich diamagnetisch. Kupfer (I)-oxid Cu2O ist das bei hohen Temperaturen stabile Oxid (Smp. 1 229 (C). Es entsteht bei der thermischen Zersetzung von CuO. Cu2O ist rot, schwer löslich und ein Halbleiter. Es kristallisiert kubisch (Abb. 5.57), die Cu-Atome sind linear von O-Atomen koordiniert. Beim Erhitzen von Cu2O und K2O erhält man KCuO,
5.8 Gruppe 11
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das quadratische [Cu4O4]4K-Ringe mit O-Atomen an den Ecken enthält, in denen Cu linear von O umgeben ist. Kupfer (I)-sulfid Cu2S entsteht als schwarze, schwer lösliche, kristalline Verbindung durch Reaktion von Cu mit S. Kupfer (I)-Halogenide erhält man durch Kochen von sauren Kupfer (II)-Halogenidlösungen mit Cu. CuX2 C Cu $% 2 CuX (X Z Cl, Br, I) CuI entsteht bequemer durch Reaktion von Cu2C mit IK (siehe oben). Die Kupfer (I)-Halogenide sind schwer löslich, die Löslichkeit nimmt in Richtung CuI ab. Sie kristallisieren in der Zinkblende-Struktur. Mit Halogenidionen bilden sich lösliche Komplexe, z. B. [CuCl2]K. Cu (I)-fluorid ist nicht bekannt. Kupfer (I)-cyanid CuCN entsteht analog CuI. Cu2C C 2 CNK $% CuCN C 21 (CN)2 Mit CNK-Überschuss bilden sich die sehr stabilen Cyanokomplexe [Cu (CN)2]K und [Cu (CN)4]3K, aus denen mit H2S kein Cu2S ausfällt. Das Potential Cu.CuC (E( Z C0,52 V) wird durch die Komplexbildung negativ, so dass sich Cu in CNK-Lösungen unter Wasserstoffentwicklung löst. Cu C 4 CNK C H2O $% [Cu (CN)4]3K C OHK C 12 H2
Abbildung 5.57 Kristallstruktur von Cu2O. Jedes Cu-Atom ist von zwei O-Atomen linear koordiniert, die O-Atome sind von Cu-Atomen tetraedrisch umgeben. In diesem Gitter kristallisiert auch Ag2O. Diese Struktur besteht aus zwei identischen, einander durchdringenden Netzwerken, zwischen denen keine Bindungen existieren. Beginnen wir bei irgendeinem Atom, dann ist es nur möglich, gerade die Hälfte aller Atome zu erreichen, wenn wir uns entlang der CudO-Bindungen bewegen.
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5 Die Elemente der Nebengruppen
5.8.6.2 Kupfer (II)-Verbindungen (d9) In der Oxidationsstufe C2 hat Kupfer die Elektronenkonfiguration 3d9. Wegen des ungepaarten Elektrons sind Cu (II)-Verbindungen paramagnetisch. Bei d9-Ionen tritt der Jahn-Teller-Effekt auf (vgl. Abschn. 5.4.6.1). Die bevorzugten Koordinationen bei Cu (II)-Verbindungen sind daher verzerrt-oktaedrisch und quadratisch-planar. Die quadratische Koordination ist der Grenzfall tetragonal verzerrter, gestreckter Oktaeder. Zwischen beiden kann nicht scharf unterschieden werden. In wässriger Lösung ist die beständige Oxidationsstufe C 2, da sich auf Grund der großen Hydratationsenthalpie das hellblaue, quadratisch koordinierte Ion [Cu (H2O)4]2C bildet. Das in wässriger Lösung vorhandene Aqua-Ion kann auch als [Cu (H2O)6]2C formuliert werden. Die H2O-Moleküle bilden ein tetragonal verzerrtes Oktaeder, in dem zwei Wassermoleküle weiter entfernt und schwächer gebunden sind. Mit NH3 entsteht das Ion [Cu (NH3)4(H2O)2]2C. Nur die axial koordinierten H2O-Moleküle können in wässriger Lösung verdrängt werden. Der Komplex [Cu (NH3)6]2C bildet sich nur in flüssigem NH3. Amminkomplexe sind intensiver blau als das Aqua-Ion. Die Farbänderung ist darauf zurückzuführen, dass NH3 ein stärkeres Ligandenfeld erzeugt und die Absorptionsbande nach kürzeren Wellenlängen verschiebt (Abschn. 5.4.6). Praktisch alle Komplexe und Verbindungen von Cu (II) sind blau oder grün gefärbt. Kupfer (II)-oxid CuO entsteht als schwarzes Pulver beim Erhitzen von Cu an der Luft. Cu C 21 O2 $% CuO
ΔH+ B Z K157 kJ.mol
Bei 900 (C geht es durch Sauerstoffabgabe in Cu2O über. Mit H2 lässt es sich leicht zum Metall reduzieren. Im CuO-Gitter sind die Cu-Atome quadratisch von O-Atomen koordiniert, die O-Atome sind von Cu tetraedrisch umgeben (vgl. Abb. 5.97). Kupfer (II)-hydroxid Cu (OH)2 erhält man aus Cu (II)-Salzlösungen mit Alkalilauge als hellblauen voluminösen Niederschlag. Es ist amphoter und löst sich in Säuren und Laugen. In alkalischer Lösung bildet sich der blaue Hydroxokomplex [Cu (OH)4]2K. Beim Erhitzen entsteht aus Cu (OH)2 unter Wasserabspaltung CuO. Da Cu (OH)2 amphoter ist, reagieren Cu (II)-Salze in wässriger Lösung sauer. Mit Kaliumnatriumtartrat (Seignettesalz) KNaC4H4O6, einem Salz der Weinsäure, bildet Cu2C in alkalischer Lösung einen Komplex, in dem Cu2C quadratisch koordiniert ist.
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Mit den tiefblauen Lösungen (Fehling’sche Lösung) können reduzierende Stoffe, wie z. B. Zucker, nachgewiesen werden, da sich bei der Reduktion Cu2O ausscheidet. Kupfer (II)-sulfid CuS bildet sich aus Cu (II)-Salzlösungen mit H2S. Covellin, das unterhalb 500 (C die beständige Modifikation ist, besitzt eine komplexe Struktur C1 K1K1
und die ungewöhnliche Zusammensetzung Cu3 (S2) S. 2.3 der Schwefelatome bilden K1
S2-Paare. Die Formulierung S soll symbolisieren, dass im Valenzband, das von den 3p-Orbitalen der Schwefelatome gebildet wird (vgl. Abschn. 2.4.4.2), pro Formeleinheit ein Defektelektron vorhanden ist. Die beweglichen Defektelektronen des Valenzbandes bewirken die metallische Leitung. Kupfer (II)-Halogenide bilden sich durch direkte Reaktion aus den Elementen. Cu C X2 $% CuX2
(X Z F, Cl, Br)
CuI2 ist instabil und zerfällt in CuI und I2. CuF2 (farblos) kristallisiert in einem verzerrten Rutilgitter, in dem gestreckte CuF6-Oktaeder vorliegen. CuCl2 (gelb) und CuBr2 (schwarz) bilden Ketten mit quadratischer Koordination des Kupfers.
Die beiden verbleibenden axialen Koordinationsstellen von Cu werden in größerem Abstand von Cl-Atomen der Nachbarketten besetzt. Die Koordination ist also tetragonal verzerrt-oktaedrisch. In wässriger Lösung bilden sich in Abhängigkeit von der Halogenidkonzentration verschiedene Komplexe, z. B. CCl
K
CCl
K
[Cu (H2O)4] 2C $$$$% [CuCl2 (H2O)2] $$$% [CuCl4]2K grün
hellblau
gelb
Kupfer (II)-sulfat CuSO4 entsteht beim Auflösen von Cu in heißer, verd. Schwefelsäure bei Luftzutritt. Cu C 21 O2 C H2SO4 $% CuSO4 C H2O Aus der Lösung kristallisiert das blaue Pentahydrat [Cu (H2O)4]SO4 · H2O (Kupfervitriol) aus. Vier H2O-Moleküle koordinieren das Cu2C-Ion quadratisch-planar, das fünfte ist über Wasserstoffbrücken an Sulfationen und an Koordinationswasser gebunden. Beim Erhitzen bis 130 (C werden in zwei Stufen die vier koordinativ gebundenen H2O-Moleküle abgegeben, das fünfte erst bei 250 (C. +
+
+
100 C
130 C
250 C
K2 H2O
K2 H2O
KH2O
CuSO4 $ 5 H2O $$$$$% CuSO4 $ 3 H2O $$$$$% CuSO4 $ H2O $$$$$% CuSO4 Wasserfreies CuSO4 ist farblos. Es zersetzt sich bei 750(C. +
O 750 C
CuSO4 $$$$$% CuO C SO3
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5 Die Elemente der Nebengruppen
Einige Kupferverbindungen werden als Malerfarben verwendet: Malachit CuCO3 · Cu (OH)2 (grün), Kupferlasur 2 CuCO3 · Cu (OH)2 (blau), Schweinfurter Grün 3 Cu (AsO2)2 · Cu (CH3COO)2. Grünspan ist basisches Kupferacetat, das bei Einwirkung von Essigsäuredämpfen auf Kupferplatten entsteht.
5.8.6.3 Kupfer (III)-Verbindungen (d8), Kupfer (IV)-Verbindungen (d7). Die Oxidationsstufe C3 tritt nur in Fluor- und Sauerstoffverbindungen auf, die Oxidationsstufe C4 nur in Fluorverbindungen. D1
D3
Es gibt zahlreiche Hexafluorocuprate (III) M e3CuF6 mit K auch gemischten K Alkalimetallkationen. Es sind feuchtigkeitsempfindliche, grüne, paramagnetische Verbindungen mit oktaedrischen [CuF6]3K-Baugruppen. D3
CsCuF4 ist ein Tetrafluorocuprat (III). Es ist orangerot, diamagnetisch und enthält quadratische [CuF4]K-Ionen. D1
D4
Die Hexafluorocuprate (IV) M e2CuF6 (Me Z K, Rb, Cs) sind orangerote, paramagnetische Verbindungen, die durch Druckfluorierung hergestellt wurden. Cs2CuF6 hat eine tetragonal-verzerrte K2PtCl6-Struktur (vgl. Abb. 5.101). Die Cu4CKationen haben eine d7 low-spin-Konfiguration, dafür ist Jahn-Teller-Effekt zu erwarten (vgl. Abb. 5.28), die oktaedrischen [CuF6]2K-Polyeder sind daher gestreckt. D1 D3
Die Oxocuprate (III) MeCuO2 (Me Z Na, K, Rb, Cs) sind diamagnetische Verbindungen, in denen quadratische CuO4-Gruppen durch Kantenverknüpfung planare Ketten bilden. D3
LaCuO3 ist ein rhomboedrisch-verzerrter Perowskit mit oktaedrischer Koordination der Cu3 C-Ionen. In zahlreichen oxidischen Hochtemperatursupraleitern, deren Strukturen sich vom Perowskit ableiten, sind Cu3C- neben Cu2C-Ionen vorhanden. 3D 2D Ein Beispiel ist Y3DBa2D O7 (vgl. Abschn. 5.7.5.3). 2 Cu2 Cu
5.8.7 Silberverbindungen 5.8.7.1 Silber (I)-Verbindungen (d10) Potentialdiagramm: C0,80 V
C1,98 V
Ag $$$$$% AgC $$$$$% Ag2C Die stabilste Oxidationsstufe des Silbers ist C1. Von Ag (I) leiten sich die meisten Verbindungen ab. Im Gegensatz zum CuC-Ion ist das AgC-Ion in wässriger Lösung beständig. Viele Ag (I)-Salze sind schwer löslich und kristallisieren als wasserfreie Salze. Leicht löslich sind AgF, AgNO3 und AgClO4. Das AgC-Ion hat d10-Konfigura-
5.8 Gruppe 11
753
tion, ist also diamagnetisch und farblos. Die Farbigkeit einiger Ag (I)-Verbindungen (AgI, Ag2O, Ag2S, Ag3AsO4) beruht auf der polarisierenden Wirkung des Silberions. In Ag (I)-Komplexen erstreckt sich die Koordinationszahl von 2 mit linearer Anordnung der Liganden, über 3 bis zu 4 mit verzerrt tetraedrischer Geometrie. Die tetraedrische Koordination ist z. B. bei [Ag (SCN)4]3K realisiert. Silber (I)-oxid Ag2O erhält man aus Ag (I)-Salzlösungen mit Laugen als braunschwarzen Niederschlag. 2 AgC C 2 OHK $% Ag2O C H2O Ag2O kristallisiert im Cuprittyp (Abb. 5.57), es ist schwer löslich, die Lösungen reagieren basisch. Oberhalb 200 (C zerfällt Ag2O in die Elemente; die Darstellung aus den Elementen bei höherer Temperatur ist daher nur bei Sauerstoffdrücken über 20 bar möglich. Schon bei Raumtemperatur wird Ag2O von H2 und CO reduziert. Silbersulfid Ag2S kann aus den Elementen oder durch Fällung mit H2S aus AgCLösungen hergestellt werden. Es ist extrem schwer löslich (LAg2S z 10K 50). Die Auflösung in CNK-Lösungen (vgl. S. 746) beruht auf der gleichzeitigen Oxidation des Sulfids zum Sulfat durch Luftsauerstoff. Silbernitrat AgNO3 ist das wichtigste Silbersalz. Es ist gut löslich und Ausgangsprodukt für die Darstellung der anderen Silberverbindungen. Man erhält es durch Auflösen von Ag in HNO3. 3 Ag C 4 HNO3 $% 3 AgNO3 C NO C 2 H2O Auf der Haut wirkt AgNO3 ätzend und oxidierend (Höllenstein). Silber (I)-Halogenide können direkt aus den Elementen hergestellt werden. Ag C
1 2 X2
$% AgX
(X Z F, Cl, Br, I)
Mit Ausnahme des gut löslichen Fluorids werden sie einfacher aus AgNO3-Lösungen mit Halogenidionen als schwer lösliche Niederschläge dargestellt. AgC C XK $% AgX
(X Z Cl, Br, I)
Die Löslichkeit nimmt vom weißen AgCl (L Z 2 · 10K10) über das gelbliche AgBr (L Z 5 · 10K13) zum gelben AgI (L Z 8 · 10K17) ab. In halogenidhaltigen Lösungen bilden sich die Komplexionen [AgX2]K, [AgX3]2K und [AgX4]3K (X Z Cl, Br, I). AgF, AgCl und AgBr kristallisieren in der NaCl-Struktur. AgI, bei dem die Bindung überwiegend kovalent ist, kristallisiert bei Raumtemperatur in der Zinkblende-Struktur. AgCl löst sich in NH3-, Na2S2O3- und KCN-Lösungen unter Komplexbildung. AgCl C 2 NH3
$% [Ag (NH3 )2]C C ClK
AgCl C 2 S2O2K $% [Ag (S2O3 )2]3K C ClK 3 AgCl C 2 CNK
$% [Ag (CN )2]K C ClK
754
5 Die Elemente der Nebengruppen
Die Komplexbeständigkeit nimmt von [Ag (NH3)2]C (lg β Z 7) über [Ag (S2O3)2]3K (lg β Z 13) zum [Ag (CN)2]K (lg β Z 21) zu. Das schwerer lösliche AgBr löst sich nicht mehr in verdünntem NH3, AgI, das noch schwerer löslich ist, nicht mehr in Na2S2O3-Lösungen. Man erhält die folgende Reihe mit abnehmender AgC-Gleichgewichtskonzentration in der Lösung. AgCl $% [Ag (NH3)2]C $% AgBr $% [Ag (S2O3)2]3K $% AgI $% [Ag (CN)2]K $% Ag2S Die Silberhalogenide sind lichtempfindlich. AgCl, AgBr und AgI werden bereits durch sichtbares Licht zersetzt. hν
2 AgX $$% 2 Ag C X2
(X Z Cl , Br , I)
AgBr wird daher als lichtempfindliche Substanz bei der klassischen Fotografie verwendet. Durch Belichtung entstehen Silberkeime (latentes Bild). Diese werden durch Reduktionsmittel vergrößert (Entwickeln). Das unbelichtete AgBr wird mit Natriumthiosulfat Na2S2O3 (Fixiersalz) unter Bildung eines löslichen Komplexes entfernt (Fixieren). AgBr C 2 Na2S2O3 $% [Ag (S2O3)2]3K C 4 NaC C BrK AgI-Kristalle wirken als Kondensationskeime bei der Regenbildung, lösen das Abregnen aus und werden z. B. bei der Hagelbekämpfung eingesetzt. Schwer löslich sind auch die Pseudohalogenide Silbercyanid AgCN und Silberthiocyanat AgSCN. Sie bilden die Komplexe [Ag (CN)2]K, und [Ag (SCN)2]K. Im Festkörper liegen beim Cyanid lineare Ketten, beim Thiocyanat Zickzackketten vor.
5.8.7.2 Silber (II)-Verbindungen (d9) 2C Z C 1,98 V. Ag2C-Ionen oxidieren H O C Das Redoxpotential ist E+ Ag /Ag 2 2 zu O2, K 2C 3C zu MnO4 und Cr zu CrO24 K. AgC-Ionen können nur durch sehr starke Mn Oxidationsmittel oder anodisch oxidiert werden. Es sind zwei einfache Salze von Ag (II) bekannt, Silber (II)-fluorid AgF2 und Silber (II)-fluorosulfat Ag (OSO2F)2. Silber (II)-fluorid AgF2 entsteht durch Reaktion von F2 mit fein verteiltem Silber. Es ist thermisch sehr beständig (Smp. 690 (C), reagiert mit Wasser unter Ozonbildung und wird als Fluorierungsmittel verwendet. Es kristallisiert in einem Schichtengitter mit gewellten Schichten, in denen Ag2C quadratisch-planar koordiniert ist. Mit 2K und AgF 46 K mit tetragoFluoriden bilden sich die Fluorokomplexe AgFK 3 , AgF 4 nal verzerrt-oktaedrischer Koordination der Ag2C-Ionen.
5.8 Gruppe 11
755
Ag (II) kann durch Komplexbildung stabilisiert werden. Geeignete Komplexbildner sind z. B. Pyridin C5H5N und o-Phenanthrolin C12H8N2. Ag (II) ist in diesen Komplexen quadratisch koordiniert. Beispiel: [Ag (py)4]2C
5.8.7.3 Silber (III)-Verbindungen (d8) Silber (III)-fluorid AgF3 ist diagmagnetisch mit low-spin-Ag (III) in annähernd quadratisch-planarer Umgebung. Es ist mit AuF3 isotyp. Man erhält es als rote, thermodynamisch instabile Verbindung aus wasserfreien AgFK 4 -Lösungen mit BF3 nach der K Reaktion AgFK 4 C BF3 $% AgF3 C BF 4 . Bei Raumtemperatur zersetzt es sich unter Abgabe von F2 zu Ag3F8. Die Tetrafluoroargentate (III) MeAgF4 (Me Z Na, K, Rb, Cs) sind zersetzliche, gelbe, diamagnetische Verbindungen mit planaren [AgF4]K-Gruppen. Eine Verbindung, in der Ag (III) die Koordinationszahl 6 besitzt, ist das purpurrote, paramagnetische Cs2K [AgF6]. C1 C3
CsAgCl3 ist keine Ag (II)-Verbindung, sondern gemischtvalent. Im Cs2AgAgCl6 ist Ag (I) linear und Ag (III) quadratisch koordiniert. C1 C3
Auch das diamagnetische AgO ist eine Silber (I, III)-Verbindung. Im AgAgO2 ist Ag (I) linear und Ag (III) quadratisch koordiniert. Es entsteht bei der Oxidation von Ag2O mit Peroxodisulfat in alkalischer Lösung. Durch anodische Oxidation von Silbersalzlösungen (z. B. AgClO4) erhält man meC3
tallisch glänzende, schwarze Kristalle von Ag3O4 und Ag2O3. Ag2O3 ist diamagnetisch, die Ag3C-Ionen sind annähernd quadratisch-planar koordiniert. Im paramagD2 D3
netischen AgAg2O4 sind alle Ag-Ionen quadratisch-planar von Sauerstoff umgeben. Die Ag d O-Bindungsabstände unterscheiden sich nur wenig, so dass teilweiser Ladungsausgleich durch delokalisierte Elektronen anzunehmen ist. Weder eine Silber (IV)- noch eine Silber (V)-Verbindung ist bisher mit Sicherheit bekannt.
5.8.8 Goldverbindungen Die wichtigsten Oxidationsstufen von Gold sind C1 und C3. Beständiger ist die Oxidationsstufe C3. Es gibt relativ wenige Komplexverbindungen mit Au (II). Die Verbindungen AuCl2 und AuBr2 enthalten Au (I) und Au (III) nebeneinander. AuSO4 jedoch ist ein Gold (II)-sulfat, es enthält hantelförmige Au42 C-Ionen.
756
5 Die Elemente der Nebengruppen
Für die Bevorzugung der Oxidationsstufe C3 gegenüber C2 sind die Ionisierungsenergien und die Ligandenfeldeffekte von Bedeutung. Die Summe der Ionisierungsenergien Me $% Me3C ist für Goldatome kleiner als für Kupfer- und Silberatome. Bei der d9-Konfiguration ist für tetragonal-verzerrt oktaedrische oder quadratischplanare Strukturen wegen der größeren Ligandenfeldaufspaltung beim Gold (80 % größer als beim Kupfer) die Energie des dx 2Ky 2 -Orbitals sehr hoch, so dass leicht Oxidation zur d8-Konfiguration erfolgt (vgl. Abb. 5.28 und S. 692). Anionisches Gold K 2K und im Subnitrid Ca3AuN (vgl. S. 473). existiert im Suboxid CsC 3 Au O
5.8.8.1 Gold (I)-Verbindungen (d10) Das Potentialdiagramm C1,69 V
C 1,40 V
Au $$$$$% AuC $$$$$% Au3C zeigt, dass K im Gegensatz zum stabilen AgC-Ion K das AuC-Ion in wässriger Lösung nicht beständig ist, sondern disproportioniert. 3 AuC $% 2 Au C Au3C
ΔE Z 0,29 V
Nur schwer lösliche Verbindungen oder stabile Komplexe, die kleine AuC-Gleichgewichtskonzentrationen besitzen, sind in Wasser beständig. Au (I) bevorzugt die lineare Koordination. Gold (I)-chlorid AuCl (Smp. 170 (C) entsteht aus AuCl3 beim Erhitzen. 185 +C
AuCl3 $$$$% AuCl C Cl2 Es ist ein gelbes schwer lösliches Pulver, das beim Erwärmen in Wasser disproportioniert. 3 AuCl $% 2 Au C AuCl3 Durch Komplexbildung kann AuCl stabilisiert werden. Mit ClK bilden sich lineare [AuCl2]K-Ionen. Gold (I)-iodid AuI (Smp. 120 (C) erhält man aus Gold (III)-Salzlösungen mit KI. Au3C C 3 IK $% AuI C I2 AuI (und auch AuCl) ist aus Zickzackketten aufgebaut, die Au d I-Bindungen sind kovalent.
Der Dicyanoaurat (I)-Komplex [Au (CN)2]L ist stabiler (β Z 1037) als der analoge Silberkomplex (β Z 1021). Er entsteht bei der Cyanidlaugerei (vgl. S. 746). K [Au (CN)2] wird bei der galvanischen Vergoldung verwendet. Gold (I)-sulfid Au2S erhält man beim Einleiten von H2S in eine [Au (CN)2]KLösung.
5.8 Gruppe 11
757
Die Existenz des entsprechenden Oxides Au2O ist nicht gesichert, aber es existiert das Aurat (I) CsAuO. Es ist wie KCuO aus quadratischen [Au4O4]4K-Ringen aufgebaut (vgl. S. 748).
5.8.8.2 Gold (III)-Verbindungen (d8) 3 C Z C1,50 V) und hat eine Das Au3C-Ion ist ein starkes Oxidationsmittel (E+ Au.Au starke Komplexbildungstendenz. Es besitzt d8-Konfiguration und bevorzugt daher die quadratische Koordination. Gold (III)-oxid Au2O3 ist isotyp mit Ag2O3, thermisch instabil, und es zerfällt oberhalb von 150 (C in die Elemente. Es besitzt amphoteren Charakter und löst sich in Basen unter Bildung von [Au (OH)4]K. Gold (III)-Halogenide AuX3 (X Z F, Cl, Br). Das Fluorid ist orangefarben und bis 500 (C beständig. Es ist ein Fluorierungsmittel, man erhält es durch Fluorierung von AuCl3. Es ist mit AgF3 isotyp, ist wie dieses diamagnetisch und aus quadratischen AuF4-Einheiten aufgebaut. Die Fluoroaurate (III) MeAuF4 (Me Z Li, Na, K, Rb, Cs) sind diamagnetische Verbindungen, die quadratische AuFK 4 -Ionen enthalten. Das ( ( Chlorid und das Bromid können bei 200 C bzw. 150 C aus den Elementen hergestellt werden. Beide sind dimer mit quadratischer Koordination der Au-Atome.
Mit HCl bildet Au2Cl6 das quadratische, gelbe Tetrachloroauration [AuCl4]K. Dampft man die Lösung ein, so kann man die gelben Kristalle der Chlorogoldsäure H [AuCl4] · 4 H2O isolieren. Die Salze KAuCl4 · 21 H2O und NaAuCl4 · 2 H2O sind wasserlöslich. In Wasser erfolgt Hydrolyse zu [AuCl3OH]K. Es existieren analoge Fluoro- und Bromoaurate (III). Das Bromid bildet auch den oktaedrischen Komplex [AuBr6]3K. Bei Zusatz von CNK zu Tetrachloroauratlösungen entsteht der sehr stabile, farblose Tetracyanoaurat (III)-Komplex [Au (CN)4]K. C1 C3
Im Chlorid Au4Cl8 Z Au2Au2Cl8 ist Au (I) linear und Au (III) quadratisch koordiniert.
758
5 Die Elemente der Nebengruppen C1 C3
Dieselben Koordinationen gibt es auch bei Cs2AuAuCl6, das mit Cs2Ag2Cl6 isotyp ist. Das erste Gold (II)-fluorid ist das gemischtvalente Gold (II)-Fluoroaurat (III), Au [AuF4]2
5.8.8.3 Gold (V)-Verbindungen (d6) Alle bekannten Verbindungen sind Fluorverbindungen. Gold (V)-fluorid AuF5 ist ein roter, diamagnetischer Feststoff, der bei 80 (C sublimiert und sich bei 200 (C in AuF3 und F2 zersetzt. Man erhält es durch thermische K Zersetzung von OC 2 [AuF6] . +
200 C
1 K OC 2 AuF 6 $$$$$% AuF5 C O2 C 2 F2
Die Einkristalle sind dimer aufgebaut (analog NbF5, Abb. 5.70) mit oktaedrisch koordiniertem low-spin Au (V). Die Hexafluoroaurate (V) enthalten das oktaedrische, diamagnetische Ion [AuF6]K mit Au (V) im low-spin-Zustand. Es gibt Salze mit den Alkalimetallkationen NaC, KC, CsC, dem Nitrosylkation NOC und dem Dioxygenylkation OC 2 . Aber K C K K C AuF , IF AuF und KrF AuF sind bekannt. auch die Verbindungen XeFC 5 6 6 6 6 Beispiele für Darstellungen: CsAuF4 C F2 $% CsCAuFK 6 K AuF3 C O2 C 23 F2 $% OC 2 AuF6
K C K IF7 C OC 2 AuF 6 $% IF 6 AuF 6 C O2F
5.9 Gruppe 12 5.9.1 Gruppeneigenschaften
Ordnungszahl Z Elektronenkonfiguration 1. Ionisierungsenergie in eV 2. Ionisierungsenergie in eV 3. Ionisierungsenergie in eV Elektronegativität Schmelzpunkt in (C Siedepunkt in (C Sublimationsenthalpie in kJ.mol Standardpotential Me.Me2C in V
Zink Zn
Cadmium Cd
Quecksilber Hg
30 10 2 [Ar]3d 4s 9,4 18,0 39,7 1,7 419 908 131 K0,76
48 10 2 [Kr]4d 5s 9,0 16,9 37,8 1,5 321 767 112 K0,40
80 14 10 2 [Xe]4f 5d 6s 10,4 18,7 34,2 1,4 K39 357 61 C0,85
5.9 Gruppe 12
759
Auf Grund der Elektronenkonfiguration (n K 1) d10 ns2 treten die Elemente der Gruppe 12 alle in der Oxidationsstufe C2 auf. Verbindungen höherer Oxidationsstufen sind bisher noch nicht isoliert worden. Die hohen 3. Ionisierungsenergien, die zur Entfernung eines Elektrons aus der abgeschlossenen 3d-Unterschale erforderlich sind, können durch die Hydratationsenthalpie bzw. die Gitterenergie nicht kompensiert werden. Die Oxidationsstufe C1 ist nur für Quecksilber von Bedeutung. Bei Zink und Cadmium ist sie in einigen instabilen Spezies realisiert. Aus Zink und einer ZnCl2-Schmelze erhält man ein gelbes, diamagnetisches Glas, das Zn2C 2 -Ionen ent2C K ( hält. Aus Cd [AlCl4]2 erhält man durch Reduktion mit Cd bei 350 C die diamagK 2C netische Verbindung Cd2C 2 (AlCl4 )2. In Wasser disproportioniert das Cd2 -Ion so2C fort zu Cd und Cd . In den Verbindungen mit der Oxidationsstufe C1 sind nicht paramagnetische MeC-Ionen mit s1-Konfiguration vorhanden, sondern stets diamagnetische Dimere Me2C 2 , in denen eine kovalente Me d Me-Bindung vorliegt. Die Kraftkonstanten der Me d Me-Bindungen zeigen die zunehmende Stabilität in Richist stabil. tung Hg. Hg2C 2 Die Elemente der Gruppe 12 bilden also nur Verbindungen mit voll besetzten dUnterschalen und sind daher keine Übergangselemente. Die Ionen Me2C und Me22 C sind farblos und diamagnetisch. Ähnlich den Übergangsmetallen bilden sie jedoch zahlreiche Komplexe. Klassische Carbonyle sind nicht bekannt. Zink und Cadmium sind sich chemisch recht ähnlich. Quecksilber unterscheidet sich als edles Metall stark von seinen unedlen Homologen. Hg2C ist viel stärker polarisierbar und bildet kovalentere Verbindungen. Die Chloride von Zn und Cd z. B. sind ionisch, HgCl2 dagegen bildet ein Molekülgitter. Analoge Zn- und CdVerbindungen sind besser löslich als die Hg-Verbindungen. Hg2C-Komplexe sind sehr viel stabiler als die von Zn2C und Cd2C. Nur Hg bildet stabile Verbindungen mit der Oxidationsstufe C1, in denen kovalente Me-Me-Bindungen vorhanden sind. Die Stereochemie ist durch die Ionengröße und die kovalenten Bindungskräfte bestimmt. Auf Grund der voll besetzten d-Unterschale treten keine Ligandenfeldstabilisierungseffekte auf. In ionischen Verbindungen sind Zn2C-Ionen tetraedrisch (ZnO, ZnCl2), Cd2C-Ionen oktaedrisch koordiniert (CdO, CdCl2). Für Hg (II) ist die lineare Koordination typisch. Es ähnelt darin Cu (I), Ag (I) und Au (I), die ebenfalls eine d10-Konfiguration besitzen. Die Ähnlichkeit zu den Elementen der Gruppe 2 ist insgesamt nicht groß. Zwischen Zn2C- und Mg2C-Ionen besteht Ähnlichkeit. Viele Salze bilden Mischkristalle. Ein Beispiel ist (Zn, Mg)SO4 · 7 H2O.
5.9.2 Die Elemente Die Metalle der Gruppe 12 haben niedrige Schmelzpunkte. Hg ist das einzige bei Raumtemperatur flüssige Metall. Zn und Cd kristallisieren in einer verzerrt hexagonal-dichten Packung. Der Abstand zu den 6 nächsten Nachbarn innerhalb einer
760
5 Die Elemente der Nebengruppen
Schicht dichter Packung ist kleiner als der Abstand zu den 6 nächsten Nachbarn in den beiden Nachbarschichten (vgl. Abb. 2.84). Die Abweichung ist bei Cd größer als bei Zn. Hg kristallisiert rhomboedrisch mit der KZ 6 (vgl. S. 173). Zink ist ein bläulich-weißes Metall, das in hochreinem Zustand duktil ist. Durch Verunreinigungen, z. B. Fe, wird es spröde. Im Temperaturbereich 100K150 (C ist es duktil und gut bearbeitbar, oberhalb 200 (C wird es wieder spröde, so dass man es pulverisieren kann. Der Dampf besteht aus Zn-Atomen. Zink ist ein unedles Metall. Es ist aber gegenüber Luft und Wasser beständig, da es durch die Bildung von Schutzschichten aus Oxid, Carbonat bzw. Hydroxid passiviert wird. Sehr reines Zink wird auch von Säuren bei Raumtemperatur nur sehr langsam unter H2-Entwicklung gelöst, da Wasserstoff an Zink eine hohe Überspannung hat. Durch edlere Metalle (z. B. Kupfer) verunreinigtes Zink bildet Lokalelemente (vgl. S. 367), die eine normale Auflösungsgeschwindigkeit ermöglichen. Zink löst sich auch in Laugen unter H2-Entwicklung, da wegen des amphoteren Charakters von Zn (OH)2 die Schutzschicht unter Bildung von Hydroxokomplexen, z. B. [Zn (OH)4]2K, gelöst wird. Zink ist nach Eisen das wichtigste essentielle Spurenelement. Die Hälfte ist in zinkhaltigen Enzymen gespeichert. Täglicher Bedarf 40 mg. Cadmium ist ein silberweißes Metall. Es ist edler und duktiler als Zink. Die chemische Beständigkeit ist ähnlich der des Zinks. Es ist an Luft beständig, löst sich schwer in nicht oxidierenden Säuren, leicht in verd. Salpetersäure. Von Laugen wird es nicht gelöst. Cadmium ist stark toxisch, und die Aufnahme löslicher Cd-Verbindungen über den Magen-Darm-Trakt sowie die Inhalation von Cd-Dämpfen ist gefährlich. Cadmium reichert sich im Körper an und verursacht chronische Erkrankungen. Quecksilber ist ein silberglänzendes Metall, das bei K39 (C erstarrt. Es ist sehr flüchtig. Bei 20 (C beträgt der Sättigungsdampfdruck 0,0016 mbar (15 mg.m3). Der Dampf besteht aus Hg-Atomen. Hg-Dämpfe sind sehr giftig und verursachen chronische Vergiftungen, besonders irreversible Schäden des zentralen Nervensystems. Verschüttetes Quecksilber muss daher unbedingt, z. B. mit Zinkstaub (Amalgambildung) oder Iodkohle (Reaktion zu HgI2), unschädlich gemacht werden. Lösliche Quecksilberverbindungen sind sehr giftig (z. B. HgCl2). In den chemischen Reaktionen unterscheidet sich Hg von Zn und Cd. Es ist ein edles Metall, wird von Salpetersäure gelöst, aber nicht von Salzsäure oder Schwefelsäure. Bei Raumtemperatur ist Hg beständig gegen O2, Wasser, CO2, SO2, HCl, H2S, NH3, reagiert aber mit den Halogenen und Schwefel. Mit O2 reagiert Hg erst oberhalb 300 (C. Hg bildet bereits bei Raumtemperatur mit vielen Metallen Legierungen, die Amalgame genannt werden. Bei größeren Metallgehalten sind die Amalgame fest (bei Na-Gehalten O 1,5 %). Eisen ist nicht in Hg löslich; Hg kann daher in Eisengefäßen aufbewahrt werden.
5.9.3 Vorkommen Zink und Cadmium kommen in der Natur nicht elementar vor. Cadmium und Quecksilber gehören zu den seltenen Elementen. Die wichtigsten Zinkerze sind: Zinksulfid ZnS, das als kubische Zinkblende (Sphalerit) und als hexagonaler Wurtzit
5.9 Gruppe 12
761
vorkommt; Zinkspat (Galmei, Smithsonit) ZnCO3. Cadmium ist in den meisten Zinkerzen mit einem Anteil von 0,2K0,4 % enthalten. Es ist daher ein Nebenprodukt bei der technischen Zinkherstellung. Cadmiummineralien spielen für die CdGewinnung keine Rolle. Das einzige für die Gewinnung von Quecksilber wichtige Mineral ist der Zinnober HgS. Er kommt in ergiebigen Lagerstätten vor, die zuweilen gediegenes Hg (kleine Tröpfchen im Gestein eingeschlossen) enthalten.
5.9.4 Darstellung Die Zinkdarstellung erfolgt thermisch oder elektrolytisch. Zuerst werden die Zinkerze durch Rösten in ZnO überführt. ZnS C 23 O2 $% ZnO C SO2 ZnCO3 $% ZnO C CO2 Beim thermischen Verfahren wird ZnO mit Kohle bei 1 100K1 300 (C reduziert. ZnO C C $% Zn C CO
ΔH( Z C238 kJ.mol
Das Zink entweicht dampfförmig und wird in Vorlagen kondensiert. Das so erhaltene Rohzink enthält ca. 98 % Zn und als Hauptverunreinigungen Pb, Fe und Cd. Da die Siedepunkte der Metalle genügend weit auseinander liegen (Fe 3070 (C, Pb 1751 (C, Zn 908 (C, Cd 767 (C) kann durch fraktionierende Destillation Feinzink mit einer Reinheit von 99,99 % erhalten werden. Beim elektrolytischen Verfahren wird das ZnO in verd. Schwefelsäure gelöst. Die edleren Verunreinigungen, darunter auch Cd, werden mit Zinkstaub ausgefällt. Die Elektrolyse wird mit Al-Kathoden und Pb-Anoden und einer Spannung von ca. 3,5 V durchgeführt. Die Abscheidung des unedlen Zinks ist auf Grund der Überspannung von Wasserstoff am Zink möglich. Allerdings müssen die Zinksalzlösungen sehr rein sein. Bei Verwendung von Quecksilberkathoden ist die Hochreinigung der Zinksalzlösungen nicht erforderlich. Zink wird überwiegend elektrolytisch hergestellt, seine Reinheit ist 99,99 %. Sowohl beim thermischen als auch beim elektrolytischen Verfahren der Zinkherstellung erhält man Cadmium. Die Feinreinigung erfolgt elektrolytisch analog der Zinkelektrolyse. Quecksilber erhält man durch Rösten von Zinnober. HgS C O2 $% Hg C SO2 Das Quecksilber entweicht dampfförmig und wird kondensiert. Eine Feinreinigung kann durch Waschen mit verd. Salpetersäure und anschließende Vakuumdestillation erfolgen.
5.9.5 Verwendung Zinkblech wird für Dächer, Dachrinnen und Trockenbatterien verwendet, Zinkstaub als Reduktionsmittel, z. B. in der Metallurgie zur Gewinnung von Metallen (Cd, Ag,
762
5 Die Elemente der Nebengruppen
Au). Als Zinküberzug über Eisenteile schützt es diese wirksam vor Korrosion und bildet im Gegensatz zu Sn oder Ni keine Lokalelemente (vgl. S. 367). Die Schutzschichten werden durch Eintauchen in flüssiges Zn (Feuerverzinken) oder galvanisch aufgebracht (siehe auch unter Phosphatierung). Bei hohen SO2-Gehalten der Luft korrodiert Zn, da die Entstehung von passivierenden Schichten auf Zn durch die Bildung von löslichem ZnSO4 verhindert wird. Zink wird für Legierungen benötigt. Cu-Zn-Legierungen (Messing) wurden bereits beim Cu besprochen. Außerdem sind Zn-Al-Legierungen technisch wichtig. Legierungen mit ca. 20 % Al sind bei höherer Temperatur (270 (C) plastisch, aber bei Raumtemperatur hart wie Stahl. Titanzink ist eine Zinklegierung mit 0,15 % Ti und 0,15 % Cu, die eine große Korrosionsbeständigkeit und Festigkeit mit geringer Wärmeausdehnung und guter Bearbeitbarkeit vereinigt. Sie eignet sich für Dach- und Fassadenverkleidungen. Elektrolytisch auf Eisenteile aufgebrachte Schutzschichten von Cadmium sind beständiger gegen Alkalien und Seewasser als Zinküberzüge und obwohl teurer in manchen Fällen ökonomischer. Wegen des hohen Neutronenabsorptionsquerschnitts wird Cadmium für Regelstäbe zur Steuerung von Kernreaktoren eingesetzt. Cadmium ist Bestandteil niedrig schmelzender Legierungen, z. B. des Woodschen Metalls (vgl. S. 469). Quecksilber wird vielfältig verwendet: für wissenschaftliche Geräte (Thermometer, Barometer), Quecksilberdampflampen (hohe UV-Anteile des emittierten Lichts), als Kathodenmaterial bei der Alkalichloridelektrolyse und bei der Zn-Herstellung sowie als Extraktionsmittel bei der Goldgewinnung. Natriumamalgam wird als Reduktionsmittel benutzt. Silberamalgam findet in der Zahnmedizin Verwendung (Amalgamplomben).
5.9.6 Zinkverbindungen (d10) Alle wichtigen Zinkverbindungen enthalten Zink in der Oxidationsstufe C2. Sie sind farblos und diamagnetisch. Die meisten Zinksalze sind leicht löslich, sie reagieren schwach sauer, da das [Zn (H2O)6]2C-Ion eine Brönsted-Säure ist (pKS Z 9,8). Die bevorzugte Koordination ist tetraedrisch, häufig auch oktaedrisch. Zinkhydroxid Zn (OH)2. Aus Lösungen, die Zn2C-Ionen enthalten, fällt mit OHKIonen Zn (OH)2 als weißer gelatinöser Niederschlag aus. Zn (OH)2 ist amphoter. In Säuren löst es sich unter Bildung von [Zn (H2O)6]2C-Ionen, in konz. Basen unter Bildung von Hydroxozincat-Ionen [Zn (OH)4]2K. Zn (OH)2 ist in NH3 unter Bildung des Komplexes [Zn (NH3)4]2C löslich. Zinkoxid ZnO (Smp. 1975 (C) entsteht durch Entwässerung von Zn (OH)2 oder durch thermische Zersetzung von ZnCO3. Technisch wird es durch Oxidation von Zinkdampf an der Luft hergestellt. Zn C
1 2 O2
$% ZnO
ΔH+ Z K348 kJ.mol
Es kristallisiert im Wurtzit-Typ. Beim Erhitzen ändert das weiße ZnO oberhalb 425 (C seine Farbe reversibel nach gelb. Die Farbe ist auf Gitterdefekte zurückzufüh-
5.9 Gruppe 12
763
ren. Durch Sauerstoffabgabe entsteht ein kleiner Zinküberschuss, die Zinkatome besetzen Oktaederlücken des Gitters (vgl. S. 728). C3 Mit vielen Metalloxiden bildet ZnO die Doppeloxide ZnMe2O4 (Me Z Al, Co, Cr, Fe, Ga, Mn, V), die im Spinellgitter kristallisieren. Der grün-schwarze Spinell ZnCo2O4 wird vielfach fälschlicherweise als Rinmans Grün bezeichnet. Tatsächlich ist Rinmans Grün ein Mischkristall von ZnO mit bis zu 30 % CoO, d. h. ein nichtstöchiometrisches Co-dotiertes Zinkoxid der Formel ZnxCo1KxO mit hexagonaler ZnO(Wurtzit-)Struktur. Rinmans Grün erhält man z. B. beim Erhitzen von ZnO, das mit einer sehr verdünnten Lösung von Co (NO3)2 getränkt wurde oder durch gemeinsame Ausfällung der basischen Carbonate aus einer wässrigen Lösung der Nitrate von Zn2C und Co2C und Erhitzen auf 200 (C. Verwendung findet ZnO als Pigment in Anstrichfarben (Zinkweiß), in der Keramikindustrie, für Emaille und als Zusatzstoff für Gummi. In der Medizin wird es wegen der antiseptischen und adstringierenden Wirkung in Pudern und Salben (Zinksalbe) verwendet. Zinksulfid ZnS (Sblp. 1 180 (C, Smp. bei 150 bar 1 850 (C) ist dimorph; es kristallisiert in der Zinkblende- und in der Wurtzit-Struktur. 1 020 (C
1ddd Wurtzit Zinkblende ddd/ Man erhält ZnS durch Einleiten von H2S in Zinksalzlösungen bei pH R 3, bei kleineren pH-Werten löst es sich. ZnS wird als Weißpigment verwendet, im Gemisch mit BaSO4 unter dem Namen Lithopone (vgl. S. 611). ZnS emittiert beim Bestrahlen mit energiereicher Strahlung (UV, γ-Strahlen, Kathodenstrahlen) sichtbares Licht. Dotierungen (etwa 1 : 104) mit Cu- oder Ag-Verbindungen verbessern den Effekt und wirken als farbgebende Komponente (Verwendung für Fluoreszenzschirme, Fernsehbildschirme, Leuchtfarben). Für das Farbfernsehen werden die Leuchtstoffe ZnS: Cu, Au, Al (grün), ZnS: Ag (blau) und Y2O2S: Eu (rot) verwendet. Zinkhalogenide. ZnF2 (Smp. 872 (C) ist ionogen und kristallisiert in der RutilStruktur. Bei den anderen Zinkhalogeniden sind die Zn2C-Ionen tetraedrisch koordiniert, die Bindungen überwiegend kovalent, die Schmelzpunkte wesentlich niedriger, die Löslichkeiten wesentlich höher (ZnCl2: Smp. 275 (C, in Wasser lösen sich bei 25 (C 31,7 mol.l). Die Darstellung kann durch Auflösen von Zn in Halogenwasserstoffsäuren erfolgen. Zn C 2 HX $% ZnX2 C H2
(X Z F, Cl, Br, I)
Die entstehenden Hydrate werden im Hydrogenhalogenidstrom entwässert, da sich sonst basische Salze bilden, z. B. Zn (OH)Cl. Mit Alkalimetall- und ErdalkalimetallC1
halogeniden bilden die Zinkhalogenide Komplexsalze, zum Beispiel Me2ZnX4 (X Z F, Cl, Br). Der stabile Tetracyanokomplex [Zn (CN)4]2K (lg β Z 20) ist in der Galvanotechnik wichtig; aus CNK-haltigen Zn-Lösungen erhält man sehr fest haftende Zn-Überzüge.
764
5 Die Elemente der Nebengruppen
ZnF2 und ZnCl2 dienen als Holzschutzmittel (Zink ist ein starkes Gift für Mikroorganismen). ZnCl2 ist stark hygroskopisch und wird in der präparativen Chemie als Wasser abspaltendes Mittel verwendet. Zinksulfat ZnSO4 ist das technisch wichtigste Zinksalz. Es entsteht durch Auflösen von Zinkschrott oder von oxidischen Zinkerzen in verdünnter Schwefelsäure. Aus wässrigen Lösungen kristallisiert es bei Raumtemperatur als Zinkvitriol [Zn (H2O)6]SO4 · H2O aus.
5.9.7 Cadmiumverbindungen (d10) Cd (OH)2 löst sich in Säuren und in sehr starken Basen (als [Cd (OH)4]2K). In NH3 löst es sich analog zu Zn (OH)2 unter Bildung des Komplexions [Cd (NH3)6]2C. CdO (Sblp. 1559 (C) kristallisiert in der NaCl-Struktur, CdF2 (Smp. 1 110 (C) in der Fluorit-Struktur. CdCl2, CdBr2 und CdI2 kristallisieren in Schichtstrukturen, in denen Cd2C oktaedrisch koordiniert ist (Abb. 2.58). Mit Halogeniden bilden sich die Halo2K genokomplexe CdXK 3 und CdX4 . CdS wird als gelbes Pigment (Cadmiumgelb) verwendet. Durch CdSe-Zusatz erhält man ein rotes Pigment (Cadmiumrot). Diese Cadmiumpigmente können durch feste Lösungen der Perowskite CaTaO2N und LaTaON2 ersetzt werden. Sie enthalten keine toxischen Schwermetalle. Die Farben rot bis gelb sind durch das O.N-Verhältnis bestimmt. CdS ist photoleitend (Verwendung für Belichtungsmesser). Cadmiumsalze neigen stärker zur Komplexbildung als Zinksalze. Die Koordination ist hauptsächlich oktaedrisch daneben tetraedrisch. [Cd (CN)4]2L (lg β Z 19) wird, wie der entsprechende Zinkkomplex, in der Galvanotechnik verwendet. Mit H2S fällt aus [Cd (CN)4]2K CdS aus, aus dem stabileren Komplex [Cu (CN)4]3K dagegen kein Kupfersulfid.
5.9.8 Quecksilberverbindungen 5.9.8.1 Quecksilber (I)-Verbindungen Quecksilber (I)-Salze enthalten immer das dimere Ion Hg2C mit einer kovalenten 2 HgdHg-Bindung. Quecksilber betätigt also auch in der Oxidationsstufe C1 beide Valenzelektronen und die Hg (I)-Verbindungen sind daher diamagnetisch. Die Neigung zur Komplexbildung ist beim Hg (I) gering. Zum Verständnis der Chemie von Hg (I) ist die Kenntnis der folgenden Potentiale erforderlich: K 2 Hg # Hg2C 2 C2e Hg2C # 2 Hg2C C 2 eK 2 Hg # Hg2C C 2 eK
E( Z C0,79 V E( Z C0,91 V E( Z C0,85 V
Für das Disproportionierungsgleichgewicht Hg2C # Hg C Hg2C 2
ist
KZ
cHg2C z 10K 2 cHg22 C
ΔE Z K 0,12 V
5.9 Gruppe 12
765
Zur Oxidation von Hg zu Hg (I) sind also nur Oxidationsmittel geeignet, deren Potentiale zwischen C0,79 V und C0,85 V liegen. Alle gebräuchlichen Oxidationsmittel haben höhere Potentiale und oxidieren Hg daher zu Hg (II). In Gegenwart von überschüssigem Hg aber bildet sich Hg (I), da, wie die Gleichgewichtskonstante des ist Disproportionierungsgleichgewichts zeigt, Hg2C durch Hg reduziert wird. Hg2C 2 also hinsichtlich der Disproportionierung stabil, aber alle Stoffe, die die Konzentration von Hg2C stark herabsetzen (durch Fällung oder Komplexbildung), bewirken eine Disproportionierung von Hg2C 2 . Die Zahl stabiler Hg (I)-Verbindungen ist dadurch eingeschränkt. Typische Reaktionen sind: K Hg2C $% Hg C HgO C H2O 2 C 2 OH 2K 2C $% Hg C HgS Hg2 C S K Hg2C $% Hg C Hg (CN)2 2 C 2 CN
Hg (CN)2 ist zwar nicht schwer löslich, aber sehr schwach dissoziiert. Mit NH3 und SCNK erhält man entsprechende Reaktionen. Quecksilber (I)-Halogenide. Mit Ausnahme von Hg2F2 sind die Hg (I)-Halogenide schwer löslich. Hg2I2 ist gelb, die anderen Verbindungen sind farblos. Die Hg (I)Halogenide sind lichtempfindlich. Sie sind linear aufgebaut (sp-Hybridisierung), die Bindung ist überwiegend kovalent. Hg2Cl2 besteht in allen Phasen aus den Molekülen Cl d Hg d Hg d Cl. Es entsteht durch Reduktion von HgCl2-Lösungen mit SnCl2 in der Kälte. 2 HgCl2 C SnCl2 $% Hg2Cl2 C SnCl4 Für die Präparation eignet sich die Reaktion von Hg (I)-Lösungen mit Halogenwasserstoffsäuren. Hg2 (NO3)2 C 2 HX $% Hg2X2 C 2 HNO3
(X Z Cl, Br, I)
Hg2Cl2 reagiert mit Ammoniak unter Disproportionierung. Hg2Cl2 C 2 NH3 $% Hg C HgNH2Cl C NH4Cl Da durch das fein verteilte Hg Schwarzfärbung erfolgt, nennt man Hg2Cl2 Kalomel (schön schwarz). Die Kalomelelektrode (Aufbau: Hg.Hg2Cl2.ClK) ist eine Bezugselektrode (vgl. S. 352). Disproportionierung von Hg (I)-Halogeniden erfolgt auch durch Bildung stabiler Komplexe mit überschüssigem Halogen. Hg2I2 C 2 IK $% Hg C [HgI4]2K Quecksilber (I)-nitrat Hg2 (NO3)2 entsteht aus Hg und verd. Salpetersäure. Es ist eine der wenigen leicht löslichen Hg (I)-Verbindungen. Hg2 (NO3)2 reagiert infolge Hydrolyse sauer. Beim Eindampfen bilden sich basische Nitrate.
766
5 Die Elemente der Nebengruppen
5.9.8.2 Quecksilber (II)-Verbindungen In den Hg (II)-Verbindungen sind mit Ausnahme von HgF2 die Bindungen überwiegend kovalent. Viele Hg (II)-Verbindungen sind schwer löslich, in Lösungen liegen sie weit gehend molekular gelöst vor. Wegen des schwach basischen Charakters der nicht isolierbaren Base Hg (OH)2 hydrolysieren sie und sind daher nur in sauren Lösungen stabil. Hg (II) bildet zahlreiche Komplexe mit linearer, tetraedrischer und selten oktaedrischer Koordination. Beispiele dafür sind: [Hg (NH3)2]2C, [HgI4]2K, [Hg (en)3]2C. Quecksilber (II)-oxid HgO. Beim Erhitzen an der Luft auf 300K350 (C erhält man orthorhombisches rotes HgO, das oberhalb 400 (C wieder zerfällt. Der Sauerstoffpartialdruck erreicht bei 450 (C 1 bar. 300K350 (C
dddd/ HgO Hg C 21 O2 1dddd ( 400 C
Aus Hg (II)-Salzlösungen erhält man mit Basen in der Kälte gelbes HgO, das sich beim Erhitzen rot färbt. Der Farbunterschied kommt durch unterschiedliche Korngrößen zustande. Ganz allgemein werden die Farben bei kleineren Teilchen heller. Das orthorhombische HgO ist aus Zickzackketten aufgebaut.
Metastabiles hexagonales HgO ist isotyp mit Zinnober. Quecksilber (II)-sulfid HgS. In der Natur kommt roter, hexagonaler Zinnober vor. Das Kristallgitter ist aus schraubenförmigen d Hg d S d Hg d S-Ketten aufgebaut, die ein verzerrtes Steinsalzgitter bilden. Aus Hg (II)-Salzlösungen fällt mit H2S schwarzes HgS (L Z 10K54) aus, das in der Zinkblende-Struktur kristallisiert. Mit Polysulfidlösungen kann es unter Erwärmen in stabiles, rotes HgS umgewandelt werden. Schwarzes HgS löst sich als Thiokomplex, daraus fällt das schwerer lösliche rote HgS aus. Zinnoberrot wird als Farbpigment verwendet. Da es nachdunkelt, bevorzugt man jetzt aber Cadmiumrot. Quecksilber (II)-sulfat HgSO4 erhält man aus Hg und konz. Schwefelsäure. Hg C 2 H2SO4 $% HgSO4 C SO2 C 2 H2O Es kann nur aus schwefelsaurer Lösung auskristallisiert werden, da sich in wässriger Lösung schwer lösliches basisches Quecksilbersulfat bildet. 3 HgSO4 C 2 H2O $% HgSO4 · 2 HgO C 2 H2SO4 Quecksilber (II)-Halogenide. Die Darstellung kann durch Reaktion von HgO mit Halogenwasserstoffsäuren oder durch Umsetzung von HgSO4 mit Alkalimetallhalogeniden erfolgen.
5.9 Gruppe 12 +
300 C
HgSO4 C 2 NaX $$$$% Na2SO4 C HgX2
767
(X Z Cl , Br)
Quecksilber (II)-fluorid HgF2 (Smp. 645 (C) ist ionogen aufgebaut und kristallisiert in der Fluorit-Struktur. Es ist ein Fluorierungsmittel und hydrolysiert in wässrigen Lösungen. Quecksilber (II)-chlorid HgCl2 (Sublimat) ist weiß, schmilzt schon bei 280 (C, siedet bei 303 (C und ist gut löslich (6,6 g in 100 ml Wasser bei 25 (C). Bei der Darstellung aus HgSO4 mit NaCl sublimiert es. Es kristallisiert in einem Molekülgitter, in dem wie im Dampfzustand und in wässriger Lösung lineare Moleküle Cl d Hg d Cl mit kovalenten Bindungen vorliegen. Die Dissoziation in wässriger Lösung ist gering. Mit ClK-Ionen werden die Komplexe [HgCl3]K und [HgCl4]2K gebildet. HgCl2 ist sehr giftig, 0,2K0,4 g sind letal. Quecksilber (II)-iodid HgI2 (Smp. 257 (C, Sdp. 351 (C) kann man wegen seiner Schwerlöslichkeit (6 · 10K3 g in 100 ml Wasser bei 25 (C) nach HgCl2 C 2 KI $% HgI2 C 2 KCl darstellen. HgI2 ist dimorph. 127 (C
HgI2 dd/ 1dd HgI2
rot
gelb
Die reversible Farbänderung bei einer bestimmten Temperatur nennt man Thermochromie (optische Thermometer). Reversible Farbänderungen zeigen auch zwei Iodomercurate (II). 35 (C
Ag2HgI4 dd/ 1dd Ag2HgI4 gelb
orangerot
70 (C
Cu2HgI4 dd/ 1dd Cu2HgI4 rot
schwarz
Im Dampfzustand liegen isolierte HgI2-Moleküle vor, ebenso im Molekülgitter des gelben HgI2. Rotes HgI2 kristallisiert in einer Schichtstruktur mit tetraedrischer Koordination der Hg-Atome. Im Überschuss von KI löst sich HgI2 unter Bildung des tetraedrischen Komplexions [HgI4]2K. HgI2 C 2 KI $% K2 [HgI4] Die alkalische Lösung des Komplexsalzes dient unter dem Namen „Neßlers Reagenz“ zum Nachweis von NH3 (vgl. unten). Quecksilber (II)-cyanid Hg (CN)2 ist sehr giftig. Es ist in Wasser löslich. Wegen seiner minimalen elektrolytischen Dissoziation zeigt es keine der normalen Reaktionen von Hg2C, mit Ausnahme der Fällung von HgS, das ein extrem kleines Löslichkeitsprodukt besitzt. Es ist aus linearen Molekülen N ^ CdHgdC ^ N aufgebaut. Mit CNK bildet sich der tetraedrische Komplex [Hg (CN)4]2K. Die Stabilität der analogen Komplexe [HgX4]2K wächst von ClK in Richtung CNK.
768
5 Die Elemente der Nebengruppen
X
lg β von [HgX4]2K
ClK BrK IK CNK
15 21 32 42
Quecksilber (II)-Stickstoffverbindungen. Aus HgCl2 und Ammoniak entstehen je nach Reaktionsbedingung verschiedene Reaktionsprodukte. Mit gasförmigem Ammoniak bildet sich das weiße „schmelzbare Präzipitat“ (Smp. 300(C). HgCl2 C 2 NH3 $% [Hg (NH3)2] Cl2 Im festen Zustand und in der Lösung liegt der lineare Diamminkomplex 4
4
[H3NdHgdNH3] vor. Mit verd. NH3-Lösung entsteht das weiße Amidochlorid, das sich beim Erhitzen zersetzt („unschmelzbares Präzipitat“). K HgCl2 C 2 NH3 $% [HgNH2] Cl C NHC 4 C Cl
Es bildet sich auch aus Hg2Cl2 mit NH3 durch Disproportionierung. [HgNH2]C hat eine Zickzackkettenstruktur.
Im Kristall werden die Ketten durch ClK-Ionen zusammengehalten. Aus HgO erhält man mit konz. NH3-Lösung das Dihydrat der Millon’schen Base. 2 HgO C NH3 C H2O $% [Hg2N] OH · 2 H2O Von ihr leiten sich Salze des Typs [Hg2N]X · nH2O (X Z Cl, Br, I, NO3) ab. Beim Kochen einer ammoniakalischen Lösung von [HgNH2]Cl entsteht z. B. das Chlorid. 2 [HgNH2] Cl $% [Hg2N] Cl C NH4Cl Aus Neßlers Reagenz K2[HgI4] entsteht mit NH3 ein orangefarbiger Niederschlag von [Hg2N] I. [Hg2N]C besitzt eine dem Cristobalit analoge Raumnetzstruktur.
5.10 Gruppe 3
769
Hg ist linear, N tetraedrisch koordiniert. Die Anionen und die Wassermoleküle sind in den Kanälen des Gitters eingelagert. Die Verbindungen können als Ionenaustauscher fungieren.
5.10 Gruppe 3 5.10.1 Gruppeneigenschaften
Ordnungszahl Z Elektronenkonfiguration 1. Ionisierungsenergie in eV 2. Ionisierungsenergie in eV 3. Ionisierungsenergie in eV Elektronegativität Schmelzpunkt in (C Siedepunkt in (C Sublimationsenthalpie in kJ.mol Standardpotential Me.Me3C in V Ionenradius Me3C in pm
Scandium Sc
Yttrium Y
Lanthan La
21 [Ar]3d1 4s2 6,5 12,8 24,7 1,2 1539 2832 376 K2,08 75
39 [Kr]4d1 5s2 6,4 12,2 20,5 1,1 1552 3337 422 K2,37 90
57 [Xe]5d1 6s2 5,6 11,4 19,2 1,1 920 3454 431 K2,52 103
Die Metalle der Gruppe 3 treten auf Grund ihrer Elektronenkonfiguration ausschließlich in der Oxidationsstufe C3 auf. Die Me3C-Ionen haben Edelgaskonfiguration und sind daher diamagnetisch und farblos. Es bestehen Ähnlichkeiten zur Chemie des Aluminiums. Dies gilt besonders für Scandium, das wie Aluminium amphoter ist. Scandium, Yttrium und Lanthan werden zusammen mit den Lanthanoiden als Seltenerdmetalle bezeichnet. Wegen der ähnlichen Ionenradien besteht eine enge chemische Beziehung zu den Lanthanoiden. In der Natur kommen sie zusammen mit diesen vor. Die Metalle sind unedel und reaktionsfreudig. Die Zunahme der Ionenradien hat eine zunehmende Basizität der Hydroxide zur Folge. Sc (OH)3 ist amphoter, La (OH)3 eine ziemlich starke Base. Die Scandiumsalze sind daher stärker hydrolytisch gespalten und leichter thermisch zersetzbar. Die Fluoride, Sulfate, Oxalate und Carbonate der Metalle der Gruppe 3 sind schwer löslich. Die Neigung zur Bildung von Komplexverbindungen ist gering. Actinium Ac ist radioaktiv und kommt als radioaktives Zerfallsprodukt des Urans in der Pechblende vor. Das längstlebige Isotop 227 89Ac hat eine Halbwertszeit von 22 Jahren. Chemisch ist Ac dem La sehr ähnlich und wie zu erwarten basischer als dieses.
770
5 Die Elemente der Nebengruppen
5.10.2 Die Elemente Im elementaren Zustand kristallisieren Scandium, Yttrium und Lanthan in typischen Metallstrukturen. Von Lanthan sind 3 Modifikationen bekannt. α-La
hexagonaldichte Packung
+
310 C
$$$
%$β-La
kubischflächenzentriert
+
864 C
$$$
%$γ-La
kubischraumzentriert
Es sind silberweiße, duktile Metalle. Scandium und Yttrium sind Leichtmetalle. Die Metalle der Gruppe 3 sind unedler als Aluminium und reagieren dementsprechend mit Säuren unter Wasserstoffentwicklung. In der Atmosphäre und in Wasser sind sie beständig, da sich passivierende Deckschichten bilden.
5.10.3 Vorkommen Die Elemente der Scandiumgruppe sind nicht selten, sondern ebenso häufig wie Zink und Blei (Massenanteil in der Erdkruste in %: Y, La 2 · 10K3, Sc 5 · 10K4), aber sie sind wesentlich seltener in Lagerstätten angereichert. Es gibt nur wenige wichtige Mineralien: Thortveitit (Y, Sc)2 [Si2O7], Gadolinit Be2Y2Fe [Si2O8]O2, Xenotim YPO4. Es gibt keine Lanthanmineralien, sondern La kommt immer zusammen mit den auf das La folgenden Lanthanoiden vor, vor allem als Begleiter des Cers. Im Monazit (Me, Th)PO4 ist der Massenanteil der Seltenerdmetalle Me mit Z Z 57K63 (Ceriterden) 50K70 %, der des Lanthans 15K25 %.
5.10.4 Darstellung und Verwendung Alle Metalle können durch Reduktion der Fluoride mit Ca oder Mg hergestellt werden. 2 LaF3 C 3 Ca $% 2 La C 3 CaF2 Die Abtrennung von den Lanthanoiden wird dort beschrieben (vgl. S. 781). Mg-Sc-Legierungen werden in der Kerntechnik als Neutronenfilter verwendet. In Magnetspeichern erhöht eine Dotierung mit Sc2O3 die schnelle Ummagnetisierung und ermöglicht hohe Rechengeschwindigkeiten. Rohre aus Yttrium dienen in der Kerntechnik zur Aufnahme von Uranstäben, da sie beständig gegen flüssiges Uran und Uranlegierungen sind. Yttriumverbindungen werden in großen Mengen in der Farbfernsehtechnik als Farbkörper (rote Fluoreszenz) benötigt. Eine Co-Y-Legierung ist ein hervorragendes Material für Permanentmagnete. Flüssiges Lanthan dient zur Extraktion von Plutonium aus geschmolzenem Uran. Außerdem dient Lanthan zur Herstellung von Speziallegierungen, La2O3 zur Herstellung von Spezialgläsern.
5.10 Gruppe 3
771
5.10.5 Scandiumverbindungen Die Scandiumverbindungen ähneln den Aluminiumverbindungen. Scandiumfluorid ScF3 ist in Wasser schwer löslich, die Halogenide ScX3 (X Z Cl, Br, I) sind hygroskopisch und leicht löslich. Wie wasserfreies AlCl3, erhält man wasserfreies ScCl3 durch Entwässerung des Hexahydrats ScCl3 · 6 H2O nur im HCl-Strom, da sich sonst basische Salze bilden. Mit Halogeniden bilden sich die Halogenokomplexe [ScF6]3K und [ScCl6]3K. Bei der Oxidation von Sc bei 800 (C oder durch Glühen von Sc-Salzen entsteht Scandiumoxid Sc2O3 (Smp. 3 100 (C) als weißes Pulver. Mit Erdalkalimetalloxiden bildet es die Doppeloxide MeSc2O4 (Me Z Mg, Ca, Sr). Scandiumhydroxid Sc (OH)3 (L Z 10K28) ist eine schwache Base und weniger amphoter als Al (OH)3. Nur in konz. NaOH-Lösungen löst es sich unter Bildung von Na3 [Sc (OH)6]. Mit HNO3 und H2SO4 erhält man aus Sc (OH)3 die farblosen Salze Sc (NO3)3 · 4 H2O und Sc2 (SO4)3 · 6 H2O. In wässriger Lösung sind die Sc-Salze wie die Al-Salze Kationensäuren.
5.10.6 Yttriumverbindungen Sie ähneln weit gehend den Scandiumverbindungen. Y(OH)3 (L Z 8 · 10K23) ist stärker basisch und besser löslich als Sc (OH)3. Yttriumnitrat kristallisiert aus wässriger Lösung als Hexahydrat Y(NO3)3 · 6 H2O, Yttriumsulfat als Octahydrat Y2 (SO4)3 · 8 H2O.
5.10.7 Lanthanverbindungen Lanthanfluorid LaF3 (Smp. 1 493 (C) ist in Wasser schwer löslich. Es existieren die Fluorokomplexe [LaF4]K und [LaF6]3K. Lanthanchloridheptahydrat LaCl3 · 7 H2O ist leicht löslich. Wasserfreies LaCl3 (Smp. 852 (C) ist sehr hygroskopisch. Es bildet den Chlorokomplex [LaCl6]3K. Lanthanoxid La2O3 (Smp. 2 750 (C) erhält man beim Erhitzen von La (OH)3 oder durch Verbrennung von Lanthan. Frisch hergestellt reagiert es ähnlich wie CaO heftig mit Wasser und absorbiert CO2 der Luft. Hochgeglüht wird es als Tiegelmaterial verwendet. Lanthanhydroxid La (OH)3 (L Z 10K20) ist eine starke Base und setzt aus Ammoniumsalzen NH3 frei. Mit CO2 reagiert es zu La2 (CO3)3. Das Oxalat La2 (C2O4)3 · 9 H2O ist schwer löslich. In einigen Verbindungen besitzt Lanthan hohe Koordinationszahlen, zum Beispiel die KZ 10 in [La (H2O)4 (EDTA)]K.
772
5 Die Elemente der Nebengruppen
5.11 Die Lanthanoide 5.11.1 Gruppeneigenschaften Als Lanthanoide (Ln) bezeichnet man die Elemente Lanthan bis Lutetium, also Lanthan und die folgenden 14 Elemente (Tabelle 5.9). Alle Lanthanoide sind Metalle. Für Scandium, Yttrium und die Lanthanoide ist der Begriff Seltenerdmetalle gebräuchlich. Bei den Lanthanoiden werden die 4f-Niveaus besetzt, die N-Schale wird auf die Maximalzahl von 32 Elektronen aufgefüllt. Da die 6s-, 5d- und 4f-Niveaus sehr ähnliche Energien haben, ist die Auffüllung unregelmäßig. Die Elektronenkonfigurationen sind in der Tabelle 5.9 angegeben. Sie zeigen die Bevorzugung der halb gefüllten (4f7) und der vollständig aufgefüllten (4f14) 4f-Unterschale. Tabelle 5.9 Elektronenkonfigurationen der Lanthanoide (Ln) Ordnungszahl Z
Name
Symbol
Elektronenkonfiguration Atom Ion Ln3C
Grundterm der Ln3C-Ionen1
57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
Lanthan Cer Praseodym Neodym Promethium Samarium Europium Gadolinium Terbium Dysprosium Holmium Erbium Thulium Ytterbium Lutetium
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu
5d1 6s2 4f2 6s2 4f3 6s2 4f4 6s2 4f5 6s2 4f 6 6s2 4f7 6s2 4f7 5d1 6s2 4f9 6s2 4f10 6s2 4f11 6s2 4f12 6s2 4f13 6s2 4f14 6s2 4f14 5d1 6s2
1S0 F5.2 3 H4 4 I9.2 5 I4 6 H5.2 7 F0 8 S7.2 7 F6 6 H15.2 5 I8 4 I15.2 3 H6 2 F7.2 1 S0
1
[Xe] 4f1 4f2 4f3 4f4 4f5 4f 6 4f7 4f8 4f9 4f10 4f11 4f12 4f13 4f14
2
Die Grundterme der Atome sind in der Tabelle 2, Anhang 2 angegeben.
Da bei den Lanthanoiden die drittäußerste Schale aufgefüllt wird, ändert ein neu hinzukommendes Elektron die Eigenschaften wenig, und die Lanthanoide sind daher untereinander sehr ähnlich. Alle Lanthanoide kommen in der Oxidationsstufe C3 vor. Die Elektronenkonfigurationen der Ln3C-Ionen enthält die Tabelle 5.9. Da die Ln3C-Ionen ähnliche Radien wie Sc3C und insbesondere Y3C haben, besteht weit gehende chemische Verwandtschaft zwischen den Elementen der Gruppe 3 und den Lanthanoiden. Die kristallchemische Verwandtschaft führt zu einer mineralogischen Vergesellschaftung (vgl. S. 780). Promethium ist radioaktiv und kommt in der Natur nur in Spuren vor. Es wird künstlich hergestellt.
5.11 Die Lanthanoide
773
Die Metalle sind silberglänzend, unedel, reaktionsfreudig und an der Luft anlaufend. Sie kristallisieren K mit Ausnahme von Samarium und Europium, das kubischraumzentriert vorkommt K in dichten Packungen. Die physikalischen Eigenschaften sind überwiegend periodisch. Die Dichten (Abb. 5.58), Schmelzpunkte (Abb. 5.59) und Sublimationsenthalpien ΔHs (Abb. 5.60) haben Minima, die Atomradien (Abb. 5.61) Maxima bei Europium und Ytterbium. Im metallischen Zustand liefern
Abbildung 5.58 Dichten der Lanthanoide.
Abbildung 5.59 Schmelzpunkte der Lanthanoide.
774
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.60 Sublimationsenthalpien ΔHs der Lanthanoide.
Abbildung 5.61 Atomradien der Lanthanoide.
die Lanthanoidatome normalerweise drei Elektronen zum Elektronengas des Metallgitters, die Europium- und Ytterbiumatome jedoch nur zwei. Sie erreichen dadurch in ihren Ionenrümpfen die stabile f 7- bzw. f 14-Konfiguration. Die verringerte Anzie-
5.11 Die Lanthanoide
775
hung zwischen Elektronengas und Metallionen beim Europium und Ytterbium bewirkt ihre Ausnahmestellung. Die Standardpotentiale Ln.Ln3C (Abb. 5.62) sind stark negativ. Sie ändern sich kontinuierlich von K2,48 V beim Cer auf K2,25 V beim Lutetium. Die Metalle sind daher kräftige Reduktionsmittel K von der Stärke des Magnesiums K und reagieren mit Wasser und Säuren unter Wasserstoffentwicklung. Mit den meisten Nichtmetallen reagieren sie bei erhöhter Temperatur.
3C Abbildung 5.62 Standardpotentiale E( der Lanthanoide für das Redoxsystem Ln # Ln K C 3e . Die Standardpotentiale nehmen mit Z kontinuierlich zu, die leichten Lanthanoide sind also unedler. Alle Lanthanoide sind aber ähnlich unedle Metalle wie die Metalle der 3. und der 2. Gruppe.
Beispiele:
+
O 200 C
2 Ln C 3 X2 $$$$$% 2 LnX3 +
O 150 C
4 Ln C 3 O2 $$$$$% 2 Ln2O3 2 Ln C N2
+
1 000 C
$$$$$% 2 LnN
(X Z F , Cl , Br, I)
776
5 Die Elemente der Nebengruppen
5.11.2 Verbindungen mit der Oxidationszahl C3 Die Radien der Ln3C-Ionen nehmen auf Grund der schrittweisen Zunahme der Kernladung mit zunehmender Ordnungszahl kontinuierlich ab (Lanthanoid-Kontraktion) (Abb. 5.63). Die Lanthanoid-Kontraktion bewirkt, dass die Atomradien und Ionenradien solcher Elementhomologe, zwischen denen die Lanthanoide stehen, sehr ähnlich sind. Dies gilt besonders für die Paare Zr.Hf, Nb.Ta, Mo.W. Die zu erwartende Zunahme der Radien in einer Gruppe wird durch die Lanthanoid-Kontraktion gerade ausgeglichen. Für die Lanthanoide selbst hat die Lanthanoid-Kontraktion die regelmäßige Änderung einiger Eigenschaften zur Folge.
Abbildung 5.63 Ionenradien der Lanthanoide. Mit zunehmender Ordnungszahl nehmen die Ionenradien der Lanthanoide kontinuierlich um 19 pm ab (Lanthanoid-Kontraktion). Die Lanthanoid-Kontraktion bewirkt die große Ähnlichkeit der 4d- und 5d-Elemente der Nebengruppen.
Die Hydratationsenthalpien der Ln3C-Ionen nehmen mit Z zu. Die Aquakomplexe sind Kationensäuren, die umso stärker sauer wirken, je kleiner das Ln3C-Ion ist. Für die Aquakationen [Ln (H2O)n]3C werden Koordinationszahlen bis n Z 8 gefunden. Die Löslichkeit und die Basizität der Hydroxide Ln (OH)3 nehmen mit Z ab. Die am stärksten basischen Hydroxide ähneln in der Basizität dem Ca (OH)2. Nur Yb (OH)3 und Lu (OH)3 zeigen bereits etwas amphoteren Charakter, sie bilden mit konz. Natronlauge die Verbindungen Na3Yb (OH)6 und Na3Lu (OH)6. Die Salze der Lanthanoide hydrolysieren wenig. Entsprechend der abnehmenden Basizität nimmt auch die thermische Beständigkeit z. B. der Nitrate und Carbonate mit Z ab. Die Chemie der Ln3C-Ionen ähnelt der des Scandiums und Yttriums. Die Trifluoride sind in Wasser und in verdünnten Säuren schwer löslich. Die Chloride, Bromide
5.11 Die Lanthanoide
777
und Iodide sind leicht löslich, aus den Lösungen lassen sich Hydrate abscheiden. Die Perchlorate, Nitrate und Sulfate sind gut bis mäßig löslich, die Carbonate, Phosphate und Oxalate schwer löslich. Die Neigung zur Komplexbildung ist nur gering. Alle Ln3C-Ionen bilden aber z. B. mit EDTA (1 : 1)-Komplexe. Im magnetischen und spektralen Verhalten unterscheiden sich die f-Elemente grundlegend von den d-Elementen. Die 4f-Niveaus sind gegen äußere Einflüsse weit gehend abgeschirmt und werden nur geringfügig durch die Ionen der Umgebung beeinflusst. Die Terme der Lanthanoide sind daher in allen Verbindungen praktisch unverändert. Die Absorptionsbanden der f-f-Übergänge sind sehr scharf und ähneln denen freier Atome. Die Farben der Ln3C-Ionen sind praktisch unabhängig von der Umgebung der Ionen, sie sind in der Tabelle 5.10 angegeben. Die Farbenfolge der Reihe LaKGd wiederholt sich in der Reihe LuKGd. Die magnetischen Eigenschaften wurden bereits im Abschn. 5.1.5 behandelt. Der Verlauf der magnetischen Momente der Ln3C-Ionen ist in der Abb. 5.6 dargestellt. Tabelle 5.10 Farben der Ln3C-Ionen Ion
La3C Ce3C Pr3C Nd3C Pm3C Sm3C Eu3C Gd3C
(4f0) (4f1) (4f2) (4f3) (4f4) (4f5) (4f6) (4f7)
Farbe
Ion
farblos farblos grün rosa rosa, gelb gelb blassrosa farblos
Lu3C Yb3C Tm3C Er3C Ho3C Dy3C Tb3C Gd3C
Zahl der ungepaarten 4f-Elektronen (4f14) (4f13) (4f12) (4f11) (4f10) (4f9) (4f8) (4f7)
0 1 2 3 4 5 6 7
780
5.11.3 Verbindungen mit den Oxidationszahlen C2 und C4 Außer in der Oxidationszahl C3 kommen einige Lanthanoide in den Oxidationszahlen C4 und C2 vor. Ihr Auftreten in der Gruppe wiederholt sich periodisch. Ce
Pr
Nd
Pm
Sm
Eu
Gd
Tb
Dy
Ho
Er
Tm
Yb
Lu
C3 C4
C3 C4
C3 C4
C3
C2 C3
C2 C3
C3
C3 C4
C3 C4
C3
C3
C2 C3
C2 C3
C3
Beim Ce4C, Tb4C, Eu2C und Yb2C entstehen die stabilen Konfigurationen f 0, f 7 und f 14. Bei Pr, Nd, Dy, Sm und Tm ist dies jedoch nicht der Fall. Das Auftreten und die Periodizität der Oxidationszahlen C2 und C4 werden aus dem Verlauf der Ionisie-
778
5 Die Elemente der Nebengruppen
rungsenergien verständlich. Zur Bildung gasförmiger Ln3C-Ionen aus gasförmigen Ln2C-Ionen muss die dritte Ionisierungsenergie I3 aufgewendet werden. Die dritte Ionisierungsenergie (Abb. 5.64a) hat Maxima bei Eu und Yb; bei diesen Lanthanoiden muss ein Elektron aus der stabilen f 7- bzw. f 14-Konfiguration entfernt werden. Gegenüber den anderen Lanthanoiden erhöhte I3-Werte besitzen aber auch Sm und Tm. Relativ zu den gasförmigen Ln3C-Ionen ist also das Auftreten der folgenden Ln2C-Ionen begünstigt: Eu2C, Yb2C, Sm2C, Tm2C. Zur Bildung von Ln4C-Ionen ist die vierte Ionisierungsenergie erforderlich. Die Oxidationszahl C4 ist also für solche Lanthanoide zu erwarten, die kleine vierte Ionisierungsenergien besitzen. Dies sind vor allem Ce, Pr und Tb, außerdem noch Nd und Dy (Abb. 5.64b). Für die Stabilität der Verbindungen mit der Oxidationszahl C2 gilt: Eu2C O Yb2C O Sm2C O Tm2C. Die Standardpotentiale in Wasser betragen: Eu2C.Eu3C Yb2C.Yb3C Sm2C.Sm3C Tm2C.Tm3C
E( Z E( Z E( Z E( Z
K0,35 V K1,05 V K1,55 V K2,3 V
Eu2C-Ionen erhält man durch Reduktion von Eu3C-Lösungen mit Zn, Yb2C- und Sm2C-Ionen durch Reduktion mit Natriumamalgam oder durch elektrolytische Reduktion. Nur Eu2C-Ionen sind in wässriger Lösung stabil, die anderen Ln2C-Ionen zersetzen Wasser unter H2-Entwicklung. Die Ln2C-Radien liegen im Bereich der Radien der schweren Erdalkalimetallkationen. Sie betragen in pm: Sm2C Eu2C Tm2C Yb2C
122 117 103 102
Ca2C Sr2C Ba2C
100 118 135
Ln (II)-Verbindungen ähneln daher den Erdalkalimetallverbindungen. So sind die Sulfate schwer löslich, die Hydroxide löslich. Beispiele für isotype Verbindungen sind: SmF2 TmF2 EuF2
CaF2 CaF2 SrF2
YbI2 EuSO4 YbO, EuO
CaI2 SrSO4 BaO
Von den Verbindungen mit der Oxidationszahl C4 sind die Ce (IV)-Verbindungen am stabilsten. In wässriger Lösung sind nur Ce4C-Ionen beständig, von Tb4C-, Pr4C-, Dy4C- und Nd4C-Ionen wird Wasser unter O2-Entwicklung oxidiert. O2 C 4 H3OC C 4 eK # 6 H2O Tb3C.Tb4C Pr3C.Pr4C
E( Z 1,23 V E( Z 3,1 V E( Z 3,2 V
5.11 Die Lanthanoide
779
Abbildung 5.64 a) 3. Ionisierungsenergie I3 der Lanthanoide. Der Verlauf ist periodisch mit Maxima bei den Konfigurationen f 7(Eu2C) und f 14(Yb2C). b) 4. Ionisierungsenergie I4 der Lanthanoide. Maxima treten auf bei Gd3C(f 7) und Lu3C(f 14). Die Periodizität hat zur Folge, dass außer Ce und Pr auch Tb einen niedrigen I4-Wert aufweist.
780
5 Die Elemente der Nebengruppen
Das Standardpotential Ce3C.Ce4C in sauren Lösungen hängt von der Säure ab. Bei der Säurekonzentration 1 mol.l beträgt es C1,70 V in Perchlorsäure, C1,61 V in Salpetersäure, C1,44 V in Schwefelsäure und C1,28 V in Salzsäure. Die Erniedrigung kommt durch Komplexbildung mit den Säureanionen zustande. Die Standardpotentiale zeigen, dass Ce4C-Ionen in wässriger Lösung metastabil sind. Das Redoxsystem Ce 3C # Ce4C C eK
farblos
gelb
wird in der Maßanalyse (Cerimetrie) benutzt. Im festen Zustand existieren nur wenige binäre Ln (IV)-Verbindungen. Die Dioxide LnO2 (Ln Z Ce, Pr, Tb) kristallisieren in der Fluorit-Struktur. Von den Fluoriden LnF4 (Ln Z Ce, Pr, Tb) sind CeF4 und TbF4 isotyp mit UF4. Im System Praseodym-Sauerstoff gibt es eine Folge von nichtstöchiometrischen Phasen mit einem kleinen Homogenitätsbereich, in denen Pr (III) neben Pr (IV) vorhanden ist: PrnO2nK2 (n Z 7, 9, 10, 11, 12). Ähnlich kompliziert ist das System TerbiumKSauerstoff . Pr (IV) ist auch in den verzerrten Perowskiten SrPrO3 und BaPrO3 vorhanden. Von Nd (IV) und Dy (IV) sind die Verbindungen Cs3NdF7 und Cs3DyF7 bekannt.
5.11.4 Vorkommen Da die Ionenradien der Seltenerdmetalle größer sind als die der meisten Me3CIonen, werden sie nicht in die Kristallgitter der gewöhnlichen gesteinsbildenden Mineralien eingebaut. Sie bilden eigene Mineralien, in denen sie auf Grund der ähnlichen Ionenradien gemeinsam vorkommen (diadoche Vertretbarkeit). In der Oxidationsstufe C2 kommt Europium als Begleiter des Strontiums vor (rEu2 C Z 117 pm , rSr2 C Z 118 pm), z. B. im Strontianit SrCO3. Die leichten Lanthanoide (Ceriterden) sind bis 70 % angereichert im Bastnäsit MeCO3F und Monazit MePO4 (Me Z Ceriterden). Der Monazitsand ist eine sekundäre Ablagerung, in der Monazit angereichert ist. Die schweren Lanthanoide und Yttrium (Yttererden) kommen vor im Xenotim MePO4, Gadolinit C2
Me2Be2Fe [SiO4]2O2 und im Euxenit Me (Nb, Ta)TiO6 (Me Z Yttererden). Die relative Häufigkeit der Lanthanoide demonstriert eindrucksvoll die HarkinRegel (Abb. 5.65). Die Lanthanoide mit geraden Ordnungszahlen sind häufiger (Massenanteil in der Erdrinde 10K3 bis 10K4 %) als die mit ungeraden Ordnungszahlen (Massenanteil 10K4 bis 10K5 %). Die Lanthanoide sind keine seltenen Elemente, Cer z. B. ist häufiger als Blei, Quecksilber oder Cadmium. Insgesamt ist der Massenanteil der Lanthanoide in der Erdrinde 0,01 %.
5.11 Die Lanthanoide
781
Abbildung 5.65 Häufigkeit der Lanthanoide in der Erdkruste. Lanthanoide mit geraden Ordnungszahlen sind häufiger als die Nachbarn mit ungeraden Ordnungszahlen (Harkin-Regel). 1 ppm entspricht 1 mg.kg.
5.11.5 Darstellung, Verwendung Die Abtrennung der Lanthanoide von den übrigen Elementen der Erze erfolgt durch Aufschlussverfahren mit konz. Schwefelsäure oder mit Natronlauge. Die Trennung der Lanthanoide ist wegen der sehr ähnlichen Eigenschaften schwierig. Früher erfolgte die Trennung durch die äußerst mühsamen Methoden der Fraktionierung: fraktionierende Kristallisation z. B. der Doppelnitrate 2 NH4NO3 · Ln (NO3)3 · 4 H2O oder fraktionierende Zersetzung der Nitrate. Dabei wurde die geringe unterschiedliche Löslichkeit bzw. thermische Beständigkeit ausgenutzt. Die Trennoperationen mussten viele Male wiederholt werden. Die jetzt verwendete wirksame Methode zur Trennung und zur Gewinnung der einzelnen Lanthanoide in kleinen Mengen sehr hoher Reinheit ist der Ionenaustausch (vgl. S. 530). Die Tendenz zum Austausch wächst mit zunehmendem Ionenradius, La reichert sich am oberen Ende, Lu am unteren Ende der Austauschersäule an. Der Trenneffekt wird durch einen geeigneten Komplexbildner verstärkt. Kleine Ionen bilden stärkere Komplexe, so dass die Lanthanoide nacheinander K in der Eluierungsfolge Lu $% La K in die wässrige Phase überführt werden. Die technische Gewinnung der Lanthanoide erfolgt durch flüssig-flüssig-Extraktion mit Tri-n-butylphosphat (TBP) aus Nitratlösungen. Zur Trennung kann auch ausgenutzt werden, dass sich mit der Oxidationszahl die Eigenschaften ändern. Durch Reduktion erhält man Eu2C, das als schwer lösliches EuSO4 isoliert werden kann. Durch Oxidation erhält man Ce4C, das durch Fällung als (NH4)2Ce (NO3)6 abgetrennt werden kann.
782
5 Die Elemente der Nebengruppen
Verwendung der Lanthanoide: Herstellung farbiger Gläser (Nd, Pr). Legierungsbestandteile in Permanentmagneten (Sm). Leuchtfarbstoffe für Fernsehbildröhren (Eu, Y). Feststofflaser (z. B. Nd-Laser). Glühstrümpfe (ein feinmaschiges Oxidgerüst aus 90 % ThO2 und 10 % CeO2 sendet in der Gasflamme ein helles Licht aus). Sie wurden in Gaslaternen verwendet, die aber weitgehend durch elektrische Leuchtkörper ersetzt sind. Feuerzeug-Zündsteine (Cerlegierungen; beim Reiben an aufgerautem Stahl entstehen pyrophore Teilchen, mit denen brennbare Dämpfe entzündet werden können). Regelstäbe in Kernreaktoren (Eu, Sm, Dy, Gd). Crack-Katalysatoren (Ceriterden auf synth. Zeolithen). Yttrium-Eisen-Granate (YIG: Yttrium-IronGarnet) und Yttrium-Aluminium-Granate (YAG) dienen zur Frequenzsteuerung in Schwingkreisen. Gadolinium-Gallium-Granate (GGG) sind magnetische Blasenspeicher (hauptsächlich verwendet wird Gd3Ga5O12; vgl. Abschn. 5.1.6). Gd-DTPA (DTPA Z Diethylentriaminpentaacetat) u. ä. Chelatkomplexe können in Zellkerne eindringen und dienen als Kontrastmittel in der Kernspintomographie (vgl. Abschn. 2.7.4). Das Isotop 157Gd hat einen der höchsten Neutroneneinfangquerschnitte.
5.11.6 Elektrische Lichtquellen, Leuchtstoffe Weltweit werden 10 % der elektrischen Energie für Beleuchtungszwecke verbraucht. 79 % der Lichtquellen sind Glüh- und Halogenlampen, 20 % Fluoreszenzlampen (Leuchtstofflampen). Die Lichtausbeute beträgt bei Glüh- und Halogenlampen 17K30 lm.W, bei Fluoreszenzlampen 60K100 lm.W. Ziel ist es, die Glüh- und Halogenlampen durch effizientere Lichtquellen zu ersetzen, dies sind Gasentladungslampen und die neueren Leuchtdioden, LEDs (lichtemittierende Dioden). LEDs sind keine Temperaturstrahler wie Glühlampen, sie haben eine lange Lebensdauer, kurze Schaltzeiten und sind unempfindlich gegen Erschütterungen. Die Lichtausbeute liegt bei 35K50 lm.W. Lanthanoide sind als Aktivatoren für Leuchtstoffe bei Gasentladungslampen (Fluoreszenzlampen) und Leuchtdioden unentbehrlich. Glüh- und Halogenlampen wurden bereits im Abschn. 4.3.2 besprochen. Gasentladungslampen Bei einer Gasentladung werden Atome oder Moleküle durch Elektronen in einem elektrischen Feld angeregt, so dass Photonen abgestrahlt werden. Bei Niederdruckgasentladungslampen ist der Druck kleiner als 100 Pa, die freie Weglänge der Elektronen liegt im Bereich einiger cm, es stellt sich auf Grund der kleinen Stoßraten kein thermisches Gleichgewicht ein, Teilchen und Entladungsgefäß bleiben kalt. Bei Hochdruckgasentladungslampen (bis 10 000 Pa) stellen sich Teilchentemperaturen von mehreren 1 000 K ein. Bei Niederdruckgasentladungslampen ist meist Quecksilber der Emitter der UVStrahlung erzeugt, die mit fluoreszierenden Leuchtstoffen in sichtbares Licht umge-
5.11 Die Lanthanoide
783
wandelt wird. (Fluoreszenz- bzw. Leuchtstofflampen). Xenongasentladungslampen werden wegen der kurzen Schaltzeiten für Spezialzwecke eingesetzt (z. B. Kopierer). Es gibt viele Leuchtstoffe, die UV-Strahlung in jedes gewünschte Emissionsspektrum zwischen 300 und 700 nm umwandeln. Leuchtstoffe sind stabile anorganische Wirtsmateralien, die mit Aktivatoren dotiert werden. Beispiele: Im UV-Bereich sind als Aktivatoren Gd3C, Ce3C, Pb2Cund Eu2C geeignet. (Y1KxEux)2O3 x w 0,05 SrAl12O19 : Ce3C BaSi2O5 : Pb2C
Emitter für rotes Licht (611 nm) Medizinische Lampe (300 nm) Kosmetische Lampe (350 nm)
Fluoreszenzlampen für die allgemeine Beleuchtung enthalten Leuchtstoffe, die einen möglichst großen spektralen Bereich abdecken. Man verwendet dafür z. B. eine trichromatische Leuchtstoffmischung. Y2O3 : Eu LaPO4 : Ce, Tb BaMgAl10O17 : Eu
Linienemitter 611 nm (rot) Linienemitter 545 nm (grün) Breitbandemitter (Bereich blau)
Leuchtdioden Leuchtdioden sind Halbleiterlichtquellen. Bei den Halbleitern ist ein p.n-Übergang erforderlich. An der Kontaktstelle eines n-Halbleiters mit einem p-Halbleiter (vgl. Abschn. 2.4.4.4) diffundieren Elektronen vom n-Halbleiter zum p-Halbleiter und besetzen dort Elektronenlöcher. Dadurch entsteht im n-Halbleiter eine positive Raumladung, im p-Halbleiter eine negative Raumladung. Man bezeichnet diesen Bereich als Sperrschicht. Legt man eine elektrische Spannung mit dem negativen Pol am n-Leiter an, dann werden Elektronen und Defektelektronen in die Sperrschicht transportiert. Es erfolgt elektrische Leitung und dabei auch ein Übergang von Elektronen aus dem Leitungsband des n-Leiters in das Valenzband des p-Leiters mit gleichzeitiger Emission von Lichtquanten (vgl. Abschn. 1.4.2). Die Energie der Photonen hängt von der Breite der Bandlücke (verbotene Zone) ab. Bei entgegengesetzter Spannung findet keine Leitung und keine Strahlungsemission statt. Durch Mischkristallbildung zwischen Halbleitern mit unterschiedlichen Bandlücken können die Bandlücken und die Wellenlängen (Farben) des ausgestrahlten Lichts kontinuierlich verändert werden. Verwendung fanden folgende Halbleiter: (Al1LxGax)As. Die Bandlücke von AlAs beträgt 2,16 eV, das emittierte Licht hat die Wellenlänge 570 nm, Farbe gelb. GaAs hat eine Bandlücke von 1,42 eV, dies entspricht der Strahlung mit 870 nm im IR-Bereich. Die Mischkristallreihe ist geeignet für LEDs im Farbbereich gelb-rot-IR. (Al1LxLyGaxIny)P. AlP hat eine Bandlücke von 2,45 eV und erzeugt blaugrünes Licht der Wellenlänge 500 nm. GaP mit der Bandlücke 2,25 eV liefert grünes Licht der Wellenlänge 550 nm.
784
5 Die Elemente der Nebengruppen
Für die Erzeugung von weißem Licht sind Halbleiter erforderlich die blaues Licht liefern. Dies wurde erst in den 90er Jahren möglich. Es gelang den Halbleiter GaN mit Mg2C und Si4C zu dotieren und damit p-Leitung und n-Leitung zu erzeugen. GaN hat eine Bandlücke von 3,4 eV, die emittierte Strahlung liegt mit 360 nm im UV-Bereich. In Mischkristallen mit InN, dessen Bandlücke 1,9 eV beträgt, wird die emittierte Strahlung ins Langwellige verschoben. Die Mischkristallreihe (In1LxGax) N liefert Emissionsmaxima im Bereich blau bis grün. Mit blauen Leuchtdioden konnten weiße LEDs entwickelt werden. Man kombiniert eine blaue LED mit einem Leuchtstoff, der eine gelbe Emissionsbande besitzt. Der geeignete Leuchtstoff ist ein Yttrium-Aluminium-Granat (YAG), der mit Cer dotiert ist: (Y1KxGdx)Al5O12 : Ce. Ein anderes Konzept ist die Kombination einer blauen LED mit einem grünen und einem roten Leuchtstoff. Die Dreibandenlampen finden breite Anwendung in Energiesparlampen. Geeignete Leuchtstoffe sind SrGa2S4 : Eu (grün) und SrS : Eu (rot). Alternative Leuchtstoffe mit Eu2C als Aktivator werden mit silicatischen und nitridischen Wirtsgittern entwickelt.
5.12 Gruppe 4 5.12.1 Gruppeneigenschaften Titan Ti Ordnungszahl Z 22 Elektronenkonfiguration [Ar]3d2 4s2 1. Ionisierungsenergie in eV 6,8 2. Ionisierungsenergie in eV 13,6 3. Ionisierungsenergie in eV 27,5 4. Ionisierungsenergie in eV 43,2 Elektronegativität 1,3 Standardpotentiale in V Me.Me4C K Me C 3 H2O.MeO2C C 2 H3OC K0,88 Me.Me3C K1,21 Me.Me2C K1,63 Schmelzpunkt in (C 1677 Siedepunkt in (C 3262 Dichte in g cmK3 4,51 Ionenradien in pm Me4C 60 Me3C 67 Me2C 86 Beständigkeit der Oxidationsstufe C4
Zirconium Zr
Hafnium Hf
40 [Kr]4d2 5s2 6,8 13,1 23,0 34,3 1,2
72 [Xe]4f14 5d2 6s2 7,0 14,9 23,2 33,3 1,2
K1,53
K1,70
K K 1852 4200 6,51
K K 2227 4450 13,31
72 K K $% nimmt zu
71 K K
5.12 Gruppe 4
785
Die Atome der Elemente der Gruppe 4 besitzen vier Valenzelektronen. Die stabilste Oxidationszahl ist bei allen Elementen C4. Es gibt außerdem stabile binäre Verbindungen mit den Oxidationszahlen C3 und C2. Im Gegensatz zu den Elementen der Gruppe 14 nimmt mit zunehmender Ordnungszahl die Stabilität niedriger Oxidationszahlen ab. Die Ti (IV)-Verbindungen haben kovalenten Bindungscharakter. Die häufigste Koordinationszahl ist 6. Sie ähneln den Verbindungen der Elemente der Gruppe 14, besonders denen des Sn (IV). TiO2 (Rutil) und SnO2 sind isotyp. TiCl4 und SnCl4 sind destillierbare, leicht hydrolysierbare, farblose Flüssigkeiten. Es existieren ähnli2K 2K 2K che Halogeno-Anionen wie TiF2K und PbCl2K 6 , GeF6 , TiCl6 , SnCl6 6 . In wässrigen Lösungen sind auch bei kleinen pH-Werten [Ti (H2O)6]4C-Ionen nicht beständig, sondern nur Ionen mit niedrigeren Ladungen wie TiO2C. Sowohl in wässrigen Lösungen als auch in Salzen existiert das violette Ion [Ti (H2O)6]3C. Man erhält es durch Reduktion von Ti (IV)-Lösungen mit Zink. TiO2 C C 2 H3OC C eK # Ti3C C 3 H2O
E( Z C0,10 V
[Ti (H2O)6]3C ist eine Kationensäure. [Ti (H2O)6]3C C H2O # [Ti (H2O)5OH]2C C H3OC
KS Z 5 $ 10K3
Ti2C-Ionen sind in wässriger Lösung nicht beständig, da sie von Wasser unter H2Entwicklung oxidiert werden. Ti2C # Ti3C C eK
E+ Z K0,37 V
Ti (II)-Verbindungen existieren nur in fester Form. Der basische Charakter nimmt vom amphoteren, aber vorwiegend sauren TiO2 zum basischen HfO2 zu. Die Basizität ist bei niedrigen Oxidationszahlen höher. Kein Paar homologer Elemente ist im chemischen Verhalten so ähnlich wie Zirconium und Hafnium. Auf Grund der Lanthanoid-Kontraktion besitzen die beiden Elemente fast gleiche Atomradien und Ionenradien. Vom Titan unterscheiden sich Zirconium und Hafnium durch die geringere Stabilität niedriger Oxidationsstufen, die stärkere Basizität der Oxide und durch die Neigung, die höheren Koordinationszahlen 7 und 8 anzunehmen. Es gibt vom Zr (III) und Hf (III) keine Chemie in Wasser oder anderen Lösungsmitteln.
5.12.2 Die Elemente Die Elemente der Gruppe 4 kristallisieren in dichten Packungen, sie sind dimorph. Beispiel: Titan α-Ti
882 (C
ddd/ 1ddd
hexagonal-dichte Packung
β-Ti
kubischraumzentriert
Es sind hochschmelzende, duktile, unedle, aber korrosionsbeständige Metalle.
786
5 Die Elemente der Nebengruppen
Reines Titan ist silberweiß und gut leitend (104 ΩK1 cmK1). Auf Grund seiner Dichte gehört es zu den Leichtmetallen. Es besitzt große mechanische Festigkeit, einen hohen Schmelzpunkt, einen niedrigen thermischen Ausdehnungskoeffizienten und ist außerordentlich korrosionsbeständig. Es hat daher die Qualitäten von Aluminiumlegierungen und von rostfreiem Stahl, dies erklärt die Bedeutung von Titan als Werkstoff. Bei normaler Temperatur ist Titan reaktionsträge. Bis 350 (C behält Titan an der Luft seinen metallischen Glanz. Titanlegierungen können ohne Festigkeitsverlust bis 650 (C erhitzt werden. Beim Erhitzen reagiert Titan mit den meisten Nichtmetallen: H2, Halogene, O2, N2, C, B, Si, S. Titan ist ein unedles Metall. Da es aber durch Bildung einer Oxidschicht passiviert wird, wird es in der Kälte von den meisten Säuren, auch konz. Salpetersäure und Königswasser, sowie von Alkalilaugen nicht gelöst. Es wird auch von nitrosen Gasen, Chlorlösungen und Meerwasser nicht angegriffen. Durch Komplexbildung wird die Passivierung aufgehoben, Titan löst sich daher in Flusssäure. Ti C 6 FK # TiF26 K C 4 eK
E( Z K1,19 V
In heißer Salzsäure löst sich Titan unter Bildung von TiCl3.
5.12.3 Vorkommen Titan gehört zu den häufigen Elementen (vgl. Tabelle 4.1). Da Ti4C einen ähnlichen Ionenradius wie Al3C und Fe3C hat, enthalten viele Mineralien Titan, daher ist es in der Natur in kleinen Konzentrationen weit verbreitet. Die wichtigsten Titanmineralien sind Ilmenit FeTiO3, Rutil TiO2, Titanit CaTiO [SiO4] und Perowskit CaTiO3. Ti-reich ist Mondgestein, es enthält 10 % Ti als Ilmenit. In der Natur vorkommende Zirconiumverbindungen sind Zirkon ZrSiO4 und Baddeleyit ZrO2. Es gibt keine Hafniummineralien. Die Ionenradien von Zr4C und Hf 4C sind fast gleich. Hafnium ist daher in Zirconiummineralien enthalten, in denen es Zirconium diadoch vertritt. Dies ist auch die Ursache dafür, dass Hafnium erst 1923 K 134 Jahre nach dem Zirconium K nur mit der Röntgenspektroskopie (siehe S. 67) entdeckt worden ist. Das Massenverhältnis Ti : Zr : Hf in der Erdkruste beträgt 2 200 : 60 : 1.
5.12.4 Darstellung Titan kann nicht durch Reduktion von Titandioxid mit Kohle hergestellt werden, da sich Titancarbid TiC bildet. Mit Wasserstoff entsteht bei 900 (C Ti3O5. Die Reduktion mit unedlen Metallen wie Na, Al, Ca führt zu Oxiden mit niedrigen Oxidationszahlen. Im Labor wird TiO2 mit CaH2 reduziert. +
900 C
TiO2 C 2 CaH2 $$$% Ti C 2 CaO C 2 H2
5.12 Gruppe 4
787
Technisch wird Ti durch Reduktion von Titantetrachlorid TiCl4 hergestellt. TiCl4 erhält man durch Reaktion von TiO2 mit Kohle und Chlor. TiO2 C 2 Cl2 C 2 C $% TiCl4 C 2 CO
ΔH( Z K80 kJ.mol
Die Reaktion verläuft bei 800K1 200 (C rasch und quantitativ. TiCl4 wird durch Destillation gereinigt. Verwendet man als Ausgangsmaterial nicht Rutil TiO2, sondern Ilmenit FeTiO3, muss vor der Chlorierung das Eisen entfernt werden. Dazu wird Ilmenit durch Reduktion im elektrischen Lichtbogenofen mit Koks zu einer TiO2reichen Schlacke und Roheisen umgesetzt. Das Roheisen fällt flüssig an und wird periodisch abgestochen. Beim Kroll-Verfahren reduziert man Titantetrachlorid mit Magnesium. TiCl4 C 2 Mg $% Ti C 2 MgCl2
ΔH( Z K450 kJ.mol
Die Reaktion wird bei 850 (C in einem mit Titanblech ausgekleideten Stahlbehälter unter einer Helium- oder Argonatmosphäre durchgeführt. Zum flüssigen Magnesium wird TiCl4 zugesetzt. Titan fällt als Schwamm an; das flüssig anfallende MgCl2 wird periodisch abgestochen und wieder zur elektrolytischen Mg-Gewinnung verwendet. Der Titanschwamm enthält noch erhebliche Mengen MgCl2 und Mg-Metall. Sie werden entweder durch Destillation im Vakuum oder durch Auslaugen mit verdünnter Salzsäure entfernt. Ganz analog wird Zirconium aus ZrO2 dargestellt. Titanschwamm wird in Vakuumlichtbogenöfen zu Rohblöcken bis 10 t eingeschmolzen. Dazu werden Abschmelzelektroden aus verpresstem Titanschwamm hergestellt. Titanschwamm wird auch pulvermetallurgisch zu gesinterten Formkörpern verarbeitet. Beim Hunter-Verfahren wird TiCl4 mit Natrium reduziert. TiCl4 C 4 Na $% Ti C 4 NaCl
ΔH( Z K869 kJ.mol
Der mit diesem Verfahren gewonnene Titanschwamm lässt sich leichter zerkleinern als Kroll-Titan und ist besser für die pulvermetallurgische Weiterverarbeitung geeignet. Chemische Transportreaktionen (CVT Z chemical vapor transport) werden zur Synthese, Kristallzucht und Reinigung von Verbindungen und Elementen eingesetzt. Bei der chemischen Transportreaktion reagiert ein Stoff AS mit einem Transportmittel Xg unter Bildung des gasförmigen Stoffs AXg. As C Xg # AXg Der Stoff AXg wird durch Rückreaktion an einer anderen Stelle der Apparatur zersetzt, und As wird abgeschieden. Für die Transportreaktion ist ein reversibles chemisches Gleichgewicht erforderlich. Der Transport über die Gasphase erfolgt durch Gasbewegung (Strömung, Diffusion) meist in einer geschlossenen Quarzampulle bei einem Temperaturgefälle. Verläuft die Bildung von AX exotherm (ΔH( negativ), so erfolgt der Rücktransport von der kälteren zu einer heißen Zone der Ampulle und Abscheidung von A dort; bei einer endothermen Reaktion (ΔH( posi-
788
5 Die Elemente der Nebengruppen
tiv) von der heißen zur kalten Zone. Das ist nach dem Prinzip des kleinsten Zwangs (Abschn.3.5.3) zu erwarten. Bei exothermen Reaktionen verschiebt sich das Gleichgewicht mit steigender Temperatur in Richtung der Ausgangsstoffe. Hochreines Titan ist ein Beispiel für eine Herstellung durch eine chemische Transportreaktion (Verfahren von van Arkel-deBoer). In einer Quarzampulle reagiert Titan in exothermer Reaktion bei niedrigen Temperaturen mit Iod zu gasförmigen TiI4. An der heißen Stelle der Ampulle zersetzt sich TiI4 unter Abscheidung von reinem Titan. I2 wandert zurück in die kältere Zone und reagiert erneut mit Titan. 600 (C
Ti C 2 I2 ddd/ 1ddd TiI4 ( 1 200 C
ΔH( Z K376 kJ.mol
Durch Transportreaktionen mit Iod erfolgt auch die Reinstdarstellung von Zirconium, Hafnium und Vanadium. Beim Mond-Prozess (Abschn. 5.16.4.2) wird Nickel mit CO als Ni (CO)4 transportiert. Die Anwendung in Halogenlampen wurde im Abschn. 4.3.2 besprochen.
5.12.5 Verwendung Da Titan leicht, fest und sehr korrosionsbeständig ist, besitzt es große Bedeutung für die Luftfahrtindustrie (Überschallflugzeuge) und die Raumfahrtindustrie sowie im chemischen Apparatebau. Titanstähle sind besonders widerstandsfähig gegen Stoß und Schlag, sie werden daher z. B. für Turbinen und Eisenbahnräder verwendet. Alltägliche Verwendung sind Armbanduhren, Brillengestelle, Hochleistungsfahrräder. Zirconium wird wegen seines kleinen Einfangquerschnitts für thermische Neutronen und seiner Korrosionsbeständigkeit gegen Heißwasser und Dampf als Umhüllungsmaterial für Brennelemente in Atomreaktoren verwendet. Es darf kein Hafnium enthalten, da dieses einen hohen Einfangquerschnitt für Neutronen besitzt. Die Trennung ZirconiumKHafnium ist daher technisch wichtig. Früher gelang sie nur durch die aufwendige fraktionierende Kristallisation, z. B. von (NH4)2ZrF6 und (NH4)2HfF6. Heute erfolgt die Trennung durch Flüssig-Flüssig-Extraktion. In kleinen Mengen wird Zirconium in Energiesparlampen als Getter verwendet, um Spuren von Sauerstoff und Stickstoff zu entfernen. Zr.Ni-Legierungen im Gemisch mit Oxidationsmitteln (z. B. Chlorate) sind pyrotechnische Zünder für den Airbag-Gasentwickler.
5.12.6 Verbindungen des Titans 5.12.6.1 Sauerstoffverbindungen des Titans Titandioxid TiO2 ist in drei kristallinen Modifikationen bekannt, als Rutil, Anatas und Brookit, die alle in der Natur vorkommen. Beim Erhitzen wandeln sich Anatas und Brookit in Rutil um. In allen drei Modifikationen ist Titan verzerrt oktaedrisch
5.12 Gruppe 4
789
von Sauerstoff koordiniert und Sauerstoff von drei Titan umgeben. Die Elementarzelle des Rutilgitters ist in der Abb. 2.11 dargestellt. TiO2 ist thermisch stabil und bis zum Schmelzpunkt von 1 855 (C beständig. Die Reaktionsfähigkeit hängt von der thermischen Vorbehandlung ab. Hochgetempertes TiO2 ist gegen Säuren und Basen beständig. Bei Raumtemperatur ist TiO2 ein Isolator. Beim Erhitzen im Vakuum über 1 800 (C oder durch Reduktion mit Wasserstoff wird reversibel Sauerstoff aus dem Gitter entfernt. Es entsteht eine dunkelblaue, nichtstöchiometrische Rutilphase TiO2Kx mit einem kleinen Sauerstoffdefizit, die etwas Ti (III) enthält und ein Halbleiter vom n-Typ ist. Auf Grund der hohen Brechzahl (2,8), des großen Färbe- und Deckvermögens sowie seiner chemischen Beständigkeit ist TiO2 das bedeutendste Weißpigment. Es wird daher großtechnisch hergestellt. Es gibt zwei Verfahren. Beim Sulfat-Verfahren wird Ilmenit FeTiO3 oder TiO2-Schlacke mit konz. Schwefelsäure aufgeschlossen. Die Auflösung des Aufschlusskuchens erfolgt unter Zusatz von Eisenschrott oder Ti (III)-Lösung, um Fe3C- zu Fe2C-Ionen zu reduzieren. Nach dem Abkühlen kristallisiert K falls Ilmenit Ausgangsmaterial ist K FeSO4 · 7H2O aus. Danach wird durch thermische Hydrolyse bei 95K110 (C TitandioxidHydrat TiO2 · xH2O ausgefällt. Die Hydrolyse wird durch Impfung mit TiO2-Keimen beschleunigt. Das Hydrolysat wird bei Temperaturen zwischen 800 und 1 000 (C calciniert. Durchsatz und Temperaturführung im Ofen beeinflussen den Rutilgehalt sowie Teilchengröße und Teilchengrößenverteilung der Pigmente. Ohne Zusätze entsteht bis 1 000 (C die Anatasmodifikation, Rutil bildet sich erst bei höheren Temperaturen. Rutil besitzt eine höhere Brechzahl und ein stärkeres Aufhellungsvermögen als Anatas. Durch Zusatz von Rutilisierungskeimen erreicht man, dass bevorzugt Rutilpigmente gebildet werden. Beim Chlorid-Verfahren wird bei 800K1 200 (C Rutil oder TiO2-Schlacke mit Koks und Chlor zu Titantetrachlorid umgesetzt. TiO2 C 2 C C 2 Cl2 $% TiCl4 C 2 CO Nach Reinigung durch Destillation wird TiCl4-Dampf mit Sauerstoff zu Rutil und Cl2 verbrannt. +
1 000K1 400 C
TiCl4 C O2 $$$$$$$$$% TiO2 C 2 Cl2 Durch gezielten Einbau farbgebender Ionen in das Rutilgitter entstehen Farbpigmente, z. B. „Postgelb“, dessen Farbe durch Cr-, Ni- und Sb-Zusatz entsteht. Werden TiO2-Schichten auf Glimmer aufgebracht, erhält man Perlglanzpigmente. Es entstehen abhängig von der Schichtdicke unterschiedliche Interferenzfarben. TiO2 ist amphoter. Aus Ti (IV)-Lösungen entsteht mit Basen wasserhaltiges Titandioxid TiO2 · nH2O. Es löst sich in konz. Alkalilaugen, aus den Lösungen erhält man C1
C1
hydratisierte Titanate wie Me2TiO3 $ nH2O und Me2Ti2O5 $ nH2O unbekannter Struktur. Auch in stark saurer Lösung existieren keine Ti4C-Ionen, sondern monomere Ionen mit niedrigeren Ladungen wie TiO2C, [Ti (OH)2]2C und [Ti (OH)3]C.
790
5 Die Elemente der Nebengruppen
Aus wässrigen Lösungen können keine normalen Ti (IV)-Salze, sondern nur Oxosalze hergestellt werden. Aus schwefelsauren Lösungen erhält man z. B. Titanoxidsulfat TiOSO4 · H2O. Es enthält keine TiO2C-Ionen, sondern polymere d Ti d O d Ti d O d Zickzack-Ketten. TiO2 bildet mit vielen Metalloxiden Doppeloxide. Die meisten kristallisieren im Ilmenit-, Perowskit- und Spinell-Typ. Beispiele: Ilmenit-Typ MeTiO3 (Me Z Fe, Mg, Mn, Co, Ni) (s. S. 82). Perowskit-Typ MeTiO3 (Me Z Ca, Sr, Ba) (vgl. Abb. 2.18). Spinell-Typ Me2TiO4 (Me Z Mg, Zn, Mn, Co) (vgl. Abb. 2.19). Außer BaTiO3 gibt es weitere Bariumtitanate mit der allgemeinen Zusammensetzung BaxTiyOxC2y , z. B. Ba4Ti13O30 und Ba6Ti17O40, die wegen ihrer ferroelektrischen Eigenschaften technisch interessant sind. Bei ferroelektrischen Kristallen richten sich unterhalb einer charakteristischen ferroelektrischen Curie-Temperatur elektrische Dipole in kleinen Bereichen des Kristalls („Domänen“) aus, es kommt zu einer spontanen Polarisation. Die Dielektrizitätskonstante ε erreicht Werte bis zu ε z 104. Die Abhängigkeit der Polarisation von der elektrischen Feldstärke folgt einer Hysterese-Schleife. Die Ferroelektrizität ist ein kooperatives Phänomen und ähnelt im Wesen dem Ferromagnetismus (vgl. Abschn. 5.1.6). Peroxoverbindungen. Bei Zugabe von H2O2 zu einer sauren Ti (IV)-Lösung entsteht das intensiv orangegelb gefärbte Ion [Ti (O2)OH]C, das zum Nachweis von H2O2 oder Titan verwendet wird. [Ti (OH)3]C C H2O2 $% [Ti (O2)OH]C C 2 H2O Es lassen sich Salze mit den Anionen [Ti (O2)F5]3K und [Ti (O2)(SO4)2]2K isolieren. Oxide des Titans mit Oxidationszahlen kleiner D4 Es existieren nicht nur die binären Sauerstoffverbindungen TiO und Ti2O3 mit den Oxidationszahlen C2 und C3. Typisch für viele Übergangsmetalle ist das Auftreten von Verbindungen mit gemischten Oxidationszahlen und die Nichtstöchiometrie dieser Verbindungen. Phasen im System TitanKSauerstoff TiKTiO0,5
Im hexagonal-dicht gepackten Gitter des Titans löst sich Sauerstoff, die Sauerstoffatome besetzen oktaedrische Lücken. Bei den Zusammensetzungen Ti6O, Ti3O und Ti2O treten geordnete Strukturen auf.
5.12 Gruppe 4
TiO0,68KTiO0,75 TiO
Ti2O3
Ti3O5 TinO2n K 1 (4 % n % 10)
TinO2n K 1 (16 % n % 36) TiO2
791
Die Ti-Atome sind nicht mehr hexagonal-dicht gepackt. Die Phase hat die Struktur von TaN mit Sauerstoffleerstellen. TiO ist bronzefarben, metallisch leitend und hat oberhalb 900 (C eine NaCl-Defektstruktur mit 15 % Leerstellen in beiden Teilgittern. TiO ist eine nichtstöchiometrische Verbindung mit großer Phasenbreite. Der Zusammensetzungsbereich bei hohen Temperaturen reicht von TiO0,75KTiO1,25, mit abnehmender Temperatur verengt er sich. Unterhalb 900 (C treten geordnete Phasen mit kleinen Homogenitätsbereichen auf. Ti2O3 besitzt Korund-Struktur (vgl. Abb. 2.17), ist blauschwarz und ein Halbleiter, der oberhalb 200 (C metallisch leitend wird. Die Phasenbreite ist klein (TiOx, x Z 1,49K1,51) Ti3O5 ist eine stöchiometrische Phase, unterhalb 175 (C ein Halbleiter, darüber metallisch leitend. Im Bereich TiO1,75KTiO1,90 existieren sieben stöchiometrische Phasen einer homologen Reihe. Sie besitzen Strukturen mit komplizierter Verknüpfung von TiO6-Oktaedern (vgl. Scherstrukturen S. 732). Im Bereich TiO1,94KTiO1,97 existiert eine weitere homologe Serie von Scherstrukturen. Rutil, Anatas, Brookit.
5.12.6.2 Halogenverbindungen des Titans Die Titan (IV)-Halogenide TiX4 (X Z F, Cl, Br, I) sind stabile Verbindungen. Smp. in (C TiF4 TiCl4 TiBr4 TiI4
284 (Sblp.) K24 38 155
Farbe
Eigenschaften
weiß farblos orange dunkelbraun
polymer (KZ Z 6), hygroskopisch Aus kovalenten, tetraedrischen Molekülen aufgebaut, hydrolyseempfindlich.
}
Titantetrachlorid TiCl4 ist eine farblose, rauchende Flüssigkeit. Mit Wasser erfolgt Hydrolyse. TiCl4 C 2 H2O $% TiO2 C 4 HCl Es wird großtechnisch produziert (vgl. S. 787), da aus TiCl4 metallisches Titan und TiO2-Pigmente hergestellt werden.
792
5 Die Elemente der Nebengruppen
Titantetraiodid TiI4 entsteht bei 25 (C aus Titanschwamm und Iod und ist ein Zwischenprodukt beim van Arkel-de Boer-Verfahren (vgl. Abschn. 5.12.4). Die Titan (III)-Halogenide TiX3 (X Z F, Cl, Br, I) sind kristalline Feststoffe, die nicht schmelzen, sondern sublimieren und disproportionieren. Die Disproportionierungstemperatur nimmt von 950 (C bei TiF3 auf 350 (C bei TiI3 ab. Die Titan (II)-Halogenide TiX2 (X Z Cl, Br, I) sind schwarze Feststoffe, sie kristallisieren in der Schichtstruktur des CdI2-Typs. Sie sind starke Reduktionsmittel. Beim Erhitzen erfolgt Zerfall oder Disproportionierung.
5.12.6.3 Schwefelverbindungen des Titans Ähnlich wie im System TitanKSauerstoff gibt es eine Reihe von Verbindungen, deren Zusammensetzungen zwischen denen von TiS und TiS2 liegen, nämlich Ti5S8, Ti2S3, Ti3S4, Ti4S5 und Ti8S9. TiS kristallisiert im NiAs-Typ (vgl. Abb. 2.56), TiS2 im CdI2-Typ (vgl. Abb. 2.58). Bei den anderen Phasen besetzen die Ti-Atome ebenfalls oktaedrisch koordinierte Lücken, aber die Schichtenfolge ist kompliziert. Zwischen den Schwefelschichten im TiS2-Gitter können ähnlich wie im Graphit (vgl. Abschn. 4.7.4) Alkalimetallatome eingelagert werden. Es entstehen Alkalimetall-Intercalate MeTiS2 (Me Z Alkalimetall). Auch die Einlagerung von Lewis-Basen, z. B. von aliphatischen Aminen, ist gelungen. Alkalimetall-Intercalate sind auch von den Chalkogeniden MeX2 mit X Z S, Se, Te und Me Z Zr, Hf, V, Nb, Ta bekannt.
5.12.6.4 Titannitrid TiN TiN (Smp. 2 950 (C) ist ein gelbes Pulver, das in der NaCl-Struktur kristallisiert. Die Darstellung der stöchiometrischen Verbindung ist schwierig, meist entstehen Phasen mit Metallüberschuss.
5.12.6.5 Titancarbid TiC TiC (Smp. 2 940K3 070 (C) ist sehr hart (8K9 nach Mohs) und ein guter elektrischer Leiter. Es ist eine Einlagerungsverbindung (vgl. S. 204), kristallisiert im NaCl-Typ und besitzt einen breiten Homogenitätsbereich. An der Luft ist TiC bis 800 (C stabil, in Schwefelsäure und Salzsäure ist es unlöslich. Die Darstellung erfolgt nach +
1 800 C
TiO2 C 3 C $$$$% TiC C 2 CO oder +
2 400 C
Ti C C $$$$% TiC TiC dient zur Herstellung von Werkzeugen für harte Werkstoffe.
5.12 Gruppe 4
793
5.12.7 Verbindungen des Zirconiums und Hafniums Verglichen mit Titan sind beim Zirconium und Hafnium die Oxide basischer, hohe Koordinationszahlen (7 und 8) häufiger und Verbindungen mit niedrigen Oxidationszahlen weniger stabil. Zirconiumdioxid ZrO2 (Smp. 2 700 (C) ist eine weiße, chemisch, thermisch und mechanisch stabile Verbindung. Sie wird daher für feuerfeste Geräte sowie als Weißpigment (hauptsächlich für Porzellan) verwendet. ZrO2 kommt in drei Modifikationen vor. Bei Raumtemperatur ist es monoklin (Baddeleyit, KZ Z 6), oberhalb 1 100 (C tetragonal (KZ Z 8) und oberhalb 2 300 (C kubisch (Fluorit-Typ, KZ Z 8). Die Umwandlung in die tetragonale Phase erfolgt unter Volumenverminderung, dies hat beim Abkühlen einen Zerfall von Sinterkörpern zur Folge. Durch Einbau von CaO oder Y2O3 gelingt es, die kubische Hochtemperaturmodifikation zu stabilisieren. Außerdem werden Anionenleerstellen erzeugt (vgl. Abschn. 5.7.5.1). •• CaO C ZrZr C OO # C$ Zr C VO C ZrO2
Dotiertes ZrO2 ist ein reiner Anionenleiter und dient als Festelektrolyt in Brennstoffzellen, sowie in galvanischen Ketten zur Bestimmung von kleinen O2-Partialdrücken (s. Abb. 5.54b u. Abschn. 4.11.2.2) und ΔG(-Werten von Festkörperreaktionen. Das Mineral Baddeleyit kommt in der Natur nur in geringen Mengen vor. Hauptrohstoff für Zirconiumoxidkeramik ist daher der Zirkon ZrSiO4, aus dem ZrO2 gewonnen wird. Es gibt kein Zirconiumhydroxid. Aus Zirconium (IV)-Salzlösungen fällt mit Basen ZrO2 · nH2O aus. Es ist in Alkalien unlöslich, löst sich aber in Schwefelsäure unter Bildung eines hydrolysebeständigen Sulfats Zr (SO4)2. Synthetische ZrO2-Kristalle („Zirconia“) haben die kubische CaF2-Struktur und werden als Diamantimitationen verwendet. ZrO2-Fasern (ca. 3 µm) benutzt man wegen ihrer Thermostabilität zur Wärmedämmung von Hochtemperaturanlagen. Es sind alle Zirconium (IV)-Halogenide ZrX4 bekannt. ZrCl4 ist ein weißer sublimierender Feststoff, der aus Zickzack-Ketten aufgebaut ist, in denen kantenverknüpfte ZrCl6-Oktaeder vorliegen. Er hydrolysiert zu dem beständigen Oxidchlorid ZrOCl2 · 8 H2O. Dieses enthält kein „Zirconylion“, sondern das Ion [Zr4 (OH)8 (H2O)16]8C, in dem die Zr-Atome an den Ecken eines verzerrten Quadrats liegen und durch Paare von OH-Brücken miteinander verbunden sind. Außerdem ist jedes Zr von 4 H2O koordiniert, so dass Zr die KZ Z 8 besitzt. Bekannt sind auch die Halogenide ZrX3, ZrX2 und ZrX. Zum Unterschied von Ti3C ist Zr3C in wässrigen Lösungen nicht existent. Die Chemie des Hafniums ist weitgehend analog zu der des Zirconiums.
794
5 Die Elemente der Nebengruppen
5.13 Gruppe 5 5.13.1 Gruppeneigenschaften
Ordnungszahl Z Elektronenkonfiguration Elektronegativität Standardpotential in V Me.Me2C Me.Me3C V C 6 H2O.VOC 2 C 4 H3O 2 Me C 15 H2O.Me2O5 C 10 H3OC Schmelzpunkt in (C Siedepunkt in (C Dichte in g.cm3 Ionenradien in pm Me5C Me4C Me3C Me2C Beständigkeit der Oxidationszahl C5 Bildungsenthalpie von Me2O5 in kJ.mol Bildungsenthalpie von MeF5 in kJ.mol
Vanadium V
Niob Nb
Tantal Ta
23 [Ar]3d3 4s2 1,4
41 [Kr]4d3 5s2 1,2
73 [Xe]4f14 5d3 6s2 1,3
K1,19 K0,88 K0,25 K 1 919 3 400 6,09 54 58 64 79
K K1,10 K K0,64 2 468 4 930 8,58
K K K K0,86 2 996 5 425 16,68
64 68 72 K $% nimmt zu
64 68 72 K
K1 552
K1 901
K2 047
K1 481
K1 815
K1 905
Die Atome der Gruppe 5 besitzen fünf Valenzelektronen, die maximale Oxidationszahl ist C5. Sie ist die wichtigste Oxidationszahl. Die Beständigkeit der Verbindungen mit der Oxidationszahl C5 nimmt vom Vanadium zum Tantal zu. Ta (V) lässt sich in wässriger Lösung nicht reduzieren, während eine V(V)-Lösung mit Zink bis zum V(II) reduziert werden kann. Es bilden sich nacheinander die folgenden Kationen: C1,00 V
C0,36 V
K0,26 V
[VO2 (H2O)4]C $$$$% [VO (H2O)5]2C $$$$% [V (H2O)6]3C $$$$% [V (H2O)6]2C
gelb
blau
grün
violett
In der Oxidationsstufe C5 zeigen die Elemente der Gruppe 5 Ähnlichkeiten zu Nichtmetallen. Sie bilden praktisch keine Kationen, sondern Anionenkomplexe. Die Halogenide sind flüchtig und hydrolysieren. Auf Grund der Lanthanoid-Kontraktion sind Niob und Tantal einander sehr ähnlich, Vanadium hat eine Sonderstellung. In den Verbindungen des Niobs und Tantals mit niedrigen Oxidationsstufen treten oft Metallcluster mit Metall-Metall-Bindungen auf.
5.13 Gruppe 5
795
Die Verwandtschaft zur Gruppe 15 ist gering. Gemeinsam ist die maximale Oxidationszahl C5 und der saure Charakter der Pentaoxide.
5.13.2 Die Elemente Die Elemente kristallisieren kubisch-raumzentriert. Vanadium ist stahlgrau und in reinem Zustand duktil. Verunreinigtes Metall ist hart und spröde. Es ist unedel, bleibt aber infolge Passivierung bei Raumtemperatur an der Luft blank und wird von verdünnter Schwefelsäure, Salzsäure und alkalischen Lösungen nicht angegriffen. In konz. Schwefelsäure, Salpetersäure und Königswasser löst es sich. Bei Weißglut reagiert es mit Kohle zu VC, mit Stickstoff zu VN. Bei 200 (C reagiert es mit Chlor zu VCl4, mit Sauerstoff bilden sich je nach Reaktionstemperatur unterschiedliche Oxide. Niob ist silberweiß, weich und duktil, es lässt sich walzen und schmieden. Es besitzt die Sprungtemperatur von 9 K, unterhalb der das Metall supraleitend wird. Einige Nioblegierungen haben hohe Sprungtemperaturen (Nb3Ge 23 K; Nb3Al 19 K). Niob ist in Säuren, auch in Königswasser unlöslich. Tantal ist blaugrau, glänzend, ist noch dehnbarer als Niob und besitzt stahlähnliche Festigkeit. Es ist chemisch ebenso widerstandsfähig wie Niob. Mineralsäuren (außer HF), Königswasser und wässrige Alkalilaugen greifen Tantal unter 100 (C nicht an.
5.13.3 Vorkommen Vanadium ist mit einem Massenanteil von 10K2 % in der Erdrinde kein seltenes Element. Es ist in Spuren verbreitet in Eisenerzen, Tonen und Basalten. Größere Anreicherungen sind selten. Wichtige Mineralien sind Patronit VS4, Vanadinit Pb5 (VO4)3Cl und Carnotit K (UO2) (VO4) · 1,5 H2O. Vanadium kommt in einigen Erdölen vor. Niob gehört mit 10K3 % zu den seltenen Elementen, es ist etwa zehnmal so häufig wie Tantal. Auf Grund der praktisch gleichen Atom- und Ionenradien sind beide Elemente in der Natur stets vergesellschaftet. Ein wichtiges Vorkommen ist (Fe, Mn) (Nb, Ta)2O6, das je nach dem überwiegenden Metall als Columbit oder Tantalit bezeichnet wird (Früher wurde für Niob auch der Name Columbium benutzt). Niob kommt auch im Pyrochlor NaCaNb2O6F vor.
5.13.4 Darstellung Vanadium. Die Vanadiumerze werden bei 700K850 (C mit Na2CO3 oder NaCl geröstet. Es entsteht Natriumvanadat NaVO3, das mit Wasser ausgelaugt wird. Aus den
796
5 Die Elemente der Nebengruppen
Vanadatlösungen wird mit Schwefelsäure Polyvanadat ausgefällt, aus dem bei 700 (C V2O5 entsteht. Das meiste V2O5 wird in Gegenwart von Eisen oder Eisenerzen zu Ferrovanadium (Eisen-Vanadium-Legierungen) mit Gehalten von 30K80 % Vanadium reduziert. Die Reduktion erfolgt mit Ferrosilicium im Elektroherdofen oder aluminothermisch. Reines Vanadium wird aus V2O5 durch Reduktion mit Calcium oder Aluminium hergestellt. Durch Reduktion von VCl3 mit Magnesium erhält man Vanadiumschwamm. Reinstes Vanadium gewinnt man mit dem van Arkel-de Boer-Verfahren durch thermische Zersetzung von VI3. Niob und Tantal. Ferroniob mit 40K70 % Nb wird hauptsächlich aus Pyrochlor durch Reduktion mit Aluminium hergestellt. Zur Gewinnung der reinen Metalle werden die Erze bei 50K80 (C mit einem Gemisch aus HF und H2SO4 behandelt. Niob und Tantal gehen als Heptafluorokomplexsäuren H2(Nb, Ta)F7 in Lösung. Die Trennung erfolgt heute vorwiegend durch Flüssig-Flüssig-Extraktion mit Methylisobutylketon. Früher wurde zur Trennung die unterschiedliche Löslichkeit von K2NbOF5 und K2TaF7 in verdünnter Flusssäure ausgenutzt. Eine Trennung ist auch durch fraktionierende Destillation der Pentachloride NbCl5 und TaCl5 möglich. Tantal wird durch Reduktion von K2TaF7 mit Natrium hergestellt. Unter Argon wird zu einer K2TaF7-Schmelze flüssiges Natrium zugesetzt. Die Reaktionstemperatur steigt auf 900K1 000 (C. Niob wird hauptsächlich aluminothermisch aus Nb2O5 bei 2 300 (C hergestellt. Das Al-haltige Rohniob (in Blöcken bis 1 t gewonnen) wird durch Umschmelzen gereinigt. Außerdem wird Niob auch durch Reduktion von Nb2O5 mit Kohle bei 1 600K1 900 (C im Hochvakuum hergestellt.
5.13.5 Verwendung Vanadium wird ganz überwiegend als Legierungsbestandteil für Stähle verwendet. Bereits 0,2 % V machen Stahl zäh und dehnbar (Federstahl). V2O5 dient als Katalysator bei der Schwefelsäureherstellung. Niob wird ebenfalls hauptsächlich für Legierungen in der Stahlindustrie verwendet. In der Kerntechnik ist es für Kühlsysteme mit flüssigen Metallen wichtig, da es mit einigen flüssigen Metallen (Li, Na, K, Ca, Bi) nicht reagiert. Bedeutung haben supraleitende Niobverbindungen wie Nb3Sn und Nb3Ge. Tantal ist wegen seiner Korrosionsbeständigkeit gegen flüssige Metalle, Cl2, HCl und andere Verbindungen wichtig für den chemischen Apparatebau. Aus Tantal werden chirurgische und zahnärztliche Instrumente hergestellt. Tantal bildet in sauren, fluoridfreien Elektrolyten eine elektrisch nicht leitende Sperrschicht, es wird daher für Elektrolytkondensatoren verwendet. Etwa ein viertel der Tantalproduktion dient zur Herstellung des hochschmelzenden Hartstoffs Tantalcarbid TaC.
5.13 Gruppe 5
797
5.13.6 Verbindungen des Vanadiums 5.13.6.1 Sauerstoffverbindungen Ähnlich wie im System TitanKSauerstoff existieren auch im System VanadiumK Sauerstoff nicht nur die Oxide mit den Oxidationszahlen C2, C3, C4 und C5, sondern zahlreiche weitere Oxide mit gemischten Oxidationsstufen. Bei einigen Phasen reicht die Zusammensetzung über einen breiten Bereich. Die folgende Zusammenstellung gibt einen Überblick. Die wichtigsten Oxide werden dann im Einzelnen behandelt. V2O5 V3O7, V4O9, V6O13
VO2 VO1,89 K VO1,75
V3O5 V2O3 VO
Die Koordination ist verzerrt oktaedrisch Phasen der Zusammensetzung VnO2nC1. Komplizierte Strukturen mit stark verzerrten Oktaedern, so dass die Koordinationszahl eher 5 ist. Monoklin verzerrte Rutil-Struktur. Eine homologe Reihe von 6 Oxiden VnO2nK1 (4 % n % 9). Die Koordination ist verzerrt oktaedrisch. Die Strukturen leiten sich vom Rutil-Typ ab (vgl. Scherstrukturen, S. 732). Strukturell nicht mit den Oxiden der Reihe V4O7 bis V9O17 verwandt. Korund-Struktur. NaCl-Defektstruktur mit Leerstellen in beiden Teilgittern. Der Existenzbereich reicht von VO0,8 bis VO1,3 (vgl. S. 729).
Vanadium (V)-oxid V2O5 (Smp. 658 (C) ist orangerot. Es entsteht durch Oxidation von Vanadium. Reines V2O5 erhält man durch thermische Zersetzung von NH4VO3 im Sauerstoffstrom. +
550 C
2 NH4VO3 $$$$% V2O5 C 2 NH3 C H2O V2O5 ist in Wasser schwer löslich. Es ist ein Oxidationsmittel. Konz. Salzsäure z. B. wird zu Chlor oxidiert. V2O5 C 6 HCl $% 2 VOCl2 C Cl2 C 3 H2O V2O5 ist amphoter. In Säuren löst es sich unter Bildung des gelben Dioxovanadium (V)-Ions [VO2]D. Mit Alkalilaugen bilden sich bei pH O 13 farblose Lösungen, die das tetraedrisch gebaute Orthovanadation [VO4]3L enthalten. Dazwischen treten in Abhängigkeit vom pH-Wert und der Konzentration verschiedene Isopolyanionen auf. Mit abnehmendem pH bildet sich zunächst das protonierte Ion [HVO4]2K, das zum zweikernigen Divanadation [V2O7]4K aggregiert. Wahrscheinlich entstehen auch die mehrkernigen Spezies [V3O9]3K und [V4O12]4K. Die Hauptspezies im pH-Bereich 2 bis 6 ist das orangefarbene Decavanadation [V10O28]6K (Abb. 5.66), das auch in protonierten Formen wie [HV10O28]5K und [H2V10O28]4K
798
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.66 Struktur des Decavanadations [V10O28]6K, das sich aus 10 VO6-Oktaedern aufbaut.
auftritt. In stark sauren Lösungen ist das Decavanadation unbeständig, es bildet sich das Dioxovanadium (V)-Ion [VO2]C. Das Decavanadation ist auch in Salzen wie Na6V10O28 · 18 H2O und Ca3V10O28 · 18 H2O enthalten. Beim Erhitzen von Decavanadatlösungen können verschiedene kristalline Salze erhalten werden: Na4V2O7 · 18 H2O, KV3O8, K3V5O14, KVO3. Strukturell außerordentlich vielfältig sind Polyoxovanadate mit V (V) und V (IV), die in großer Anzahl synthetisiert worden sind. Gibt man zu V (V)-Lösungen H2O2, so bilden sich Peroxokomplexe. In alkalischen und neutralen Lösungen entsteht das gelbe Ion [VO2 (O2)2]3K, in saurer Lösung das rotbraune Kation [V (O2)]3C. Vanadiumdioxid VO2 (Smp. 1 637 (C) ist blauschwarz und amphoter. Es kristallisiert in einer verzerrten Rutil-Struktur, in der V-V-Paare vorhanden sind. Oberhalb 70 (C bildet sich die unverzerrte Rutil-Struktur, in der die V-V-Bindungen aufgebrochen sind. Durch die frei werdenden Elektronen erfolgt ein plötzlicher Anstieg der Leitfähigkeit und der magnetischen Suszeptibilität. VO2 löst sich in Säuren unter Bildung des blauen Oxovanadium (IV)-Ions [VO (H2O)5]2C. Man erhält es auch durch Reduktion des VOC 2 -Ions. C K VO2 C C 3 H2O # VOC 2 C 2 H 3O C e
E+ Z C1,00 V
Unterschiedlich zum polymeren TiO2C-Ion ist das [VO (H2O)5]2C-Ion verzerrt oktaedrisch gebaut und enthält eine V ] O-Bindung. Das VO2C-Ion ist in Verbindungen und Komplexen wie VOSO4 · 5 H2O und [VO (NCS)4]2K enthalten. Durch Zusammenschmelzen mit Erdalkalimetalloxiden bildet VO2 die VerbindunC2
C2
gen MeVO3 und MeVO4. Vanadiumtrioxid V2O3 ist schwarz, hochschmelzend (Smp. 1 967 (C) und basisch. Es kristallisiert in der Korund-Struktur, die bis zur Zusammensetzung VO1,35 erhal-
5.13 Gruppe 5
799
ten bleibt. V2O3 löst sich in Säuren, es bildet sich der grüne Komplex [V (H2O)6]3C, der auch durch Reduktion von V (IV)-Lösungen entsteht. V3 C C 3 H2O # VO2 C C 2 H3OC C eK
E+ Z C0,36 V
V (III)-Lösungen werden durch Luftsauerstoff oxidiert. V (III) bildet eine Reihe oktaedrischer Komplexe, z. B. [V (ox)3]3K (ox Z Oxalat), [VF6]3K. Siebenfach koordiniertes V (III) tritt in der roten Verbindung K4 [V (CN)7] · 2 H2O auf. Das Ion C1 C3
[V (H2O)6]3C liegt auch in den Alaunen Me V (SO4)2 $ 12 H2O vor. C2
Mit einer Reihe von Oxiden MeO bildet V2O3 Spinelle des Typs MeV2O4 (Me Z Mg, Zn, Cd, Co, Fe, Mn). Vanadiummonooxid VO ist schwarz und besitzt eine NaCl-Defektstruktur mit großer Phasenbreite. Es hat metallischen Glanz und ist wie TiO ein metallischer Leiter. Wird in Vanadiumverbindungen ein kritischer V-V-Abstand unterschritten, so überlappen die d-Orbitale der Vanadiumionen und bilden ein teilweise besetztes Leitungsband (vgl. S. 182). Deswegen ist auch der Spinell LiV2O4 ein metallischer Leiter. VO ist basisch und löst sich in Säuren unter Bildung des violetten Ions [V (H2O)6]2C, das man auch durch Reduktion von V (III)-Lösungen z. B. mit Zink erhält. V2C # V3C C eK
E+ Z K 0,26 V
Die Lösungen sind luftempfindlich, sie sind stark reduzierend und werden von Wasser unter H2-Entwicklung oxidiert. Bekannte Salze sind das violette VSO4 · 6 H2O und die Doppelsalze C C C Me2 [V (H2O)6] (SO4)2 (Me Z NHC 4 , K , Rb . Cs ).
5.13.6.2 Halogenide Es gibt Halogenide von Vanadium mit den Oxidationszahlen C2, C3, C4 und C5. Sie sind in der Tabelle 5.11 zusammengestellt. Vanadium (I)-Halogenide sind nicht bekannt, da ihre Disproportionierung energetisch begünstigt ist. Beispiel: VF $% VF2 C V
ΔH( Z K502 kJ.mol
Vanadium (II)-Halogenide können aus Halogeniden höherer Oxidationszahlen durch Reduktion hergestellt werden. Die Verbindungen sind kristallin, paramagnetisch und nur unter Inertgas handhabbar. Sie sind starke Reduktionsmittel, hygroskopisch und lösen sich unter Bildung von [V(H2O)6]2C-Ionen. VF2 kristallisiert im Rutil-Typ, die anderen Halogenide im CdI2-Typ. Vanadium (III)-Halogenide haben eine polymere Struktur, Vanadium hat die Koordinationszahl 6. VF3 ist wasserunlöslich und unzersetzt sublimierbar. Die anderen
800
5 Die Elemente der Nebengruppen
Tabelle 5.11 Vanadiumhalogenide Oxidationszahl
C2
C3
C4
C5
VF2 blau VCl2 hellgrün VBr2 orangebraun VI2 rotviolett
VF3 grün VCl3 rotviolett VBr3 schwarz VI3 braun
VF4 VF5 grün weiß VCl4 braun.flüssig VBr4* purpurrot.flüssig VI4**
* zerfällt oberhalb K23 (C ** nur in der Gasphase bekannt
Trihalogenide sind hygroskopisch, ihre wässrigen Lösungen enthalten [V (H2O)6]3CIonen, an der Luft werden sie oxidiert. Bei höheren Temperaturen disproportionieren sie. VF4 ist ein über Fluoratome verbrückter polymerer Feststoff, VCl4 und VBr4 sind aus tetraedrischen Monomeren aufgebaut. VF5 wird durch Fluorierung von Vanadium hergestellt. Es schmilzt bei 19 (C zu einer gelben, viskosen Flüssigkeit. In der Gasphase existieren trigonal-bipyramidale Moleküle, im Kristall Ketten aus VF6-Oktaedern (Abb. 5.67).
Abbildung 5.67 Struktur von Vanadiumpentafluorid. VF5 ist aus unendlichen Ketten aufgebaut.
5.13.7 Verbindungen des Niobs und Tantals 5.13.7.1 Sauerstoffverbindungen Niobpentaoxid Nb2O5 und Tantalpentaoxid Ta2O5 sind weiße, chemisch relativ inerte Pulver. Sie sind schwerer zu reduzieren als V2O5. Niobdioxid NbO2 und Tantaldioxid TaO2 sind blauschwarze Pulver. Sie kristallisieren in einer verzerrten Rutil-Struktur. Niob bildet zwischen den Oxidationszahlen C4 und C5 eine homologe Serie strukturell verwandter Phasen der allgemeinen Formel Nb3nD1O8nL2 mit n Z 5, 6, 7, 8.
5.13 Gruppe 5
801
Abbildung 5.68 a) NaCl-Struktur b) Struktur von NbO. Sie lässt sich von der NaCl-Struktur ableiten. Es existieren in beiden Teilgittern 25 % Leerstellen (im Zentrum der Elementarzelle eine Sauerstoffleerstelle und Metallleerstellen an den Ecken der Elementarzelle). Dadurch entstehen oktaedrische Nb6-Cluster (Nb d Nb-Abstände im Cluster 298 pm, Nb d Nb-Abstände im Metall 285 pm), die für die metallische Leitfähigkeit verantwortlich sind.
Niobmonooxid NbO ist grau, metallisch leitend und nichtstöchiometrisch. Der Homogenitätsbereich NbO0,982KNbO1,008 ist viel kleiner als beim VO. Die Struktur ist kubisch und aus Nb6-Clustern aufgebaut (Abb. 5.68). Schmilzt man Nb2O5 und Ta2O5 mit Alkalimetallhydroxiden und löst die Schmelze in Wasser, enthält die Lösung Isopolyanionen. Beim Vanadium existiert eine Vielfalt von Isopolyanionen, beim Niob und Tantal sind nur die Ionen [Me6O19]8K (Abb. 5.69) vorhanden. Auch die Existenz von MeO3K 4 -Ionen in stark alkalischen Lösungen ist ungewiss. Unterhalb pH z 10 bei Ta und unterhalb pH z 7 bei Nb scheiden sich aus den Lösungen wasserhaltige Oxide Me2O5 · nH2O aus. [Me6O19]8K-Ionen sind auch in Salzen wie K8Me6O19 · 16 H2O vorhanden. Die meisten „Niobate“ MeNbO3 und „Tantalate“ MeTaO3 sind unlöslich und besitzen Perowskitstruktur. Es sind also Doppeloxide, die keine isolierten Anionen NbOK 3 und TaOK 3 enthalten. Einige sind wegen ihrer ferroelektrischen und piezoelektrischen Eigenschaften (LiNbO3 und LiTaO3) technisch interessant.
Abbildung 5.69 Die Isopolyanionen [Me6O19]8K (Me Z Nb, Ta) sind aus sechs MeO6-Oktaedern aufgebaut. Die Me-Atome im Zentrum der Oktaeder bilden ebenfalls ein Oktaeder.
802
5 Die Elemente der Nebengruppen
5.13.7.2 Halogenverbindungen Von allen vier Halogenen sind die Pentahalogenide NbX5 und TaX5 bekannt. Die Pentafluoride sind weiße, flüchtige Feststoffe mit tetrameren Struktureinheiten (Abb. 5.70). Die restlichen sechs Halogenide sind farbige Feststoffe, die sublimieren und mit Wasser hydrolysieren. Die Chloride und Bromide bestehen aus dimeren Molekülen (Abb. 5.70).
Abbildung 5.70 a) die Pentafluoride NbF5 und TaF5 sind aus tetrameren Molekülen Me4F20 aufgebaut b) Die Pentahologenide NbX5 und TaX5 (X Z Cl, Br) bestehen aus dimeren Molekülen Me2X10.
Außer TaF4 sind alle möglichen Tetrahalogenide bekannt. NbF4 ist schwarz, nichtflüchtig und paramagnetisch. Es besitzt eine Struktur, bei der NbF6-Oktaeder zu Schichten verknüpft sind (Abb. 5.71). Die anderen Tetrahalogenide sind aus Ketten aufgebaut, in denen Metall-Metall-Bindungen auftreten und die deshalb diamagnetisch sind (Abb. 5.71).
Abbildung 5.71 a) NbF4 kristallisiert in einer Schichtstruktur. b) Die Tetrahalogenide NbX4 und TaX4 (X Z Cl, Br, I) sind aus Ketten aufgebaut, in denen Metallpaare mit Metall-Metall-Bindungen auftreten. Dies hat kürzere Abstände und den Diamagnetismus dieser Tetrahalogenide zur Folge.
Die Halogenide mit niedrigen Oxidationszahlen sind interessante Clusterverbindungen mit Metall-Metall-Bindungen. Die Halogenide der Zusammensetzung NbX2,33
5.13 Gruppe 5
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Z Nb6X14 (X Z Cl, Br) und TaX2,33 Z Ta6X14 (X Z Cl, Br, I) sind aus diamagnetischen [Me6X12]2C-Clustern aufgebaut, in denen die Metallatome ein Oktaeder bilden (Abb. 5.72). Die Cluster sind durch die Halogenidionen zu Schichten verknüpft. Ohne Änderung der Cluster-Struktur ist Oxidation möglich. [Me6 X12]2C # diamagnetisch
[Me6 X12]3C C eK
paramagnetisch (1 ungepaartes Elektron)
Die Cluster [Me6 X12]3C sind auch Baugruppen der Halogenide NbF2,5 Z Nb6F15 und TaX2,5 Z Ta6 X15 (X Z F, Cl, Br, I). Die Cluster sind durch die Halogenidionen dreidimensional verknüpft. Die Halogenide NbX2,67 Z Nb3 X8 (X Z Cl, Br, I) bilden Schichtstrukturen, die aus Nb3-Clustern aufgebaut sind.
Abbildung 5.72 [Me6X12]nC-Cluster. Diamagnetische Cluster [Me6 X12]2C sind am Aufbau der Halogenide NbX2,33 und TaX2,33 beteiligt. Die Cluster [Me6 X12]3C sind Baugruppen der Halogenide NbF2,5 und TaX2,5. Im Cluster [Me6 X12]2C sind insgesamt 40 Valenzelektronen vorhanden, 24 davon werden für die Me d Cl-Bindungen gebraucht, 16 verbleiben für die Me d Me-Bindungen im Cluster. Damit können 8 Dreizentren-Zweielektronen-Bindungen gebildet werden. (Beim Me-Oktaeder gibt es 8 reguläre Dreiecke.)
804
5 Die Elemente der Nebengruppen
5.14 Gruppe 6 5.14.1 Gruppeneigenschaften
Ordnungszahl Z Elektronenkonfiguration Elektronegativität Standardpotential in V Me.Me2C Me.Me3C Schmelzpunkt in (C Siedepunkt in (C Sublimationsenthalpie in kJ.mol Ionenradien in pm Me6C Me5C Me4C Me3C Me2C Beständigkeit der Oxidationszahl C6 Beständigkeit der Oxidationszahl C3
Chrom Cr
Molybdän Mo
Wolfram W
24 [Ar]3d5 4s1 1,6
42 [Kr]4d5 5s1 1,3
74 [Xe]4f14 5d4 6s2 1,4
K K0,20 2 620 4 825 C659
K K0,11 3 410 z5 700 C850
K0,91 K0,74 1 903 2 640 C397 44 49 55 61 73 ls* 80 hs
59 61 65 69 K $% nimmt zu
60 62 66 K K
$% nimmt ab
* ls Z low spin, hs Z high spin
Auch in dieser Gruppe sind auf Grund der Lanthanoid-Kontraktion die beiden schweren Elemente Molybdän und Wolfram einander recht ähnlich. Die Unterschiede zum Chrom sind sehr deutlich. Die maximale Oxidationszahl ist C6. Sie ist die stabilste Oxidationszahl des Molybdäns und Wolframs. Für beide ist die Bildung zahlreicher komplizierter Polyanionen mit meist oktaedrischer Koordination typisch. Beim Chrom gibt es nur wenige Spezies mit tetraedrischer Koordination. Die stabilste Oxidationszahl des Chroms ist C3. Im Gegensatz zu den Wolframaten sind die Chromate daher starke Oxidationsmittel. Chrom (III) bildet zahlreiche oktaedrische Komplexverbindungen. Eine entsprechende Komplexchemie gibt es beim Molybdän und Wolfram nicht. Chrom (II) wirkt reduzierend, aber es gibt viele Cr (II)-Verbindungen, von denen die mit high-spin-Konfiguration des Cr (II) Jahn-Teller-Effekt zeigen. Stabile Molybdän (II)- und Wolfram (II)-Verbindungen hingegen sind Clusterverbindungen, deren Stabilität durch Metall-Metall-Bindungen zustande kommt. Bei allen Metallen gibt es Me (II)-Verbindungen mit Metall-Metall-Vierfachbindungen.
5.14 Gruppe 6
805
5.14.2 Die Elemente Chrom, Molybdän und Wolfram kristallisieren kubisch-raumzentriert. Es sind silberweiß glänzende Metalle, die nur in reinem Zustand duktil sind, sonst sind sie hart und spröde. Es sind hochschmelzende und hochsiedende Schwermetalle. Wolfram besitzt den höchsten Schmelzpunkt aller Metalle, mit Ausnahme von Kohlenstoff sogar aller Elemente. Es besitzt eine große mechanische Festigkeit, die elektrische Leitfähigkeit beträgt ca. 30 % von der des Silbers. Obwohl alle Metalle unedel sind, werden sie bei Normaltemperatur an Luft und in Wasser nicht oxidiert (Passivierung durch dünne Oxidschichten). Chrom wird wegen seiner Korrosionsbeständigkeit zur elektrolytischen Verchromung reaktiver Metalle benutzt. Durch eine dünne (0,3 µm) Chromschicht wird das Metall vor Oxidation geschützt. Passiviertes Chrom ist beständig gegen kalte nicht oxidierende Säuren, gegen kalte Salpetersäure, Alkalilaugen und Ammoniaklösungen. Königswasser und Flusssäure greifen es an. Mit den meisten Nichtmetallen, z. B. Chlor, Schwefel, Stickstoff oder Kohlenstoff, reagiert Chrom bei erhöhten Temperaturen. Auch Wolfram ist gegenüber nicht oxidierenden Säuren korrosionsbeständig, selbst von Königswasser und Flusssäure wird es nur langsam angegriffen. Gelöst wird Wolfram und auch Molybdän durch ein Gemisch aus Salpetersäure und Flusssäure. In Gegenwart oxidierender Substanzen, z. B. KNO3 oder KClO3, lösen sie sich in alkalischen Schmelzen unter Bildung von Wolframaten bzw. Molybdaten. Cr (VI)-Verbindungen sind sehr giftig (cancerogen). In geringen Mengen benötigen wir Cr (III), ein Mangel kann zu Diabetes führen. Molybdän ist Bestandteil von Enzymen. Das molybdänhaltige Enzym Sulfit-Oxidase oxidiert schädliche Sulfitionen in der Leber zu Sulfat. Das Enzym Nitrogenase ist in Bakterien enthalten, die Luftstickstoff zu NHC 4 -Ionen reduzieren (jährlich etwa 108 t Stickstoff).
5.14.3 Vorkommen Das wichtigste Chromerz, das allein Ausgangsmaterial zur Herstellung von Chrom und Chromverbindungen ist, ist Chromit (Chromeisenstein) FeCr2O4, der im SpinellTyp kristallisiert. Seltener ist Krokoit (Rotbleierz) PbCrO4. Das wichtigste Molybdänerz ist Molybdänglanz MoS2. Weniger häufig ist Wulfenit (Gelbbleierz) PbMoO4. Wolfram kommt als Wolframit (Mn, Fe)WO4 und als Scheelit CaWO4 vor. Chrom ist am Aufbau der Erdrinde mit etwa 10K2 % beteiligt, Molybdän und Wolfram mit etwa 10K4 %.
5.14.4 Darstellung, Verwendung Zur Herstellung chromhaltiger Stähle wird Ferrochrom (Eisen-Chrom-Legierungen mit etwa 60 % Cr) verwendet. Chrom ist das wichtigste Legierungselement für nicht rostende und hitzebeständige Stähle.
806
5 Die Elemente der Nebengruppen
Ferrochrom erhält man durch Reduktion von Chromit mit Koks im Elektroofen. +
1 600K1 700 C
FeCr2O4 C 4 C $$$$$$$$% Fe C 2 Cr C 4 CO Es ist kohlenstoffhaltig, da sich Carbide bilden. Kohlenstoffarmes Ferrochrom wird durch Reduktion von Chromit mit Silicochrom (ca. 30 % Si) gewonnen. Chrommetall wird aluminothermisch aus Chrom (III)-oxid hergestellt. Cr2O3 C 2 Al $% Al2O3 C 2 Cr Zur Darstellung von Cr2O3 wird Chromit in Gegenwart von Na2CO3 bei 1 000K 1 200 (C mit Luft oxidiert. Es entsteht Natriumchromat Na2CrO4, das in Wasser gelöst wird. Nach Zugabe von konz. Schwefelsäure wird Natriumdichromat Na2Cr2O7 · 2 H2O zur Kristallisation gebracht. Dieses wird mit Kohlenstoff zu Cr2O3 reduziert. Na2Cr2O7 C 2 C $% Cr2O3 C Na2CO3 C CO Chrom wird auch elektrolytisch hergestellt. Zur Verchromung von Stahl werden Chrom (VI)-Lösungen, zur Gewinnung von Chrommetall Chrom (III)-Lösungen elektrolysiert. Zur Herstellung von Molybdän wird Molybdänglanz MoS2 zunächst durch Rösten bei 400K650 (C in das Trioxid MoO3 überführt. MoO3 kann durch Sublimation bei 1 200 (C gereinigt werden. Dieses wird bei 1 100 (C mit Wasserstoff zu Molybdänpulver reduziert. MoO3 C 3 H2 $% Mo C 3 H2O Durch Sintern unter Schutzgas bei 1 900K2 000 (C entsteht kompaktes Molybdän. Molybdänzusätze erhöhen Zähigkeit und Härte von Stahl. Zum Legieren verwendet man Ferromolybdän. Man stellt es durch Reduktion von Molybdänoxid und Eisenerz mit Silicium und.oder Aluminium her. Wolfram wird durch Reduktion von Wolfram (VI)-oxid mit Wasserstoff hergestellt. +
700K1 000 C
WO3 C 3 H2 $$$$$$$% W C 3 H2O Das als Pulver anfallende Wolfram wird in einer H2-Atmosphäre bei 2 000K2 800 (C zu kompaktem Wolframmetall gesintert. Zur Herstellung von WO3 gibt es verschiedene Erzaufschlussmethoden. Scheelit wird mit konz. Salzsäure aufgeschlossen. CaWO4 C 2 HCl $% CaCl2 C WO3 · H2O Wolframit wird bei 800K900 (C mit Na2CO3 unter Luftzutritt zur Reaktion gebracht. 2 FeWO4 C 2 Na2CO3 C 21 O2 $% 2 Na2WO4 C Fe2O3 C 2 CO2 3 MnWO4 C 3 Na2CO3 C 21 O2 $% 3 Na2WO4 C Mn3O4 C 3 CO2 Na2WO4 kann herausgelöst werden.
5.14 Gruppe 6
807
Beim Aufschluss mit Natronlauge bei 110K130 (C entsteht eine Lösung von Na2WO4, Eisen und Mangan werden in unlösliche Hydroxide überführt. Aus den Na2WO4-Lösungen wird mit konz. Salzsäure Wolfram (VI)-oxidhydrat ausgefällt und dieses in WO3 überführt. Wolfram wird im Hochtemperaturbereich verwendet: für Schweißelektroden, als Glühlampendraht, für Anoden in Röntgenröhren. Die Hälfte des Wolframs dient zur Herstellung von Hartmetall, einem Verbundwerkstoff aus Wolframcarbid WC und Cobalt. Hartmetalle sind sehr hart und verschleißfest.
5.14.5 Verbindungen des Chroms 5.14.5.1 Chrom (VI)-Verbindungen (d0) Stabil sind nur Oxoverbindungen. Die wichtigsten Cr (VI)-Verbindungen sind die Chromate mit dem Ion CrO24 K und die Dichromate mit dem Ion Cr2O27 K. Zwischen einigen Cr (VI)- und S(VI)-Verbindungen gibt es aufgrund der gleichen Zahl von Valenzelektronen Ähnlichkeiten. Beispiele: CrO3
SO3
CrO24 K
SO24 K SO2Cl2
CrO2Cl2
Chromate. Dichromate Natriumdichromat Na2Cr2O7 ist ein Zwischenprodukt bei der Darstellung von Chrommetall. Die technische Herstellung wurde bereits beschrieben (S. 806). Im Labor erhält man Chromat mit der Oxidationsschmelze. C3
C5
C6
C3
Cr2O3 C 2 Na2CO3 C 3 KNO3 $% 2 Na2CrO4 C 3 KNO2 C 2 CO2 In Lösungen mit pH O 6 liegt das gelbe tetraedrisch gebaute Chromat-Ion CrO2L 4 vor (Abb. 5.73). Zwischen pH Z 2 und pH Z 6 sind das Ion HCrOL 4 und das orange(Abb. 5.73) im Gleichgewicht. Unterhalb pH Z 1 überrote Dichromat-Ion Cr2O2L 7 wiegt die Chromsäure H2CrO4. Es liegen die folgenden Gleichgewichte vor. C 2K HCrOK 4 C H2O # CrO4 C H3O 2K K Cr2O7 C H2O # 2 HCrO4 C H2CrO4 C H2O # HCrOK 4 C H 3O
K Z 10K5,9 K Z 10K2,2 K Z 4,1
Die Chromsäure ist im Unterschied zur Schwefelsäure H2SO4 nur in wässriger Lösung bekannt.
808
5 Die Elemente der Nebengruppen
2K
Abbildung 5.73 a) Struktur des Chromat-Ions CrO4 . 2K b) Struktur des Dichromat-Ions Cr2O7 .
Versetzt man diese Lösungen mit Ba2C-, Pb2C- oder AgC-Ionen, so fallen die schwer löslichen Chromate BaCrO4, PbCrO4 und Ag2CrO4 aus. PbCrO4 wird als Chromgelb, basisches Bleichromat PbCrO4 · Pb (OH)2 als Chromrot für Malerfarben verwendet. Aus stark sauren Lösungen kristallisieren Alkalimetallsalze mit den Ionen Cr3O210K und Cr4O213K aus. Wie beim Cr2O27 K-Ion sind CrO4-Tetraeder über Ecken verknüpft. Es entstehen Ketten mit Cr d O d Cr-Winkeln nahe 120(. Verglichen mit Molybdän und Wolfram gibt es beim Chrom nur wenige einfache Polyanionen. Ursache ist vermutlich die geringe Größe des Cr (VI)-Ions, die nur tetraedrische Koordination erlaubt, außerdem die Tendenz zur Bildung von Cr d O-Doppelbindungen. Saure Dichromatlösungen sind starke Oxidationsmittel. C K # 2 Cr3C C 21 H2O Cr2O2K 7 C 14 H3O C 6 e
E+ Z C1,33 V
Basische Chromatlösungen sind sehr viel schwächere Oxidationsmittel. K # Cr (OH)3 C 5 OHK CrO2K 4 C 4 H 2O C 3 e
E+ Z K0,13 V
Chrom(VI)-oxid CrO3 Es entsteht als roter Niederschlag (Smp. 198 (C) aus Dichromatlösungen mit konz. Schwefelsäure; es ist also das Endprodukt der Kondensation von Chromatlösungen. CrO3 ist ein saures, vorwiegend kovalentes Oxid. Es ist aus unendlichen Ketten über Ecken verknüpfter Tetraeder aufgebaut. Die Cr d O-Abstände innerhalb der Kette entsprechen Einfachbindungen, die endständigen Cr d O-Abstände Doppelbindungen.
O
O
O
Cr O Cr O Cr O O
O
O
Oberhalb des Schmelzpunktes gibt CrO3 Sauerstoff ab und zersetzt sich über die Zwischenstufen Cr8O21, Cr2O5, Cr5O12, CrO2 zu Cr2O3. CrO3 ist ein starkes Oxidati-
5.14 Gruppe 6
809
onsmittel, mit organischen Stoffen reagiert es explosiv. Es löst sich leicht in Wasser, es ist rot und sehr giftig (cancerogen). Peroxoverbindungen Versetzt man saure Dichromatlösungen mit H2O2, so bildet sich vorübergehend das tiefblaue Chrom (VI)-peroxid CrO5. C6
C HCrOK $% CrO (O2)2 C 4 H2O 4 C 2 H 2 O 2 C H 3O
Es zersetzt sich rasch unter Bildung von Cr (III). Die Gesamtreaktion ist C 2 HCrOK $% 2 Cr3C C 3 O2 C 16 H2O 4 C 3 H 2O 2 C 8 H 3O
Durch Ausschütteln mit Ether kann CrO5 stabilisiert werden. Durch Zugabe von Pyridin erhält man ein monomeres blaues Addukt [CrO(O2)2 · py] (Abb. 5.74a). Bei Einwirkung von H2O2 auf neutrale oder schwach saure Lösungen von KC-, C NHC 4 oder Tl -Dichromaten bilden sich diamagnetische, blauviolette, explosive C6
Salze mit dem Peroxochromat-Ion [CrO (O2)2OH]K.
Abbildung 5.74 Strukturen von Peroxoverbindungen des Chroms. a) Struktur des blauen, diamagnetischen Pyridinaddukts des Chrom (VI)-peroxids CrO5. Die CrO (O2)2 · py-Moleküle haben die Geometrie einer pentagonalen Pyramide. b) Struktur des roten, paramagnetischen Peroxochromat (V)-Ions [Cr (O2)4]3K. Die Zentren der Peroxogruppen umgeben das Chrom tetraedrisch, dies führt zu einer DodekaederStruktur. c) Das Chrom (IV)-peroxid [Cr (O2)2(NH3)3] besteht aus pentagonal-bipyramidalen Molekülen.
Halogenidoxide Chromylchlorid CrO2Cl2 ist eine tiefrote Flüssigkeit (Sdp. 117 (C). Man erhält es beim Erwärmen von Dichromat und Alkalimetallchloriden in konz. Schwefelsäure. K2Cr2O7 C 4 KCl C 3 H2SO4 $% 2 CrO2Cl2 C 3 K2SO4 C 3 H2O Durch Wasser wird es zu Chromat-Ionen und Salzsäure hydrolysiert. Bekannt sind auch die Fluoridoxide CrO2F2 und CrOF4.
810
5 Die Elemente der Nebengruppen
5.14.5.2 Chrom (V)-Verbindungen (d1) Es gibt nur wenige stabile Chrom (V)-Verbindungen. In wässriger Lösung disproportioniert Cr (V) zu Cr (III) und Cr (VI). Die binäre Verbindung Chrom (V)-fluorid CrF5, ist ein roter flüchtiger Feststoff (Smp. 30 (C). Als reine Oxoverbindungen sind Chromate (V) wie Li3CrO4, Na3CrO4, Ca3(CrO4)2 bekannt, die tetraedrische paramagnetische CrO34 K-Ionen enthalten. Es sind hygroskopische Feststoffe, die unter Disproportionierung zu Cr (III) und Cr (VI) hydrolysieren. Bei Einwirkung von H2O2 auf alkalische Alkalimetallchromat (VI)-Lösungen C1
bilden sich rotbraune, paramagnetische Peroxochromate (V) Me3CrO8. Das [Cr (O2)4]3K-Ion hat dodekaedrische Struktur (Abb. 5.74b). Wahrscheinlich existiert das Gleichgewicht C5
C6
[Cr (O2)4]3K C 2 H3OC # [CrO (O2)2 (OH)]K C 1,5 H2O2 C H2O rotbraun
blauviolett
Chrom (V)-Halogenidoxide bilden Komplexe wie [CrOF4]K, [CrOCl4]K und [CrOCl5]2K, die zu den stabilsten Cr (V)-Verbindungen gehören.
5.14.5.3 Chrom (IV)-Verbindungen (d2) Wie beim Cr (V) gibt es keine Chemie des Cr (IV) in wässriger Lösung, da Disproportionierung zu Cr (III) und Cr (VI) erfolgt. Chrom (IV)-oxid CrO2 kristallisiert im Rutil-Typ. Es ist braunschwarz, ferromagnetisch und metallisch leitend. Es wird für Tonbänder verwendet. Die Chromate (IV) Ba2CrO4 und Sr2CrO4 sind blauschwarz, paramagnetisch und luftbeständig. Sie enthalten tetraedrische CrO44 K-Gruppen. Die Peroxoverbindung [Cr (O2)2(NH3)3] (Abb. 5.74c) ist eine dunkelrotbraune, metallisch glänzende Verbindung. Das stabile Halogenid Chrom (IV)-fluorid CrF4, ist ein sublimierender, hydrolysierender Feststoff.
5.14.5.4 Chrom (III)-Verbindungen (d3) Die stabilste Oxidationszahl des Chroms ist C3, die typische Koordination von Cr (III) ist oktaedrisch. Cr (III) bildet mit den meisten Anionen stabile Salze. Es sind ungewöhnlich viele Cr (III)-Komplexe bekannt, die fast alle oktaedrisch gebaut sind und von denen viele kinetisch stabil sind. Chrom (III)-oxid Cr2O3 (Smp. 2 275 (C) ist dunkelgrün und kristallisiert im Korund-Typ. Es entsteht beim Verbrennen des Metalls im Sauerstoffstrom 2 Cr C 1,5 O2 $% Cr2O3
ΔH+ B Z K1 140 kJ.mol
5.14 Gruppe 6
811
oder durch Zersetzung von Ammoniumdichromat K3
C6
C3
0
(NH4)2Cr2O7 $% Cr2O3 C N2 C 4 H2O
Es ist chemisch inert, es löst sich nicht in Wasser, Säuren und Laugen. Cr2O3 wird zum Färben von Glas und Porzellan sowie als grüne Malerfarbe verwendet. C2
Cr2O3 bildet mit vielen Oxiden MeO (Me Z Ni, Zn, Cd, Fe, Mg, Mn) Doppeloxide MeCr2O4 mit Spinellstruktur. Die Cr3C-Ionen besetzen die Oktaederplätze des Spinellgitters (vgl. S. 697). Synthetische Rubine bestehen aus Mischkristallen von Al2O3 und Cr2O3 (Rubinlaser, s. im Abschn. 5.14.5.6). Chrom (III)-hydroxid Cr (OH)3. Aus Cr (III)-Lösungen fällt mit OHK-Ionen je nach Reaktionsbedingung kristallines Hydroxid Cr (OH)3(H2O)3 oder Oxidhydrat mit variabler Zusammensetzung Cr2O3 · nH2O aus. Cr (OH)3 ist amphoter und löst sich frisch gefällt in Säuren und Basen OH
K
OH
K
[Cr (H2O)6]3 C 2)5 Cr (OH)3 2)5 [Cr (OH)6]3 K H3 O
C
H 3O
C
Das Hexaaquachrom (III)-Ion [Cr (H2O)6]3D ist violett, oktaedrisch gebaut und liegt auch in Salzen vor, z. B. in Chrom (III)-sulfat [Cr (H2O)6]2(SO4)3, Chrom (III)-chlorid [Cr (H2O)6]Cl3 und den [Cr (H2O)6]3C reagiert sauer.
Chromalaunen
C1
[Me (H2O)6] [Cr (H2O)6] (SO4)2.
[Cr (H2O)6]3C C H2O # [Cr (H2O)5OH]2C C H3OC
pKS Z 4
In Abhängigkeit von pH-Wert, Temperatur und Konzentration bilden sich polymere Spezies, in der ersten Stufe ein dimerer Komplex mit OHK-Brücken.
Als Endprodukt bei der Zugabe von Basen entstehen dunkelgrüne Chrom (III)-oxidHydrat-Gele. Die Hexaaquachrom (III)-Komplexe zeigen Hydratisomerie (vgl. S. 686). Beispiel Cr (H2O)6Cl3: [Cr (H2O)6]Cl3 # [Cr (H2O)5Cl]Cl2 $ H2O # [Cr (H2O)4Cl2]Cl $ 2H2O
violett
hellgrün
dunkelgrün
Beim Erwärmen entstehen aus dem violetten Komplex die grünen Isomere, die sich in der Kälte sehr langsam wieder in den violetten Komplex umwandeln. Chrom (III)-Halogenide Von den wasserfreien Halogeniden CrX3 (X Z F, Cl, Br, I) ist das schuppige, rotviolette Chrom (III)-chlorid CrCl3 (Smp. 1 152 (C) am wichtigsten. Es ist im Cl2-Strom
812
5 Die Elemente der Nebengruppen
bei 600 (C sublimierbar. Wasserfreie Cr (III)-Salze unterscheiden sich in Struktur und Eigenschaften wesentlich von wasserhaltigen Salzen. CrCl3 kristallisiert in einer Schichtstruktur mit Schichtpaketen, zwischen denen van der Waals-Bindungen vorhanden sind. Chrom ist oktaedrisch koordiniert. CrCl3 löst sich in Wasser nur in Gegenwart von Cr2C-Ionen durch deren katalytische Wirkung. Auch kinetisch stabile Cr (III)-Komplexe werden durch Cr (II) zersetzt.
Chrom (III)-Komplexe Die Elektronenkonfiguration d3 liefert bei oktaedrischer Koordination eine große Ligandenfeldstabilisierungsenergie (vgl. Abschn. 5.4.6). Es gibt daher eine große Zahl stabiler oktaedrischer Cr (III)-Komplexe mit typischen Farben. Die magnetischen Momente liegen beim „spin-only“-Wert (vgl. S. 668), der für drei ungepaarte Elektronen 3,87 Bohr’sche-Magnetonen beträgt. Aus den Elektronenspektren kann die Ligandenfeldaufspaltung Δ bzw. 10 Dq ermittelt werden (Abb. 5.75). Für einige Komplexe sind diese Eigenschaften in der Tabelle 5.12 angegeben. Tabelle 5.12 Eigenschaften von Chrom(III)-Komplexen Komplex
Farbe
10 Dq in cmK1
µ in µB
K[Cr(H2O)6](SO4)2 · 6 H2O K3 [Cr(C2O4)3] · 3 H2O [Cr(NH3)6]Br3 [Cr(en)3]I3 · H2O K3 [Cr(CN)6]
violett rotviolett gelb gelb gelb
17 400 17 500 21 550 21 600 26 700
3,84 3,84 3,77 3,84 3,87
5.14.5.5 Chrom (II)-Verbindungen (d4) Cr (II)-Verbindungen sind starke Reduktionsmittel. Durch Abgabe eines Elektrons entsteht die stabile d3-Konfiguration von Cr (III). Cr2 C # Cr3C C eK
E+ Z K 0,41 V
Bei der Konfiguration d4 mit high-spin-Anordnung tritt der Jahn-Teller-Effekt auf. Für Cr (II) ist daher die tetragonal verzerrte oktaedrische oder die quadratische Koordination typisch. Das himmelblaue Hexaaquachrom (II)-Ion [Cr (H2O)6]2D erhält man durch Reduktion von Cr (III)-Lösungen mit Zink. Es wird durch Luft schnell wieder oxidiert; in neutralen Lösungen ist es bei Luftausschluss haltbar, in sauren Lösungen geht es unter H2-Entwicklung in Cr (III) über.
5.14 Gruppe 6
813
Abbildung 5.75 Schematisches Termdiagramm für ein d3-Metallion in einem oktaedrischen Ligandenfeld (vgl. Abb. 5.33). Es gibt drei spinerlaubte dQd-Übergänge. Aus dem Übergang 4 A2 $% 4 T2 erhält man direkt die Ligandenfeldausspaltung Δ bzw. 10 Dq. Für die Aufspaltung des 4F-Terms gilt der Schwerpunktsatz. Unter Berücksichtigung des Entartungsgrades 3 für T-Terme und 1 für A-Terme gilt: K65 Δ K 3 $ 15 Δ C 3 $ 35 Δ Z 0.
Blau gefärbt sind auch die wasserhaltigen Salze CrSO4 · 5 H2O, Cr (ClO4)2 · 6 H2O und CrCl2 · 4 H2O. Die wasserfreien Dihalogenide CrX2 (X Z F, Cl, Br, I) erhält man durch Reduktion der Trihalogenide mit H2 bei 500Q600 (C. CrCl2 (Smp. 824 (C) ist weiß, die Koordination von Chrom ist verzerrt oktaedrisch. Einkernige high-spin-Komplexe wie [Cr (H2O)6]2C, [Cr (NH3)6]2C, [Cr (en)3]2C sind tetragonal verzerrt oktaedrisch gebaut. Sie sind magnetisch normal (µ Z 4,9 µB, dies entspricht vier ungepaarten Elektronen) (vgl. Abschn. 5.4.6.1). Die low-spin-Komplexe [Cr (CN)6]4Q, [Cr (phen)3]2C und [Cr (bipy)3]2C (bipy Z Bipyridyn, phen Z o-Phenanthrolin) sind oktaedrisch gebaut und magnetisch anomal (µ Z 3 µB, dies entspricht zwei ungepaarten Elektronen). Cr (II) bildet zweikernige Komplexe mit CrRCr-Mehrfachbindungen. Beispiele sind das rote Acetathydrat Cr2 (CH3COO)4(H2O)2 und der Komplex [Cr2 (CH3)8]4Q.
814
5 Die Elemente der Nebengruppen
Der Diamagnetismus und die kurzen Cr-Cr-Abstände werden mit einer CrdCr-Vierfachbindung erklärt. Die Bindungsverhältnisse sind in der Abb. 5.76 dargestellt.
5.14 Gruppe 6
815
5.14.5.6 Laser Der Begriff Laser kommt von light amplification by stimulated emission of radiation (Lichtverstärkung durch stimulierte Emission). Der erste Laser, ein Rubinlaser, wurde 1960 gebaut. Synthetische Rubine entstehen aus Mischkristallen von Al2O3 und Cr2O3 (% 0,1 %). Prinzip angeregter Zustand
2
Photon
Grundzustand
Photon
1 Absorption
2
spontane Emission
Photonen
stimulierte Emission
schneller strahlungsfreier Übergang 3
Laser
langlebiger Zustand Photonen
1 Anregung
stimulierte Emission
Durch Absorption von Lichtquanten passender Energie wechseln Elektronen aus dem Grundzustand 1 in ein höheres Niveau 2 (vgl. Abschn. 1.4.2). Springt das Elektron in den Grundzustand zurück, dann gibt es die Energie durch Emission eines Photons ab. Es gibt zwei Möglichkeiten der Emission von Photonen. Bei der spontanen Emission ist der Zeitpunkt der Emission willkürlich, und die Raumrichtung, in der die Photonen abgestrahlt werden, ist unbestimmt. Bei der stimulierten Emission wird diese durch ein Photon ausgelöst. Es werden zwei Photonen emittiert, das auslösende und das ausgelöste, und es entsteht eine Lichtverstärkung. Beide Photonen
= Abbildung 5.76 a) MO-Diagramm eines Komplexes Me2L8 mit MedMe-Vierfachbindung. Die Me-Ionen sind d4-Ionen, sie sind von den Liganden L quadratisch umgeben. Es gibt vier Linearkombinationen zwischen den d-Orbitalen der Metallionen, die bindende Molekülorbitale ergeben. Es entsteht eine Vierfachbindung. Für die Bindung mit den Liganden stehen die Orbitale s, px, py und dx 2Ky 2 zur Verfügung. b) Darstellung der d-Orbitale, deren Linearkombinationen bindende Molekülorbitale ergeben. Die Linearkombination der dxy-Orbitale führt zu einer sehr schwachen Bindung (δ-Bindung).
816
5 Die Elemente der Nebengruppen
haben identische Eigenschaften (Frequenz, Phase, Polarisation und Ausbreitungsrichtung). Eine ausreichend große stimulierte Emission erhält man nur, wenn die Elektronenkonzentration im angeregten Zustand größer ist als im Grundzustand. Dies bezeichnet man als Besetzungsinversion, und sie ist die physikalische Voraussetzung für die Konstruktion eines Lasers. Sie lässt sich realisieren wenn ein drittes Niveau 3 mit langlebigen Elektronenzuständen vorhanden ist. Die auf das Niveau 2 angeregten Elektronen besetzen mit einem schnellen strahlungslosen Übergang das metastabile Niveau 3 in hoher Konzentration. Durch Spiegel (Resonator) werden dann die durch stimulierte Emission erzeugten Lichtwellen reflektiert und durch Hin- und Herlaufen zwischen den Spiegeln immer mehr verstärkt (s. Abb.). Eigenschaften Laserstrahlung ist monochromatisch und kann wegen der Kohärenz hochintensiv sein und fokussiert werden. Der Wellenbereich verfügbarer Laser reicht vom IR- bis in den UV-Bereich. Die Ausgangsleistung liegt zwischen µW (Diodenlaser) und TW (Feststofflaser). Laserlicht kann kontinuierlich oder in Pulsen emittiert werden. Die kürzesten Impulse liegen im fs-Bereich. Es gibt zahlreiche Lasertypen. Beispiele: Gaslaser
Helium-Neon-Laser Kohlenstoffdioxidlaser Stickstofflaser
632,8 nm (rot) 6K8 µm (IR) 337,1 nm (UV)
Festkörperlaser
Rubinlaser (Dotierung Cr) Yttrium-Aluminium-Granat-Laser (YAG, Dotierung Nd)
694,3 nm (rot)
Halbleiterlaser
Halbleiterdioden (vgl. S. 783)
Farbstofflaser
Stilbene Rhodamine
1064 nm (IR) Spektralbereich blau Spektralbereich gelb bis orange-rot
Die Anwendung der Laser ist außerordentlich viefältig. Exemplarische Beispiele: Materialbearbeitung: Bohren, Fräsen, Schweißen, Schneiden, Pulverbeschichtung. Medizin: Fixieren der Augennetzhaut, Abtragen von Warzen und Melanomen, Behandlung von Venen. Informationstechnik: Datenübertragung in Lichtleitern, Information von CDs und codierten Artikeln, Laserdrucker. Messtechnik: Vermessung vom Bereich Geologie bis zu atomaren Energieniveaus, Laserpistolen (Verkehrsüberwachung).
5.14 Gruppe 6
817
5.14.6 Verbindungen des Molybdäns und Wolframs 5.14.6.1 Oxide Von Molybdän und Wolfram sind die folgenden Oxide bekannt Oxidationszahl
C6
zwischen C6 und C5
C4
Molybdän Wolfram
MoO3 WO3
Mo9O26, Mo8O23, Mo5O14, Mo17O47, Mo4O11 W40O119, W50O148, W20O58, W18O49
MoO2 WO2
Im Unterschied zu Chrom sind keine Oxide mit Oxidationszahlen ! 4 bekannt. Molybdän (VI)-oxid MoO3 (Smp. 795 (C) ist weiß und besitzt eine seltene Schichtstruktur, die aus verzerrten MoO6-Oktaedern aufgebaut ist. Wolfram (VI)-oxid WO3 (Smp. 1473 (C) ist gelb und kristallisiert zwischen K43 und C20 (C im verzerrten ReO3-Typ (vgl. Abb. 5.80), ist also dreidimensional aus eckenverknüpften Oktaedern aufgebaut. Es gibt weitere 6 polymorphe Formen. Beide Trioxide sind wasser- und säureunlöslich. In Alkalilaugen lösen sie sich unter Bildung der Ionen MeO24 K. Molybdän (IV)-oxid MoO2 (violett) und Wolfram (IV)-oxid WO2 (braun) sind diamagnetische, metallisch leitende Verbindungen. Sie kristallisieren im verzerrten Rutil-Typ. Durch die Verzerrung bilden sich Metallpaare mit MedMe-Bindungen. Beim Erhitzen der Trioxide im Vakuum oder durch Reduktion der Trioxide mit den Metallen erhält man die zahlreichen stöchiometrischen Oxide mit nichtganzzahligen Oxidationszahlen. Sie sind intensiv violett oder blau gefärbt. Die Strukturen sind kompliziert. Einige Oxide sind Beispiele für Scherstrukturen (vgl. Abschn. 5.7.4), in einigen Strukturen sind neben den vorwiegend oktaedrisch koordinierten Me-Atomen auch siebenfach und vierfach koordinierte Metallatome vorhanden. Wenn man angesäuerte Molybdat- bzw. Wolframatlösungen oder Suspensionen von MoO3 bzw. WO3 in Wasser mit Sn (II), SO2, H2S oder N2H4 reduziert, erhält man tiefblaue Lösungen von Molybdänblau bzw. Wolframblau. Es handelt sich wahrscheinlich um nanometergroße Molybdän-Oxid-Hydroxid-Ringe (Isomolybdatringe) aus ca. 150 Mo-Atomen mit Oxidationszahlen von C6 und C5 (s. S. 818).
5.14.6.2 Isopolymolybdate, Isopolywolframate Die alkalischen Lösungen der Trioxide MoO3 und WO3 enthalten tetraedrische MoO24 L- und WO24 L-Ionen. Aus stark sauren Lösungen kristallisieren die Oxidhydrate MoO3 · 2 H2O und WO3 · 2 H2O aus, die als „Molybdänsäure“ bzw. „Wolframsäure“ bezeichnet werden. Beim Erwärmen wandeln sie sich in die Monohydrate MeO3 · H2O um. Bei pH-Werten zwischen diesen Extremen bilden sich polymere Anionen, die überwiegend aus MeO6-Oktaedern aufgebaut sind.
818
5 Die Elemente der Nebengruppen
Beim Molybdän erfolgt die Bildung der Polyanionen durch eine rasche Gleichgewichtseinstellung, beim Wolfram dauert die Gleichgewichtseinstellung oft Wochen. Die Polyanionen sind bei Molybdän und Wolfram verschieden und nicht, wie man vielleicht erwarten könnte, analog. In Molybdatlösungen bilden sich K sobald der pH-Wert unter 6 sinkt K die Polyanionen [Mo7O24]6K, [Mo8O26]4K und [Mo36O112]8K. Von [Mo8O26]4K sind zwei isomere Strukturen bekannt (Abb. 5.77). Einige Polyanionen wie [Mo2O7]2K, [Mo6O19]2K und [Mo10O34]8K sind nur aus Feststoffen bekannt, die aus den Molybdatlösungen auskristallisieren (Abb. 5.78a).
Abbildung 5.77 a) Zwei MeO6-Oktaeder sind über eine gemeinsame Kante verbunden. Zwischen den Metallionen tritt Coulomb’sche Abstoßung auf, die mit zunehmender Ladung der Ionen zunimmt. Dies führt zu einer Verzerrung der Oktaeder. b) und c) Idealisierte Darstellung von Polymolybdationen, die in Lösungen nachgewiesen sind. Die Oktaeder sind verzerrt, die Metallionen sind in Richtung auf die äußeren Sauerstoffionen verschoben. Alle Oktaeder sind kantenverknüpft. Im α-[Mo8O26]4K sind zwei Metallatome tetraedrisch koordiniert. V Die blauen molekularen Isopolymolybdate Na15 [MoVI 126 Mo 28 O462H14 (H2O)70] · V w 400 H2O { ^ Mo154} und Na15 [MoVI 124 Mo 28 O457H14 (H2O)68] · w 400 H2O { ^ Mo152} fallen in kurzer Zeit (1 Tag) als Mischkristall-Niederschlag aus einer sauren (pH Z 1) wässrigen Lösung von Natriummolybdat, Na2MoO4 bei Reduktion mit Natriumdithionit, Na2S2O4 aus. Diese kristallinen Molybdänblau-Verbindungen bilden nanometergroße Räder (Ringe), die sich in wässriger Lösung zu Überstrukturen ordnen. Diese Überstrukturen haben einen einen Radius von ca. 45 nm und sind aus
5.14 Gruppe 6
819
Abbildung 5.78a Polymolybdationen, die in aus Molybdatlösungen ausgeschiedenen Kristallen nachgewiesen wurden. Im Unterschied zu [Cr2O7]2K (vgl. Abb. 5.73) ist [Mo2O7]2K polymer.
etwa 1 165 Einzel-{Mo154}-Rädern zusammengesetzt (gemäß Lichtstreuungsexperimenten und transmissionselektronenmikrospischen Untersuchungen) (Abb. 5.78b). Ebenso findet man für [(MoO3)176 (H2O)80H32], [(MoO3)176 (H2O)63 (MeOH)17Hn](32Kn)K und [Mo176O496 (OH)32 (H2O)80] die Bildung großer Ringe mit Hohlräumen von 2K3 nm Durchmesser. In Wolframatlösungen kondensieren bei pH z 6 die WO24 K-Ionen zunächst zu [HW6O21]5K, das sich langsam mit [H2W12O42]10K ins Gleichgewicht setzt. Bei pH z 4 bilden sich langsam [H2W12O40]6K-Ionen (Abb. 5.79).
820
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.78b Polyeder-Darstellung eines {Mo154}-„Nano“-Rades.
Abbildung 5.79 Struktur des Ions [W12O40]8K. Die Struktur besteht aus vier Gruppen, die wiederum aus drei WO6-Oktaedern aufgebaut sind: (W3O10)4. In den Dreiergruppen ist jedes Oktaeder durch eine gemeinsame Kante mit den Nachbaroktaedern verbunden. Jede Dreiergruppe ist über zwei gemeinsame Oktaederecken mit den drei anderen Dreiergruppen verknüpft. Die Dreiergruppen umschließen einen Hohlraum, in den Protonen oder Heteroatome eintreten können. In jeder Dreiergruppe gibt es ein Sauerstoffatom, das allen drei Oktaedern gemeinsam angehört (•). Diese vier Sauerstoffatome liegen an der Peripherie des Hohlraums und bilden ein Tetraeder. Im Isopolyanion [H2W12O40]6K befinden sich im Hohlraum zwei Protonen, im Heteropolyanion [P (W3O10)4]3K ein Phosphoratom, das tetraedrisch von vier Sauerstoffatomen koordiniert ist. Die Struktur wird nach dem Entdecker „Keggin-Struktur“ genannt.
5.14 Gruppe 6
821
5.14.6.3 Heteropolyanionen In die Strukturen von Isopolyanionen können Heteroatome eintreten. So erhält man aus einer Lösung, die MoO24 K- und HPO24 K-Ionen enthält, beim Ansäuern das gelbe Heteropolyanion [PMo12O40]3K Bei den Heteropolyanionen handelt es sich um eine große Verbindungsklasse. Die meisten sind Heteropolyanionen des Molybdäns und Wolframs mit mindestens 35 verschiedenen Heteroatomen. Die Heteroatome sind Nichtmetalle und Übergangsmetalle. Die freien Säuren und die Salze mit kleinen Kationen sind in Wasser gut löslich, Salze mit großen Kationen wie CsC, Ba2C und Pb2C sind schwer löslich. Die Salze der Heteropolyanionen sind stabiler als die der Isopolyanionen. Die Heteroatome befinden sich in den Hohlräumen der aus MeO6-Oktaedern gebildeten Polyanionen. Je nach Größe besetzen sie von den Sauerstoffionen der MeO6-Oktaeder tetraedrisch oder oktaedrisch koordinierte Plätze. Es können verschiedene Klassen von Heteropolyanionen unterschieden werden. Klasse Cn
[ X Me12O40] Cn
(8 K n)K
[ X 2Me18O62] Cn
(16 K 2n)K
X : Me
Heterogruppe
Beispiele für Heteroatome X
1 : 12
XO4
Si4C, Ge4C, P5C, As5C, Ti4C
2 : 18
XO4
P5C, As5C
[ X Me6O24]
(12 K n)K
1:6
XO6
Te6C, I7C
[ X Me9O32]
(10 K n)K
1:9
XO6
Mn4C, Ni4C
Cn
Cn
Die Heteropolyanionen [ X Me12O40](8 K n)K besitzen wie das Polywolframation [H2W12O40]6K die Keggin-Struktur (Abb. 5.79).
5.14.6.4 Bronzen Reduziert man Natriumpolywolframat mit Wasserstoff bei Rotglut, erhält man eine Substanz, die wegen ihres metallischen, bronzeähnlichen Aussehens als Bronze bezeichnet wurde. Natriumwolframbronzen erhält man auch durch elektrolytische Reduktion geschmolzener Wolframate oder durch Reduktion von Natriumwolframat mit Natrium, Wolfram oder Zink. Natriumwolframbronzen sind nichtstöchiometrische Verbindungen der Zusammensetzung NanWO3 (0 ! n % 1). Es sind chemisch inerte Verbindungen, die in Wasser und Säuren (außer Flusssäure) unlöslich sind. Sie sind intensiv gefärbt, die Farbe ändert sich von goldgelb bei n z 0,9 über orange, rot bis blauschwarz bei n z 0,3. Sie kristallisieren im Bereich 0,3 % n % 1 in einer Perowskit-Defektstruktur, bei der ein Übergang vom Perowskit-Typ zum ReO3-Typ erfolgt (Abb. 5.80). Die vom Natrium stammenden Elektronen befinden sich in einem Leitungsband und sind nicht an den Wolframionen lokalisiert. Die Perowskit-Phasen sind daher metallisch leitend. Unterhalb n Z 0,3 sind die Substanzen, bedingt durch den Strukturwechsel, halbleitend.
822
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.80 a) Die Natriumwolframbronze NaWO3 hat die kubische Perowskit-Struktur. WO6-Oktaeder sind über die Oktaederecken dreidimensional verknüpft. Die Na-Atome sind von 12 O-Atomen umgeben. Die Bronzen NanWO3 (0,3 % n % 1) haben eine PerowskitDefektstruktur, in der Natriumplätze statistisch unbesetzt sind. Wenn alle Natriumplätze unbesetzt sind, liegt die in b) dargestellte ReO3-Struktur vor. WO3 kristallisiert in einer monoklin deformierten Variante dieser Struktur. Bei Natriumgehalten n ! 0,3 erfolgt ein Übergang zur WO3-Struktur, die Phasen sind nicht mehr kubisch.
Lithiumbronzen kristallisieren ebenfalls im Perowskit-Typ. Die Kaliumbronzen KnWO3 (n Z 0,4 bis 0,6) sind rotviolett und besitzen eine komplizierte tetragonale Struktur. Die Rubidium- und Caesiumbronzen sind dunkelblau und kristallisieren hexagonal. Sie sind alle metallische Leiter. Außer den Alkalimetallen bilden auch die folgenden Metalle Wolframbronzen MenWO3: Mg, Ca, Sr, Ba, Ga, In, Tl, Sn, Pb, Cu, Ag, Cd, Lanthanoide. Die den Wolframbronzen analogen Alkalimetallmolybdänbronzen bilden sich nur unter hohem Druck.
5.14.6.5 Halogenide Halogenide des Molybdäns und Wolframs sind mit den Oxidationszahlen C2 bis C6 bekannt. Iodide gibt es allerdings nur mit den Oxidationszahlen C2 und C3. Oxidationszahl
Molybdänhalogenide
Wolframhalogenide
C6 C5 C4 C3 C2
MoF6 MoF5, MoCl5 MoF4, MoCl4, MoBr4 MoF3, MoCl3, MoBr3, MoI3 MoCl2, MoBr2, MoI2
WF6, WCl6, WBr6 WF5, WCl5, WBr5 WF4, WCl4, WBr4 WCl3, WBr3, WI3 WCl2, WBr2, WI2
5.14 Gruppe 6
823
Bei stabilen Halogeniden des Chroms ist die höchste Oxidationsstufe C5, sie wird nur mit Fluor erreicht. Beim Molybdän und Wolfram gibt es binäre Halogenide mit den Oxidationszahlen C6, beim Molybdän nur mit Fluor. MoF6 und WF6 sind farblose Flüssigkeiten, WCl6 und WBr6 dunkelblaue Feststoffe. MoF5 und WF5 sind fest und flüchtig, sie sind tetramer gebaut und isostrukturell mit (NbF5)4 und (TaF5)4 (vgl. Abb. 5.70). MoCl5 und WCl5 sind schwarz bzw. dunkelgrün und besitzen wie NbCl5 und TaCl5 dimere Strukturen (vgl. Abb. 5.70). MoCl3 ist strukturell CrCl3 ähnlich. W(III)-Halogenide unterscheiden sich wie die Mo (II)-Halogenide und die W(II)-Halogenide wesentlich von den analogen Chromverbindungen. Die Stabilität kommt durch Me-Me-Bindungen in Metallclustern zustande. WCl3 z. B. hat die hexamere Struktur [W6Cl12]Cl6. Der Cluster [W6Cl12]6C ist isostrukturell mit den [Me6Cl12]nC-Clustern von Niob und Tantal (vgl. Abb. 5.72). C1
WCl3 bildet Chloride der Zusammensetzung Me3[W2Cl9]. Im [W2Cl9]3K-Ion sind zwei WCl6-Oktaeder über eine gemeinsame Fläche verknüpft. Der Diamagnetismus des Ions und der kurze W-W-Abstand bestätigen eine starke Metall-Metall-Bindung (W ^ W). Im analogen [Cr2Cl9]3K-Ion gibt es keine Cr d Cr-Bindung, es ist paramagnetisch. Die Dihalogenide sind aus [Me6X8]4C-Clustern aufgebaut (Abb. 5.81), die durch K Cl -Ionen verknüpft sind. Es sind diamagnetische, meist farbige Feststoffe mit der Zusammensetzung [Me6X8]X4. Auf Grund der Metall-Metall-Bindungen im Cluster sind die Dihalogenide recht stabil. Während Cr (II)-Halogenide starke Reduktionsmittel sind, sind Mol (II)-Halogenide K entgegen dem Trend der Stabilität der Oxidationszahlen in der Gruppe K keine Reduktionsmittel. W(II)-Halogenide lassen sich leicht zu W(III)-Halogeniden oxidieren. Bei den Chevrel-Phasen sind in den [Me6X8]4C-Clustern die Halogenatome durch Chalkogenatome ersetzt. In den Verbindungen Fe2Mo6S8, SnMo6S8 und CeMo6Se8 ist das Clusterion [Mo6X8]4K vorhanden. Bei den meisten Chevrel-Phasen ist die Ladung der Clusterionen kleiner, und es treten auch zahlreiche nichtstöchiometrische Phasen auf. Beispiele: LaMo6S8, PbMo6S8, MgMo6S8, Cu1,8Mo6S8, Gd1,2Mo6Se8. Ungeladene Cluster sind bei den Chalogeniden Mo6S8, Mo6Se8 und Mo6Te8 vorhanden. In den Clustern mit der Ladung K4 gibt es im Cluster 56 Valenzelektronen, 32 werden für die Mo d S-Bindungen gebraucht, 24 Valenzelektronen sind für Mo d Mo-Bindungen vorhanden (vgl. Abb. 5.81a). Mit abnehmender Ladung des Clusters verringern sich diese bis 20 in ungeladenen Clustern. Zwischen den Clustern gibt es starke Wechselwirkungen, die Chalkogenatome besetzen freie Koordinationsstellen der Mo-Atome in Nachbarclustern (Abb. 5.81b). Dadurch spalten die Orbitale der Cluster zu Bändern auf. Bei den Chevrel-Phasen mit weniger als 24 Valenzelektronen für Metall-Metall-Bindungen sind im Band „Elektronenlöcher“ vorhan-
824
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.81 a) Struktur des Clusters [Me6X8]4C. Im Cluster sind 40 Valenzelektronen vorhanden. Für die Me d Cl-Bindungen werden davon 16 gebraucht. Den Me-Atomen verbleiben 24 Elektronen für Metall-Metall-Bindungen, sie können längs der 12 Oktaederkanten Zweizentrenbindungen ausbilden. b) Assoziation der Mo6S8-Cluster in der Chevrel-Phase PbMo6S8, die unterhalb 12,6 K supraleitend ist.
den. PbMo6S8 und Mo6S8 sind daher metallische Leiter. Bei den supraleitenden Chevrel-Phasen werden Sprungtemperaturen bis 15 K gefunden.
5.15 Gruppe 7
825
5.15 Gruppe 7 5.15.1 Gruppeneigenschaften
Ordnungszahl Z Elektronenkonfiguration Elektronegativität Standardpotential in V K Me.MeO4 Me.MeO2 Me.Me3C Me.Me2C Schmelzpunkt in (C Siedepunkt in (C Sublimationsenthalpie in kJ.mol Ionenradien in pm Me7C Me6C Me5C Me4C Me3C Me2C Beständigkeit höherer Oxidationszahlen Beständigkeit niedriger Oxidationszahlen
Mangan Mn
Technetium Tc
Rhenium Re
25 [Ar]3d5 4s2 1,6
43 [Kr]4d5 5s2 1,4
75 [Xe]4f14 5d5 6s2 1,5
C0,74 C0,02 K0,28 K1,18 1 247 2 030 C286
C0,47 C0,27 K C0,40 2 250 4 700 C678
C0,37 C0,26 C0,30 K 3 180 5 870 C770
46 25* 33* 53 64 hs 58 ls 83 hs 67 ls
56 K 60 64 K K $% nimmt zu
53 55 58 63 K K
$% nimmt ab
* KZ Z 4, hs Z high-spin, ls Z low spin
Die Metalle der Gruppe 7 treten vorwiegend in den Oxidationszahlen C2 bis C7 auf. Die wichtigsten Oxidationszahlen des Mangans sind C2, C4 und C7, dies entspricht den Elektronenkonfigurationen d5, d3 und d0. Mn (VII)-Verbindungen existieren nur als Oxoverbindungen wie Mn2O7, MnOK 4 und MnO3F. Es sind starke Oxidationsmittel. In saurer Lösung erfolgt Reduktion zu Mn2C, in stark basischer C6
Lösung zu MnO24 K und in schwach saurem bzw. schwach basischem Milieu zu C4
MnO2. Für Rhenium ist die Oxidationszahl C7 typisch. ReOK 4 ist ein viel schwächeres K Oxidationsmittel als MnO4 . Von Re (II) existieren praktisch keine Verbindungen. Für Re (III) sind Clusterverbindungen mit Metall-Metall-Bindungen typisch. Bei beiden Metallen wächst mit zunehmender Oxidationszahl die Tendenz zur Bildung anionischer Komplexe, ebenso der saure Charakter der Oxide. Die häufigsten Koordinationszahlen sind beim Mangan 4 und 6, beim Rhenium außerdem 7, 8 und 9.
826
5 Die Elemente der Nebengruppen
Technetium ist nur künstlich darstellbar. Das Nuklid 99 43Tc entsteht als Spaltprodukt von Uran in Kernreaktoren. Es ist ein β-Strahler mit einer Halbwertszeit von 2 · 105 Jahren. Das künstlich hergestellte radioaktive Nuklid 99m 43 Tc wird als Metallkomplex in der medizinischen Diagnostik verwendet. Technetium ähnelt chemisch dem Rhenium. Mangan unterscheidet sich deutlich von beiden und zeigt Ähnlichkeiten zu seinen Nachbarn im PSE, Chrom und Eisen.
5.15.2 Die Elemente Mangan ist silbergrau, hart und spröde. Es kristallisiert in vier polymorphen Formen. Die bei Raumtemperatur stabile α-Modifikation kristallisiert nicht in einer der typischen Metallstrukturen, sondern in einer ungewöhnlichen Struktur mit vier verschiedenen Manganplätzen. Mangan ist ein unedles Metall, es löst sich in Säuren unter Bildung von Mn2C-Ionen, auch mit Wasser entwickelt es Wasserstoff. Kompaktes Metall wird an Luft nur oberflächlich oxidiert, in feiner Verteilung erfolgt jedoch Oxidation. Mit Chlor reagiert Mangan zu MnCl2. Erst beim Erhitzen reagiert kompaktes Mangan mit Sauerstoff zu Mn3O4 und mit Stickstoff zu Mn3N2. Rhenium ist weiß glänzend, hart, luftbeständig und sieht ähnlich wie Platin aus. Es kristallisiert in der hexagonal-dichten Packung. Nach Wolfram hat es den höchsten Schmelzpunkt aller Metalle. Rhenium ist weniger reaktiv als Mangan. Es löst sich nicht in Salzsäure und Flusssäure, ist aber in oxidierenden Säuren wie Salpetersäure und Schwefelsäure als Rhenium (VII)-säure HReO4 löslich. Sauerstoff reagiert mit Rheniumpulver oberhalb 400 (C, mit kompaktem Metall erst bei 1 000 (C zu Re2O7. Beim Erhitzen mit Fluor entsteht ReF6 und ReF7, mit Chlor bildet sich ReCl5. Oxidierende Schmelzen überführen Rheniummetall in Rhenate (VII).
5.15.3 Vorkommen Mangan ist nach Eisen das häufigste Schwermetall. Am Aufbau der Erdkruste ist es mit ca. 0,1 % beteiligt. Es gibt zahlreiche Mineralien. Das wichtigste Manganerz ist Pyrolusit MnO2. Weitere wichtige Mineralien sind Hausmannit Mn3O4, Manganit MnO(OH) und Rhodochrosit (Manganspat) MnCO3. Auf dem Boden des pazifischen Ozeans gibt es große Mengen von Manganknollen, die 15K30 % Mn enthalten, außerdem Fe, Ni, Cu, Co. Ökologische und ökonomische Gründe, aber auch politische Probleme verhindern zur Zeit einen Abbau. Rhenium ist mit 10K7 % in der Erdkruste ein sehr seltenes Element. Es kommt vergesellschaftet mit Molybdän vor. Relativ rheniumreich ist der Molybdänglanz MoS2.
5.15.4 Darstellung, Verwendung Mangan wird als Ferromangan, Silicomangan und als Manganmetall hergestellt. Ferromangan ist eine Mn-Fe-Legierung mit mindestens 70 % Mn und enthält je nach Herstellungsverfahren bis 8 % Kohlenstoff. Kohlenstoffreiches Ferromangan
5.15 Gruppe 7
827
wird im Hochofen aus manganreichen Erzen durch Reduktion mit Koks hergestellt. Silicomangan mit 65 % Mn und 15K20 % Si wird in Elektroschachtöfen durch Reduktion von Fe- und P-armen Manganerzen und Quarzit mit Koks gewonnen. Manganmetall wird im Elektroofen aus Manganerzen durch Reduktion mit Silicomangan hergestellt. 2 MnO C Si $% 2 Mn C SiO2 Die aluminothermische Herstellung ist teurer und wird nur noch ausnahmsweise angewandt. Reines Manganmetall wird durch Elektrolyse von MnSO4-Lösungen hergestellt. 2C Trotz des negativen Standardpotentials E+ Mn.Mn Z K1,18 V lässt es sich auf Grund der hohen Wasserstoffüberspannung an metallischem Mangan abscheiden. 95 % des Mangans wird in der Stahlindustrie verwendet. Mangan reagiert bei höherer Temperatur mit Sauerstoff und Schwefel, es wird daher als Desoxidations- und Entschwefelungsmittel verwendet. Es ist in fast allen Stählen als Legierungsbestandteil vorhanden. Manganin (84 % Cu, 12 % Mn, 4 % Ni) hat einen Temperaturkoeffizienten des elektrischen Widerstands von nahezu null und wird daher für Präzisionswiderstände benutzt. Rhenium. Beim Rösten von MoS2-haltigen Erzen entsteht Rhenium (VII)-oxid Re2O7, das als Perrhenat ReOK 4 in Lösung geht. Eine Methode der Isolierung ist die Fällung als NH4ReO4, aus dem nach Umkristallisation durch Reduktion mit Wasserstoff bei 400K1 000 (C graues Metallpulver gewonnen wird. Rhenium wird zur Herstellung von Thermoelementen, Elektroden, Glühkathoden und Katalysatoren verwendet. Legierungen von Re mit Nb, Ta, W, Fe, Co, Ni, Rh, Ir, Pt und Au sind sehr hart und chemisch äußerst resistent.
5.15.5 Verbindungen des Mangans 5.15.5.1 Mangan (II)-Verbindungen (d5) Die beständigste Oxidationsstufe des Mangans ist C2. Für Mn (II) ist die oktaedrische Koordination typisch. Binäre Verbindungen kristallisieren in Koordinationsgittern (MnO, MnS, MnF2) oder Schichtstrukturen (Mn (OH)2, MnCl2). Mn (II) bildet mit den meisten Anionen Salze, die meist als Hydrate kristallisieren und überwiegend in Wasser gut löslich sind. Schwer löslich sind MnO, MnS, MnF2, Mn (OH)2, MnCO3 und Mn3(PO4)2. In neutralen oder sauren Lösungen liegt das rosafarbene Hexaaquamangan (II)-Ion [Mn (H2O)6]2D vor, das auf Grund der stabilen d5-Konfiguration von Mn (II) ziemlich oxidationsbeständig ist (die Ionen Cr2C und Fe2C lassen sich leichter oxidieren).
828
5 Die Elemente der Nebengruppen
Die meisten Mn (II)-Komplexe sind wie [Mn (H2O)6]2C und [Mn (NH3)6]2C oktaedrische high-spin-Komplexe. Nur mit Liganden, die eine starke Ligandenfeldaufspaltung bewirken, bilden sich low-spin-Komplexe, z. B. [Mn (CN)6]4K und [Mn (CN)5NO]3K. Mangan (II)-hydroxid Mn (OH)2 fällt mit OHK-Ionen aus Mn (II)-Lösungen als weißer gallertartiger Niederschlag aus, der sich an der Luft durch Oxidation braun färbt. K 0,2 V
K 0,1 V
Mn (OH)2 $$$$% Mn2O3 $ nH2O $$$$% MnO2 $ nH2O Mn (OH)2 ist eine definierte Verbindung, sie ist isotyp mit Mg (OH)2. Sie ist amphoter mit überwiegend basischen Eigenschaften. Mn (OH)2 C OHK $% [Mn (OH)3]K
K z 10K5
Mangan (II)-oxid MnO ist grün, in Wasser unlöslich, aber löslich in Säuren. Man stellt es durch thermische Zersetzung von MnCO3 im H2-Strom dar. Es kristallisiert im NaCl-Typ und hat den Phasenbereich MnO1,00KMnO1,045. MnO ist das klassische Beispiel einer antiferromagnetischen Substanz (vgl. Abschn. 5.16). Mangan (II)-sulfid MnS fällt aus alkalischen Mn (II)-Lösungen mit S2K-Ionen aus (L Z 10K15). Es ist wasserhaltig, fleischfarben, in verdünnten Säuren löslich und färbt sich an der Luft durch Oxidation braun. Unter Luftabschluss wandelt es sich in die wasserfreie, stabile, grüne Modifikation um, die im NaCl-Typ kristallisiert. Auch MnSe und MnTe kristallisieren im NaCl-Gitter. Alle Mn (II)-Chalkogenide sind antiferromagnetisch. MnS2 hat Pyrit-Struktur (vgl. Abb. 5.91), es ist aus Mn2C- und S2K 2 -Ionen aufgebaut. Mangan (II)-Halogenide MnX2 (X Z F, Cl, Br, I) sind rosa Feststoffe. MnF2 kristallisiert im Rutil-Typ, MnCl2 im CdCl2-Typ, MnBr2 und MnI2 im CdI2-Typ. MnCl2 bildet die Kristallhydrate MnCl2 $ 4 H2O und MnCl2 $ 2 H2O, in denen Mn (II) oktaedrisch von Wassermolekülen und Chlorionen koordiniert ist.
cis-MnCl2(H2O)4-Oktaeder MnFK 3 ,
trans-Mn (H2O)2Cl4-Oktaeder
4K In den Halogenokomplexen MnClK ist Mn (II) oktaedrisch 3 und MnCl6 K koordiniert. Die Alkalimetallverbindungen von MnFK 3 und MnCl3 kristallisieren im 2K Perowskit-Typ. In den Komplexen MnX4 ist Mn (II) tetraedrisch koordiniert. In tetraedrischer Umgebung hat Mn (II) eine grüngelbe Farbe, während oktaedrisch koordiniertes Mn (II) meist schwach rosa ist. Da im oktaedrischen Ligandenfeld nur spinverbotene d-d-Übergänge existieren, ist die Farbintensität schwach (vgl. S. 705). Mangan (II)-sulfat MnSO4 entsteht als weißes Salz beim Abrauchen von Manganoxiden mit Schwefelsäure. Es bildet mehrere Hydrate. Das Mangansulfat des Han-
5.15 Gruppe 7
829
dels ist das Tetrahydrat MnSO4 · 4 H2O. Das Hydrat MnSO4 · 7 H2O und die DopC1
pelsalze Me2Mn (SO4)2 $ 6 H2O (Me Z Alkalimetalle) enthalten das Komplexion [Mn (H2O)6]2C.
5.15.5.2 Mangan (III)-Verbindungen (d4) Die häufigste Koordinationszahl von Mn (III) ist 6. Bei d4-Konfigurationen tritt JahnTeller-Effekt auf. Auf Grund des Jahn-Teller-Effekts (vgl. Abschn. 5.4.6) sind die oktaedrischen Umgebungen verzerrt. Praktisch in allen Verbindungen hat Mn (III) high-spin-Konfiguration. Die high-spin-Verbindungen haben eine breite Absorptionsbande bei 20 000 cmK1 und sind daher rot bis rotbraun. Ein unverzerrter oktaedrischer low-spin-Komplex ist [Mn (CN)6]3K. In wässriger Lösung existiert das granatrote Hexaaquamangan (III)-Ion [Mn (H2O)6]3D. Es neigt zur Disproportionierung C4
2 Mn3C C 6 H2O $% Mn2C C MnO2 C 4 H3OC und ist ein Oxidationsmittel. Wasser wird langsam unter Entwicklung von Sauerstoff oxidiert. 2 Mn3C C 3 H2O $% 2 Mn2C C 2 H3OC C 21 O2 Durch komplexbildende Anionen wie C2O2K und EDTA4K kann Mn (III) in wässri4 ger Lösung stabilisiert werden. Das Ion [Mn (H2O)6]3C ist in den Alaunen C1
MeMn (SO4)2 $ 12 H2O (Me Z Na, K, Rb, Cs) enthalten. Mangan (III)-oxid Mn2O3 erhält man durch Oxidation von MnO bei 470K600 (C oder durch Zersetzung von MnO2 (vgl. S. 830). Die Koordination ist verzerrt oktaedrisch und als einziges Me3C-Ion der Übergangsmetalle kristallisiert es als Oxid Me2O3 nicht im Korund-Typ. Bei 1 000 (C entsteht das beständigste Oxid Mn3O4, das als Mineral Hausmannit vorkommt. Es kristallisiert in einer tetragonal verzerrC2
C3
ten Spinell-Struktur Mn (Mn2)O4, in der die Mn3C-Ionen von gestreckt verzerrten Sauerstoffoktaedern umgeben sind. Erhitzt man Mn (OH)2 an der Luft, entsteht Mn2O3 · nH2O, das bei 100 (C in MnO(OH) übergeht. In der Natur kommt MnO(OH) als Mineral Manganit vor, als „Umbra“ ist es Bestandteil von Malerfarben. Mangan (III)-fluorid MnF3 ist ein rubinroter Feststoff, der in Wasser hydrolysiert und dessen Gitter aus gestreckten MnF6-Oktaedern aufgebaut ist. Verzerrt oktaedrisch koordiniert ist Mn (III) auch in den dunkelroten Komplexen [MnF6]3K und [MnF5]2K (polymer). Mangan (III)-chlorid MnCl3 zerfällt oberhalb K40 (C. Stabil sind die Chlorokomplexe [MnCl5]2K. Entsprechende Brom- und Iodverbindungen existieren nicht, da BrK- und IK-Ionen Mn (III) zu Mn (II) reduzieren.
830
5 Die Elemente der Nebengruppen
5.15.5.2 Mangan (IV)-Verbindungen (d3) Mangan (IV)-oxid MnO2(Braunstein) ist die beständigste Mangan (IV)-Verbindung. Es ist grauschwarz, kristallisiert im Rutil-Typ und kommt natürlich als Pyrolusit vor. Die Zusammensetzung schwankt zwischen MnO1,93 und MnO2,00. Man kann es durch Erhitzen von Mn (NO3)2 · 6 H2O bei 500 (C an Luft darstellen. Bei höheren Temperaturen gibt MnO2 Sauerstoff ab, oberhalb 600 (C bildet sich Mn2O3, oberhalb 900 (C Mn3O4 und oberhalb 1 170 (C MnO. Bei der Reduktion von basischen Permanganatlösungen entsteht hydratisiertes MnO2. MnO2 ist in Wasser unlöslich, in den meisten Säuren löst es sich erst beim Erhitzen, dabei wirkt es als Oxidationsmittel. Konz. Salzsäure wird zu Chlor oxidiert. MnO2 C 4 HCl $% MnCl2 C Cl2 C 2 H2O Diese Reaktion führte 1774 zur Entdeckung des Elements Chlor durch Scheele. Mit heißer konz. Schwefelsäure entwickelt sich Sauerstoff. 2 MnO2 C 2 H2SO4 $% 2 MnSO4 C O2 C 2 H2O MnO2 wird in Trockenbatterien (vgl. S. 372) verwendet. Als Glasmacherseife entfärbt es grünes Glas. MnO2 bildet mit Glas ein violettes Mn (III)-silicat, das die Komplementärfarbe zur grüngelben Farbe des Fe (II)-silicats besitzt. Dem Licht werden beide Komplementärfarben entzogen, das ergibt „farblos“. MnO2 als Glasmacherseife wird durch Selenverbindungen verdrängt. Mangan (IV)-fluorid MnF4 ist ein unbeständiger blauer Feststoff, der sich in MnF3 und F2 zersetzt. Beständiger sind Komplexsalze wie K2MnF6 und K2MnCl6, die oktaedrische [MnX6]2K-Ionen enthalten.
5.15.5.4 Mangan (V)-Verbindungen (d2) Durch Reduktion von Kaliumpermanganat KMnO4 mit Na2SO3 in sehr stark basischer Lösung erhält man das tetraedrisch gebaute, blaue Manganat (V)-Ion MnO3L 4 . K # MnO3K MnOK 4 C2e 4
E( Z C0,42 V
MnO34 K-Ionen disproportionieren in Lösungen, die Disproportionierungsgeschwindigkeit nimmt mit abnehmender OHK-Konzentration zu. C5
C6
C4
K 2K 2 Mn O3K 4 C 2 H2O # Mn O4 C MnO2 C 4 OH grün
blau
Die blaue Farbe der Lösung schlägt unter gleichzeitiger Ausscheidung von BraunC6
stein in die grüne Farbe des MnO24 K-Ions um. C1
Die blauen Alkalimetallsalze Me3MnO4 (Me Z Li, Na, K, Rb, Cs) sind bis 1 000 (C thermisch stabil. Die Verbindung Na3MnO4 · 10 H2O · 0,25 NaOH (Manganblau) wird zur Zementfärbung verwendet.
5.15 Gruppe 7
831
5.15.5.5 Mangan (VI)-Verbindungen (d1) Es gibt nur wenige Mangan (VI)-Verbindungen. Kaliummanganat (VI) K2MnO4 erhält man technisch durch Schmelzen von MnO2 mit KOH an der Luft. MnO2 C
1 2 O2 C 2 KOH
$% K2MnO4 C H2O
Im Labor setzt man dem Schmelzgemisch KNO3 zu (Oxidationsschmelze). K2MnO4 ist grün, metallisch glänzend, paramagnetisch und isotyp mit K2SO4 und K2CrO4. Das tiefgrüne, tetraedrisch gebaute MnO2K 4 -Ion ist nur in stark alkalischen Lösungen beständig, in anderen Lösungen disproportioniert es. C6
C7
C4
C # 2 MnOK 3 Mn O2K 4 C 4 H 3O 4 C MnO2 C 6 H2O
grün
violett
Beim Ansäuern schlägt die grüne Farbe in violett um (mineralisches Chamäleon) BaMnO4 wird als ungiftige, grüne Malerfarbe verwendet.
5.15.5.6 Mangan (VII)-Verbindungen (d0) Mangan (VII)-oxid Mn2O7 entsteht als grünschwarzes Öl (Smp. 6 (C) aus Kaliumpermanganat KMnO4 und konz. Schwefelsäure. 2 KMnO4 C H2SO4 $% Mn2O7 C K2SO4 C H2O Beim Erwärmen zersetzt sich Mn2O7 explosionsartig. 2 Mn2O7 $% 4 MnO2 C 3 O2 Mit den meisten organischen Substanzen reagiert Mn2O7 unter Entzündung oder explosionsartig. In CCl4 gelöst ist es relativ stabil. Das Mn2O7-Molekül besteht aus zwei eckenverknüpften Tetraedern. Mn2O7 löst sich in Wasser unter Bildung der Permangansäure HMnO4. Sie ist in wässriger Lösung eine starke Säure (pKS Z K2,2), aber unbeständig. Wichtig sind ihre Salze, die Permanganate, die technisch durch elektrolytische Oxidation basischer MnO2K 4 -Lösungen hergestellt werden. Im Labor können farblose Mn2C-Ionen durch Kochen mit PbO2 und konz. Salpetersäure in violettes HMnO4 überführt werden (Nachweisreaktion auf Mangan). Das am meisten verwendete Permanganat ist Kaliumpermanganat KMnO4, das tiefpurpurfarben kristallisiert und mit KClO4 isotyp ist. In Permanganatlösungen liegt das intensiv violett gefärbte, tetraedrisch gebaute MnOL 4 -Ion vor (vgl. Abschn. 5.4.8). Permanganatlösungen sind unbeständig. In sauren Lösungen erfolgt langsame Zersetzung. C $% 3 O2 C MnO2 C 6 H2O 4 MnOK 4 C 4 H 3O
In neutralen oder schwach alkalischen Lösungen ist die Zersetzung im Dunkeln unmessbar langsam, sie wird jedoch durch Licht katalysiert, daher müssen Permanganat-Maßlösungen in dunklen Flaschen aufbewahrt werden.
832
5 Die Elemente der Nebengruppen
Permanganate sind starke Oxidationsmittel. Das MnOK 4 -Ion hat abhängig vom pH-Wert verschiedene Redoxreaktionsmöglichkeiten. In saurer Lösung wird 2C reduziert. MnOK 4 zu [Mn (H2O)6] C K MnOK # Mn2C C 12 H2O 4 C 8 H3O C 5 e
E( Z C1,51 V
schwach rosa
violett
2C Ist MnOK durch MnOK 4 im Überschuss vorhanden, wird Mn 4 oxidiert und das Endprodukt ist MnO2. 2C C 6 H2O $% 5 MnO2 C 4 H3OC 2 MnOK 4 C 3 Mn
In neutraler und schwach basischer Lösung entsteht MnO2. K # MnO2 C 4 OHK MnOK 4 C 2 H 2O C 3 e
E( Z C1,23 V
In sehr stark basischer Lösung erfolgt Reduktion zu Mn (VI). K # MnO2K MnOK 4 Ce 4
violett
grün
E( Z C 0,56 V
Im Labor wird KMnO4 für Maßlösungen verwendet. Bei der Titration in saurer 2C reduziert. Nicht reduziertes Lösung wird violettes MnOK 4 zu „farblosem“ Mn K MnO4 ist der Indikator für das Ende der Titration. Technisch dient KMnO4 als Oxidationsmittel und wird für die Wasserreinigung verwendet. Es hat gegenüber Chlor den Vorteil keiner Geschmacksbeeinflussung, außerdem werden durch MnO2 kolloidale Verunreinigungen gefällt. Die Oxidhalogenide MnO3F und MnO3Cl sind grüne, explosive Flüssigkeiten.
5.15.6 Verbindungen des Rheniums 5.15.6.1 Sauerstoffverbindungen C7
C6
C5
C4
Bekannt sind die Oxide Re2O7 , ReO3 , Re2O5 , ReO2. Im Unterschied zu Mangan gibt es keine Oxide mit den Oxidationszahlen C2 und C3. Rhenium (VII)-oxid Re2O7 (Smp. 303 (C) ist das beständigste Oxid des Rheniums. Es ist gelb, hygroskopisch und kann unzersetzt destilliert werden. Es bildet sich durch Oxidation des Metalls mit Sauerstoff bei 150 (C. Re2O7 kristallisiert in einer Schichtstruktur, in der ReO4-Tetraeder und ReO6-Oktaeder über gemeinsame Ecken verknüpft sind. In Wasser löst sich Re2O7 unter Bildung der Rhenium (VII)-säure (Perrheniumsäure) HReO4. Es ist eine starke Säure, die sich nicht isolieren lässt. Aus wässrigen Lösungen fällt das Dihydrat Re2O7 · 2 H2O aus, das aus dimeren Einheiten aufgebaut ist, in denen ein Tetraeder und ein Oktaeder eckenverknüpft sind (O3Re d O d ReO3(H2O)2).
5.15 Gruppe 7
833
D1
Rhenate (VII) (Perrhenate) MeReO4 erhält man durch Oxidation von Rheniumverbindungen mit Salpetersäure oder Wasserstoffperoxid. Das ReOK 4 -Ion ist tetraedfarblos, stabil in Alkalilaugen und ein viel risch gebaut und im Unterschied zu MnOK 4 schwächeres Oxidationsmittel. schwer löslich ist Tetraphenylarsoniumrhenat (VII) Ph4As[ReO4], es wird zur gravimetrischen Bestimmung von Rhenium benutzt. Rhenium (VI)-oxid ReO3 (Smp. 160 (C) ist rot und metallisch glänzend. Man erhält es durch Reduktion von Re2O7 z. B. mit CO. Die ReO3-Struktur (Abb. 5.80) besteht aus ReO6-Oktaedern, die über alle Ecken dreidimensional verknüpft sind. ReO3 besitzt metallische Leitfähigkeit, das siebente Valenzelektron ist in einem Leitungsband delokalisiert. Oberhalb 300 (C disproportioniert ReO3 in ReO2 und Re2O7. ReO3 reagiert nicht mit Wasser. Mit oxidierenden Säuren bilden sich Rhenate (VII), in warmer konz. Natronlauge erfolgt Disproportionierung. C6
C4
C7
3ReO3 C 2 NaOH $% ReO2 C 2 NaReO4 C H2O Beim Verschmelzen mit Alkalimetallhydroxiden unter Luftausschluss entstehen grüne Alkalimetallrhenate (VI) Me2ReO4, die in wässriger Lösung disproportionieren. Rhenium (V)-oxid Re2O5 disproportioniert oberhalb 200 (C. Rhenium (IV)-oxid ReO2 ist blauschwarz, wasserunlöslich und kristallisiert im verzerrten Rutil-Typ. Oberhalb 900 (C zerfällt es in Re2O7 und Re. Durch Reduktion von Rhenat (VII)-Lösungen erhält man es als Oxidhydrat, das leicht zu dehydratisieren ist. C2
D2
Mit Metalloxiden MeO bildet es Doppeloxide MeReO3 mit Perowskit-Struktur. Rhenium (III)-oxid ist nur als schwarzes Hydrat Re2O3 · 3 H2O bekannt.
5.15.6.2 Sulfide Rhenium (VII)-sulfid Re2S7 entsteht als schwarzes Sulfid beim Einleiten von H2S in Perrhenatlösungen. Durch Reduktion mit Wasserstoff erhält man Rhenium (VI)-sulfid ReS3. Das schwarze Rhenium (IV)-sulfid ReS2 bildet sich bei der thermischen Zersetzung von Re2S7. Es ist das stabilste Sulfid und kristallisiert in einer SchichtC4
K2
struktur, in der Re trigonal-prismatisch von S koordiniert ist.
5.15.6.3 Halogenverbindungen In den Halogeniden kommt Rhenium mit den Oxidationszahlen C3 bis C7 vor. Die folgenden Halogenide sind bekannt. Oxidationszahl
C7 C6 ReF7 ReX6 X Z F, Cl
C5 ReX5 X Z F, Cl, Br
C4 ReX4 X Z F, Cl, Br, I
C3 (ReX3)3 X Z Cl, Br, I
Alle Penta-, Hexa- und Heptahalogenide K mit Ausnahme von ReF5 K können direkt aus den Elementen hergestellt werden. Es sind flüchtige Feststoffe, deren
834
5 Die Elemente der Nebengruppen
Farben von gelb beim ReF7 bis braun beim ReBr5 variieren. ReF7 ist das einzige thermisch stabile Heptahalogenid der Übergangsmetalle. Durch Wasser werden die Halogenide hydrolysiert und anschließend erfolgt Disproportionierung in die stabileren Komponenten ReOK 4 und ReO2. Beispiel: C5
C7
C4
3 ReCl5 C 8 H2O $% HReO4 C 2 ReO2 C 15 HCl Alle Halogenide bilden Halogenokomplexe, bevorzugt Fluorokomplexe: C7
C6
C5
C5
C5
(X Z Cl, Br, I). [ReF8]K, [ReF8]2K, [ReF6]K, [ReOCl5]2K, [ReOX4]K ReCl4 kann durch Reaktion von ReCl3 mit ReCl5 bei 300 (C hergestellt werden. ReCl4 ist aus Re2Cl9-Baueinheiten aufgebaut, die über gemeinsame Cl-Atome zu Ketten verknüpft sind. Die Re2Cl9-Gruppen bestehen aus zwei flächenverknüpften Oktaedern. Der kleine Re-Re-Abstand zeigt, dass Re-Re-Bindungen vorliegen. Von allen Tetrahalogeniden sind Komplexe [ReX6]2K (X Z F, Cl, Br, I) bekannt. Am interessantesten sind die Rhenium (III)-Halogenide. Sie können durch thermische Zersetzung von ReCl5, ReBr5 und ReI5 hergestellt werden. Es sind dunkelfarbige Feststoffe, die aus dreikernigen Clustern aufgebaut sind (Abb. 5.82), in denen die drei Rheniumatome durch Doppelbindungen miteinander verbunden sind.
Abbildung 5.82 a) Struktur des dreikernigen Clusters Re3Cl9. Die Re-Atome sind durch Doppelbindungen aneinander gebunden. Jedes Re-Atom des Clusters kann noch einen weiteren Liganden binden. Ist der Ligand ClK, entstehen die Komplexe [Re3Cl10]K, [Re3Cl11]2K und [Re3Cl12]3K. Es können aber auch Liganden wie H2O und Pyridin angelagert werden. b) Im festen Rhenium(III)-chlorid sind die Cluster durch Halogenatome verbrückt, es entstehen hexagonale Schichten.
5.15 Gruppe 7
835
Rhenium (III)-chlorid ist dunkelrot, sublimierbar und besteht aus diamagnetischen Re3Cl9-Einheiten. Mit ClK-Ionen bilden sich dreikernige Komplexe des Typs [Re3Cl12]3K mit denselben Clustereinheiten wie in (ReCl3)3 und zweikernige blaue, diamagnetische Komplexe [Re2Cl8]2K mit Re-Re-Vierfachbindungen (Abb. 5.83). Auch Br und I bilden die Cluster [Re3X12]3K und [Re2X8]2K.
Abbildung 5.83 Struktur des Komplexes [Re2Cl8]2K. Das Re-Atom hat im Komplex eine d4Konfiguration und zwischen den beiden Re-Atomen entsteht eine Vierfachbindung (vgl. Abb. 5.76).
Wie in der 5. und 6. Gruppe erfolgt auch in dieser Gruppe bei den schweren Elementen eine Stabilisierung von Verbindungen in niedrigen Oxidationsstufen durch die Errichtung von Clustern mit Metall-Metall-Bindungen.
5.15.6.4 Hydride Durch Reduktion von Perrhenaten ReOK 4 , z. B. mit Kalium in Ethylendiamin, bildet sich das Hydrid K2 [ReH9]. Die Struktur des Anions [ReH9]2K ist in der Abb. 5.84 dargestellt (vgl. Abschn. 4.2.6). Bei 850 K und einem H2-Druck über 3 kbar erhält man K3 [ReH6], das im Kryolith-Typ mit [ReH6]3K-Oktaedern als Baueinheiten kristallisiert.
Abbildung 5.84 Struktur des Ions [ReH9]2K.
836
5 Die Elemente der Nebengruppen
5.16 Gruppe 8K10 Die Eisengruppe Zu den Gruppen 8K10 gehören 9 Elemente. Auf Grund der Verwandtschaft der Elemente ist es zweckmäßig, diese in die Eisengruppe (Eisen, Cobalt, Nickel) und die Platingruppe (Ruthenium, Rhodium, Palladium, Osmium, Iridium, Platin) zu unterteilen.
5.16.1 Gruppeneigenschaften
Ordnungszahl Z Elektronenkonfiguration Elektronegativität Schmelzpunkt in (C Siedepunkt in (C Ionenradien in pm Me2C Me3C Me4C Me5C (hs Z high-spin, ls Z low-spin) Standardpotentiale in V Me.Me2C Me2C.Me3C Me3C.MeO42K
Eisen Fe
Cobalt Co
Nickel Ni
26 [Ar]3d6 4s2 1,6 1 539 3 070
27 [Ar]3d7 4s2 1,7 1 492 3 100
28 [Ar]3d8 4s2 1,7 1 452 2 730
78 hs 61 ls 64 hs 55 ls 58 49
74 hs 65 ls 61 hs 54 ls 53 K
69 60 hs 56 ls 48 K
K0,44 C0,77 C2,20
K0,28 C1,81 K
K0,25 K K
Die im PSE nebeneinander stehenden Elemente Eisen, Cobalt und Nickel zeigen untereinander größere Ähnlichkeiten als zu ihren Homologen, den Platinmetallen. Sie haben ähnliche Elektronegativitäten, Schmelzpunkte und Siedepunkte, sie sind alle ferromagnetisch, die Ionenradien sind sehr ähnlich, die Hydroxide sind schwach basisch bis amphoter. Bei allen drei Elementen wird die aufgrund der Elektronenkonfiguration maximal mögliche Oxidationszahl nicht mehr erreicht. Die höchste Oxidationszahl ist beim Eisen C6, beim Cobalt C5 und beim Nickel C4. Diese Oxidationsstufen besitzen aber nur eine geringe Bedeutung. Das FeO24 K-Ion z. B. ist in wässriger Lösung unbeständig und ein stärkeres Oxidationsmittel als MnOK 4 Wichtig sind für Fe nur die Oxidationsstufen C2 und C3. Das Redoxpotential zeigt, dass Fe (II) relativ leicht zu Fe (III) zu oxidieren ist. Mit der Oxidationszahl C1 gibt es das ternäre Oxid K3FeO2. Beim Cobalt ist in Salzen die stabile Oxidationsstufe C2, Co (II)-Komplexe lassen sich aber leicht oxidieren, und in Komplexverbindungen ist Co (III) beständiger. Die stabile Oxidationsstufe des Nickels ist C2. Alle drei Elemente bilden zahlreiche Komplexe. Charakteristisch sind: oktaedrische diamagnetische Co (III)-Komplexe mit der low-spin-Konfiguration t62g ; tetraed-
5.16 Die Eisengruppe
837
rische Co (II)-Komplexe; planar-quadratische diamagnetische Ni (II)-Komplexe. Die Salze und Komplexe sind meist farbige Verbindungen. Die Farben können mit der Ligandenfeldtheorie gedeutet werden.
5.16.2 Die Elemente Chemisch reines Eisen ist silberweiß, relativ weich, dehnbar und reaktionsfreudig. Es kommt in drei Modifikationen vor. +
α-Fe
906 C
2))5
kubischraumzentriert ferromagnetisch
+
γ-Fe
1 401 C
2))5
kubisch-dichte Packung paramagnetisch
δ-Fe
1 539 +C
2))5
kubischraumzentriert paramagnetisch
Schmelze
α-Fe ist nur bis zum Curie-Punkt von 768 (C ferromagnetisch und nur temporär (in Gegenwart eines äußeren Feldes) ferromagnetisch. Stahl besitzt permanenten Magnetismus (vgl. Abschn. 5.1.6). Mit Sauerstoff reagiert kompaktes Eisen ab 150 (C, abhängig von den Reaktionsbedingungen, zu Fe2O3, Fe3O4 und Fe1KxO (vgl. S. 850). Mit Schwefel und Phosphor bildet sich exotherm FeS und Fe3P, auch mit Halogenen erfolgt beim Erwärmen Reaktion. Trockenes Chlor reagiert nicht mit Eisen (Transportmöglichkeit von Chlor in Stahlflaschen). Eisen ist unedel, es löst sich in Säuren unter H2-Entwicklung. Oberhalb von 500 (C wird Wasser zersetzt. 3 Fe C 4 H2O # Fe3O4 C 4 H2 An trockener Luft und in luft- und kohlenstoffdioxidfreiem Wasser verändert sich bei Raumtemperatur kompaktes Eisen nicht. Es wird passiviert und daher auch von konz. Schwefelsäure und konz. Salpetersäure nicht angegriffen. An feuchter Luft oder in lufthaltigem Wasser rostet Eisen. Es bildet sich FeO(OH). Ist die Luft SO2haltig, wird die Korrosion durch Bildung von FeSO4 an der Metalloberfläche eingeleitet, sie setzt sich dann auch in trockener Luft fort. Zum Korrosionsschutz wird Eisen verzinkt (vgl. S. 762) oder mit Schutzanstrichen passiviert (vgl. S. 554). Der wichtigste Korrosionsschutz von Stählen ist die Zinkphosphatierung (s. Abschn. 4.6.11). Eisen ist für alle Organismen ein essentielles Element. Menschen benötigen durch Nahrungsaufnahme 20 mg Eisen pro Tag und enthalten 60 mg.kg Eisen. 70 % sind im Hämoglobin enthalten, das Sauerstoff von den Lungen in den Körper transportiert. Sauerstofffreies Hämoglobin, das Desoxyhämoglobin, enthält Fe (II) im paramagnetischen high-spin Zustand, das Oxyhämoglobin Fe (III) im low-spin Zustand. Eine magnetische Kopplung, d.h. die Bildung eines gemeinsamen Orbitals, zwischen K dem ungepaarten Elektron am Fe (III) und dem als Hyperoxid-Radikal-Ion, O 2 , gebundenen Disauerstoff ergibt den diamagnetischen Grundzustand des Oxyhämoglobins. An der Luft wird das Eisen des roten Hämoglobins unter Braunfärbung
838
5 Die Elemente der Nebengruppen
irreversibel zu Fe (III) oxidiert. Ferritine bestehen aus Proteinen und darin gespeichertem Fe (III). Es ist in der Milz und in der Leber konzentriert. Ferredoxine sind bei Pflanzen und Bakterien an Elektronenübertragungen bei Redoxprozessen beteiligt. Bei ihnen sind Cluster des Typs Fe2S2X4 und Fe4S4X4 enthalten (s. S. 852). Cobalt ist stahlgrau, glänzend und härter als Eisen. Es kristallisiert in den Modifikationen α-Co
hexagonal-dichte Packung
417 +C
2))5
β-Co
kubisch-dichte Packung
Die Umwandlung erfolgt langsam, durch Zusatz von einigen Prozent Eisen erhält man bei Raumtemperatur metastabiles β-Co. Cobalt ist ferromagnetisch, die CurieTemperatur ist sehr hoch (1 121 (C). Durch Zersetzung von Co2 (CO)8 entsteht eine weitere bei Raumtemperatur stabile kubische Modifikation, das ε-Co. Cobalt ist weniger reaktiv als Eisen. Unterhalb 300 (C ist es an der Luft beständig, bei stärkerem Erhitzen bildet sich Co3O4, oberhalb 900 (C CoO. Mit Halogenen, Phosphor, Arsen und Schwefel reagiert Cobalt beim Erhitzen, mit Wasserstoff und Stickstoff reagiert es nicht. Cobalt ist unedel, reagiert aber mit nicht oxidierenden Säuren nur langsam. Durch konz. Salpetersäure wird Cobalt passiviert, es wird auch von feuchter Luft und von Wasser nicht angegriffen. Cobalt ist auch gegen geschmolzene Alkalien beständig. Cobalt ist ein essentielles Element. Co (III) ist im Vitamin B12 enthalten. Nickel ist silberweiß, zäh und dehnbar. Es kristallisiert normalerweise in der kubisch-dichten Packung. Unterhalb der Curie-Temperatur (357 (C) ist es ferromagnetisch. Eine hexagonale Modifikation ist paramagnetisch, sie wandelt sich bei 250 (C in die kubische Modifikation um. Nickel ist äußerst korrosionsbeständig. Es ist widerstandsfähig gegen Seewasser, Luft und Alkalien. Feuchte Luft und verdünnte nichtoxidierende Säuren greifen nur langsam an. In verdünnter Salpetersäure ist Nickel leicht löslich, in konz. Salpetersäure wird es passiviert. Wegen der Korrosionsbeständigkeit werden viele Gebrauchsgegenstände galvanisch vernickelt. Da Nickel auch bei 300K400 (C gegen Alkalimetallhydroxide beständig ist, werden Nickeltiegel für Alkalischmelzen verwendet. Beim Erhitzen reagiert Nickel mit Bor, Silicium, Phosphor, Schwefel, Chlor, Brom, Iod. Fluor reagiert erst oberhalb 400 (C.
5.16.3 Vorkommen In der Erdkruste ist Eisen mit 6,2 % das vierthäufigste Element und nach Aluminium das zweithäufigste Metall. Auch kosmisch ist Eisen häufig (vgl. Abb. 1.12). Es gibt reichhaltige Erzvorkommen. Die wichtigsten Eisenerze sind: Magneteisenstein (Magnetit) Fe3O4. Roteisenstein Fe2O3 (Abarten sind Hämatit, Eisenglanz, Roter Glaskopf). Brauneisenstein Fe2O3 · nH2O (n z 1,5), das häufigste Eisenerz (Abarten sind der Braune Glaskopf und Limonit). Brauneisensteinlager liegen bei Salzgitter
5.16 Die Eisengruppe
839
und Peine und in Lothringen; durch den Gehalt an Vivianit Fe3(PO4)2 · 8 H2O haben letztere einen hohen Gehalt an Phosphor. Spateisenstein (Siderit) FeCO3. Pyrit FeS2. Magnetkies Fe1KxS. Cobalt ist mit einem Anteil von 3 · 10K3 % in der Erdkruste ein seltenes Element. Es kommt meist in sulfidischen Erzen vergesellschaftet mit Kupfer und Nickel vor. In arsenidischen Erzen ist es mit Nickel und Edelmetallen vergesellschaftet. Cobaltmineralien sind Cobaltkies (Linneit) Co3S4, Carrolit CuCo2S4, Cobaltglanz CoAsS, Speiscobalt (Co, Ni)As3. Der Anteil an Nickel in der Erdkruste beträgt 10K2 %. Die wichtigsten Mineralien sind Eisennickelkies (Pentlandit) (Fe, Ni)S, Garnierit (Ni, Mg)6 [Si4O10] (OH)8, Rotnickelkies NiAs, Weißnickelkies NiAs2. NiS ist mit Magnetkies und Kupferkies vergesellschaftet, die arsenidischen Nickelerze meist mit Cobalt, Kupfer und Edelmetallen.
5.16.4 Darstellung, Verwendung 5.16.4.1 Darstellung von metallischem Eisen Die Hethiter in Kleinasien waren die ersten, die Eisen verarbeiteten und die Eisenzeit löste die Bronzezeit etwa um 1200 v. Chr. ab. Der erste Hochofen wurde im 14. Jhdt. gebaut. Eisen ist für unsere Zivilisation das bei weitem wichtigste Gebrauchsmetall. Die Weltproduktion einiger Metalle ist in der Abb. 5.85 dargestellt. Die Menge produzierten Roheisens ist mehr als zehnmal so groß wie die aller anderen Metalle zusammen. Stahl wird fast fünfzigmal mehr hergestellt als Aluminium, das in der Weltproduktion den zweiten Platz einnimmt. Die stürmische industrielle Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg ist auch am Anwachsen der Weltproduktion der Metalle abzulesen (Abb. 5.86). Reines Eisen. Im Labor erhält man chemisch reines Eisen mit folgenden Methoden: Reduktion von Oxiden mit Wasserstoff bei 400K700 (C. In höchster Reinheit durch Pyrolyse von Eisencarbonyl Fe (CO)5 bei 250 (C. Elektrolyse wässriger Eisensalzlösungen. Erzeugung von Roheisen. Roheisen wird durch Reduktion von oxidischen Eisenerzen mit Koks hergestellt. Verwendet werden in der Bundesrepublik Deutschland importierte Eisenerze mit einem durchschnittlichen Eisenanteil von 64 %. Der Eisenerzbergbau in Deutschland ist seit einigen Jahren eingestellt. 2004 betrug die Weltproduktion an Roheisen 720 · 106 t. Davon wurden 94 % mit dem Hochofenverfahren gewonnen. Andere Verfahren wie die Reduktion der Eisenerze mit Kohle in Drehrohröfen zu Eisenschwamm spielen nur eine untergeordnete Rolle. Der Hochofen (Abb. 5.87) wird von oben abwechselnd mit Schichten aus Koks und Erz beschickt. Den Erzen werden Zuschläge zugesetzt, die während des Hochofenprozesses mit den Erzbeimengungen (Gangart) leicht schmelzbare Calciumaluminiumsilicate (Schlacke) bilden. Ist die Gangart Al2O3- und SiO2-haltig, setzt man
840
5 Die Elemente der Nebengruppen 2004
m(106 t) 28
m(108 t)
13
26
12
24
11
Al
22
Stahl
10
20
9
18
8
2004
30
Roheisen
16
7
14
6
12
5
10
4
8
3
6
2
4
1
2
0
0
Cu
Zn
Pb
Abbildung 5.85 Weltproduktion einiger Metalle.
CaO-haltige Zuschläge zu (Kalkstein, Dolomit). Bei CaO-haltigen Gangarten müssen die Zuschläge SiO2- und Al2O3-haltig sein (Feldspat, Schichtsilicate). In den Hochofen wird von unten auf 1 000K1 300 (C erhitzte Luft (Wind) eingeblasen, der teilweise bis zu 3,5 % Sauerstoff zugesetzt wird. An der Einblasstelle verbrennt der Koks mit dem Sauerstoffüberschuss zunächst zu Kohlenstoffdioxid CO2. Es entstehen Temperaturen bis 2 300 (C. C C O2 $% CO2
ΔH ( Z K394 kJ.mol
Das CO2 reagiert sofort mit dem heißen Koks gemäß dem Boudouard-Gleichgewicht (vgl. Abb. 3.22) unter Wärmeverbrauch zu Kohlenstoffmonooxid CO. CO2CC # 2 CO
ΔH ( Z C173 kJ.mol
Dadurch kühlt sich das Gas ab, die Temperaturen im unteren Teil des Hochofens (Rast) betragen ca. 1 600 (C.
5.16 Die Eisengruppe
841
23 m(106 t)
28
21 m(108 t)
26
19
24
17
22
15
20
13
18
11
16
9
14
7
12
5
10
Stahl
8
3
Al
1
Roheisen
Cu
6 Zn 4
Pb
2 0 1930
40
50
60
70
80
90
2000
2010
Abbildung 5.86 Entwicklung der Weltproduktion von Stahl, Roheisen, Aluminium, Kupfer, Zink und Blei seit 1930. Die starke Zunahme der Stahlproduktion seit 2000 ist hauptsächlich durch das enorme Wirtschaftswachstum in China verursacht.
In den Erzschichten werden die Eisenoxide von CO stufenweise reduziert. Im unteren Teil des Hochofens liegt das bereits teilreduzierte Eisenerz überwiegend als Wüstit „FeO“ vor. Dieses wird durch CO zu Eisen reduziert. FeO C CO $% Fe C CO2
ΔH ( Z K17 kJ.mol
842
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.87 Schematische Darstellung eines Hochofens. Die Höhe beträgt etwa 30 m, der Gestelldurchmesser 10K15 m, das Fassungsvermögen bis 4 000 m3. 2005 waren in Deutschland 20 Hochöfen in Betrieb, 12 sind museal erhalten.
Das entstehende CO2 wandelt sich in der darüberliegenden Koksschicht auf Grund des Boudouard-Gleichgewichts wieder in CO um, dieses wirkt in der folgenden Erzschicht erneut reduzierend usw. Insgesamt findet also die Reaktion 2 FeO C C $% 2 Fe C CO2
ΔH ( Z C138 kJ.mol
statt. Dieser in zwei Schritten ablaufende Vorgang wird „direkte Reduktion“ genannt. Sobald die Temperatur des aufsteigenden Gases kleiner als 900K1 000 (C wird, stellt sich das Boudouard-Gleichgewicht nicht mehr mit ausreichender Geschwindigkeit ein. Es findet nur noch die Reduktion von Eisenoxid unter Bildung von CO2 statt. Diesen Vorgang bezeichnet man als „indirekte Reduktion“. Im oberen Teil des Hochofens erfolgt hauptsächlich die indirekte Reduktion von Fe2O3 und Fe3O4 zu FeO. 3 Fe2O3 C CO $% 2 Fe3O4 C CO2 Fe3O4 C CO $% 3 FeO
C CO2
ΔH ( Z K47 kJ.mol ΔH ( Z C37 kJ.mol
Im oberen kälteren Teil des Schachts erfolgt keine Reduktion mehr, durch die heißen Gase wird nur die Beschickung vorgewärmt. Das entweichende Gichtgas besteht aus etwa 55 % N2, 30 % CO und 15 % CO2 (Heizwert ca. 4 000 kJ.m3). In Eisen können sich maximal 4,3 % Kohlenstoff lösen (Abb. 5.89), dadurch wird der Schmelzpunkt des Roheisens auf 1 100K1 200 (C erniedrigt (Schmelzpunkt von reinem Eisen 1 539 (C). Durch Kontakt mit dem Koks löst das flüssige Eisen Kohlen-
5.16 Die Eisengruppe
843
stoff bis zur Sättigung. In der unteren heißen Zone des Hochofens tropft verflüssigtes Eisen nach unten und sammelt sich im Gestell unterhalb der flüssigen, spezifisch leichteren Schlacke. Die Schlacke schützt das Roheisen vor Oxidation durch die eingeblasene Heißluft. Das flüssige Roheisen und die flüssige Schlacke werden von Zeit zu Zeit durch das Stichloch abgelassen (Abstich). Die Schlacke wird als Straßenbaumaterial oder zur Zementherstellung verwendet. Ein Hochofen kann jahrelang kontinuierlich in Betrieb sein und täglich bis 10 000 t Roheisen erzeugen. Für 1 t erzeugtes Roheisen benötigt man etwa ½ t Kohle und es entstehen 300 kg Schlacke. Das Roheisen enthält 3,5K4,5 % Kohlenstoff, 0,5K3 % Silicium, 0,2K5,0 % Mangan, bis 2 % Phosphor und Spuren Schwefel (! 0,06 %). Stahlerzeugung. Eisen ist nur walzbar und schmiedbar, wenn der Kohlenstoffgehalt kleiner als 2,1 % ist (vgl. Abb. 5.89). Roheisen ist wegen des hohen Kohlenstoffgehalts spröde und erweicht beim Erhitzen plötzlich. Es kann daher nur vergossen, aber nicht gewalzt und geschweißt werden. Um es in verformbares Eisen (Stahl) zu überführen, muss der Kohlenstoffgehalt herabgesetzt werden. Er ist im Stahl meist kleiner als 1 %. Außerdem müssen störende Begleitelemente wie Phosphor, Schwefel, Silicium, Sauerstoff auf niedrige Restgehalte gebracht werden. Dies geschieht durch mehrere Raffinationsprozesse: Frischreaktionen, Desoxidationsreaktionen, Entschwefelungsreaktionen und Entgasungsreaktionen. Beim Frischen wird Sauerstoff in flüssiges Eisen eingeblasen. Es bildet sich primär flüssiges Eisenoxid, außerdem löst sich Sauerstoff im Eisen. An der Grenzfläche Metall-Oxid oxidiert das Eisenoxid die Begleitelemente Silicium, Mangan und Phosphor, die Reaktionsprodukte lösen sich im Eisenoxid. Si C 2 FeO $% SiO2 C 2 Fe Mn C FeO $% MnO C Fe 2 P C 5 FeO $% P2O5 C 5 Fe Zur Verschlackung der Oxide wird CaO zugesetzt. Der Kohlenstoff reagiert mit dem im flüssigen Eisen gelösten Sauerstoff. C C O $% CO Alle Vorgänge sind exotherm und beheizen die Schmelze. Im Stahl gelöster Sauerstoff verursacht bei der Erstarrung des Stahls schädliche oxidische Einschlüsse. Flüssiger Stahl muss daher desoxidiert werden. Das wirksamste Desoxidationsmittel ist Aluminium. 2 Al C 3 O $% Al2O3 Bei der Entschwefelung z. B. mit Calcium, Magnesium oder Calciumcarbid wird der gelöste Schwefel in Sulfid überführt. Kohlenstoffmonooxid und atomar gelöster Wasserstoff werden durch Entgasung unter vermindertem Druck entfernt. Windfrischverfahren sind das 1855 entwickelte Bessemer-Verfahren und das 1877 entwickelte Thomas-Verfahren. Das Frischen des Roheisens erfolgt in birnenförmi-
844
5 Die Elemente der Nebengruppen
gen, kippbaren eisernen Gefäßen (Konverter), die mit feuerfestem Material ausgekleidet sind. Durch Bodendüsen des Konverters wird Luft eingeblasen. Der erzeugte Stahl besitzt einen relativ hohen Stickstoffgehalt. Beim Thomas-Verfahren wird phosphorreiches Roheisen verblasen, die Schlacke (Thomasphosphat) kann als Düngemittel verwendet werden. Beim Siemens-Martin-Verfahren, seit 1864 eingesetzt, wird der Stahl aus Roheisen und Schrott erzeugt. Als Ofen wird ein feuerfest ausgekleideter kippbarer eiserner Trog (Herd) benutzt. Mit einem heißen Brenngas-LuftGemisch wird das Eisen-Schrott-Gemisch aufgeschmolzen. Das Frischen erfolgt teilweise durch den Sauerstoffgehalt des Schrotts (Herdfrischverfahren), die Frischzeit beträgt 3K5 Stunden. In der Bundesrepublik Deutschland wurde das letzte Thomasstahlwerk 1975 und das letzte Siemens-Martin-Stahlwerk 1982 stillgelegt. Neuere Verfahren Sauerstoffaufblas- oder LD-Verfahren (Linz-Donawitz-Verfahren, 1949 in Österreich in Betrieb genommen). Ein mit Dolomit und Magnesit feuerfest ausgekleideter Konverter (Abb. 5.88) enthält Roheisen, Schrott und Kalk. Auf die Schmelze wird mit einer wassergekühlten Lanze Sauerstoff mit 6K10 bar aufgeblasen. Durch den Gasstrahl und das beim Frischen entstandene CO wird das Bad durchmischt. Die Blaszeit beträgt 12K20 Minuten, die Badtemperatur steigt von 1 350 auf 1 650 (C. Der Kohlenstoffgehalt sinkt auf 0,04K0,1 %. Pro t Stahl können 240K270 kg Schrott zugesetzt werden; die Sauerstoffzufuhr beträgt 400K700 m3.min. Die Konverter haben Fassungsvermögen von 200K400 t. Alle 30 min erfolgt ein Abstich, die Monatsleistung ist ca. 0,5 · 106 t Stahl. Bei phosphorreichen Roheisensorten wird zusammen mit dem Sauerstoff Kalkstaub aufgeblasen. Es entsteht eine Phosphatschlacke (Thomas-Schlacke), die als Düngemittel verwendet wird. Ende der 60er Jahre wurde mit dem OBM-Verfahren (Oxygen-Bodenblasen-Maximilianshütte) ein Sauerstoffbodenblasverfahren entwickelt. Der Sauerstoff tritt
Abbildung 5.88 Schema eines LD-Konverters (Blasstellung). Zum Abstich wird der Konverter gekippt (Kippstellung). Typische Endzusammensetzung des Stahls in %: C 0,059, Mn 0,31, P 0,018, S 0,019, N 0,003, O 0,083.
5.16 Die Eisengruppe
845
durch Düsen im Konverterboden in die Schmelze ein. Dem Sauerstoff werden 3K5 % Kohlenwasserstoffe zugesetzt, dadurch beginnt die Reaktion mit der Eisenschmelze erst in einigem Abstand von der Düsenmündung, so dass die feuerfeste Auskleidung standhält. Seit Mitte der 70er Jahre werden kombinierte Blasverfahren verwendet, bei denen die Aufblastechnik und die Bodenblastechnik in einem Prozess vereint sind. Die Vorteile sind bessere Baddurchmischung, damit bessere Gleichgewichtseinstellung, geringere Verschlackung von Eisen (höhere Stahlausbeute), bessere Entphosphorung, sehr definierte und geringe (! 0,02 %) Kohlenstoffgehalte. Elektrostahlverfahren. Der Stahl wird in Lichtbogen- oder Induktionsöfen erschmolzen. Ein bis 8 000 (C heißer Lichtbogen überträgt Wärme durch Strahlung. Bei Massenstählen wird unlegierter Schrott mit Kohle eingeschmolzen. Anschließend erfolgt das Frischen. Aus hochwertigem Schrott werden Edelstähle hergestellt. 2004 wurden weltweit 1 060 · 106 t Stahl produziert, 2002 903 · 106 t, davon 60 % als Oxygenstahl und 35 % als Elektrostahl. Nach dem Frischen des Eisens im Konverter oder im Lichtbogenofen wird der Stahl nachbehandelt, um die endgültige chemische Zusammensetzung einzustellen. Die Nachbehandlung erfolgt in der Pfanne, einem topfförmigen Gefäß (Fassungsvermögen bis 300 t, feuerfest ausgekleidet). Bei der Nachbehandlung erfolgt Desoxidation, Entschwefelung und Entgasung (vgl. S. 843). Die Eigenschaften des Stahls hängen nicht nur von seiner chemischen Zusammensetzung ab, sondern auch von der Wärmebehandlung. Für den Einfluss der Wärmebehandlung ist das Zustandsdiagramm EisenKKohlenstoff die Grundlage (Abb. 5.89). Hohe Anforderungen an Stähle wie Härte, Zähigkeit, Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit werden durch Zugabe von Legierungselementen erreicht. Chrom verbessert die Härte und Warmfestigkeit. Bei Cr-Gehalten O 12 % werden die Stähle korrosionsbeständig. Der korrosionsbeständige V2A-Stahl enthält 70 % Fe, 20 % Cr, 8 % Ni und etwas Si, C, Mn. Die Korrosionsbeständigkeit beruht auf der schnellen Bildung einer chromreichen Oxidschicht. Nickel und Vanadium erhöhen die Zähigkeit, Molybdän erhöht die Warmfestigkeit, Wolfram die Härte. Die Legierungen enthalten meist mehrere Legierungselemente. Dadurch entstehen teilweise Eigenschaften, die aus der Wirkung der einzelnen Elemente nicht zu erwarten sind.
5.16.4.2 Herstellung von Nickel und Cobalt Die Herstellung von Nickel ist kompliziert, die Verfahren sind vielfältig und den zu verarbeitenden Erzen angepasst. Gegenwärtig werden 60 % der Weltnickelproduktion aus sulfidischen Nickel-Eisen-Kupfer-Erzen (vgl. S. 839) gewonnen. Durch Teilabröstung erhält man Fe2O3, das mit SiO2 zu Eisensilicat verschlackt wird. Es entsteht ein Kupfer-Nickel-Rohstein, der FeS, NiS und Cu2S (10K25 % Cu C Ni) enthält. Im Konverter wird das FeS des Rohsteins durch eingeblasene Luft oxidiert und
846
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.89 Zustandsdiagramm Eisen-Kohlenstoff (Prozentangaben in Massenanteilen). In α-Eisen(kubisch-raumzentriert) lösen sich maximal 0,018 % C. In den Mischkristallen (Ferrit) besetzen die C-Atome Würfelkanten. In γ-Eisen(kubisch-flächenzentriert) lösen sich maximal 2,1 % C; die C-Atome besetzen in den Mischkristallen (Austenit) auch Würfelmitten. Die Mischkristalle sind also Einlagerungsmischkristalle. Eisen ist bis zum Gehalt von 2,1 % C schmiedund walzbar. In geschmolzenem Eisen ist bei 1 150 (C 4,3 % C löslich, die Löslichkeit nimmt mit steigender Temperatur zu. Kühlt man eine Schmelze, die mehr als 4,3 % C enthält sehr langsam ab, scheidet sich Grafit aus. Kühlt man schneller ab, so scheidet sich Cementit Fe3C aus. Cementit ist bei Raumtemperatur metastabil. Wird der C-Gehalt von 4,3 % erreicht, entsteht das als Ledeburit bezeichnete Gemisch aus Austenit und Cementit. Aus Schmelzen mit kleinen C-Gehalten scheidet sich zunächst δ-Ferrit, dann Austenit aus, bis wieder die eutektische Zusammensetzung mit 4,3 % C erreicht wird. Wenn man Austenit, der 2,1 % C enthält, von 1 150 (C auf 723 (C abkühlt, so scheidet sich Cementit aus, der C-Gehalt des Austenits verringert sich. Erreicht der C-Gehalt der Austenits 0,8 %, scheidet sich ein als Perlit bezeichnetes Gemisch von Ferrit und Cementit aus. Schreckt man Austenit auf Temperaturen unter 150 (C ab, so wandelt er sich in metastabilen Martensit um. Martensit ist ein durch den hohen C-Gehalt tetragonal deformiertes α-Eisen (das α-Eisen ist mit C übersättigt). Perlit ist weich, Martensit ist hart und spröde. Erhitzt man Martensit auf 200K300 (C, zerfällt er in Ferrit und Cementit. Auch wenn die Zusammensetzung die gleiche ist wie bei Perlit, erhält man einen Stahl mit einer gröberen mikrokristallinen Struktur, er wird Sorbit genannt. Die Umwandlung von Martensit in Sorbit verringert die Härte, aber erhöht die Zähigkeit.
5.16 Die Eisengruppe
847
mit SiO2 verschlackt. Man erhält einen Nickel-Feinstein, der aus Ni3S2 und Cu2S besteht. Der Feinstein wird unterschiedlich weiterverarbeitet. Mit dem Röstreduktionsverfahren (vgl. S. 520) wird z. B. Monelmetall (Legierung aus 70 % Ni und 30 % Cu) hergestellt. Beim Carbonylverfahren (Mond-Prozess) wird metallisches fein verteiltes Nickel bei niedriger Temperatur zu Carbonylnickel umgesetzt und dieses bei höherer Temperatur zersetzt (vgl. Abschn. 5.12.4 Chemische Transportreaktionen). +
50K100 C
Ni (CO)4 Ni C 4 CO 2)))5 + 180K200 C
Das Carbonylnickel enthält 99,8K99,9 % Ni. Das fein verteilte Nickel erhält man durch Rösten des Feinsteins und Reduktion des entstandenen NiO mit H2 bei 700K800 (C zu Nickelschwamm. Zur Nickelgewinnung durch Elektrolyse ist sowohl eine Ni-Cu-Legierung als auch Nickelfeinstein geeignet. Zum Unterschied zur Auflösung metallischer Anoden entsteht bei der Auflösung von Nickelfeinsteinanoden Schwefel. Ni3S2 $% 3 Ni2C C 41 S8 C 6 eK Kupfer muss aus dem Elektrolyten entfernt werden. Nickel wird überwiegend für Legierungen verwendet. Es erhöht die Härte, Zähigkeit und Korrosionsbeständigkeit von Stählen. Niedrig legiertes Nickel wird für Zündkerzen, Thermoelemente und im Apparatebau gebraucht. Reines Nickel wird zur galvanischen Vernickelung verwendet, als fein verteiltes Metall für Hydrierungskatalysatoren. Wegen der Beständigkeit gegen Fluor werden aus Nickel und Monel Apparaturen zur Darstellung von Fluor hergestellt. Ni (OH)2 wird für Ni.Cd- und Ni.Fe-Elemente gebraucht (vgl. S. 371). Cobalt. Wegen der wechselnden Vergesellschaftung von Cobalterzen gibt es für die Aufbereitung kein Standardverfahren. Aus den Nickel-Cobalt-Kupfer-Erzen wird z. B. durch reduzierendes Schmelzen ein Rohstein hergestellt, der aus einer Co-CuFe-Ni-Legierung besteht. Aus dem Rohstein wird mit verd. Schwefelsäure Eisen, Cobalt und Nickel gelöst. Nach Ausfällung des Eisens wird Cobalt durch Oxidation mit Hypochlorit als Cobalt (III)-oxid-Hydrat ausgefällt. 2 Co2C C OClK C 4 OHK C (nK2) H2O $% Co2O3 · nH2O C ClK Cobaltoxidhydrat wird zu Co3O4 calciniert. Dieses wird mit Kohle oder Wasserstoff bzw. aluminothermisch zu Cobalt reduziert. Cobalt wird überwiegend zur Herstellung von Legierungen verwendet. Magnetlegierungen für permanente Magnete enthalten bis 40 % Co, hochtemperaturbeständige Legierungen bis 70 % Co, hochfeste Werkzeugstähle bis 16 % Co. Hartmetalle (vgl. S. 204) enthalten WC oder TiC als Hartstoff und Cobalt als Bindemetall (3K30 %). Die Oxide CoO und Co3O4 werden in der Glas- und Keramikindustrie (Blaufärbung) gebraucht. LiCoO2 wird für Elektroden in Lithium-Ionen-Akkumulatoren verwendet (s. S. 371). 60 27Co wird als Quelle für γ-Strahlen verwendet.
848
5 Die Elemente der Nebengruppen
5.16.5 Verbindungen des Eisens 5.16.5.1 Eisen (II)- und Eisen (III)-Verbindungen (d6, d5) Die wichtigsten Oxidationszahlen des Eisens sind C2 und C3. In wässrigen Lösungen, die keine anderen Komplexbildner enthalten, ist Fe (II) als das blassblaugrüne Ion [Fe (H2O)6]2D vorhanden. Es reagiert nur schwach sauer. [Fe (H2O)6]2 C C H2O # [Fe (H2O)5OH]C C H3OC
K Z 10K 7
Die fast farblosen [Fe (H2O)6]3D-Ionen sind nur in stark saurer Lösung bei pH z 0 stabil. Im Bereich bis pH Z 3 existieren die folgenden Gleichgewichte.
Bei höheren pH-Werten entstehen höher kondensierte Komplexe, es bilden sich kolloidale Gele, schließlich fällt rotbraunes, gallertartiges Eisen (III)-oxid-Hydrat Fe2O3 · nH2O aus. Das Redoxgleichgewicht Fe2 C # Fe3 C C e K hängt sehr stark vom pH-Wert und von der Anwesenheit komplex bildender Liganden ab. Mit der Nernst-Beziehung (vgl. S. 349) erhält man für 25 (C E Z E+ C 0,059 lg
cFe3C cFe2C
E+ Z C0,77 V
Fe2C-Ionen sind in saurer Lösung stabil, werden aber durch Luftsauerstoff oxidiert ( 21 O2 C 2 H3OC C 2 eK # 3 H2O E+ Z C1,23 V). 2 Fe2C C
1 C 2 O 2 C 2 H 3O
$% 2 Fe3C C 3 H2O
In alkalischer Lösung ändert sich das Redoxpotential drastisch. Fe (II) und Fe (III) liegen als Hydroxide vor und die Konzentrationen der freien Ionen sind durch die 3 K 38 2 K Z 5 $ 10 K Löslichkeitsprodukte bestimmt. Aus cFe3C $ cOH und cFe2C $ cOH K 15 Z 2 $ 10 folgt mit cOHK Z 1 mol.l E Z C0,77 V C 0,059 V lg
5 $ 10K 38 2 $ 10K 15
Z K 0,56 V
In alkalischer Lösung kann Fe (II) Nitrate zu NH3 und Cu2C zu Cu reduzieren. Fe (OH)2 wird an der Luft sofort zu Fe2O3 · nH2O oxidiert. Eisen (II)-Salze sind zahlreich, sie ähneln den Magnesiumsalzen. Es sind meist grüne, hydratisierte, kristalline Substanzen, die das oktaedrische [Fe (H2O)6]2C-Ion enthalten.
5.16 Die Eisengruppe
849
Beispiele: FeSO4 · 7 H2O (Eisenvitriol), Fe (ClO4)2 · 6 H2O, (NH4)2Fe (SO4)2 · 6 H2O (Mohr’sches Salz) ist luftbeständig und eignet sich zur Herstellung von Maßlösungen. Eisen (II)-carbonat FeCO3 kommt in der Natur als Siderit vor. In CO2-haltigem Wasser löst es sich unter Bildung von Eisen (II)-hydrogencarbonat (vgl. S. 530). FeCO3 C H2O C CO2 # Fe (HCO3)2 Aus diesen Lösungen entsteht durch Oxidation mit Luftsauerstoff Fe2O3 · nH2O. Die Reinigung von eisenhaltigen Wässern kann daher durch Einleiten von Sauerstoff erfolgen. Eisen (III)-Salze. Fe (III) bildet mit den meisten Anionen Salze, die den Aluminiumsalzen ähneln. Die Hydrate enthalten das oktaedrische Ion [Fe (H2O)6]3C und sind blassrosa bis farblos. Beispiele: C1
C3
Fe (ClO4)3 · 10 H2O, Alaune [Me (H2O)6] [ Fe (H2O)6] (SO4)2 Fe (III) ist weniger basisch als Fe (II). Es bildet daher z. B. kein beständiges Carbonat. Lösungen von Fe (III)-Salzen reagieren stark sauer und sind gelb gefärbt. Die gelbe Farbe entsteht durch Charge-transfer-Banden (vgl. Abschn. 5.4.8) von HydroxoIonen, wie in [Fe (H2O)5OH]2C. Sauerstoffverbindungen Eisen (II)-hydroxid Fe (OH)2 fällt aus Fe (II)-Salzlösungen unter Sauerstoffausschluss mit OHK-Ionen als weißer flockiger Niederschlag aus. In Gegenwart von Ammoniumsalzen unterbleibt die Fällung, da Fe (II) als Komplex [Fe (NH3)6]2C gelöst bleibt. An der Luft oxidiert sich Fe (OH)2 leicht zu Fe2O3 · nH2O (vgl. S. 848). Kristallines Fe (OH)2 ist isotyp mit Mg (OH)2. Fe (OH)2 ist amphoter, es löst sich in konz. Laugen unter Bildung von blaugrünen Hydroxoferraten (II), z. B. Na4 [Fe (OH)6]. Eisen (III)-oxid-Hydrat. Eisen (III)-oxidhydroxid. Aus Fe (III)-Salzlösungen fällt mit OHK-Ionen das braune amorphe Eisen (III)-oxid-Hydrat Fe2O3 · nH2O aus. Der Niederschlag löst sich leicht in Säuren, praktisch nicht in Laugen. Nur mit heißen konz. Basen kann man die Hydroxoferrate (III) Me2C 3 [Fe (OH)6]2 (Me Z Sr, Ba) herstellen. Beim Erwärmen geht Fe2O3 · nH2O in α-Fe2O3 über. Eisen (III)-oxidhydroxid existiert in mehreren Modifikationen. Aus α-FeO(OH) (Goethit), das auch natürlich vorkommt, entsteht beim Erhitzen α-Fe2O3. Die metastabile Modifikation γ-FeO(OH) (Lepidokrokit) geht durch Wasserabspaltung in γ-Fe2O3 über. Der bei der Oxidation von Eisen an feuchter Luft entstehende Rost ist γ-FeO(OH).
850
5 Die Elemente der Nebengruppen
Eisen (II)-oxid Fe1LxO (Wüstit) ist nur oberhalb 560(C als nichtstöchiometrische Verbindung stabil. Bei 1 000 (C ist der Bereich der Zusammensetzung Fe0,95OKFe0,88O (Abb. 5.90). Fe1KxO kristallisiert im NaCl-Typ mit Leerstellen im Kationenteilgitter. Der Eisenunterschuss wird durch Fe3C-Ionen ausgeglichen. 3C Fe0,95O hat also die Zusammensetzung Fe2C 0,85 Fe0,10 Fe,0,05O ( Fe, Z Leerstelle). Unterhalb 560 (C disproportioniert „FeO“ in α-Fe und Fe3O4; durch schnelles Abkühlen erhält man es bei Raumtemperatur als metastabile Verbindung. Man erhält Fe1KxO als schwarzes Pulver durch thermische Zersetzung von Eisen (II)-oxalat im Vakuum oder durch Reduktion von Fe2O3 mit H2. Stöchiometrisches FeO erhält man aus Fe1KxO und Fe bei 780 (C und 50 kbar.
Abbildung 5.90 Ausschnitt aus dem Zustandsdiagramm Eisen-Sauerstoff. FeO ist als nichtstöchiometrische Verbindung Fe1KxO nur oberhalb 560 (C stabil. Bei Raumtemperatur ist es metastabil. Fe2O3 und Fe3O4 sind bei Raumtemperatur stöchiometrische Verbindungen. Oberhalb 1 000 (C hat Magnetit einen Homogenitätsbereich mit einem Fe3C. Fe2C-Verhältnis größer als zwei.
Eisen (II, III)-oxid Fe3O4 (Smp. 1 538 (C) kommt als schwarzes Mineral Magnetit C3 C2C3
vor. Es kristallisiert in der inversen Spinell-Struktur Fe (Fe Fe)O4. Auf den Oktaederplätzen erfolgt ein schneller Elektronenaustausch zwischen den Fe2C- und Fe3CIonen (vgl. S. 678). Daher ist Fe3O4 ein guter elektrischer Leiter. Außerdem ist Fe3O4 stark ferrimagnetisch (vgl. S. 672). Fe3O4 ist beständig gegen Säuren, Basen und Chlor, es wird daher für Elektroden verwendet. Eisen (III)-oxid Fe2O3 (Smp. 1 565 (C). Die wichtigsten Modifikationen sind αFe2O3 und γ-Fe2O3. α-Fe2O3 kristallisiert im Korund-Typ, es kommt in der Natur als Hämatit vor. γ-Fe2O3 kristallisiert in einer Defektspinellstruktur mit Leerstellen im 3C 1 oktaedrisch koordinierten Teilgitter: Fe3C 8 (Fe13 3 Fe,2 23) O32. Es ist wie Fe3O4 ferrimagnetisch und wird für Magnetbänder verwendet. Man erhält es durch Oxidation von Fe3O4 bei 250K300 (C.
5.16 Die Eisengruppe
851
2 Fe3O4 C 21 O2 $% 3 γ-Fe2O3 Oberhalb 300(C wandelt sich γ-Fe2O3 in α-Fe2O3 um. γ-Fe2O3 $% α-Fe2O3 Beim Erhitzen auf 1 000 (C im Vakuum oder auf 1 400 (C in Luft spaltet α-Fe2O3 Sauerstoff ab. 3 α-Fe2O3 $% 2 Fe3O4 C 21 O2 Die Eigenschaften von α-Fe2O3 hängen von der thermischen Vorbehandlung ab. Geglühtes Fe2O3 ist hart und auch in heißen konz. Säuren wenig löslich. Je nach Korngröße ist es hellrot bis purpurviolett und wird als Malerfarbe verwendet. Eisenoxidpigmente wurden schon in prähistorischen Zeiten verwendet. Farbgebende Verbindungen sind: α-FeOOH (gelb), α-Fe2O3 (rot) und Fe3O4 (schwarz). Der Farbton kann durch Brennen und Korngröße verändert werden. Der gegenwärtige Bedarf ist groß für Farben und Lacke sowie zur Einfärbung von Betonbaustoffen, und es sind mengenmäßig die wichtigsten Pigmente. Ferrite sind wegen ihrer magnetischen Eigenschaften technisch wichtig. Ferrite der Zusammensetzung MeFe2O4 (Me Z Fe, Co, Ni, Zn, Cd) kristallisieren in der SpinellStruktur (vgl. S. 81), Ferrite der Zusammensetzung Me3Fe5O12 (Me Z Y, Gd, Tb, Dy, Ho, Er, Tm, Yb, Lu) in der Granat-Struktur (vgl. S. 673). Die magnetischen Eigenschaften dieser Spinelle und Granate werden im Abschnitt 5.1.6 Ferrimagnetismus behandelt. Spinell-Ferrite dienen als Hochfrequenz-Transformatoren und als Speicherelemente in Computern, der Yttrium-Eisen-Granat (YIG) in Radarsystemen als Mikrowellenfilter. Die Verbindungen BaFe12O19, Ba2Me2Fe12O22 und BaMe2Fe16O27 (Me Z Zn, Ni, Co, Fe) gehören zu den ferrimagnetischen hexagonalen Ferriten, die in komplizierten Schichtstrukturen kristallisieren. Sie werden als Permanentmagnete verwendet. Halogenverbindungen Die Eisen (II)-Halogenide FeX2 (X Z F, Cl, Br, I) sind wasserfrei und als Hydrate bekannt. FeF2 kristallisiert im Rutil-Typ, FeCl2 im CdCl2-Typ, FeBr2 und FeI2 im CdI2-Typ. FeCl2 (Smp. 674 (C) erhält man durch Erhitzen von Eisen mit trockenem HClGas. Löst man Eisen in Salzsäure, so kristallisiert unterhalb 12 (C das blassgrüne Hexahydrat FeCl2 · 6 H2O aus, das den oktaedrischen trans-Chlorokomplex [FeCl2 (H2O)4] enthält. Die direkte Halogenierung von Eisen führt zu den wasserfreien Eisen (III)-Halogeniden FeX3 (X Z F, Cl, Br). FeI3 ist nicht bekannt. Auch in Lösungen wird IK von Fe3C oxidiert. Fe3C C IK $% Fe2C C 21 I2 Aus Eisen und Iod entsteht daher das Diiodid.
852
5 Die Elemente der Nebengruppen
Beim Erhitzen der Eisen (III)-Halogenide im Vakuum entstehen die Eisen (II)-Halogenide. FeX3 $% FeX2 C 21 X2 FeCl3 und FeBr3 ähneln den entsprechenden Aluminiumhalogeniden. FeCl3 sublimiert bei 120 (C, schmilzt bei 306 (C und kristallisiert in einer dem AlCl3 ähnlichen Schichtstruktur mit Fe3C-Ionen in den oktaedrischen Lücken einer hexagonal-dichten Pakkung von ClK-Ionen. Bei 400 (C enthält der Dampf Fe2Cl6-Moleküle, oberhalb 800 (C FeCl3-Moleküle.
FeCl3 ist in Wasser gut löslich. Aus den Lösungen kristallisieren verschiedene Hydrate, z. B. das Hexahydrat FeCl3 · 6 H2O mit der Struktur [FeCl2 (H2O)4]Cl · 2 H2O. FeCl3-Lösungen reagieren auf Grund der Protolyse des Ions [Fe (H2O)6]3C sauer (vgl. S. 848). In salzsauren Lösungen bilden sich gelb gefärbte Chlorokomplexe, z. B. das tetraedrische Ion [FeCl4]L. Schwefelverbindungen Eisen (II)-sulfid FeS entsteht in exothermer Reaktion aus den Elementen. Es kristallisiert im NiAs-Typ, schmilzt bei 1 190(C und entwickelt mit Säuren H2S. FeS C 2 HCl $% FeCl2 C H2S In der Natur kommt Magnetkies mit der ungefähren Zusammensetzung Fe0,9S vor. FeS2 ist aus Fe2C- und S2K 2 -Baugruppen aufgebaut. Es kommt in der Natur als messingfarbener Pyrit (Abb. 5.91) und als Markasit vor. Eisen (III)-sulfid Fe2S3 zersetzt sich oberhalb 20 (C. Ein Eisen (III)-sulfid ist das C1 C3
Doppelsulfid Kupferkies CuFeS2 (Abb. 5.92), ein wichtiges Mineral. Eisen-Schwefel-Cluster. Strukturell analog den aktiven Zentren von Redoxsystemen in biologischen Systemen (z. B. in der Nitrogenase, durch die die Reduktion von Luftstickstoff zu Ammoniak katalysiert wird) sind zweikernige und vierkernige Eisen-Schwefel-Cluster (X Z SR, Cl, Br, I).
Die Cluster lassen sich leicht oxidieren und reduzieren. Die Cluster [Fe2S2X4] können die Ladungen K2 bis K4, die Cluster [Fe4S4X4] die Ladungen K1 bis K4
5.16 Die Eisengruppe
853
annehmen. Auch in den Clustern, die formal Fe (II) und Fe (III) enthalten, sind alle Fe-Atome infolge Elektronendelokalisierung äquivalent (vgl. Fe3O4, S. 678).
Abbildung 5.91 Struktur von Pyrit FeS2. Die Struktur kann von der NaCl-Struktur abgeleitet werden. Die Na-Positionen sind von Fe-Atomen, die Cl-Positionen von S2-Gruppen besetzt. Jedes Fe-Atom ist von 6 S-Atomen annähernd oktaedrisch umgeben. Sechs der S-Atome sind markiert, sie koordinieren das Fe-Atom im Zentrum der oberen Würfelfläche. Im Pyrit-Typ kristallisieren auch MnS2, CoS2, NiS2, RuS2, RhS2 und OsS2.
Abbildung 5.92 Struktur von Chalkopyrit (Kupferkies) CuFeS2. Die Metallatome sind tetraedrisch von Schwefel koordiniert. Jedes Schwefelatom ist tetraedrisch von zwei Eisenatomen und zwei Kupferatomen umgeben. Sind alle Metallatome gleich, dann ist die Struktur mit der Zinkblende-Struktur identisch (vgl. S. 77). Im Chalkopyrit-Typ kristallisieren auch die Verbindungen CuMeX2 (Me Z Al, Ga, In; X Z S, Se, Te).
854
5 Die Elemente der Nebengruppen
Komplexverbindungen Es überwiegen oktaedrische Komplexe. In der Regel können Fe (II)-Komplexe zu Fe (III)-Komplexen oxidiert werden. Die Stabilität der Oxidationsstufen hängt von den Komplexliganden ab. Beispiele: [Fe (CN)6]4K
# [Fe (CN)6]3K C eK
[Fe (H2O)6]2C # [Fe (H2O)6]3C C eK [Fe (phen)3]
2C
# [Fe (phen)3]
3C
Ce
K
E+ Z C0,36 V E+ Z C0,77 V E+ Z C1,12 V
Fe (III) hat eine große Affinität zu Liganden, die über Sauerstoffatome koordinieren. Beispiele sind die Komplexe [Fe (PO4)3]6L, [Fe (HPO4)3]3K und [Fe (C2O4)3]3K. Zu Amminliganden hat Fe (III) eine geringe Affinität, es existieren keine einfachen Amminkomplexe in wässriger Lösung. Von Fe (II) dagegen sind die Komplexe [Fe (NH3)6]2C und [Fe (en)3]2C bekannt. Die Stabilität der Fe (III)-Halogenokomplexe sinkt von FK nach BrK. Fluoridionen bilden stabile Komplexe, das vorherrschende Komplexion ist [FeF5(H2O)]2L. Verknüpfte oktaedrische [FeF6]3K-Ionen treten z. B. in CsFeF4 auf. Die oktaedrischen Chlorokomplexe sind viel instabiler, und tetraedrische [FeCl4]K-Ionen sind begünstigt. Mit SCNK-Ionen bildet Fe (III) die blutroten oktaedrischen Komplexe [Fe (SCN)(H2O)5]2D, [Fe (SCN)2 (H2O)4]D und [Fe (SCN)3 (H2O)3], die zum qualitativen und quantitativen Nachweis von Eisen geeignet sind (vergleiche Abschn. 5.4.8). Mit FK-Ionen erfolgt Entfärbung, da sich die stabileren Fluorokomplexe bilden. Eisen (III)-thiocyanat Fe (SCN)3 kann wasserfrei in violetten Kristallen oder als Trihydrat Fe (SCN)3 · 3 H2O isoliert werden. Alle bisher besprochenen Komplexe sind high-spin-Komplexe. Nur Liganden wie Bipyridyn (bipy), o-Phenanthrolin (phen) und CNK bilden low-spin-Komplexe. Der Phenanthrolinkomplex wird als Redoxindikator (Ferroin) verwendet. [Fe (phen)3]2C # [Fe (phen)3]3C C eK
rot
blau
C2
C3
Die wichtigsten Komplexe sind die Cyanokomplexe [Fe (CN)6]4 K und [Fe (CN)6]3K. Hexacyanoferrat (II) ist thermodynamisch und kinetisch stabiler als Hexacyanoferrat (III). Mit Salzsäure bildet sich die Hexacyanoeisen (II)-säure H4 [Fe (CN)6], eine starke vierbasige Säure, die sich als weißes Pulver isolieren lässt. Mit AgC-Ionen fällt nicht AgCN, sondern Ag4 [Fe (CN)6] aus. Mit Chlor- oder Bromwasser kann man Hexacyanoferrat (II) zu Hexacyanoferrat (III) oxidieren. [Fe (CN)6]4K C
gelb
1 2 Cl2
$% [Fe (CN)6]3K C ClK rötlichgelb
Die Hexacyanoeisen (III)-säure H3 [Fe (CN)6] kristallisiert in braunen Nadeln und ist sehr unbeständig.
5.16 Die Eisengruppe
855
Abbildung 5.93 a) Struktur von unlöslichem Berlinerblau. Inhalt der Elementarzelle: C3
C2
C2
Fe4 [ Fe (CN)6]3 $ 14 H2O Jedes Eisen(II) ist von 6 CNK oktaedrisch koordiniert: [Fe (CN)6]. C3
Ein Eisen(III) ist von 6 CNK koordiniert: [Fe (NC)6] (Koordination über die N-Seite der CNC3
Gruppe), drei Eisen(III) sind jeweils von 4 CNK und 2 H2O umgeben: [Fe (NC)4 (H2O)2]. In jedem Oktanten der Elementarzelle befindet sich ein weiteres H2O-Molekül. C3 C2
b) Struktur von löslichem Berlinerblau. Die Elementarzelle enthält 4 Einheiten KFe [Fe (CN)6] C2
. Jedes Fe(II) ist oktaedrisch von 6 CNK koordiniert: [Fe (CN)6]. Fe(III) ist von 6 CNK über die C3
N-Seite koordiniert: [Fe (NC)6]. Vier der Oktanten sind mit KC-Ionen besetzt.
Die bekanntesten Salze sind Kaliumhexacyanoferrat (II) K4 [Fe (CN)6] (gelbes Blutlaugensalz) und Kaliumhexacyanoferrat (III) K3 [Fe (CN)6] (rotes Blutlaugensalz). Im Gegensatz zu rotem Blutlaugensalz ist gelbes Blutlaugensalz ungiftig. Es wird zur Schönung von Weinen verwendet (Ausfällung von Eisenionen). Versetzt man eine [Fe (CN)6]4K-Lösung mit Fe3C-Ionen im Überschuss, so entsteht ein als unlösliches Berlinerblau bezeichneter tiefblauer Niederschlag (vgl. Abschn. 5.4.8). Berlinerblau wird technisch hergestellt und als Malerfarbe, für blaue
856
5 Die Elemente der Nebengruppen
Tinten und als Wäscheblau verwendet. Versetzt man eine [Fe (CN)6]3K-Lösung mit Fe2C-Ionen im Überschuss, entsteht ebenfalls ein blauer Niederschlag, der als unlösliches Turnbulls-Blau bezeichnet wird. Mit der Mößbauer-Spektroskopie wurde nachgewiesen, dass beide Substanzen aber identisch und Eisen (III)-hexacyanoD3
D2
ferrat (II) Fe4 [Fe (CN)6]3 $ nH2O (n z 14) sind. Kolloid gelöstes „lösliches Berlinerblau“ bzw. „lösliches Turnbulls-Blau“ hat die idealisierte Formel C3 C2
KFe [Fe (CN)6] $ H2O. Man erhält es durch Umsatz von [Fe (CN)6]4K- mit Fe3Cbzw. [Fe (CN)6]3K- mit Fe2C-Ionen im Stoffmengenverhältnis 1 : 1. Die Strukturen sind in der Abb. 5.93 dargestellt. Fe (II) liegt im low-spin-Zustand vor, Fe (III) im high-spin-Zustand. Die blaue Farbe entsteht durch das gleichzeitige Vorhandensein von Fe (II) und Fe (III). Das aus K4 [Fe (CN)6] und Fe (II) gebildete unlösliche C2 C2
K2Fe [Fe (CN)6] ist farblos. Aus K3 [Fe (CN)6] und Fe (III) entsteht eine dunkelC3 C3
braune Lösung von Fe[Fe (CN)6]. Pentacyanoferrate, bei denen eine Cyanogruppe des [Fe (CN)6]-Ions durch andere Liganden ersetzt ist, heißen Prussiate. Beispiele: C2
C2
C2
[Fe (CN)5NH3]3 K, [Fe (CN)5CO]3 K, [Fe (CN)5NO]2K Das Nitrosylprussiat, das NOC als Ligand enthält, entsteht aus [Fe (CN)6]4K mit Salpetersäure. 2K C CO2 [Fe (CN)6]4 K C 4 H3OC C NOK 3 $% [Fe (CN)5 NO] C C NH 4 C 4 H2O
5.16.5.2 Eisen (IV)-, Eisen (V)- und Eisen (VI)-Verbindungen (d4, d3, d2) Es gibt überraschenderweise keine Fluor- sondern nur Sauerstoffverbindungen. Am häufigsten und am besten untersucht sind die Fe (IV)-Verbindungen. Bekannt sind Na4FeO4, Sr2FeO4, Ba2FeO4, Ba3FeO5, Li2FeO3, BaFeO3, CaFeO3, SrFeO3. Ba2FeO4 und Sr2FeO4 enthalten keine FeO44 K-Ionen, es sind Doppeloxide, die nach der folgenden Reaktion dargestellt werden können. C2
C3
C2
+
800K900 C
C2 C4
Me3 [Fe (OH)6]2 C Me (OH)2 C 21 O2 $$$$$$$% 2 Me2FeO4 C 7 H2O BaFeO3, CaFeO3 und SrFeO3 kristallisieren in der Perowskit-Struktur. BaFeO3 und SrFeO3 wurden durch thermische Zersetzung von Ferraten (VI) im Sauerstoffstrom bei 1 000 (C hergestellt. CaFeO3 erhält man aus Ca2Fe2O5 bei 1 000 (C und Sauerstoffdrücken O 20 kbar. SrFeO3 ist ein metallischer Leiter. Die eg-Orbitale der Fe4CIonen überlappen zu einem schmalen Band, in dem die delokalisierten Elektronen metallische Leitung bewirken. CaFeO3 ist nur bei Raumtemperatur metallisch. Bei
5.16 Die Eisengruppe
857
tiefen Temperaturen sind die eg-Elektronen lokalisiert, es findet die Disproportionierung 2 Fe4C $% Fe3C C Fe5C statt, und es erfolgt ein Übergang zu einem Halbleiter. Untersucht wurden auch die Mischkristalle CaFeO3 d SrFeO3, LaFeO3 d CaFeO3 und LaFeO3 d SrFeO3. Bei allen Mischkristallen wurde bei tiefen Temperaturen in den Mößbauerspektren (vgl. Abschn. 5.2) die Disproportionierung von Fe (IV) beobachtet. Es sind nur wenige Fe (V)-Verbindungen bekannt Bei den Verbindungen Me3FeO4 (Me Z K, Na, Rb) sind die Eisenionen tetraedrisch koordiniert. La2LiFeO6 ist ein Perowskit und die einzige Verbindung, in der die Fe5C-Ionen oktaedrisch koordiniert sind. Man erhält sie durch Tempern der Nitrate bei 700 (C und anschließende Reaktion bei 900 (C und einem O2-Druck von 60 kbar. Ferrate (VI) werden durch Oxidation von Fe (III) mit Chlor in konz. Alkalilauge dargestellt. K 2 Fe (OH)3 C 3 ClOK C 4 OHK $% 2 FeO2K 4 C 3 Cl C 5 H2O
Das purpurrote, tetraedrische Ion FeO24 K (vgl. Abschn. 5.4.8) ist ein stärkeres Oxidationsmittel als MnOK 4 . C K FeO2K $% Fe3C C 12 H2O 4 C 8 H 3O C 3 e
E+ Z C2,20 V
In neutraler oder saurer Lösung zersetzt es sich schnell. C 2 FeO2K $% 2 Fe3C C 15 H2O C 23 O2 4 C 10 H3O
Isoliert wurden das Li-, Na-, K-, Cs-, Ca-, Sr- und Ba-Salz. K2FeO4 ist mit K2CrO4 isotyp. Magnetische Messungen ergaben für Li2FeO4 und Na2FeO4 den für ein d2Ion erwarteten spin-only-Wert von 2,8 µB.
5.16.6 Verbindungen des Cobalts 5.16.6.1 Cobalt (II)- und Cobalt (III)-Verbindungen (d7, d6) In Salzen und binären Verbindungen ist Co (II) stabiler als Co (III). Auch in wässriger Lösung ist in Abwesenheit anderer Komplexbildner das hellrosa gefärbte Ion [Co (H2O)6]2C stabil und nur schwer zu oxidieren. [Co (H2O)6]2 C # [Co (H2O)6]3 C C eK rosa
blau
E+ Z 1,84 V
Die hydratisierten Co (II)-Salze enthalten das Ion [Co (H2O)6]2C und sind rosa oder rot gefärbt. Beispiele: CoSO4 · 7 H2O, CoCl2 · 6 H2O, Co (NO3)2 · 6 H2O Es gibt nur wenige einfache Co (III)-Salze.
858
5 Die Elemente der Nebengruppen
Beispiele: Co2 (SO4)3 · 18 H2O und die Alaune MeCo (SO4)2 · 12 H2O (Me Z K, Rb, Cs, NH4) Sie enthalten den blauen diamagnetischen low-spin-Komplex [Co (H2O)6]3C, der von Wasser unter Sauerstoffentwicklung reduziert wird. Die Salze sind daher blau, diamagnetisch und wasserzersetzlich. In Komplexverbindungen ist Co (III) stabiler als Co (II). Mit wenigen Ausnahmen sind die Komplexe diamagnetische low-spin-Komplexe mit der Konfiguration t62g des Co3C-Ions. Die hohe Ligandenfeldstabilisierungsenergie (vgl. S. 695) stabilisiert die Co (III)-Komplexe, und die meisten oktaedrischen Co (II)-Komplexe sind, wie die Redoxpotentiale zeigen, instabil gegen Luftsauerstoff E+ Z C1,23 V). (6 H2O # O2 C 4 H3OC C 4 eK [Co (C2O4)3]4K # [Co (C2O4)3]3K [Co (en)3]2C # [Co (en)3]3 C 2C [Co (NH3)6] # [Co (NH3)6]3C [Co (CN)5]3K C CNK # [Co (CN)6]3K
C eK C eK C eK C eK
E( Z C0,57 V E( Z C0,18 V E( Z C0,11 V E( Z K0,8 V
Eine ähnliche Wirkung hat die Erhöhung des pH-Wertes. Co (III) wird im basischen Milieu stabilisiert (vgl. Fe (II).Fe (III), S. 848), da Cobalt (III)-hydroxid schwerer löslich ist als Cobalt (II)-hydroxid. C2
C3
Co (OH)2 C OHK # CoO (OH) C H2O C eK
E+ Z C0,17 V
Sauerstoffverbindungen Cobalt (II)-hydroxid Co (OH)2 fällt aus Co (II)-Salzlösungen mit OHK-Ionen zuerst als blauer unbeständiger Niederschlag aus, der sich in eine beständige blassrote Form (isotyp mit Mg (OH)2) umwandelt. Co (OH)2 ist schwer löslich (L Z 2 · 10K6), ist schwach amphoter und löst sich in konz. Laugen unter Bildung tiefblauer [Co (OH)4]2K-Ionen. Bei Lufteinwirkung, aber schneller mit Oxidationsmitteln wie Cl2, Br2 oder H2O2, entsteht in basischer Lösung braunes Cobalt (III)oxid-Hydrat Co2O3 · nH2O, aus dem bei 150 (C das Cobalt (III)-oxidhydroxid CoO (OH) entsteht. Teilweise führt die Oxidation zu schwarzem Cobalt (IV)-oxid-Hydrat CoO2 · nH2O. Cobalt (II)-oxid CoO kristallisiert im NaCl-Typ, ist olivgrün und säurelöslich. Es entsteht aus den Elementen bei 1 100 (C oder durch Zersetzung des Hydroxids, Carbonats oder Nitrats von Co (II). In Silicaten löst es sich mit blauer Farbe (Cobaltglas) und wird daher in der keramischen Industrie verwendet. C2
C3
Cobalt (II, III)-oxid Co3O4 besitzt die normale Spinell-Struktur Co (Co2)O4. Die Co3C-Ionen auf den Oktaederplätzen sind diamagnetisch, also im low-spin-Zustand. Co3O4 entsteht durch Oxidation von CoO. +
400K500 C
3 CoO C 21 O2 $$$$$$$% Co3O4 Das Oxid Co2O3 ist in reiner Form nicht bekannt.
5.16 Die Eisengruppe
859
Erhitzt man Co (NO3)2 mit Al2 (SO4)3 entsteht der blaue Spinell CoAl2O4 (Thenards Blau, Cobaltblau), der für Künstlerfarben verwendet wird. Erhitzt man Co2O3 oder Co3O4 mit ZnO in oxidierender Atmosphäre bei Temperaturen unter 1 000 (C oder Co (NO3)2 und Zn (NO3)2 im Verhältnis 2 : 1 auf 800K850 (C, bildet sich der grün-schwarze Spinell ZnCo2O4. Er wird fälschlich als Rinmans-Grün bezeichnet, das aber Zn1KxCoxO ist (s. S. 763). Schwefelverbindungen Im System Cobalt-Schwefel wurden die Sulfide CoS2 (Pyrit-Typ), Co3S4 (SpinellTyp), Co1KxS (NiAs-Defektstruktur) und Co9S8 identifiziert. Alle Verbindungen besitzen metallische Eigenschaften. Die Spinell-Struktur existiert bei Zusammensetzungen von Co3,4S4 bis Co2,1S4, sie schließt also das Sulfid Co2S3 ein. Halogenverbindungen Alle Cobalt (II)-Halogenide sind existent. Es sind farbige Feststoffe mit oktaedrischer Koordination von Co (II).
Farbe Smp. in (C
CoF2
CoCl2
CoBr2
CoI2
rosa 1 200
blau 724
grün 678
blauschwarz 515
CoCl2 und CoBr2 erhält man aus den Elementen, CoF2 durch Reaktion von CoCl2 mit HF, CoI2 durch Reaktion von fein verteiltem Cobalt mit HI. Alle Halogenide bilden mehrere Hydrate. Aus Cobalt (II)-chlorid-Lösungen kristallisiert das rosafarbene Hexahydrat [Co (H2O)6]Cl2 aus. Bereits bei ca. 50 (C wandelt es sich reversibel in das blaue Dihydrat CoCl2 · 2 H2O um; vollständige Entwässerung erfolgt erst bei 175 (C. Der Farbumschlag von blau nach rosa eignet sich als Feuchtigkeitsindikator für Silicagel (Blaugel). Von Cobalt (III) ist nur Cobalt (III)-fluorid CoF3 bekannt. Es ist ein braunes Pulver, das von Wasser unter Sauerstoffentwicklung zu Co (II) reduziert wird. CoCl3, CoBr3 und CoI3 existieren nicht, da Co (III) die Halogenanionen zu elementarem Halogen oxidiert. Komplexverbindungen Die Cobalt (III)-Komplexe sind oktaedrisch gebaut, intensiv gefärbt und fast alle diamagnetische low-spin-Komplexe mit der Konfiguration t62g.
860
5 Die Elemente der Nebengruppen
Beispiele: Komplex
Farbe
Oktaedrische Ligandenfeldaufspaltung Δ in cmK1
[Co(H2O)6]3C [Co(C2O4)3]3K [Co(NH3)6]3C [Co(en)3]3C [Co(CN)6]3K
blau dunkelgrün orangegelb gelb gelb
18 200 18 000 22 900 23 200 33 500
Co (III)-Komplexe sind wie die Cr (III)-Komplexe kinetisch inert (der Ligandenaustausch erfolgt langsam). Co (III) besitzt eine starke Affinität zu Stickstoffliganden. Es sind etwa 2 000 Komplexe mit Ammoniak, Aminen und Nitrogruppen bekannt, deren Farben, Isomerieverhältnisse und Reaktionen intensiv untersucht wurden. Paramagnetische high-spin-Komplexe sind nur die blauen Fluorokomplexe [CoF6]3K und [Co (H2O)3F3]. Wie auf Grund der Ligandenfeldtheorie zu erwarten ist (vgl. S. 707), gibt es für die low-spin-Komplexe zwei spinerlaubte d-d-Übergänge (zwei Banden), für die high-spin-Komplexe nur einen Übergang (eine Bande). Wie der diamagnetische low-spin-Komplex [Fe (CN)6]4K (vgl. S. 854) ist auch der Komplex [Co (CN)6]3K sehr stabil und nicht toxisch. Er ist beständig gegen Cl2, HCl, H2O2 und Alkalien. Zum Nachweis von Cobalt eignet sich das gelbe schwer lösliche Kaliumhexanitrocobaltat (III) K3 [Co (NO2)6]. Man erhält es aus Co (II)-Lösungen mit überschüssigem Kaliumnitrit in verdünnter Essigsäure. C3
C2
C Co2C C NOK $% Co3C C NO C 3 H2O 2 C 2 H 3O C $% K3[Co (NO2)6] Co3C C 6 NOK 2 C3K
Die meisten Cobalt (II)-Komplexe sind oktaedrisch oder tetraedrisch gebaut. Fast alle sind high-spin-Komplexe. Co (II) bildet mehr tetraedrische Komplexe als die anderen Übergangsmetallkationen. Für ein d7-Ion ist die Differenz zwischen oktaedrischer und tetraedrischer Ligandenfelsstabilisierung kleiner als für die meisten d-Konfigurationen, die Benachteiligung der tetraedrischen Koordination also gering (vgl. Tabelle 5.6). Die Stabilitätsunterschiede zwischen oktaedrischer und tetraedrischer Koordination sind nur gering. Einige Liganden treten in beiden Koordinationen auf und liegen sogar im Gleichgewicht nebeneinander vor. Zum Beispiel ist etwas tetraedrisches [Co (H2O)4]2C im Gleichgewicht mit oktaedrischem [Co (H2O)6]2C. Tetraedrische Komplexe werden mit einzähnigen Liganden wie ClK, BrK, IK, SCNK, OHK gebildet. Der Wechsel der Koordination führt auch zu einem Farbwechsel. Oktaedrische Co (II)-Komplexe sind im allgemeinen rosa bis rot, tetraedrische Co (II)-Komplexe blau.
5.16 Die Eisengruppe
861
Beispiel: Cl
K
[CO (H2O)6]2C 2))5 H2 O
rosa
[CoCl4]2K blau
Versetzt man eine Co (II)-Lösung mit CNK-Ionen, entsteht zunächst der quadratisch pyramidale low-spin-Komplex [Co (CN)5]3K und schließlich das zweikernige Metallcluster-Ion [(CN)5Co d Co (CN)5]6K mit einer schwachen Co d Co-Bindung. Beide Komplexe sind oxidationsempfindlich und gehen leicht in Co (III)-Komplexe über. Eine
C2
dem
gelben
Blutlaugensalz
C2
K4 [Fe (CN)6]
analoge
Co (II)-Verbindung
K4 [Co (CN)6] existiert nicht. Für low-spin-Co (II) mit der Konfiguration t62g e1g ist Jahn-Teller-Effekt zu erwarten, wahrscheinlich ist deswegen die Koordinationszahl 5 für CNK bevorzugt.
5.16.6.2 Cobalt (IV)- und Cobalt (V)-Verbindungen (d5, d4) Cobalt (IV) und Cobalt (V) gibt es nur als Fluoride und Oxide. D4
Cs2CoF6 erhält man durch Fluorierung von Cs2CoCl4. CoF2K ist ein paramagneti6 scher low-spin-Komplex. D4
CoO2 erhält man durch Oxidation alkalischer Co (II)-Lösungen mit O2, O3 oder D4
Cl2. Es ist schlecht charakterisiert. Ba2CoO4 entsteht durch Oxidation von Co (OH)2D4
C4
Ba (OH)2-Gemischen bei 1 150 (C. SrCoO3 ist ein Perowskit mit Co im low-spinZustand, der unterhalb 222 K ferromagnetisch ist. Man erhält ihn durch Festkörperreaktion von SrCO3.CoCO3 unter O2 bei 1 kbar. Alkalimetalloxocobaltate (IV). Li4CoO4 enthält tetraedrische CoO4-Gruppen und ist isotyp mit Li4SiO4. Beim Li8CoO6 sind die O2K-Ionen dichtest gepackt, in den tetraedrischen Lücken sitzen die LiC- und Co4C-Ionen. Na4CoO4 enthält tetraedrische CoO4-Gruppen. Bei K2CoO3, Rb2CoO3 und Cs2CoO3 sind Ketten aus eckenverknüpften CoO4-Tetraedern vorhanden, während K6Co2O7 aus Co2O7-Gruppen, analog den Disilicaten, aufgebaut ist. D5
K3CoO4 entsteht durch Oxidation der Oxide unter Druck.
5.16.7 Verbindungen des Nickels 5.16.7.1 Nickel (II)-Verbindungen (d8) Die wichtigste Oxidationsstufe des Nickels ist C2. In wässriger Lösung ist Nickel nur in dieser Oxidationsstufe stabil. Wenn keine anderen Komplexbildner anwesend sind, liegt das grüne Hexaaquanickel (II)-Ion [Ni (H2O)6]2C vor. Es findet sich auch
862
5 Die Elemente der Nebengruppen
in den zahlreichen hydratisierten, leicht löslichen Nickel(II)-Salzen: Ni(NO3)2 · C1
6 H2O, NiSO4 · 6 H2O, NiSO4 · 7 H2O, Ni (ClO4)2 · 6 H2O, Me2 [Ni (H2O)6] (SO4)2 (Me Z K, Rb, Cs, NH4, Tl). Schwer löslich sind Nickelcarbonat und Nickelphosphat. Nickel (II)-Komplexe existieren mit unterschiedlichen Koordinationen. Typisch für Nickel (II) sind quadratische, diamagnetische low-spin-Komplexe. Sauerstoffverbindungen Nickel (II)-hydroxid Ni (OH)2 entsteht aus Lösungen von Ni (II)-Salzen mit OHKIonen als voluminöses grünes Gel, das allmählich kristallisiert (L Z 2 · 10K16). Es löst sich nicht in Basen, aber leicht in Säuren unter Bildung des Ions [Ni (H2O)6]2C. In Ammoniak löst es sich ebenfalls, da das blaue Komplexion [Ni (NH3)6]2C gebildet wird. Mit starken Oxidationsmitteln (zum Beispiel Br2 in KOH, aber nicht H2O2) entsteht Nickel (III)-oxidhydroxid NiO (OH). Oxidation mit Peroxodisulfat führt zu Nickel (IV)-oxid-Hydrat NiO2 · nH2O. Nickel (II)-oxid NiO (Smp. 1 990 (C) ist grün, thermisch stabil, in Wasser unlöslich, in Säuren löslich. Es kristallisiert im NaCl-Typ. Man erhält es durch thermische Zersetzung von Ni (II)-Salzen (Hydroxid, Carbonat, Oxalat oder Nitrat). Durch Reduktion von NiO mit H2 bei 200 (C entsteht fein verteiltes Nickel, das als Katalysator für Hydrierungen geeignet ist. Schwefelverbindungen Die Nickelsulfide sind den Cobaltsulfiden sehr ähnlich. Im System Nickel-Schwefel existieren NiS2 (Pyrit-Typ), Ni3S4 (Spinell-Typ), Ni1KxS (NiAs-Defektstruktur). Außerdem gibt es Ni3S2 und metallische Phasen, deren Zusammensetzungen zwischen NiS und Ni3S2 liegen. Halogenverbindungen Es sind alle Nickel (II)-Halogenide wasserfrei und als Hydrate bekannt.
Farbe Schmelzpunkt in (C
NiF2
NiCl2
NiBr2
NiI2
gelb 1 450
gelb 1 000
gelb 963
schwarz 797
Aus NiCl2-Lösungen kristallisiert das grüne Hexahydrat NiCl2 · 6 H2O aus. Es enthält trans-[NiCl2 (H2O)4]-Baugruppen. Komplexverbindungen Die einzige stabile Oxidationsstufe des Nickels ist C2. Nickel (II)-Komplexe sind daher redoxstabil. Ni (II) bildet zahlreiche Komplexe mit verschiedener Koordination, am wichtigsten ist die oktaedrische und die quadratisch-planare Koordination. Es gibt aber auch tetraedrische, trigonal-bipyramidale und quadratisch-pyramidale Komplexe.
5.16 Die Eisengruppe
863
Abbildung 5.94 Schematisches Termdiagramm für die Elektronenkonfiguration d8 im oktaedrischen Ligandenfeld. Der Grundterm 3F ist im Ligandenfeld in die Terme 3A2g, 3T2g, 3T1g aufgespalten (vgl. Abb. 5.33 a und 5.34). Der nächsthöhere angeregte Term 3P spaltet nicht auf (vgl. Tabelle 5.8). Es gibt drei spinerlaubte Übergänge. Beispiele:
ν1 in cmK1 2C
[Ni(H2O)6] 8 500 [Ni(NH3)6]2C 10 750 [Ni(en)3]2C 11 200
ν2 in cmK1
ν3 in cmK1
10 Dq in cmK1
Farbe
13 800 17 500 18 300
25 300 28 200 29 000
8 500 10 750 11 200
grün blau blauviolett
Abbildung 5.95 Ligandenfeldaufspaltung im oktaedrischen und im quadratisch-planaren Ligandenfeld. Die quadratische Koordination ist für die d8-Konfiguration energetisch günstig, da sich ein low-spin-Komplex mit größtmöglicher Ligandenfeldstabilisierungsenergie ausbilden kann. Pd (II), Pt (II) und Au (III) bevorzugen daher die quadratische Koordination, Ni (II) dann, wenn der Ligand eine große Aufspaltung bewirkt.
864
5 Die Elemente der Nebengruppen
Oktaedrische Komplexe bilden Ni2C-Ionen mit den Liganden H2O, NH3, en, bipy, K phen, NOK 2 , F . Die Komplexe sind paramagnetisch, denn die Elektronenkonfigura6 2 tion ist t2geg. Die Komplexe haben charakteristische Farben und die vom Liganden abhängige Farbänderung kann mit der vom Liganden abhängigen Ligandenfeldaufspaltung erklärt werden (Abb. 5.94). Beispiele: [Ni (H2O)6]2C [Ni (H2O)2 (NH3)4]2C
grün
[Ni (NH3)6]2C
blau bis violett
[Ni (en)3]
2C
Quadratisch-planare Komplexe. Für die d8-Konfiguration ist bei großen Ligandenfeldaufspaltungen die quadratisch-planare Koordination energetisch bevorzugt, da ein diamagnetischer low-spin-Komplex mit einer größtmöglichen Ligandenfeldstabilisierungsenergie entsteht (vgl. S. 703 u. Abb. 5.95). Diese Komplexe sind häufig gelb oder rot gefärbt. Typische Beispiele sind der sehr stabile gelbe Komplex [Ni (CN)4]2L und das rote Bis (dimethylglyoximato)nickel (II), mit dem Nickel gravimetrisch bestimmt wird.
Die Oximgruppe ist ]NdOH; Dimethylglyoxim ist
H3C
C C CH3
HO N N OH
Tetraedrische Komplexe sind die blauen Komplexionen [NiX4]2K (X Z Cl, Br, I). Die Konfiguration von Ni (II) ist e4t42. Wie bei den oktaedrischen Komplexen sind also zwei ungepaarte Elektronen vorhanden und auch die tetraedrischen Komplexe sind paramagnetisch. Versetzt man Ni2C-Ionen mit einem Überschuss an CNK-Ionen, entsteht quadratisch-pyramidales [Ni (CN)5]3K. CNK
CNK
CNK
Ni2C $$$$% Ni (CN)2 $ aq $$$$% [Ni (CN)4]2 K $$$$% [Ni (CN)5]3 K grüner Niederschlag
gelb
rot
Die kristalline Verbindung [Cr (en)3] [Ni (CN)5] · 1,5 H2O enthält Ni (II) in quadratisch-pyramidaler Koordination und auch in einer genau zwischen quadratisch-pyramidaler und trigonal-bipyramidaler Koordination liegenden Form.
5.16 Die Eisengruppe
865
Für die Nickelkomplexe ist nicht nur die Vielfalt der Koordination charakteristisch, sondern auch, dass Koordinationsgleichgewichte existieren. Gleichgewichte quadratisch-tetraedrisch Sie treten z. B. bei den Komplexen [Ni (PR3)2X2] (X Z Cl, Br, I; R Z C6H5 oder Alkyl) auf. [Ni (PR3)2X2] R Z Alkyl: quadratisch diamagnetisch gelb bis rot
#
[Ni (PR3)2X2] R Z C6H5: tetraedrisch
paramagnetisch blau
Bei Triphenylphosphinliganden sind die Komplexe tetraedrisch, bei Trialkylphosphinliganden quadratisch-planar. Sind die Liganden gemischte Alkyl-Phenyl-Phosphine, dann existieren in Lösungen beide Komplextypen in einer Gleichgewichtsverteilung nebeneinander. Gleichgewichte quadratisch-oktaedrisch Beispiele sind die Lifschitz-Salze, Komplexe von Ni (II) mit substituierten Ethylendiaminen. Abhängig von der Temperatur, der Natur des Diamins, der Art anwesender Anionen und dem Lösungsmittel entstehen entweder gelbe diamagnetische quadratische Komplexe, z. B.
oder blaue paramagnetische oktaedrische Komplexe, bei denen zwei weitere Liganden (Anionen oder Lösungsmittelmoleküle) an das Ni-Ion der quadratischen Komplexe angelagert sind.
5.16.7.2 Nickel (III)- und Nickel (IV)-Verbindungen (d7, d6) Die einfachen Verbindungen von Nickel (III) und Nickel (IV) sind Oxide und Fluoride. Nur von Nickel (III) gibt es eine größere Anzahl von Doppeloxiden. D3
Ni F3 ist eine unreine, schwarze, wenig beständige Verbindung.
D3
Ni O (OH) existiert in zwei Modifikationen, es entsteht bei der Oxidation alkalischer D3
Ni (II)-Lösungen (vgl. S. 371 und S. 862). Die Verbindungen MeNi O2 (Me Z Li, Na) D3
kristallisieren in Schichtstrukturen mit low-spin Ni (III). Ni CoO3 hat Korundstruktur und enthält high-spin Ni (III). In Strukturen, die sich vom Perowskit ableiten, kristalD3
lisieren die Verbindungen LnNi O3 (Ln Z Lanthanoide). LaNiO3 ist ein metallischer
866
5 Die Elemente der Nebengruppen
Leiter mit low-spin Ni (III). In der K2NiF4-Struktur (Abb. 5.96) kristallisieren VerD3
bindungen des Typs ALnNi O4 (A Z Ca, Sr, Ba; Ln Z Lanthanoide). D3
In der Komplexverbindung K3 Ni F6 hat Nickel die low-spin-Konfiguration t62 e1g und auf Grund des Jahn-Teller-Effekts sind die NiF 36 K-Oktaeder gestreckt. D4
NiO2 $ nH2O ist unbeständig und ein starkes Oxidationsmittel, das durch Wasser unter Freisetzung von O2 reduziert wird (vgl. S. 862). Der Spinell Li (Ni3 DNi4 D)O4 ist ein Hopping-Halbleiter (vgl. Abschn. 5.7.5.2) mit low-spin Ni-Ionen. Ni4C ist auch Bestandteil von Heteropolyanionen (vgl. S. 821). D4
D4
Die Komplexverbindungen Me2 Ni F6 (Me Z Na, K, Rb, Cs) und BaNi F6 sind diamagnetische low-spin-Komplexe. Außer diesen Verbindungen sind eine Reihe komplizierter Komplexverbindungen bekannt.
Abbildung 5.96 Elementarzelle der tetragonalen K2NiF4-Struktur. Die NiF6-Oktaeder sind eckenverknüpft und bilden Schichten. Die K-Atome sind unsymmetrisch von 9 Sauerstoffatomen koordiniert. In diesem Strukturtyp treten auch auf: K2MeF4 (Me Z Mg, Zn, Co); Sr2MeO4 (Me Z Ti, Sn, Mn); Ba2MeO4 (Me Z Sn, Pb); La2NiO4.
5.17 Die Gruppe der Platinmetalle
867
5.17 Gruppe 8K10 Die Gruppe der Platinmetalle Zu den leichten Platinmetallen (Dichte ca. 12 g cmK3) gehören Ruthenium, Rhodium und Palladium, zu den schweren Platinmetallen (Dichte ca. 22 g cmK3) Osmium, Iridium und Platin. Als Homologe von Eisen, Cobalt und Nickel kann man die Osmiumgruppe, die Iridiumgruppe und die Platingruppe unterscheiden. Die Chemie der Platinmetalle unterscheidet sich aber wesentlich von der der Eisengruppe.
5.17.1 Gruppeneigenschaften Osmiumgruppe
Iridiumgruppe
Platingruppe
Leichte Platinmetalle
Ruthenium Ru
Rhodium Rh
Palladium Pd
Ordnungszahl Z Elektronenkonfiguration Elektronegativität Höchste Oxidationszahl Wichtige Oxidationszahlen
44 [Kr]4d7 5s1 1,4 C8 C2, C3
45 [Kr]4d8 5s1 1,4 C6 C1, C3
46 [Kr] 4d10 1,3 C4 C2
Schwere Platinmetalle
Osmium Os
Iridium Ir
Platin Pt
Ordnungszahl Z Elektronenkonfiguration Elektronegativität Höchste Oxidationszahl Wichtige Oxidationszahlen
76 [Xe]4f14 5d6 6s2 1,5 C8 C3, C4
77 [Xe]4f14 5d7 6s2 1,5 C6 C1, C3, C4
78 [Xe]4f14 5d9 6s1 1,4 C6 C2, C4
Struktur Duktilität Dichte in g cmK3 Schmelzpunkt (C Siedepunkt (C Ionenradien pm Me2C Me3C Me4C Me5C Me6C Standardpotentiale in V Me.Me2C Me2C.Me3C
Ru
Rh
hexagonaldichte Packung hart spröde 12,45 2 450 4 150
kubisch-dichte Packung
K 68 62 56 K C0,45 C0,23
weich dehnbar 12,41 1 960 3 670 K 66 60 55 K C0,6 C1,2
Pd
duktil 12,02 1 552 2 930 86 76 61 K K C0,99 K
Os
Ir
hexagonaldichte Packung hart spröde 22,61 3 050 5 020
kubisch-dichte Packung
K K 63 57 54 C0,85 K
Pt
hart spröde 22,65 2 454 4 530
21,45 1 769 3 830
K 68 62 57 K
80 K 62 57 K
C1,1 C1,15
duktil
C1,2 K
868
5 Die Elemente der Nebengruppen
Die Platinmetalle sind reaktionsträge, edle Metalle. Zusammen mit Gold und Silber bilden sie die Gruppe der Edelmetalle. Die Standardpotentiale nehmen von links nach rechts und von oben nach unten zu. Ruthenium ist das unedelste, Platin das edelste Metall der Gruppe. Ru Pt
zunehmende Standardpotentiale
Die Elemente kommen in zahlreichen Oxidationsstufen vor. Die höchsten Oxidationsstufen nehmen von rechts nach links und von oben nach unten zu. Die höchste Oxidationsstufe des Palladiums ist C4, Ruthenium und Osmium erreichen die maximal mögliche Oxidationsstufe C8, Ruthenium (VIII) ist aber weniger stabil als Osmium (VIII). Pd Os
höchste Oxidationszahlen
Auf Grund der Lanthanoid-Kontraktion (vgl. S. 776) haben die Platinmetalle sehr ähnliche Ionenradien, dies führt zu einer engen chemischen Verwandtschaft. Die Platinmetalle bilden zahlreiche Komplexverbindungen mit einer Vielzahl von Oxidationsstufen. Ru (II), Os (II), Rh (III) und Pt (IV) mit d6-Konfiguration bilden diamagnetische, oktaedrische low-spin-Komplexe. Von Rh (I), Ir (I), Pd (II) und Pt (II) mit d8-Konfiguration werden diamagnetische, quadratische Komplexe bevorzugt. Aqua-Ionen [Me (H2O)6]nC werden nur von Ru (II), Ru (III), Rh (III) und Pd (II) gebildet. Sowohl einfache Salze als auch Komplexsalze sind meist farbig.
5.17.2 Die Elemente Die Platinmetalle sind silberweiße bis stahlgraue Metalle, die schwer schmelzbar sind und hohe Siedepunkte besitzen. Dichten, Schmelzpunkte, Siedepunkte und Duktilität ändern sich systematisch.
Die Platinmetalle haben katalytische Eigenschaften, und besonders Platin und Palladium werden als Katalysatoren für großtechnische Synthesen verwendet (vgl. S. 307). Ruthenium und Osmium werden von Mineralsäuren, auch von Königswasser, nicht angegriffen. Die Reaktion mit Nichtmetallen erfolgt erst bei höherer Temperatur. Sauerstoff überführt bei Rotglut Ruthenium in RuO2 und Osmium in OsO4. Die Metalle lösen sich in oxidierenden alkalischen Schmelzen (z. B. NaOH C Na2O2).
5.17 Die Gruppe der Platinmetalle
869
Rhodium und Iridium sind inert gegen Königswasser und andere Säuren. Bei Rotglut erfolgt mit Sauerstoff und Halogenen langsame Reaktion. Beide Metalle lösen sich in NaClO3-haltiger, heißer konz. Salzsäure. Iridium ist das chemisch inaktivste Platinmetall. Palladium ist das chemisch aktivste Platinmetall. Es löst sich in Salpetersäure. Platin löst sich in Königswasser, es wird auch von geschmolzenen Hydroxiden, Cyaniden und Sulfiden gelöst. Auch mit elementarem P, Si, Pb, As, Sb, S, Se erfolgt beim Erhitzen Reaktion. Diese Stoffe dürfen daher nicht in Platintiegeln erhitzt werden. Platin und Palladium können große Mengen von molekularem Wasserstoff absorbieren (vgl. S. 387). Palladium wird zur Reinigung von H2 durch Diffusion verwendet (vgl. S. 381).
5.17.3 Vorkommen Die Platinmetalle sind sehr selten, sie haben am Aufbau der Erdkruste Anteile von 10K6 bis 10K8 %. Sie kommen fast immer miteinander vergesellschaftet vor. In primären Lagerstätten sind die Platinmetalle als Sulfide meist mit sulfidischen NickelKupfer-Erzen vergesellschaftet. In sekundären Lagerstätten (Platinseifen) kommen die Platinmetalle gediegen (oft als Legierungen) vor. Der Gehalt an Platinmetallen in den Erzen beträgt etwa 1 g.t. Die Hauptlieferanten von Platinmetallen sind Südafrika, Russland und Kanada.
5.17.4 Darstellung, Verwendung Die Reindarstellung der Platinmetalle ist kompliziert und teuer. Zunächst wird ein Rohplatin hergestellt, das aus zwei Legierungen, dem Platin-iridium (Pt, Ir, Rh, Pd) und dem Osmium-iridium (Os, Ir, Rh, Ru) besteht. Bei der Aufarbeitung der Cu-NiErze fallen die Platinmetalle bei der elektrolytischen Reinigung des Nickels (vgl. S. 847) und Kupfers (vgl. S. 745) im Anodenschlamm an, beim Mond-Verfahren (vgl. S. 847) verbleiben sie bei der CO-Behandlung im Rückstand. Bei den gediegenen Vorkommen erfolgt die Anreicherung durch Mahlung, Schweretrennung und Flotation. Zur Aufarbeitung des Rohplatins bringt man dieses zunächst durch unterschiedliche Löseprozesse oder Aufschlussverfahren in Lösung. Dabei kann bereits eine Vortrennung erfolgen. In Königswasser löst sich Platin-iridium, aber nicht Osmium-iridium. Durch eine oxidierende Destillation können Ruthenium und Osmium als Tetraoxide MeO4 (vgl. S. 870) abgetrennt werden. Aus den Lösungen werden die Platinmetalle selektiv als Ammoniumhexachlorometallat (IV) gefällt. Durch gezielte Oxidations- und Reduktionsschritte überführt man jeweils eines der Metalle in die OxiC4
dationsstufe C4 und fällt es als farbiges Komplexsalz (NH4)2 [MeCl6] aus. Der Trennung wird eine Feinreinigung angeschlossen.
870
5 Die Elemente der Nebengruppen
Neben dieser klassischen Methode hat auch Flüssig-Flüssig-Extraktion und Ionenaustausch an Bedeutung gewonnen. Der Gesamtproduktionswert der Edelmetalle steht wertmäßig nach Roheisen und Aluminium an dritter Stelle der Metallwirtschaft.
Weltförderung 2000 in t Weltförderung 2004 in t
Pt
Pd
Rh
Ag
Au
150
135
18
18 300 19 300
2 570 2 470
Hohe Schmelzpunkte, chemische Resistenz und die guten katalytischen Eigenschaften bestimmen die technische Anwendung. Platin wird für die Herstellung von Laborgeräten (Tiegel, Elektroden), für Widerstandsdrähte und Thermoelemente benutzt. Legierungen von Platin mit 10K20 % Ir sind besonders hart (Platin-IridiumSpitzen für Schreibfedern). Legierungen von Platin mit 10 % Rh werden als Netzkatalysatoren bei der Verbrennung von Ammoniak (s. Ostwald-Verf. S. 478) verwendet. Pt und Pd werden als Trägerkatalysatoren (auf γ-Al2O3 oder Zeolithen) in der Mineralölindustrie benutzt. Auch die Entgiftungskatalysatoren für Autoabgase sind Pt. Pd.Rh-Katalysatoren auf keramischen Trägern (vgl. Abschn. 4.11.2.2). Fein verteiltes Pd ist der Katalysator bei der Wasserstoffperoxidsynthese (vgl. S. 439). Für den Schmuckbedarf dienen Platinlegierungen (Pt 96 Cu 4; Pt 96 Pd 4 %). Rhodium besitzt ein hohes Reflexionsvermögen, es ist daher Belagmaterial für hochwertige Spiegel.
5.17.5 Verbindungen der Metalle der Osmiumgruppe Die Chemie von Ruthenium und Osmium ähnelt der des Eisens nur wenig. Die Oxidationszahlen C4, C5 und C6 werden beim Eisen nur in wenigen Verbindungen erreicht. Beim Osmium und Ruthenium gibt es eine umfangreiche Chemie höchster Oxidationszahlen bis zur Oxidationszahl C8. Sauerstoffverbindungen Als wasserfreie Oxide sind bekannt: Oxidationszahl
C8
C4
Ruthenium Osmium
RuO4 OsO4
RuO2 OsO2
Ruthenium (VIII)-oxid RuO4 (Smp. 25 (C, Sdp. 100 (C, gelb) und Osmium (VIII)-oxid OsO4 (Smp. 40 (C, Sdp. 130 (C, farblos) sind flüchtige, sehr giftige, kristalline Substanzen, die aus tetraedrischen Molekülen aufgebaut sind. OsO4 erhält man durch Erhitzen von Osmium an der Luft oder durch Oxidation von Osmiumlösungen mit Salpeter-
5.17 Die Gruppe der Platinmetalle
871
säure. Um Rutheniumlösungen zu RuO4 zu oxidieren, muss man stärkere Oxidationsmittel wie MnOK 4 oder Cl2 verwenden. OsO4 ist beständiger als RuO4. Oberhalb 180 (C zersetzt sich RuO4 K manchmal explosionsartig K zu RuO2 und O2. Beide Oxide sind in CCl4 gut löslich, RuO4 auch in verd. Schwefelsäure. OsO4 löst sich in Laugen unter Bildung des Ions [OsO4 (OH)2]2K. RuO4 wirkt stärker oxidierend und wird von OHK-Ionen reduziert. C8
C7
4 RuO4 C 4 OHK $% 4 RuOK 4 C 2 H 2O C O 2 C7
C6
K 4 RuOK $% 4 RuO2K 4 C 4 OH 4 C 2 H 2O C O 2
Ruthenium (IV)-oxid RuO2 ist blauschwarz und kristallisiert im Rutil-Typ. Es entsteht aus Ruthenium mit Sauerstoff bei 1 000 (C. Osmium (IV)-oxid OsO2 ist kupferfarben und kristallisiert ebenfalls im Rutil-Typ. Man erhält es aus Osmium mit NO bei 650 (C. Ruthenium (III) tritt im schwarzen, wasserhaltigen Oxid Ru2O3 · nH2O auf, das mit OHK-Ionen aus Ru (III)-Lösungen entsteht; es wird von Luft leicht oxidiert. Ruthenium (IV) existiert im Doppeloxid BaRuO3. Ruthenium (V) liegt in Na3RuO4 C2 C3
und in den Lanthanoid-Perowskiten Me2LnRuO6 vor. Hinsichtlich der Oxoanionen sind Ruthenium und Mangan ähnlich. Das Ruthenat (VII)-Ion (Perruthenat) RuOK 4 ist paramagnetisch und tetraedrisch gebaut, die Lösungen sind gelbgrün. Aus alkalischen Lösungen erhält man schwarze, relativ beständige KRuO4-Kristalle. Das Ruthenat (VI)-Ion RuO24 K ist paramagnetisch, tetraedrisch gebaut und orangefarben. Bei den Oxoanionen des Osmiums ist die Koordinationszahl erhöht. In alkalischer Lösung bildet OsO4 das tiefrote Osmat (VIII)-Ion [OsO4 (OH)2]2K. Es lässt sich leicht zum rosafarbenen Osmat (VI)-Ion [OsO2 (OH)4]2K reduzieren. Schwefelverbindungen Ruthenium (II)-sulfid RuS2 und Osmium (II)-sulfid OsS2 sind diamagnetische Halbleiter mit Pyrit-Struktur. Halogenverbindungen Es gibt zahlreiche Halogenide. Es sind farbige Feststoffe, die teilweise noch unzureichend untersucht sind.
872
5 Die Elemente der Nebengruppen
Oxidationszahl C7 C6 C5 C4 C3 C2 C1
Fluoride
RuF6 RuF5 RuF4 RuF3
(OsF7) OsF6 OsF5 OsF4
Chloride
RuCl3 (RuCl2)
Bromide
OsCl5 OsCl4 (OsCl3)
(RuBr3) (RuBr2)
Iodide
OsBr4 (OsBr3)
(RuI3) (OsI3) (RuI2) (OsI2) (OsI)
( ) Verbindungen, deren Existenz umstritten ist oder die schlecht charakterisiert sind.
Das Fluorid mit der höchsten Oxidationsstufe ist OsF7. Es ist instabil, zerfällt oberhalb K100 (C und ist nur unter hohem F2-Druck beständig. Die Fluoride sind reaktive, in Wasser hydrolysierende Substanzen. Höhere Fluoride disproportionieren unter F2-Entwicklung. Die Pentafluoride sind wie NbF5 tetramer: (MeF5)4. RuCl3 ist aus den Elementen darstellbar. Das dunkelrote RuCl3 · 3 H2O, eine oktaedrische Komplexverbindung [RuCl3 (H2O)3], ist Ausgangsprodukt zur Herstellung von Rutheniumverbindungen. Komplexverbindungen Komplexe mit der Oxidationsstufe D2 (d6). Man kennt eine große Anzahl von Ru (II)- und Os (II)-Komplexen. Sie sind oktaedrisch gebaut und auf Grund der lowspin-Konfiguration t62g diamagnetisch. [Ru (H2O)6]2C ist rosafarben und wird leicht, z. B. durch Luft, zu Ru (III) oxidiert. [Ru (H2O)6]2 C # [Ru (H2O)6]3 C C eK
E( Z C0,23 V
Analog zu Fe (II)-Komplexen sind die Komplexe [Ru (CN)6]4K und [Ru (CN)5NO]2K bekannt. Die wichtigsten Ru (II)-Komplexe sind aber Komplexe mit Stickstoff-Donatoratomen: NH3, en, bipy, phen. [Ru (NH3)6]2C wirkt reduzierend. [Ru (NH3)6]2 C # [Ru (NH3)6]3 C C eK
E( Z C0,24 V
In Wasser bildet sich langsam [Ru (NH3)5H2O]2C, das Ausgangsprodukt für die Gewinnung vieler Komplexe des Typs [Ru (NH3)5L]2C ist. Mit N2O z. B. bildet sich [Ru (NH3)5N2O]2C. Der erste, seit 1965 bekannte Distickstoffkomplex war [Ru (NH3)5N2]2C. Man erhält ihn z. B. nach folgender Reaktion. [Ru (NH3)5N2O]2C C 2 Cr2C C 2 H3OC $% [Ru (NH3)5N2]2C C 2 Cr3C C 3 H2O Ru (II) bildet bevorzugt Nitrosylkomplexe, z. B. [Ru (NH3)5NO]3C. Os (II)-Komplexe sind weniger stabil. Es gibt keinen Hexaaquakomplex. Bekannt sind [Os (NH3)6]2C und [Os (NH3)5N2]2C. Stabilisiert wird Os (II) durch Liganden mit π-Akzeptoreigenschaften, z. B. bipy, phen.
5.17 Die Gruppe der Platinmetalle
873
Komplexe mit der Oxidationsstufe D3 (d5). Ru (III)- und Os (III)-Komplexe sind oktaedrische low-spin-Komplexe. Es sind die Chlorokomplexe [RuCln(H2O)6Kn](nK3)K mit n Z 0 bis n Z 6 bekannt. Aus einer ammoniakalischen Ru (III)-chlorid-Lösung entsteht an der Luft langsam ein roter dreikerniger Komplex („Ruthenium-Rot“). C3
C4
C3
[ (NH3)5Ru d O d Ru (NH3)4 d O d Ru (NH3)5]6 C Auch mit milden Oxidationsmitteln erfolgt Oxidation zum gelben Komplex [Ru3O2 (NH3)14]7C. Komplexe mit der Oxidationsstufe D4 (d4). Es gibt nur wenige, meist anionische oder neutrale Komplexe. Die Osmiumkomplexe [OsX6]2K (X Z F, Cl, Br, I) sind relativ stabil, die Rutheniumkomplexe [RuX6]2K (X Z F, Cl, Br) sind leichter zu Ru (III) zu reduzieren. Alle Komplexe sind oktaedrische low-spin-Komplexe. Durch Reaktion von Salzsäure mit RuO4 in Gegenwart von KCl entstehen die roten Kristalle K4 [Ru2OCl10]. Die Ionen [Me2OX10]4K (X Z Cl, Br; Me Z Ru, Os) sind diamagnetisch mit einer linearen Me-O-Me-Gruppierung.
Der Diamagnetismus kann mit der MO-Theorie erklärt werden (Dreizentren π-Bindung Ru d O d Ru). Komplexe mit höheren Oxidationsstufen (d3, d2, d1, d0). Es gibt nur wenige BeiC5
spiele. Die oktaedrischen [RuF6]K-Ionen werden in wässriger Lösung unter O2-EntC4
C5
wicklung zu [RuF6]2K reduziert. Bei [OsF6]K findet diese Reaktion erst in basischer Lösung statt. Von den Osmaten (VI) [OsO2 (OH)4]2K (vgl. S. 871) leiten sich oktaedrische Komplexe ab, bei denen die äquatorial angeordneten OHK-Ionen durch Halogenionen, 2K CNK, NOK ersetzt sind („Osmyl“-Komplexe, nach der Osmylgruppe 2 , C 2O 4 2C OsO2 ). Osmium (VIII)-Komplexe sind die Nitridoosmate (VIII) [OsO3N]K, die tetraedrisch gebaut sind und eine Os ^ N-Dreifachbindung enthalten.
5.17.6 Verbindungen der Metalle der Iridiumgruppe Die höchste Oxidationszahl von Rhodium und Iridium ist C6, die beständigste C3. Für Iridium ist daneben auch die Oxidationszahl C4 von Bedeutung. Typisch für Rhodium und Iridium sind Rh (I)- und Ir (I)-Komplexverbindungen.
874
5 Die Elemente der Nebengruppen
Sauerstoffverbindungen Es sind Oxide mit den Oxidationszahlen C3 und C4 bekannt. Oxidationszahl
C4
C3
Rhodium Iridium
RhO2 IrO2
Rh2O3 Ir2O3
Rhodium (III)-oxid Rh2O3 ist dunkelgrau und kristallisiert im Korund-Typ. Es ist das einzige stabile Rhodiumoxid. Man erhält es durch thermische Zersetzung von Rhodium (III)-nitrat oder durch Oxidation von metallischem Rhodium mit Sauerstoff bei 600 (C. Rhodium (IV)-oxid RhO2 ist schwarz, kristallisiert im Rutil-Typ und kann durch Erhitzen von Rh2O3 unter O2-Druck hergestellt werden. Aus Rh (III)-Lösungen erhält man mit Basen gelbes Rh2O3 · 5 H2O. Durch elektrolytische Oxidation kann es in RhO2 · 2 H2O überführt werden, das beim Entwässern aber nicht RhO2, sondern Rh2O3 ergibt. Beim Iridium ist Iridium (IV)-oxid IrO2 das stabile Oxid. Es ist schwarz, hat RutilStruktur und entsteht beim Erhitzen von Iridium mit Sauerstoff. Iridium (III)-oxid Ir2O3 entsteht immer unrein und wird leicht zu IrO2 oxidiert. Halogenverbindungen Höhere Oxidationszahlen als C3 sind von Fluoriden bekannt. Oxidationszahl
Fluoride
Chloride
Bromide
Iodide
C6 C5 C4 C3
RhF6 RhF5 RhF4 RhF3
RhCl3 IrCl3
RhBr3 IrBr3
RhI3 IrI3
IrF6 IrF5 IrF4 IrF3
Alle Halogenide sind farbige Feststoffe. Die Fluoride sind sehr reaktionsfreudige Substanzen. Wie bei den anderen Platinmetallen haben die Pentafluoride die tetrameren Strukturen (RhF5)4 und (IrF5)4. Die stabilsten Halogenide sind die Trihalogenide. Die wasserfreien Trihalogenide sind wasserunlöslich. Es sind aber wasserlösliche Hydrate wie RhF3 · 6 H2O, RhF3 · 9 H2O, RhCl3 · 3 H2O, RhBr3 · 2 H2O bekannt. Das dunkelrote RhCl3 · 3 H2O Z [RhCl3 (H2O)3] ist Ausgangsprodukt zur Herstellung von Rhodiumverbindungen. Komplexverbindungen Komplexe mit der Oxidationsstufe D3 (d6). Wie Cobalt, bilden auch Rhodium und Iridium in der Oxidationsstufe C3 eine große Anzahl oktaedrischer, diamagnetischer
5.17 Die Gruppe der Platinmetalle
875
low-spin-Komplexe mit t62g-Konfiguration. Die Spektren lassen sich analog denen der Co (III)-Komplexe deuten. Rh (III)-Komplexe sind meist gelb bis rot gefärbt. Im Gegensatz zu Co (III)-Komplexen lassen sich die Rh (III)- und Ir (III)-Komplexe nicht zu zweiwertigen Komplexen reduzieren. [Rh (H2O)6]3C ist ein stabiler, gelb gefärbter Komplex. Das Ion reagiert sauer (pKS z 3). Das Aqua-Ion kommt auch in Salzen vor, zum Beispiel im Sulfat C1
Rh2 (SO4)3 · nH2O und in Alaunen MeRh (SO4)2 $ 12 H2O. [Ir (H2O)6]3C ist schwerer zu erhalten und luftempfindlich. Es tritt in Salzen wie [Ir (H2O)6] (ClO4)3 auf. Es existieren die Halogeno-Komplexe [MeX6]3K mit Me Z Rh, X Z F, Cl, Br und Me Z Ir, X Z Cl, Br, I. Es gibt gemischte Aqua-chloro-Komplexe und gemischte Ammin-chloro-Komplexe. Aus [RhCl (NH3)5]2C lässt sich in wässriger Lösung mit Zink der Hydridokomplex [RhH (NH3)5]2C herstellen. Das isolierbare Salz [RhH (NH3)5]SO4 ist luftstabil. Stabile Komplexe sind auch [Me (C2O4)3]3K und [Me (CN)6]3K (Me Z Rh, Ir). Komplexe mit der Oxidationsstufe D4 (d5). Von Rhodium (IV) existieren wenige Komplexe. Beispiele sind die oktaedrischen Komplexe [RhX6]2K (X Z F, Cl), die hydrolysierbar sind und oxidierend wirken. Stabiler sind die Iridium (IV)-Komplexe und ihre Salze. Die Komplexionen [IrX6]2K (X Z F, Cl, Br) sind in wässriger Lösung und in Salzen bekannt. Das schwarze, in Wasser gut lösliche Na2IrCl6 ist Ausgangsmaterial für andere Ir (IV)-Komplexe. Obwohl Chloro- und Bromo-Komplexe von Ir (IV) stabil sind, ist die Existenz der binären Halogenide IrCl4 und IrBr4 nicht gesichert. Komplexe mit der Oxidationsstufe D1 (d8). Komplexe von Rhodium (I) und Iridium (I) erfordern für ihre Stabilisierung π-Akzeptorliganden wie PR3, CO oder Alkene. Auf Grund der Konfiguration d8 (vgl. S. 864) existieren überwiegend diamagnetische, quadratisch-planare Komplexe, daneben auch trigonal-bipyramidale. Die Komplexe werden durch Reduktion von Halogeno-Komplexen wie RhCl3 · 3 H2O und K2IrCl6 in Gegenwart der Liganden dargestellt. Chlorotris (triphenylphosphan)rhodium (I) [RhCl (PPh3)3] ist ein rotvioletter, diamagnetischer, annähernd quadratischer Komplex. Es hat Bedeutung als Katalysator für die selektive Hydrierung von Alkenen in homogener Lösung bei Normaltemperatur und Normaldruck (Wilkinson-Katalysator). [RhCl (PPh3)3] kann Wasserstoff addieren. C1
C3
[RhCl (PPh3)3] C H2 $% [RhH2Cl (PPh3)2] C PPh3 Das Chlorodihydridobis (triphenylphosphan)rhodium (III) hydriert Alkene
Der Komplex [RhCl (PPh3)2] kann wieder H2 addieren und fungiert als Katalysator.
876
5 Die Elemente der Nebengruppen
trans-[IrCl (CO) (PPh3)2] (Vaska-Komplex) ist ein gelber, diamagnetischer, planarer Komplex. Er kann ein weiteres Molekül CO addieren und in das Hydrid überführt werden. CO
NaBH4
trans-[IrCl (CO) (PPh3)2] $$% [IrCl (CO)2 (PPh3)2] $$$$% [IrH (CO)2 (PPh3)2] Moleküle wie H2, O2 und SO2 werden oxidativ addiert. C1
C3
trans-[Ir Cl (CO) (PPh3)2] C H2 $% trans-[Ir ClH2 (CO) (PPh3)2] Diese Prozesse spielen eine Rolle für die katalytische [IrH (CO) (PPh3)2] bei der Hydroformylierung von Alkenen.
Wirkung
von
5.17.7 Verbindungen der Metalle der Platingruppe Die höchste Oxidationszahl des Platins ist C6, die des Palladiums C4. Sowohl in binären Verbindungen als auch in Komplexverbindungen sind die wichtigsten Oxidationszahlen C2 beim Palladium, C2 und C4 beim Platin. Sauerstoffverbindungen Die beständigen wasserfreien Oxide der Metalle der Platingruppe sind PdO und PtO2. Palladium (II)-oxid PdO ist schwarz und säureunlöslich. Es entsteht durch Erhitzen des Metalls mit Sauerstoff. Oberhalb 900 (C dissoziiert es, von Wasserstoff wird es bereits bei Raumtemperatur reduziert. Im Kristallgitter von PdO (Abb. 5.97) ist Palladium quadratisch von Sauerstoff koordiniert. Aus Pd (II)-Lösungen fällt mit OHK-
Abbildung 5.97 Tetragonale Struktur von PdO. Palladium ist quadratisch von Sauerstoff koordiniert, Sauerstoff tetraedrisch von Palladium. In dieser Struktur kristallisieren auch PdS und PtS.
5.17 Die Gruppe der Platinmetalle
877
Ionen gelbbraunes, wasserhaltiges Palladium (II)-oxid aus. Es ist in Säuren löslich, lässt sich aber nur unter Sauerstoffabgabe entwässern. Auch im Ag2PdO2 sind die Pd-Atome nahezu quadratisch-planar koordiniert. Platin (IV)-oxid PtO2. Aus wässrigen Lösungen von PtCl4 fällt mit OHK-Ionen gelbes, wasserhaltiges Platindioxid aus. Es ist amphoter, es löst sich in Basen unter Bildung von [Pt (OH)6]2K-Ionen. Durch Erhitzen erhält man das braunschwarze wasserfreie PtO2, das sich oberhalb 650 (C zersetzt. Aus Lösungen von [PtCl4]2K entsteht mit OHK-Ionen ein unbeständiges wasserhaltiges, nicht genau charakterisiertes Pt (II)-oxid, das von Luft oxidiert wird. Halogenverbindungen Die Oxidationszahl C6 und C5 wird nur bei den Platinfluoriden erreicht. Es gibt keine Halogenide mit der Oxidationszahl C3. PdF3 hat die Zusammensetzung C2 C4
Pd[PdF6]. Oxidationszahl C6 C5 C4 C2
Fluoride
PdF4 PdF2
Chloride PtF6 PtF5 PtF4
PdCl2
PtCl4 PtCl2
Bromide
PdBr2
PtBr4 PtBr2
Iodide
PdI2
PtI4 PtI2
PtF6 ist ein starkes Oxidationsmittel. Es oxidiert O2 und Xe unter Bildung von C5
C5
K und XeC[Pt F6]K (vgl. S. 440). PtF5 ist ebenfalls sehr reaktiv und hat OC 2 [Pt F6] wie die Pentafluoride von Ru, Os, Rh und Ir die tetramere Struktur (PtF5)4. Nur Platin bildet alle vier Tetrahalogenide. PdF2 hat Rutil-Struktur, die Koordination von Pd (II) ist oktaedrisch. Es ist eine der wenigen paramagnetischen Pd (II)-Verbindungen. Von PdCl2 gibt es zwei Modifikationen. α-PdCl2 hat eine Kettenstruktur (Abb. 5.98a), es ist hygroskopisch und wasserlöslich. β-PdCl2 ist aus Pd6Cl12-Einhei-
Abbildung 5.98 a) Kettenstruktur von α-PdCl2. b) Pd6Cl12-Einheiten von β-PdCl2. β-PtCl2 ist mit β-PdCl2 isotyp. In beiden Strukturen ist Pd und Pt quadratisch-planar koordiniert.
878
5 Die Elemente der Nebengruppen
ten aufgebaut (Abb. 5.98b). In beiden Strukturen ist Palladium quadratisch koordiniert. Aus wässriger Lösung kristallisiert das Dihydrat PdCl2 · 2 H2O aus. Auch PtCl2 tritt in zwei Modifikationen auf. β-PtCl2 ist mit β-PdCl2 isotyp. α-PtCl2 ist wasserunlöslich, löst sich aber in Salzsäure unter Bildung des Komplexes [PtCl4]2K. Im Gegensatz zu PdF2 und auch den Nickelhalogeniden (vgl. S. 862), die ionisch sind, sind die Chloride von Pd und Pt kovalente Verbindungen. Komplexverbindungen In den Komplexverbindungen sind die wichtigsten Oxidationszahlen C2 und C4. Komplexe mit der Oxidationsstufe D2 (d8). Die meisten Komplexe sind diamagnetische low-spin-Komplexe mit quadratisch-planarer Koordination (Abb. 5.95). Beim Ni (II) werden nur mit solchen Liganden, die eine starke Ligandenfeldaufspaltung bewirken, quadratische Komplexe gebildet. Bei den 4d- und den 5d-Ionen Pd2C und Pt2C ist die Ligandenfeldaufspaltung praktisch mit allen Liganden dafür ausreichend groß (vgl. S. 703). Eine Ausnahme ist nur das paramagnetische PdF2, bei dem Pd (II) oktaedrisch koordiniert ist und die Konfiguration t62g e2g hat. Die Pd (II)-Komplexe sind etwas weniger stabil als die von Pt (II). Pt (II)-Komplexe sind K wie auch die Pt (IV)-Komplexe K kinetisch träge (s. S. 689). Die durch ihre Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse über Isomerie und Reaktionsmechanismen waren für die Entwicklung der Koordinationschemie wesentlich. Bevorzugte Liganden sind Amine, NO2, Halogene, Cyanide, PR3, AsR3. Zu Sauerstoff und Fluor besteht nur eine geringe Affinität.
Abbildung 5.99 a) Anordnung der Komplexionen [Pt (CN)4]2K in der Verbindung K2 [Pt (CN)4] · 3 H2O. Die großen Pt d Pt-Abstände (348 pm) zeigen, dass keine Pt d Pt-Wechselwirkungen vorhanden sind. Die KC-Ionen verknüpfen im Kristall die komplexen Anionen durch Ionenbindungen. Die übereinander gestapelten [Pt (CN)4]2K-Gruppen sind um 45( gegeneinander gedreht. b) Elementarzelle der tetragonalen Struktur von K2 [PtCl4].
5.17 Die Gruppe der Platinmetalle
879
Der Komplex [Pd (H2O)4]2C existiert in wässriger Lösung und z. B. auch in Pd (ClO4)2 · 4 H2O. [Pt (H2O)4]2C ist nicht bekannt. Die Komplexe [MeX4]2K (Me Z Pd, Pt; X Z Cl, Br, I, SCN, CN) bilden mit NHC 4 und Alkalimetallionen Salze. Die Salze des gelben Ions [PdCl4]2K und des roten Ion [PtCl4]2K sind Ausgangsverbindungen zur Herstellung anderer Komplexe. In wässriger Lösung erfolgt Hydrolyse. [PtCl4]2K C H2O # [PtCl3 (H2O)]K C ClK [PtCl3 (H2O)]K C H2O # [PtCl2 (H2O)2] C ClK Häufig sind in den Salzen die quadratischen Baueinheiten der Pt (II)-Komplexe parallel übereinander angeordnet, z. B. in K2 [Pt (CN)4] und K2 [PtCl4] (Abb. 5.99). Im Magnus-Salz [Pt (NH3)4] [PtCl4], dem ältestbekannten Amminkomplex des Platins, sind alternierend die quadratischen [Pt (NH3)4]2C-Kationen und [PtCl4]2K-Anionen übereinander gestapelt. Eine besondere Eigenheit von Ligandensubstitutionsreaktionen in quadratischen Komplexen ist der trans-Effekt. Wird in einem Komplex der allgemeinen Zusammensetzung [PtLX3]K ein Ligand X durch einen Liganden Y substituiert, sind sterisch zwei Reaktionsprodukte möglich.
trans-Orientierung Der Ligand L dirigiert Y in trans-Stellung
cis-Orientierung LY
Man kann die Liganden L nach ihrer wachsenden Fähigkeit ordnen, einen Liganden in trans-Stellung zu sich zu dirigieren: FK, H2O, OHK, NH3 ! ClK, BrK ! SCNK, IK ! PR3 ! CNK, CO. Der trans-Effekt ist ein kinetisches Phänomen. Es ist der Einfluss eines Liganden auf die Substitutionsgeschwindigkeit in trans-Position. Beispiel: [Pt (NH3)2Cl2] Das cis-Isomere entsteht aus [PtCl4]2K-Ionen mit NH3.
ClK hat einen stärker trans-dirigierenden Einfluss als NH3. Das trans-Isomere bildet sich aus [Pt(NH3)4]2C mit ClK-Ionen.
ClK dirigiert das zweite ClK in trans-Stellung.
880
5 Die Elemente der Nebengruppen
Cis-[Pt (NH3)2Cl2] („Cisplatin“) ist für einige Krebsarten das bis heute wirksamste Antitumormittel. Das trans-Isomere ist unwirksam. Außer den einkernigen Komplexen gibt es auch zweikernige Komplexe des Typs
Me Z Pd2C, Pt2C; L Z NR3, PR3, CO; X Z anionische Gruppen, z. B. ClK, BrK, IK. C2
Durch partielle Oxidation kann weißes K2 [Pt (CN)4] $ 3 H2O in bronzefarbenes C2,25
C2,3
K1,75 [Pt (CN)4] $ 1,5 H2O bzw. K2 [Pt (CN)4]Cl0,3 $ 3 H2O überführt werden. Diese Verbindungen sind eindimensionale metallische Leiter (Abb. 5.100).
Abbildung 5.100 Lineare Ketten aus übereinander gestapelten [Pt (CN)4]1,7K-Ionen der VerC2,25
C2,3
bindungen K1,75 [Pt (CN)4] $1,5 H2O bzw. K2 [Pt (CN)4]Cl0,3 3 H2O. Die Pt d Pt-Abstände betragen nur 280K300 pm (Pt d Pt-Abstände im Metall 278 pm, in K2 [Pt (CN)4] · 3 H2O 348 pm), die dz 2 -Orbitale überlappen, dies bewirkt eine eindimensionale metallische Leitung in Richtung der Ketten (Leitfähigkeit ca. 400 ΩK1 cmK1). Ein eindimensionaler metallische Leiter ist auch K1,6 [Pt (C2O4)2] · 1,2 H2O.
Komplexe mit der Oxidationsstufe D4 (d6). Alle Komplexe sind oktaedrisch und diamagnetisch mit der low-spin-Konfiguration t62g. Pd (IV)-Komplexe sind zwar beständiger als einfache Pd (IV)-Verbindungen, aber weniger stabil als Pt (IV)-Komplexe. Es gibt relativ wenige Pd (IV)-Komplexe. Am besten bekannt sind die Halogenokomplexe [PdX6]2K (X Z F, Cl, Br). In allen ist Pd (IV) leicht zu Pd (II) zu reduzieren. [PdF6]2K hydrolysiert mit Wasser zu
5.18 Die Actinoide
881
PdO · nH2O. [PdCl6]2K und [PdBr6]2K sind hydrolysebeständig, durch heißes Wasser werden sie aber in [PdX4]2K und X2 zerlegt. Das rote Komplexion [PdCl6]2K entsteht beim Auflösen von Palladium in Königswasser. Es bildet mit KC und NHC 4 schwer lösliche Salze. Pt (IV)-Komplexe sind zahlreich, sie sind thermodynamisch stabil und kinetisch inert. Häufige Liganden sind Stickstoffdonatoren D Z NH3, N2H4, en, sowie Halogene und Pseudohalogene X Z F, Cl, Br, I, CN, SCN. Es sind die Komplextypen [PtD6]4C, [PtD5X]3C, cis- und trans-[PtD4X2]2C, mer- und fac-[PtD3X3]C, cis- und trans-[PtD2X4], [PtDX5]K und [PtX6]2K bekannt. Die wichtigsten Pt (IV)-Verbindungen sind Salze des roten Hexachloroplatinat (IV)-Ions [PtCl6]2L. Löst man Platin in Königswasser, kristallisieren gelbe Kristalle der Hexachloroplatin (IV)-säure H2 [PtCl6] · 6 H2O aus. Mit den schweren Alka2K schwer lösliche Salze limetallionen KC, CsC, RbC und NHC 4 bildet [PtCl6] (Abb. 5.101). Reduziert man wässrige Lösungen von (NH4)2PtCl6, erhält man fein verteiltes schwarzes Platin (Platinschwarz, Platinmohr).
Abbildung 5.101 Elementarzelle der kubischen Struktur von K2 [PtCl6]. Die Struktur lässt sich vom Fluorit-Typ ableiten. Die KC- und [PtCl6]2K-Ionen besetzen die FK- bzw. die Ca2CPlätze der Fluorit-Struktur (vgl. S. 77).
5.18 Die Actinoide Zur Gruppe der Actinoide (An) gehören Actinium und die darauf folgenden 14 Elemente, bei denen die 5f-Unterschale aufgefüllt wird. Die auf das Uran folgenden Elemente werden auch als Transurane bezeichnet.
882 Ordnungszahl Z
5 Die Elemente der Nebengruppen Name
Symbol
Elektronenkonfiguration in (C
Schmelz- Standardpotentiale in V punkt An.An3C An.An4C
89 90 91
Actinium Thorium Protactinium
Ac Th Pa
1 050 1 755 1 568
K2,6 K K1,95
K K1,90 K1,7
92 93
Uran Neptunium
U Np
1 132 639
K1,80 K1,86
K1,50 K1,35
94 95 96 97
Plutonium Americium Curium Berkelium
Pu Am Cm Bk
639 1 173 1 350 986
K2,03 K2,32 K2,31 K
K1,27 K1,24 K K
Californium Einsteinium Fermium Mendelevium Nobelium Lawrencium
Cf Es Fm Md No Lr
6d1 7s2 6d2 7s2 5f2 6d1 7s2 oder 5f1d2 7s2 5f3 6d1 7s2 5f5 7s2 oder 5f4 6d1 7s2 5f6 7s2 5f7 7s2 5f7 6d1 7s2 5f8 6d1 7s2 oder 5f9 7s2 5f10 7s2 5f11 7s2 5f12 7s2 5f13 7s2 5f14 7s2 5f14 6d1 7s2
900 K K K K K
K2,32 K K K K K
K K K K K K
98 99 100 101 102 103
5.18.1 Gruppeneigenschaften Die etwa 200 bekannten Isotope der Actinoide sind alle radioaktiv. Auf der Erde kommen natürlich nur Actinium, Protactinium, Uran und Thorium vor, denn nur 235 U, 238U und 232Th konnten auf Grund ihrer großen Halbwertszeiten seit der Entstehung des Sonnensystems überleben. Aus ihnen entstehen durch radioaktiven Zerfall Actinium und Protactinium, die in den Uran- und Thorium-Erzen gefunden werden. Neptunium und Plutonium können in Spuren aus Uranmineralien isoliert werden, da sie durch Neutroneneinfang ständig neu gebildet werden. 238 92U C n
%$239 92U
Kβ
K
$$$
%$239 93Np
Kβ
K
$$$
%$239 94Pu
Alle Transurane werden künstlich hergestellt. In den Kernreaktoren (vgl. S. 22) entstehen 239Np und 239Pu in größeren Mengen. Mendelevium, Nobelium und Lawrencium sind bisher nur in unwägbar kleinen Mengen dargestellt worden. Thorium und Uran sind keine seltenen Elemente, ihr Anteil in der Erdkruste ist 8 · 10K4 % bzw. 2 · 10K4 %. Uran ist also häufiger als Sn, Hg, Ag, Pb. Es gibt aber nur wenige nutzbare Erzvorkommen. Die wichtigsten Erze sind die Uranpechblende mit der ungefähren Zusammensetzung UO2 und der Carnotit K (UO2) (VO4) · 1,5 H2O. Im Jahr 2004 betrug die Bergwerkproduktion von Uran 44 200 t (30 % wurden in Kanada, 20 % in Australien gefördert). Die Produktion deckte nicht den Bedarf ab. Die fehlenden Mengen wurden mit Lagerbeständen und wiederaufbereitetem Uran ergänzt (s. S. 23).
5.18 Die Actinoide
883
Die Actinoide sind silbrige, elektropositive, reaktive Metalle. Sie kommen fast alle in mehreren Strukturen vor, teilweise in dichten Packungen. Die Schmelzpunkte ändern sich unregelmäßig, sie liegen zwischen 1750 (C und 640 (C. Die Metallradien ändern sich ebenfalls unregelmäßig (Abb. 5.102). Dies ist nicht nur eine Folge der Strukturvielfalt der Actinoide, sondern kommt auch durch die unterschiedliche Anzahl von Elektronen zustande, die an das Metallband abgegeben werden (vgl. Lanthanoide S. 774). Die zunehmende Anzahl von Elektronen, die an metallischen Bindungen beteiligt sind, führt von Actinium zum Uran zu einer starken Abnahme der Radien. In fein verteiltem Zustand sind die Actinoide pyrophor. Sie reagieren besonders beim Erwärmen mit Nichtmetallen. Sie sind in konz. Salzsäure löslich. Durch konz. Salpetersäure werden Thorium, Uran und Plutonium passiviert, aber in Gegenwart von FK-Ionen gelöst. Die 5f-Elektronen der Actinoide sind weniger fest gebunden als die 4f-Elektronen der Lanthanoide. Im Unterschied zu den 4f-Elektronen sind daher die 5f-Elektronen stärker an chemischen Bindungen beteiligt. Bis zum Neptunium können alle f-Elektronen als Valenzelektronen betätigt werden, die maximale Oxidationszahl von Neptunium ist C7. Beim Thorium, Protactinium und Uran sind die maximalen Oxidationszahlen C4, C5 und C6 zugleich auch die beständigsten. Ab Plutonium sind die 5f-Elektronen nur noch teilweise an Bindungen beteiligt. In der zweiten Hälfte der Actinoide ist wie bei den Lanthanoiden die beständige Oxidationsstufe C3 und nur bei den ersten beiden Elementen der zweiten Hälfte, Berkelium und Californium, tritt auch die Oxidationsstufe C4 auf. Oxidationsstufen der Actinoide Ac
Th
Pa U
Np Pu
3
3 4
3 4 5
3 4 5 6 7
3 4 5 6
3 4 5 6 7
Am Cm Bk
Cf
Es
Em Md No
Lr
2 3 4 5 6
2 3 4
2 3
2 3
2 3
3 4
3 4
2 3
2 3
(Die roten Zahlen bezeichnen die stabilste Oxidationsstufe)
Die Radien der An3C- und der An4C-Ionen (Abb. 5.102) nehmen mit zunehmender Ordnungszahl regelmäßig ab (Actionoid-Kontraktion). Die Ionen haben charakteristische Farben. Die Absorptionsspektren bestehen aus schmalen Banden, die durch Ligandenfelder weniger beeinflusst werden als die der d-Übergangsmetalle. Die Stabilität der An3C-Ionen wächst mit zunehmender Ordnungszahl. Th3C- und Pa3C-Ionen sind in wässriger Lösung nicht beständig. U(III)Lösungen entwickeln Wasserstoff unter Bildung von U(IV). Pu (III)-Lösungen lassen sich leicht oxidieren, Am (III)-Lösungen nur noch schwer. In den Fällungsreaktionen ähneln die An3C-Ionen den Ln3C-Ionen. Die Fluoride, Hydroxide und Oxalate sind
884
5 Die Elemente der Nebengruppen
Abbildung 5.102 Metallradien und Ionenradien der Actinoide. Wie bei den Lanthanoiden (vgl. Abb. 5.63) nehmen die Ionenradien der Actinoide mit zunehmender Kernladung kontinuierlich ab (Actinoid-Kontraktion).
in Wasser unlöslich, die Nitrate, Sulfate und Perchlorate löslich. Die Basizität der Hydroxide An (OH)3 nimmt wegen der Actinoid-Kontraktion mit steigender Ordnungszahl ab. Die Stabilität der An4C-Ionen fällt mit zunehmender Ordnungszahl. Das einzige beständige Ion des Thoriums ist Th4C. Beständig ist auch das Pu4C-Ion. Die Ionen Pa4C, U4C und Np4C lassen sich leicht oxidieren. In der Oxidationsstufe C5 und C6 existieren ab Protactinium die Ionen AnOC 2 und ab Uran die Ionen AnO2C 2 . Sie sind linear gebaut und charakteristisch gefärbt. Mit zunehmender Ordnungszahl nimmt die Beständigkeit der Ionen ab. Am stabils2C ten sind PaOC 2 und UO2 . Während bei den Lanthanoiden die Bindungen überwiegend ionisch sind, sind die Actinoide zu kovalenten Hybridbindungen unter Einbeziehung der 5f-Elektronen befähigt. Beispiele für Hybride: sf linear, sf 3 tetraedrisch, d2 sf 3 oktaedrisch.
5.18 Die Actinoide
885
5.18.2 Verbindungen des Urans Uran tritt in seinen Verbindungen mit den Oxidationszahlen C3, C4, C5 und C6 auf. Die stabilste Oxidationszahl ist C6. U(III)- und U(V)-Verbindungen sind leicht zu oxidieren oder neigen zur Disproportionierung. Uran (VI)-Verbindungen Uran (VI)-oxid UO3 kommt in 7 Modifikationen vor, es ist amphoter. Mit Säuren entstehen salzartige Uranylverbindungen, die das gelbe Ion UO2C enthalten. Das 2 wichtigste Uranylsalz ist das Uranylnitrat-Hexahydrat UO2 (NO3)2 · 6 H2O. Es ist in Ethern, Alkoholen und Estern (z. B. Tributylphosphat) löslich. Darauf beruht eine Abtrennungsmethode von anderen Metallen, z. B. die Trennung von Uran und Plutonium bei der Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen (Purexverfahren). Mit Ba2K umwandeln. In sen bildet UO3 gelbe Uranate UO2K 4 , die sich in Diuranate U2O7 C1
der Schmelze bilden sich aus UO3 mit Oxiden Me2O neben Mono- und Diuranaten auch Polyuranate UnO2K 3nC1 (n Z 3 K 6). Hexahalogenide werden nur mit Fluor und Chlor gebildet. Uranhexafluorid UF6 (Smp. 64 (C) ist eine farblose, flüchtige, kristalline Substanz, die leicht hydrolysiert. Die Uranisotope können durch Gasdiffusion von UF6 getrennt werden. Für die erste Atombombe (s. S. 24) wurde das dafür erforderliche 235U durch die mühsame Diffusionstrennung der Fluoride 235UF6 und 238UF6 hergestellt. Uran (V)-Verbindungen Es sind die Pentahalogenide UX5 (X Z F, Cl, Br) bekannt. Das Chlorid ist dimer. Die Pentahalogenide lassen sich leicht oxidieren, beim Erhitzen disproportionieren sie in U(VI)- und U(IV)-Halogenide. In Lösungen sind die blasslila UOC 2 -Ionen bei pH-Werten von 2K4 am stabilsten. 4C -Ionen. Sie disproportionieren in UO2C 2 - und U Uran (IV)-Verbindungen Uran (IV)-oxid UO2 (Smp. 2 880 (C) ist ein basisches Oxid, es kristallisiert im Fluorit-Typ. Es entsteht durch Reduktion von UO3 mit H2. Beim Glühen an der Luft wandeln sich sowohl UO3 als auch UO2 in das Oxid U3O8 (UO2 · 2 UO3) um. In Salpetersäure lösen sich alle Oxide unter Bildung von UO2 (NO3)2. Es sind alle Tetrahalogenide UX4 bekannt. Es sind farbige kristalline Substanzen. In wässriger Lösung entstehen aus U(IV)-Salzen grüne U4C-Ionen, die schon durch Luft langsam zu UO2C 2 -Ionen oxidiert werden. (Bu4N)3 [U(N3)7] enthält das erste binäre Azid eines Actinoidelements. Im [U(N3)7]3K-Ion sind die 7 Azidliganden pentagonal-bipyramidal um das U(IV)Atom angeordnet.
886
5 Die Elemente der Nebengruppen
Uran (III)-Verbindungen Bekannt sind die Halogenide UX3 (X Z F, Cl, Br, I) und das Hydrid UH3. In Lösungen entsteht das purpurfarbene Ion U3C, das von Wasser zum U4C-Ion oxidiert wird (U3C # U4C C eK E( Z K 0,61 V).
Anhang 1 Einheiten · Konstanten · Umrechnungsfaktoren
Gesetzliche Einheiten im Messwesen sind die Einheiten des Internationalen Einheitensystems (SI) sowie die atomphysikalischen Einheiten für Masse (u) und Energie (eV). 1. Konstanten Größe
Symbol
Zahlenwert und Einheit
Avogadro-Konstante Bohr’sches Magneton Bohr’scher Radius Boltzmann-Konstante Elektrische Feldkonstante Elektron, Ruhemasse Elementarladung Faraday-Konstante Gaskonstante Kern-Magneton Lichtgeschwindigkeit Magnetische Feldkonstante Molares Gasvolumen Planck-Konstante
NA µB a0 kB ε0 me e F R µK c µ0 V0 h
6,022 · 1023 molK1 9,274 · 10K24 A m2 5,292 · 10K11 m 1,381 · 10K23 J KK1 8,854 · 10K12 C VK1mK1 9,109 · 10K31 kg 1,602 · 10K19 C 9,649 · 104 C molK1 8,314 J KK1 molK1 5,051 · 10K27 Am2 2,998 · 108 m sK1 4π · 10K7 V s AK1 mK1 22,414 l molK1 6,626 · 10K34 J s
Einheit
*Meter
Kubikmeter
*Kilogramm
*Sekunde
Newton
Größe
Länge
Volumen
Masse
Zeit
Kraft
N (= kg m s"2 )
s
kg
m3
m
Einheitenzeichen
SI-Einheit (mit * gekennzeichnet sind Basiseinheiten)
2. Einheiten und Umrechnungsfaktoren
Minute Stunde Tag
Karat
Tonne
atomare Masseneinheit Gramm
Liter
1 min = 60 s 1 h = 3 600 s 1 d = 86 400 s
1g = 10"3 kg 1t = 10 3 kg 1 Karat = 2 · 10"4 kg
1u = 1,660 · 10"27 kg
11 3 "3 = 10 m
Andere zulässige Einheiten
pond
dyn
Ångström
1 dyn = 10"5 N 1p = 9,81 · 10"3 N
1 Å = 10"10 m
Nicht mehr zugelassene Einheiten
888 Anhang 1
Siemens
Tesla
Elektrischer Leitwert
Magnetische Induktion
S (= A V"1 = V"1)
V (= VA"1)
*Kelvin
Grad Celsius °C für q = T – T0 mit T0 = 273,15 K
1 Oe =
10 3 A m"1 4
1 G = 10"4 Vs m"2
1 PS = 7,35 · 102 W
1 cal = 4,187 J
Kalorie Pferdestärke
1 erg = 10"7 J
1 atm = 1,013 · 105 Pa 1 Torr = 1,33 · 102 Pa
erg
K
Ohm
Elektrischer Widerstand
V (JC "1)
1 eV = 1,602 · 10"19 J 1 kWh = 3,6 · 106 J
Temperatur
Volt
Spannung
W (= J s"1 = V A)
Elektronvolt Kilowattstunde
1 Ah = 3,6 · 103 C
Oersted
Watt
Leistung
J (= N m = kg m2 s"2 = W s)
Amperestunde
Atmosphäre Torr
A m"1
Joule
Energie
C (= A s)
1 bar = 105 Pa
Magnetische Feldstärke
Coulomb
Ladung
A
bar
Gauß
*Ampere
Elektrische Stromstärke
Pa (= Nm"2)
T (= V s m"2)
Pascal
Druck
Einheiten · Konstanten · Umrechnungsfaktoren 889
SI-Einheit
*Mol
Mol pro Kubikmeter
Becquerel
Gray
Sievert
Größe
Stoffmenge
Stoffmengenkonzentration
Aktivität
Energiedosis
Äquivalentdosis
Rad Rem
Gy (= J kg"1) Sv (= J kg"1)
1 mol l"1 = 103 mol m"3
1 rem = 0,01 Sv
1 rd = 0,01 Gy
1 Ci = 3,7 · 1010 Bq
Nicht mehr zugelassene Einheiten
Curie
Mol pro Liter
Andere zulässige Einheiten
Bq (= s"1)
mol m"3
mol
Einheitenzeichen
Einheiten und Umrechnungsfaktoren (Fortsetzung)
890 Anhang 1
Einheiten · Konstanten · Umrechnungsfaktoren
891
3. Dezimale Vielfache und Teile von Einheiten Zehnerpotenz
Vorsatz
Vorsatzzeichen
Zehnerpotenz
Vorsatz
Vorsatzzeichen
101 102 103 106 109 1012 1015
Deka Hekto Kilo Mega Giga Tera Peta
da h k M G T P
10K1 10K2 10K3 10K6 10K9 10K12 10K15
Dezi Zenti Milli Mikro Nano Piko Femto
d c m µ n p f
4. Griechische Zahlwörter ein zwei drei vier fünf sechs sieben acht neun zehn elf zwölf
mono di tri tetra penta hexa hepta octa ennea deca hendeca dodeca
zweimal dreimal viermal fünfmal sechsmal siebenmal achtmal
dis tris tetrakis pentakis hexakis heptakis oktakis
Statt des griechischen ennea, hendeca und dis wird das lateinische nona, undeca und bis verwendet.
Anhang 2 Relative Atommassen · Elektronenkonfigurationen · Schema zur Ermittlung der Punktgruppen von Molekülen
Tabelle 1 Protonenzahlen und relative Atommassen der Elemente Quelle der Ar-Werte: Angaben der Internationalen Union für Reine und Angewandte Chemie (IUPAC) nach dem Stand von 1991. (In den Klammern ist die Fehlerbreite der letzten Stelle angegeben.) * Alle Nuklide des Elements sind radioaktiv; die eingeklammerten Zahlen bei den relativen Atommassen sind in diesem Fall die Nukleonenzahlen des Isotops mit der längsten Halbwertszeit. C Die so gekennzeichneten Elemente sind Reinelemente. r Die Atommassen haben infolge der natürlichen Schwankungen der Isotopenzusammensetzungen schwankende Werte. Die tabellierten Werte sind für normales Material aber benutzbar. g Es sind geologische Proben bekannt, in denen die Isotopenzusammensetzung des Elements von der in normalem Material stark abweicht. Element
Symbol
Z
Relative Atommasse (Ar)
Actinium Aluminium Americium Antimon Argon Arsen Astat Barium Berkelium Beryllium Bismut Blei Bohrium Bor Brom Cadmium Caesium Calcium Californium Cer Chlor
Ac * Al C Am * Sb Ar As C At Ba Bk * Be C Bi C Pb Bh B Br Cd Cs C Ca Cf * Ce Cl
89 13 95 51 18 33 85 56 97 4 83 82 107 5 35 48 55 20 98 58 17
(227) 26,981539(5) (243) 121,757(3) g 39,948(1) g r 74,92159(2) (210) 137,327(7) (247) 9,012182(3) 208,98037(3) 207,2(1) g r (267) 10,811(5) g r 79,904(1) 112,411(8) g 132,90543(5) 40,078(4) g (251) 140,115(4) g 35,4527(9)
Relative Atommassen · Elektronenkonfigurationen Element
Symbol
Z
Relative Atommasse (Ar)
Chrom Cobalt Curium Darmstadtium Dubnium Dysprosium Einsteinium Eisen Erbium Europium Fermium Fluor Francium Gadolinium Gallium Germanium Gold Hafnium Hassium Helium Holmium Indium Iod Iridium Kalium Kohlenstoff Krypton Kupfer Lanthan Lawrencium Lithium Lutetium Magnesium Mangan Meitnerium Mendelevium Molybdän Natrium Neodym Neon Neptunium Nickel Niob Nobelium Osmium Palladium Phosphor Platin
Cr Co C Cm * Ds * Db * Dy Es * Fe Er Eu Fm * FC Fr * Gd Ga Ge Au C Hf Hs * He Ho C In IC Ir K C Kr Cu La Lr * Li Lu Mg Mn C Mt * Md * Mo Na C Nd Ne Np * Ni Nb C No * Os Pd PC Pt
24 27 96 110 105 66 99 26 68 63 100 9 87 64 31 32 79 72 108 2 67 49 53 77 19 6 36 29 57 103 3 71 12 25 109 101 42 11 60 10 93 28 41 102 76 46 15 78
51,9961(6) 58,93320(1) (247) (282) (268) 162,50(3) g (252) 55,847(3) 167,26(3)g 151,965(9) g (257) 18,9984032(9) (223) 157,25(3) g 69,723(1) 72,61(2) 196,96654(3) 178,49(2) (277) 4,002602(2) g r 164,93032(3) 114,818(3) 126,90447(3) 192,22(3) 39,0983(1) g 12,011(1) g r 83,80(1) g 63,546(3) r 138,9055(2) g (260) 6,941(2) g r 174,967(1) g 24,3050(6) 54,93805(1) (276) (258) 95,94(1) g 22,989768(6) 144,24(3) g 20,1797(6) g (237) 58,6934(2) 92,90638(2) (259) 190,23(3) g 106,42(1) g 30,973762(4) 195,08(3)
893
894
Anhang 2
Element
Symbol
Z
Relative Atommasse (Ar)
Plutonium Polonium Praseodym Promethium Protactinium Quecksilber Radium Radon Rhenium Rhodium Roentgenium Rubidium Ruthenium Rutherfordium Samarium Sauerstoff Scandium Schwefel Seaborgium Selen Silber Silicium Stickstoff Strontium Tantal Technetium Tellur Terbium Thallium Thorium Thulium Titan Uran Vanadium Wasserstoff Wolfram Xenon Ytterbium Yttrium Zink Zinn Zirconium
Pu * Po * Pr C Pm Pa * Hg Ra * Rn * Re Rh C Rg * Rb Ru Rf * Sm O Sc C S Sg * Se Ag Si N Sr Ta Tc * Te Tb C Tl Th * Tm C Ti U* V H W Xe Yb YC Zn Sn Zr
94 84 59 61 91 80 88 86 75 45 111 37 44 104 62 8 21 16 106 34 47 14 7 38 73 43 52 65 81 90 69 22 92 23 1 74 54 70 39 30 50 40
(244) (209) 140,90765(3) (145) 231,03588(2) 200,59(2) (226) (222) 186,207(1) 102,90550(3) (280) 85,4678(3) g 101,07(2) g (267) 150,36(3) g 15,9994(3) g r 44,955910(9) 32,066(6) g r (271) 78,96(3) 107,8682(2) g 28,0855(3) r 14,00674(7) g r 87,62(1) g r 180,9479(1) (98) 127,60(3) g 158,92534(3) 204,3833(2) 232,0381(1) g 168,93421(3) 47,88(3) 238,0289(1) g 50,9415(1) 1,00794(7) g r 183,84(1) 131,29(2) g 173,04(3) g 88,90585(2) 65,39(2) 118,710(7) g 91,224(2) g
Relative Atommassen · Elektronenkonfigurationen
895
Tabelle 2 Elektronenkonfigurationen der Elemente Z
Element
Grundterm
K
1 2
H He
2
S1.2 S0
1 2
3 4 5 6 7 8 9 10
Li Be B C N O F Ne
2
S1.2 S0 2 P1.2 3 P0 4 S3.2 3 P2 2 P3.2 1 S0
2 2 2 2 2 2 2 2
1 2 2 2 2 2 2 2
1 2 3 4 5 6
11 12 13 14 15 16 17 18
Na Mg Al Si P S Cl Ar
2
S1.2 S0 2 P1.2 3 P0 4 S3.2 3 P2 2 P3.2 1 S0
2 2 2 2 2 2 2 2
2 2 2 2 2 2 2 2
6 6 6 6 6 6 6 6
1 2 2 2 2 2 2 2
1 2 3 4 5 6
19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
K Ca Sc Ti V Cr* Mn Fe Co Ni Cu* Zn Ga Ge As Se Br Kr
2
S1.2 S0 2 D3.2 3 F2 4 F3.2 7 S3 6 S5.2 5 D4 4 F9.2 3 F4 2 S1.2 1 S0 2 P1.2 3 P0 4 S3.2 3 P2 2 P3.2 1 S0
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6
37 38 39 40
Rb Sr Y Zr
2
2 2 2 2
2 2 2 2
6 6 6 6
2 2 2 2
6 6 6 6
1
1
1
1
S1.2 S0 2 D3.2 3 F2 1
L
M
N
1s 2s 2p 3s 3p 3d 4s
4p 4d 4f
1 2 3 5 5 6 7 8 10 10 10 10 10 10 10 10
1 2 2 2 2 1 2 2 2 2 1 2 2 2 2 2 2 2
1 2 3 4 5 6
10 10 10 10
2 2 2 2
6 6 6 6
1 2
O 5s
1 2 2 2
5p 5d 5f
896
Anhang 2
Tabelle 2 (Fortsetzung) Z
Element
Grund- K term
L
41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
Nb* Mo* Tc* Ru* Rh* Pd* Ag* Cd In Sn Sb Te I Xe
6
D1.2 S3 6 S5.2 5 F5 4 F9.2 1 S0 2 S1.2 1 S0 2 P1.2 3 P0 4 S3.2 3 P2 2 P3.2 1 S0
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8
55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83
Cs Ba La* Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd* Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu Hf Ta W Re Os Ir Pt* Au* Hg Tl Pb Bi
2
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8
7
S1.2 S0 2 D3.2 3 H4 4 I9.2 5 I4 6 H5.2 7 F0 8 S7.2 9 D2 6 H15.2 5 I8 4 I15.2 3 H6 2 F7.2 1 S0 2 D3.2 3 F2 4 F3.2 5 D0 6 S5.2 5 D4 4 F9.2 3 D3 2 S1.2 1 S0 2 P1.2 3 P0 4 S3.2 1
M
N
O
4s 4p 4d 4f
5s 5p 5d 5f 5g 6s 6p 6d 6f 6g 6h 7s
18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6
4 5 6 7 8 10 10 10 10 10 10 10 10 10
1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2
1 2 3 4 5 6
18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6
10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6
2 3 4 5 6 7 7 9 10 11 12 13 14 14 14 14 14 14 14 14 14 14 14 14 14 14
P
1
1
1 2 3 4 5 6 7 9 10 10 10 10 10
1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 1 1 2 2 1 2 2 2 3
Q
Relative Atommassen · Elektronenkonfigurationen
897
Tabelle 2 (Fortsetzung) Z
Element
Grund- K term
L
84 85 86
Po At Rn
3
P2 P3.2 1 S0
2 2 2
8 8 8
18 18 18
2 6 10 14 2 6 10 2 6 10 14 2 6 10 2 6 10 14 2 6 10
2 2 2
4 5 6
87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103
Fr Ra Ac* Th* Pa* U* Np* Pu Am Cm* Bk Cf Es Fm Md No Lr
2
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8
18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6
2
S1.2 S0 3 D3.2 3 F2 4 K11.2 5 L6 1
M
N
O
P
Q
4s 4p 4d 4f 5s 5p 5d 5f 5g 6s 6p 6d 6f 6g 6h 7s
6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6
* Unregelmäßige Elektronenfigurationen
10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10
14 14 14 14 14 14 14 14 14 14 14 14 14 14 14 14 14
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6
10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10
2 3 4 6 7 7 9 10 11 12 13 14 14
1 2 1 1 1 1
1
1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
898
Anhang 2
Anhang 3 Herkunft der Elementnamen · Nobelpreise
Tabelle 1 Entdeckungsjahr der Elemente. Herkunft von Elementnamen und Elementsymbolen (gr. Z griechisch; l. Z lateinisch) Element
Entdeckungsjahr
Actinium Ac Aluminium Al Antimon
1899 von aktinoeis (gr.) Z strahlend. 1825 nach dem Al-haltigen alumen (l.) Z Alaun. Wahrscheinlich schon im Altertum bekannt, sicher den Alchemisten. von anti C monos (gr.) Z nicht allein; stibium (l.). 1894 von argos (gr.) Z träge. Frühen Kulturen bereits als Legierungsbestandteil bekannt. In der Antike Verwendung von Auripigment. Erste Beschreibung der As-Darstellung 1250. von arsenikon (gr.) Z Name für das Mineral Auripigment As2S3. 1808 von barys (gr.) Z schwer. Baryt (Schwerspat) BaSO4 ist ein Mineral mit großer Dichte. 1828 nach Beryll (gr. berylllos), dem wichtigsten Berylliummineral. Seit dem 15. Jh. unter dem Namen Wismut bekannt. Die Herkunft des Namens ist unsicher. von bismutum (l.) Z Bismut (früher Wismut). Bereits den ältesten Kulturvölkern bekannt. von plumbum (l.) Z Blei. 1808 nach Borax (aus dem armenischen Buraq). 1826 von bromos (gr.) Z Gestank. 1817 von kadmeia (gr.), alter Name für den Cd-haltigen Galmei ZnCO3. 1860 von caesius (l.) Z himmelblau, nach der blauen Spektrallinie des Caesiums. 1808 nach calx (l.) Z Kalkstein. 1803 nach dem 1801 entdeckten Planetoiden Ceres. 1774 von chloros (gr.) Z gelbgrün. 1797 von chroma (gr.) Z Farbe. Soll auf die Farbvielfalt von Chromverbindungen hinweisen. 1735 nach Kobold (Berggeist). Aus den Cobalterzen konnte man kein brauchbares Metall gewinnen, beim Rösten traten wegen des As-Gehalts unangenehme Gerüche auf. Die Bergleute glaubten an das Wirken von Kobolden. 1886 von dispros (gr.) Z schwierig. Hinweis darauf, dass das Element schwer erhältlich ist.
Argon Ar Arsen As
Barium Ba Beryllium Be Bismut Bi Blei Pb Bor B Brom Br Cadmium Cd Caesium Cs Calcium Ca Cer Ce Chlor Cl Chrom Cr Cobalt Co
Dysprosium Dy
Der Elementname oder das Elementsymbol leitet sich ab bzw. ist benannt
900
Anhang 3
Element
Entdeckungsjahr
Eisen Fe
Bereits 4000 v. Chr. waren Eisengegenstände aus Meteoreisen bekannt. Die Eisenherstellung gelang zuerst den Hethitern. von ferrum (l.) Z Eisen. 1843 nach dem Ort Ytterby, wo Gadolinit gefunden wurde, aus dem Er, Yb, Tb und Y isoliert wurde. 1901 nach dem Kontinent Europa. 1886 nach fluor (l.) Z Fluss. Als Flussmittel zur Herabsetzung des Schmelzpunkts von Erzen verwendet man Flussspat CaF2. 1880 nach dem finnischen Lanthanoidforscher Gadolin. 1875 nach Frankreich, wo es entdeckt wurde. 1886 nach Deutschland, wo es entdeckt wurde. Bereits den ältesten Kulturvölkern bekannt. von aurum (l.) Z Gold. 1922 von hafniae (l.) Z Kopenhagen, wo es entdeckt wurde. 1895 nach helios (gr.) Z Sonne. Das Spektrum von He wurde bereits im Sonnenspektrum gefunden. 1886 nach Stockholm, ein Hinweis auf Skandinavien als Fundstätte der Seltenerdmetalle. 1863 nach der indigoblauen Flammenfärbung. 1804 von iridios (gr.) Z regenbogenfarbig, wegen der Vielfarbigkeit der Ir-Verbindungen. 1812 von ioeides (gr.) Z veilchenfarbig. 1807 von al kalja (arab.) Z Asche, da Kalium aus Pflanzenasche (Pottasche) gewinnbar ist. Verwendung von Kohle seit der Altsteinzeit. von carboneum (l.) Z Kohlenstoff. 1898 von kryptos (gr.) Z verborgen. Schon den ältesten Kulturvölkern bekannt. von aes cyprium (l.) Z Erz aus Zypern. Aus cyprium wurde cuprum. 1839 von lanthanein (gr.) Z verborgen sein, da La schwer aufzufinden war. 1817 von lithos (gr.) Z Stein. Im Gegensatz zu Na und K, das in pflanzlichem Material gefunden wurde, wurde Li in Gesteinsmaterial entdeckt. 1907 nach Lutetia (alter Name für Paris), wo es entdeckt wurde. 1808 nach der antiken Stadt Magnesia. 1774 nach Magnetit, lithos magnetis Z Stein aus Magnesia. Braunstein wurde mit diesem verwechselt. So wurde das daraus isolierte Mangan zunächst Manganesium genannt. 1781 von molybdos (gr.) Z Blei. Wurde ursprünglich für Bleiglanz und auch Molybdänglanz gebraucht.
Erbium Er Europium Eu Fluor F Gadolinium Gd Gallium Ga Germanium Ge Gold Au Hafnium Hf Helium He Holmium Ho Indium In Iridium Ir Iod I Kalium K Kohlenstoff C Krypton Kr Kupfer Cu Lanthan La Lithium Li Lutetium Lu Magnesium Mg Mangan Mn
Molybdän Mo
Der Elementname oder das Elementsymbol leitet sich ab bzw. ist benannt
Herkunft der Elementnamen · Nobelpreise Element
Entdeckungsjahr
Natrium Na
1807
Neodym Nd
Neon Ne Nickel Ni
Niob Nb Osmium Os Palladium Pd Phosphor P Platin Pt
Polonium Po Praseodym Pr Promethium Pm Protactinium Pa Quecksilber Hg
Radium Ra Radon Rn Rhenium Re Rhodium Rh Rubidium Rb Ruthenium Ru Samarium Sm Sauerstoff O Scandium Sc Schwefel S
901
Der Elementname oder das Elementsymbol leitet sich ab bzw. ist benannt
von neter (ägypt.) Z Soda. Daraus entstand das römische nitrium und schließlich bei den arabischen Alchemisten Natrium. 1885 nach neos (gr.) Z neu. Ceriterde wurde zunächst aufgetrennt in Ceroxid, Lanthanoxid und Didymoxid. Didym konnte in Neodym (Neudidym) und Praseodym (praseos Z grün) zerlegt werden. 1898 von neos (gr.) Z neu. 1751 nach dem Berggeist Nickel. Die gefundenen Ni-Erze hielten die Bergleute für vom Nickel verhexte CuErze. 1844 nach der Tantalustochter Niobe, da Nb mit Ta vergesellschaftet ist. 1804 von osme (gr.) Z Geruch. OsO4 ist flüchtig und riecht intensiv. 1803 nach dem 1802 entdeckten Planetoiden Pallas. 1669 von phosphorus (gr.) Z Lichtträger, da weißer Phosphor leuchtet. Bereits von den Mayas verwendet. von platina, der Verkleinerungsform des spanischen plata Z Silber. Platin ist im Aussehen silberähnlich. 1898 nach Polen, dem Heimatland der Entdeckerin M. Curie. 1885 siehe Neodym. 1945 nach dem Gott Prometheus. 1918 von protos (gr.) Z zuerst. Aus Protactinium entsteht durch α-Strahlung Actinium. Schon in der Antike bekannt. von hydrargyrum (gr., 1.) Z Quecksilber, bedeutet „Wassersilber“, bewegliches Silber. 1898 von radius (l.) Z Lichtstrahl. Radium sendet Strahlen aus, es ist radioaktiv. 1899 von Radium (aus dem es entsteht) unter Verwendung der für die Edelgase gebräuchlichen Endsilbe -on. 1925 nach dem Rheinland, der Heimat der Entdeckerin. 1803 von rhodeos (gr.) Z rosenrot. Viele Rh-Verbindungen sind rosenrot. 1861 von rubidus (l.) Z dunkelrot, nach der roten Spektrallinie des Rubidiums. 1844 nach ruthenia (l.) Z Russland, dem Heimatland des Entdeckers. 1879 nach dem Mineral Samarskit, aus dem es isoliert wurde. 1772 von oxygenium Z Säurebildner. 1879 nach Skandinavien, wo es entdeckt wurde. Bereits in der Antike bekannt. von sulfur (l.) Z Schwefel.
902
Anhang 3
Element
Entdeckungsjahr
Selen Se Silber Ag
1817 von selene (gr.) Z Mond (in Analogie zum Tellur). Bereits den ältesten Kulturvölkern bekannt. von argentum (l.) Z Silber. 1823 von silex (l.) Z Kieselstein. 1772 von nitrogenium (l.) Z Salpeterbildner. 1808 nach Strontian in Schottland, wo Strontianit SrCO3 gefunden wurde. 1802 nach der griechischen Sagengestalt Tantalos. Ta2O5 löst sich nicht nicht in Säure und muss daher „schmachten und kann seinen Durst nicht löschen“ wie der bestrafte Tantalos. 1782 von tellus (l.) Z Erde. Te wurde in goldhaltigen Erzen entdeckt. 1843 siehe Erbium 1861 nach Thallos (gr.) Z grüner Zweig. 1828 nach Thor, dem nordischen Kriegsgott. 1879 nach Thule, dem alten Namen für Skandinavien. 1791 nach dem Göttergeschlecht der Titanen. 1789 nach dem einige Jahre früher entdeckten Planeten Uranus. Man hielt damals Uranus für den entferntesten Planeten und Uran für das Element mit der höchsten Atommasse. Die auf Uran folgenden Elemente Neptunium und Plutonium sind nach den Planeten Neptun und Pluto benannt. 1830 nach dem Beinamen Vanadis der nordischen Göttin der Schönheit Freya, da Vanadium viele schöngefärbte Verbindungen bildet. 1766 von hydrargenium (gr., 1.) Z Wasserbildner. 1783 von lupi spume (l.) Z Wolf-Schaum, Wolf-Rahm. So wurde das heute als Wolframit bezeichnete Mineral genannt, da seine Gegenwart in Zinnerzen die Reduktion zum Zinn erschwerte und zur Schlackenbildung führt („es reißt das Zinn fort und frisst es auf wie der Wolf das Schaf“). 1898 von xenos (gr.) Z fremd. 1878 siehe Erbium 1794 siehe Erbium. Bereits im 6. Jh. in Persien hergestellt. von Zinken Z zackenartige Formen (vielleicht wegen der bizarren Formen erstarrter Zn-Schmelzen bzw. des Zn-Minerals Galmei). Wurde bereits in ältesten Kulturen verwendet. von stannum (l.) Z Zinn. 1789 nach dem Mineral Zirkon, aus dem es isoliert wurde.
Silicium Si Stickstoff N Strontium Sr Tantal Ta
Tellur Te Terbium Tb Thallium Thorium Th Thulium Tm Titan Ti Uran U
Vanadium V Wasserstoff H Wolfram W
Xenon Xe Ytterbium Yb Yttrium Y Zink Zn
Zinn Sn Zirconium Zr
Der Elementname oder das Elementsymbol leitet sich ab bzw. ist benannt
Herkunft der Elementnamen · Nobelpreise
903
Tabelle 2 Nobelpreise für Chemie1 J. H. van’t Hoff (Berlin): Entdeckung der Gesetze der chemischen Dynamik und des osmotischen Drucks in Lösungen. E. H. Fischer (Berlin): Synthetische Arbeiten auf dem Gebiet der Zucker- und Puringruppen. S. A. Arrhenius (Stockholm): Theorie der elektrolytischen Dissoziation. Sir W. Ramsay (London): Entdeckung der Edelgase und deren Einordnung im Periodensystem. A. v. Baeyer (München): Arbeiten über organische Farbstoffe und hydroaromatische Verbindungen. H. Moissan (Paris): Untersuchung und Isolierung des Fluors und Einführung des elektrischen Ofens („MoissanOfen“). E. Buchner (Berlin): Entdeckung und Untersuchung der zellfreien Gärung. Sir E. Rutherford (Manchester): Untersuchungen über den Elementzerfall und die Chemie der radioaktiven Stoffe. W. Ostwald (Leipzig): Arbeiten über Katalyse sowie über chemische Gleichgewichte und Reaktionsgeschwindigkeiten. O. Wallach (Göttingen): Pionierarbeiten über alicyclische Verbindungen. M. Curie (Paris): Entdeckung des Radiums und Poloniums und Charakterisierung, Isolierung und Untersuchung des Radiums. V. Grignard (Nancy): Entdeckung der „Grignard-Reagenzien“. P. Sabatier (Toulouse): Hydrierung von organischen Verbindungen bei Anwesenheit feinverteilter Metalle. A. Werner (Zürich): Arbeiten über Bindungsverhältnisse der Atome in Molekülen. Th. W. Richards (Cambridge.USA): Genaue Bestimmung der relativen Atommmasse zahlreicher chemischer Elemente. R. Willstätter (München): Untersuchungen über Pflanzenfarbstoffe, besonders das Chlorophyll. (Keine Preisverteilung) (Keine Preisverteilung) F. Haber (Berlin): Synthese des Ammoniaks aus den Elementen. (Keine Preisverteilung)
1
1901 1902 1903 1904 1905 1906
1907 1908 1909
1910 1911
1912
1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919
W. N. Nernst (Berlin): Arbeiten auf dem Gebiet der Thermochemie. F. Soddy (Oxford): Arbeiten über Vorkommen und Natur der Isotope und Untersuchungen radioaktiver Stoffe. F. W. Aston (Cambridge): Entdeckung vieler Isotope in nichtradioaktiven Elementen mit dem Massenspektrographen. F. Pregl (Graz): Entwicklung der Mikroanalyse organischer Stoffe. (Keine Preisverteilung) R. A. Zsigmondy (Göttingen): Aufklärung der heterogenen Natur kolloidaler Lösungen. Th. Svedberg (Uppsala): Arbeiten über disperse Systeme. H. O. Wieland (München): Forschungen über die Konstitution der Gallensäuren und verwandter Substanzen. A. Windaus (Göttingen): Erforschung des Aufbaus der Sterine und ihres Zusammenhangs mit den Vitaminen. A. Harden (London) und H. v. EulerChelpin (Stockholm): Forschungen über Zuckervergärungen und die dabei wirksamen Enzyme. H. Fischer (München): Arbeiten über die Struktur der Blut- und Blattfarbstoffe und die Synthese des Hämins. C. A. Bosch und F. Bergius (Heidelberg): Entdeckung und Entwicklung chemischer Hochdruckverfahren. I. Langmuir (New York): Forschungen und Entdeckungen im Bereich der Oberflächenchemie. (Keine Preisverteilung) H. C. Urey (New York): Entdeckung des schweren Wasserstoffs. F. Joliot und I. Joliot-Curie (Paris): Synthese neuer radioaktiver Elemente. P. J. W. Debye (Berlin): Beiträge zur Molekülstruktur durch Arbeiten über Dipolmomente und über Diffraktion von Röntgenstrahlen und Elektronen in Gasen. Sir W. N. Haworth (Birmingham): Forschungen über Kohlenhydrate und Vitamin C. P. Karrer (Zürich): Forschungen über Carotinoide, Flavine und Vitamine A und B2. R. Kuhn (Heidelberg): Arbeiten über Carotinoide und Vitamine.
1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929
1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936
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Bis 1988 entnommen aus Holleman-Wiberg, Lehrbuch der Anorganischen Chemie, 91.K100. Auflage, de Gruyter 1985.
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Anhang 3
Butenandt (Berlin): Arbeiten über Sexualhormone. L. Ruzicka (Zürich): Arbeiten über Polymethylene und höhere Terpenverbindungen. (Keine Preisverteilung) (Keine Preisverteilung) (Keine Preisverteilung) G. v. Hevesy (Stockholm): Arbeiten über die Verwendung von Isotopen als Indikatoren bei der Erforschung chemischer Prozesse. O. Hahn (Göttingen): Entdeckung der Kernspaltung bei schweren Atomen. A. I. Virtanen (Helsinki): Entdeckung auf dem Gebiet der Agrikultur- und Ernährungschemie, insbesondere Methoden zur Konservierung von Futtermitteln. J. B. Summer (Ithaca): Entdeckung der Kristallisierbarkeit von Enzymen. J. H. Northrop und W. M. Stanley (Princeton): Reindarstellung von Enzymen und Virus-Proteinen. Sir R. Robinson (Oxford): Untersuchungen über biologisch wichtige Pflanzenprodukte, insbesondere Alkaloide. A. W. K. Tiselius (Uppsala): Arbeiten über Analysen mittels Elektrophorese und Adsorption, insbesondere Entdeckungen über die komplexe Natur von Serum-Proteinen. W. F. Giauque (Berkeley): Beiträge zur chemischen Thermodynamik, insbesondere Untersuchungen über das Verhalten der Stoffe bei extrem tiefen Temperaturen. O. P. H. Diels (Kiel) und K. Alder (Köln): Entdeckung und Entwicklung der Dien-Synthese („Diels-Alder-Synthese“). E. M. McMillan und G. Th. Seaborg (Berkeley): Entdeckungen auf dem Gebiete der Transurane. A. J. P. Martin (London) und R. L. M. Synge (Bucksburn): Erfindung der Verteilungschromatografie. H. Staudinger (Freiburg): Entdeckungen auf dem Gebiete der makromolekularen Chemie. L. C. Pauling (Pasadena): Forschungen über die chemische Bindung, insbesondere Strukturaufklärung von Proteinen (Helix). V. du Vigneaud (New York): Isolierung der Hormone der Hypophyse „Vasopressin“ und „Oxytocin“ und deren Totalsynthese.
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Sir C. N. Hinshelwood (Oxford) und N. N. Semjonow (Moskau): Aufklärung der Mechanismen von Kettenreaktionen, besonders im Zusammenhang mit Explosionsphänomenen. Sir A. Todd (Cambridge): Erforschung von Nucleinsäuren und Coenzymen und Synthese von Nucleotiden. F. Sanger (Cambridge): Aufklärung der Aminosäure-Sequenz des Insulins. J. Heyrovsky (Prag): Entdeckung und Entwicklung der polarografischen Analysenmethode. W. F. Libby (Los Angeles): Arbeiten über 3H und über die Altersbestimmung mit 14C. M. Calvin (Berkeley): Arbeiten über die fotochemische CO2-Assimilation. J. C. Kendrew und M. F. Perutz (Cambridge): Röntgenografische Strukturbestimmung von Myoglobin und Hämoglobin. K. Ziegler (Mühlheim.Ruhr) und G. Natta (Mailand): Entdeckungen auf dem Gebiet der Chemie und Technologie von Hochpolymeren. D. Crowfoot-Hodgkin (Oxford): Strukturaufklärung biochemisch wichtiger Stoffe mittels Röntgenstrahlen. R. B. Woodward (Cambridge.USA): Strukturaufklärung und Synthese von Naturstoffen. R. S. Mulliken (Chicago): Quantenchemische Arbeiten, insbesondere Entwicklung der MO-Theorie. M. Eigen (Göttingen), R. G. W. Norrish (Cambridge) und G. Porter (London): Untersuchung extrem schnell verlaufender chemischer Reaktionen. L. Onsager (Connecticut): Untersuchungen zur Thermodynamik irreversibler Prozesse und deren mathematisch-theoretische Bewältigung. O. Hassel (Oslo) und D. H. Barton (London): Arbeiten über die Konformation chemischer Verbindungen. L. F. Leloir (Buenos Aires): Entdeckung der Zuckernucleotide und ihre Rolle bei der Biosynthese der Kohlenhydrate. G. Herzberg (Ottawa): Beiträge zur Kenntnis der Elektronenstruktur und Geometrie der Moleküle, insbesondere der freien Radikale. Ch. B. Anfinsen (Bethesda), S. Moore und W. H. Stein (New York): Aufklärung und Bau der Ribonuclease; Untersuchungen zum Verständnis der bioche-
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Herkunft der Elementnamen · Nobelpreise mischen Wirkungsweise von Ribonuclease. E. O. Fischer (München) und G. Wilkinson (London): Pionierarbeiten auf dem Gebiete der „Sandwich“-Verbindungen. P. J. Flory (Stanford.Calif.): Theoretische und experimentelle Arbeiten auf dem Gebiete der makromolekularen Chemie. J. W. Cornforth (Sussex) und V. Prelog (Zürich): Stereochemischer Ablauf molekularer Reaktionen. W. N. Lipscomb (Cambridge.USA): Strukturklärende und bindungstheoretische Arbeiten im Zusammenhang mit Boranen. I. Prigogine (Brüssel): Beiträge zur Thermodynamik von Nichtgleichgewichtszuständen; Theorie „dissipativer“ Strukturen. P. Mitchell (Bodmin.Cornwall): Beiträge zum Verständnis der biologischen Energieübertragung; Entwicklung der „chemiosmotischen“ Theorie. H. C. Brown (Purdue) und G. Wittig (Heidelberg): Pionierarbeiten auf dem Gebiet der Organobor- und Organophosphorchemie. P. Berg (Stanford.Calif.), W. Gilberg (Cambridge.USA) und F. Sanger (Cambridge.USA): Untersuchungen zur Biochemie und zur Basen-Sequenz von Nucleinsäuren. K. Fukui (Kyoto) und R. Hoffmann (Ithaca): Quantenmechanische Studien zur chemischen Reaktivität. A. Klug (Cambridge): Klärung der molekularen Strukturen von Proteinen, Nucleinsäuren und deren Komplexen durch Elektronenmikroskopie. H. Taube (Stanford.Calif.): Erforschung von Elektronenübertragungsmechanismen der Metallkomplexe. R. B. Merrifield (New York): Entwicklung der Synthese von Peptiden an einer festen Matrix. H. A. Hauptmann (New York) und J. Karle (Washington): Entwicklung direkter Methoden in der Röntgenstrukturanalyse. D. R. Herschbach (Harvard), Y. T. Lee (Berkeley) und J. C. Polany (Toronto): Erforschung der Dynamik chemischer Elementarprozesse. C. J. Pederson (DeNemours), D. J. Cram (Los Angeles) und J. M. Lehn
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(Straßburg): Synthese von Verbindungen zur Simulation der Funktionen von Biomolekülen. R. Huber (Martinsried), J. Deisenhofer (Dallas) und H. Michel (Frankfurt): Kristallisation und Röntgenstrukturanalyse des photosynthetischen Reaktionszentrums aus dem Bakterium Rhodopseudomonas viridis. T. R. Cech (Boulder.Colorado) und S. Altman (New Haven, Conn.): Entdeckung der Katalyse biochemischer Reaktionen durch RNA. E. J. Corey (Harvard): Synthese von Naturstoffen. R. R. Ernst (Zürich): Entwicklung der Methode der hochauflösenden kernmagnetischen Resonanz-Spektroskopie. R. A. Marcus (Pasadena.Calif.): Theorie der Elektronenübertragungsreaktionen in chemischen Systemen. K. B. Mullis (Cetus Coop..Calif.) und M. Smith (Vancouver): Erfindung der Polymerase-Chain Reaction (PCR) zur Vervielfältigung der DNA; Entwicklung der ortsspezifischen Mutagenese. G. A. Olah (Los Angeles): Bahnbrechende Arbeiten über die Struktur, Eigenschaften und Reaktion von Carbokationen. P. J. Crutzen (Mainz), M. J. Molina (Cambridge.USA) und F. Sh. Rowland (Irvine.Calif.): Arbeiten zur Chemie der Atmosphäre, insbesondere zur Bildung und Abbau von Ozon. R. F. Curl, Jr. (Houston), H. W. Kroto (Brighton) und R. E. Smalley (Houston): Entdeckung der Fullerene. P. D. Boyer (Los Angeles), J. E. Walker (Cambridge) und J. R. Skou (Aarhus): Synthese und Nutzung von Adenosintriphosphat (ATP) und Entdeckung der NaC, KC-ATPase (Natriumpumpe). J. A. Pople (Evanston) und W. Kohn (Santa Barbara): Bahnbrechende Beiträge zur Quantenchemie. A. H. Zewail (Caltech Pasadena.Calif.): Untersuchung von Übergangszuständen mit der Femtosekunden-Spektroskopie. A. J. Heeger (Univ. of Calif..Santa Barbara), A. G. MacDiarmid (Univ. of Pennsylvania.Philadelphia) und H. Shirakawa (Tsukuba Univ..Japan): Entdeckung und Entwicklung elektrisch leitender Kunststoffe.
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Anhang 3
W. S. Knowles (Monsanto Co. St. 2001 Louis.USA), R. Noyori (Nagoya Univ..Japan) und K. B. Sharpless (Scripps Research Inst. La Jolla.Calif.): Bahnbrechende Arbeiten über enantioselektive Katalyse. J. Fenn (Virginia Commonwealth Univ., 2002 Richmond, USA), K. Tanaka (Shimadzu Corp., Kyoto, Japan) und K. Wüthrich (ETH Zürich, Schweiz): Massenspektrometrische und NMR-spektroskopische Strukturaufklärung von Proteinen. P. Agre (Hopkins Univ., Baltimore, 2003 USA) und R. MacKinnon (Rockefeller Univ., New York): Aufklärung der Funktionsweise von Wasser- und Ionenkanälen in Zellmembranen.
A. Ciechanover, A. Hershko (Technion 2004 Haifa) und I. Rose (Irvine.Calif.): Entdeckung des Ubiquitin-gesteuerten Proteinabbaus (Proteindegradation). Y. Chauvin (Inst. du Petrol, Rueil-Mal- 2005 maison, Frankr.), R. H. Grubbs (Caltech Pasadena.Calif.) und R. R. Schrock (MIT.Cambridge): Entwicklung der Metathese-Methode. R. D. Kornberg (Stanford.Calif.): Ar- 2006 beiten über die molekularen Grundlagen der Gentranskription in eukaryotischen Zellen.
Sachregister
Im Sachregister sind Verbindungsklassen und wichtige Verbindungen aufgenommen. Mehr Verbindungen enthält das Formelregister. Abrösten sulfidischer Erze 446 Abstoßungsenergie bei Ionenkristallen 86 Acetylen K Zersetzung von Carbiden zu K 525 Achat 534 Acidität 322 Actinium 769 Actinium-Uran-Reihe 14 Actinoide 881 K Elektronenkonfiguration 881 K Oxidationszahlen 883 K Radien 884 K Stellung im PSE 62 K Vorkommen 882 Actinoid-Kontraktion 883 Aggregatzustand K Entropieänderungen 282 Akkumulatoren 370 Aktivierter Zustand 300 K Einfluss der Orbitalsymmetrie 302 Aktivierungsanalyse 20 Aktivierungsenergie 300 K Wirkung von Katalysatoren auf die K 306 Aktivierungsentropie 301 Aktivität 312 K radioaktiver Substanzen 14 Aktivitätskoeffizient 314 Aktivkohle 515 Alanate 588 Alane 588 Alaun KAl(SO4)2 · 12 H2O 593 Albedo 636 Albit Na[AlSi3O8] 540, 614 Alkali-Mangan-Zelle 372 Alkalimetalle K Schrägbeziehung LidMg 613 K Übersicht 612 Alkalimetallgraphitverbindungen 522 Alkalimetallhalogenide 621 K Bildungsenthalpie (Abb.) 623 K Gitterenergien (Abb.) 623 K Schmelzpunkte (Abb.) 622 Alkalimetallhydride 617 K Bildungsenthalpien (Abb.) 623
K Gitterenergien (Abb.) 623 K Übersicht 612 Alkalimetallhydroxide 621 Alkalimetallperchlorate 626 Alkalimetall-Sauerstoff-Verbindungen 618 K Doppeloxide (Me4O6) 619 K Hyperoxide MeO2 619 K Oxide Me2O 618 K Ozonide MeO3 619 K Peroxide Me2O2 618 K Suboxide 618, 620 Alkalimetallsilicate K Verbindungen im System SiO2KNa2O 546 K Wasserglas 546 Alkenkomplexe 722 Alkinkomplexe 722 Alkylchlorsilane 547 ALPO 594 Alter von Gesteinen u. Meteoriten 19 Altersbestimmungen K ArKK-Methode 19 K 14C-Methode 18 K SrKRb-Methode 19 K UKPb-Methode 18 Alterung K von Al(OH)3 589 K von Be(OH)2 602 K von Niederschlägen 551 K von SiO2 · aq 589 K von SnO2 · aq 551 Aluminate 589 Aluminium K Chemisches Verhalten 561 K Darstellung 564 K Legierungen 566 K Struktur 561 K Übersicht über die Elemente der 13. Gruppe 555 K Verwendung 566 K Vorkommen 557 Aluminiumacetat Al(CH3COO)3 593 Aluminiumchlorid AlCl3 592 Aluminiumfluorid AlF3 591 Aluminiumfluorid-Struktur 80
908
Sachregister
Aluminium-Halogen-Verbindungen 591 Aluminiumhydrid (AlH3)n 588 Aluminiumhydroxid Al(OH)3 589 Aluminiumhydroxidoxid Al(OH)O 590 Aluminium(I)-oxid Al2O 591 Aluminiumoxid Al2O3 590 Aluminiumphosphat AlPO4 594 K modifiziert (SAPO, MAPO) 594 K Polymorphe Formen (ALPO) 594 Aluminium-Sauerstoff-Verbindungen 589 Aluminiumsubhalogenide 593 Aluminiumsulfat Al2 (SO4)3 · 18 H2O 593 Aluminiumverbindungen 587 K Charakteristika 587 Aluminium-Wasserstoff-Verbindungen 588 Aluminothermisches Verfahren 562 Amalgame 760 Amalgamverfahren 746 Amethyst 534 Amide 472 Ammoniak 469 K Anteile der Gitterenergie 166 K Basizität 470 K Bindung u. räumlicher Bau 109, 112 K Darstellung 470 K Dipol 126 K Dipolmoment 127 K flüssiges K 469 K Mechanismus der Synthese 471 K p- u. T-Abhängigkeit des Gleichgewichts der Bildung von K 280 K Reaktion 470 K Reaktionsbedingungen der Synthese 308 K Thermodynamik der Bildung von K 287, 294 Ammoniak-Soda-Verfahren 624 Ammoniumnitrat NH4NO3 485 Ammoniumperchlorat K Verwendung für Feststoffraketen 416 Ammoniumpolysulfid 444 Ammoniumsalze 470 Ammoniumsulfid 443 Ammoniumsulfidgruppe 443 Amphibole 537 Ampholyte 321 K pH-Berechnung 333 Amphoterie 564 Anatas 788 Angeregte Zustände 34, 40 Angeregter Kernzustand 14 Anglesit PbSO4 511 Anhydrid 529 Anhydrit CaSO4 424, 598, 608 Anionen 70, 310 Anionenbasen 321 Anionensäuren 321 Anode 310
Anomalie des Wassers 436 Anorganischer Kautschuk 504 Anorganisches Benzol 586 Anorthit Ca[Al2Si2O8] 540, 598 Anteil K Massenanteil 247 K Stoffmengenanteil 247 Anthrachinon-Verfahren 439 Antiferromagnetismus 674 Antifluorit-Typ 77 Antiklopfmittel 554 Antimon K Darstellung 468 K Eigenschaften der Elemente der 15. Gruppe (Tab.) 460 K Modifikationen 468 K Umweltbelastung 468 K Verwendung 468 K Vorkommen 462 Antimon(III)-oxid Sb2O3 507 Antimon(III)-sulfid Sb2S3 507 Antimon(III, V)-oxid Sb2O4 507 Antimon(V)-oxid Sb2O5 507 Antimon(V)-oxidhydrat Sb2O5 · xH2O 507 Antimon(V)-sulfid Sb2S5 508 Antimon-Halogen-Verbindungen K Übersicht 508 Antimonhydrid SbH3 476 Antimon-Sauerstoff-Verbindungen 507 Antimonsäure Sb2O5 · xH2O 507 Antimon-Schwefel-Verbindungen 507 Antineutrino 13 Anti-Stokes-Linie 231 Antiteilchen 20 Apatit Ca5 (PO4)3 (OH, F, Cl) 400, 461, 598, 609 Aquamarin 537, 598 Äquivalent K Äquivalentkonzentration 248 K Definition 247 K Ionenäquivalent 248 K Molare Masse von K 248 K Neutralisationsäquivalent 247 K Redoxäquivalent 248 K Stoffmenge von K 248 Äquivalentdosis 15 Äquivalentkonzentration 248 Äquivalentleitfähigkeit 312 Äquivalenz Masse-Energie 312 Äquivalenzpunkt 338 Ätzen von Glas 410 Ätzkali 621 Ätzkalk 607 Ätznatron 621 Aragonit 608 Arbeit 263, siehe auch elektrische Arbeit und Volumenarbeit
Sachregister K maximale 285 Argentit Ag2S 745 Argon, siehe Edelgase Argonfluorid HArF 390, 395 Arkel-de Boer-Verfahren 788 Aromatenkomplexe 722 Aromatische Ringsysteme 722 Arrhenius-Gleichung 299 Arsan AsH3 477 Arsen K Darstellung 468 K Eigenschaften der Elemente der 15. Gruppe (Tab.) 460 K Iodometrische Bestimmung von As(III) 505 K Modifikationen (Abb.) 467 K Vorkommen 461 Arsen(III)-oxid As2O3 504 Arsen(V)-oxid As2O5 505 Arsen-Halogen-Verbindungen K Übersicht 506 Arsenhydrid AsH3 476 Arsenige Säure H3AsO3 505 Arsenik As2O3 504 Arsenikalkies FeAs2 461 Arsenkies FeAsS 461 Arsennickelkies NiAsS 461 Arsenolith 504 Arsen-Sauerstoff-Verbindungen K Übersicht 504 Arsensäure H3AsO4 505 Arsen-Schwefel-Verbindungen K As4Sn 505 K Thioarsenate 506 K Thioarsenite 506 Assimilation K CO2 528 K N2 463 Assimilationsprozess 463, 528 Astat 399 Atom K Atomhypothese von Demokrit 2 K Atomtheorie von Dalton 2 K Bohr’sches Atommodell 27 K Kernmodell 6 Atomare Masseneinheit 5 Atomarer Wasserstoff 383 Atomaufbau 1, 4 Atombindung 93, siehe auch Chemische Bindung K Bindungsabstände 122 K Bindungsenergien 123 K Polare K 126 K u. Kraftkonstanten 231 K Vergleich der Bindungsarten 206 Atombombe 24 Atomformfaktor 225
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Atomgewicht, siehe Atommasse Atomhülle 5, siehe auch Elektronenhülle Atomkern 5 Atomkristalle 134 Atommasse K Beziehung zur Ordnungszahl 60 Atommasse, relative 246 K Definition 8 K Tabellen 8 K Tabellen Anh. 2 892 Atommodell K Bohr’sches 27 K Kernmodell 6 K Wellenmechanisches 40 Atomorbitale K Definition 42 K des H-Atoms 42 K Kugelflächenfunktion 47 K Linearkombination von K 139 K Orbitalbilder 43, 44 K Orientierung im Raum 44 K Polardiagramme 52 K Radialfunktion 47 K Überlappung von K 103 K von Mehrelektronen-Atomen 54 K Winkelfunktion 47 Atomradien 175 K Lanthanoide 774 Atomreaktor 22 Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons 37, 39 Aufspaltung der RS-Terme 704 Aufwachsverfahren 563 Auripigment As2S3 461, 505 Ausscheidungshärtung von Legierungen 193 Austauschenergie 106 Austauschintegral 140 Auswahlregeln K Schwingungsspektroskopie 232 Autoprotolyse 321, 338 K nichtwässriger Lösungsmittel 338 K von Wasser 321 Avogadro-Gesetz 251 Avogadro-Konstante 245 Avogadro’sche Molekülhypothese 252 K Azid N3 422 Azide 475 Azurit Cu3 (OH)2 (CO3)2 745 Baddeleyit ZrO2 786 Bändermodell, siehe Energiebändermodell Bahndrehimpuls K Quantelung 29 Bahndrehimpulsquantenzahl, siehe Nebenquantenzahl Balmer-Serie des H-Spektrums (Abb.) 33
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Sachregister
Barium K Darstellung 600 K Übersicht über die Erdalkalimetalle 596, 598 K Verwendung 601 Bariumhydroxid Ba(OH)2 611 Bariumoxid BaO 611 Bariumperoxid BaO2 440, 612 Bariumperoxid-Verfahren 426 Bariumsulfat BaSO4 611 Bariumtitanate 790 Bariumverbindungen 611 Barytwasser 611 Basen K Basenbegriff von Lewis 339 K Berechnung des pH-Wertes 328 K Protonenübertragung in nichtwässrigen Lösungsmitteln 338 K Reaktion mit Säuren 330 K Theorie von Arrhenius 319 K Theorie von Brönsted 319 Basenexponent 328 Basenkonstante K Beziehung zur Säurekonstante 328 Basenstärke 320 Baudenkmäler 657 Baufehler in Realkristallen 723 Bauxit 557, 564 Bayerit 589 Bayer-Prozess (N2 H4-Synthese) 474 Benzol K Aromatenkomplexe 722 K Mesomere Formen 126 K MOs u. Energieniveaudiagramm 153, 153, 154 K Resonanzenergie 126, 154 Bergkristall 534 Berlinerblau 855 Beryll Al2Be3 [Si6O18] 537, 598 Beryllium K c.a-Verhältnis der hdp-Struktur 173 K Darstellung 599 K Energiebandschema 180 K Übersicht über die Erdalkalimetalle 596, 598 K Verwendung 600 Berylliumchlorid BeCl2 603 Berylliumfluorid BeF2 603 Berylliumhydrid BeH2 602 Berylliumhydroxid Be(OH)2 602 Berylliumoxid BeO 603 Berylliumverbindungen K Isotypie zwischen BedF- und SidO-Verbindungen 602 K Konsequenzen des Elektronenmangels 601
K Vergleich mit den anderen Erdalkalimetallen 601 Bessemer-Verfahren 843 Bettendorf’sche Arsenprobe 505 B12-Ikosaeder (Abb.) 558 Bildungsenthalpie, siehe Standardbildungsenthalpie Bimolekulare Reaktionen 298 Bindigkeit K Definition 95 K und Gruppennummer 95, 97 K und Valenzelektronenkonfiguration 95 K von Elementen der 2. Periode (Tab.) 96 Bindung, siehe Chemische Bindung Bindungsenergie K Berechnung mit ΔH( B 269 K der Wasserstoffbindung 207 K Einfluss der Abstoßung nichtbindender Elektronenpaare 123 K Tabelle 123 K u. Bindungsordnung (Tab.) 146 K u. MO-Diagramme 141 K u. Stabilität alternativer Strukturen 123 K von (pdp)π-Bindungen 121 K von Unterschalen 241 K von XedF, XedO, KrdF 398 Bindungsgrad, siehe Bindungsordnung Bindungsisomerie 686 Bindungskräfte, chemische 69 K Beziehung zur Bindungsart 206 Bindungslänge K Definition 122 125 K in CO2K 3 K Tabelle 122 K u. Bindungsordnung (Tab.) 146 Bindungsordnung K Definition 145 K u. Bindungseigenschaften (Tab.) 146 K u. Kraftkonstanten 231 Bindungsstärke K in Ionenkristallen 88 K in kovalenten Verbindungen 108 K u. Bindungsart, Vergleich, Tab 206 K u. Hybridisierung 116 K u. Kraftkonstanten 231 Bindungswinkel, siehe räumlicher Aufbau von Molekülen Biotit K(Mg,Fe)3 [AlSi3O10](OH)2 538 Bis(dimethylglyoximato)nickel(II) 864 Bischofit MgCl2 · 6 H2O 400 Bismut K Darstellung 469 K Eigenschaften der Elemente der 15. Gruppe (Tab.) 460 K Verwendung 469 K Vorkommen 462 Bismutate 509
Sachregister Bismutglanz Bi2S3 462 Bismuthalogenidoxide BiXO 509 Bismut-Halogen-Verbindungen 509 Bismuthydrid BiH3 476 Bismut(III)-Halogenide 509 Bismut(III)-oxid Bi2O3 509 Bismut(III)-sulfid Bi2S3 509 Bismut(V)-fluorid BiF5 509 Bismutmonohalogenide BiX 509 Bismutocker Bi2O3 462 Bismut-Sauerstoff-Verbindungen 508 Bitterwässer 598 Blaugel 859 Blausäure HCN 531 Blei K Darstellung 520 K Gruppeneigenschaften der Elemente der 14. Gruppe 510 K Legierungen 521 K Reaktion 520 K Verwendung 521 Blei(II)-acetat Pb(CH3COO)2 553 Blei(II)-carbonat PbCO3 553 Blei(II)-chromat PbCrO4 553 Blei(II)-Halogenide 553 Blei(II)-oxid PbO 552 Blei(II)-sulfat PbSO4 553 Blei(II)-sulfid PbS 553, 511 Blei(II, IV)-oxid Pb3O4 554 Blei(IV)-Halogenide 554 Bleiakkumulator 370 Bleidioxid PbO2 553 Bleiglanz PbS 424 Bleikammerkristalle 479 Bleikammerverfahren 449 Bleistiftminen 515 Bleitetraethyl Pb(C 2 H5)4 554 Bleitetramethyl Pb(CH3)4 554 Bleiverbindungen 552 Bleiweiß Pb(OH)2 · 2 PbCO3 552 Böhmit 590 Bohr’sches Magneton 661 Bohr’sche Elektronenbahnen 29, 30 Bohr’sches Atommodell 27 Bohr’sches Postulat 29, 39 Bor K Chemisches Verhalten 560 K Darstellung 563 K Elektronenkonfiguration von B2 145 K Modifikationen 558 K Quadratisches K, AlB12 564 K Übersicht über die Elemente der 13. Gruppe 555 K Verwendung 564 K Vorkommen 557 Boran-Anionen 577 K Polyedrische K (Abb.) 577
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Borane K Bindung 572 K Boran-Anionen 577 K Carbaborane 578 K Nomenklatur 573 K Strukturen (Abb.) 574 Borate K Hydroxoborate 582 K Metaborate 582 K Orthoborate 582 K Perborate 583 Borax [Na(H2O)4] 2 [B4O5 (OH)4] 557, 583 Boraxperle 583 Borazin 586 Borazon 586 Borcarbid B13C2 571 Borcarbid B24C 559, 571 Bor-Halogen-Verbindungen 583 K Übersicht (Tab.) 584 Boride, siehe auch Metallboride K Einlagerungsverbindungen 204 Bornachweis 581 Born-Haber-Kreisprozess 91 K Berechnung von Gitterenergien 91 K Best. von Elektronenaffinitäten 92 K Best. von Hydratationsenthalpien 93 K Stabilität von Ionenverbindungen 92 Bornit Cu5FeS4 745 Bornitrid BN 585 K Modifikationen 585, 586 Bornitrid B24N 559 Born’sche Abstoßungsenergie, siehe Abstoßungsenergie Borocalcit CaB4O7 · 4 H2O 557 Boroxin-Ring 581 Bor-Sauerstoff-Verbindungen 579 Borsäure H3BO3 210 Bor-Stickstoff-Verbindungen 585, 579 Bortrichlorid BCl3 584 Bortrifluorid BF3 584 Bortrioxid B2O3 581 Borverbindungen K Besonderheiten der Borchemie 566 K Mehrzentrenbindungen (Abb.) 560, 567 Borwasser 580 Bor-Wasserstoff-Verbindungen 571, siehe auch Borane Boudouard-Gleichgewicht 528, 840 K Druckabhängigkeit 279 K Temperaturabhängigkeit 280 K Thermodynamik des K 294 Boyle-Mariotte-Gesetz 250 Bragg-Gleichung 221 Brauneisenstein Fe2O3 · nH2O 838 Brauner Glaskopf 838 Braunstein 830 Bravais-Gitter 217
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Sachregister
Brennstoffzellen 372 K Typen von K (Tabelle) 374 K Verwendung 374 Britanniametall 520 Brom K Chemisches Verhalten 403 K Darstellung 405 K Gruppeneigenschaften der Halogene 399 K Physikalische Eigenschaften 400 K Vorkommen 400 Bromcarnallit KMg(Cl, Br)3 · 6 H2O 400 Bromoxide 418 Bromsylvinit K(Cl, Br) 400 Bromverbindungen K Hydrogenbromid 409, 411 K Interhalogenverbindungen 406 K Oxide 418 K Sauerstoffsäuren 413 Bromwasserstoff, siehe unter Hydrogenbromid Brönsted-Base 319 Brönsted-Säure 319 Bronze 520 Bronzen 747, 821 Bronzezeit 743 Brookit 788 Brutreaktor 23 Bruttokomplexbildungskonstanten 687 Bruttosozialprodukt 627 Buntkupfererz Cu5FeS4 745 Cadmium K c.a-Verhältnis der hdp-Struktur 173 K Darstellung 761 K Eigenschaften 760 K Übersicht über die Elemente der 12. Gruppe 758 K Verwendung 762 K Vorkommen 760 Cadmiumchlorid-Struktur 138 Cadmiumgelb 764 Cadmiumiodid-Struktur 138 Cadmiumrot 764 Cadmiumverbindungen 764 Caesium K Darstellung 616 K Übersicht über die Alkalimetalle 612, 614 K Verwendung 616 Caesiumchlorid-Struktur 76 Calcit 608 Calcit-Struktur 84 Calcium K Darstellung 600 K Übersicht über die Erdalkalimetalle 596, 598
K Verwendung 601 Calciumcarbid CaC2 525, 609 K Herstellung 609 Calciumcarbonat CaCO3 530, 608 Calciumchlorid CaCl2 608 Calciumhydrid CaH2 606 Calciumhydroxid Ca(OH)2 607 Calciumoxid CaO 607 Calciumphosphate 609 Calciumsulfat CaSO4 608 K Anhydrit CaSO4 608 K Gips CaSO4 · 2 H2O 608, 646 Calciumverbindungen 606 Calciumverfahren 645 Carbaborane 578 Carbide K Einlagerungsverbindungen 204 K Kovalente K 524 K Metallische K 526 K Salzartige K 524 Carbonate 529 K Mesomere Formen 124 Carbonathärte 530 Carbonyle, siehe Metallcarbonyle Carbonylhalogenide 720 Carbonylhydride 719 Carbonylmetallat-Anionen 719 Carborund SiC 524, 545 Carnallit KMgCl3 · 6 H2O 400, 598, 614 Carneol 534 Carnotit K(UO2)(VO4) · 1,5 H2O 795, 882 Caro’sche Säure H2SO5 451 Carrolit CuCo2S4 839 Cassiterit SnO2 511 Cassius’scher Goldpurpur 747 Cer 772 Cerimetrie 780 Cermets 546 Cerussit PbCO3 511 Chalcedon 534 Chalkogene K Übersicht (Tab.) 423 Chalkogenionen 435 Chalkogen-Wasserstoff-Verbindungen 441 Chalkopyrit CuFeS2 745 Chalkosin Cu2S 745 Charge-Transfer-Komplexe 488, 713 K des I2-Moleküls 402 Charge-Transfer-Spektren 712 Chelate 681 Chelateffekt 688 Chemilumineszenz 463 Chemische Bindung K Atombindung 93 K Dative Bindung 98 K Grenztypen 69 K Ionenbindung 69
Sachregister K Koordinative Bindung 98 K Metallische Bindung 176 K MO-Theorie 104, 138 K π-Bindung 117 K Polare Atombindung 126 K σ-Bindung 103 K van der Waals-Bindung 164 K VB-Theorie 104 K Vergleich der Bindungsarten 206 K Wasserstoffbindung 206 Chemische Bindungskräfte 69 Chemische Gleichungen 2 K Stöchiometrische Zahlen 265 Chemische Kinetik, siehe Reaktionsgeschwindigkeit u. Reaktionsmechanismus Chemische Thermodynamik 262 Chemische Transportreaktionen 787 Chemische Verschiebung 237 Chemisches Element, siehe Elemente, chemische Chemisches Gleichgewicht 270 K bei Redoxreaktionen 361 K Berechnung von Gleichgewichtskonstanten 281 K Beziehung zu ΔG u. ΔG( 287, 288 K Einfluss von ΔH u. ΔS auf die Gleichgewichtslage 293 K Einfluss der Mischungsentropie 290 K Gleichgewichtszustand 271 K Heterogenes K 275 K Löslichkeitsprodukt 315 K Massenwirkungsgesetz 272, 287 K Protolysegleichgewichte 320 K Symbolisierung 271 K Verschiebung der Gleichgewichtslage 276, Bsp. 278, 279 K von Salzen, Säuren u. Basen 310 Chemisches Volumengesetz 252 Chemisorption 307 Chevrel-Phasen 823 Chilesalpeter NaNO3 400, 485 Chlor K Chemisches Verhalten 403 K Darstellung 405 K Gewinnung durch Elektrolyse 368 K Gleichgewicht der Reaktion Cl2 C 2 BrK 362 K Gruppeneigenschaften der Halogene 399 K Physikalische Eigenschaften 400 K Verwendung 405 K Vorkommen 630 Chloralkali-Elektrolyse 368 Chlorate 416 Chlorid-Schwefelsäure-Verfahren 411 Chlorige Säure HClO2 415
Chlorite 415 Chlorkalk 415 Chlorknallgasreaktion 305, 382 Chloroxide (Tab.) 419 K Chlordioxid ClO2 418 K ClO (Radikal) 420, 631 K ClO4 (Radikal) 421 K Cl2O2 420, 633 K Dichlorheptaoxid Cl2O7 420 K Dichlorhexaoxid Cl2O6 420 K Dichloroxid Cl2O 418 Chlorsauerstoffsäuren K Bindung 413 K Chlorige Säure HClO2 415 K Chlorsäure HClO3 415 K Hypochlorige Säure HOCl 414 K Nomenklatur 413 K Perchlorsäure HClO4 416 K Potentialdiagramm 414 Chlorsäure HClO3 415 Chlorsulfonsäure HSO3Cl 451 Chlorverbindungen K Hydrogenchlorid 409, 411 K Interhalogenverbindungen 406 K Oxide 418 K Sauerstoffsäuren 412 Chlorvorkommen 400 Chlorwasser 414 Chlorwasserstoff, siehe Hydrogenchlorid Chrom K Darstellung 806 K Eigenschaften 805 K Übersicht über die Elemente der 6. Gruppe 804 K Verwendung 805 K Vorkommen 805 Chrom(II)-Komplexe 813 Chrom(II)-Verbindungen K CrdCr-Mehrfachbindungen 813 K Jahn-Teller-Effekt 812 K Redoxpotential 812 Chrom(III)-chlorid CrCl3 811 Chrom(III)-Halogenide 811 Chrom(III)-hydroxid Cr(OH)3 811 Chrom(III)-Komplexe 812 Chrom(III)-oxid Cr2O3 810 Chrom(III)-Verbindungen 810 Chrom(IV)-fluorid CrF4 810 Chrom(IV)-oxid CrO2 810 Chrom(IV)-Verbindungen 810 Chrom(V)-fluorid CrF5 810 Chrom(V)-Halogenidoxide 810 Chrom(V)-Verbindungen 810 Chrom(VI)-oxid CrO3 808 Chrom(VI)-peroxid CrO5 808 Chrom(VI)-Verbindungen K Chromate, Dichromate 807 K Chrom(VI)-oxid CrO3 808
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Sachregister
K Halogenidoxide 809 K Peroxoverbindungen 809 Chromate(IV) 810 Chromate(V) 810 Chromat-Ion CrO2K 4 K Redoxpotential 808 Chromdihalogenide 813 Chromeisenstein FeCr2O4 805 Chromgelb PbCrO4 553, 808 Chromit FeCr2O4 805 Chromrot PbO · PbCrO4 553, 808 Chromsäure H2CrO4 807 Chromylchlorid CrO2Cl2 809 Chrysoberyll Al2[BeO4] 598 cis.trans-Isomerie 684 Cisplatin 880 Citrin 534 Claudetit 504 Claus-Prozess 433 Cluster K Eisen-Schwefel-Cluster 852 K in Alkalimetallsuboxiden 620 K Metallcluster 186 K [Me6X12]2C (Me Z Nb, Ta) 803 K [Me6X12]3C (Me Z Nb, Ta) 803 K [Mo6X8]4C 823 K Nb-Cluster in Nb3X8 803 K Nb6-Cluster in NbO 801 K [Re2X8]2K 835 K [Re3X12]3K 835 K [W6Cl12]6C 823 K [W6X8]4C 823 Cluster bei Metallcarbonylen 718 Clustermetalle 186 Cobalt K Darstellung 847 K Eigenschaften 838 K Übersicht über die Eisengruppe 836 K Verwendung 847 K Vorkommen 839 Cobalt(II)-Halogenide 858 Cobalt(II)-hydroxid Co(OH)2 858 Cobalt(II)-Komplexe 860 Cobalt(II)-oxid CoO 858 Cobalt(II)-Salze 857 Cobalt(II,III)-oxid Co3O4 857 Cobalt(II)- u. Cobalt(III)-Verbindungen 857 Cobalt(III)-fluorid CoF3 859 Cobalt(III)-Komplexe 859 Cobalt(III)-Salze 857 Cobalt(IV)- u. Cobalt(V)-Verbindungen 861 Cobaltglanz CoAsS 839 Cobaltkies Co3S4 839 Cobalt-Schwefel-Verbindungen 859 Cölestin SrSO4 598 Colemanit Ca2B6O11 · 5 H2O 557
Columbit (Fe, Mn) (Nb, Ta)2O6 795 Coulomb-Energie K Beziehung zur Radienquotientenregel 90 K von Ionenkristallen 85 K von Ionenpaaren 85 Coulomb-Integral 140 Coulomb’sches Gesetz 28, 70 Covellin CuS 745 Crackung von Kohlenwasserstoffen 380 Cristobalit 534 Cristobalit-Struktur 78 Cuprit Cu2O 745 Curie-Gesetz 666 Curie-Konstante 666 Curie-Temperatur 666, 670 Curie-Weiss-Gesetz 666 Cyanat OCNK 422 Cyanid CNK 422, 531 Cyanide 531 Cyanidlaugerei 746 Cyansäure HOCN 532 Cyclopentadienylanion (Cp) 722 K Aromatenkomplexe 722 Dampfdruck 256 Dampfdruckerniedrigung 259, 260, 262 Dampfdruckkurve 256 Daniell-Element K Elektrolyse 362 K Gleichgewicht 362 Daniell’scher Brenner 382 Dative Bindung 98 DDT 405 De Broglie-Beziehung 38 Deacon-Verfahren 405 Debye 127 Debye-Scherrer-Verfahren 222 Decavanadation [V10O28]6K (Abb.) 798 Defektelektron 183 Defektstrukturen, spezifische K Scherstrukturen 732 K Statistische Vereilung der Defekte 729 K TiO0,75KTiO1,25 791 K Überstrukturordnung der Defekte 729 K VO0,8KVO1,3 797 Deformationsschwingung 227 Delokalisierung von π-Bindungen 153 K u. Molekülorbitale 149 Deuterierte Verbindungen 384 Deuterium K Deuterierte Verbindungen 384 K Isotopeneffekte 384 K Vergleich von H2 u. D2 (Tab.) 383 Diadochie 536 Diamagnetismus 665
Sachregister Diamant K CVD-Synthese 513 K Eigenschaften 512 K Energiebandschema 155 K Hochdrucksynthese 513 K MOs u. Energieniveaudiagramm 155, 156 K Neue Synthesen 514 K Struktur 134 K Verbotene Zone 184 K Verwendung 512 Diaphragmaverfahren (Chloralkalielektrolyse) 368 Diaspor 590 Diazen N2 H2 475 Dibenzolchrom (Abb.) 722 Diboran B2 H6 572, 576 Dichromat-Ion Cr2O2K 7 K Redoxpotential 808 Dichte K Alkalimetalle 614 K Erdalkalimetalle 598 K 4. Gruppe 784 K 5. Gruppe 794 K Lanthanoide 773 K Platinmetalle 867 Dicyan (CN)2 531 Dielektrizitätskonstante 28 Diffusionsgeschwindigkeit von Gasen 381 Dihydrogenphosphate 494 Diimin N2 H2 475 Dioxygenylverbindungen 440 Diphosphan P2 H4 476 Diphosphorsäure H4P2O7 495 Dipol 126 K fluktuierender K 164 K induzierter K 164 K momentaner K 164 K permanenter K 164 Dipol-Dipol-Wechselwirkung 164 Dipolmoment K Definition 127 K Tabelle 127 K u. Normalschwingungen 232 K u. van der Waals-Energie 210 Disauerstoff O2 K Bindung 424, 425 K Reaktion 425 K Stabilität 425 K VB-Modell 424 Dischwefeldichlorid S2Cl2 459 Dischwefeldioxid S2O2 444 Dischwefelmonooxid S2O 444 Dischwefelsäure H2S2O7 449 Dischweflige Säure H2S2O5 452 Dispersionseffekt 164 K Beitrag zur Gitterenergie 166
Disproportionierung 360 Dissoziationsenergie K Alkalimetallmoleküle Me2 614 K Berechnung mit ΔH( B 269 K Tabelle 123 K u. Bindungsordnung (Tab.) 146 K von Chalkogenmolekülen X2 424 K von Halogenmolekülen 400 K Wasserstoffhalogenide 129 Dissoziationsgrad 314 Distickstoffdioxid N2O2 478 Distickstoffkomplexe 463 Distickstoffmonooxid N2O 296, 477, 636, 640 Distickstoffpentaoxid N2O5 481 Distickstofftetrafluorid N2F4 488 Distickstofftetraoxid N2O4 480 Distickstofftrioxid N2O3 480 Dithionate 454 Dithionige Säure H2S2O4 453 Dithionite 453 Dithionsäure H2S2O6 454 Dolomit CaCO3 · MgCO3 511, 598 Domäne, magnetische 670 Doppelbindungen K Bindungsenergie 122 K Bindungslänge 122 K mit p-Orbitalen 119 K Nicht-klassische-π-Bindungen 156 K u. Kraftkonstanten 231 K u. Schwingungsspektren 235 Doppelbindungsregel 119 Doppelsalze 593, 688 Doppelsuperphosphat 499 Doppelt-hexagonale Struktur 173 d-Orbitale K Gestalt 43, 44 K Hybridisierung unter Beteiligung von K 115 K in der Nichtmetallchemie 116, 398 K Polardiagramme 52 K Radialfunktion (Abb.) 50 K Winkelfunktion (Tab.) 51 Dotierte Halbleiter 184 Downs-Verfahren 615 Drehachse 212, 215 Drehinversionsachse 215 Drehkristallverfahren 222 Drehspiegelachse 213 Dreielektronenbindung 162 Dreifachbindung 117, 119 K Bindungsenergie 122 K Bindungslänge 122 K u. Kraftkonstanten 231 K u. Schwingungsspektren 235
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Sachregister
Dreiwegkatalysatoren 648 Druck 249 K Kritischer 257 K Partialdruck 251 K Standarddruck 249, 266 K u. kinetische Gastheorie 253 dsp2-Hybridorbitale 115 dsp3-Hybridorbitale 115 d2sp3-Hybridorbitale 115 Düngemittel 485, 499, 531, 610, 626 K Mengen 472 Duktilität 168, 174, 738, 741 Dulong-Petit-Regel 178 Duralumin 566 Dysprosium 772 Edelgasartige Ionen K Beziehung zum PSE, Tab. 73 K Eigenschaften 70 K Stabilität Tab. 65, 66, 73 Edelgase K Bindung in Edelgasverbindungen 396, 398 K Clathrate 390 K Gewinnung 390 K Gruppeneigenschaften 389 K Kristallstrukturen 173 K Verbindungen 392 K Verwendung 391 K Vorkommen 390 Edelgashalogenide 392 Edelgaskonfiguration K bei Atombindungen 94 Edelgasregel 715 Edelmetalle 168 Edelsteine 512 Edelsteine, künstliche 590 Edle Metalle 357 EDTA 682 Effektive Kernladung (Tab.) 131 Eigenfehlordnung 726 Eigenfunktion 46 K des H-Atoms 48 K Entartung 47 Eigenhalbleiter 182 Eigenwerte 46 K des H-Atoms 48 Einkernige Komplexe 681 Einlagerungsverbindungen 204 K Eigenschaften (Tab.) 204 K Strukturen (Tab.) 205 Eis K Anomalie von Wasser 436 K Gleitfähigkeit von K 436 K Kristallstruktur 210 Eisen K Darstellung von Roheisen 839 K Darstellung von Stahl 843
K Eigenschaften 837 K Legierungen 845 K Polymorphie 173, 837 K Übersicht über die Eisengruppe 836 K Vorkommen 838 Eisen(II)-carbonat FeCO3 849 Eisen(II)-Halogenide FeX2 851 Eisen(II)-hydroxid Fe(OH)2 849 Eisen(II)-oxid Fe1KxO 850 Eisen(II)-Salze 848 Eisen(II)-sulfid FeS 852 Eisen(II,III)-oxid Fe3O4 , 850 K Mößbauer-Spektrum von K 677 Eisen(III)-fluorokomplexe 854 Eisen(III)-Halogenide FeX3 851 Eisen(III)-hexacyanoferrat(II) Fe4 [Fe(CN)6]3 · nH2O 856 Eisen(III)-oxid (a-Fe2O3; γ-Fe2O3) 850 K Nanopartikel 740 Eisen(III)-oxid-Hydrat 849 Eisen(III)-oxidhydroxid FeO(OH) 849 Eisen(III)-Salze 849 Eisen(III)-sulfid Fe2S3 852 Eisen(III)-thiocyanat Fe(SCN)3 854 Eisen(IV)-, Eisen(V)- u. Eisen(VI)-Verbindungen 856 Eisenglanz 838 Eisen-Komplexverbindungen 854 Eisennickelkies (Fe, Ni)S 839 Eisenoxidpigmente 851 Eisen-Schwefel-Cluster 852 Elektrische Arbeit 285, 349, 362 Elektrische Feldkonstante 28 Elektrische Leitfähigkeit K Beziehung zur Bindungsart 166 K Defektelektronen 183 K Einfluss der Temperatur auf die K von Metallen 178 K 11. Gruppe 743 K Hochtemperatursupraleiter 737 K Hopping-Halbleiter 735 K in Nanomaterialien 738 K Ionenleiter, feste 732 K Ionenleitfähigkeit (Tab.) 313 K Titan 786 K von β-rhomboedrischem Bor 560 K von Elektrolyten 310, 312 K von Graphit 512 K von Halbleitern 183, 186 K von Isolatoren 183 K von Legierungen 191 K von Metallen Abb. 168, 183 Elektrische Lichtquellen 782 Elektrochemische Spannungsreihe, siehe Spannungsreihe Elektrode 349 K Elektrode 2. Art 351 K Kalomel-Elektrode 352
Sachregister K Platinierte Pt-Elektrode 353 K Überspannung 366 K Wasserstoffelektrode 353 Elektrogravimetrie 367 Elektrolyse 362, siehe auch Schmelzelektrolyse K Cadmium 761 K Chloralkalielektrolyse 368 K Faraday-Gesetz 367 K Herstellung von O2 427 K Mangan 827 K Nickel 847 K Raffination von Cu, Ag, Au, Ni 745 K Überspannung 365 K Zersetzungsspannung 365 K Zink 761 Elektrolyte 310 K Festelektrolyte 733, 793 K schwache 314 K starke 313 Elektromagnetische Strahlung 31 Elektromagnetisches Spektrum 230 Elektromotorische Kraft (EMK) K Berechnung 349 K Beziehung zu K 289 K Beziehung zu ΔG 285, 350 K galvanischer Elemente 349 Elektron, siehe auch Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons K Eigenschaften 4 K Energiewerte im H-Atom 30 K Ladungsverteilung in Atomen 37 K solvatisiertes K 470 K Wellencharakter 38 Elektronegativität 128 K absolute 341, K Definitionen u. Skalen 128, 129, 131 K der Elemente (Tab.) 130 K der Hauptgruppenelemente (Abb.) 132 K u. Bindungspolarität 132 K u. Elektronenaffinität 131 K u. Hybridisierung 131 K u. Ionisierungsenergie 131 K u. Valenzzustand 131 Elektronenaffinität K Bestimmung mit dem Born-Haber-Kreisprozess 91 K Definition 66 K u. Elektronegativität 131 K u. Elektronenkonfiguration 66 K von Hauptgruppenelementen (Tab.) 66 Elektronendichte K im H2-Molekül 106 K in Metallen 176 Elektronengas K Entartung 178
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Elektronenhülle 166 K Deformierbarkeit 164 K Polarisierbarkeit 166 K Struktur der K 27 K Weiche u. harte Atome 166 Elektronenkonfiguration K analoge K 58, 59 K Definition 56 K der Elemente bis Z Z 36 57 K der Elemente Tab. 2, Anh. 2 895 K u. Elektronenaffinität 66 K u. Ionisierungsenergie 63 K Unregelmäßigkeiten 56 Elektronenmangelverbindungen 567 Elektronenpaarbindungen 93 Elektronenpaare K Abstoßung nichtbindender K 123 K Bindende 94 K Nichtbindende 94 K VSEPR-Modell 99 Elektronenspektren 703 Elektronenwellen, stehende 39, 40 Elektronenwolke 37 Elektrostahlverfahren 845 Elementarladung 4 Elementarquantum, siehe Elementarladung Elementarteilchen 4 Elementarzelle 219 Elemente K Elementanzahl 1, 7 K Elementbegriff 1, 7 K Entstehung 25 K Gruppen 58 K Häufigkeit in der Erdkruste 377 K Hauptgruppen 61 K Herkunft der Namen 899 K Kosmische Häufigkeit 25 K Nebengruppen 61 K Perioden 61 K Reinelemente, Mischelemente 7 K Theorie von Dalton 2 Elemente, chemische Tab. 1, Anh. 2 K 2, 892 Elemente, galvanische, siehe Galvanische Elemente Elemententstehung 25 Elementhäufigkeit 25, 377 Elementsymbole 1 Elementsymbole Tab. 1, Anh. 2 K 2, 892 Elementumwandlungen 13, 19 Elfenbein, künstliches 604 Eloxal-Verfahren 561 Emaille 545 Emission K CO2 642, 643 K NOx 647
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Sachregister
K SO2 641, 644, 645 K spontane 815 K stimulierte 815 Emulgatoren 497 enantiomorphe Verbindungen 685 Endotherme Reaktion 265 Endzustand 264, 271 Energie K Äquivalenz Masse-Energie 10 K Innere Energie 263 Energiebändermodell 178, 182 K Beziehung zu MOs 155 Energiedosis 15 Energieerhaltungssatz 264 Energieniveaudiagramme K oktaedrischer Komplexe mit σ-Bindungen 710 K oktaedrischer Komplexe mit σ- u. π-Bindungen 711, 712 K 2K 441 K Vergleich von OC 2 , O2 O2 , O2 157 K von ClOK 4 K von CO2 153 K von Diamant 155 K von F2 143 K K von He2 u. He2 141 K von HF 146 K von HFK 2 211 K K von H2 u. H2 141 K von H2O 151 K K von I3 409 K von N2 145 K von O2 144 K von SF6 160 K von XeF2 398 K zweiatomiger heteronuklearer Moleküle 147 Energieniveauschema K des H-Atoms 31 Energieumsatz K bei chemischen Reaktionen 11 K bei Kernreaktionen 11 K bei Kernspaltungen 21 Energieverbrauch (Tab.) 638, 642 Energiezustände K des H-Atoms 30, 40, 42 Enstatit Mg[SiO3] 537, 598 Entartung des Elektronengases 178, 183 Entartung von Energiezuständen 43 K Aufhebung der K 45, 54 Enthalpie 264 K Reaktionsenthalpie 265 Entropie 281, siehe auch Standardentropie u. Standardreaktionsentropie K Aktivierungsentropie 301 K Mischungsentropie 289 K reversible, irreversible Prozesse 293 Erbium 772
Erdalkalimetalle K Schrägbeziehung BedAl 597 K Übersicht 596 Erdalkalimetalloxide K Gitterenergie u. Eigenschaften 88 Erdgas 511, 638 K He-Vorkommen in K 391 Erdkruste K Anzahl der Mineralarten in der K 377 K Häufigkeit der Elemente in der K 377 Erdöl 511 Erneuerbare Energie (Tab.) 643 Ethylendiamin (en) 681 Ethylendiamintetraacetat (~essigsäure) (EDTA) 682 Euchlorin 415 Euklas BeAl[SiO4]OH 598 Europium 772 Eutektikum 192 Eutrophierung 653 Euxenit 780 Exotherme Reaktion 265 Expansion idealer Gase 283 Explosionen 305 Extraktion K Verteilungsgesetz von Nernst 317 fac.mer-Isomerie 685 Faraday-Gesetz 367 Farbe K von Komplexverbindungen 698 Farbpigmente 764, 789 Faserkohlenstoff 515 Faujasit Na2Ca[Al4Si10O28] · 20 H2O 542, 543 Fayence 545 FCKW 412, 630, 634, 637 Fehling’sche Lösung 751 Fehlordnung K in γ-Fe2O3 850 K in Wüstit Fe1KxO 850 K Irreversible K 723 K Reversible K 723 K u. Duktilität 175 Fehlordnung, elektronische 728 K Abhängigkeit vom Partialdruck der Umgebung 728 Fehlordnungsenergie 726 Fehlordnungsgleichgewichte K nichtstöchiometrischer Verbindungen 728 K stöchiometrischer Verbindungen 726 Feldspate 540 Feldstärke, magnetische 659 Fermi-Energie 183 Fernordnung 543 Ferredoxine 838
Sachregister Ferrimagnetismus 671 Ferrite 851 K Sättigungsmomente (Tab.) 673 Ferritine 838 Ferrocen (Abb.) 722 Ferrochrom 806 Ferroelektrizität 790 Ferroin 713, 854 Ferromagnetismus 670 Ferromangan 826 Ferromolybdän 806 Festelektrolyte 733 K Anionenleiter 734 K Messung von O2-Partialdrücken (Abb.) 734 Feuerstein 534 Fischer-Tropsch-Synthese 527 Fixiersalz Na2S3O3 · 5 H2O 455 FKW 635 Flammenfärbungen K Alkalimetalle 612 K Erdalkalimetalle 596 Fluor K Chemisches Verhalten 402 K Darstellung 404 K Energieniveaudiagramm 143 K Gruppeneigenschaften der Halogene 399 K Physikalische Eigenschaften 400 K Verwendung 404 Fluorchlorkohlenwasserstoffe, siehe FCKW Fluoreszenzlampen 782 Fluoride, siehe Sauerstofffluoride Fluorierte Kohlenwasserstoffe 412, 630 Fluorit-Struktur 77 Fluoroaluminate 591 Fluoroborsäure HBF4 584 Fluorverbindungen K Hydrogenfluorid 409 K Interhalogenverbindungen 406 K Sauerstofffluoride 421 Fluorwasserstoff, siehe Hydrogenfluorid Flusssäure 410 Flussspat CaF2 400, 598 Flutlichtlampen 391 Formale Ladung 98 K u. Bindigkeit 99 K u. tatsächliche Ladung 98 Formelumsatz 265 Formiat-Pottasche-Verfahren 625 Fossile Brennstoffe 637, 638 Fotografie 754 Fraktionierende Destillation von Luft 425, 426 Francium 613 Frasch-Verfahren 433
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Freie Reaktionsenthalpie ΔG 285 K u. chemisches Gleichgewicht 287 Freie Standardbildungsenthalpie ΔG( B K Berechnung von ΔG( mit K 286 K Definition 285 K Tabelle 286 Freie Standardreaktionsenthalpie ΔG( 285 K Berechnung aus ΔG( B 286 K Beziehung zu E( 285, 350, 360 K Beziehung zwischen ΔG( u. K 288 Freiheitsgrad 258 Frenkel-Fehlordnung 726 Friedel-Crafts-Reaktionen 592 Frigene 412 Frischen von Roheisen 843 Fulleren, C60 K Bindung 516 K ΔHB( 516 K Eigenschaften 516 K Kristallstruktur 516 K Molekülstruktur (Abb.) 517 Fullerene 516 K Endohedrale K 523 K Exohedrale K 524 K Fünfeck-Sechseck-Regel 516 K Heterofullerene 524 K Instabile K 516 K Kohlenstoffzwiebeln 517 K Nanoröhren 517, 742 Fullerenverbindungen von C60 K Einschlussverbindungen 523 K mit Alkalimetallen 523 K mit H 524 K mit Halogenen 524 Fulminate 532 Gadolinit Be2Y2Fe[Si2O8]O2 770, 780 Gadolinium 772 Gallium K Darstellung u. Verwendung 566 K Eigenschaften 557, 563 K Übersicht über die Elemente der 13. Gruppe 555 K Vorkommen 557 Galliumverbindungen 594 Galmei ZnCO3 761 Galvanische Elemente 347, 370 K Daniell-Element 348 K Elektronische Stromquellen 349 K Konzentrationskette 351 Garnierit (Ni,Mg)6 [Si4O10](OH)8 839 Gase K Diffusionsgeschwindigkeit 381 K Löslichkeit 315 Gase, ideale 249 K Expansion 283 K Geschwindigkeitsverteilung 254
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Sachregister
K Kinetische Gastheorie 252 Gasentladungslampen 782 Gasentladungsröhren 391 Gasgemische 251 Gasgesetz, ideales 249 Gasgesetze 249, 250 Gashydrate K Methan 437 Gaskonstante, universelle 249 Gasmaskeneinsätze 515 Gastheorie, kinetische 252 Gauche-Konformation 473 Gay-Lussac-Gesetz 250 Gefrierpunktserniedrigung 260, 261 Gelbbleierz PbMoO4 511, 805 Germanit Cu6FeGe2S8 511 Germanium K Darstellung 520 K Gruppeneigenschaften der Elemente der 14. Gruppe 510 K Hochdruckmodifikationen 519 K Verbotene Zone 184 K Voraussage der Eigenschaften durch Mendelejew 62 K Zonenschmelzverfahren 195 Germaniumverbindungen 549 Gerüstsilicate 540 Gesättigte Lösung 315 Geschwindigkeit chemischer Reaktionen, siehe Reaktionsgeschwindigkeit u. Reaktionsgeschwindigkeitskonstante Geschwindigkeitsbestimmender Reaktionsschritt 297 Geschwindigkeitskonstante, siehe Reaktionsgeschwindigkeitskonstante Geschwindigkeitsverteilung K u. Reaktionsgeschwindigkeit 301 K von H2-Molekülen 254 K von O2-Molekülen 254 Gesetz der Äquivalenz Masse-Energie 10 Gesetz der Erhaltung der Masse 3, 11 Gesetz der konstanten Proportionen K bei intermetallischen Phasen 188 Gesetz der multiplen Proportionen 3, 11 Gewässerqualität 654 GGG (Gd-Ga-Granate) 782 Gichtgas 842 Gips K Estrichgips 609 K gebrannter K 608 K Stuckgips 608 Gips CaSO4 · 2 H2O 424, 598, 645 Gipsmörtel 610 Gitterenergie K von Ionenkristallen 85, (Tab.) 88 K von Molekülkristallen (Tab.) 166
Gitterenergie von Ionenkristallen K Anteil der Abstoßungsenergie 87 K Anteil der Coulomb-Energie 87 K Anteil der Nullpunktsenergie 89 K Anteil der van der Waals-Energie 89 K Bestimmung mit dem Born-Haber-Kreisprozess 91 K u. Härte 88 K u. Ionenabstand 88 K u. Ionenladung 88 K u. Löslichkeit 89, 312 K u. Schmelzpunkt 88 Gitterschwingungen 235 Gittertypen, siehe unter Kristallstrukturen Glanzcobalt CoAsS 461 Gläser 543 K Archäologie 543 K Bestandteile 544 K Färbung von K 544 K Gebrauchsglas 544 K Glasfasern 545 K Glaskeramik 545 K Glaszustand 543 K Netzwerkbildner 543 K Netzwerkwandler 543 K Quarzglas (Kieselglas) 544 K Trübung von K 545 K Zusätze zu K 544 Glasfasern 545 Glaskeramik 545 Glaskohlenstoff 516 Glaubersalz 625 Gleichgewicht, siehe Chemisches Gleichgewicht Gleichgewichtskonstante 272 K Abhängigkeit von T 277 K Berechnung 281 K Beziehung zwischen Kp u. Kc 275 K u. ΔG( 288 K u. Reaktionsgeschwindigkeitskonstante 303 K von Redoxreaktionen 361 Gleichgewichtslage K Berechnung v. Gleichgewichtskonstanten 281 K Einfluss der Konzentration 276 K Einfluss der Temperatur 277 K Einfluss des Drucks 278 K Einfluss von ΔH u. ΔS auf die K 293 K Prinzip von Le Chatelier 276 Gleichungen K chemische 2 K Kernreaktionen 13, 19 Gleitspiegelebene 216 Glimmer 538 Glühlampen 391 Glühstrümpfe 782
Sachregister Gneis 534 Gold K Anionisches K 756 K Darstellung 746 K Eigenschaften 744 K Kolloidales K 747 K Legierungen K 747 K Übersicht über die Elemente der 11. Gruppe 743 K Vorkommen 745 Gold(I)-chlorid AuCl 756 Gold(I)-iodid AuI 756 Gold(I)-sulfid Au2S 756 Gold(III)-Halogenide 757 Gold(III)-oxid Au2O3 757 Goldverbindungen K Gold(I)-Verbindungen 756 K Gold(II)-Verbindungen 758 K Gold(III)-Verbindungen 757 K Gold(V)-Verbindungen 758 K Koordination 744 K Potentialdiagramm 756 K Stabilität der Oxidationsstufen 755 Graham-Salz 497 Granat Ca3Al2 [SiO4]3 537 Granate K Ferrimagnetismus 669, 672 Granit 534 Graphit K Bindung 512 K Eigenschaften 512 K Glaskohlenstoff 516 K Graphitfasern 515 K Graphitfolien 516 K Graphitierung 514 K Künstlicher K 515 K Pyrographit 515 K Struktur 513 K Verwendung 515 Graphitfluorid CF 521 Graphitfolien 516 Graphitoxid C8O2 (OH)2 522 Graphitsalze 523 Graphitverbindungen K Alkalimetallgraphitverbindungen 522 K Graphitsalze 523 K Kovalente K 521 Grauspießglanz Sb2S3 462, 508 Grenzstrukturen, siehe mesomere Formen Grignardverbindungen RMgX 606 Grünspan 752 Grundzustand 34, 40 Gruppen von Elementen 58 Gruppensilicate 537 GWP-Wert 636, 637 Gyre 215 gyromagnetische Anomalie 662
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Haber-Bosch-Verfahren 470 Hämatit 838 Hämoglobin 837 Härte K Beziehung zur Bindungsart 206 K Chemische K 341 K in Nanomaterialien 738 K u. Gitterenergie 88 Härte des Wassers K Beseitigung der K 497, 530 K Entstehung der K 530 K Härtegrade 530 Häufigkeit der Elemente, siehe unter Elemente, chemische Hafnium K Trennung HfKZr 788 K Übersicht über die Elemente der 4. Gruppe 784 K Vorkommen 786 Hafniumverbindungen 793 Halbleiter K Eigenhalbleiter 182 K für Laser 816 K für Leuchtdioden 783 K III-V-Verbindungen 184 K n-Halbleiter 184 K p-Halbleiter 185 K Störstellenhalbleiter 184 K Zonenschmelzverfahren 195 Halbmetalle 166 Halbwertszeit (Radioaktivität) 16 Halogene K Oxidationsvermögen 403 K Teilschritte der Reaktion X2 (g) C 2 eK % 2 XK (aq.) 404 K Übersicht (Tab.) 399 Halogene, siehe auch Pseudohalogene Halogenide K Gitterenergie u. Eigenschaften 88 K Kovalente K 409 K Salzartige K 88, 411 Halogenlampen 391 Halogensauerstoffsäuren K Tabelle 413 Halogensulfonsäuren HSO3X 450 Halogenverbindungen K Halogenide 409 K Halogenierte Kohlenwasserstoffe 412 K Oxide der Halogene 418 K Polyhalogenide 408 K Sauerstofffluoride 421 K Sauerstoffsäuren der Halogene 412 Halone 630 Harkin-Regel 780 Harnstoff OC(NH2)2 531 Hartblei 521
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Sachregister
Hartmetalle 847 Hartstoffe 204, 546 Hauptgruppen 61 Hauptquantenzahl n 29, 40, 43, 47 Hauptsätze der Thermodynamik K 1. Hauptsatz 264 K 2. Hauptsatz 281 K 3. Hauptsatz 281 Hausmannit Mn3O4 826 Heliotrop 534 Helium, siehe auch Edelgase 9 K Bildung von 24He bei der Kernfusion 24, 25 K 24He 9, 11 Helium II K Superfluidität 390 Heß’scher Satz 266 Henry-Dalton-Gesetz 315 Heterogene Gleichgewichte 275 Heteropolare Bindung, siehe Ionenbindung Heteropolyanionen 821 K Keggin-Struktur (Abb.) 820 Heusler’sche Legierungen 671 Hexachlorozinnsäure H2SnCl6 550 Hexacyanoferrat(II) [Fe(CN)6]4K 854 Hexacyanoferrat(III) [Fe(CN)6]3K 854 Hexafluorokieselsäure H2SiF6 548 Hexagonal-dichteste Packung 170, 171 HFKW 635 high-spin-Zustand 694 Hinreaktion 271 Hochleistungskeramik 545, 741 Hochofen 839 Hochtemperatursupraleiter 737 Holmium 772 Holzkohle 515 Homogene Gleichgewichte 274 Homopolare Bindung, siehe Atombindung Hopping-Halbleiter 735 Hume-Rothery-Phasen 199 K Beispiele (Tab.) 201 K System CudZn (Messing) 199 K Valenzelektronenzahl.Atomzahl 201 Hund’sche Regel 55, 140 Hunter-Verfahren 787 Hybridisierung 110, siehe auch Hybridorbitale K bei der Bildung von MOs 144 K Merkmale der K 116 K u. Bindungsstärke 116 K u. Kraftkonstanten 232 K u. Elektronegativität 131 Hybridorbitale K Beispiele (Tab.) 115 K dsp2-Hybridorbitale 115 K dsp3-Hybridorbitale 115 K d2sp3-Hybridorbitale 115 K sp-Hybridorbitale 113
K sp2-Hybridorbitale 113 K sp3-Hybridorbitale 110 Hydrargillit 589 Hydratation 311 Hydratationsenthalpie 311 K Alkalimetallionen MeC 612 K Bestimmung mit dem Born-HaberKreisprozess 136 K Einfluss auf die Löslichkeit von Salzen 312 K Erdalkalimetallionen Me2C 596 K Tabelle 312 Hydratisomerie 686, 811 Hydrazin N2 H4 473, 473 Hydraziniumsalze 474 Hydride K Einlagerungsverbindungen 204 K Komplexe Übergangsmetallhydride 388 K Kovalente K 385 K Metallcarbonylhydride 719 K Metallische K (System PdKH) 386 K Salzartige K 385 Hydridoaluminate 588 Hydridoborate, siehe auch Boran-Anionen Hydrogenbromid HBr K Eigenschaften (Tab.) 409 Hydrogencarbonate 530 Hydrogenchlorid K Anteile der Gitterenergie 166 K Bildungsmechanismus 305 K Dissoziationsenergie 269 K Eigenschaften (Tab.) 409 K Elektrolyse 364 K Thermodynamik der Bildung 293 Hydrogencyanid HCN 531 Hydrogenfluorid K Bindung in K 108 K Dipol 126 K Eigenschaften (Tab.) 409 K Energieniveaudiagramm 146 K Wasserstoffbrücken 209 Hydrogenhalogenide HX K Bildungsmechanismus 298, 302 K Eigenschaften (Tab.) 409 K Säurestärke 410 K Wasserstoffbrücken in HF 209 Hydrogeniodid HI K Bildungsmechanismus 298, 302 K Eigenschaften (Tab.) 409 K Gleichgewichtskonstante 273 Hydrogenphosphate 494 Hydrogensulfate 450 Hydrogensulfite 452 Hydrolyse 321 Hydronalium 566 Hydrothermalverfahren 534 Hydroxylamin NH2OH 482
Sachregister Hydroxylammoniumsalze 482 Hydroxylapatit 741 Hyperkonjugation 156 K ClOK 4 158 Hyperoxide 440 K der Alkalimetalle 619 Hypervalente Moleküle 97, 156 Hypochlorige Säure HOCl 414 Hypochlorite 415 Hyposalpetrige Säure H2N2O2 486 Ideale Gase, siehe unter Gase, ideale Ideales Gasgesetz, siehe unter Gasgesetz Identität 212 Ilmenit FeTiO3 786 Ilmenite 790 Ilmenit-Struktur 82 Imide 472 Indikatoren K Säure-Base-Indikatoren 336 Indikatorpapier 337 Indium K Darstellung 566 K Eigenschaften 557, 563 K Verwendung 566 K Übersicht über die Elemente der 13. Gruppe 555 K Vorkommen 557 Indiumverbindungen 595 Indizierung von Kristallebenen 220 Induktion, magnetische 659 Induktion von Dipolen 164 Induktionseffekt 164 K Beitrag zur Gitterenergie 166 Industrieproduktion K globale 627 inerte Komplexe 689 Infrarot-Spektroskopie 227, siehe auch Normalschwingungen Inkongruentes Schmelzen 195 Innere Energie 263 Inselsilicate 537 Intercalationsverbindungen 522 Interhalogenverbindungen K Dissoziationsenergien der K des Typs XY (Tab.) 407 K Standardbildungsenthalpien (Tab.) 407 K Strukturen 408 Interionische Wechselwirkung 313, 314 Intermetallische Phasen 188 K Hume-Rothery-Phasen 199 K Klassifikation 196 K Laves-Phasen 198 K Mischkristalle (Tab.) 197 K Zintl-Phasen 201 Inversionszentrum 212
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Iod K Charge-Transfer-Komplexe 402 K Chemisches Verhalten 403 K Darstellung 406 K Gruppeneigenschaften der Halogene 399 K Halbleiter-Metall 401 K Kristallstruktur 401 K Physikalische Eigenschaften 400 K Polyiodidionen 408 K Vorkommen 400 Iodate 417 Iodoxide 419 Iodsäure HIO3 417 Iodstärkereaktion 403 Iodverbindungen K Hydrogeniodid 409, 411 K Interhalogenverbindungen 406 K Oxide von Iod 419, 420 K Polyiodide 408 K Sauerstoffsäuren von Iod 412, 417 Iodwasserstoff, siehe unter Hydrogeniodid Ionen K Farbe 680, 698, 707 K in Ionenkristallen 70 K Komplexe Ionen in Ionenstrukturen 85 K Ladungszahl 70 K Ladungszahl u. Stellung im PSE 73 K Ligandenfeldaufspaltung u. Ionenradien 699 K Magnetische Eigenschaften 697 K mit Edelgaskonfiguration 69, Tab. 73 K Radien 73, Tab. 75 K Wechselwirkung zwischen K 70, 85 Ionen, in Lösungen K Interionische Wechselwirkung 313, 314 K Ionengleichgewichte 314 K Ionenleitfähigkeit 313 Ionen, siehe auch Ionenradien Ionenabstand u. Gitterenergie 88 Ionenäquivalent 248 Ionenaustausch 530 K Trennung der Lanthanoide durch K 781 Ionenaustauscher 530 Ionenbeweglichkeit 313 Ionenbindung 69 K Vergleich der Bindungsarten 208 Ionenbindungsanteil 133 Ionengleichgewichte 314 Ionenisomerie 686 Ionenkristalle K Auftreten von Gittertypen 78 K Bildung 69, 72 K Bindungsstärke 89 K Elektrische Leitung 72 K Elektronendichte 72 K Gitterenergie 85
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Sachregister
K Grenzen der elektrostatischen Theorie 90, 91 K Härte 88 K Löslichkeit 89 K Lösungen von K 72 K Schmelzen von K 72 K Schmelzpunkte 88 K Stabilitätsberechnung mit dem Born-Haber-Kreisprozess 91 K Strukturen, siehe Ionenstrukturen Ionenladung u. Gitterenergie 88 Ionenleitfähigkeit 312 K Tabelle 313 Ionenleitung 72 K u. Fehlordnung 732 Ionenprodukt des Wassers 322 Ionenradien K Actinoide 884 K Änderung mit der KZ 74 K Alkalimetalle 612 K Bestimmung von K 73 K Einfluss der Ligandenfeldaufspaltung 699 K Eisengruppe 836 K Erdalkalimetalle 596 K 3. Gruppe 769 K 4. Gruppe 784 K 5. Gruppe 794 K 6. Gruppe 804 K 7. Gruppe 825 K Lanthanoide 776 K Platinmetalle 867 K Radienquotientenregel 78 K Regeln 74 K Tabelle 75 Ionenstrukturen K Aluminiumfluorid-Typ 81 K Auftreten von Gittertypen 78 K Caesiumchlorid-Typ 76 K Calcit-Typ 84 K Cristobalit-Typ 78 K Fluorit-Typ 77 K Korund-Typ 82 K Natriumchlorid-Typ 71 K Perowskit-Typ 83 K Rutil-Typ 77 K Spinell-Typ 83 K Zinkblende-Typ 77 Ionenverbindungen K Bildung von K 69 K Stabilitätsberechnung mit dem Born-Haber-Kreisprozess 91 Ionisierungsenergie K Alkalimetalle 612 K Chalkogene 423 K Definition 63 K Edelgase 389 K Erdalkalimetalle 596 K 3. Gruppe 769
K K K K K K K K K
4. Gruppe 784 11. Gruppe 743 12. Gruppe 758 13. Gruppe 555 15. Gruppe 460 Halogene 399 H-Atom 41 Hauptgruppenelemente (Abb.) 64 I1KI10 der Elemente bis Z Z 13 (Tab.) 65 K Lanthanoide (I3 u. I4) 779 K u. Elektronegativität 131 K u. Elektronenkonfiguration 63 K u. Struktur der Elektronenhülle 64, 65 K u. van der Waals-Energie 164 Iridium 867 Iridiumgruppe K Komplexverbindungen 874 K Sauerstoffverbindungen 874 K Halogenverbindungen 874 Iridiumhalogenide 874 Iridiumkomplexe 874 Iridium(III)-oxid Ir2O3 874 Iridium(IV)-oxid IrO2 874 Irreversible Prozesse 281 IR-Spektroskopie 227, siehe auch Normalschwingungen Isobare 7 Isoelektronische Teilchen 463 Isolatoren 182 Isomerie 684 Isomerieverschiebung (MößbauerSpektrum) 675 Isonitrile RNC 531 Isopolyanionen K Niob(V) 801 K Tantal(V) 801 K Vanadium(V) 797 Isopolymolybdate 817 Isopolywolframate 817 Isotope K Definition 7 K Häufigkeit (Tab.) 8 K Masse (Tab.) 8 Isotopeneffekt 384 Isotopentrennung 9 Jahn-Teller-Effekt 699 K bei Cr(II)-Verbindungen 812 K bei Cu(II)-Verbindungen 750 K bei Mn(III)-Verbindungen 829 Jaspis 534 Joule-Thomson-Effekt 426 Käfigstrukturen 573, 578 Kältemischungen 261, 608, 622 Kainit KMgCl(SO4) · 3 H2O 400, 598, 614
Sachregister Kalisalpeter 626 Kalium K Darstellung 616 K 40 19 K 14 K Übersicht über die Alkalimetalle 612, 614, 614 Kaliumcarbonat K2CO3 625 Kaliumchlorid KCl 622 Kaliumhexacyanoferrat(II) K4 [Fe(CN)6] 855 Kaliumhexacyanoferrat(III) K3 [Fe(CN)6] 855 Kaliumhydroxid KOH 621 Kaliummanganat(VI) K2MnO4 831 Kaliumnitrat KNO3 485, 626 Kaliumpermanganat KMnO4 831 Kalk, gebrannter 607 Kalkbrennen 607 Kalklöschen 607 Kalkmilch 608 Kalkmörtel 610 Kalkstein 511, 598, 608 Kalkstickstoff 610 Kalkwasser 608 Kalomel Hg2Cl2 765 Kalomel-Elektrode 352, 765 Kaolin 539, 545 Kaolinit Al4 [Si4O10](OH)8 539, 545 Karat 513, 747 Karlsbader Salz 625 Kartesische Koordination K Transformation in Polarkoordinaten 46 Katalysatoren K Aktivität 306 K Chemisorption an K 307 K für Kraftfahrzeuge 648, 649 K Kontakte 307 K Kontaktgifte 308 K Mischkatalysatoren 307 K Platin 307 K Promotoren 307 K Selektivität 308 Katalyse 306 K Haber-Bosch-Synthese 309 K Heterogene K 307 K Homogene K 307 K H2SO4-Synthese 309, 449 K λ-Sonde 648 K Ostwald-Verfahren 478 K u. Aktivierungsenergie 306 K u. Chemisorption 307 K u. Gleichgewicht 306 K u. Reaktionsgeschwindigkeit 306 Kathode 310 Kationen 70, 310 Kationensäuren 321 Keramische Erzeugnisse 545
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Kernbindungsenergie 10, 20 K (Abb.) 11 Kernfusion 24 Kernit Na2B4O7 · 4 H2O 557 Kernkräfte 10 Kernladung, effektive 130 Kernladungszahl 5, 7 Kernmagneton 236 Kernmodell 6 Kernmoment, magnetisches 236 Kernreaktionen 11 K Fusionsreaktor 24 K Kernfusion 24 K Kernspaltung 20 K Kettenreaktion 21 K Künstliche Nuklide 19 K Radioaktives Gleichgewicht 17 K Radioaktivität 12 K Reaktionen mit schweren Kernen 20 Kernreaktionsgleichungen 13, 19 Kernreaktor, siehe Atomreaktor Kernresonanz, magnetische 236 Kernresonanzspektroskopie 236 K Chemische Verschiebung 237 K Kernresonanz 236 K Spin-Spin-Kopplung 238 K u. Molekülstruktur 240 Kernspaltung 20 Kernspin 236 Kernspinquantenzahl 236 Kernumwandlung 19 Kesselstein 530 Kettenbildung K Tendenz bei C-Atomen 510 Kettenreaktion, bei chemischen Reaktionen 305, 382 Kettenreaktion, bei Kernreaktionen 21 Kettensilicate 537 Kettenstrukturen 138 Kieselgel 535 Kieselsäuren 535 Kieserit 598 Kinetik chemischer Reaktionen, siehe Reaktionsgeschwindigkeit u. Reaktionsmechanismus Kinetische Gastheorie 252 Kinetische Hemmung 304 K von Redoxprozessen 364 K Lokalelemente 366 K Überspannung 365 K von Redoxprozessen 361 Kinetische Stabilität von Komplexen 689 Klima und CH4-Gehalt 639 Klima und CO2-Gehalt 637 Klimaänderungen, globale 641, 639, 642 Klimarahmenkonvention 642 Knallgas 382
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Sachregister
Knallgasgebläse 382 Knallsäure 532 Königswasser 484 Kohlen 511, 637 Kohlensäure H2CO3 529, 638 Kohlenstoff K Aktivkohle 515 K 126C 5, 8, 14 K 14C-Methode 18 K Charakteristika 510 K Diamant 512, 513 K Elektronenkonfiguration von C2 145 K Faserkohlenstoff 515 K Fullerene 516 K Glaskohlenstoff 516 K Graphit 512, 515 K Gruppeneigenschaften der Elemente der 14. Gruppe 510 K Kreislauf 639 K Nanopartikel 742 K Phasendiagramm 514 K Pyrographit 515 K Vorkommen 511 Kohlenstoffdioxid CO2 527 K Assimilation 528 K Atmosphäre 637 K Boudouard-Gleichgewicht 528 K Emission 637, 639, 641, 642, 643 K im Meerwasser 639 K in der Luft 528 K Klima u. K 636, 637 K Kristallstruktur 137 K Mesomere Formen 125 K MOs u. Energieniveaudiagramm 151, 152, 153 K Normalschwingungen 228 K p- u. T-Abhängigkeit des BoudouardGleichgewichts 279, 280 K Reinigung 528 K Thermodynamik des Boudouard-Gleichgewichts 294 K Wassergasgleichgewicht 528 K Zersetzung 528 K Zustandsdiagramm 257 Kohlenstoffdisulfid CS2 532 Kohlenstoff-Halogen-Verbindungen 532 Kohlenstoffkreislauf 639 Kohlenstoffmonooxid CO 526 K Darstellung 526 K Metallcarbonyle 713 K Nachweis mit Pd2C 527 K p- u. T-Abhängigkeit des BoudouardGleichgewichts 279, 280 K π-Akzeptorligand 713 K Reaktion 526 K Synthesen mit H2 527
K Thermodynamik des BoudouardGleichgewichts 294 Kohlenstoff-Nanoröhren 517, 742 Kohlenstoffoxide 526 Kohlenstoff-Schwefel-Verbindungen 532 Kohlenstoff-Stickstoff-Verbindungen 531 Kohlenstoffsuboxide 529 Kohlenstofftetrachlorid CCl4 532 Kohlenstofftetrafluorid CF4 532, 640 Kohlenstoffzwiebeln 518 Kohlenwasserstoffe, fluorierte 412, 630 Kohlevergasung 379 Koks 515 Kolbenblitz 562 kollektiver Magnetismus 669 kolloidales Gold 747 Komplexbildung K Einfluss auf Redoxpotentiale 359 Komplexbildungskonstanten, individuelle 687 Komplexverbindungen 680 K Aufbau 680 K Eigenschaften 680 K eindimensionale metallische Leiter 880 K elektrolytische Eigenschaften 680 K Farbe 680, 698, 707 K high-spin- 694 K Ionenreaktionen 681 K Isomerie 683 K Ligandenfeldtheorie 690 K Ligandfeldaufspaltung u. Ionenradien 699 K low-spin- 694 K magnetische Eigenschaften 697 K mit Metallen in niedrigen Oxidationsstufen 714 K Molekülorbitaltheorie 708 K Nomenklatur 682 K π-Komplexe mit organischen Liganden 721 K räumlicher Bau 683 K Stabilität u. Reaktivität 687 K trans-Effekt 879 K Valenzbindungstheorie 689 Komposite 546 Kondensation 256, 495 K intermolekulare K 495 K intramolekulare K 496 Konfigurationsisomerie 684 Kongruentes Schmelzen 195 Konjugierte Base 319 Kontakt (Katalyse) 307 Kontaktgift 308 Kontaktverfahren 449 Konvertierung von CO 380 Konzentration K Massenkonzentration 246 K Äquivalentkonzentration 248
Sachregister K Standardkonzentration 288 K Stoffmengenkonzentration 246 Konzentrationskette 351 K Bestimmung von Löslichkeitsprodukten 352 Kooperativer Magnetismus 669 Koordinationsisomerie 686 Koordinationszahl K Beziehung zur Bindungsart 208 K Definition 71 K in Komplexverbindungen 680, 683 K in Metallen 171, 172 K u. Ionenradien 74 K u. Kristalltyp 133 K u. Metallradien 175 K u. Radienquotient 80 Koordinationszentrum 680 K einkernige, mehrkernige Komplexe 681 Koordinative Bindung 98 Kopplungskonstante 240 Korngrenzen 724, 741 Korrosion 367 Korrosionsschutz 494 Korund α-Al2O3 557, 590 Korund-Struktur 82 Kovalente Bindung, siehe Atombindung Kraftkonstanten K Definition 231 K u. Bindungsordnung 231 K u. Bindungsstärke 231 K u. Hybridisierungszustand 232 K von funktionellen Gruppen 235 K von Mehrfachbindungen 231 K zweiatomiger Moleküle (Tab.) 232 Kreide 511, 598, 608 Kreisprozess, Born-Haber 91 Kristallebenen, Indizierung 220 Kristallgitter, siehe Atomkristalle, Defektstrukturen, Fehlordnung, Gitterschwingungen, Ionenstrukturen, Kristallstrukturen, Molekülkristalle, Kristallsymmetrie, Röntgenbeugung Kristallisationsenthalpie 258 Kristallklasse 215 Kristallstruktur, siehe auch Neutronenbeugung, Röntgenbeugung K AlF3-Typ 81 K Antifluorit-Typ 77 K α-rhomboedrisches Bor 558 K α-tetragonales Bor 559 K Arsen, grau 467 K AuCu 190 K Au3Cu 190 K Berlinerblau 855 K β-Ag2HgI4 730 K Cadmiumchlorid-Typ (CdCl2) 138 K Cadmiumiodid-Typ (CdI2) 137
K K K K K K K K
Caesiumchlorid-Typ (CsCl) 76 Calcit-Typ (CaCO3) 84 Cristobalit-Typ (SiO2) 78 Cu2O-Typ 749 Diamant-Typ 134 Eis I 210 Fluorit-Typ (CaF2) 77 Geordnete Besetzung von Lücken dichtester Packungen (Abb.) 205 K Graphit 513 K hexagonales BN 585 K Hyperoxide MeO2 619 K I2 401 K Keggin-Struktur [H2W12O40]6K 820 K Kohlenstoffdioxid CO2 137 K Korund-Typ (α-Al2O3) 82 K Kupferkies CuFeS2 853 K K2NiF4-Typ 866 K Metallboride 569, 570 K Metalle, doppelt-hexagonale Struktur 173 K Metalle (kdp, krz, hdp) 171, 172 K MgCu2 (Laves-Phase) 199 K NaTl (Zintl-Phase) 203 K Natriumchlorid-Typ (NaCl) 71 K NbO 801 K NiAsKCdI2-Übergänge 731 K Nickelarsenid-Typ (NiAs) 136 K PbMo6S8 824 K Perowskit-Typ (CaTiO3) 83 K Phosphor, schwarz 465 K Pyrit-Typ (FeS2) 853 K Rutil-Typ (TiO2) 77 K Selen, grau 434 K Spinell-Typ (MgAl2O4) 83 K Sulvanit-Typ (Cu3VS4) 235 K VF5 800 K Wurtzit-Typ (ZnS) 135 K YBa2Cu3O7 736 K Zinkblende-Typ (ZnS) 77, 134 Kristallsymmetrie K Bravais-Gitter 217 K des Diskontinuums 215 K des Kontinuums 215 K Elementarzelle 219 K Kristallsysteme 219 Kristallsysteme 219 Kritische Daten (Tab.) 257 Kritische Temperatur 257 Kritischer Druck 257 Kritischer Punkt 257 Kritischer Zustand 256 Krokoit PbCrO4 511, 805 Kroll-Verfahren 787 Kryolith Na3AlF6 400, 557, 592 Krypton, siehe Edelgase Kryptonfluorid KrF2 392, 393
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Sachregister
Kryptonverbindungen K KrdC-Bindung 395 K KrdF-Bindung 392, 397 K KrdN-Bindung 395 K KrdO-Bindung 395 Kubisch-dichteste Packung 170, 171 K Geordnete Besetzung von Lücken 205 Kubisch-flächenzentrierte Packung 170, 171 Kubisch-raumzentrierte Struktur 172 Kugelflächenfunktion 47 Kunstmarmor 604 Kupfer K Darstellung 745 K Eigenschaften 744 K Legierungen 747 K System CuKZn (Messing) 199 K Übersicht über die Elemente der 11. Gruppe 743 K Verwendung 747 K Vorkommen 745 Kupfer(I)-cyanid CuCN 749 Kupfer(I)-Halogenide 749 Kupfer(I)-oxid Cu2O 748 Kupfer(I)-sulfid Cu2S 749 Kupfer(II)-Halogenide 751 Kupfer(II)-hydroxid Cu(OH)2 750 Kupfer(II)-oxid CuO 750 Kupfer(II)-sulfat CuSO4 751 Kupfer(II)-sulfid CuS 751 Kupferglanz Cu2S 745 Kupferkies CuFeS2 424, 745, 852 Kupferlasur Cu3 (OH)2 (CO3)2 745, 752 Kupferverbindungen K Cu(I)-Verbindungen 748 K Cu(II)-Verbindungen 750 K Cu(III)- u. Cu(IV)-Verbindungen 752 K Disproportionierung von Cu(I) 748 K Farben von K 750 K Jahn-Teller-Effekt bei Cu(II) 750 K Koordination 748, 750 K Redoxpotentiale u. Stabilität 748 Kurrol-Salz 497 Ladung K Ionenladung 73 K Partialladung 126 Ladung, formale, siehe formale Ladung Ladungsverteilung von Elektronen in Atomen 37 Ladungswolke des H-Atoms 37 Ladungszahl von Ionen 70 λ-Sonde 648 Langmuir-Fackel 383 Lanthan 769 Lanthanoide K Aktivatoren in Leuchtstoffen 782 K Darstellung 781
K Gruppeneigenschaften 772 K Stellung im PSE 62 K Verwendung 781 K Vorkommen 780 Lanthanoid-Kontraktion 175 Lanthanoid(II)-Verbindungen K Beziehung zu I3 778 K Periodizität des Auftretens 777 K Redoxpotentiale 778 K Verwandtschaft zur 2. Hauptgruppe 778 Lanthanoid(III)-Verbindungen K Farben 777 K Lanthanoid-Kontraktion u. Eigenschaften der K 776 K magnetische Eigenschaften (Abb.) 667 Lanthanoid(IV)-Verbindungen K Beziehung zu I4 778 K Periodizität des Auftretens 777 K Redoxpotential von Ce 780 Lanthanverbindungen 771 Lapislazuli 444, 543 Laser 674, 815 Laue-Verfahren 222 Laves-Phasen 198 K Beispiele 199 K Kristallstruktur von MgCu2 199 K Radienverhältnisse 199 LCAO-Näherung 139 LD-Verfahren 844 Leclanché-Element 372 Leerstellen 725 Legierungen 188, siehe auch Schmelzdiagramme Lehm 545 Leichtmetall, Definition 561 Leitfähigkeit, siehe elektrische Leitfähigkeit Leitungsband 156, 182 Lepidolith KLi1,5Al1,5 [AlSi3O10] (OH,F)2 613 Leuchtdioden (LED) 782 Leuchtstoffe 782 Lewis-Basen; Lewis-Säuren K Beispiele 340 K Definition 339 K Klassifizierung nach Pearson 340 K Reaktionen 340 K „Weiche“ u. „harte“ K 340 Lewis-Formeln 93 Licht 31 K Teilchencharakter 34 Lichtgeschwindigkeit 10, 31 Lichtquanten 34 Liganden K Chelatliganden 681 K Nomenklatur 682 K π-Akzeptorliganden 713, 714
Sachregister K π-Komplexe mit organischen K 721 K Zähnigkeit 681 Ligandenaustauschreaktionen 689 Ligandenfeld 690 Ligandenfeldaufspaltung 691, (Tab.) 696 Ligandenfeldstabilisierungsenergie (LFSE) 695 Ligandenfeldtheorie K Ionenradien 699 K Jahn-Teller-Effekt 699 K Methode des schwachen Feldes 704 K Methode des starken Feldes 704 K Oktaedrische Komplexe 690 K Planar-quadratische Komplexe 702 K Tetraedrische Komplexe 700 Limonit 838 Linde-Verfahren 425 Linearkombination von Atomorbitalen K Bildung von Hybridorbitalen 113 K LCAO-Näherung 139 Linienspektrum 32 Linneit Co3S4 839 Liquiduskurve 189 Lithium K Darstellung 615 K Energiebandschema 178 K Übersicht über die Alkalimetalle 612 K Verwendung 616, 614 Lithiumaluminiumhydrid LiAlH4 588 Lithiumbatterien 372 Lithiumdeuterid 24 Lithiumhydrid LiH 617 Lithium-Ionen-Akkumulatoren 371 Lithopone 611, 763 Löslichkeit 315 K Einfluss der Komplexbildung auf die K 317 K Einfluss der K auf Redoxpotentiale 360 K Verteilungsgesetz von Nernst 317, 318 K von Gasen 315 Löslichkeitsprodukt 316 K Bestimmung 352 K Tabelle 318 Lösungen K Dampfdruckerniedrigung 259 K Gefrierpunktserniedrigung 259 K Gesetz von Raoult 259 K nichtwässriger Lösungsmittel 338 K Phasengesetz 259 K Siedepunktserhöhung 259 Lösungen, feste, siehe Mischkristalle Lösungen, flüssige 310 Lösungen, ideale 313, 314 Lösungsmittel 310 K Nichtwässrige K 338 K Prototrope K 339 Lokalelemente 366
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K u. Korrosion 367 Long bonds 161 Lotuseffekt 738, 741 Low-spin-Zustand 694 LS-Kopplung 662 Luft K Zusammensetzung (Tab.) 391 Luftschadstoffe 644 Luftverbrennung 478 Luftverflüssigung 425 Lutetium 772 Madelung-Konstante K Definition 86, (Tab.) Madrell-Salz 497 Magnalium 566 Magnesia K alba 605 K Kaustische K 604 K Magnesiazement 604 K Sintermagnesia 604 K usta 604 Magnesit MgCO3 511, 598 Magnesium K Darstellung 599 K Energiebandschema 181 K Übersicht über die Erdalkalimetalle 596 K Verwendung 600, 598 Magnesiumcarbonat MgCo3 605 K Basisches K 605 Magnesiumchlorid MgCl2 605 Magnesiumfluorid MgF2 605 Magnesiumhydrid MgH2 603 Magnesiumhydroxid Mg(OH)2 605 Magnesiumoxid MgO 604 Magnesiumsulfat MgSO4 605 K Vitriol MgSO4 · 7 H2O 605 Magnesiumverbindungen 603 Magnesiumverfahren 647 Magneteisenstein Fe3O4 838 Magnetfeld 659 Magnetische Aufspaltung (MößbauerSpektroskopie) 676 Magnetische Eigenschaften K Komplexverbindungen 697 Magnetische Feldstärke 659 Magnetische Induktion 659 Magnetische Kernmomente 236 Magnetische Polarisation 659 Magnetische Quantenzahl ml 41, 43, 47 Magnetisches Bahnmoment 661 Magnetisches Moment 661 K Berechnung 667 K der 3d-Übergangsmetalle (Tab.) 668 K der Lanthanoide (Abb.) 667 K effektives K 666 Magnetisches Spinmoment 661
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Sachregister
Magnetisierung 660 Magnetit Fe3O4 838 Magnetkies Fe1Kx S 839 Magnetochemie 659 Majolika 545 Malachit Cu2 (OH)2CO3 745, 752 Mangan K Darstellung 827 K Eigenschaften 826 K Übersicht über die Elemente der 7. Gruppe 825 K Verwendung 827 K Vorkommen 826 Mangan(II)-Halogenide 828 Mangan(II)-hydroxid Mn(OH)2 828 Mangan(II)-oxid MnO 828 K Neutronenbeugungsdiagramm 680 Mangan(II)-sulfat MnSO4 828 Mangan(II)-sulfid MnS 828 Mangan(II)-Verbindungen 827 Mangan(II,III)-oxid Mn3O4 829 Mangan(III)-chlorid MnCl3 829 Mangan(III)-fluorid MnF3 829 Mangan(III)-oxid Mn2O3 829 Mangan(III)-Verbindungen 829 K Jahn-Teller-Effekt 829 Mangan(IV)-fluorid MnF4 830 Mangan(IV)-oxid MnO2 830 Mangan(IV)-Verbindungen 830 Mangan(V)-Verbindungen 830 Mangan(VI)-Verbindungen 831 Mangan(VII)-Halogenidoxide 832 Mangan(VII)-oxid Mn2O7 831 Mangan(VII)-Verbindungen 831 K Charge-Transfer-Spektrum von MnOK 4 713 K Redoxreaktionen von MnOK 4 832 Manganblau 830 Manganin 827 Manganit MnO(OH) 826 Manganknollen 826 Manganspat MnCO3 826 MAPO 594 Marmor 511, 598, 608 Marsh’sche Probe 477 Maskierung von Ionen 681, 689 Masse 5 K Äquivalenz Masse-Energie 10 K Atomare Masseneinheit 5, siehe auch Massendefekt Masse, molare 245 Massenanteil 247 Massendefekt 9, 13 Massenkonzentration 246 Massenspektrometer 9 Massenspektrometrie 9
Massenwirkungsgesetz K Kinetische Deutung 303 K Thermodynamische Ableitung 287 Massenwirkungsgesetz (MWG) 272, 273, 275, 275, 276 Massenwirkungskonstante K Abhängigkeit von T 277 K Berechnung von K 281 K Beziehung zwischen Kp u. Kc 275 K u. ΔG( 291 K u. Reaktionsgeschwindigkeitskonstante 303 K von Redoxreaktionen 361 Massenzahl, siehe Nukleonenzahl Matrixtechnik 390 Maximale Arbeit 285 Meerwasserentsalzung 437 Mehrbasige Säuren 323 K KS-Werte 324 Mehrelektronen-Atome K Atomorbitale 54 K Aufhebung der Entartung in K 54 K Elektronenkonfiguration 53, Tab. 2, Anh. 2 895 Mehrkernige Komplexe 681 Mehrzentrenbindung 149, 153, 158 K BeHBe-Dreizentrenbindungen 601 K in B(I)-Halogeniden 583 K in BF3 567 K in Boranen 572 K in Bormodifikationen (Abb.) 559 K in ClOK 4 158 K in SF6 160 K in SO3 158 K in XeF2 396 K in XeF4 396 K in XeO4 397 K Typen der 3 Zentren-BBB-Bindungen (Abb.) 560 Membranbrennstoffzellen (PEMFC), Abb. 373 Membranverfahren (Chloralkalielektrolyse) 369 Mennige Pb3O4 554 Mergel 608 Mesomere Formen K Delokalisierung von π-Bindungen 124 K Ionische Grenzstruktur 128 K Resonanzenergie 126 Mesomerie 124 Mesomerieenergie, siehe Resonanzenergie Messing (CuKZn) 199, 747 Metaborsäure (HBO2)n 580 K Modifikationen 580 Metallboride K Bindung 571 K Eigenschaften 568
Sachregister K Strukturen 569, 570 K Verwendung 568 K Zusammensetzungen 568 Metallcarbonyle 713 K Bindung 714 K Carbonylhalogenide 720 K Carbonylhydride 719 K Carbonylmetallat-Anionen 719 K Darstellung 717 K Nitrosylcarbonyle 721 K Strukturen 715 Metallcluster 186 Metalle K Atomradien (Tab.) 175 K Clustermetalle 186 K Duktilität 174 K Edle, unedle K 357 K Einlagerungsverbindungen 204 K Elektrische Leitfähigkeit (Abb.) 168 K Energiebandschema 182 K Hauptgruppenmetalle 168 K Intermetallische Systeme 188 K Klassifizierung 196 K Kristallstrukturen 169 K Nebengruppenelemente 168 K Schmelzpunkte (Abb.) 167 K Stapelfehler 173 K Stellung im PSE 62, 166 K Typische Eigenschaften 168, 177 K Voraussage von Metallstrukturen 173 K Weltproduktion 840 Metallische Bindung 176 K Elektronengas 176 K Energiebändermodell 178 K Vergleich der Bindungsarten 206 Metallischer Zustand 166 Metall-Metall-Bindungen in Clustern 802, 804, 823, 823, 835 Metall-Metall-Mehrfachbindungen 813 Metaphosphate 496 Metaphosphorsäuren (HPO3) 496 Metastabile Systeme 304 Methan K für Brennstoffzellen 373 K Gehalt in der Atmosphäre 636, 637, 640 K Vorkommen in Gashydraten 437 K Zersetzung von Carbiden zu K 525 Miller-Indizes 220 Millon’sche Base 768 Mischelemente 7 Mischkristalle K Bildungsbedingungen 197 K Geordnete K 190 K Lückenlose K 189 K Lückenlose K Tab. 197 K Mischungslücke 193 K Vegard-Regel 197
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Mischungsentropie 290 Mischungslücke 193 MO, siehe unter Molekülorbitale MO-Diagramme, siehe unter Energieniveaudiagramme Mol 245 Molale Gefrierpunktserniedrigung 260 Molalität 246 Molare Masse 245 Molare Masse von Äquivalenten 248 Molares Normvolumen 251 Molarität, siehe Stoffmengenkonzentration Moleküle K Hypothese von Avogadro 252 Molekülgeometrie, siehe räumlicher Aufbau von Molekülen Molekülkristalle 134 Molekülmasse, relative 246 Molekülorbitale K Äquivalente K 142 K Antibindende K 140 K bei Wasserstoffbrücken 211 K Beziehung zu Energiebändern 156 K Bildung von K durch Linearkombination von p-Orbitalen 141, Abb. 142 K Bildung von K durch Linearkombination von s-Orbitalen 140, Abb. 139 K Bindende K 139 K Charakter und Bindungsenergie durch UPS 242 K dative π-Bindung L $% Me 711 K dative π-Bindung Me $% L 712 K heteronuklearer zweiatomiger Moleküle (Abb.) 147 K in Festkörpern 155 K in Metallkristallen 178 K Komplexe mit σ- u. π-Bindung 711, 712 K Komplexe mit σ-Bindung 710 K mehratomiger Moleküle 149 K π-Molekülorbitale 143 K π-Rückbindung 714 K σ-Molekülorbitale 143 K Symmetrie 142 K u. Bindungseigenschaften zweiatomiger Moleküle (Tab.) 146 K Wechselwirkung von σ- u. π-Orbitalen 144 Molekülorbitaltheorie (MO-Theorie) 104, 138 K von Komplexen 708 Molekülschwingung, siehe Normalschwingung Molekülsymmetrie 212, siehe auch unter räumlicher Aufbau von Molekülen K Schwingungsspektroskopie 232 Molekularsiebe 542 Molenbruch 247
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Sachregister
Molybdän K Darstellung 806 K Eigenschaften 805 K Verwendung 806 K Übersicht über die Elemente der 6. Gruppe 804 K Vorkommen 805 Molybdän(IV)-oxid MoO2 817 Molybdän(VI)-oxid MoO3 817 Molybdänblau 817, 818 Molybdänbronzen 822 Molybdänglanz MoS2 805 Molybdän-Halogen-Verbindungen K Cluster bei Mo(II)-Halogeniden 823 K Übersicht 822 Molybdänoxide mit nichtganzzahligen Oxidationszahlen 817 Molybdänsäure 817 Molybdänverbindungen K Halogenide 822 K Heteropolyanionen 821 K Isopolymolybdate 817 K Oxide 817 Monazit 461, 770, 780 Mondgestein, Alter 19 Mond-Prozess 847 Monel 747 Monomolekulare Reaktionen 297 Monosulfan K Protolyse von K 325 Monosulfan H2S 441 Montmorillonit 538 Morion 534 Mörtel 610 Mößbauer-Effekt (Abb.) 675 Mößbauer-Spektroskopie 674 Mößbauer-Spektrum (Abb.) 676, 678 Mosely-Gesetz 67 Münzmetalle 743 K bei alten Kulturvölkern 743 Multiplettaufspaltung 664 Multiplikationsfaktor von Kettenreaktionen 22 Multiplizität von NMR-Spektren 239 Muskovit KAl2[AlSi3O10](OH)2 538, 614 Mussivgold 551 MWG, siehe Massenwirkungsgesetz Nahordnung 543 Nahordnungseffekt in Legierungen 191 Nanopartikel 738 Nano-Röhren 517 K Darstellung 517 K Struktur (Abb.) 517 Nanotechnologie 518, 737 Natrium K Darstellung 615
K Energiebandschema 181 K Übersicht über die Alkalimetalle 612 K Verwendung 616, 614 Natriumcarbonat Na2CO3 623 Natriumchlorid NaCl 400, 622 K Berechnung der Gitterenergie 85 K Bildung von NaCl-Ionenkristallen 69 K Elektrolyse von NaCl-Lösungen 368 K Komponenten der Gitterenergie 89 K Lösungsvorgang 311 K Struktur 71 K Vorkommen 614 Natriumchlorid-Struktur 71 K Punktlagen 220 K Röntgenbeugung u. Struktur 226 K Röntgendiagramm 224 Natriumhydrid NaH 617 Natriumhydrogencarbonat NaHCO3 624 Natriumhydroxid NaOH 621 Natrium-Nickelchlorid-Akkumulator 370 Natriumnitrat NaNO3 485, 625 Natriumperborat Na2 [B2(O2)2 (OH)4] · 6 H2O 583 Natrium-Schwefel-Akkumulator 370 Natriumsulfat Na2SO4 625 Natronlauge K Gewinnung durch Elektrolyse 368 Nebelkammer 13 Nebengruppen 61 Nebengruppenelemente K Unterschiede zu Hauptgruppenelementen 659 Nebenquantenzahl l 41 Néel-Temperatur 674, 43, 47 Neodym 772 Neodym-YAG-Laser 674 Neon, siehe Edelgase Neptunium K 237 93Np 14, 19 Neptuniumreihe 14, 19 Nernst’sche Gleichung 349 Nernst’sches Verteilungsgesetz 317, 7 Neßlers Reagenz 767 Netzwerkbildner 543 Netzwerkwandler 543 Neusilber 747 Neutralisation 319 Neutralisationswärme 319 Neutralisationsäquivalent 247 Neutrino K Eigenschaften 13 Neutron K Eigenschaften 4 K Entdeckung 19 K Verhältnis Neutron.Proton 9 Neutronenaktivierungsanalyse 20 Neutronenbeugung 678
Sachregister K Kernstreuung 678 K Magnetische Streuung 678 Neutronenzahl 6 n-Halbleiter 184 Nicht-klassische-π-Bindung 156 K in ClOK 4 158 K in SO3 158 Nichtmetalle K Stellung im PSE 62 Nickel K Darstellung 845 K Eigenschaften 838 K Übersicht über die Eisengruppe 836 K Verwendung 847 K Vorkommen 839 Nickel(II)-hydroxid Ni(OH2) 862 Nickel(II)-oxid NiO 862 Nickel(III)- u. Nickel(IV)Verbindungen 865 Nickelarsenid-Struktur 137 Nickel-Cadmium-Akkumulator 371 Nickelhalogenide 862 Nickel-Komplexverbindungen 862 Nickel-Metallhydrid-Akkumulator 371 Nickel-Schwefel-Verbindungen 862 Nickelverbindungen 861 Niederschlagsverfahren 468 Niob K Darstellung 796 K Eigenschaften 795 K Übersicht über die Elemente der 5. Gruppe 794 K Verwendung 796 Niob-Halogen-Verbindungen K Clusterverbindungen (Nb6X14, Nb6X15, Nb3X8) 803 K Pentahalogenide 802 K Tetrahalogenide 802 Nioboxide K Nb3nC1O8nK2 (n Z 5, 6, 7, 8) 800 K Niobdioxid NbO2 800 K Niobmonooxid NbO 801 K Niobpentaoxid Nb2O5 800 Niobverbindungen 800 Nitrate 484 K Nachweis 479 Nitration NOK 3 484 K Mesomeriestabilisierung 485 K Physiologische Wirkung 485 Nitride 472 K Einlagerungsverbindungen 204 Nitriersäure 484 Nitrile RCN 531 Nitrite 486 Nitrition NOK 2 486 Nitritokomplexe 486 Nitritpökelsalz 486
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Nitrokomplexe 486 Nitrosylcarbonyle 721 Nitrosylhalogenide 488 Nitrosylkation NOC 479 K Komplexbildung 721 Nitrosylsalze 479 Nitrylhalogenide 489 Nitrylion NOC 2 481 NMR-Spektroskopie, siehe Kernresonanzspektroskopie Normalität, siehe Äquivalenzkonzentration Normalpotential, siehe Standardpotential Normalschwingungen K Antisymmetrische K 229 K Auswahlregeln 232 K Definition 227 K Deformationsschwingung 227 K Entartung von K 232 K funktioneller Gruppen 235 K Gruppenfrequenzen 234 K IR-Aktivität 232 K Kraftkonstanten 231 K Oberschwingungen 229 K Quantelung von K 229 K Raman-Aktivität 232 K Symmetrische K 229 K Torsionsschwingungen 227 K u. Dipolmoment 232 K u. Polarisierbarkeit 232 K u. räumlicher Bau von Molekülen 233 K Valenzschwingungen 227 K von Kristallbaugruppen 235 Normierung von Molekülfunktionen 140 Normierung von Wellenfunktionen 46 Normierungskonstante 46 Normvolumen, molares 251 Nukleonenzahl 6, 7 K magische 9 Nuklide K Definition 7 K radioaktive 7 K Schreibweise 7 K stabile 7 K Tabelle 8 K Zahl der K 20 Nullpunktsenergie K Beitrag zur Gitterenergie von Ionenkristallen 89 OBM-Verfahren 844 ODP-Wert 631 Oktett-Regel 96 Olivin (Fe,Mg)2 [SiO4] 537, 598 Onyx 534 optische Aktivität 686 optische Isomerie 685
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Sachregister
Orbitale, siehe Atomorbitale und Molekülorbitale Orbital-Elektronegativität 131 Orbitalquantenzahlen 42, 43, 47 Ordnung einer Reaktion, siehe Reaktionsordnung Ordnung K Unordnung K u. Entropie 281 Ordnungszahl 7 K Bestimmung aus Röntgenspektren 67 K Beziehung zur Atommasse 60 Orthoborsäure H3BO3 579 K Kondensation von K 580 Orthokieselsäure H4SiO4 535 Orthoklas K[AlSi3O8] 540 Orthophosphate 494 Orthophosphorsäure H3PO4 494 Orthowasserstoff 384 Osmium 867 Osmiumgruppe K Halogenverbindungen 871 K Komplexverbindungen 872 K Sauerstoffverbindungen 870 K Schwefelverbindungen 871 Osmiumhalogenide 872 Osmium(IV)-oxid OsO2 871 Osmium(VIII)-oxid OsO4 870 Osmiumkomplexe 872 Ostwald’sches Verdünnungsgesetz 326 Ostwald-Verfahren 478 Oxidation 344 Oxidationsmittel 346 Oxidationsschmelze 807, 831 Oxidationsstufe, siehe Oxidationszahl Oxidationszahl K Bestimmung der K 342 K Beziehung zur Gruppennummer 343 K der 3d-Elemente (Abb.) 169 K der Elemente bis Z Z 18 (Abb.) 343 K der Hauptgruppenmetalle (Abb.) 169 Oxide K Bildung des Ions O2K 435 K der Alkalimetalle 618 K Ionische Metalloxide 435 Oxidierte Form 345 Ozon O3 K Bindung 161 K Eigenschaften 428 K Entstehung 429, 628, 650 K Reaktionen 428, 630 K Schwellenwerte (Abb.) 428, 652 K Standardpotenzial 428 K stratosphärisches 295 K Thermodynamik der Bildung von K 628 K troposphärisches K 649, 428 Ozonide K der Alkalimetalle 619
Ozonloch 631 K Flächengröße (Abb.) 635 Ozonschicht 628, 630, 634 K Abbau 629 K Ozonverluste 633 K Schutzmaßnahmen 634 Palladium 867 K System PdKH 387 Palladiumhalogenide 877 Palladium(II)-oxid PdO 876 Palladiumkomplexe 878 PAN 650 Paramagnetismus 665 Parawasserstoff 384 Parkes-Verfahren 746 Partialdruck 251 Partialladung 126 Passivität 358, 484 Patronit VS4 795 Pauli-Prinzip 54, 106, 140 Pearson-Klassifizierung von Lewis-Säuren u. Lewis-Basen 340 Pechblende 12 Pentanatriummetaphosphat Na5P3O10 497, 653 Pentlandit (Fe, Ni)S 839 Perborate 583 Perchlorate 416 Perchlorsäure HClO4 416 Perhydrol 438 Perioden 61 Periodensystem 58 K Abb. 60 Periodizität von Elementeigenschaften 58 Periodsäuren K Orthoperiodsäure H5IO6 417 K Periodsäure (HIO4)n 417 K Triperiodsäure H7I3O14 417 Peritektikum 195 Perlen 608 Perlglanzpigmente 740, 789 Permanente Härte 530 Permanentweiß 611 Permangansäure HMnO4 831 Permeabilität 659 Perowskit CaTiO3 786, 790, 833 K Beispiele 81 K Struktur 83 K Wolframbronzen 821 Peroxide 439 K der Alkalimetalle 618 Peroxochromate 809 Peroxodischwefelsäure H2S2O8 451 Peroxodisulfate 452 Peroxomonoschwefelsäure H2SO5 451
Sachregister Peroxophosphorsäuren 499 Peroxo-Prozess 439 Peroxoschwefeloxide 447 Petalit Li[AlSi4O10] 613 p-Halbleiter 185 Phasendiagramme, siehe unter Schmelzdiagramme u. unter Zustandsdiagramme Phasengesetz 258 Phenakit Be2 [SiO4] 537 Phosgen PH3 531 Phosphan PH3 476 K Käfigstrukturen 477 Phosphane K kettenförmige 477 Phosphate, s. Sauerstoffsäuren des Phosphors Phosphatierung 494 Phosphazene (NPX2)n 503 K polymere K 503 Phosphinsäure HPH2O2 498 Phosphonsäure H2PHO3 498 Phosphor K Darstellung 466 K Eigenschaften der Elemente der 15. Gruppe 462, (Tab.) 460 K Modifikationen (Abb.) 463, 464 K Vorkommen 461 Phosphor(III)-oxid P4O6 490 K Struktur (Abb.) 490 Phosphor(III,V)-oxide 492 Phosphor(V)-nitrid P3N5 473 Phosphor(V)-nitride K ternäre 503 Phosphor(V)-oxid P4O10 490 K Hydrolyse 495 K Strukturen (Abb.) 491 Phosphor(V)-oxid P4O18 491 Phosphoreintrag in Gewässern 653 Phosphor-Halogen-Verbindungen K Strukturen 500 K Übersicht (Tab.) 500 Phosphorit 609 Phosphornitriddichlorid (NPCl2)n 503 Phosphoroxide 609 Phosphoroxidsulfide (Abb.) 502, 492 Phosphorpentachlorid PCl5 500 Phosphorpentafluorid PF5 500 Phosphorsäure H3PO4 494 K pKS-Werte 324 Phosphor-Stickstoff-Verbindungen 502 Phosphor-Wasserstoff-Verbindungen 476 Photoelektronenspektroskopie 240 K ESCA 240 K UPS 240 K XPS 240 Photoelektronenspektrum K von Co und CoO 243
K von CuCr2Se4 und CuCr2Se3Br 242 K von Mg und MgO 243 K von N2 244 Photonen 34 Photooxidantien 650 Photosmog 652 pH-Wert K Berechnung für Ampholyte 333 K Berechnung für Basen 328 K Berechnung für Pufferlösungen 336 K Berechnung für Salzlösungen 331 K Berechnung für Säuren 322 K Definition 321 K Einfluss auf Redoxpotentiale 357 K Näherungsformeln (Tab.) 327 K pH-Skala 322 pH-Wert-Berechnungen (Beispiele) K Acetatpuffer 336 K CH3COOK 328 K CH3COOH 324 K CH3COONa 332 K HCl 324 K HClO4 324 K H2S 325 K NaH2PO4 333 K NH4Cl 331 K NH4F 334 K S2K 329 π-Bindung 117 K Delokalisierung 153 K Doppelbindungsregel 119 K Resonanzenergie 154 π-Komplexe mit organischen Liganden K Alkenkomplexe 722 K Alkinkomplexe 722 K Aromatenkomplexe 722 Piezoelektrizität 534 Pigmente 553, 611, 764 K TiO2 789 K ZrO2 793 pKB-Wert 328 pKS-Wert K Definition 323 K Tabelle 323 Plagioklase 614 Planck-Einstein-Gesetz 34 Planck-Konstante 29 Platin 867 Platinelektrode, platiniert 353 Platingruppe K Halogenverbindungen 877 K Komplexverbindungen 878 K Sauerstoffverbindungen 876 Platin(IV)-oxid PtO2 877 Platinhalogenide 877
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Sachregister
Platinkomplexe 878 K eindimensionale elektrische Leiter 880 K trans-Effekt 879 Platinmetalle K Darstellung 869 K Verwendung 870 K Übersicht 867 K Vorkommen 869 Platinschwarz 881 Plutonium K Atombombe 24 K Herstellung von 239 94Pu 23 K Trennung U-Pu 408 Polardiagramme 50, Abb. 52 K Konstruktion (Abb.) 51 Polare Atombindung 126 K u. Elektronegativität 132 Polarisation K Magnetische K 659 Polarisierbarkeit 166 K u. Normalschwingungen 232 K u. van der Waals-Energie 166 Polarkoordinaten 46 Polarographie 367 Pollux Cs[AlSi2O6] · 0,5 H2O 614 Polonium K Gruppeneigenschaften der Chalkogene (Tab.) 423 K Struktur 435 Polyborane 576 Polyhalogenidionen 408 Polykieselsäuren 535 Polymorphie K von Metallen 173 Polyphosphate 496, 497 K hochmolekulare (Schema) 497 K Struktureinheiten (Abb.) 497 Polyphosphorsäuren Hn C 2 PnO3n C 1 496 Polyschwefelanionen 444 Polyschwefeldioxide SnO2 445 Polyschwefelmonooxide SnO 445 Polyschwefelperoxide 447 Polyschwefel-polynitrid (SN)n 490 Polysulfandisulfonsäuren 455 Polysulfane 444 Polythionsäuren 455 p-Orbitale K Gestalt 43, 44 K Hybridisierung unter Beteiligung von K 110K115 K Polardiagramme 52 K Radialfunktion 48, 50 K ψ 48 K ψ2 53 K Überlappung von K 109, 118 Porzellan 545 Positronen 19
Potentialdiagramm 360 K von Chlorsauerstoffsäuren 414 K von Sauerstoffsäuren des Phosphors 494 K von Sauerstoffsäuren des Schwefels 448 Potentiale, elektrochemische, siehe Redoxpotentiale Pottasche 625 Praseodym 772 Primärelemente 370 Primärenergieverbrauch 638, 642 Prinzip des kleinsten Zwangs 276 Prinzip von Le Chatelier 276 Produktionszahlen K Metalle 841 Promethium 772 Promotion 95 Promotionsenergie K der Edelgase 389, 397 Promotoren 307 Propin K Zersetzung von Carbiden zu K 525 Protolysegrad K Abhängigkeit von der Konzentration 326 K Definition 326 Protolysereaktion 320 Protomerie 210 Proton K Eigenschaften 4 K Verhältnis Neutron.Proton 9 Protonenzahl 5, 7 Prototrope Lösungsmittel 339 Proustit Ag3AsS3 745 Prussiate 856 π-Rückbindung 714 K in Metallcarbonylen (Abb.) 714 Pseudohalogene 422 Pufferbereich 336 Pufferkurve 335 Pufferlösungen 334 K Funktion 334 K pH-Wert 335 Punktfehlordnung 723 K u. Diffusion 727 K u. Ionenleitung 727 Punktfehlstellen K Leerstellen 725 K Substitutionsteilchen 725 K Zwischengitterteilchen 725 Punktgruppen 213, (Tab.) 214 K Ermittlung von K (Schema) Anhang 2 899 Punktlagen 220 Pyrargyrit Ag3SbS3 745 Pyrit FeS2 424, 839, 852 Pyrochlor NaCaNb2O6F 795 Pyrographit 515
Sachregister Pyrolusit MnO2 826 Pyroxene 537 Quadrupolaufspaltung (MößbauerSpektroskopie) 676 Quantenzahl 40 K Hauptquantenzahl n 29, 40 K Magnetische Quantenzahl ml 41 K Nebenquantenzahl l 41 K Spinquantenzahl ms 45 Quantenzustände des H-Atoms 30 Quarks 4 Quarz K Hydrothermalsynthese von K 534 K Modifikationen 534 K Piezoelektrizität 534 Quarzglas 534, 544 Quarzsand 534 Quecksilber K Amalgame 760 K Darstellung 761 K Eigenschaften 760 K Übersicht über die Elemente der 12. Gruppe 758 K Verwendung 762 K Vorkommen 761 Quecksilber(I)-nitrat Hg2 (NO3)2 765 Quecksilber(I)-Halogenide 765 Quecksilber(II)-chlorid HgCl2 767 Quecksilber(II)-cyanid Hg(CN)2 767 Quecksilber(II)-fluorid HgF2 767 Quecksilber(II)-iodid HgI2 767 Quecksilber(II)-oxid HgO 766 Quecksilber(II)-Stickstoffverbindungen 768 Quecksilber(II)-sulfat HgSO4 766 Quecksilber(II)-sulfid HgS 766 Quecksilberverbindungen K Besonderheiten der K 764 K Quecksilber(I)-Verbindungen 764, 765 K Quecksilber(II)-Verbindungen 766 K Redoxpotentiale 764 K Stabilität der Oxidationsstufen 765 Quecksilberverfahren (Chloralkalielektrolyse) 369 Racemisches Gemisch 686 Radiale Dichte 49 K Abb. 50 Radialfunktion 47 K Abb. 50 K Tab. 48 Radien K Atomradien von Metallen, Tab. 175 K Ionenradien 73, Tab. 75 K van der Waals-Radien 166, (Tab.) Radienquotienten K Beziehung zum Strukturtyp 80
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K Beziehung zur KZ 80 K von AB-Ionenkristallen 80 K von AB2-Ionenkristallen 81 Radienquotientenregel 78, Tab. 80 K Beziehung zur Coulombenergie 90 Radikale, stabile (NO, NO2) 477 Radikalische Mehrstufenprozesse 302 Radioaktive Verschiebungssätze 13 Radioaktive Zerfallsgeschwindigkeit 15 Radioaktive Zerfallsreihen 14 K Halbwertszeiten 19 Radioaktives Gleichgewicht 17 Radioaktivität K Einheit der K 14 K Künstliche K 19 K Natürliche K 12 K Verschiebungssätze 13 K Zerfallsreihen 14 Radium 12, 14, 597, 600 K U-Ra-Zerfallsreihe Tab. 14, Tab. 19 Radon, siehe Edelgase Radonfluorid 392, 393 Raffination K Kupfer 745 K Roheisen 843 Raman-Spektroskopie 229, 229, siehe auch Normalschwingungen RAM-Zelle 372 Raoult-Gesetz 259 Raschig-Synthese 474 Rauchgas K Entschwefelung 645 K Entstickung 647 Rauchquarz 534 Raumgitter 215 Raumgruppe 217, 67 Räumlicher Aufbau von Molekülen K Einfluss von Wasserstoffbrücken 209 K Hybridisierungs-Modell 110 K NMR-Spektren 240 K Schwingungsspektren 233 K VB-Theorie von Komplexen 689 K VSEPR-Modell 99 Räumlicher Aufbau von Molekülen (Beispiele) K BCl3 114 K BeCl2 113 K C2 H2 119 K C2 H4 119 K ClF3 101 K Dibenzolchrom 722 K Ferrocen 722 K H2O 108, 112 K H2O2 438 K H2S 110 K IF7 101
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Sachregister
K Interhalogenverbindungen XY3, XY5, XY7 407 K Metallcarbonyle 717, 718 K NH3 109 K PCL3F2 102 K PCL4F 102, 112 K PF5 101, 116 K PH3 110 K POF3 103 K Ruthenocen 722 K SF4 101 K SF6 116 K SOF2 103, 160 K SOF4 103 K SO2F2 103 K XeF2 101, 397 K XeF4 397 K XeF6 392 K XeOF2 397, 397 K XeOF4 397 K XeO2F2 103, 397 K XeO3 397 K XeO4 397 397 K XeO4K 6 Rayleigh-Strahlung 231 Reaktionsarbeit 520 Reaktionsenthalpie 262 K Berechnung mit ΔHB( 268 K Definition 265 K Heß’scher Satz 267 K Vorzeichen 265 Reaktionsentropie, siehe Standardreaktionsentropie Reaktionsgeschwindigkeit K Aktivierungsenergie 300 K Einfluss der Konzentration 295 K Einfluss der Temperatur 299 K Einfluss sterischer Bedingungen 301 K Katalyse 306 K Metastabile Systeme 304 K u. chemisches Gleichgewicht 302 K u. Geschwindigkeitsverteilung in Gasen 301 Reaktionsgeschwindigkeitskonstante 297 K Beziehung zur Gleichgewichtskonstante 303 K Einfluss der Aktivierungsenergie 300 K Einfluss von Katalysatoren 306 K Temperaturabhängigkeit 299 Reaktionsmechanismus K Bimolekulare Reaktion 298 K Einfluss von Katalysatoren 306 K Monomolekulare Reaktion 297 K Trimolekulare Reaktion 298 Reaktionsmolekularität 297 Reaktionsordnung 297 Reaktionswärme 265
Realgar As4S4 461, 505 Realkristall 723 Redoxäquivalent 248 Redoxgleichungen K Aufstellen von K 346 Redoxpaar 345 Redoxpotentiale K Abhängigkeit vom pH 357 K Berechnung 349 K Einfluss der Löslichkeit 360 K Einfluss von Komplexbildung 359 K Nernstsche Gleichung 349 K Spannungsreihe (Tab.) 356 K Standardpotentiale 350 K u. Disproportionierung 360 K u. Potentialdiagramm 360 Redoxreaktion 362 K Dispoportionierung 360 K Elektrolyse 362 K EMK von K 349 K Faraday-Gesetz 367 K Galvanische Elemente 347 K Gleichgewichte bei K 361 K Kinetische Hemmung 361 K Redoxgleichungen 346 K Spannungsreihe 356 K Überspannung 365 K u. Potentialdiagramme 360 K von Metallen mit Wasser u. Säuren 357 K Voraussage von K 346, 355 Redoxreihe 346 Reduktion 344 Reduktionsarbeit 520 Reduktionsmittel 346 Reduzierte Form 345 Referenzelektrode 352 Regenwälder 638 Reinelemente 7 Rekombination K von H-Atomen 383 Resonanzenergie 126, 154 Resonanzfrequenz 236 Resonanzintegral 140 Resonanzstrukturen, siehe mesomere Formen Reversible Prozesse 283 Rhenate(VII) 833 Rhenium K Darstellung 827 K Eigenschaften 826 K Verwendung 827 K Vorkommen 826 K Übersicht über die Elemente der 7. Gruppe 825 Rhenium(IV)-oxid ReO2 833 Rhenium(V)-oxid Re2O5 833
Sachregister Rhenium(VI)-oxid ReO3 833 Rhenium(VII)-oxid Re2O7 832 Rhenium(VII)-säure HReO4 832 Rhenium-Halogen-Verbindungen 833 K Cluster bei Re(III)-Halogeniden (Abb.) 834 Rheniumsulfide 833 Rhenium-Wasserstoff-Verbindungen 835 Rhodanwasserstoffsäure HSCN 532 Rhodium 867 Rhodiumhalogenide 874 Rhodiumkomplexe 874 Rhodium(III)-oxid Rh2O3 874 Rhodium(IV)-oxid RhO2 874 Rhodochrosit MnCO3 826 Richteffekt 164 Ringsilicate 537 Rinmans Grün ZnxCo1KxO 763 Rochow-Synthese (Silicone) 547 Roheisen 839 Rohstoffe K Erschöpfung 644 Röntgenbeugung K Aufnahmeverfahren 222 K Beugung an Kristallebenen 221 K Röntgenintensitäten 225 Röntgendiagramme, Indizierung 224 Röntgenspektren 67 Röntgenstrahlung 31, siehe auch Röntgenbeugung K Entstehung von K 67 Rosenquarz 534 Röstarbeit 520 Röstreduktionsverfahren 468 Rostschutzmittel 494, 554 Rotbleierz PbCrO4 511, 805 Roteisenstein Fe2O3 838 Roter Glaskopf 838 Rotkupfererz Cu2O 745 Rotnickelkies NiAs 839 Rubidium K Darstellung 616 K Übersicht über die Alkalimetalle 612, 614 K 87 37 Rb 614 Rubin 557, 590 K Laser 815 Rückkopplungsprozesse 641 Rückreaktion 271 Ruß 515 Russell-Saunders-Kopplung 662, 703 Russell-Saunders-Terme 662 K Auffinden der K 663 K Grundterm (Tab.) 664, Anh. 2 895 K Störung durch Ligandenfelder 704 Ruthenium 867 Rutheniumhalogenide 872
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Rutheniumkomplexe 872 Ruthenium(IV)-oxid RuO2 871 Ruthenium(VIII)-oxid RuO4 870 Ruthenocen (Abb.) 722 Rutil TiO2 786, 788 K Struktur 77 K Struktur 77 Rydberg-Konstante 33, 36 Sättigungsdampfdruck 256 Sättigungsmagnetisierung 672 Säure-Base-Indikatoren K Funktion 336 K Tabelle 337 K Umschlagbereich 337 Säure-Base-Paar 320 K Beziehung zwischen pKS und pKB 328 K Gleichgewichte zwischen K 330 K Indikatoren 336 Säure-Base-Titration (Abb.) 338 Säureexponent 323 Säurekonstante K Beziehung zur Basenkonstante 328 K Definition 323 K Tabelle 323 Säuren K Berechnung des pH-Wertes 322 K Mehrbasige Säuren 323 K Oswald’sches Verdünnungsgesetz 326 K pKS-Werte (Tab.) 323 K Protolysegrad 326 K Protonenübertragung in nichtwässrigen Lösungsmitteln 338 K Reaktion mit Basen 330 K Säurebegriff von Lewis 339 K Säurekonstante 323 K Theorie von Arrhenius 319 K Theorie von Brönsted 319 Säurestärke 322, 323 K u. Oxidationszahl 414 Salpeter 485 Salpetersäure K Mesomere Formen 125 Salpetersäure HNO3 K Beständigkeit 483 K Darstellung 483 K Redoxpotential 484 K Salze 484 K Struktur 484 Salpetrige Säure HNO2 485 Salvarsan 468 Salze K Löslichkeit 316 K pH-Berechnung von Salzlösungen 331 Salzisomerie 686 Salzsäure 411 Samarium 772
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Sachregister
Sandstein 534 Sandwich-Verbindung 722 Saphir 557, 590 SAPO 594 Sauerstoff 424, siehe auch Disauerstoff K Disauerstoff O2 424 K Energieniveaudiagramm 144 K Gruppeneigenschaften der Chalkogene 423 K Herstellung 425 K Ozon O3 123, 428, 628, 633, 650 K O2-Dreielektronenbindung 162 K Physikalische Eigenschaften 424 K Singulett-Sauerstoff 427 Sauerstoffaufblasverfahren 844 Sauerstofffluoride K Disauerstoffdifluorid O2F2 421 K Hypofluorige Säure HOF 422 K Sauerstoffdifluorid OF2 421 Sauerstoffsäuren des Phosphors K Besonderheiten der K 492 K Kondensation 496 K Potentialdiagramm 494 K Typische Gruppen in kondensierten K 492 K Übersicht (Tab.) 493 Sauerstoffsäuren des Schwefels K Potentialdiagramm 448 K Übersicht (Tab.) 448 Sauerstoffsäuren des Stickstoffs K Übersicht 482 Sauerstoffverbindungen K Dioxygenylverbindungen 440 K HOOOH 439 K Hyperoxide 440 K H2O 436 K H2O2 438 K Oxide 435 K Ozonide 440 K Peroxide 439 Saurer Regen 657 Scandium 769 Scandiumverbindungen 771 Schalen 40 K Besetzung mit Elektronen 54 K Stabilität besetzter K 59 Scheelbleierz PbWO4 511 Scheelit CaWO4 805 Scherbencobalt 461 Scherebenen (Abb.) 731 Scherstrukturen 732 K TinO2nK1 (4 % n % 10) 791 K VnO2nK1 (4 % n % 9) 797 Schichtenfolge bei dichtesten Packungen 170 Schichtsilicate 538 Schichtstrukturen 138
Schlacke 843 Schmelzdiagramme 188 K Ausscheidungshärtung 193 K Eutektikum 192 K Inkongruentes Schmelzen 195 K Intermetallische Phasen 188 K Kongruentes Schmelzen 195 K Liquiduskurve 189 K Mischkristalle 189 K Mischungslücke 193 K Peritektikum 195 K Soliduskurve 189 K Überstrukturen 190 Schmelzdiagramme (Beispiele) K AgdAu 189 K BidCd 192 K CudAg 193 K CudAu 190 K FedPb 195 K MgdGe 194 K NadK 195 Schmelzelektrolyse zur Darstellung von K Al 565 K B 563 K Be 599 K Ca 600 K F2 404 K Li 615 K Mg 599 K Na 615 Schmelzen K im Kristallwasser 625 K inkongruent 195 K kongruent 195 Schmelzflusselektrolyse, siehe Schmelzelektrolyse Schmelzkurve 258 Schmelzpunkt 258, der Elemente, siehe dort K Beziehung zur Bindungsart 206 K Lanthanoide 773 K u. Gitterenergie 88 K von Metallen (Abb.) 167 Schmelztemperatur 258 Schmelzwärme 258 Schmirgel 557 Schönit 598 Schottky-Fehlordnung 726 Schrägbeziehung im PSE 556, 597, 613 Schraubenachse 216 Schraubenversetzung 725 Schrödinger-Gleichung 40, 46, 53 Schwarzpulver 485 Schwefel K Chemisches Verhalten 432 K Darstellung 433 K Gruppeneigenschaften der Chalkogene 423
Sachregister K Modifikationen 430, 432 K Natürlicher Schmelzpunkt 430 K Physikalische Eigenschaften 424 K Verwendung 433 K Vorkommen 424 K Zustandsdiagramm 431 Schwefeldioxid SO2 446 K Emission 641, 644, (Abb.) 646 K Normalschwingungen 228 K Rauchgasentschwefelung 645 Schwefelhalogenidoxide 459 Schwefel-Halogen-Verbindungen K Übersicht (Tab.) 458 Schwefelhexafluorid SF6 457 K Bindung 160 K MO-Diagramm 160 K Treibhausgas 640 Schwefelketten 430 Schwefelmonooxid SO 445 Schwefel-Phosphor-Verbindungen P4Sn (Abb.) 501 Schwefelringe (Abb.) 432 K Synthese aus Polysulfanen 444 Schwefelsäure H2SO4 K Eigenschaften 449 K Halogenderivate 450 K Salze 450 K Technische Darstellung 449 Schwefel-Stickstoff-Verbindungen K Übersicht 489 Schwefeltetraoxid SO4 447 Schwefeltrioxid SO3 446 K Bildung durch homogene Katalyse 306 K Bindung 446 K Darstellung 449 K Modifikationen 446 K Reaktionsbedingungen der Synthese 309 Schwefelverbindungen K Halogenverbindungen 457 K Sauerstoffsäuren 448 K Schwefeloxide 444 K Wasserstoffverbindungen 441 Schwefelwasserstoff, siehe Monosulfan Schwefelwasserstoffgruppe 443 Schweflige Säure H2SO3 452 Schweinfurter Grün Cu3 (AsO3)2 · Cu(CH3COO)2 477, 752 Schweißen, autogenes 382 Schwerspat BaSO4 424, 598 Schwingung, siehe Normalschwingungen Schwingungsfrequenz 31 Schwingungsspektroskopie 227, siehe auch Normalschwingungen Sekundärelemente 370 Selen K Darstellung 435
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K Gruppeneigenschaften der Chalkogene (Tab.) 423 K Modifikationen 434 K Physikalische Eigenschaften 424 K Physiologische Wirkung 434 K Vorkommen 424 Selendioxid SeO2 455 Selenhalogenide 459 Selenige Säure H2SeO3 456 Selensäure H2SeO4 456 Selentrioxid SeO3 456 Seltenerdmetalle 772 K c.a-Verhältnis der hdp-Struktur 173 Senfgas 459 Serpentin Mg6 [Si4O10](OH)8 539, 598 Seveso-Dioxin 405 Shell-Deacon-Verfahren 405 Sialone 546 Siderit FeCO3 511, 839 Siedepunkt 256 K u. van der Waals-Kräfte 166, (Tab.) 164 Siedepunkte der Elemente, siehe dort Siedepunktserhöhung 260 Siedetemperatur 256 K Einfluss von Wasserstoffbrücken (Abb.) 208 Siemens-Martin-Verfahren 844 Siemens’scher Ozonisator 429 Silandiol R2Si(OH)2 547 Silane K Bindungspolarität in K 533 K Cyclische K 533 K Kettenförmige K 532 K Polymere K 533 K Vergleich mit Alkanen 533 Silanol R3SiOH 547 Silantriol RSi(OH)3 547 Silber K Darstellung 746 K Eigenschaften 744 K Verwendung 747 K Vorkommen 745 K Übersicht über die Elemente der 11. Gruppe 743 Silber(I)-Halogenide K Fotografie 754 K Komplexe 753 K Löslichkeit 753 Silber(I)-oxid Ag2O 753 Silber(II)-fluorid 754 Silbercyanid AgCN 754 Silberglanz Ag2S 745 Silbernitrat AgNO3 753 Silbersulfid Ag2S 753 Silberthiocyanat AgSCN 754 Silberverbindungen K Koordination 753
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Sachregister
K Potentialdiagramm 752 K Silber(I)-Verbindungen 752 K Silber(II)-Verbindungen 754 K Silber(III)-Verbindungen 755 K Stabilität der Oxidationsstufen 752 Silicagel 535 Silicate K Alumosilicate 537 K Silicatanionen (Abb.) 536 K Systematik 536 Silicium K Bandschema 185 K Darstellung 519 K Einbau von Störstellen 184 K Gruppeneigenschaften der Elemente der 14. Gruppe 510 K Hochdruckmodifikationen 519 K Reaktion 519 K Verbotene Zone 184 K Zonenschmelzverfahren 195 Siliciumcarbid SiC 524, 545 Siliciumdifluorid SiF2 548 Siliciumdioxid SiO2 533 K Bindung 533 K Chemische Resistenz 535 K Faserförmiges K 534 K Modifikationen 534 K Nanopartikel 741 K Quarzglas 534 K Synthetische Quarzkristalle 534 K Verbindungen im System SiO2 · Na2O 546 Siliciumdisulfid SiS2 549 Silicium-Halogen-Verbindungen 547 Siliciummonooxid SiO 535 Siliciumoxide 533 Siliciumtetrachlorid SiCl4 548 Siliciumtetrafluorid SiF4 547 Silicium-Wasserstoff-Verbindungen 532, siehe auch Silane Silicomangan 826 Silicone 546 Sillimanit Al[AlSiO5] 537 Singulett-Sauerstoff 427 Sinterkorund 590 Sintermagnesia 604 Site-preference-Energie (Tab.) 697 Smaragd 537, 598 Smithsonit ZnCO3 761 Smog K Photosmog 652 K Saurer Smog 653 Soda 623 Sodalith Na4 [Al3Si3O12]Cl 543 K Nitridosodalithe 503 K Phosphor-Stickstoff K 503 Soliduskurve 189
Solvatisierte Elektronen 470 Solvay-Prozess 624 Sonne 25 Sonnenlichtspektrum 634 Sonnenschutz 740 s-Orbitale K Gestalt 43 K Hybridisierung unter Beteiligung von K 110K115 K ψ, ψ2, radiale Dichte 47, 48, 49, 50 K Überlappung von K 109 Sorelzement 604 Spannungsreihe (Tab.) 356 Spateisenstein FeCO3 839 Speiscobalt (Co,Ni)As3 839 Spektralanalyse 32 Spektrochemische Reihe 695 Spektroskopie K IR-Spektroskopie 227 K Kernresonanzspektroskopie 236 K Massenspektrometrie 9 K Mößbauer-Spektroskopie 674 K Photoelektronenspektroskopie 240 K Raman-Spektroskopie 227 Spektrum K d-d-Übergänge 705, 706, 707, 708 K Kontinuierliches K 32 K Linienspektrum 32 K Röntgenspektrum 67 Spektrum von H-Atomen (Abb.) 33 K Berechnung des K 35 Sphalerit ZnS 760 sp-Hybridorbitale 113 sp2-Hybridorbitale 113 sp3-Hybridorbitale 110 Spiegelbildisomerie 685 Spiegelebene 212, 215 Spin 45 Spinell MgAl2O4 591 Spinelle 598, 790, 799, 811, 858 K Beispiele 84 K Defektstruktur 850 K Fehlgeordnete K 84 K Ferrimagnetismus 672 K Gitterschwingungen 235 K Inverse K 84 K Ligandenfeldstabilisierungsenergie 697 K Normale K 84 K Struktur (Abb.) 83 Spinmultiplizität 663 Spin-only-Werte 668 Spinordnung 669, siehe auch Neutronenbeugung u. Mößbauer-Spektroskopie K Antiferromagnetische K 669 K Ferromagnetische K 669 K Spiralstrukturen 669 K Verkantete Spinstrukturen 669
Sachregister Spinordnung (Abb.) 669 Spinquantenzahl ms 45 Spin-Spin-Kopplung 238 Spodumen LiAl[Si2O6] 537, 613 Spontane Magnetisierung 669 Sprödigkeit, siehe Duktilität Sprungtemperatur 737 Spurengase, klimarelevante 637, 640 Stabilität K Komplexe 687 Stabilitätskonstanten 687 Stadtgas 526 Stahlerzeugung 843 Standardbildungsenthalpie ΔHB( K Berechnung von ΔH( 269 K Berechnung von Bindungsenergien 270 K Berechnung von Dissoziationsenergien 269 K Definition 268 K der Erdalkalimetallhydride MeH2 596 K der Erdalkalimetalloxide MeO 596 K Tabelle 269 K von MeF5 (Me Z V, Nb, Ta) 794 K von Me2O5 (Me Z V, Nb, Ta) 794 Standarddruck 249, 266 Standard-EMK K Beziehung zu ΔG( 350 Standardentropie K Berechnung von Entropieänderungen 282 K Definition 281 K Tabelle 281 Standardkonzentration 288 Standardpotential K Definition 350 K Messung 354 K Spannungsreihe (Tab.) 356 K Wasserstoffelektrode 353 Standardpotentiale der K Actinoide 881 K Alkalimetalle 614 K Eisengruppe 836 K 3. Gruppe 769 K 4. Gruppe 784 K 5. Gruppe 794 K 6. Gruppe 804 K 7. Gruppe 825 K 11. Gruppe 743 K 12. Gruppe 758 K Lanthanoide 775 K Platinmetalle 867, 615 K Erdalkalimetalle 598 Standardreaktionsenthalpie ΔH( K Berechnung mit ΔHB( 269 K Berechnung mit dem Satz von Heß 267 K Definition 266 K u. T-Abhängigkeit von K 291
K Vorzeichen 265 K Wegunabhängigkeit 267 Standardreaktionsentropie K Berechnungen 282 Standardtemperatur 266 Standardwasserstoffelektrode 353 Standardzustand 266, 268 Stannate(II) 552 Stannate(IV) 550 Stannin Cu2FeSnS4 511 Stapelfehler 173, 3 Steam-Reforming-Verfahren 379 Steingut 545 Steinsalz, siehe unter Natriumchlorid Steinzeug 545 Stereoisomerie 684 Sterne K Elemententstehung und K 25 K Thermonukleare Rk. in K 25 Stickstoff K Assimilation 463 K Bindung 117, 145 K Darstellung 462 K Distickstoffkomplexe 463, 872 K Eigenschaften der Elemente der 15. Gruppe (Tab.) 460 K Energieniveaudiagramm 145 K Hochdruckmodifikation 462 K Vorkommen 461 Stickstoffdioxid NO2 161, 480, 647 Stickstoff-Halogen-Verbindungen K Übersicht (Tab.) 487 Stickstoffmonooxid NO 478 K Biologische Relevanz 480 K Dreielektronenbindung 163 K Gleichgewichtskonstante 274 K Metastabilität 305 K Thermodynamik der Bildung 294 K VB-Struktur 478 Stickstoffoxide K Dreiwegkatalysator 648 K Emission 481, 647, (Abb.) 648 K Entstickung 647 K Luftschadstoff 481 K Übersicht 477 Stickstoff-Phosphor-Verbindungen 502 Stickstoff-Schwefel-Verbindungen K Übersicht 489 Stickstofftribromid NBr3 488 Stickstofftrichlorid NCl3 487 Stickstofftrifluorid NF3 487 Stickstofftriiodid NI3 488 Stickstofftriiodid NI3 · NH3 488 Stickstoffwasserstoffsäure HN3 474 Stickstoff-Wasserstoff-Verbindungen K Übersicht 469 Stishovit 534
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Sachregister
Stöchiometrie u. Fehlordnung 728 Stöchiometrische Gesetze 3 Stöchiometrische Zahlen 265, 273 Störstellenhalbleiter 184 Stoffmenge 245 K von Äquivalenten 248 Stoffmengenanteil 247 Stoffmengenkonzentration 246 Stoffmengenkonzentration von Äquivalenten 248 Stoffportion 245 Stokes-Linie 231 Stolzit PbWO4 511 Strahlen K α-Strahlen 12 K β-Strahlen 12 K γ-Strahlen 12, 31 K elektromagnetische, siehe elektromagnetische Strahlung 2 Strahlenbelastung 15 Strontianit SrCO3 598 Strontium K Übersicht über die Erdalkalimetalle 596, 598 Strukturaufklärung K Kernresonanzspektroskopie 236 K Methoden 212 K Photoelektronenspektroskopie 240 K Röntgenbeugung 220 K Schwingungsspektroskopie 227 Strukturen, siehe Kristallstrukturen, Ionenstrukturen und Ionenkristalle Strukturfaktor 225 Strukturformeln, siehe Lewis-Formeln Stufenversetzung 724 Sublimat HgCl2 767 Sublimation 257 Sublimationsenthalpie 258 K der Elemente, siehe dort Sublimationskurve 257 Sublimationswärme 258 Suboxide K Alkalimetalle 620 Substitutionsteilchen 725 Sulfate 160, 450 Sulfathärte 530 Sulfide 442 K pH-Abhängigkeit der Löslichkeit 326, 443 K Struktur von K 443 Sulfite 452 Sulfonierung 451 Sulfoxylsäure H2S2O2 448 Sulfurylchlorid SO2Cl2 460 Sulfurylhalogenide 450 Sulfurylhalogenide SO2X2 460 Sulvanit 235
K Kraftkonstanten 235 K Kristallstruktur 235 Summenformeln 3 Superaustausch 673 Superfluidität 390 Supernova 27 Superphosphat 499 Supraleiter 737, 739 Suszeptibilität 659 K Massenbezogene K 660 K Stoffmengenbezogene K 660 K Volumenbezogene K 660 Sylvin KCl 400, 614 Sylvinit 622 Symmetrie K Kristallsymmetrie 215 K Molekülsymmetrie 212 Symmetrieelement 212 Symmetrieoperation 212 Symmetriezentrum 215 System 263 Talk Mg3 [Si4O10](OH)2 538, 598 Tantal K Darstellung 796 K Eigenschaften 795 K Übersicht über die Elemente der 5. Gruppe 794 K Verwendung 796 Tantal-Halogen-Verbindungen K Clusterverbindungen (Ta6X14, Ta6X15) 803 K Pentahalogenide 802 K Tetrahalogenide 802 Tantalit (Fe, Mn) (Nb, Ta)2O6 795 Tantaloxide K Tantaldioxid TaO2 800 K Tantalpentaoxid Ta2O5 800 Tantalverbindungen 800 Tautomerie 453 Technetium K Übersicht über die Elemente der 7. Gruppe 825 Teflon 412 Tellur K Darstellung 435 K Gruppeneigenschaften der Chalkogene (Tab.) 423 K Physikalische Eigenschaften 424 K Struktur 434 K Vorkommen 424 Tellurdioxid 457 Tellurhalogenide 459 Tellurige Säure H2TeO3 457 Tellursäure H6TeO6 457 Tellurtrioxid 457
Sachregister Temperatur K in (C 249 K Kritische K 257 K Standardtemperatur 266 K Thermodynamische K 249 K u. kinetische Gastheorie 253 Temporäre Härte 530 Terbium 772 Termdiagramme 703, Abb. 705 Tesla 659 Tetraschwefel-tetranitrid S4N4 489 Tetrazen N4 H4 475 Thallium K Darstellung u. Verwendung 566 K Eigenschaften 557 K Übersicht über die Elemente der 13. Gruppe 555, 563 K Vorkommen 557 Thalliumverbindungen 595 Thenardit Na2SO4 614 Thenards Blau CoAl2O4 859 Thermistoren 736 Thermitschweißen 562 Thermochromie 767 Thermodynamik K 1. Hauptsatz der K 264 K 2. Hauptsatz der K 281 K 3. Hauptsatz der K 281 K Heß’scher Satz 266 Thermonukleare Reaktion 24, 25 Thioacetamid 443 Thioarsenat 506 Thioarsenit 506 Thiocyanate 532 Thiocyanation SCNK 422 Thiocyansäure HSCN 532 Thionylchlorid SOCl2 460 Thionylhalogenide SOX2 459 Thioschwefelsäure H2S2O3 454 Thioschweflige Säure H2S2O2 448 Thiosulfate 455 K Umsetzung zu S6 433 Thomas-Verfahren 843 Thorium K Reaktion von 232 90 Th mit Neutronen 23 K 232 90 Th 14 Thoriumreihe 14 Thortveitit (Y, Sc)2 [Si2O7] 770, 537 Thulium 772 Titan K Darstellung 786 K Eigenschaften 786 K Übersicht über die Elemente der 4. Gruppe 784 K Verwendung 788 K Vorkommen 786 Titan(II)-Halogenide 792
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Titan(III)-Halogenide 792 Titan(III)-oxid Ti2O3 790 Titan(IV)-chlorid TiCl4 791 Titan(IV)-Halogenide 791 Titan(IV)-iodid TiI4 792, 741 Titancarbid TiC 545, 792 Titandioxid TiO2 788 K Nanopartikel 739 Titanit CaTiO[SiO4] 786 Titanmonooxid TiO 790 Titannitrid TiN 792 Titanoxidsulfat TiOSO4 · H2O 790 Titan-Peroxo-Verbindungen 790 Titan-Sauerstoff-Phasen 790 Titan-Schwefel-Verbindungen 792 Titanverbindungen 788 Titration K Säure-Base-Titration 338 Ton 545 Tonerde Al2O3 557 Tonerde, essigsäure 593 Tongut 545 Tonkeramik 545 Tonzeug 545 Topas Al2[SiO4](F,OH)2 537 Torsionsschwingung 227 Trägermaterial für Katalysatoren 543 trans-Effekt 879 Translation 215 Translationsgitter 217 Transportreaktion 593 Transurane 20, 881 Treibhauseffekt K Anthropogener K 637, 640 K Natürlicher K 636 Treibhausgase 636, 640 Triaden 59 Tridymit 534 Trimetaphosphat 498 Trimolekulare Reaktionen 298 Trinkwasser 653 K Desinfektion 418, 429 Tripelpunkt 258 Triplett-Sauerstoff 427 Tritium 14, 383 Trockenmittel 491 Trona Na2CO3 · NaHCO3 · 2 H2O 614 Tropfsteine 530 Trouton’sche Regel 284, 590 Turbostratische Ordnung 515 Turnbulls-Blau 856 Übergangselemente 61 Überlappung von Atomorbitalen, siehe auch räumlicher Aufbau von Molekülen K im Diamantgitter 134 K im Zinkblendegitter 134
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Sachregister
K in H2 106 K p-Orbitale mit p-Orbitalen 109 K s-Orbitale mit p-Orbitalen 109 K s-Orbitale mit s-Orbitalen 106, 109 K u. Bindungsstärke 108 K u. Symmetrie 108, (Abb.) 109 Überlappungsintegral 140 Überspannung 365 Überstrukturen 190, 197 Ultramarine 444, 543 K SK 3 -Radikal in K 444, 543 Ultraphosphorsäuren Hn C 2 PnO3n C 1 496 Umbra 829 Umsatzvariable 265 Umschlagbereiche von Indikatoren 337 Umweltprobleme 627, 644 Umweltprobleme, regionale K Baudenkmäler 657 K Luft 644 K Verkehr 656 K Wald 655 K Wasser 653 Unbestimmtheitsbeziehung 36, 105 Unedle Metalle 357 Universalindikatorpapier 337 Unordnung K Ordnung K u. Entropie 281 Unschärferelation, siehe Unbestimmtheitsbeziehung Unterschalen 54 K Besetzung mit Elektronen 54 K Energetische Reihenfolge (Abb.) 56 K Stabilität halbbesetzter K 56 Uran 882 K Atombombe 24 K Herstellung von 233 92U 23 K Kernspaltung 20 K Produktionszahlen 882 K Reaktion von 235U u. 238U mit Neutronen 22 K Trennung U-Pu 408, 885 K U-Pb-Methode 18 K U-Ra-Zerfallsreihe (Tab.) 14, 19 K 235U 14, 885 K 238U 18, 885 Uranazid 885 Uranpechblende UO2 882 Uranverbindungen 885 Urknall 25 UV-Strahlung K Absorption in der Atmosphäre, Abb. 634 K Zunahme 633 Valenzband 156, 182 Valenzbindungsdiagramme 691 Valenzbindungstheorie (VB-Theorie) 104
K erweiterte 160 K von Komplexen 689 Valenzelektron K Definition 61 K und Gruppennummer 61 Valenzelektronenkonfiguration K Definition 61 K der Hauptgruppenelemente 61 K der Nebengruppenelemente 61 K u. Bindigkeit 95, 96 Valenzhalbleiter, kontrollierte 735 Valenzleitung 735 Valenzschalen-Elektronenpaar-AbstoßungsModell 99 Valenzschwingung 227 Valenzzustand 117 van Arkel-de Boer-Verfahren, Reindarstellung von K Ti, Zr, Hf 788 K V 796 Van der Waals-Bindung 138, 164 K u. thermische Daten 166, (Tab.) 164 Van der Waals-Energie 166 K Beitrag zur Gitterenergie von Ionenkristallen 89 Van der Waals-Kräfte 164 Van der Waals-Radien 166 K Tabelle 166 Vanadinit Pb5 (VO4)3Cl 795 Vanadium K Darstellung 795 K Eigenschaften 795 K Übersicht über die Elemente der 5. Gruppe 794 K Verwendung 796 Vanadium(V)-oxid V2O5 797 Vanadium(V)-Verbindungen K Dioxovanadium(V)-Ion VOC 2 797 K Isopolyanionen 797 797 K Orthovanadation VO3K 4 K Peroxokomplexe 798 K Vanadium(V)-oxid V2O5 797 Vanadiumdioxid VO2 798 Vanadium-Halogen-Verbindungen K Übersicht (Tabelle) 800 Vanadiummonooxid VO 799 Vanadium-Sauerstoff-Phasen 797 Vanadiumtrioxid V2O3 798 Vanadiumverbindungen 797 Vaska-Komplex 876 Vaterit 608 Vegard-Regel 197 Verbotene Zone 156, 179, (Tab.) 184 Verbrennung K in reinem O2 425 K Stille K 425 Verchromung 806
Sachregister Verdampfung 255 Verdampfungsenthalpie 284 K Einfluss von Wasserstoffbrücken (Abb.) 208 Verdampfungsentropie 284 Verdampfungswärme 258 Verformbarkeit von Metallen, siehe Duktilität Verkehr K Kraftfahrzeuge 656 K Umweltprobleme 656 Versetzungen 724 K Schraubenversetzung 725 K Stufenversetzung 724 K u. Duktilität 175, 739 K u. Kristallwachstum 725 K u. mechanische Eigenschaften 725, 739 Verteilungsgesetz von Nernst 317 Verwitterung von Salzen 625 Verzinken 762 Verzinnung 520 Vitriole 605 Vivianit Fe3 (PO4)2 · 8 H2O 461, 839 Volumenarbeit 264 VSEPR-Modell 99 Vulkanisieren von Kautschuk 433, 459 Wade-Regel 577 Wald K Umweltprobleme 655 Waldschäden, neuartige 655 Wärme 263 K Reaktionswärme 265 Wärmehaushalt der Erdoberfläche 636 Wärmekapazität von Metallen 178 Waschmittel 497, 542, 583, 653 Wasser 436, s. auch Gewässerqualität K Anomalie des K 436 K Anteile der Gitterenergie 166 K Bindung u. räumlicher Bau 108, 112, 149 K Dipol 126 K Dipolmoment 127 K Energieinhalt bei Phasenumwandlungen 258 K Gashydrate 437 K Gleichgewichtskonstante 274 K Ionenprodukt 322 K Knallgas-Kettenreaktion 304, 382 K Kristallstruktur von Eis 210 K Molare Gefrierpunktserniedrigung u. Siedepunktserhöhung 260 K MOs u. Energieniveaudiagramm 149, 150, 151 K OdH-Bindungsenergie 270 K Phasengesetz 258 K Säure-Base-Eigenschaften 321
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K T-Abhängigkeit von K 278 K Thermodynamik des Dissoziationsgleichgewichts 292, 294 K Trinkwasser 653 K Wasserstoffbrücken 209 K Zustandsdiagramm 255 Wassergas 379 Wassergasgleichgewicht 380, 528 Wasserglas 546 Wasserstoff 378 K Allgemeine Eigenschaften 378 K Atomarer K 383 K Bildung aus CaH2 386 K Bindung 104, 104, 140 K Brennstoffzellen (PEMFC) 373 K Darstellung 378 K Dissoziationsenergie 381 K Eigenschaften 381 K Energieniveaudiagramm 141 K Gewinnung durch Elektrolyse 380 K Kristallstruktur 381 K Löslichkeit in Wasser und Pd 381 K Metallischer K 381 K Ortho- u. Parawasserstoff 384 K Reinster K 381 K Thermodynamik der Dissoziation 294 K Vergleich von H2 u. D2 (Tab.) 383 K Verwendung 381 K Vorkommen 378 K Wasserstoffisotope 383 K Wasserstoffverbindungen 385 Wasserstoffatom K Atomorbitale 42 K Bohr’sches Modell 27 K Eigenfunktionen (Tab.) 48 K Entartung der Energieniveaus 43 K Ionisierungsenergie 41 K Isotope 6 K Orbitale (Abb.) 42, 44 K Quantenzahlen 39 K Quantenzustände 45 K Spektrum 31 K Wechselwirkung von H-Atomen 106, 109 K Wellenmechanisches Atommodell 40 Wasserstoffbindung 206 Wasserstoffbombe 24 Wasserstoffbrennen 25 Wasserstoffbrücken K Beispiele (Tab.) 209 K Bindungsmodell 210 K Eigenschaften 207 K Einfluss auf Eigenschaften 209 K Einfluss auf Struktur 209 Wasserstoffbrückenbindung, siehe Wasserstoffbindung u. Wasserstoffbrücken Wasserstoffelektrode 353
948
Sachregister
Wasserstoffionen HK 386 Wasserstoffperoxid H2O2 K Bindungsenergie OdO 270 K Darstellung 438 K Katalytische Zersetzung 438 K Redoxpotentiale 438 K Säurecharakter 438 K Stabilität 438 K Struktur 438 K Umsetzung zu Singulett-Sauerstoff 428 K Verwendung 439 Wasserstoffspektrum 31 Wasserstofftrioxid 439 Wasserstoffverbindungen K Komplexe Übergangsmetallhydride 388 K Kovalente Hydride 385 K Metallische Hydride 386 K Salzartige Hydride 385 Weichlot 520 Weißblech 520 Weißbleierz PbCO3 511 Weißgold 747 Weißnickelkies NiAs2 839 Weiss’scher Bereich 670 Weldon-Verfahren 405 Wellencharakter von Elektronen 38 Wellenfunktionen 46 K Linearkombination von K 139 K Normierung von K 46 Wellengleichung 40 Wellenlänge 31 Wellenzahl 31 Wellmann-Lord-Verfahren 646 Weltbevölkerung 627 Whiskers 725 Wilkinson-Katalysator 875 Winkelfunktion 48, 51 Witherit BaCO3 598 Wolfram K Darstellung 806 K Eigenschaften 805 K Übersicht über die Elemente der 6. Gruppe 804 K Verwendung 807 K Vorkommen 805 Wolfram(IV)-oxid WO2 817 Wolfram(VI)-oxid WO3 817 Wolframblau 817 Wolframbronzen 821 Wolfram-Halogen-Verbindungen K Cluster bei W(II)- u. W(III)-Halogeniden 823 K Übersicht 822 Wolframit (Mn, Fe)WO4 805 Wolframoxide mit nichtganzzahligen Oxidationszahlen 817 Wolframsäure 817
Wolframverbindungen K Halogenide 822 K Heteropolyanionen 821 K Isopolyanionen 817 K Oxide 817 Wollastonit Ca[SiO3] 537 Wüstit FeO 841, 850 Wulfenit PbMoO4 511, 805 Wurtzit ZnS 760 Wurtzit-Struktur 135 Xenon, siehe Edelgase Xenon-Hochdrucklampen 391 Xenonverbindungen K Fluoroxenate(VI) 393 K Perxenate(VIII) 395 K XedAu-Bindung 395, 396 K XeBr2 393 K XedC-Bindung 395 K XeCl2, XeCl4 393 K Xenate(VI) 394 K XedN-Bindung 395 K Xenonfluoride 392, 392, 395, 396, (Abb.) 397, 398 K Xenonoxide 394, 397 K Xenonoxidfluoride 394 K XedO-Bindung 395 K XedS-Bindung 395 Xenotim YPO4 770, 780 YAG (YKAl-Granate) 674, 782 YIG (YKFe-Granate) 782 Ytterbium 772 Yttrium 769 Yttriumverbindungen 771 ZählrohrinterferenzgoniometerVerfahren 223 Zeeman-Aufspaltung 664 Zement 610 Zentralatom 680 Zentralion 680 Zeolithe K Strukturen (Abb.) 543 K Synthese 542 K Verwendung 542, 654 Zerfallskonstante (Radioaktivität) 15 Zerfallsreihen, siehe radioaktive K Zersetzungsspannung 364, 366 K u. Überspannung 365 Zink K c.a-Verhältnis 173 K Darstellung 761 K Eigenschaften 760 K Legierungen 762 K System CuKZn (Messing) 199
Sachregister K Übersicht über die Elemente der 12. Gruppe 758 K Verwendung 761 K Vorkommen 760 Zinkblende ZnS 424, 760 Zinkblende-Struktur 77, 134 Zinkhalogenide 763 Zinkhydroxid Zn(OH)2 762 Zinkoxid ZnO 762 K Nanopartikel 740 Zinkphosphatierung 494 Zinkspat ZnCO3 761 Zinksulfat ZnSO4 764 Zinksulfid ZnS 763 Zinkverbindungen 762 Zinkweiß 763 Zinn K Darstellung 520 K Gruppeneigenschaften der Elemente der 14. Gruppe 510 K Legierungen 520 K Modifikationen 184, 518 K Reaktion 520 K Verbotene Zone von K 184 K Verwendung 520 K Vorkommen 511 K Wiedergewinnung 520 Zinn(II)-chlorid SnCl2 551 Zinn(II)-oxid SnO 552 Zinn(II)-sulfid SnS 552 Zinndioxid SnO2 550 Zinndisulfid SnS2 551 Zinnkies Cu2FeSnS4 511 Zinnober HgS 424, 761 Zinnpest 518 Zinnsäure 550 Zinnstein SnO2 550 Zinntetrachlorid SnCl4 550
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Zinntetrahydrid SnH4 550 Zinnverbindungen 550 Zintl-Klemm-Konzeption 202 Zintl-Phasen 201 K Beispiele (Tab.) 203 K Kristallstruktur von NaTl 203 Zirconia 793 Zirconium K Darstellung 787 K Trennung ZrdHf 788 K Übersicht über die Elemente der 4. Gruppe 784 K Verwendung 788 K Vorkommen 786 Zirconiumdioxid ZrO2 793 K als Festelektrolyt 734, 793 K Fasern 793 K Zirconia 793 Zirconium(IV)-Halogenide 793 Zirconiumverbindungen 793 Zirkon Zr[SiO4] 537, 786 Zonenschmelzverfahren 195 Zündhölzer 416 Zuschläge (Hochofen) 839 Zustandsdiagramme 254, siehe auch Schmelzdiagramme K Eisen-Kohlenstoff 846 K Eisen-Sauerstoff 850 K Kohlenstoff 513 K Kohlenstoffdioxid 257 K Phasengesetz 258 K Schwefel 431 K Wasser 255 Zustandsgleichung 263 Zustandsgröße 263 Zwischengitterteilchen 725 Zwischenmolekulare Bindung, siehe van der Waals-Bindung
Formelregister
Das Formelregister ist nach Elementen geordnet. Unter den Elementen sind die Verbindungen in folgender Reihenfolge aufgenommen. Modifikationen und Ionen des Elements Hydride Hydroxide, Oxidhydroxide, Oxid-Hydrate Oxide, Peroxide Sauerstoffsäuren, deren Ionen und Salze Isopolyanionen und Heteropolyanionen Halogenide, Pseudohalogenide Oxidhalogenide, Oxidsulfide usw. Sulfide, Phosphide, Arsenide usw. Salze mit komplexen Anionen Komplexverbindungen Cluster Salze sind unter dem Kation aufgenommen, ternäre Nitride, Oxide, Sulfide beim Stickstoff, Sauerstoff und Schwefel. Carbide und Metallcarbonyle findet man unter Kohlenstoff, ebenso Stickstoff-Kohlenstoff-Verbindungen. X Z Halogen, R Z Organyl. Actionide 239 93 Np 882 239 94 Pu 882 PuF4 408 238 92 U 882 239 92 U 882 U3C 885 U4C 884 UH3 886 [U(N3)7]3K 885 UO2 81, 882, 885 UO3 885 U3O8 885 C UO2 885 UO22C 884, 885 2K UO4 885 2K U2O7 885 K(UO2)(VO4) · 1,5 H2O 795, 882 UO2 (NO3)2 · 6 H2O 885 UF6 408, 885 UX3 (X Z Halogen) 886 UX4 (X Z Halogen) 885 UX5 (X Z F, Cl, Br) 885 Aluminium (AlH3)n 588
Al(BH4)3 577 Be(AlH4)2 588 Ga(AlH4)3 594 In(AlH4)3 595 LiAlH4 386, 588 Li3AlH6 589 Mg(AlH4)2 588 NaAlH4 588 Na3AlH6 589 Al(OH)3 557, 564, 589 AlO(OH) 557, 564, 590 Al2O 591 Al2O3 557, 564 α-Al2O3 81, 590 γ-Al2O3 590 Al2 [BeO4] 598 AlBr3 593 AlCl 93 AlCl3 592 AlF3 80, 333, 591 AlI3 593 AlX (X Z Halogen) 593 AlAs 135 AlN 135 AlP 135, 184 AlSb 135 Al(CH3COO)3 331 Al(CH3COO)2 (OH) 593
AlPO4 594 Al3 (PO4)2 (F,OH)3 · 5 H2O 461 Al2 (SO4)3 593 KAl(SO4)2 · 12 H2O 594 [Al(OH)4]K 589 [Al(OH)6]3K 589 Na[Al(OH)4] 564 Na3AlF6 400, 557, 565, 592 Antimon SbH3 476 Sb2O5 · x H2O 507 Sb2O3 507 Sb2O4 507 Sb2O5 507 SbX3 (X Z Halogen) 508 SbX5 (X Z Halogen) 508 Sb2S3 462, 507 Sb2S5 508 SbS33K 508 Ag3SbS3 745 SbS43K 508 H[Sb(OH)6] 507 Arsen AsH3 467, 477 AsHC 4 476
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Formelregister
As(CH3)3 477 As2O3 504 As2O5 505 H3AsO3 505 H3AsO4 505 AsX3 (X Z Halogen) 506 AsX5 (X Z Halogen) 506 As2X4 (X Z Halogen) 506 As2S3 505 As4S4 505 As4Sn (n Z 3, 4, 5, 6, 10) 505 CoAsS 839 (Co, Ni)As3 839 H3AsS3 506 506 AsS 3K 3 Ag3AsS3 745 H3AsS4 506 506 AsS 3K 4 Barium BaH2 368 Ba(OH)2 611 BaO 80, 88, 91, 611 BaO2 440, 612 BaCl2 81 BaF2 81 BaCO3 598 BaSO4 424, 598, 611 Beryllium Be 180 BeH2 602 Be(AlH4)2 588 Be(OH)2 602 BeO 80, 135, 603 Al2 [BeO4] 598 BeCl2 113, 603 BeF2 81, 599, 603 BeS 80, 135 BeSe 135 BeTe 135 Bismut BiH3 476 Bi2O3 462, 509 NaBiO3 509 Na3BiO4 509 BiF5 509 BiX (X Z Halogen) 509 BiX3 (X Z Halogen) 509 BiXO (X Z Halogen) 509 BiONO3 509 Bi2S3 462, 509 Bi(NO3)3 · 5 H2O 509 Blei Pb 370 Pb(OH)2 · 2 PbCO3 553
PbO 552 PbO2 81, 370, 553 Pb3O4 554 PbCl2 553 PbCl4 554 PbF2 81 PbF4 554 PbI2 138 PbS 424, 511, 553 Pb(CH3COO)2 553 PbCO3 511, 553 Pb(HCO3)2 521 PbSO4 370, 511 Bor BHK 4 577 Al(BH4)3 577 LiBH4 577 NaBH4 577 TlBH4 596 B2 145 B2H6 576 B4H10 574 B5H9 574 B5H11 574 B6H10 574 2K 579 B9C2H 11 B10H14 574 2K 577 B10H 10 B10C2H12 578 B11NH12 579 2K 577 B12H 12 BnHnC4, BnHnC6, BnHnC8, BnHnC10 573 B2O3 563, 581 H3BO3 210, 557, 579 B(OCH3)3 581 (HBO2)n 580 [BO3]3K 582 [B3O6]3K 582 [B3O3 (OH)5]2K 582 [B4O5 (OH)4]2K 582 [BO2]nnK 582 Ca[B3O4 (OH)3] · H2O 582 CaB4O7 · 4 H2O 557 Ca2B6O11 · 5 H2O 557 Na2 [B2 (O2)2 (OH)4] · 6 H2O 583 Na2B4O7 · 4 H2O 557 [Na(H2O)4]2 [B4O5 (OH)4] 557, 582 BCl3 114, 563, 584 BF3 127, 584 BX3 (X Z Halogen) 583 B2X4 (X Z Halogen) 583 (BX)n (X Z Halogen) 583 BAs 135
BN 135, 545, 585 B3N3H6 586 AlB12 564 B13C2 545, 571 B24N 559 B24C 559, 571 HBF4 584 Brom BrK 3 408 HBr 127, 166, 305, 408, 409, 411 BrO 419 BrO2 418 Br2O 419 Br2O3 419 Br2O5 419 HBrO 413 HBrO3 413 HBrO4 413 BrCl 407 BrF 407 IBr 407 BrF3 407 BrF5 101, 407 Cadmium Cd 371, 758 759 Cd 2C 2 Cd(OH)2 764 CdO 764 CdBr2 138, 764 CdCl2 138, 764 CdF2 81, 764 CdI2 138, 764 CdS 135, 764 CdSe 135, 764 [Cd(CN)4]2K 764 [Cd(NH3)6]2C 764 Caesium Sauerstoffverbindungen siehe auch unter Sauerstoff 137 Cs 617 Cs4O 620 Cs7O 620 Cs11O3 620 CsBr 80 CsCl 76, 79, 80 CsF 80 CsI 80, 89, 622 Calcium CaH2 386, 606 Ca(OH)2 607 CaO 80, 88, 607 CaBr2 81
Formelregister CaCl2 81, 312, 608 [Ca(H2O)6]Cl2 312 CaF2 77, 81, 400, 599 CaI2 138 CaCN2 610 CaS 80 Ca3P2 610 Ca(HCO3)2 530 CaCO3 84, 528, 530, 608 CaMg(CO3) 530 CaSO4 424, 598, 608 CaSO4 · 2 H2O 424, 598, 608 Ca5 (PO4)3 (OH, F, Cl) 200, 461, 598, 609, 741 Cer siehe unter Seltenerdmetalle Chlor Cl2 364, 368 ClK 3 408 HCl 127, 166, 269, 293, 305, 364, 408, 409, 411 ClO 420, 631 ClO2 293, 418 ClO4 421 ClOK 4 158 Cl2O 415, 418 Cl2O2 420 Cl2O3 419 Cl2O4 419 Cl2O6 420 Cl2O7 420 HOCl 414 HClO2 415 HClO3 415 HClO4 97, 416 NaOCl 415 CaCl(OCl) 415 KClO3 416 NaClO3 416 KClO4 416 MeClO4 (Me Z K, Rb, Cs) 416 BrCl 407 ClF 407 ICl 407 ClF3 101, 407 ClF5 407 KCl, NaCl 614 KCl · MgCl2 · 6 H2O 400, 598, 614 Chrom [Cr(H2O)6]2C 700, 812 [Cr(H2O)6]3C 811
Cr(OH)3 811 CrO2 81, 671, 810 CrO3 80, 808 CrO5 438, 809 Cr2O3 81, 810 Cr2O5 808 Cr5O12 808 Cr8O21 808 [Cr(O2)2 (NH3)3] 809 [CrO(O2)2OH]K 809 [CrO(O2)2 · py] 809 [Cr(O2)4]3K 809 H2CrO4 807 HCrOK 4 807 807 CrO 2K 4 807 Cr2O 2K 7 Ag2CrO4 317, 808 BaCrO4 808 PbCrO4 511, 553, 805, 808 Cs2Cr2O7 616 (NH4)2Cr2O7 811 Na2Cr2O7 807 CrCl3 811 Cr(H2O)6Cl3 811 CrF4 810 CrF5 810 CrX2 (X Z Halogen) 813 CrX3 (X Z Halogen) 811 CrO2Cl2 809 CrS 443 (C6H6)2Cr 722 Cobalt [Co(H2O)4]2C 860 [Co(H2O)6]2C 857 [Co(H2O)6]3C 857, 859 Co(OH)2 858 CoO(OH) 858 CoO2 · n H2O 858 Co2O3 · n H2O 858 CoO 80, 858 CoO2 861 Co3O4 858 CoBr2 138 CoCl2 138 [Co(H2O)6]Cl2 857, 859 CoF2 81, 859 CoF3 80, 859 CoI2 138, 859 CoX2 (X Z Halogen) 859 CoS 136 Co1KxS 859 CoS2 858 Co3S4 839, 859 (Co, Ni)As3 839 CoAsS 839
953
Co(NO3)2 · 6 H2O 857 CoSO4 · 7 H2O 857 Co2 (SO4)3 · 18 H2O 858 Mg2CoH5 388 Mg6Co2H10 388 [Co(CN)6]3K 860 [Co(C2O4)3]3K 860 [CoCl4]2K 861 [Co(en)]3C 860 [CoF6]3K 860 [Co(NH3)6]3C 860 K3 [Co(NO2)6] 486, 860 Edelgase HArF 390, 395 HeC 2 141, 146, 162 HeII 390 NeCl 92 KrF2 392, 393 RnF2 392, 393 XeC 2 396, 397 XeO3 394, 397, 398 XeO4 394, 397 [AuXe4]2C 396, 410 H2XeO4 394 H4XeO6 395 Ba2XeO6 395 Na4XeO6 395 XeBr2 393 XeCl2 393 XeCl4 393 XeF2 101, 392, 397, 398 XeF4 101, 392, 397 XeF6 392, 397 Cs2XeF8 393 XeOF2 394, 395, 397 XeOF4 397 XeO2F2 103, 394, 395, 397 XeO2F4 394 XeO3F2 394 XeC [PtF6]K 877 K [XeF C 5 ][AuCl 6 ] 758 K [XeF C 5 ][PtF 6 ] 393 [AuXe2F]C 396 [(F3As)AuXe]C 396 [HgXe]2C 396 Eisen Fe2C.Fe3C 359, 848 [Fe(H2O)6]2C 848 [Fe(H2O)6]3C 848 FeO 841 Fe(OH)2 849 FeO(OH) 837, 849 Fe2O3 · n H2O 838, 848, 849 Fe1KxO 850 Fe2O3 740, 838, 842
954
Formelregister
α-Fe2O3 81, 850 γ-Fe2O3 84, 850 Fe3O4 84, 677, 735, 838, 842, 850 713, 836, 857 FeO 2K 4 FeBr2 138 FeCl2 138 FeF2 81, 674 FeI2 138 FeX2 (X Z F, Cl, Br) 851 FeCl3 · 6 H2O 852 FeF3 80 Fe(SCN)3 854 FeX3 (X Z Halogen) 851 FeS 136, 852 Fe1KxS 839 FeS2 424, 839, 852 Fe2S3 852 FeAs2 461 FeCO3 511, 839, 849 Fe3 (PO4)2 · 8 H2O 839 FeSO4 · 7 H2O 849 (NH4)2Fe(SO4)2 · 6 H2O 849 Mg2FeH6 388 H3 [Fe(CN)6] 854 [Fe(CN)6]3K 854 KFe[Fe(CN)6] · H2O 856 K3 [Fe(CN)6] 855 [Fe(CN)6]4K 854 K4 [Fe(CN)6] 855 Fe4 [Fe(CN)6]3 · n H2O 856 [Fe(CN)5NO]2K 480, 856 (C5H5)2Fe 722 [FeCl4]K 852, 854 [FeF5 (H2O)]2K 854 [FeF6]3K 854 [Fe(H2O)5NO]2C 479 [Fe(NH3)6]2C 849 [Fe(phen)3]2C 713, 854 [Fe(phen)3]3C 854 [Fe(PO4)3]6K 854 [Fe(SCN)(H2O)5]2C 854 [Fe(SCN)2 (H2O)4]C 854 [Fe(SCN)3 (H2O)3] 854 Europium siehe unter Seltenerdmetalle Fluor F2 143 HF 108, 127, 146, 209, 409, 410 (HF)6 209 HFK 2 207, 211 OF2 421 O2F2 421
O4F2 421 HOF 422 BrF 407 ClF 407 IF 407 CaF2 77, 81, 400 KHF2 404, 410 KF · x HF 404 KMgF3 81 KNiF3 81 Gallium GaAs 135, 184, 195, 594 (GaH3)n 594 Ga(AlH4)3 594 LiGaH4 594 Ga(OH)3 594 GaO(OH) 594 Ga2O 595 Ga2O3 594 α-Ga2O3 81, 594 GaCl2 595 GaX (X Z Halogen) 595 GaX3 (X Z Halogen) 594 GaN 135, 184, 594 GaP 135 GaSb 135 Ga2 (SO4)3 594 Germanium GeH4 549 GenH2nC2 549 GeO 549 GeO2 81, 520, 549 GeCl2 549 GeCl4 520, 549 GeF2 549 GeF4 549 GeS 549 GeS2 549 H2GeF6 549 Gold AuC 756 Au3C 756 Au2O3 757 AuCl 756 AuF3 757 AuF5 758 Au(AuF4)2 758 AuI 756 AuX3 (X Z Halogen) 757 Au4Cl8 757 AuCu 190 AuCu3 190 Au2S 756 [Au(CN)2]K 744, 756
[AuCl4]K 744, 757 [H3O]C [AuCl4]K · 3 H2O 757 O2AuF6 758 Au55 [P(C6H5)3]12Cl6 186 Helium siehe unter Edelgase Iod IK 3 408, 409 IK 5 409 IK 7 409 IK 9 409 HI 127, 166, 270, 297, 302, 305, 409, 411 IO 419 IO2 419 IO3 419 I2O4 419 I2O5 419, 420 I4O12 419 I4O9 419 HIO 413 HIO3 406 HIO4 417 H5IO6 417 H7I3O14 417 Ca(IO3)2 400 IBr 407 IBrFK 408 ICl 407 IClK 2 408 IF 407 IF3 407 IF5 407 IF7 102, 407 I2BrK 408 (ICl3)2 407 CH3MgI 606 AgI 733, 753 CsI3 408 RbI3 408 Ag2HgI4 730, 767 Cu2AgI4 767 RbAg4I5 733 Indium (InH3)n 595 In(AlH4)3 595 LiInH4 595 In(OH)3 595 InCl2 595 InX (X Z Halogen) 595 InX3 (X Z Halogen) 595 InN 135 InS 595 In2S3 595
Formelregister InSb 184 In2 (SO4)3 595 Iridium [Ir(H2O)6]3C 875 IrO2 874 Ir2O3 874 A2IrH5 (A Z Ca, Sr) 388 A3IrH6 (A Z Li, Na) 388 Na2IrCl6 875 [IrCl(CO)(PPh3)2] 876 Kalium Sauerstoffverbindungen siehe unter Sauerstoff KOH 621 KBr 80, 88 KCl 80, 88, 400, 614, 622 K(Cl, Br) 400 KF 80, 88 KI 80, 88 KAl(SO4)2 · 12 H2O 594 K[AlSi3O8] 614 K2CO3 625 KNO3 485, 626 K2SO4 · MgSO4 · 6 H2O 598 KCl · MgSO4 · 3 H2O 400, 598, 614 Kohlenstoff C 134, 155, 171, 184, 379, 742 C2 118, 145 C20 517 C60 516 CH3COOH 324, 338, 350 CH3COOK 328 CH4 110, 111, 379, 636, 640 C2H2 119, 525 C2H4 119 C5HK 5 722 (C5H5)2Fe 722 (C5H5)2Ru 722 C6H6 125, 154, 722 (C6H6)2Cr 722 (C6H6)2Mo 722 (C6H6)2W 722 CnH2nC2 379 CO 127, 149, 166, 279, 294, 380, 526, 648, 713 CO2 120, 125, 127, 137, 151, 228, 257, 279, 293, 527, 636, 639, 640, 642, 643 C3O2 529 C4O2 529 C5O2 529 C8O2 (OH)2 522 H2CO3 529
K C(OH) C 3 AsF 6 530 K HCO 3 529 124, 149, 529 CO 2K 3 CCl2F2 412, 630 CCl3F 412, 630 CCl4 532 CF 521 CF4 532 C2F 522 C2F6 640 CHClF2 412 CHCl2F 412 C2Cl2F4 412 C2Cl4F2 412 (CF2)n 412 COS 532 CS2 532 H2CS3 532 (CN)2 422, 531 CNK 149, 422, 531 HCN 531 NH4CN 333 HOCN 532 OCNK 422 (SCN)2 422 SCNK 422 K CC 24 HSO 4 · 2,4 H2SO4 523 K CC 70 Cl FeCl2 · 5 FeCl2 523 B24C 559 Be2C 525 SiC 135, 524 MeC (Me Z Ti, Zr, Hf, V, Nb, Ta, W, Th, U) 204 TaC 796 TiC 792 WC 807 B13C2 545, 571 CaC2 525, 609 MeC2 (Me Z Th, U) 204 Al4C3 525 Li4C3 525 Mg2C3 525 Sc3C4 526 C8K 522 C24K 522 C36K 522 C48K 522 C60Brn (n Z 6, 8, 24) 524 C60Fn (n Z 6, 42, 60) 524 C60H36 524 C60He 523 C60Kn (n Z 3, 4, 6) 523 C60N 523 C60Nan (n Z 3, 6, 11) 523 C60Rbn (n Z 3, 4, 6) 523 HCo(CO)4 720 H2Fe(CO)4 720
H2Os(CO)4 720 H2Ru(CO)4 720 Ni(CO)4 527, 715, 847 HMn(CO)5 720 HRe(CO)5 720 Fe(CO)5 715 Os(CO)5 715 Ru(CO)5 715 Cr(CO)6 715 Mo(CO)6 715 V(CO)6 715 W(CO)6 715 Co2 (CO)8 715 Fe2 (CO)9 715 Os2 (CO)9 715 Ru2 (CO)9 715 Mn2 (CO)10 715 Re2 (CO)10 715 Tc2 (CO)10 715 Co4 (CO)12 716 Fe3 (CO)12 716 Ir4 (CO)12 716 Os3 (CO)12 716 Rh4 (CO)12 716 Ru3 (CO)12 716 Co6 (CO)16 716 Ir6 (CO)16 716 Os5 (CO)16 716 Rh6 (CO)16 716 Os6 (CO)18 716 Os7 (CO)21 716 Os8 (CO)23 716 Krypton siehe unter Edelgase Kupfer Cu 346 Cu.CuC 360, 748 Cu.Cu2C 360, 748 CuC 748 CuC.Cu2C 360, 748 Cu2C 748 [Cu(H2O)6]2C 750 Cu(OH)2 750 Cu2 (OH)2CO3 744, 745 Cu3 (OH)2 (CO3)2 745 Cu2SO4 (OH)2 744 CuO 750 Cu2O 382, 745, 748 CuBr 135 CuCl 135 CuCN 361, 749 CuI 135, 361, 748 CuX (X Z Halogen) 749 CuX2 (X Z Halogen) 751 CuS 745, 751
955
956
Formelregister
Cu2S 361, 745, 749 CuSO4 · 5 H2O 751 [Cu(CN)2]K 749 [Cu(CN)4]3K 749 [CuCl4]2K 751 [Cu(NH3)4]2C 750 [Cu(OH)4]2K 750 Lanthan siehe unter Seltenerdmetalle Lithium Sauerstoffverbindungen siehe unter Sauerstoff Li 180, 371 LiH 386, 617 LiAl[Si2O6] 613 LiAlH4 386, 588 Li3AlH6 589 LiBH4 577 LiGaH4 594 LiInH4 595 LiOH · H2O 621 LiBr 80 LiCl 80, 622 LiF 80, 622 LiI 80 Magnesium MgB2 737 MgH2 81, 603 Mg[AlH4]2 588 Mg(OH)2 605 MgCl2 · 3 Mg(OH)2 · 8 H2O 604 4 MgCO3 · Mg(OH)2 · 4 H2O 605 MgO 80, 88, 604 MgBr2 738 MgCl2 138, 599, 605 MgCl2 · 6 H2O 400 MgF2 81, 605 MgI2 138 CH3MgI 606 MgCu2 199 MgS 80 MgTe 135 Mg2Ge 194 MgCO3 598, 605 CaMg(CO3)2 598 MgSO4 598, 605 MgSO4 · H2O 598 MgSO4 · 7 H2O 598 K2SO4 · MgSO4 · 6 H2O 598 KCl · MgSO4 · 3 H2O 400, 598
Mangan Mn2C.MnOK 4 358 [Mn(H2O)6]2C 827 [Mn(H2O)6]3C 700, 829 Mn(OH)2 828 MnO(OH) 826, 829 MnO 80, 674, 679, 828 MnO2 81, 372, 826, 830 Mn2O3 829 Mn2O7 831 Mn3O4 700, 826, 829 HMnO4 831 MnOK 4 713, 830, 831 KMnO4 831 713, 831 MnO2K 4 BaMnO4 831 K2MnO4 831 713 MnO3K 4 Na3MnO4 830 MnBr2 138 MnCl2 138 MnCl3 829 MnF2 81 MnF3 829 MnF4 830 MnI2 138 MnX2 (X Z Halogen) 828 MnO3Cl 832 MnO3F 832 MnS 135, 828 MnS2 828 MnSe 828 MnTe 828 MnCO3 826 MnSO4 828 A3MnH5 (A Z K, Rb, Cs) 388 Mn.MnOK 4 827 Molybdän {Mo154} 818 {Mo176} 819 MoO3 · 2 H2O 817 MoO2 817 MoO3 806, 817 Mo4O11 817 Mo5O14 817 Mo8O23 817 Mo9O26 817 Mo17O47 817 MonO3nK1 (n Z 8, 9, 10, 11, 12, 14) 732 817 MoO2K 4 PbMoO4 511, 805 [Mo2O7]2K 818 [Mo6O19]2K 818 [Mo7O24]6K 818 [Mo8O26]4K 818
[Mo10O34]2K 818 [Mo36O112]8K 818 [PMo12O40]3K 821 [Te(MoO4)6]6K 457 MoS2 805 (C6H6)2Mo 722 [Mo6S8]2K 823 [Mo6X8]4C (X Z Halogen) 823 Natrium Sauerstoffverbindungen siehe unter Sauerstoff Na 370 NaH 80, 386, 617 NaAlH4 588 Na[AlSi3O8] 614 NaBH4 577 Na3AlF6 589, 614 NaOH 368, 621 NaBr 80, 88 NaCl 69, 71, 80, 85, 88, 89, 220, 225, 312, 368, 400, 614, 622, 727 NaF 80, 88, 89 NaI 80, 88 Na2K 198 NaCH3COO 328, 332, 334 NaHCO3 624 Na2CO3 623 Na2CO3 · 10 H2O 614 Na2CO3 · NaHCO3 · 2 H2O 614 NaNO3 400, 485, 625 Na2SO4 614, 625 Na2SO4 · 10 H2O 625 Neon siehe unter Edelgase Neptunium siehe unter Actinoide Nickel [Ni(H2O)6]2C 861, 864 Ni(OH)2 862 NiO(OH) 371 NiO 80, 674, 728, 862 NiBr2 138 NiCl2 138, 370 NiF2 81 NiF3 865 NiI2 138 NiX2 (X Z Halogen) 862 NiS 136 Ni1KxS 862 NiS2 862
Formelregister Ni3S2 862 Ni3S4 862 NiAs 136, 839 NiAs2 839 (Co, Ni)As3 839 Ni(NO3)2 · 6 H2O 862 NiSO4 · 7 H2O 862 CaMgNiH4 388 Mg2NiH4 388 K3NiF6 700, 866 [Ni(CN)4]2K 864 [Ni(NH3)6]2C 864 K2NiF4 866 LiNi2O4 735, 866 Me2NiF6 (Me Z Na, K, Rb, Cs) 866
A2PdH2 (A Z Li, Na) 388 A2PdH4 (A Z K, Rb, Cs) 388 A3PdH5 (A Z K, Rb, Cs) 388 CaPdH2 388 K3PdH3 388 [PdX6]2K (X Z F, Cl, Br) 880
Phosphor P4 120 PH3 110, 476 PHC 4 476 P2H4 476 P5H5 477 P6H6 477 P7H3 477 P4O6 490 P4O7 492 Niob P4O8 492 NbO 801 P4O9 492 NbO2 800 P4O10 490, 495 Nb2O5 800 P4O18 491 Nb3nC1O8nK2 (n Z 5, 6, 7, 8) HPH2O2 498 800 H2PHO3 498 LiNbO3 801 H3PO4 97, 324, 394 [Nb6O19]8K 801 H3PO5 493, 499 NbX4 (X Z Halogen) 802 H2P2H2O4 493 NbX5 (X Z Halogen) 802 H2P2H2O5 493 NaCaNb2O6F 795 H3P2HO5 493 Nb3X8 (X Z Cl, Br, I) 803 H3P2HO6 493 Nb6F15 803 H4P2O6 493 Nb6X14 (X Z Cl, Br) 803 H4P2O7 495 [Nb6X12]2C (X Z Halogen) 803 H4P2O8 493, 499 [Nb6X12]3C (X Z Halogen) 803 H4P4O12 495 Nb3Ge 737 H6P4O13 496 (HPO3)4 496 Osmium Ca(H2PO4)2 499 OsO2 871 Fe3 (PO4)2 · 8 H2O 839 OsO4 870 (NH4)3PO4 331 OsS2 871 (NH4)2HPO4 331, 499 A2OsH6 (A Z Mg, Ca, Sr, MePO4 (Me Z SeltenerdBa) 388 metalle) 780 [OsF6]K 873 (Me, Th)PO4 (Me Z Selten[Os(NH3)6]2C 872 erdmetalle) 770 [Os(NH3)5N2]2C 872 NaH2PO4 333 [OsO2 (OH)4]2K 871 (Li, Na)AlPO4 (F, OH) 613 [OsO3N]K 873 YPO4 770 [OsO4 (OH)2]2K 871 Na5P3O10 497, 653 [OsX6]2K (X Z Halogen) 873 PBr3 411, 502 PCl3 502 Palladium PSCl3 502 [Pd(H2O)4]2C 879 PF3 500 PdH0,01, PdH0,61 387 PI3 411, 502 PdO 876 PIC 4 501 PBr5 500 PdCl2 877 PdF2 877 PCl5 500 PdF3 80 PCl4F 102 [PdCl4]2K 879 PCl3F2 102
957
PF5 101, 500 POCl3 502 POF3 103, 239 P4O3S6 502 P4O4S6 502 BP 135 (NPCl2)3 503 (NPCl2)n 503 Ca2PN3 503 LiPN2 503 Li7PN4 503 Li10P4N10 502 Zn7 [P12N24]Cl2 503 P4Sn (n Z 3K10) 502 Platin Pt (platiniert) 353, 881 PtO2 877 PtCl2 878 PtF5 877 PtF6 877 K2 [Pt(CN)4] 878 [PtCl4]2K 703, 879 K2 [PtCl4] 879 [PtCl6]2K 881 Me2PtCl6 (Me Z K, Rb, Cs) 626 Li2PtH2 388 A2PtH4 (A Z Na, K, Rb, Cs) 388 A3PtH5 (A Z K, Rb, Cs) 388 A2PtH6 (A Z Na, K, Rb, Cs) 388 K 440, 877 OC 2 [PtF6] [Pt(NH3)2Cl2] 879 Plutonium siehe unter Actinoide Polonium H2Po 441 Quecksilber Hg2C 764 [Hg(NH2)]C 768 764 Hg 2C 2 HgO 766 Hg(CN)2 767 HgCl2 767 HgF2 767 HgI2 767 HgNH2Cl 765, 768 Hg2Cl2 352, 765 Hg2X2 (X Z Halogen) 765 HgS 761, 766 Hg2 (NO3)2 765 HgSO4 766
958
Formelregister
[HgI4]2K 767 K2 [HgI4] 767 [Hg(NH3)2]Cl2 768 [Hg2N]C 768 [Hg2N]I 768 [Hg2N]OH 768 Radon siehe unter Edelgase Rhenium ReO2 833 ReO3 80, 833 Re2O5 833 Re2O7 832 MeReO3 833 ReOK 4 713, 833 HReO4 832 ReF7 834 ReS2 833 ReS3 833 Re2S7 833 [ReH6]3K 835 [ReH9]2K 835 [Re2X8]2K (X Z Halogen) 835 [Re3X12]3K (X Z Halogen) 835 Rhodium [Rh(H2O)6]3C 875 RhO2 874 Rh2O3 81, 874 RhCl3 · 3 H2O 874 RhF3 80 [RhCl(PPh3)3] 875 Li3RhH4 388 A2RhH5 (A Z Ca, Sr) 388 A3RhH6 (A Z Li, Na) 388 Rubidium Sauerstoffverbindungen siehe auch unter Sauerstoff Rb6O 620 Rb9O2 620 Ruthenium [Ru(H2O)6]2C 872 [Ru(H2O)6]3C 872 Ru2O3 · n H2O 871 RuO2 871 RuO4 870 RuOK 4 871 871 RuO2K 4 RuCl3 · 3 H2O 872 RuS2 871 (C5H5)2Ru 722
[RuF6]K 873 A2RuH6 (A Z Mg, Ca, Sr, Ba) 388 Mg2RuH4 388 Mg3RuH3 388 [Ru(NH3)6]2C 872 [Ru(NH3)6]3C 872 [Ru(NH3)5N2]2C 872 [Ru(N2)(NH3)5]Cl2 463 [Ru(NH3)5NO]3C 872 [Ru(NH3)5N2O]2C 872 [RuX6]2K (X Z F, Cl, Br) 873 [Ru3O2 (NH3)14]6C 873 Sauerstoff O 382, 425 O2 120, 144, 162, 373, 424 3 O2, 1O2 427 O3 124, 161, 293, 428, 628, 633, 650 O2K 435, 440, 441 Me2O (Me Z Alkalimetall) 440 OC 2 440, 441 K 440 OC 2 [PtF6] MeO2 (Me Z Alkalimetall) 618, 619 439, 441 O2K 2 BaO2 426, 440 Na2O2 439 Me2O2 (Me Z Alkalimetall) 618, 439 OK 3 440 MeO3 (Me Z Alkalimetall) 440, 619 Me4O6 (Me Z Alkalimetall) 619 OH 382 OHK 313, 319 HOOOH 439 H2O 100, 108, 112, 127, 149, 166, 210, 255, 258, 260, 270, 273, 278, 292, 294, 319, 382, 436 H3OC 313, 319 H2O2 438 BaTiO3 81 CaFeO3 856 CaSnO3 81 CaTiO3 83, 786 FeTiO3 786, 787 LaAlO3 81 MeTiO3 790 NaWO3 81 CoAl2O4 859 FeCr2O4 805
Fe(NiFe)O4 84 La2LiFeO6 857 LiNi2O4 735 LiTi2O4 736 LiV2O4 736 MeAl2O4 591 MeCr2O4 697, 811 MeFe2O4 672 MeGa2O4 594 MeV2O4 799 Me2TiO4 790 MeVO4 798 MgAl2O4 83, 591, 598, 679 MgCr2O4 84 Mg(MgTi)O4 84 MgV2O4 84 NiFe2O4 697 NiGa2O4 697 SrFeO3 856 WNa2O4 84 ZnAl2O4 84 ZnCo2O4 763, 859 ZnFe2O4 84 ZnMe2O4 763 YBa2Cu3O7 737 Scandium siehe unter Seltenerdmetalle Schwefel S, S2, S3, S4 431 S2K 329, 444, 543 SK 3 444, 543 SK 4 444, 543 435 S 2C 4 S8 120, 370, 430 435 S 2C 8 S 2C 19 435 Sn (n Z 6, 7, 9, 10, 11, 12, 13, 18, 20) 430 H2S 110, 127, 325, 442 H2Sn 444 SO 445 SO2 97, 228, 446, 644 SO3 97, 156, 306, 309, 446 SO4 447 S2O 445 S2O2 445 S7O 445 S7O2 445 S8O 445 SnO 445 (SO3Cx)n 447 H2SO2 448 H2SO3 452 HSOK 3 453
Formelregister SO2K 453 3 H2SO4 97, 449 HSOK 4 450 450 SO2K 4 HSO3Cl 451 HSO3X 451 H2SO5 451 H2S2O2 448 H2S2O3 454 Na2S2O3 · 5 H2O 455 455 S2O2K 3 H2S2O4 453 453 S2O2K 4 H2S2O5 452 H2S2O6 454 454 S2O2K 6 H2S2O7 449 H2S2O8 451 452 S2O2K 8 (HSO3)2Sn 455 SCl2 459 SCl4 458 SF2 458 SF4 97, 101, 459 SF5Cl 458 SF5KCF3 459 SF6 97, 101, 116, 160, 457 S2Br2 458 S2Cl2 459 S2F2 459 S2F10 458 S2I2 458 SnCl2 458 SOCl2 372, 460 SOF2 103, 460 SOF4 103 SO2Cl2 460 SO2F2 103, 460 SO2X2 450 CoAsS 461 CuCo2S4 839 CuFeS2 424, 745, 852 Cu2FeSnS4 511 Cu3VS4 235 Cu5FeS4 745 Cu6FeGe2S8 511 FeAsS 461 (Fe, Ni)S 839 NH4HS 331 (NH4)2Sn 444 NiAsS 461 PbMo6S8 824 TlAsS2 557 Selen 435 Se 2C 4 Se8 434
Se 2C 435 8 Se 2C 10 435 H2Se 442 SeO2 455 SeO3 456 H2SeO3 456 H2SeO4 456 (Tl, Cu, Ag)2Se 557 CuCr2Se4 242 Seltenerdmetalle Ce4C 780 MeCO3F (Me Z Ceriterden) 780 EuS 671 La(OH)3 771 La2O3 771 LaCl3 771 LaF3 771 La2 (C2O4)3 · 9 H2O 771 ScF3 80 Silber Ag 351 AgC 752 Ag2C 752 AgO 755 Ag2O 753 Ag2O3 755 Ag3O4 755 AgBr 753 AgCN 754 AgCl 89, 316, 352, 727, 753 AgF 753 AgF2 754 AgF3 755 Ag3F8 755 AgI 135, 352, 753 AgSCN 754 Ag2S 745, 753 AgNO3 753 [Ag(CN)2]K 746, 753 [Ag(NH3)2]C 753 [Ag(py)4]2C 753 [Ag(S2O3)2]3K 753 Silicium Si 184 SiH4 532 Si2H6 532 Si3H8 533 Si5H10 533 Si6H12 533 (SiH)n 533 R3SiOH 547 R2Si(OH)2 547
959
RSi(OH)3 547 SiO 435 SiO2 78, 81, 120, 519, 524, 533 H4SiO4 435 Na4SiO4 546 [SiO4]4K 537 Al2 [SiO4](F, OH)2 537 BeAl[SiO4]OH 598 Be2 [SiO4] 537, 598 CaTiO[SiO4] 786 Ca3Al2 [SiO4]3 537 (Fe, Mg)2 [SiO4] 537 Mg2 [SiO4] 537 NaAl[SiO4] 537 Zr[SiO4] 537 [Si2O7]6K 537 Pb3 [Si2O7] 537 Sc2 [Si2O7] 537 (Y, Sc)2 [Si2O7] 770 [Si3O9]6K 537 BaTi[Si3O9] 537 [Si6O18]12K 537 Be3Al2 [Si6O18] 537, 598 [Si2O6]4K 537 Ca[SiO3] 537 CaMg[Si2O6] 537 LiAl[Si2O6] 537, 613 Al[AlSiO5] 537 [Si4O11]6K 537 Ca2Mg5 [Si4O11]2 (OH, F)2 537 [Si4O10]4K 538 Al4 [Si4O10](OH)8 539 Mg3 [Si4O10](OH)2 538 Mg6 [Si4O10](OH)8 539 (Ni, Mg)6 [Si4O10](OH)8 839 KAl2 [AlSi3O10](OH)2 538 KAl2 [AlSi3O10](OH, F)2 614 KLi1,5Al1,5 [AlSi3O10](OH, F)2 613 K(Mg,Fe)3 [AlSi3O10](OH)2 538 KMg3 [AlSi3O10](OH)2 538 CaAl2 [Al2Si2O10](OH)2 538 Cs[AlSi2O6] · 0,5 H2O 614 K[AlSi3O8] 614 Na[AlSi3O8] 614 Li[AlSi4O10] 613 Ca[Al2Si2O8] 535, 540 Na2Ca[Al4Si10O28] · 20 H2O 542 Na4 [Al3Si3O12]Cl 540 Na12 [Al12Si12O48] · 27 H2O 542 R3SiCl 547 R2SiCl2 547 HSiCl3 519
960
Formelregister
CH3SiCl3 524 RSiCl3 547 SiCl4 548 SiF4 410, 547 (SiF)n 548 (SiF2)n 548 SinF2nC2 548 H2SiF6 548 Si3N4 545 SiS2 549 SiC 134, 545
N2O3 480 N2O4 480 N2O5 481 HNO2 485 NOK 2 486 HNO3 96, 98, 126, 483 NOK 3 484 HOONO 483 HOONO2 483 H2N2O2 486 H2N2O3 483 NBr3 488 NCl3 487 Stickstoff NF3 128, 487 N2 117, 145, 244, 462 NI3 488 Ca3N2 472 NI3 · NH3 488 Li3N 472 N2F2 487 Mg3N2 472 N2F4 488 N3K 422, 472, 475 N3Br 487 HN3 474 N3Cl 487 NaN3 463, 475 CaNH 472 N3F 487 NaNH2 472 N3I 487 NH3 100, 109, 112, 127, 128, NOCl 484 166, 207, 280, 287, 294, 308, NOClO4 479 334, 339, 469 NOHSO4 479 NHK 2 472 NOX (X Z Halogen) 488 NH3 · H2O 331 NO2ClO4 482 NH2Cl 474 NO2X (X Z Halogen) 489 NH2OH 482 S2N2 489 NHC 4 98, 331 S4N4 489 NH4Br 80 (SN)n 490 NH4CH3COO 333 SmN2 489 NH4Cl 80, 331, 334, 372 Ca2PN3 503 NH4F 334 Ca3AuN 473 (NH4)2CO3 331 LiPN2 503 NH4HCO3 331 Li7PN4 503 NH4NO2 463 Li10P4N10 502 NH4NO3 485 NaBa3N 473 NH4OH 331 Mo(N3)6 475 NH4HS 331 W(N3)6 375 (NH4)2S 331 Zn7 [P12N24]Cl2 503 (NH4)2Sn 444 (Bu4N)3U(N3)7 475, 885 (NH4)2SO4 331 Me2N (Me Z Mo, W) 204 N2H2 475 MeN (Me Z Ti, Zr, Hf, Ta) N2H4 473 204 N4H4 475 N2HC 5 474 N2HC 6 474 NO 163, 274, 294, 305, 306, Strontium SrH2 386 478, 630, 647, 648 SrO 88 NO.NOK 3 358 SrCl2 81 NOC 149, 479 SrF2 81 NO2 161, 293, 480, 647 SrS 80 NOC 2 481 SrCO3 598 NO3 477 SrSO4 598 N2O 296, 477, 640
Tantal CaTaO2N 764 LaTaON2 764 Ta2O5 800 LiTaO3 801 (Fe, Mn)(Nb, Ta)2O6 795 [Ta6O19]8K 801 TaX4 (X Z Cl, Br, I) 802 TaX5 (X Z Halogen) 802 Ta6X14 (X Z Cl, Br, I) 803 Ta6X15 (X Z Halogen) 803 [Ta6X12]2C (X Z Halogen) 803 [Ta6X12]3C (X Z Halogen) 803 Tellur 435 Te 2C 4 435 Te 2C 6 435 Te 2C 8 H2Te 442 TeO2 457 TeO3 457 H2TeO3 457 H6TeO6 457 Thallium (TlH)n 596 (TlH3)n 596 TlBH4 596 TlOH 595 Tl2O 595 Tl2O3 596 TlBr 80 TlCl 80, 89 TlI · I2 595 TlX (X Z Halogen) 595 TlX3 (X Z Halogen) 596 NaTl 202, 595 Tl2CO3 595 Tl2SO4 596 Tl2 (SO4)3 595 Titan TiO 729, 790 TiO2C 789 TiO2 77, 81, 739, 741, 786, 788 [TiO2]2C 438 Ti2O3 81, 790 Ti3O5 790 TinO2nK1 (4 % n % 10) 732, 790 [Ti(O2)OH]C 790 BaxTiyOxC2y 790 TiCl4 789, 791 TiI2 138 TiI4 788, 791 TiX2 (X Z Halogen) 792
Formelregister TiX3 (X Z Halogen) 792 TiX4 (X Z Halogen) 791 TiN 792 TiS 136 TiS2 138 TiOSO4 · H2O 790 TiC 204, 545 Uran siehe unter Actinoide Vanadium [V(H2O)6]2C 794, 799 [V(H2O)6]3C 707, 794, 799 VO 80, 799 VO2 81, 798 V2O3 81, 798 V2O5 449, 797 VnO2nK1 (4 % n % 9) 732, 797 [V(O2)]3C 798 [VO2 (O2)2]3K 798 [VO4]3K 797 [VO(H2O)5]2C 794, 798 [VO2 (H2O)4]C 794 [V10O28]6K 798 Ca3V10O28 · 18 H2O 798 KVO3 798 KV3O8 798 K3V5O14 798 NH4VO3 797 Na4V2O7 · 18 H2O 798 Na6V10O28 · 18 H2O 798 Pb5 (VO4)3Cl 795 VF5 800 VI3 796 VX2 (X Z Halogen) 799 VX3 (X Z Halogen) 799 VX4 (X Z Halogen) 800 VS 136 VS4 795
VSO4 · 6 H2O 799 VOSO4 · 5 H2O 798 Wasserstoff H 294, 382 H2 104, 104, 141, 294, 368, 373, 374, 375 o-H2 384 p-H2 384 D2 383 T 383 D2O 384 Wolfram WO3 · 2 H2O 817 WO3 80, 806, 817 WO2 81, 817 W18O49 817 W20O48 817 W40O119 817 W50O148 817 WnO3nK1 (n Z 8, 9, 10, 11, 12, 14) 732 NanWO3 (O % n % 1) 821 817 WO2K 4 CaWO4 805 (Mn, Fe)WO4 805 PbWO4 511 [HW6O21]5K 820 [H2W12O40]6K 820, 821 [H2W12O42]10K 820 [Te(WO4)6]6K 457 WCl6 403 (C6H6)2W 722 [W2Cl9]3K 823 [W6X8]4C (X Z Halogen) 823 [W6Cl12]6C 823 WC 204, 545 Xenon siehe unter Edelgase
Zink Zn 347, 372 759 Zn 2C 2 Zn(OH)2 762 ZnO 135, 728, 740, 762 ZnxCo1KxO 763 ZnBr2 138 ZnCl2 138, 763 ZnF2 81, 333, 763 ZnI2 138 ZnS 77, 135, 424, 760, 763 ZnSe 135 ZnTe 135 ZnCO3 761 ZnSO4 764 ZnCo2O4 763 [Zn(CN)4]2K 763 [Zn(NH3)4]2C 762 [Zn(OH)4]2K 762 Zinn SnH4 550 Sn2 H6 550 SnO 552 SnO2 81, 511, 550 Sn3O4 552 SnCl2 551 SnCl4 550 SnF2 551 SnS 552 SnS2 138, 551 (NH4)2SnS3 552 Na2SnS3 551 H2SnCl6 550 Zirconium ZrO2 734, 786, 787, 793 ZrX4 (X Z Halogen) 793 ZrSiO4 786 ZrS2 138
961