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German Pages 326 Year 2022
Schriften zum Steuerrecht Band 178
Anknüpfungspunkte zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle im internationalen Ertragsteuerrecht
Von
Tim Walter
Duncker & Humblot · Berlin
TIM WALTER
Anknüpfungspunkte zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle im internationalen Ertragsteuerrecht
S c h r i f t e n z u m St e u e r r e c ht Band 178
Anknüpfungspunkte zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle im internationalen Ertragsteuerrecht
Von
Tim Walter
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Konstanz hat diese Arbeit im Jahr 2021 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany
ISSN 0582-0235 ISBN 978-3-428-18643-3 (Print) ISBN 978-3-428-58643-1 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Studie wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz im Wintersemester 2021/2022 als Dissertation angenommen. Die hier veröffentlichte Fassung befindet sich auf dem Stand September 2021; später Erschienenes konnte nur noch vereinzelt berücksichtigt werden. Meinem akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Oliver Fehrenbacher, danke ich herzlichst für die herausragende fachliche Förderung, die profunde Betreuung des Promotionsprozesses und die Impulse zu meiner juristischen und akademischen Entwicklung. Vorrangig ihm verdanke ich mein Interesse für Steuer- und Wirtschaftsrecht, einen wesentlichen Teil meines juristischen Handwerkszeugs und nicht zuletzt die Möglichkeit zur Anfertigung dieser Dissertation. In diesem Zusammenhang werde ich meine Zeit als Mitarbeiter an der Universität stets als lehrreichen, prägenden, vorrangig aber als schönen Lebensabschnitt in Erinnerung behalten. Daneben danke ich auch Frau Professor Dr. Birgit Elsa Bippus für die kompetente und zügige Erstellung des Zweitgutachten. Auf meinem Lebensweg und während meiner Promotion haben mich viele wunderbare Menschen begleitet. Ihnen bleibe ich in tiefer Dankbarkeit verbunden. So haben mich meine Eltern, Manuela und Martin Walter, fortwährend uneingeschränkt unterstützt und mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Ihnen ist dieses Werk gewidmet. Meine liebevolle Partnerin, Pauline Meyer, stand mir als persönlicher Anker und kompetente Lektorin während der Anfertigung dieser Arbeit bei. Insbesondere Magdalena Behmann, Vincent Calvin Brock, Dr. Fabian Brugger, Sebastian Reif und Dr. Kevin Joder, aber auch alle anderen Freunde und Kollegen, die mir verzeihen mögen, dass sie hier nicht namentlich genannt sind, standen jederzeit für fachlichen und persönlichen Austausch bereit und machten die Promotionszeit unvergesslich und einzigartig. Ulm, Dezember 2021
Tim Walter
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. E. a. F. Abs. AEAStG
andere Ansicht am Ende alte Fassung Absatz Anwendungserlass zum AStG (BStBl. I 2014 Sondernummer 1/2004, S. 3) AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AllgGewO Pr Neue allgemeine Gewerbe-Ordnung für die preußische Monarchie Amtshilfe-RLUmsG Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz AO Abgabenordnung AOA Authorized OECD Approach Art. Artikel AStG Außensteuergesetz ATAD Anti Tax Avoidance Directive (RL 2016/1164/EU und RL 2017/952/EU) Aufl. Auflage BB Betriebs-Berater (Zeitschrift) BEA Bureau of Economic Analysis (U.S. Department of Commerce) BEAT Base Erosion and Anti-Abuse Tax BeitrRL Europäische Beitreibungsrichtlinie (RL 2010/24/EU) BeitrRLUmsG Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz BEPS Base Erosion and Profit Shifting BFH Bundesfinanzhof BfIFD Bulletin for International Fiscal Documentation (Zeitschrift) BfIT Bulletin for International Taxation (Zeitschrift) BFuP Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen BIP Bruttoinlandsprodukt BMF Bundesministerium der Finanzen BranntwMonG Branntweinmonopolgesetz BsGaV Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung bspw. beispielsweise BStBl. Bundessteuerblatt BT-Drucks. Bundestagsdrucksache BTR British Tax Review (Zeitschrift) BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen der amtlichen Sammlung des Bundesverfassungsgerichts bzw. beziehungsweise
10 B2B ca. CbCR CDU CEO CFA CFC CGI CJWB CSU d. h. DB DBA ders. dies. DiStG DK DStJG DStR DStR-KR dt. EL EStG ET etc. ETR EU EuZW EWS f. ff. FG Fn. FR FS GAAP GewStG GG ggf. GILTI GloBE grds. G7 G20 HM Treasury HS
Abkürzungsverzeichnis Business to Business circa Country-by-Country Reporting Christlich Demokratische Union Chief Executive Officer Committee on Fiscal Affairs Controlled Foreign Corporation Code général des impôts (französisches Steuergesetzbuch) Columbia Journal of World Business Christlich Soziale Union das heißt Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen derselbe dieselbe Digitalsteuergesetz (Österreich) Der Konzern (Zeitschrift) Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht Kammerreport (Zeitschrift) deutsch/deutsche Ersatzlieferung Einkommensteuergesetz European Taxation (Zeitschrift) et cetera Effective Tax Rate Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) folgende folgende Festgabe Fußnote FinanzRundschau (Zeitschrift) Festschrift Generally Accepted Accounting Principles (US-amerikanische Rechnungslegungsvorschriften) Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls Global Intangible Low-Taxed Income Global Anti-Base Erosion Proposal grundsätzlich Gruppe der sieben bedeutendsten Industrienationen der westlichen Welt Gruppe bestehend aus den 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer und der EU Her Majesty’s Treasury (britisches Finanz- und Wirtschaftsministerium) Halbsatz
Abkürzungsverzeichnis HStR i. d. R. i. E. i. H. v. i. R. i. R. d. i. S. i. S. d. i. V. m. IBFD ifst IFRS Inc. IRC ISR IStR IWB JuS KMU KStG lit. lt. m. w. N. MNE MwStR MwStSystRL o. g. OECD OECD-MA OECD-MK ÖZöffR PCIJ PwC QBAI RG RGBl. RGZ RL RL-E Rspr. Rz. S. s. o. s. u. sog. SPD
11
Handbuch des Staatsrechts in der Regel im Einzelnen in Höhe von im Rahmen im Rahmen des/der im Sinne im Sinne des/der in Verbindung mit International Bureau of Fiscal Documentation Institut Finanzen und Steuern International Financial Reporting Standards (internationale Rechnungslegungsvorschriften) Incorporated (US-amerikanische Gesellschaftsform) Internal Revenue Code (Bundessteuergesetz der USA) Internationale SteuerRundschau (Zeitschrift) Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) Internationale Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) kleine und mittelständische Unternehmen Körperschaftsteuergesetz Buchstabe laut mit weiteren Nachweisen Multinational Enterprise Mehrwertsteuerrecht (Zeitschrift) Mehrwertsteuersystemrichtlinie (Richtlinie 2006/112/EG) oben genannt/en Organisation für Wirtschaft und Entwicklung OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen OECD-Musterkommentar zum OECD-MA Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht Publications of the Permanent Court of International Justice PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Qualified Business Assets Investment Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Richtlinie Richtlinienentwurf Rechtsprechung Randzeichen Seite siehe oben siehe unten sogenannte/n Sozialdemokratische Partei Deutschlands
12 StBJb SteuK StIGH st.Rspr. StuW SZ TFDE Tz. u. a. u. U. UAbs. UNCTAD usw. v. a. vgl. WPg WRV WTJ WÜRV ZEW ZfbF
Abkürzungsverzeichnis Steuerberaterjahrbuch Steuerrecht kurzgefaßt (Zeitschrift) Ständiger Internationaler Gerichtshof ständige Rechtsprechung Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Süddeutsche Zeitung Task Force on the Digital Economy Textzeichen unter anderem unter Umständen Unterabsatz United Nations Conference on Trade and Development und so weiter vor allem vergleiche Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Weimarer Reichsverfassung World Tax Journal (Zeitschrift) Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Zeitschrift für betriebswissenschaftliche Forschung
Inhaltsübersicht Kapitel 1 Einleitung
25
A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Kapitel 2 Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
32
A. Digitale Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I.
Wachstum und Vielseitigkeit digitaler Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
II. Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 III. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 B. Besteuerung unter Anwendung der aktuellen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Nationale Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Einkünftezuweisung durch DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 III. Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 C. Die Problematik der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 I. Unterschiede in der Besteuerung zu herkömmlichen Geschäftsmodellen . . . . . . . 63 II. Probleme für die Steuerrechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 D. Abhilfe durch angedachte oder durchgeführte Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I. Maßnahmen i. R. d. BEPS-Aktionsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 II. Maßnahmen der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 II. Erforderlichkeit einer Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
14
Inhaltsübersicht Kapitel 3 Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
82
A. Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 B. Prüfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I. Verbesserung der festgestellten Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 II. Dogmatische Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 III. Kohärenz mit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 IV. Umgehungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 V. Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 VI. Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 C. Ergebnis: Das 5+1-Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
Kapitel 4 Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
149
A. Inhalt des Regelungsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 II. Ausgestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 B. Anwendung des Prüfprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I.
Verbesserung der festgestellten Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
II. Dogmatische Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 III. Kohärenz mit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 IV. Umgehungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 V. Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 VI. Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
Kapitel 5 Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
191
A. Inhalt des Regelungsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 I. Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 II. Ausgestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 III. Sondersteuer als Erhebungsform der allgemeinen Ertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . 198 B. Anwendung des Prüfprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 I. Verbesserung der festgestellten Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 II. Dogmatische Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 III. Kohärenz mit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
Inhaltsübersicht
15
IV. Umgehungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 V. Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 VI. Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
Kapitel 6 Globale Mindestbesteuerung
242
A. Inhalt des Regelungsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 I. Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 II. Ausgestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 B. Anwendung des Prüfprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 I.
Verbesserung der festgestellten Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
II. Dogmatische Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 III. Kohärenz mit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 IV. Umgehungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 V. Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 VI. Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293
Kapitel 7 Ergebnisse der Arbeit
295
A. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 I.
Besteuerungsprobleme bei digitalen Geschäftsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
II. Kriterien zur Einordnung von Reformvorschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 III. Betrachtung der einzelnen Reformmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 B. Gesamtfazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung
25
A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Kapitel 2 Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
32
A. Digitale Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I.
Wachstum und Vielseitigkeit digitaler Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
II. Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Arbeit von OECD und EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Zweckabhängiges Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3. Phänomenbasierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 B. Besteuerung unter Anwendung der aktuellen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Nationale Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Regelungsumfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Steuerpflicht kraft Sitzes oder Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Sitz, § 11 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Geschäftsleitung, § 10 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 aa) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 bb) Problemorientierte Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 cc) Folgen für die Zuordnung der Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. Einfluss einer Betriebsstätte auf die Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Betriebsstätte, § 12 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
18
Inhaltsverzeichnis b) Anwendung auf digitale Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 aa) Unbeschränkte Steuerpflicht im Inland mit Betriebsstätte im Ausland
49
bb) Beschränkte Steuerpflicht im Inland aufgrund einer Betriebsstätte . . . . 50 II. Einkünftezuweisung durch DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Wirkung von DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Zuweisung aufgrund einer Geschäftsleitungsfunktion – Art. 7 Abs. 1 S. 1, 4 Abs. 3 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Ermittlung der Ansässigkeit, Art. 4 Abs. 3 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Zuweisung der Einkünfte, Art. 7 Abs. 1 S. 1 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . 54 c) Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 d) Zwischenbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3. Zuweisung aufgrund einer Betriebsstätte – Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA . . . . 56 a) Definition und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 aa) Internationale Begriffsbestimmung (DBA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 bb) Verhältnis zum innerstaatlichen Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 cc) Bedeutung und Zweck des Betriebsstättenbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 III. Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 C. Die Problematik der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 I. Unterschiede in der Besteuerung zu herkömmlichen Geschäftsmodellen . . . . . . . 63 1. Marktteilnahme ohne physische Präsenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Konzeptionelle Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Relevanz immaterieller Wirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 II. Probleme für die Steuerrechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Grundproblem: Steuergestaltungsmöglichkeiten digitaler Konzerne . . . . . . . . . 67 a) Vermeidung einer Steuerpflicht im Marktstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 b) Günstige Verlagerung immaterieller Wirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 c) Zurückhaltung von Gewinnen im niedrigbesteuernden Ausland . . . . . . . . . . 71 2. Wettbewerbsverzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Digitale und nicht digitale Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Multinationale Konzerne und mittelständische Unternehmen . . . . . . . . . . . . 73 3. Druck auf die Steuersysteme und dessen Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 D. Abhilfe durch angedachte oder durchgeführte Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I.
Maßnahmen i. R. d. BEPS-Aktionsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Aktionspunkt 7 – Erweiterung des Art. 5 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Aktionspunkte 8 bis 10 – Revision der Verrechnungspreisleitlinien . . . . . . . . . 76 3. Aktionspunkt 3 – Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4. Aktionspunkt 1 – Steuerliche Herausforderungen der Digitalisierung . . . . . . . . 78
II. Maßnahmen der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
Inhaltsverzeichnis
19
E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I.
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
II. Erforderlichkeit einer Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
Kapitel 3 Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
82
A. Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 B. Prüfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I.
Verbesserung der festgestellten Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 1. Eintretende Verbesserungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Effektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
3. Selektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 II. Dogmatische Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Territorialitätsprinzip und genuine link . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Kriterien des Territorialitätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Kriterien des genuine links . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 aa) Vorhandene Ansätze in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . 89 bb) Herleitung aus deduktivem Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) Relevanz für die Zuordnungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Wertschöpfungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Definition und Zurechnung von Wertschöpfungsbeiträgen . . . . . . . . . . . . . . 97 aa) Wertschöpfungsprozesse in digitalen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Erweiterung der Wertschöpfungsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 cc) Unternehmenseigene Wertschöpfungsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 dd) Zurechnung von Wertschöpfungsbeiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 ee) Zwischenbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Relevanz für die Zuordnungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung . . . . . . . . . . 106 a) Inhalt im internationalen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 bb) Objektives und subjektives Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 cc) Durchbrechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Relevanz für die Zuordnungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4. Äquivalenz-/Nutzenprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Inhalt und Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 c) Relevanz für die Zuordnungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
20
Inhaltsverzeichnis III. Kohärenz mit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Nationale Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Formelle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Materielle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 c) Einfachgesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Europäische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Marktfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Beihilfeverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 IV. Umgehungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Steuervermeidung, -gestaltung und -missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Gestaltungsausschließende Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Unausweichlichkeit und steuerjuristische Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . 128 b) Auslegbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 c) Berücksichtigung ausländischer Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 d) Regelungsstandort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 V. Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Tatsächlicher Belastungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Anwendbarkeit des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Überprüfbarkeit der Besteuerungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 c) Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2. Komplexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3. Realisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Umsetzungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Umsetzungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 c) Umsetzungswahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 VI. Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
C. Ergebnis: Das 5+1-Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
Kapitel 4 Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
149
A. Inhalt des Regelungsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 II. Ausgestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Wirtschaftliche Präsenz (Significant Economic Presence) . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Nutzernexus (User Participation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Vermarktungsnexus (Marketing Intangibles) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 4. Weitere Ansätze und der Unified Approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
Inhaltsverzeichnis
21
B. Anwendung des Prüfprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I.
Verbesserung der festgestellten Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Eintretende Verbesserungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Schädliche Gestaltungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Angemessener Tarif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 c) Wettbewerbsverzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2. Effektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3. Selektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Dogmatische Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Territorialitätsprinzip und genuine link . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung . . . . . . . . . . 165 3. Äquivalenz-/Nutzenprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 III. Kohärenz mit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Nationale Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Europäische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 IV. Umgehungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Regelungseigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Unausweichlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 V. Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Tatsächlicher Belastungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Anwendbarkeit des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Überprüfbarkeit der Besteuerungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 c) Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Komplexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3. Realisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Umsetzungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Umsetzungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 c) Umsetzungswahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4. Folgefrage: Anpassung der Einkünftezuordnungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 5. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 VI. Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
Kapitel 5 Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
191
A. Inhalt des Regelungsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 I.
Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
22
Inhaltsverzeichnis II. Ausgestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Steuertatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Abziehbarkeit i. R. d. allgemeinen Ertragsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 III. Sondersteuer als Erhebungsform der allgemeinen Ertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . 198
B. Anwendung des Prüfprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 I. Verbesserung der festgestellten Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Eintretende Verbesserungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Effektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Weitere Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 3. Selektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 II. Dogmatische Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. Territorialitätsprinzip und genuine link . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 2. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung . . . . . . . . . . 211 a) Betrachtung der autarken Bruttosteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 b) Betrachtung von Doppelbelastung und Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . 213 3. Äquivalenz-/Nutzenprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 III. Kohärenz mit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 1. Nationale Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 a) Formelle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Materielle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Europäische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 IV. Umgehungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Regelungseigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 2. Unausweichlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 V. Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Tatsächlicher Belastungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Anwendbarkeit des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 b) Überprüfbarkeit der Besteuerungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 c) Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Komplexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 3. Realisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 a) Umsetzungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 b) Umsetzungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 c) Umsetzungswahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 VI. Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
Inhaltsverzeichnis
23
Kapitel 6 Globale Mindestbesteuerung
242
A. Inhalt des Regelungsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 I.
Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 1. Income inclusion rule und switch over rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 2. Undertaxed payment rule und subject to tax rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 3. Weitere Regelungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 4. Bestimmung der effektiven Steuerlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 5. Verhältnis der GloBE-Regelungen zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 6. Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Verhältnis zu vorhandenen Rechtsinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 a) Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b) US-amerikanisches GILTI-Regime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
II. Ausgestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 1. Mindeststeuersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 2. Blending . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 3. Carve-Outs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 B. Anwendung des Prüfprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 I.
Verbesserung der festgestellten Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 1. Eintretende Verbesserungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 2. Effektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 3. Selektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 II. Dogmatische Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 1. Territorialitätsprinzip und genuine link . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 2. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung . . . . . . . . . . 266 3. Äquivalenz-/Nutzenprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 III. Kohärenz mit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 1. Nationale Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 a) Formelle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Materielle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 2. Europäische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 IV. Umgehungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 1. Regelungseigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 2. Unausweichlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
24
Inhaltsverzeichnis V. Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 1. Tatsächlicher Belastungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 a) Anwendbarkeit des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 b) Überprüfbarkeit der Besteuerungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 c) Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 2. Komplexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 3. Realisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 a) Umsetzungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 b) Umsetzungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 c) Umsetzungswahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 VI. Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293
Kapitel 7 Ergebnisse der Arbeit
295
A. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 I. Besteuerungsprobleme bei digitalen Geschäftsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 II. Kriterien zur Einordnung von Reformvorschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 1. Verbesserung der festgestellten Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 2. Dogmatische Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 3. Kohärenz mit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 4. Umgehungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 5. Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 6. Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 III. Betrachtung der einzelnen Reformmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 1. Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . 301 2. Sondersteuern auf digitale Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 3. Globale Mindestbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 B. Gesamtfazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
Kapitel 1
Einleitung A. Einführung Als Steve Jobs, der mittlerweile verstorbene CEO von Apple Inc., am 9. Januar 2007 der Öffentlichkeit das erste iPhone präsentierte, war die Digitalisierung der Welt bereits in vollem Gange. Dennoch war diese disruptive Innovation und die damit einhergehende Möglichkeit von überall aus auf das Internet zuzugreifen Wegbereiter des digitalen Zeitalters, indem wir uns befinden. Dies zeigt sich einerseits an der Marktkapitalisierung Apples, die sich seitdem fast verdreihundertfachte. Andererseits prägen digitale Dienstleistungen von Unternehmen, wie etwa Microsoft, Alphabet, Meta Platforms, etc. unseren gewöhnlichen Tagesablauf und unser Leben immer mehr. Durch die immer stärkere und flächendeckendere Durchdringung aller Lebensbereiche, ist die Digitalisierung auch aus dem globalen Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken. Es ist damit zu rechnen, dass die fortschreitende digitale Transformation früher oder später alle Branchen und Märkte umfasst und dem neu entstandenen Wirtschaftszweig, dessen Wertschöpfung alleine in digitalen Leistungen liegt, eine immer größere Bedeutung in der Weltwirtschaft zukommen wird.1 Während sich Technologien und Geschäftskonzepte der Digitalbranche rasant weiterentwickeln, stammt das deutsche Ertragsteuersystem aus den Anfangszeiten des Dritten Reichs.2 Seither änderte sich an der Erfassung gewerblicher Einkünfte und auch an der internationalen Abgrenzung der Besteuerungskompetenzen inhaltlich wenig. Unternehmen, die digitale Dienstleistungen, wie etwa soziale Netzwerke, Onlinesuchmaschinen oder Cloudcomputing anbieten, werden nach den gleichen Grundsätzen wie ein Kolonialwarenhändler vor dem zweiten Weltkrieg besteuert. Die Relevanz, die digitale Geschäftsmodelle mittlerweile in unserer Wirtschaftswelt einnehmen, spiegelte sich bislang in der Weiterentwicklung der Steuerrechtsordnung nicht wider. Dass sich daraus eine Disparität zwischen zu erfassender Wirtschaftstätigkeit und vorhandenem Gesetz ergibt, liegt auf der Hand.
1
So diagnostiziert die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat, dass Digitalunternehmen weitaus schneller wachsen als die Wirtschaft insgesamt. In den Jahren 2010 bis 2017 betrug die Ertragssteigerung im Bereich der Digitalunternehmen 14,2 % wo hingegen andere multinationale Unternehmen ihren Ertrag nur um 0,2 % steigern konnten, vgl. EU-Kommission, COM(2018) 146 final, S. 1 f., 11. 2 Vgl. RGBl. I, S. 1005 ff.
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Kap. 1: Einleitung
Problematisch ist, dass sich diese normative Diskrepanz in der praktischen Besteuerung entsprechender Unternehmen fortsetzt. Wirtschaftsstarke, global agierende Digitalkonzerne machen sich mit Hilfe steuerlicher Berater die Funktionsprinzipien der vorhandenen Regelungen und Lücken, die sich aus diesen überkommenen Tatbeständen ergeben, zunutze. Vielfach ist zu verzeichnen, dass sie durch verschiedenste Maßnahmen der aggressiven Steuerplanung weltweit nur wenige bis keine Steuern bezahlen.3 Wesentliches Gestaltungspotential steht dabei in unmittelbarem Zusammenhang mit der Globalisierung der Wirtschaft, der Märkte und der Geschäftsmodelle. Die weltweite Verflechtung gesellschaftlicher und unternehmerischer Zusammenhänge ist dabei ebenfalls zu weiten Teilen auf die Digitalisierung zurückzuführen und wurde durch sie merklich beschleunigt. Digitalunternehmen gelingt es, durch geschickte Planung ihrer Gesellschaftsstrukturen und die Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten ihr steuerliches Pflichtenprogramm in Staaten zu verlagern, wo sie günstige steuerliche Rahmenbedingungen vorfinden.4 Dabei ist die aggressive Steuergestaltung auch international agierenden Konzernen herkömmlicher Branchen nicht fremd. Bei digitalen Geschäftsmodellen sind diese Verwerfungen jedoch besonders stark und exorbitant häufig anzutreffen.5 Grund dafür ist die Art und Weise, wie Digitalunternehmen Einkünfte erzielen, ohne dabei in irgendeiner Beziehung zu denjenigen Staaten zu stehen, auf die sie mit ihren Plattformen einwirken.6 So ergibt sich für Hersteller von Produkten, Dienstleister und andere Gewerbetreibende ab einer gewissen Aktivität in einem Staat das Bedürfnis zur Begründung einer Niederlassung oder einer Tochtergesellschaft, die dort eine steuerliche Verpflichtung auslöst. Diese Anknüpfungsmerkmale zu vermeiden bedarf eines erheblichen Aufwands und ist auch nicht immer möglich. Digitalunternehmen steht es stattdessen durch den Einsatz von Technologie offen, auch bei immenser wirtschaftlicher Relevanz eines Marktes, ihr Geschäft dauerhaft über die Grenze hinweg aus einem Land mit günstigeren steuerlichen Rahmenbedingungen zu betreiben.7 Wesentliche Nachteile ergeben sich daraus für Digitalunter-
3 Vgl. Annex B „Typical tax planning structures in integrated business models“ in: OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, S. 167 ff. 4 Ausführliche Analyse: s. u. Kapitel 2: C. Die Problematik der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle, S. 63. 5 Cloer/Gerlach, FR 2018, S. 105 (108); Devereux/Vella, Implications of digitalization for international corporate tax reform, S. 5. 6 Eilers/Oppel, IStR 2018, S. 361 (362). 7 Nur 50 % der multinational tätigen Digitalunternehmen unterhalten eine Tochtergesellschaft im Ausland, wohingegen 80 % der herkömmlich tätigen multinationalen Unternehmen eine entsprechende Dependance im Ausland besitzen, vgl. UNCTAD, World Investment Report 2017, S. 174 f.
A. Einführung
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nehmen – im Gegensatz zu herkömmlichen Gewerbebetrieben – nicht oder sie können unproblematisch ausgeglichen werden.8 Dies alles führt immer wieder zu medienwirksamen Kampagnen9, die den durchschnittlichen Steuerpflichtigen an der Richtigkeit unseres Steuersystems zweifeln lassen. Die grundrechtlich verbürgte Gleichheit vor dem Gesetz als ein zentraler Maßstab für die Gerechtigkeit der Besteuerung scheint hier – trotz Einhaltung aller vorhandenen Normen durch die Digitalunternehmen – nicht ausreichend durchgehalten. Dies senkt die Steuermoral des Einzelnen und u. U. sogar das gesamtgesellschaftliche Vertrauen in den Rechtsstaat. Noch gravierender erscheint eine andere Folge des unternehmerischen Vorgehens: die zu verzeichnende Erosion der inländischen Besteuerungsgrundlagen.10 Steuern, allen voran die Ertragsteuern, stellen die zentrale Grundlage der Staatsfinanzierung dar. Reduziert sich das Aufkommen dieser Finanzierungsgrundlagen nachhaltig, kann das staatliche Leistungsangebot nicht in der bisherigen Form aufrechterhalten werden. Die Aushöhlung der Bemessungsgrundlage stellt damit eine Gefahr für Wohlstand und Stabilität der Gesellschaft dar. Allen wesentlichen politischen Ebenen ist diese Problematik bereits bekannt; ein Reformprozess lief allerdings nur schleppend an. Während von Seiten der deutschen Regierung „Maßnahmen zur Sicherstellung der angemessenen Besteuerung der digitalen Wirtschaft“ versprochen wurden11, konzentriert sich die Diskussion um die Änderung des internationalen Steuersystems auf höheren Ebenen. Die OECD widmete der Thematik einen eigenen Aktionspunkt i. R. d. BEPS-Initiative.12 Die Europäische Kommission legte gleich zwei Richtlinienvorschläge zur Einführung einer Reform vor.13 Dennoch kam es bislang – bis auf einige nationale Alleingänge14– nicht zu tatsächlichen Gesetzesänderungen. Immerhin konnte sich mittlerweile eine
8
Vgl. bspw. die Unternehmensstruktur von Amazon oder Alphabet, die eine zentrale Konzerngesellschaft in einem niedrig besteuernden Land wie Irland oder Luxemburg betreiben mit welcher dann die entsprechenden Verträge abgeschlossen werden. Daneben existieren lediglich kleine lokale Gesellschaften für reine Serviceleistungen, die möglichst gering nach der Kostenaufschlagsmethode besteuert werden, vgl. Kofler/Mayr/Schlager, BB 2017, S. 1751 (1756 f.). 9 Etwa die sog. „Paradise Papers“, die 2016 steuerliche Gestaltungen großer global agierender Konzerne, wie Apple, Meta Platforms oder Nike, offenlegten, vgl. SZ, Das sind die Paradise Papers. 10 Vgl. Schlund, DStR 2018, S. 937 (939) über die Angst der EU-Kommission vor der Aushöhlung der Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage; vgl. auch EU-Kommission, SWD(2018) 81 final, S. 5 f. 11 Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und der SPD zur 19. Legislaturperiode, Rz. 3129 ff. 12 Vgl. OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy. 13 EU-Kommission, COM(2018) 147 final; EU-Kommission, COM(2018) 148 final. 14 Im Überblick: Keuper, BB 2020, S. 407 (Teil I) und S. 471 (Teil II).
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Kap. 1: Einleitung
große Anzahl an Staaten auf eine konkrete Vorgehensweise15 einigen, wobei unsicher bleibt, ob dieser Reformprozess letztlich von Erfolg gekrönt sein wird. Die möglichen Maßnahmen, die gegen diese Praxis ergriffen werden könnten, sind auf den ersten Blick vielfältig und einfach umsetzbar. Im Wesentlichen sind drei Arten an Reformvorschlägen unterscheidbar: Einerseits gibt es Ansätze, die die internationale Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Staaten durch DBA und unilaterale Kollisionsnormen zugunsten derjenigen Staaten verschieben wollen, in denen sich das Geschäftsmodell der Digitalunternehmen entfaltet.16 Durch diesen Besteuerungszugriff sollen die Möglichkeiten der Konzerne zur Wahl des Besteuerungsortes reduziert werden. Daneben existieren Vorschläge17 und einzelne nationale Vorstöße18, auf Digitalleistungen unilateral eine zusätzliche umsatzbezogene Steuer zu erheben.19 Die verminderte Steuerlast, die durch das gewillkürte Verschieben von Besteuerungsrechte erzielt wird, soll hier durch die zusätzlich anfallende Steuer kompensiert werden. Zuletzt wird diskutiert, ob eine globale Mindestbesteuerung dadurch erreicht werden kann, dass einige Industriestaaten koordiniert ihre unilaterale Außensteuerregeln reformieren und ausdehnen.20 Durch das entstehende Netz aus Hinzurechnungsregeln und Abzugsbeschränkungen für minderbesteuerte Einkünfte, soll der Anreiz zu Steuergestaltungen beschränkt und der internationale Steuerwettbewerb eingedämmt werden. Während diese Erwägungen bei ihrer ersten Betrachtung allesamt als logische und mögliche Reaktionen auf die wirtschaftlichen Veränderungen i. R. d. Digitalisierung erscheinen, zeigen sich ihre Folgen und Probleme und damit die Komplexität des ganzen Themas umso klarer, je stärker man sich mit ihnen auseinandersetzt. Die vorstehenden Entwicklungen gaben daher den Impuls für die vorliegende Arbeit, die sich mit Optionen und Perspektiven zur Auflösung dieses Problemfeldes und seiner Systematisierung auseinandersetzen soll.
B. Ziel der Arbeit Ziel der Arbeit ist es aufzuzeigen, wie eine sachgerechte Ertragsbesteuerung digitaler Geschäftsmodelle mit Auslandsbezug gelingen kann. Dies soll einerseits in rechtsgebietsübergreifender Weise geschehen, sodass sämtliche Vorgaben und Grundsätze des Völker- und Verfassungsrechts, aber auch der einfachen Rechtsordnung Berücksichtigung finden. Während dabei das deutsche Recht den Aus15
G7, Carbis Bay Summit Communiqué, Rz. 22. Vgl. OECD, Blueprint for Pillar I; s. u. Kapitel 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung, S. 149. 17 Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 148 final. 18 Keuper, BB 2020, S. 407 (Teil I) und S. 471 (Teil II). 19 S. u. Kapitel 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten, S. 191. 20 Vgl. OECD, Blueprint for Pillar II; s. u. Kapitel 6: Globale Mindestbesteuerung, S. 242. 16
B. Ziel der Arbeit
29
gangs- und Endpunkt der Überlegungen markieren wird, erfolgt aufgrund der internationalen Dimension der Problematik zumindest eine gleichrangige Betrachtung des multi- und supranationalen Bezugs der Thematik. Andererseits soll die Arbeit auch an die praktischen Belange des Besteuerungsvorgangs anknüpfen und sich nicht lediglich in dogmatischen Streitigkeiten verfangen. Hierzu wird eine intersubjektive Perspektive eingenommen, die sowohl den Blickwinkel des Steuerstaates als auch des Steuerpflichtigen einnimmt. Um zu erfassen, mithilfe welcher Regelungen die Probleme um die Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle aufgelöst werden können, müssen zunächst einige Vorfragen geklärt werden. So ist als Zwischenschritt zu klären, wie digitale Geschäftsmodelle für die Zwecke der Arbeit von anderen Unternehmen abgegrenzt werden können und wie diese derzeit besteuert werden. Anhand dieser Grundlagen soll geklärt werden, worin genau die Probleme bei der Besteuerung dieser Unternehmen bestehen und woraus diese resultieren.21 Die umfassende Identifikation dieser vorhandenen ungewollten Mechanismen ist ein erstes Zwischenziel der Arbeit, das für sich genommen eine eigenständige Erkenntnis darstellt aber gleichzeitig das Fundament für die Erforschung sich anknüpfender Fragestellungen bildet. Als weiteres Zwischenziel soll ein Katalog an Anforderungen bestimmt werden, der als Maßstab für die Beurteilung von Lösungsvorschlägen im Hinblick auf die Besteuerung der Digitalbranche dienen kann.22 Dieser soll einerseits an anerkannte Fragestellungen der Besteuerung grenzüberschreitender Tätigkeit anknüpfen und so im Ausgangspunkt universellen Charakter haben. Andererseits soll jedoch den identifizierten Spezifika digitaler Geschäftsmodelle insoweit Rechnung getragen werden, als dass sich das Prüfprogramm im Kern den identifizierten Problemen dieser Branche widmen und einen Leitfaden für die Beurteilung der sich aus digitalen Leistungen neu ergebenden Thematiken bilden soll. Zuletzt werden die derzeit diskutierten Vorschläge zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle anhand des erarbeiteten Prüfungsschemas bewertet.23 Erstmalig sollen in einer geschlossenen Monographie die wesentlichen Reformvorschläge anhand eines umfangreichen einheitlichen Schemas besprochen und gegenübergestellt werden. Als Ergebnis soll demnach festgehalten werden, welcher Vorschlag einer Optimallösung am nächsten kommt.24 Da nicht zu erwarten ist, dass ein Vorschlag in allen Belangen vollumfänglich überzeugt, muss am Ende im Rahmen einer Gesamtabwägung aller Vor- und Nachteile, die den einzelnen Vorschlägen anhaften,
21
S. u. Kapitel 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel, S. 32. S. u. Kapitel 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle, S. 82. 23 S. u. Kapitel 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung, S. 149; Kapitel 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten, S. 191; Kapitel 6: Globale Mindestbesteuerung, S. 242. 24 S. u. Kapitel 7: Ergebnisse der Arbeit, S. 295. 22
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Kap. 1: Einleitung
die überzeugendste Kompromisslösung gefunden werden. Abschließend führt dies zur Überprüfung der folgenden These: Die mit dem Hervortreten digitaler Geschäftsmodelle verbundenen Besteuerungsprobleme erfordern eine Reform des Steuerrechts, für die der Vorschlag der globalen Mindestbesteuerung (GloBE) unter Berücksichtigung aller Umstände das überzeugendste Gesamtkonzept darstellt.
C. Gang der Untersuchung Die Untersuchung der dargestellten Fragen gliedert sich in sieben Kapitel. Während in diesem ersten Kapitel in die Thematik und die damit verbundenen Fragestellungen eingeführt wird, bildet das zweite Kapitel, das sich den Grundvoraussetzungen für die Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle widmet, den Ausgangspunkt der Untersuchung. Dabei wird der Bereich digitaler Unternehmenstätigkeit für die Zwecke der Arbeit abgegrenzt und seine Eigenschaften erörtert. Anschließend folgt die Betrachtung seiner Besteuerung unter Anwendung der aktuellen Rechtslage. Hierbei stehen die nationalen und internationalen Rechtsgrundlagen und ihre branchenspezifische Anwendung im Mittelpunkt. Aus dieser Betrachtung werden im nächsten Schritt die Probleme abgeleitet und isoliert, die aus der Disparität des vorhandenen Steuersystems und den neuen technischen Möglichkeiten herrühren. Hierbei erfolgt eine ausdifferenzierte Feststellung, an welchen Stellen und wodurch sich Momente ergeben, die unmittelbar oder mittelbar zu einer unsachgerechten Besteuerung führen. Mit der Festlegung der Anforderungen für eine sachgerechte Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle bildet das dritte Kapitel die Basis für die Untersuchung der Reformvorschläge. Um diese in den folgenden Kapiteln anhand einheitlicher und feststehender Maßgaben beurteilen zu können, wird ein Prüfprogramm erarbeitet. Dieses umfasst einerseits rechtsdogmatische Fragen, die sich im Bereich anerkannter Grundprinzipien des internationalen Steuerrechts ebenso stellen wie bei positiv rechtlich festgelegten Vorgaben aus nationalem und supranationalem Recht sowie biund multilateralen Vereinbarungen. Andererseits sind auch praktische Fragen der Besteuerung ein gleichwertiger Teil des Prüfprogramms. So wird festgelegt, anhand welcher Kriterien zu beurteilen ist, ob der jeweilige Vorschlag die Problematik nachhaltig und unproblematisch beseitigen kann und was bei dessen Umsetzung zu berücksichtigen ist. Sämtliche Kriterien des Prüfprogramms sind dann zu gewichten und in einer abschließenden Gesamtabwägung mit- und gegeneinander abzuwägen. Die Kapitel vier bis sechs bilden den Kern der Arbeit und widmen sich der Anwendung des zuvor festgelegten Prüfprogramms. Im Fokus stehen dabei die drei wesentlichen Reformansätze, die das Problem der internationalen Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle betreffen:
C. Gang der Untersuchung
31
Zunächst wird dabei die Erhebung von Marktfaktoren zu Anknüpfungspunkten für eine beschränkte Ertragsteuerpflicht betrachtet (Kapitel vier). Entsprechende Vorschläge, die eine digitale Schnittstelle oder die Belegenheit anderer Immaterialgüter im Inland gleich einer Betriebsstätte behandeln wollen oder eine beschränkte Steuerpflicht an das Innehaben einer gewissen Nutzerbasis oder eines gewissen inländischen Umsatzes knüpfen wollen, zielen allesamt auf eine Änderung der allgemeinen Substratzuordnungsregeln im internationalen Ertragsteuerrechts ab. Unabhängig von ihren Unterschieden, die in der Erörterung ebenfalls Berücksichtigung finden, wird das Grundkonzept der Verlagerung von Besteuerungskompetenzen zugunsten des Marktstaates als Schritt zur Auflösung der identifizierten Probleme erörtert. Das fünfte Kapitel nimmt Sondersteuern auf digitale Erträge in den Fokus. Auch diese stellen eine Möglichkeit dar, Digitalunternehmen steuerlich höher zu belasten. Allerdings stehen Digitalsteuern außerhalb des vorhandenen Steuersystems und werfen daher grundlegendere Fragen im Hinblick auf ihre Funktion und ihre Einordnung in das Steuersystem auf. Deshalb wird bei der Betrachtung dieses – teils schon praktizierten – Ansatzes insbesondere das Verhältnis und die Wechselwirkungen der branchenspezifischen Sondersteuer zum allgemeinen nationalen Ertragsteuerrecht und zu den vorhandenen DBA erörtert. Das sechste Kapitel handelt vom Vorschlag, durch abgestimmte unilaterale Regelungen ein weltweites Mindestbesteuerungssystem zu etablieren. Diesem Teil liegt der GloBE-Vorschlag zugrunde, der auf OECD-Ebene diskutiert wird. Aus der Art der Implementierung über einzelne Regeln, die direkt an das Vorliegen einer Minderbesteuerung anknüpfen und für diesen Fall eine Ergänzungsbesteuerung i. R. d. Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer vorsehen, ergeben sich zahlreiche Fragestellungen. Da es durch die Regelungen nur teilweise zur Verschiebung der Besteuerungsrechte kommt und dann eine Besteuerung zu einem geringeren Mindeststeuersatz erfolgt, stehen insbesondere Wertungsfragen im Fokus, die sich aus der Relation zu den gewöhnlichen Besteuerungsregeln ergeben. Daneben werden die Vor- und Nachteile der freiwilligen abgestimmten Einführung von GloBE besprochen. Nachdem sämtliche Reformansätze anhand des festgelegten Prüfungsmaßstabs besprochen wurden und jeweils eine Gesamtabwägung der Vorzüge und der entstehenden Komplikationen vorgenommen wurde, werden sämtliche Erkenntnisse im letzten Kapitel einer zusammenfassenden Schlussbetrachtung zugeführt. Im Rahmen des Gesamtfazits wird die eingangs erwähnte These überprüft und ein Ausblick auf die Zukunft steuerlicher Aspekte digitaler Geschäftsmodelle gegeben.
Kapitel 2
Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel A. Digitale Geschäftsmodelle I. Wachstum und Vielseitigkeit digitaler Geschäftsmodelle Bereits heute sind große Teile der Wirtschaft von der Digitalisierung durchsetzt und auch einige originär digitale Geschäftsmodelle stellen einen erheblichen Teil der inländischen ökonomischen Strukturen dar.1 Für die Zukunft wird durch das stetige Wachstum dieser Branche, das aufgrund der sich weiterentwickelnden technologischen Möglichkeiten auf gleich hohem Niveau fortschreiten oder sich sogar noch beschleunigen wird2, ein immer größerer Teil des Bruttoinlandsproduktes sämtlicher Länder auf diese Branche entfallen. Auch für die weltweite Wirtschaft stellt die Digitalbranche ein zunehmend wichtigeres Feld dar.3 Umso grundlegender ist also die Sicherstellung einer konsistenten Besteuerung der jeweiligen Geschäftsmodelle. Die Digitalisierung und die damit verbundenen aufgekommenen und aufkommenden technischen Möglichkeiten führen dazu, dass nicht nur vorhandene Geschäftsmodelle von diesen neuen Technologien durchsetzt werden, sondern sich auch komplett neue Produkte, Dienstleistungen und Aktivitäten in den verschiedensten Bereichen entwickeln.4 Beispielsweise traten in den letzten zwei Jahrzehnten durch das neue technische Potential Unternehmensmodelle, wie Anbieter digitaler Marktplätze (bspw. eBay, Amazon, Alibaba, etc.), Musik- und Videostreamingdienste (bspw. Spotify, Netflix, Youtube), soziale Netzwerke (bspw. Facebook, Xing, Instagram, etc.) und viele weitere hervor. Die schnellen Entwicklungen innerhalb dieser Branche führen immer wieder dazu, dass bereits etablierte Businesskonzepte 1 So haben innerhalb der EU bereits 87 % der Haushalte einen Internetzugang (innerhalb Deutschlands sogar 93 %). 88 % der jüngeren EU-Bürger nehmen an sozialen Netzwerken teil, 83 % nutzen Video- und Streamingdienste. Vgl. Eurostat, Digital economy & society in the EU, S. 5 u. 8. 2 Vgl. auf europäischer Ebene: EU-Kommission, COM(2018) 146 final, S. 2 f.; weltweit: UNCTAD, World Investment Report 2017, S. 159 ff. Auch die stark steigende Zahl der beschäftigten IT-Spezialisten in der EU spricht für einen erheblichen Wachstum des Sektors – so stieg die Anzahl der Beschäftigten im IT-Bereich in den vergangenen zehn Jahre um 33 % (im Vergleich zum gesamten Arbeitsmarkt: 2 %), vgl. Eurostat, Digital economy & society in the EU, S. 10. 3 Diesen Befund erhebt UNCTAD, World Investment Report 2017, S. 156. 4 OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 110.
A. Digitale Geschäftsmodelle
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obsolet werden und verschwinden bzw. durch neue Geschäftsformen ersetzt werden.5 Die Kurz- oder Langlebigkeit der diesen lässt sich selten zu Beginn beurteilen und ist wiederum von weiteren Entwicklungen und Trends abhängig. Die so entstehende teilweise geringe Resilienz und die Innovationsgeschwindigkeit in diesem wirtschaftlichen Bereich führen zu einer Variabilität und Unbeständigkeit der vorherrschenden Geschäftsmodelle. Daraus folgt, dass es für den Gesetzgeber umso schwieriger ist, für die Digitalbranche passende Regelungen zu entwickeln, da sie keinen stabilen Kriterien unterworfen ist und sich nicht abschließend charakterisieren lässt.6 Auch die Möglichkeiten zur Gewinnerzielung wandeln sich durch die fortschreitenden Möglichkeiten. Wo zu Beginn Zahlschranken zur Verwendung von Diensten und Portalen als Einnahmequelle der betreibenden Unternehmen dienten, wurde dies heute teilweise durch die Schaltung von Werbung abgelöst, welche aufgrund der neuen Möglichkeiten hoch individualisiert sowie zielgruppen- und nutzerorientiert angeboten werden, und deren Performance und Interaktion mit dem Nutzer ausgewertet werden kann.7 Weitergehend ist ein gesamter Industriezweig entstanden, der die Erzielung von Einnahmen nicht mehr direkt beim Kunden oder Nutzer vornimmt, sondern mithilfe der von ihm preisgegebenen Daten einen Gewinn durch deren entgeltliche Weitergabe oder systematisierten Zugriff darauf erwirtschaftet. Insgesamt sind die Geschäftspraktiken zur Einnahmenerzielung im Vergleich zur herkömmlichen Wirtschaft deutlich differenzierter.8 Auch dies erschwert eine juristische Einordnung digitaler Geschäftsmodelle erheblich. Einen großen Teil der digitalen Wirtschaft macht auch der E-Commerce (electronic commerce) aus, d. h. alle Handels- und Vertriebsstrukturen, die sich elektronischen Medien, insbesondere des Internets, bedienen.9 Fraglich ist allerdings, ob diese zu den digitalen Unternehmen gezählt werden oder lediglich eine digitalisierte Form bestehender Geschäftsmodelle darstellen. Letzteres kann deshalb angenommen werden, da sie sich der Digitalisierung lediglich als Mittel zum Zweck, nämlich zur Verbesserung ihrer Prozesse und zur Kommunikation, bedienen, sich sonst jedoch nichts am gewöhnlichen Handel ändert. Andererseits funktionieren diese ECommerce-Geschäfte teils nur deshalb, weil die entsprechenden Firmen auf ihre hochdigitalisierte Infrastruktur als Kern des Unternehmens zurückgreifen können. Insoweit kann der E-Commerce auch als Teil der originär digitalen Wirtschaft betrachtet werden. Um einen konkreten Untersuchungsgegenstand für diese Arbeit
5
OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 116. Vgl. Meyering/Hintzen, BFuP 2017, S. 451 (452 ff.). 7 OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 136. 8 Vgl. Box 4.1. „Diversity of revenue models“ aus OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, S. 64. 9 Vgl. Meyering/Hintzen, BFuP 2017, S. 451 (456); OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 117. 6
34
Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
festzulegen, muss eine zielgerichtete Definition für den Besteuerungskontext erarbeitet werden.10
II. Systematisierung Als Grundlage von Studien und Gesetzgebungsentwürfen zur Verbesserung der Besteuerung von Konzernen der Digitalbranche gab es v. a. durch die OECD11 und die EU12 Vorschläge zur Systematisierung der verschiedenen digitalen Geschäftsmodelle. Diese versuchen die geschilderte Vielgestaltigkeit der Konzepte für die Entwicklung und Überprüfung von Lösungsansätzen nach bestimmten Kriterien zu sortieren und sodann in Gruppen zusammenzufassen. 1. OECD Das Systematisierungsschema der OECD zur Einteilung der Modelle knüpft an eine wissenschaftliche Arbeit von Hagiu/Wright13 an. Diese schufen den Begriff der mehrseitigen Plattformen (multi-sided platforms) in Abgrenzung zu Wiederverkäufern (resellern). Die OECD fügt diesen beiden Kategorien noch zwei weitere hinzu14, die ebenfalls in der Lage sind, digital Wertschöpfung zu betreiben: Mehrseitige Plattformen sind Geschäftskonzepte, bei denen den Nutzern ein Forum geboten wird, um miteinander in Kontakt zu kommen. Der Zweck dieses Kontakts für den Nutzer ist je nach Geschäftsmodell unterschiedlich. So kann Ziel der Plattform die Vermittlung von Produkten oder Dienstleistungen sein, genauso gut kann der Zweck im reinen Verbinden an sich liegen, wie es regelmäßig bei sozialen Netzwerken der Fall ist. Voraussetzung einer Einordnung als mehrseitige Plattform ist, dass eine direkte Interaktion zwischen den Endnutzern stattfindet und beide Nutzerseiten mit dem Anbieter in Verbindung stehen. Typisch für diese Struktur ist die indirekte Netzwerkexternalität. Der Wert des Netzwerkes ergibt sich aus der Interaktion zwischen den verschiedenen Nutzertypen des Netzwerks; erst durch diese funktioniert das Geschäftsmodell und ist für potentielle Kunden attraktiv.15 Dagegen nehmen Wiederverkäufer nur eine wesentlich eingeschränktere Vermittlerrolle ein. Im Gegensatz zu mehrseitigen Plattformen erwerben Reseller selbst Produkte, Rechte oder andere Leistungen, um sie unter ihrer Kontrolle und nach ihren Regeln als direkter Vertragspartner an den Endkunden abzusetzen. Eine direkte 10
S. u. Kapitel 2: A.III. Definition, S. 36. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 55 ff. 12 EU-Kommission, SWD(2018) 81 final, S. 14 f. 13 Hagiu/Wright, Marketplace or Reseller. 14 Vgl. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 58. 15 Vgl. insgesamt OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 57 f.; Hagiu/ Wright, Marketplace or Reseller, S. 186 ff. 11
A. Digitale Geschäftsmodelle
35
Interaktion zwischen den Nutzern findet hingegen nicht statt. Vertikal integrierte Unternehmen (vertically intergrated firms) gehen noch einen Schritt weiter als Wiederverkäufer und nehmen gar keine Rolle mehr als Intermediär ein. Sie vermarkten ihre eigens hergestellten Produkte selbst und treten ohne Zwischenhändler an den Endkunden heran. Vorleistungslieferanten (input suppliers) stellen in diesem Zusammenhang Zulieferer dar, die den Teil eines späteren Endproduktes, nicht jedoch das finale Produkt selbst, herstellen und diesen an die entsprechende Stelle liefern. Sie interagieren im Gegensatz zu allen anderen dargestellten Kategorien nicht mit dem Endkunden und treten auch nicht als Vermittler auf.16 2. Europäische Union Die Europäische Union erkennt zunächst an, dass es keinen ausschließlichen Weg zur Kategorisierung von digitalen Geschäftsmodellen gibt. Sie differenziert nach Art der Aktivität und Art der Einnahmenerzielung.17 Die erste Kategorie stellen Unternehmen dar, die gegen Bezahlung eine Infrastruktur zur Verbindung der Nutzer bereitstellen. Voraussetzung ist, dass der Verkauf von Produkten und Leistungen nur unter den Nutzern erfolgt und diese nur gegen Entgelt Zugang zum Portal erhalten. Das Werbemodell bietet hingegen einen Service wie bspw. ein Netzwerk oder eine Suchmaschine gegen die Hergabe von persönlichen Daten durch den Nutzer. Diese werden dann zur Schaltung personalisierter Werbung genutzt, durch welche der Betreiber des Modells Einnahmen erzielt. Die EU differenziert damit im Gegensatz zur OECD, die bei den mehrseitigen Plattformen lediglich auf die Interaktion der Nutzer abstellt, nach der Art der Einnahmenerzielung. Weiterhin bilden Konzepte, bei denen Inhalte gegen Entgelt bereitgestellt werden, eine eigene Kategorie. Wird dieser Inhalt jedoch nicht durch ein Entgelt der Nutzer finanziert, sondern über platzierte Reklame, so unterfällt dieses Konzept dem Werbemodell. Im Gegensatz zur OECD differenziert die EU damit nicht nach der Erstellung des Inhalts (vertikal integrierte Unternehmen und Wiederverkäufer). Zuletzt bezieht die Europäische Union den E-Commerce als separate Gruppe in ihre Systematik mit ein. Während die OECD diesen zusammen mit den Anbietern anderer Leistungen zusammenfasst, wird der Versandhandel mit körperlichen Waren über Onlineportale hier aufgrund seiner herausgehobenen Position und den damit einhergehenden Fragen gesondert betrachtet.18
16
Zur Zuordnung und Abgrenzung nach diesem Modell: OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 58 ff. 17 EU-Kommission, SWD(2018) 81 final, S. 14 ff. 18 Zur Zuordnung und Abgrenzung nach diesem Modell: EU-Kommission, SWD(2018) 81 final, S. 15 f.
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
III. Definition An den erfolgten Systematisierungen zeigt sich, dass eine trennscharfe und einheitliche Abgrenzung der Digitalbranche kaum möglich ist. In vielen Bereichen bestehen Grenzfälle, bei denen unklar ist, ob es sich um ein digitales Geschäftsmodell handelt oder lediglich ein herkömmliches Konzept vorliegt, das sich partiell neuer Technologien bedient. Um für die nachfolgende Untersuchung festzustellen, welche Unternehmen die Problematik auslösen und welche Einkünfte von den Lösungsvorschlägen umfasst sein müssen, sollen im Folgenden die Umrisse digitaler Unternehmenstätigkeit herausgestellt werden. Die erarbeitete Definition kann dabei nicht als allgemeingültig und feststehend angesehen werden, sondern erlangt ihre Legitimität aus dem Bezug zum Untersuchungsziel. Sie dient ausschließlich dazu, den sachlichen Bereich der Arbeit auf die Besteuerung digitaler Unternehmen einzugrenzen. Auf eine trennscharfe Definition i. S. eines Tatbestandsmerkmals, unter das subsumiert werden kann, wird daher weder abgezielt, noch ist eine solche für die Zwecke der Arbeit erforderlich. Von Nöten ist stattdessen ein Begriffsverständnis, das weitgehend klarstellt, welche Unternehmensmodelle zum Untersuchungsgegenstand gehören und welche nicht. 1. Arbeit von OECD und EU Zu erwarten wäre, dass sowohl die OECD, die mit ihrem Aktionspunkt 1 ihrer BEPS-Initiative Einflüsse der digitalen Wirtschaft auf Besteuerungsgrundlagen untersucht,19 als auch die EU, welche mit ihren vorgelegten Richtlinienvorschlägen20 bereits einen ersten Schritt zur Umsetzung einer effektiveren Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle gemacht hat, eine Definition der betroffenen Unternehmen gefasst haben. Dies ist hingegen nicht der Fall.21 Vielmehr steht zum Schluss der Befund, dass eine trennscharfe Definition aufgrund der fortschreitenden Verflechtung von herkömmlicher und digitaler Wirtschaft nicht darstellbar ist.22 2. Zweckabhängiges Begriffsverständnis In der Literatur gab es jedoch Vorstöße, eine Definition der digitalen Wirtschaft zu finden. So stellen Meyering/Hintzen ebenfalls fest, dass die Ableitung einer Definition aufgrund der Vielgestaltigkeit und Ausgedehntheit digitaler Geschäftsmodelle 19
Vgl. insgesamt OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation. EU-Kommission, COM(2018) 147 final und EU-Kommission, COM(2018) 148 final. 21 So auch der Befund von Eilers/Oppel, IStR 2018, S. 361 (362 f.). 22 OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 115 will zeigen, dass Regelungen, die einseitig nur auf die Erfassung digitaler Geschäftsmodelle aufgrund der fehlenden Abtrennbarkeit von der gewöhnlichen Wirtschaft nur schwer umsetzbar sind. Auch Scheffler/Spengel, ZfbF-Sonderheft 72, 2017, S. 125 zeigen auf, dass häufig herkömmliche Geschäftsmodelle lediglich durch eine digitale Komponente erweitert werden. 20
A. Digitale Geschäftsmodelle
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nur schwerlich zu erzielen ist.23 Jedoch nähern sie sich vom Zweck her – der Vermeidung internationaler Steuerplanungspotentiale – und versuchen daraus eine brauchbare Definition zu entwickeln. Ausgangspunkt sind also Steuerplanungspotentiale, die sich aus der Digitalisierung ergeben und gerade aufgrund der Besonderheiten solcher Geschäftsmodelle vorhanden sind. Der zentrale Auslöser für derartige Möglichkeiten soll demnach vor allem die tragende Rolle immaterieller Wirtschaftsgüter im Bereich der Digitalwirtschaft sein. Diese ermöglichen aufgrund ihrer Mobilität eine wesentlich flexiblere räumliche Positionierung von Unternehmenszweigen im Vergleich zur Bindung durch Nutzer, Kunden, Geschäftsfunktionen etc. im herkömmlichen gewerblichen Bereich. Demnach soll die geringe Ortsgebundenheit und die sich daraus ergebende Auflösung räumlicher Anknüpfungspunkte zentrales Kriterium der Digitalwirtschaft sein. Die digitale Wirtschaft umfasst folglich Unternehmen, die nicht oder nur in geringem Maße ortsgebunden sind und die wissensbasiert und informationsintensiv Wertschöpfung betreiben.24 Diese Definition stößt auf Kritik.25 So gelingt es ihr nicht, eine Formel zu finden, die in der Lage ist, aufgrund objektiver, nicht wertender Kriterien ein Geschäftsmodell unstreitig den Digitalkonzernen zuzuordnen oder nicht. „Geringe Ortgebundenheit“ und „wissensbasierte und informationsintensive Wertschöpfung“ sind Merkmale, die bei jeder Subsumtion einer Wertung bedürfen. Damit wird der Charakterbegriff der Digitalwirtschaft wiederum mit Charakterbegriffen definiert. Für eine gesetzliche Normierung, die durch ein Tatbestandsmerkmal der digitalen Wirtschaft eine steuerliche Sonderregel für diesen Sektor eröffnen soll, entstünden damit starke Rechtsunsicherheit auf der Anwenderebene und erhebliche Klärungsbedürfnisse, die durch stetige Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit aufzulösen wären. Im Hinblick auf die Schnelllebigkeit und Innovationskraft dieser Branche ist fraglich, ob derartige Irritationen dem Ziel der Steuergerechtigkeit und der Sicherung der inländischen Bemessungsgrundlage zuträglich sind. Zum Zwecke dieser Arbeit ist eine trennscharfe Definition jedoch nicht erforderlich26. Es erscheint daher probat, die vorliegende Definition als Ausgangspunkt für eine weitere Ausarbeitung zugrunde zu legen. Allerdings ist die geäußerte Kritik berechtigt: Auch, wenn der Umgrenzung der Digitalwirtschaft keine Bestimmtheit gleich eines Tatbestandsmerkmals zukommen muss, stellt die Definition von Meyering/Hintzen das Ziel der Diskussion – die Vermeidung von Steuerplanungspotentialen bei Einkünften aus digitalen Geschäftsmodellen – alleine in den Mittelpunkt und lässt so unstreitig prägende Charakteristika der Digitalbranche völlig außen vor. 23 24 25 26
Meyering/Hintzen, BFuP 2017, S. 451. Meyering/Hintzen, BFuP 2017, S. 451 (465). Vgl. Eilers/Oppel, IStR 2018, S. 361 (363). S. o. Kapitel 2: A.III. Definition, S. 36.
38
Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
3. Phänomenbasierter Ansatz Ausgangspunkt für eine Definition müssen also auch die Eigenheiten der verschiedenartigen digitalen Geschäftsmodelle sein. Diesen sind verbindende und generalisierbare Elemente (Phänomene) zu entnehmen, die die Voraussetzungen innerhalb der Begriffsbestimmung bilden. Zweck dessen ist es, eine Definition zu formen, die weitgehend unabhängig von normativen Gegebenheiten ist, und damit auch immer neue Typen von Geschäftsmodellen erfasst, deren Entwicklung in der Digitalwirtschaft zu erwarten ist. Aufgrund der Mannigfaltigkeit der Unternehmenskonzepte ist es nur schwer möglich, eine Ableitung verbindender Elemente von „der“ Digitalwirtschaft vorzunehmen.27 Jedoch kann an dieser Stelle an die Vorarbeit von EU und OECD angeknüpft werden, die in ihren Untersuchungen bereits eine Kategorisierung der einschlägigen Geschäftsfelder vorgenommen haben.28 Aus diesen Systematisierungen kann ermittelt werden, welche Merkmale allen digitalen Geschäftsmodellen gemein sind. Das Aufkommen und die starke Präsenz digitaler Geschäftsmodelle wurde erst durch den Fortschritt im Bereich computergestützter Technologien möglich, durch den auch Endverbraucher in der Breite Zugang zu Computern und dem Internet erhalten haben. Ohne diese Entwicklungen wären Unternehmenskonzepte wie soziale Netzwerke, Streamingdienste, E-Commerce und viele weitere gar nicht erst entstanden. Die Digitalwirtschaft basiert daher zu einem erheblichen Teil auf der Nutzung dieser neuen technischen Möglichkeiten, sodass ihre Verwendung eines ihrer wesentlichen Merkmale darstellt. Voraussetzung für ein Digitalunternehmen ist daher, dass das betrachtete Geschäftsmodelle zu einem großen Teil auf der intensiven Nutzung computer- oder internetgestützer Technologien beruht. Dies muss zumindest in einem abgrenzbaren Teil des jeweiligen Unternehmens der Fall sein, da ein Betrieb ein herkömmliches Kerngeschäft haben, und dennoch parallel ein digitales Geschäftsmodell betreiben kann. Weiterhin bestehen auch Unternehmen, die sich in erheblichem Maße digitaler Technologien bedienen, ohne Digitalkonzerne im originären Sinne zu sein. Dass die Digitalisierung nicht nur eigene Wirtschaftszweige hervorgebracht hat, sondern vielmehr auch nahezu alle herkömmlichen Sektoren der Wirtschaft durchsetzt, ist allgemein anerkannt.29 Bloße digitalisierte Unternehmen, deren Tätigkeiten zwar in Verbindung mit computergestützten Technologien stehen, die jedoch aufgrund ihres fixen Standortes nicht von den Problematiken um die originären digitalen Geschäftsmodellen betroffen sind, müssen unterschieden werden. Ein originär digitales 27
(452). 28
Vgl. Eilers/Oppel, IStR 2018, S. 361 (362 f.); Meyering/Hintzen, BFuP 2017, S. 451
S. o. Kapitel 2: A.II. Systematisierung, S. 34. So schon OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 115; Meyering/Hintzen, BFuP 2017, S. 451 (454); EU-Kommission, SWD(2018) 81 final, S. 44. 29
A. Digitale Geschäftsmodelle
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Unternehmen liegt demnach nur vor, wenn der Einsatz der technologischen Möglichkeiten gerade Grundlage des Geschäftskonzeptes ist und nicht nur der Arbeitsoder Produktionserleichterung dient. Wie Meyering/Hintzen bereits zutreffend festgestellt haben, zeichnet sich die Digitalbranche zu einem großen Teil durch ihre unkörperliche Präsenz im Staat der Nutzer bzw. Kunden aus.30 Erreicht wird dies mittels moderner Fernkommunikationsmittel. Digitale Geschäftsmodelle lassen sich demnach auch durch ihren Betrieb über eine Website, App oder eine sonstige digitale Schnittstelle31 identifizieren. Dabei bleibt jedoch zu beachten, dass nicht zwangsläufig der zahlende Geschäftspartner über die digitale Schnittstelle mit dem Digitalunternehmer in Kontakt treten muss. Vielmehr genügt beim Werbemodell32 ein derartiger Kontakt zu den Nutzern. Unter die bisherigen Voraussetzungen fällt offensichtlich auch der E-Commerce, also der Vertrieb von körperlichen Waren über eine Onlineplattform, der eine Zusendung der erstandenen Gegenstände per Post vorsieht. Dieser ist Gegenstand teils abweichender Fragestellungen, für welche bereits Lösungen gefunden wurden. Im Gegensatz zu ihren anderen digitalen Pendants verfügen E-Commerce-Geschäfte regelmäßig über Standorte und damit sehr wohl über körperliche Anknüpfungspunkte im Inland. Diese wurden bislang jedoch wegen Art. 5 Abs. 4 OECD-MA a. F. nicht als Betriebsstätte klassifiziert, wodurch das jeweilige Geschäft nur in dem Land besteuerbar war, in welchem der Onlinehändler ansässig ist. Eine einfache Reform des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA konnte diese Problematik weitgehend auflösen.33 Auch wenn der E-Commerce aufgrund seiner Eigenschaften ein digitalisiertes Geschäftsmodell darstellt, so unterscheidet sich seine Problematik von der hochdigitaler Unternehmen. Letztere zeichnet im Vergleich aus, dass bei ihnen keine oder nur geringe Vertriebskosten (Kosten für Versand, Lagerhaltung, Kommissionierung, Einkauf, etc.) anfallen. Stattdessen beruhen originär digitale Geschäftsmodelle wesentlich auf dem Einsatz immaterieller Wirtschaftsgüter (Innehaben einer bekannten Marke, der Entwicklung von Software und dem Sammeln von Daten, etc.).34 Ein großer Kostenanteil innerhalb des Unternehmens fällt daher zur Entwicklung und Unterhaltung der immateriellen Wirtschaftsgüter an. 30
Meyering/Hintzen, BFuP 2017, S. 451 (465). Dieser Begriff darf hier nicht zwangsläufig deckungsgleich zum Begriff der „digitalen Schnittstelle“ aus Art. 2 Abs. 3 RL-E der EU-Kommission, COM(2018) 148 final gesehen werden. Danach bezeichnet eine „digitale Schnittstelle“ jede Art von Software, darunter auch Websites oder Teile davon sowie Anwendungen, einschließlich mobiler Anwendungen, auf die Nutzer zugreifen können. Der Begriff dient in diesem Zusammenhang der Festlegung der steuerbaren Erträge (Art. 3 Abs. 1 RL-E) i. R. einer vorgeschlagenen Digitalsteuer. Vgl. auch die Ausführungen in van Lück, ISR 2018, S. 158 (163). 32 Dazu s. o. Kapitel 2: A.II.2. Europäische Union, S. 35. 33 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 5.31; Lampert, in: Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. 2.149; vgl. Kofler/Schmidt/Simonek, IStR-Beih 2017, S. 1 (3, 22 f.). 34 Vgl. OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 152; OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 135 ff. 31
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
4. Ergebnis Die zuvor aufgezeigten Phänomene treten bei sämtlichen digitalen Geschäftsmodellen auf. Dennoch handelt es sich um einen Typusbegriff35, für den nicht das strenge kumulative Zusammentreten der einzelnen Voraussetzungen, sondern der Gesamteindruck des jeweiligen Unternehmens bzw. Unternehmensteils entscheidend ist. Dies trägt auch den besonderen Merkmalen des digitalen Sektors Rechnung, der sich durch die fortwährende Entwicklung immer neuer Geschäftskonzepte auszeichnet. Im Hinblick auf die vorliegende Arbeit kann der Untersuchungsgegenstand damit hinreichend bestimmt festgehalten werden. Erforderlich ist dabei die Unterscheidung originär (bzw. hoch-)digitaler und digitalisierter Geschäftsmodelle. Originär (bzw. hoch-)digitale Unternehmen sind solche, - deren Geschäftsmodelle zu großen Teilen auf der intensiven Nutzung computeroder internetgestützter Technologie beruhen, - bei denen der Einsatz der technologischen Möglichkeiten originärer Teil des Konzeptes ist und nicht nur zur Arbeitserleichterung dient, - die ihr Geschäft über eine Website, App oder sonstige digitale Schnittstelle betreiben, und - bei denen keine oder nur geringe Vertriebskosten anfallen, sondern der Hauptkostenanteil in der Entwicklung und Unterhaltung der immateriellen Wirtschaftsgüter liegt. Von dieser Definition umfasst sind sämtliche Plattformen, die als digitaler Intermediär wirken und den Kontakt zwischen verschiedenen Seiten herstellen, seien es andere Nutzer (bspw. soziale Netzwerke, Onlinemarktplätze, etc.), oder gewerbliche Anbieter (bspw. Vergleichsportale, Suchmaschinen, Onlinemarktplätze, etc.). Auch Anbieter und Vermittler von digitalen Inhalten und Leistungen (bspw. Streamingdienste, Onlinezahlungsdienstleister, etc.) sind digitale Geschäftsmodelle i. S. dieser Definition. Digitalisierte Unternehmen sind hingegen solche, – deren Geschäftsmodelle zu großen Teilen auf der intensiven Nutzung computeroder internetgestützter Technologie beruhen, und
35 Ein Typusbegriff ist auf ein Gesamtbild gerichtet, dass im jeweiligen Einzelfall mit dem von dem Begriff vorgegebenen Typus ähnlich erscheint. Einzelne Voraussetzungen können dabei nur schwächer oder gar nicht ausgeprägt und dagegen von starken anderen Voraussetzungen, die jedenfalls erfüllt sind, überlagert sein. Beispiele für anerkannte Typusbegriffe sind die Begriffe des Mitunternehmers, des häuslichen Arbeitszimmers und der bewertungsrechtliche Wohnungsbegriff. Vgl. Pahlke, DStR-Beih 2011, S. 66 (67); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 5.53 f.; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO, Rz. 395 ff.
B. Besteuerung unter Anwendung der aktuellen Rechtslage
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– die ihr Geschäft über eine Website, App oder sonstige digitale Schnittstelle betreiben. Hiervon umfasst ist v. a. auch der E-Commerce. Daneben sind jedoch auch andere herkömmliche Betriebe, die Teile ihrer unternehmerischen Tätigkeit den neuen technischen Möglichkeiten angepasst haben, dazuzuzählen.
B. Besteuerung unter Anwendung der aktuellen Rechtslage Es ist zu ermitteln, welche Besteuerungsregeln die vorhandene Rechtsordnung für die eben umrissenen Unternehmenskonzepte vorsieht. Fraglich ist dabei insbesondere, ob diese Regelungen so angewendet oder ausgelegt werden können, dass sich eine substantiierte Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle erreichen lässt. Nur wenn dies nicht der Fall ist, können überhaupt Probleme bei der Besteuerung identifiziert, sowie Modelle zur Verbesserung erarbeitet und bewertet werden.
I. Nationale Rechtslage 1. Regelungsumfeld Bei den in Frage stehenden digitalen Geschäftsmodellen handelt es sich regelmäßig um Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft.36 Diese werden entweder als Tochtergesellschaft großer Konzerne geführt, oder die Unternehmensträgerin selbst betreibt das Geschäft weltweit. Unabhängig vom Vorliegen einer unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht dieser Gesellschaften wird es sich regelmäßig um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handeln. Für unbeschränkt Steuerpflichtige ergibt sich dies aus § 8 Abs. 2 KStG, für beschränkt Steuerpflichtige greift die pauschale Verweisung des § 8 Abs. 1 KStG auf die Regelungen des EStG, sodass gewerbliche Einkünfte nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 15 EStG vorliegen.37 Einkünfte, die sich aus diesem Gewerbebetrieb ergeben, können dann im Inland besteuert werden, wenn ein Anknüpfungspunkt vorliegt. Dieser ergibt sich für die unbeschränkte Steuerpflicht aus subjektiv-territorialen Merkmalen38, nämlich wenn die Körperschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat, § 1 Abs. 1 KStG. Andererseits erscheint eine Besteuerung auch dann möglich, wenn keine 36
Vgl. Pinkernell, ifst-Schrift 494, S. 24. Der Betrieb eines digitalen Geschäftsmodells erfüllt die Voraussetzungen einer gewerblichen Tätigkeit i. S. v. § 15 Abs. 2 S. 1 EStG, zu den Voraussetzungen: Hey, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, Rz. 8.413 f.; Bode, in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 15 EStG Rz. 12a f.; Fehrenbacher, Steuerrecht, § 2 Rz. 151 ff. 38 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.2 f.; Martha, The Jurisdiction to Tax in International Law, S. 90 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 6 f. 37
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
unbeschränkte Steuerpflicht besteht. I. R. einer beschränkten Steuerpflicht können gemäß § 2 Nr. 1 KStG Einkünfte von Körperschaften ohne Sitz oder Geschäftsleitung im Inland auch dann besteuert werden, wenn es sich um „inländische Einkünfte“ handelt. Da das KStG selbst nicht definiert, wann solche inländischen Einkünfte vorliegen, bestimmt sich die Inlandseigenschaft nach § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 49 EStG. Für den Gewerbebetrieb knüpft § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG maßgeblich an die Betriebsstätte als objektiv-territoriales Merkmal an, welches die Inlandseigenschaft vermittelt.39 Für eine Besteuerungsmöglichkeit Deutschlands müsste demnach entweder der Sitz, die Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Inland belegen sein. Ist dies der Fall, so kann, vorbehaltlich anderslautender DBA, eine Besteuerung des digitalen Geschäftsmodells im Inland erfolgen. 2. Steuerpflicht kraft Sitzes oder Geschäftsleitung Vorrangig ist danach zu fragen, ob sich für digitale Geschäftsmodelle im Inland eine unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 KStG ergibt. Dies ist dann der Fall, wenn ein Sitz im Inland besteht oder die Geschäftsleitung von dort aus ausgeübt wird. a) Sitz, § 11 AO § 11 AO legt den Sitz einer Körperschaft als den Ort fest, der sich aus dem der Körperschaft zugrunde liegenden Regelwerk (Gesellschaftsvertrag, Satzung, etc.) ergibt. Demnach ist es international tätigen Unternehmen möglich, durch Bestimmung in ihrem Gesellschaftsvertrag ihren Sitz an einem für sie steuerlich günstigen Ort zu begründen. Unternehmen der Digitalbranche, die gerade auf die Minimierung steuerlicher Belastungen aus sind, werden es demnach vermeiden, ihren statuarischen Sitz in ein hochbesteuerndes Land wie Deutschland zu legen. Sie begründen regelmäßig eine Kapitalgesellschaft nach ausländischem Recht, die dann im Inland nach dem privatrechtlichen Gesellschaftsstatut Rechtsfähigkeit erlangen muss, um am Rechtsverkehr teilzunehmen und die haftungsrechtliche Abschirmwirkung zu entfalten40. Das deutsche internationale Privatrecht knüpft hierzu grds. an den effektiven Verwaltungssitz der jeweiligen Gesellschaft an (sog. Sitztheorie).41 Die zivilrechtliche Behandlung der Gesellschaft (sog. Personalstatut) bestimmt sich 39 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.2 f.; Martha, The Jurisdiction to Tax in International Law, S. 52; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 6 f. 40 Kindler, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 13 Teil 10 Rz. 319 ff., 524 ff.; i. E.: Saenger, Gesellschaftsrecht, Rz. 865 ff. 41 Kindler, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 13 Teil 10 Rz. 5, 423; bereits: RG, Urteil vom 29. 06. 1911 – IV 600/10, RGZ 77, S. 19 (22); BGH, Urteil vom 11. 07. 1957 – II ZR 318/55, BGHZ 25, S. 134 (144); bestätigt durch: BGH, Urteil vom 27. 10. 2008 – II ZR 158/06, BGHZ 178, 192; ebenso: BVerfG, Beschluss vom 27. 06. 2018 – 2 BvR 1287/17, 2 BvR 1583/ 17, NJW 2018, S. 2392 (2393).
B. Besteuerung unter Anwendung der aktuellen Rechtslage
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demnach, anders als § 11 AO es vorsieht, nicht nach dem frei wählbaren statuarischen Sitz, sondern nach dem tatsächlichen Ort der geschäftsführenden Verwaltung.42 Daher führt eine bloß formale Verlegung des Verwaltungssitzes zwar zum Ausscheiden des Anknüpfungsmerkmals aus § 11 AO, nicht aber zu einer Änderung des Personalstatuts der Gesellschaft. Unternehmen laufen bei einem Auseinanderfallen von statuarischem und tatsächlichem Sitz Gefahr, die haftungsrechtliche Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft zu verlieren, wenn im Staat des tatsächlichen Verwaltungssitzes andere Vorgaben im Hinblick auf die Haftungsfreistellung der Gesellschafter gelten als im Staat des statuarischen Sitzes.43 Dies stellt für Unternehmer ein maßgebendes Argument dar, es bei einer Übereinstimmung der beiden Orte zu belassen und diese zu perpetuieren. Innerhalb der EU verlangt allerdings die Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 AEUV, dass auch Gesellschaften, die in einem anderen Mitgliedstaat gegründet wurden, gegenüber Gesellschaften nach deutschem Recht nicht wesentlich benachteiligt werden.44 Demnach orientiert sich das Gesellschaftsstatut in innergemeinschaftlichen Fällen nicht nach dem Ort der effektiven Verwaltung, sondern – im Wesentlichen parallel zu § 11 AO – nach dem Recht des Ortes, an dem die Gesellschaft gegründet wurde (sog. Gründungstheorie).45 Die Verlegung des formalen Sitzes einer Gesellschaft innerhalb der EU führt damit zu keinem Wechsel des Personalstatuts.46 Anders als in Drittstaatenfällen richten sich die zivilrechtlichen Grundlagen der Gesellschaft also nach dem Recht deren Herkunftsstaates.47 Für Unternehmen ist es daher nicht mit Nachteilen verbunden, ihren formalen Sitz innerhalb der EU zu verlegen. Multinational tätigen Konzernen ist daran gelegen, die Begründung einer unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland und anderen hochbesteuernden Ländern zu vermeiden. Einem Anknüpfungsmerkmal nach § 1 Abs. 1 KStG i. V. m. § 11 AO kann dabei ohne Weiteres durch Wahl des formalen Sitzes in einem Niedrigsteu-
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Der Begriff des Sitzes wird demnach im internationalen Privatrecht und im Steuerrecht unterschiedlich definiert. Während das Steuerrecht nach § 11 AO auf den formellen Ort abstellt, der sich aus dem Gesellschaftsvertrag o. ä. ergibt, versteht das internationale Privatrecht den materiellen Ort der Leitung als Sitz. 43 BGH, Urteil vom 27. 10. 2008 – II ZR 158/06, BGHZ 178, S. 192. 44 Der EuGH erarbeitete hier eine ausführliche und ausdifferenzierte Dogmatik, vgl. Kindler, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 13 Teil 10 Rz. 112 ff.; siehe v. a. EuGH, Urteil vom 09. 03. 1999 – C-212/97, ECLI:EU:C:1999:126; EuGH, Urteil vom 05. 11. 2002 – C-208/00, ECLI:EU:C:2002:632; EuGH, Urteil vom 25. 10. 2017 – C-106/16, ECLI:EU:C: 2017:804. 45 BGH, Urteil vom 13. 03. 2002 – VII ZR 370/98, BGHZ 154, S. 185 in Umsetzung von EuGH, Urteil vom 05. 11. 2002 – C-208/00, ECLI:EU:C:2002:632. 46 Streitig, die a. A. sieht einen Statutenwechsel, allerdings ist der Zuzugsstaat unionsrechtlich zur privatrechtlichen Anerkennung der Gesellschaft verpflichtet, Kindler, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 13 Teil 10 Rz. 122 ff. 47 Grundlegend: EuGH, Urteil vom 09. 03. 1999 – C-212/97, ECLI:EU:C:1999:126.
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
erland ausgewichen werden.48 Um Gleichzeitig die zivil- und insb. haftungsrechtlichen Grundlagen der Unternehmenstätigkeit sicherzustellen, bietet sich der Betrieb eines digitalen Geschäftsmodells mittels einer innerhalb der EU gegründeten Tochtergesellschaft an. Mit einer solchen ist es für Digitalunternehmen und anderen MNE ohne größeren Aufwand oder Nachteile möglich, die Vorteile der europäischen Niederlassungsfreiheit zu nutzen und gleichzeitig die Begründung einer unbeschränkten Steuerpflicht im Inland zu vermeiden. b) Geschäftsleitung, § 10 AO aa) Definition § 10 AO definiert den Ort der Geschäftsleitung als den Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Dabei kommt es darauf an, von wo aus das das unternehmerische Tagegeschäft geführt wird; also den Ort an dem die in einem Unternehmen regelmäßig anliegenden Geschäftsführungsentscheidungen getroffen werden. Der Ort wesentlicher Leitentscheidungen, die Unternehmensstrukturen betreffen und nur mittelbar Einfluss auf das Tagesgeschäft nehmen, ist für die Subsumtion unter § 10 AO irrelevant.49 Nachdem sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung nach tatsächlichen Faktoren – nämlich dem örtlichen Schwerpunkt der Geschäftsführungshandlungen – richtet, fallen Gestaltungen, die mittels Verlegung eine inländische Steuerpflicht vermeiden wollen, wesentlich schwerer. Im Vergleich zur Verlegung des statuarischen Sitzes, die lediglich einer juristischen Umsetzung bedarf, fällt eine Verlegung der tatsächlichen Geschäftsleitung in einen anderen Staat aufgrund der damit einhergehenden Struktur-, Organisations- und Personalfragen regelmäßig nicht so leicht. Dies hält Unternehmen meist von entsprechenden Schritten ab. Die Verlegung der Geschäftsführung weg vom maßgeblichen Ort der Geschäftstätigkeit ist gewöhnlicherweise unternehmerisch nicht tragbar. Allerdings ergibt sich hier für digitale Geschäftsmodelle eine Sondersituation. Diese verlangen keine umfangreiche personalgebundene Geschäftstätigkeit im Inland und können somit im Vergleich zu herkömmlichen Unternehmenskonzepten einfacher aus dem Ausland dirigiert werden.50 Fraglich ist allerdings, wo sich dieser Geschäftsleitungsort bei multinational tätigen Digitalkonzernen befindet. Regelmäßig wird das operative Geschäft des Konzerns auf mehrere Tochtergesellschaften aufgegliedert. Konzerne gründen in der 48 Vgl. etwa die Unternehmensstrukturen von Amazon und Alphabet: Vgl. Kofler/Mayr/ Schlager, BB 2017, S. 1751 (1756 f.). 49 Fehrenbacher, Steuerrecht, § 4 Rz. 17; Lampert, in: Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. 2.66 ff.; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 10 AO, Rz. 1 f.; Benecke, in: Schnitger/Fehrenbacher, § 1 Rz. 53 f.; BFH, Urteil vom 03. 07. 1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, S. 86. 50 Bräutigam/Kellermann/Spengel, IStR 2020, S. 281 (282); OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 64 ff.
B. Besteuerung unter Anwendung der aktuellen Rechtslage
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Praxis beispielsweise eine Tochtergesellschaft in einem europäischen Land und betreiben von dort aus ihr gesamtes Europageschäft.51 Grds. liegt damit der tatsächliche Verwaltungssitz, der den Ort der Geschäftsleitung bestimmt, am Sitz der Tochtergesellschaft. Jedoch ist dieser Schluss nicht zwingend. Gerade in Konzernstrukturen kann sich durch das Abstellen auf die tatsächliche Willensbildung, die für die laufende Geschäftsführung maßgeblich ist, etwas anderes ergeben. Wird auch der gewöhnliche Geschäftsverkehr in wichtigen Punkten durch Entscheidungsgremien bei der Trägergesellschaft abgewickelt, wird zur Bestimmung des Orts der Geschäftsleitung nicht auf die vertretungsberechtigten Personen der Tochtergesellschaft, sondern auf den faktischen Entscheidungsträger innerhalb der Konzernstruktur abgestellt.52 bb) Problemorientierte Auslegung Für die zu untersuchenden Digitalkonzerne muss nach derzeitiger Rechtsprechung demnach konkret ermittelt werden, wo die laufende Geschäftsführung der Tochtergesellschaft erfolgt. Dies ist eine Frage der jeweiligen Unternehmensstruktur innerhalb des Konzerns. Wird die Tochtergesellschaft lediglich wie eine Betriebsabteilung der Muttergesellschaft geführt, liegt der Ort der Geschäftsleitung bei der Muttergesellschaft.53 Die Entscheidungsbildung in multinationalen Konzernen stellt sich häufig mehrdimensionaler dar. Vorgaben der Muttergesellschaft sind unterschiedlich präzise und lassen unterschiedlichen Entscheidungsspielraum bei der Umsetzung.54 Gerade bei Digitalkonzernen, bei denen die Leitung und Überwachung des Geschäftsbetriebs jederzeit und vollumfänglich von der Muttergesellschaft aus stattfinden kann, stellt sich die Frage, ob der technische Fortschritt nicht eine angepasste Auslegung von § 10 AO erfordert. Der Gesetzeswortlaut verlangt „den Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“. Im Kontext von digitalen Geschäftsmodellen stellt sich demnach die Frage, ob nicht unternehmerische Leitentscheidungen neben der Berücksichtigung der laufenden Geschäftsführung in den Fokus rücken sollten. Bei Digitalkonzernen ist der alltägliche Betrieb der Internetplattform durch die Automatisierung im Wesentlichen vorgegeben.55 Vor allem wenn vom Konzern weltweit ein einheitliches Geschäftsmodell betrieben wird, werden regelmäßig die wesentlichen Grundzüge des Geschäftsbetriebs in der Muttergesellschaft festgelegt. Lediglich regionale Anpassungen an rechtliche oder wirtschaftliche Bedingungen oder 51
Vgl. Kofler/Mayr/Schlager, BB 2017, S. 1751 (1757). Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 10 AO, Rz. 17 ff.; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 10 AO, Rz. 3; Benecke, in: Schnitger/Fehrenbacher, § 1 Rz. 58; BFH, Urteil vom 07. 12. 1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, S. 175. 53 BFH, Urteil vom 07. 12. 1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, S. 175 (179); Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 10 AO, Rz. 19; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 10 AO, Rz. 6. 54 Vgl. Seibold, IStR 2003, S. 45 (46). 55 Vgl. UNCTAD, World Investment Report 2017, S. 176 ff. 52
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
die Auseinandersetzung mit Geschäftspartnern, Kunden und Nutzern erfolgt im Staat der Tochtergesellschaft oder in den Betriebsstättenstaaten. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus vertretbar, unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls die durch den Mutterkonzern ausgeübten Geschäftsleitungsfunktionen stärker zu berücksichtigen. Im Ergebnis könnte damit i. R. d. deutschen Rechtsordnung eine unbeschränkte Steuerpflicht entsprechender ausländischer Tochtergesellschaften begründet werden. Dies ist jedoch nur in denjenigen Fällen möglich, in denen der Konzern seinen Stammsitz in Deutschland hat. Ist die Muttergesellschaft in einem anderen Staat ansässig, so muss nach dessen nationalem Recht geprüft werden, ob die Begründung einer Steuerpflicht möglich ist. Dafür müsste auch dieser Staat die Begründung einer Steuerpflicht über das Merkmal der tatsächlichen Geschäftsleitung kennen. In den USA, wo die meisten multinational tätigen Digitalkonzerne ansässig sind,56 kann so keine Steuerpflicht begründet werden. § 7701 (a) (4) IRC stellt für die Ansässigkeit einer Kapitalgesellschaft nur auf deren statuarischen Sitz ab. cc) Folgen für die Zuordnung der Einkünfte Geht man von einer unbeschränkten Steuerpflicht der Einnahmen erzielenden Tochtergesellschaft im Staat der Muttergesellschaft durch Begründung einer dort stattfindenden Geschäftsleitung aus, so stellt sich die Frage, welches der beteiligten Länder in welchem Umfang besteuert. Regelmäßig wird neben der Steuerpflicht durch die Geschäftsleitung im Inland eine weitere unbeschränkte Steuerpflicht im Staat des statuarischen Sitzes der Tochtergesellschaft vorliegen. Demnach stellt sich das Problem einer Doppelansässigkeit57; beide Staaten besteuern die Einkünfte der Tochtergesellschaft nach dem Welteinkommensprinzip vollumfänglich. Eine wirtschaftliche und rechtliche Doppelbesteuerung liegt vor. Vorbehaltlich etwaiger DBA-Regelungen58 regelt das nationale Recht die Vermeidung bzw. Abmilderung von Doppelbesteuerungen abschließend. Für unbeschränkt Steuerpflichtige enthält § 34c EStG, der über die Verweisung in § 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG Anwendung findet, Methoden zur Handhabung von Doppelbesteuerungen. § 34c Abs. 1 S. 1 EStG ermöglicht es dabei, die ausländische Steuer auf die deutsche Steuer anzurechnen, soweit diese auf ausländische Einkünfte i. S. v. § 34d EStG entfällt. Damit könnte die im Ausland bezahlte Ertragsteuer von der nach deutschem Recht ermittelten Körperschaftsteuer abgezogen und so eine Doppelbesteuerung vermieden werden. Allerdings verlangt § 34d Nr. 2 lit. a) EStG für das Vorliegen ausländischer Einkünfte die Erzielung durch eine im Ausland 56
So stammen fast zwei Drittel aller auf Digitaltechnologie basierender MNE aus den USA, vgl. UNCTAD, World Investment Report 2017, S. 174 f. 57 Dazu eingehend: Seibold, IStR 2003, S. 45. 58 Dazu später, s. u. Kapitel 2: B.II.2. Zuweisung aufgrund einer Geschäftsleitungsfunktion – Art. 7 Abs. 1 S. 1, 4 Abs. 3 OECD-MA, S. 52.
B. Besteuerung unter Anwendung der aktuellen Rechtslage
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belegene Betriebsstätte oder einen dort tätigen ständigen Vertreter. Liegt eine solche im Sitzstaat der Tochtergesellschaft vor, so ergeben sich regelmäßig durch das in den DBA enthaltene Betriebsstättenprinzip noch weitreichendere Folgen.59 Liegt jedoch keine Betriebsstätte im Ausland vor, so kann eine Anrechnung der ausländischen Steuer nach § 34c Abs. 1 S. 1 EStG nicht erfolgen. § 34c Abs. 3 EStG enthält für diesen Fall eine Auffangregelung. Die Regelung ermöglicht eine Berücksichtigung der ausländischen Steuer, wenn diese nicht auf ausländische Einkünfte anfällt. Jedoch kann eine Doppelbesteuerung nach dieser Regelung nicht durch Anrechnung vermieden werden. Vielmehr erfolgt lediglich der Abzug der im Ausland bezahlten Steuer von der inländischen Bemessungsgrundlage. Dies stellt lediglich eine Abmilderung und keine Vermeidung von Doppelbesteuerung dar. dd) Ergebnis Die Herbeiführung einer Doppelansässigkeit der Steuerpflichtigen durch Auslegung des Geschäftsleitungsbegriffs führt also u. U. nach dem internationalen Steuerrecht des EStG zu signifikanten Doppelbesteuerungen und schießt damit über das Ziel der fairen Besteuerung von Digitaleinkünften deutlich hinaus. Zudem sind zwei weitere immanent wichtige Punkte zu beachten: Einerseits bestehen regelmäßig vorrangige DBA mit denjenigen Staaten, aus denen die digitalen Geschäftsmodelle häufig stammen; die Vermeidung der Doppelbesteuerung richtet sich dann nach deren Vorgaben. Andererseits normieren sowohl das innerstaatliche Recht als auch die DBA das sog. Betriebsstättenprinzip, nach dem Betriebsstätteneinkünfte im Quellenstaat und gerade nicht im Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Demnach muss im Zusammenhang mit der Einkünftezuordnung nach derzeitiger Rechtslage auch geklärt werden, welche Rolle der Betriebsstättenbegriff im Hinblick auf digitale Geschäftsmodelle spielt. Dieser könnte den betroffenen Unternehmen weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten bieten und so eine Zuordnung durch Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht aushebeln. 3. Einfluss einer Betriebsstätte auf die Steuerpflicht Bei der Zuordnung von Einkünften zu einer Steuerjurisdiktion spielt das Vorhandensein einer Betriebsstätte bei gewerblichen Einkünften eine wichtige Rolle. Wie soeben aufgezeigt, sehen die die §§ 34c Abs. 1 S. 1, 34d Nr. 2 lit. a) EStG eine Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Anrechnung der ausländischen Steuer vor. Parallel dazu erfolgt i. R. d. beschränkten Steuerpflicht eine Ertragsbesteuerung im Inland gemäß §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) EStG immer dann, wenn eine Betriebsstätte vorhanden ist. Demgemäß ist zu klären, wann 59 Dazu später, s. u. Kapitel 2: B.II.3. Zuweisung aufgrund einer Betriebsstätte – Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA, S. 56.
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
eine Betriebsstätte nach der vorhandenen Rechtslage vorliegt und welche Auswirkungen dies auf die Einkünftezuordnung bei digitalen Geschäftsmodellen hat. a) Betriebsstätte, § 12 AO National beschreibt § 12 AO die Betriebsstätte. Dieser dort definierte Begriff dient dabei nicht einzig der Zuordnung von Besteuerungssubstrat i. R. d. beschränkten Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerpflicht. Vielmehr liegt eine „vor die Klammer gezogene“ Regelung vor, die für sämtliche Einzelsteuergesetze Anwendung findet, die den Begriff der Betriebsstätte verwenden. Dabei erfolgt jedoch teilweise eine an den Sinn und Zweck der jeweiligen Steuernorm angepasste Auslegung, was zu kleineren Abweichungen bei der jeweiligen Verwendung des Begriffes führt.60 Nach einheitlicher Auffassung ist für die in § 12 AO geforderte „Geschäftseinrichtung oder Anlage“ zumindest in geringem Umfang körperliches Substrat (Sachen oder Sachgesamtheiten i. S. d. § 90 BGB) erforderlich.61 Für die ebenfalls geforderte Festigkeit der Einrichtung wird die Ortsbezogenheit und Dauerhaftigkeit der Anlage verlangt.62 Daneben muss die Stätte auch einem Unternehmen dienen.63 Dies ist dann der Fall, wenn in der Geschäftseinrichtung zumindest ein Teil der unternehmerischen Tätigkeit ausgeübt wird und diese in nachhaltig organisatorischer Verbindung zum Unternehmen steht.64 Die Finanzverwaltung und die steuerliche Praxis ziehen zur Auslegung des Betriebsstättenbegriffs weitergehend den sog. Betriebsstättenerlass65 heran. Dieser ist als Verwaltungsvorschrift für Gerichte, Berater und Steuerpflichtige zwar nicht bindend, prägt aufgrund der Bindung der Verwaltung dennoch den Betriebsstättenbegriff erheblich mit. Der Rechtsanwender muss sich v. a. im Vergleich mit dem Begriff der Betriebsstätte aus DBA vor Augen halten, wer Gesetzgeber der Regelung ist und welchen Zweck die Betriebsstätte bei der beschränkten Steuerpflicht erfüllt. Im Hinblick auf den Urheber der Norm erfolgt die Gesetzgebung durch Bundestag und
60 Vgl. Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 12 AO, Rz. 7b f.; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 12 AO, Rz. 3; vgl. BFH, Urteil vom 13. 09. 2000 – X R 174/96, BStBl. II 2001, S. 734. 61 Drüen, in: Tipke/Kruse, § 12 AO, Rz. 4; Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 12 AO, Rz. 8; vgl. BFH, Urteil vom 03. 02. 1993 – I R 80 – 81/91, BStBl. II 1993, S. 462 (465); ausführlich dargestellt in Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 207. 62 BMF-Schreiben vom 24. 12. 1999 – IV B 4 -S 1300 – 111/99 (Betriebsstättenerlass), BStBl. I 1999, S. 1076 (1076; 1.1.1.1); mit Kasuistik: Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 12 AO, Rz. 10 ff. 63 Hierbei sind sowohl Gewerbebetriebe als auch selbständige und land- und fortwirtschaftlich tätige Steuerpflichtige erfasst. Tatbestandsmäßig ist als jede nachhaltige selbständige berufliche Tätigkeit, vgl. Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 12 AO, Rz. 20. 64 Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 12 AO, Rz. 21. 65 BMF-Schreiben vom 24. 12. 1999 – IV B 4 -S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, S. 1076.
B. Besteuerung unter Anwendung der aktuellen Rechtslage
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Bundesrat.66 Zwar zeigt sich hieraus die Souveränität und Unabhängigkeit des deutschen Gesetzgebers für sein innerstaatliches Steuerrecht, jedoch legen die historische Entwicklungen Parallelen in der Entstehung von innerstaatlichem und internationalem Recht dar.67 Insoweit ist zu konstatieren, dass der nationale Gesetzgeber einerseits die umfassende Kompetenz zur Regelung innehat, sich aus einer Ausübung dieser Kompetenz andererseits möglicherweise Verwerfungen zur weitgehend konsensbasierten faktischen Übereinkunft des Betriebsstättenprinzips ergeben. Hinsichtlich des Zwecks der Betriebsstätte bei der Bestimmung der beschränkten Steuerpflicht legt die Anordnung in § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG das Quellenprinzip fest, beschränkt dieses aber zugleich. Das Betriebsstättenprinzip regelt insofern, dass gewerbliche Einkünfte auch ohne Ansässigkeit im Inland zu besteuern sind, dies jedoch nur dann geschieht, wenn die Voraussetzungen der inländischen Betriebsstättendefinition erfüllt sind. Demnach kommt der Betriebsstätte sowohl eine steuerbegründende als auch eine steuerbeschränkende Funktion zu.68 Sie dient daher im innerstaatlichen Bereich der Abgrenzung von in- und ausländischen Einkünften.69 b) Anwendung auf digitale Geschäftsmodelle Digitale Geschäftsmodelle zeichnen sich durch einen hohen Grad an Flexibilität und Unkörperlichkeit aus.70 Gerade Zweiteres führt im Hinblick auf die dargestellten Anforderungen der Betriebsstätte zu Problemen. Es ist gerade nicht erforderlich, dass sich ein Unternehmen, das auf dem digitalen Mark tätig wird, im Staat der Nutzer bzw. Kunden körperlich vor Ort ist. Gerade deshalb können Digitalunternehmen im Vergleich zu anderen Geschäftsmodellen einfacher Direktgeschäfte aus anderen Ländern tätigen. aa) Unbeschränkte Steuerpflicht im Inland mit Betriebsstätte im Ausland Für die unbeschränkte Steuerpflicht ist dies auf erster Ebene nicht relevant. Es wurde dargestellt, dass im Sitzstaat der jeweiligen Gesellschaft bzw. am Ort der Geschäftsleitung (u. U. durch die Muttergesellschaft) eine unbeschränkte Steuerpflicht begründet wird und so die Einkünfte dort besteuert werden können.71 Grds. kann damit für aus Deutschland stammende digitale Geschäftsmodelle eine faire 66
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Art. 108 Abs. 5 GG. Vgl. Walcker, The evolution of the Agency Permanent Establishment Concept, S. 1 f.; Kolck, Betriebsstättenbegriff, S. 140 f. m. w. N. 68 Füg, Betriebstättenbegriff, S. 3 f. m. w. N. 69 Puls, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.1. 70 Vgl. EU-Kommission, COM(2017) 547 final, S. 2; EU-Kommission, COM(2018) 147 final, S. 2; ausführlich s. u. Kapitel 2: C.I. Unterschiede in der Besteuerung zu herkömmlichen Geschäftsmodellen, S. 63. 71 S. o. Kapitel 2: B.I.2. Steuerpflicht kraft Sitzes oder Geschäftsleitung, S. 42. 67
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
Besteuerung sichergestellt werden. Allerdings ist auf zweiter Ebene die Vermeidung von Doppelbesteuerungen nach § 34c Abs. 1 S. 1, 34d Nr. 2 lit. a) EStG zu beachten. Demnach erfolgt die Anrechnung der ausländischen Steuer immer dann, wenn diese durch eine Betriebsstätte im Ausland erzielt wurden. Wie dargestellt, können bei digitalen Geschäftsmodellen Betriebsstätten im Ausland einfacher vermieden werden als bei herkömmlichen Unternehmensmodellen. Jedoch steht den Unternehmen die Begründung örtlicher Niederlassungen im Ausland weiterhin frei, sodass diese auch zur Gestaltung dergestalt verwendet werden können, dass gezielt beschränkte Steuerpflichten in Niedrigsteuerländern herbeigeführt werden. I. R. d. von Deutschland vorgesehenen Anrechnungsmethode bringt dies keine Vorteile, da die ausländische Steuerlast lediglich bei der deutschen Ertragsteuer zum Abzug gebracht wird; es bliebe demnach beim Steuerniveau Deutschlands. Für diesen speziellen Fall (kein DBA, Geschäftsleitung in Deutschland) kann eine, aus deutscher Sicht, substantiierte Besteuerung erfolgen. Praxisnah ist diese Fallgruppe jedoch nicht. Die meisten multinational tätigen Digitalkonzerne stammen aus den USA. Deren Rechtsordnung stellt zur Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht lediglich auf den statuarischen Sitz ab, § 7701 (a) (4) IRC. Darüber hinaus bestehen regelmäßig gerade mit den höher entwickelten Ländern vorrangige DBA, welche die Freistellung der Einkünfte anstatt deren Anrechnung vorsehen.72 Einkünfte, die bei der Betriebsstätte anfallen, unterliegen daher nicht mehr dem Steuerniveau des Ansässigkeitsstaats.73 bb) Beschränkte Steuerpflicht im Inland aufgrund einer Betriebsstätte Für die beschränkte Steuerpflicht im Inland ist das Betriebsstättenprinzip noch entscheidender. Ist das Unternehmen nämlich nicht nach § 1 Abs. 1 KStG im Inland unbeschränkt steuerpflichtig, erfolgt eine Besteuerung i. R. d. beschränkten Steuerpflicht nur, wenn inländische Einkünfte i. S. d. § 8 Abs. 1 KStG, § 49 Abs. 1 EStG vorliegen. Bei gewerblichen Einkünften, um die es sich bei digitalen Geschäftsmodellen regelmäßig handelt, normiert § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) EStG inländische Einkünfte, wenn diese durch eine inländische Betriebsstätte erzielt werden. Nach aktueller Gesetzeslage setzt eine solche Betriebsstätte körperliches Substrat im Inland voraus, sodass Geschäfte, die lediglich über Fernkommunikationsmittel vorgenommen werden, im Inland keine Steuerpflicht begründen. Demnach können Unternehmen, die auf das körperliche Vorortsein nicht angewiesen sind, Betriebsstätten gewollt begründen oder diese vermeiden, je nachdem, was steuerlich güns-
72
Vgl. Ismer, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 23 Rz. 16; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 776; Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 43. 73 Dazu sogleich näher: Kapitel 2: B.II.3. Zuweisung aufgrund einer Betriebsstätte – Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA, S. 56.
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tiger für sie ist. Dies stellt eine Grundproblematik bei der fairen Aufteilung von Besteuerungsrechten im Digitalsektor dar.74
II. Einkünftezuweisung durch DBA Auch wenn nach dem innerstaatlichen Steuerrecht Anknüpfungspunkte zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle vorhanden sind, so wird dieser Steueranspruch durch DBA begrenzt. Diese stellen völkerrechtliche Verträge dar, die aufgrund ihrer Spezialität den unilateralen Normen zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen vorgehen.75 1. Wirkung von DBA Zweck der DBA ist es, die Besteuerungskompetenzen zwischen denjenigen Staaten zu verteilen, die gemäß ihrer inländischen Rechtsordnung für sich ein Besteuerungsrecht für den jeweiligen Sachverhalt reklamieren. Dies soll Doppelbesteuerungen vorbeugen, indem die Besteuerungsrechte der Staaten durch den einvernehmlich abgeschlossenen völkerrechtlichen Vertrag begrenzt werden.76 Die vom jeweiligen Abkommen verwendeten Begriffe müssen autonom vom inländischen Steuerrecht als unabhängige Vertragsregelungen betrachtet und ausgelegt werden. Ein Rückgriff auf die Auslegung innerstaatlicher Rechtsbegriffe darf grds. nicht erfolgen.77 Bei unternehmerischen Einkünften geschieht die Verteilung der Besteuerungsrechte, vorbehaltlich etwaiger Sondertatbestände, anhand von Art. 7 OECD-MA. Dieser weist „Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats“ zunächst dem Ansässigkeitsstaat zu, Art. 7 Abs. 1 S. 1 OECD-MA. Dies gilt nach dem Betriebsstättenprinzip jedoch nur soweit diese Einkünfte nicht durch eine Betriebsstätte im Quellenstaat erzielt wurden, Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA.
74 Ausführlich s. u. Kapitel 2: C. Die Problematik der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle, S. 63. 75 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.37 ff.; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen des Abkommensrechts Rz. 4 ff.; Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 44. 76 Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen des Abkommensrechts Rz. 64 ff.; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 621; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 1.91. 77 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 9.49 f.; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen des Abkommensrechts Rz. 113a ff.; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 633 f.
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
2. Zuweisung aufgrund einer Geschäftsleitungsfunktion – Art. 7 Abs. 1 S. 1, 4 Abs. 3 OECD-MA a) Ermittlung der Ansässigkeit, Art. 4 Abs. 3 OECD-MA Bevor eine Zuweisung der Einkünfte durch den jeweiligen Verteilungsartikel des DBA erfolgen kann, muss ermittelt werden, in welchem Verhältnis die beiden an der Besteuerung beteiligten Staaten zueinander stehen. Dazu ist zu diskutieren, welcher der beiden Staaten als Ansässigkeitsstaat i. S. d. DBA gilt; für die Anwendung des Abkommens kann nur ein Staat als Ansässigkeitsstaat gelten.78 Da die Definition des Art. 4 Abs. 1 OECD-MA an die Merkmale der unbeschränkten Steuerpflicht anknüpft, kann es in den oben dargestellten Fällen79 zu einer Doppelansässigkeit kommen, welche über die sog. tie-breaker-rule in Art. 4 Abs. 3 OECD-MA aufzulösen ist. Für juristische Personen stellt Art. 4 Abs. 1 OECD-MA nach seinem Abkommenstext auf den Ort der Geschäftsleitung ab. Dieser ist aufgrund der Wertung in Art. 3 Abs. 2 OECD-MA gerade nicht abkommensautonom auszulegen, sondern durch einen Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht zu ermitteln.80 Gemäß § 10 AO kommt es damit ebenfalls auf den tatsächlichen Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung an. Dieser kann, wie gezeigt, gerade in Konzernen bei der Muttergesellschaft, und damit in einem anderen Staat als dem Sitzstaat der zu besteuernden Tochtergesellschaft, liegen.81 Auf den statuarischen Sitz stellt der Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 OECD-MA nicht ausdrücklich ab. Jedoch kommt eine Erfassung des formellen Sitzes über „ein anderes ähnliches Merkmal“ in Betracht. Dieser Begriff macht klar, dass es sich bei den genannten Merkmalen nur um Regelbeispiele handelt. Demnach kann jedes ortsbezogene Merkmal, das eine unbeschränkte Steuerpflicht auslöst, ebenfalls eine Ansässigkeit i. S. v. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA begründen.82 Damit wird auch der Sitz i. S. d. § 11 AO als Anknüpfungspunkt erfasst. Somit stellt sich in Konstellationen, in denen statuarischer Sitz und tatsächliche Geschäftsleitung auseinanderfallen, die Frage, welcher Staat i. R. d. Abkommens als Ansässigkeitsstaat betrachtet werden muss. Bis zum Update des OECD-MA im Jahr 2017 regelte die tie-breaker-rule in Art. 4 Abs. 3 OECD-MA, dass auf die tatsächliche Geschäftsleitung abzustellen sei. Allerdings ist seit dem letzten Update stattdessen im Musterabkommen ein Verständigungsverfahren zwischen den beteiligten 78 Vgl. Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 658; Ismer/Blank, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 4 Rz. 12 f.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.196 f. 79 S. o. Kapitel 2: B.I.2.b) Geschäftsleitung, § 10 AO, S. 44. 80 Ismer/Blank, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 4 Rz. 90, 105; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.54 ff.; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 631 f. 81 S. o. Kapitel 2: B.I.2.b)aa) Definition, S. 44. 82 Ismer/Blank, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 4 Rz. 110; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.54 ff.; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 632.
B. Besteuerung unter Anwendung der aktuellen Rechtslage
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Staaten für den jeweiligen Einzelfall vorgesehen. Dies stellt dabei keine absolute Neuerung dar: Es griffen bereits einige vorhandene und bedeutende Abkommen (z. B. das DBA-USA83) auf diese Form der Regelung zurück.84 Ziel der Neuregelung ist es indessen, durch das Verständigungsverfahren im Einzelfall flexibler auf steuerliche Gestaltungspraktiken, die sich eine doppelte Ansässigkeit zunutze machen, reagieren zu können.85 Für die Untersuchung führt dies zu einer Unsicherheit bei der Anwendung des vorhandenen Rechts. Zwar stellt Art. 4 Abs. 3 S. 1 OECD-MA Kriterien zur Ermittlung des Ansässigkeitsstaats bereit. Da diese aber sowohl auf den Ort der Geschäftsleitung („place of effective management“) als auch auf den Sitz („place where it is incorporated“) Bezug nehmen, helfen diese nicht weiter. Geht man von einer Entscheidung zugunsten der Ansässigkeit am Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung aus86, so erfolgt eine Besteuerung grds. unabhängig von etwaigen Gestaltungsentscheidungen der Unternehmen durch Verlegung des lediglich statuarischen Sitzes. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass durch die Begründung von Betriebsstätten eine abweichende Substratzuweisung erfolgen kann.87 Eine andere Überlegung ergibt sich, wenn stattdessen die Ansässigkeit beim formellen Sitz der Gesellschaft angenommen wird. Dann erfolgt die Besteuerung der Einkünfte grds. in diesem Staat, sodass eine Gestaltung durch Sitzverlegung oder der Begründung von Tochtergesellschaften möglich ist. Allerdings gilt es in diesem Fall die Wirkung der Geschäftsleitungsbetriebsstätte aus Art. 5 Abs. 2 lit. a) OECD-MA zu berücksichtigen. Aufgrund des Betriebsstättenprinzips findet der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung demnach dennoch erhebliche Berücksichtigung bei der Verteilung des Steuersubstrats.88 Wird kein Verständigungserfolg erzielt, so wird die betroffene Person gemäß Art. 4 Abs. 3 S. 2 OECD-MA in beiden Vertragsstaaten voll besteuert und hat nur insoweit Anspruch auf Steuererleichterung oder -befreiung, wie sich die Staaten einigen konnten. In diesen Fällen bliebe es damit bei den innerstaatlichen Vermeidungsregelungen in §§ 34c, 34d EStG.
83
BGBl. II 2008, S. 611. Vgl. Auflistung in Ismer/Blank, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 4 Rz. 291. 85 Art. 4 Rz. 23 OECD-MK (2017); kritisch: Ismer, in: Lüdicke, Aktuelle Problemfelder im Internationalen Steuerrecht, S. 44. 86 So auch Art. 4 Abs. 3 der dt. DBA-Verhandlungsgrundlage, BMF-Schreiben vom 22. 08. 2013 – IV B 2 – S 1301/13/10009; ebenfalls Praxis in vielen vorhandenen DBA, vgl. Ismer/ Blank, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 4 Rz. 290. 87 S. u. Kapitel 2: B.II.3. Zuweisung aufgrund einer Betriebsstätte – Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA, S. 56. 88 S. u. Kapitel 2: B.II.3. Zuweisung aufgrund einer Betriebsstätte – Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA, S. 56. 84
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
b) Zuweisung der Einkünfte, Art. 7 Abs. 1 S. 1 OECD-MA Ist der Ansässigkeitsstaat des Unternehmens bestimmt, erfolgt die Zuweisung von Unternehmenseinkünften grds. nach Art. 7 Abs. 1 S. 1 OECD-MA. Vorbehaltlich des Vorliegens einer Betriebsstätte werden die erzielten Unternehmenseinkünfte damit im Ansässigkeitsstaat besteuert. Dies sind Einkünfte, die aus der Ausübung einer Geschäftstätigkeit stammen, Art. 3 Abs. 1 lit. c) OECD-MA. Im Kernbereich betrifft das Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wie sie typischerweise i. R. von digitalen Geschäftsmodellen erzielt werden. Allerdings wird für Einkünfte, die durch eine Betriebsstätte im Ausland erzielt werden, gemäß Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA das Besteuerungsrecht dem Betriebsstättenstaat zugewiesen und nach Art. 7 Abs. 1 S. 1 HS. 2 OECD-MA dem Ansässigkeitsstaat entzogen. Liegt keine feste Geschäftseinrichtung89 im Quellenstaat vor, so verbleibt es bei der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat. Jedoch ist hierbei zu berücksichtigen, dass eine Betriebsstätte zum Betrieb eines digitalplattformbasierten Unternehmens zwar nicht zwangsläufig erforderlich ist, aber dennoch zu verschiedensten Zwecken errichtet werden kann. Die Folge davon ist, dass eine Besteuerung der Einkünfte durch eine entsprechende unternehmerische Struktur eben auch im Quellenstaat erfolgen kann.90 Eine Gestaltung ist damit im Hinblick auf einen absichtlich begründeten Nexus möglich. c) Wirkung Konstruktionen, die sich die unterschiedlichen steuerrechtlichen Anknüpfungspunkte der Nationalstaaten zunutze machen, gibt es bereits zuhauf.91 Allerdings eröffnen neue Technologien vollständig digital agierenden Konzernen noch weitreichendere Möglichkeiten, da eine Ortsbindung noch weniger erforderlich und daher die Gestaltung örtlicher Niederlassungen noch einfacher und attraktiver ist.92 Wie bereits aufgezeigt, hängt die Einkünftezuweisung und die sich daraus ergebenden Folgen von mehreren Faktoren ab. Zunächst kommt es darauf an, welcher der beteiligten Staaten als Ansässigkeitsstaat bestimmt wird. Weiterhin muss das Steuersubstrat unter Berücksichtigung vorrangiger Zuweisungen, insb. zu vorhan89
Ausführlich zum Begriff und den Voraussetzungen einer Betriebsstätte: Kapitel 2: B.II.3. Zuweisung aufgrund einer Betriebsstätte – Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA, S. 56. 90 Zu welchem Teil die Einkünfte dann in den Betriebsstätten besteuert werden, richtet sich gemäß Art. 7 Abs. 2 OECD-MA nach dem Prinzip des „dealing at arm’s length“, vgl. Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 7 Rz. 70 ff.; Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.10 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.264 ff. 91 Vgl. im Überblick: Oppel, SteuK 2016, S. 53; OECD, Addressing Base Erosion and Profit Shifting; eingehend für den Bereich des E-Commerce: Pinkernell, ifst-Schrift 494. 92 S. u. Kapitel 2: C.II.1. Grundproblem: Steuergestaltungsmöglichkeiten digitaler Konzerne, S. 67.
B. Besteuerung unter Anwendung der aktuellen Rechtslage
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denen Betriebsstätten, nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA verteilt werden. Zuletzt ist dann auf Rechtsfolgenseite noch die Methodik der Steuervermeidung zu berücksichtigen. Zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen sind mehrere Methoden denkbar. So sehen die Art. 23A bzw. 23B OECD-MA unterschiedliche Praktiken (Freistellungsund Anrechnungsmethode) vor, um die volle Besteuerung der Einkünfte in beiden Staaten zu verhindern. Allerdings sind diese Regelungen nur für die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Ansässigkeitsstaat relevant. Für den Quellenstaat bestimmt dies die jeweilige Verteilungsnorm selbst (Freistellung oder höhenmäßige Begrenzung der Quellensteuer).93 In der Ausgangskonstellation (Sitz oder Geschäftsleitung im Inland, Erzielung der Gewinne im Ausland durch den Betrieb von Websites) wird damit eine Doppelbesteuerung bereits durch den Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 S. 1 HS. 1 OECD-MA ausgeschlossen. Das Besteuerungsrecht verbleibt in diesen Fällen beim Ansässigkeitsstaat. Dies gilt auch dann, wenn die Ansässigkeit im Staat der Geschäftsleitung angenommen wird und sich im Sitzstaat kein körperliches Substrat des Unternehmens befindet. Auch im entgegengesetzten Fall (Ansässigkeit im Sitzstaat, Geschäftsleitung im Ausland) erfolgt grds. die Freistellung der Einkünfte im Geschäftsleitungsstaat entsprechend der Verteilungsnorm. Allerdings wird hier regelmäßig eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte vorliegen, die dann das Besteuerungsrecht einem anderen Staat als dem Ansässigkeitsstaat zuweist. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung in diesen Fällen richtet sich nach Art. 23A bzw. 23B OECDMA.94 d) Zwischenbefund Es zeigt sich, dass es i. R. d. DBA-rechtlichen Zuweisung des Besteuerungssubstrates insbesondere auf die Bestimmung der Ansässigkeit ankommt. Dabei kann, wie gezeigt, auf die innerstaatlichen Begrifflichkeiten zurückgegriffen werden, was dazu führt, dass durch die verstärkte Wertung tatsächlicher Kriterien (Geschäftsleitung) gegenüber formellen Kriterien (Sitz) eine Nexusbegründung entgegen steuerlicher Planungsüberlegungen der Steuerpflichtigen möglich ist. Eine unbeschränkte Steuerpflicht und damit eine Ansässigkeit einer Tochtergesellschaft kann damit durchaus im Staat der Muttergesellschaft erfolgen. Dies würde in der Praxis grds. regelmäßig zu einer höheren Steuerbelastung bei den Digitalkonzernen führen, da diese derzeit Tochtergesellschaften in Niedrigsteuerländern gerade dazu einsetzen, eine Ansässigkeit mit den damit einhergehenden Steuervorteilen zu begründen. Allerdings gilt es zu beachten, dass eine Besteuerung in der dargestellten Form nur unter bestimmten Bedingungen, unter internationaler Anpassung der Auslegung 93
Bsp.: Freistellung bei Unternehmenseinkünften und Lizenzgebühren, Art. 7 Abs. 1 S. 1, 12 Abs. 1 OECD-MA, höhenmäßig begrenzte Quellensteuer bei Dividenden und Zinsen, Art. 10 Abs. 2, 11 Abs. 2 OECD-MA. 94 Dazu sogleich: Kapitel 2: B.II.3.b) Wirkung, S. 61.
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
und vorbehaltlich einer anderweitigen Gestaltung durch die Steuerpflichtigen einen Vorteil im Hinblick auf die Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle herbeiführt. So führt bereits eine anderweitige Verständigung i. R. von Art. 4 Abs. 3 OECD-MA oder eine andere Berücksichtigung von Geschäftsleitungskriterien zu einem völlig anderen Ergebnis. Auch wurde bislang nicht das international vorherrschende Betriebsstättenprinzip mitberücksichtigt. 3. Zuweisung aufgrund einer Betriebsstätte – Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA Bislang wurde abkommensrechtlich lediglich auf die Begründung der Ansässigkeit und die damit zusammenhängende grundsätzliche Zuweisung der Unternehmenseinkünfte nach Art. 7 Abs. 1 S. 1 OECD-MA verwiesen. Vorrangig gilt – auch auf internationaler Ebene – das sog. Betriebsstättenprinzip, welches in Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA verankert ist und im Falle des Vorliegens einer Betriebsstätte dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht zuweist. a) Definition und Systematik Eine Betriebsstätte ist jede feste Geschäftseinrichtung, die der Tätigkeit von Unternehmen dient. Insoweit stimmen § 12 S. 1 AO und Art. 5 Abs. 1 OECD-MA, also nationales und Abkommensrecht, inhaltlich überein.95 Dabei ist die Betriebsstätte nur ein unselbständiger Teil eines größeren Ganzen und nimmt insofern grds. keine Stellung als selbständiges Rechts- oder Steuersubjekt ein.96 Jedoch kann eine Steuerpflicht durch das Innehaben einer Betriebsstätte sehr wohl begründet werden, da die Einzelsteuergesetze an einigen Stellen auf die Betriebsstätte aus § 12 AO als Anknüpfungsmerkmal verweisen; so auch bei der Begründung der beschränkten Steuerpflicht für nicht ansässige Personen aus §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EStG. Auf internationaler Ebene werden anhand des Betriebsstättenprinzips die Besteuerungshoheiten zwischen den Abkommenspartnern zugewiesen. Durchgehend dient der Betriebsstättentatbestand also der räumlichen Zuweisung von Einkünften. Dennoch muss im Folgenden zwischen dem inländischen und internationalen Begriff der Betriebsstätte unterschieden werden. Zum einen sind die jeweiligen Umfänge der Begriffe nicht hundertprozentig deckungsgleich, zum anderen bestehen auch beim Zweck und der Herkunft der Regelungen Unterschiede.
95
Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 12 AO, Rz. 47; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.241; kritisch zur inhaltlichen Übereinstimmung: Puls, in: Wassermeyer/ Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.11. 96 Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 12 AO, Rz. 4.
B. Besteuerung unter Anwendung der aktuellen Rechtslage
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aa) Internationale Begriffsbestimmung (DBA) Derzeit bestehen aus deutscher Sicht auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen fast 100 DBA mit anderen Ländern.97 Demnach ist der in diesen Abkommen verwendete Begriff der Betriebsstätte ebenso wie der rein innerstaatliche Begriff von erheblicher Relevanz für einige Unternehmen, v. a. da diese Abkommen mit allen großen Industrienationen bestehen.98 Dementsprechend ist der in Art. 5 OECD-MA enthaltene Betriebsstättenbegriff, der in viele der geschlossenen Abkommen übernommen wurde, Dreh- und Angelpunkt in der internationalen Verteilung des Besteuerungssubstrats von Gewerbebetrieben. Auf andere Definitionen, insbesondere auf § 12 AO, darf bei der Auslegung des abkommensrechtlichen Begriffes nicht abgestellt werden.99 Wie bereits festgestellt100, enthält Art. 5 Abs. 1 OECD-MA ebenso wie § 12 AO eine allgemeine Definition der Betriebsstätte, welche sich weitestgehend entsprechen. Anders als im innerstaatlichen Recht konkretisieren, erweitern und begrenzen weitere Absätze in Art. 5 OECD-MA den Begriff über die einfachen Regelbeispiele des § 12 AO hinaus erheblich, sodass sich eine Divergenz zum Begriff der AO ergibt. Insgesamt ist die im Musterabkommen verwendete Definition deutlich enger als der innerstaatliche Begriff und erfasst damit erheblich weniger Einrichtungen.101 So werden Warenlager und Einkaufstellen unter den inländischen, nicht aber unter den abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriff subsumiert, Art. 5 Abs. 4 lit. a) OECD-MA. Umgekehrt umfasst Art. 5 Abs. 5 OECD-MA auch sog. Vertreterbetriebsstätten, wohingegen § 13 AO ständige Vertreter explizit von der Betriebsstätte abgrenzt. Der Zweck dieses engen Begriffsverständnisses liegt in der historischen Aufgabe der OECD begründet. Sie dient seit jeher der Förderung des internationalen Wirtschaftsaustauschs. So war es auch die Intention der ersten Verträge zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen, grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeit zu vereinfachen und den zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr zu liberalisieren.102 Dies ist wiederum als Maßnahme zur Verfolgung originär nationalstaatlicher Interessen durch die Erschließung neuer Märkte zur Stärkung des inländischen Wirtschaftswachstums zu sehen. Ein enger Betriebsstättenbegriff sorgt nur dann für Zuweisung 97
BMF-Schreiben vom 18. 02. 2021 – IV B 2 – S 1301/07/10017 – 12. Ismer, in: Vogel/Lehner, DBA, Übersicht der DBA; vgl. Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 44. 99 Puls, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.11; Görl/Gradl, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 5, Rz. 7. 100 S. o. Kapitel 2: B.II.3.a) Definition, S. 56. 101 Vgl. Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 689; Puls, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.14; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.163. 102 Vgl. Kolck, Betriebsstättenbegriff, S. 150 ff.; Görl/Gradl, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 5, Rz. 2; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 17.1 ff. 98
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
der Besteuerungskompetenz an den Zielort, wenn dort von dem betroffenen Unternehmen wirklich erhebliche Tätigkeiten verübt werden. Durch die Tatsache, dass es umgekehrt für Unternehmen, die nur vereinzelt oder eine schwach ausgeprägte Tätigkeit im fremden Staat vornehmen, nicht zur Begründung einer Steuerpflicht kommt, wird den verfolgten Zielen der Vereinfachung und Liberalisierung Rechnung getragen. Ökonomische Folge dieser Verfahrensweise ist jedoch, dass diese Vereinfachung zu Lasten der befriedigenden Verteilung des Finanzaufkommens zwischen den Staaten geht. So erfolgt eine faire Zuweisung nur dann, wenn zwischen den entsprechenden Staaten ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht besteht; ansonsten wird der Staat, in dem das größere wirtschaftliche Potential ansässig ist – also der exportorientierte Staat – bevorzugt.103 Festzustellen ist, dass der Betriebsstättentatbestand nicht wie im innerstaatlichen Recht eine Abgrenzung von in-und ausländischen Einkünften leistet, sondern vielmehr die entgegengesetzten Besteuerungsinteressen der Staaten moderiert, indem er die Besteuerungsrechte an den Unternehmensgewinnen an die Staaten zuweist.104 Anders als § 12 AO stammt die Begriffsdefinition in Art. 5 OECD-MA nicht vom deutschen Gesetzgeber. Zwar wird die Definition für den deutschen Fiskus erst durch Zustimmungsgesetz zum jeweiligen DBA nach Art. 59 Abs. 2 GG bindend. Jedoch erfolgt die eigentliche Diskussion und Begriffsentwicklung in den internationalen Gremien der OECD und der vorherrschenden Abkommenspraxis. Auch wenn man die Herkunft von DBA unabhängig von der OECD als Übereinkunft zweier Staaten zur Regelung ihrer bilateralen Beziehungen begreift, so zeigt sich, dass es sich bei diesen Staatsverträgen nicht um eine souveräne einseitige Rechtsschöpfung durch den deutschen Gesetzgeber handelt, sondern vielmehr ein zwischenstaatlicher Kompromiss aus den vorangegangenen Verhandlungen Gegenstand der Regelung ist.105 Insofern verzichten die Vertragsstaaten gegenseitig auf die volle Ausschöpfung der inländischen Besteuerungskompetenzen, um i. R. eines Konsenses Doppelbesteuerungen zu vermeiden.106 bb) Verhältnis zum innerstaatlichen Begriff Offensichtlich sind für die Besteuerung international tätiger Unternehmen in Deutschland sowohl der innerstaatliche als auch der abkommensrechtliche Begriff relevant. So ist in Inboundfällen vor einer Bezugnahme auf die Regelungen des DBA immer zu ermitteln, ob überhaupt eine Steuerpflicht nach den nationalen Regelungen 103 Vgl. Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen des Abkommensrechts, Rz. 25; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 5.2. 104 Puls, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.1; Görl/Gradl, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 5, Rz. 2; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.240. 105 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.20; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen des Abkommensrechts, Rz. 47 ff. 106 Füg, Betriebstättenbegriff, S. 6; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen des Abkommensrechts, Rz. 64 f.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.38.
B. Besteuerung unter Anwendung der aktuellen Rechtslage
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vorliegt, die dann durch das vorrangige DBA überwunden werden muss.107 Für eine Anpassung des Zuweisungskriteriums ist dieses Zusammenspiel der beiden Begriffsbestimmungen hochrelevant. Erfolgt eine Begriffserweiterung nur auf internationaler Ebene und das innerstaatliche Merkmal wird nicht angepasst, so gelangt man regelmäßig dennoch zu keiner Steuerplicht im Inland, da bereits kein Anknüpfungsmerkmal i. S. v. § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) EStG besteht. Das Besteuerungsrecht wird vom abgeschlossenen DBA anhand des erweiterten Begriffs dann zwar zugewiesen, jedoch vom deutschen Fiskus aufgrund der allgemeinen innerstaatlichen Regelungen nicht genutzt. Im umgekehrten Fall (Erweiterung der Betriebsstättendefinition nur auf nationaler Ebene) ändert sich grds. nichts an der Besteuerung. Dann ist zwar u. U. eine beschränkte Steuerpflicht dort eröffnet, wo eine solche heute noch nicht besteht. Jedoch weist der völkerrechtliche Vertrag weiterhin kein Besteuerungsrecht zu. Demgemäß erfolgt innerstaatlich grds. keine Besteuerung. Anders sieht dies aus, wenn der deutsche Gesetzgeber eine solche Reform mittels eines sog. treaty overrides durchführt. Dies bezeichnet Regelungen, die der nationale Gesetzgeber absichtlich und speziell so positioniert, dass jene die Bestimmungen des DBA überwinden.108 Innerstaatlich ist dies aufgrund der Lex-posterior- und Lex-specialisGrundsätze ohne Weiteres möglich; häufig wird sogar explizit die Formulierung „ungeachtet des Abkommens“ verwendet, um dies klarzustellen.109 Auf internationaler Ebene stellt dies hingegen einen Bruch des völkerrechtlichen Vertrages dar, welcher den anderen Vertragspartner zur Kündigung oder einseitigen Beendigung berechtigt.110 Dennoch sind solche treaty overrides in der internationalen Praxis häufig anzutreffen; gerade der deutsche Gesetzgeber bedient sich dieser Figur in der jüngeren Vergangenheit immer wieder.111
107
Vgl. Puls, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.2; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.38; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 1.91 108 Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 5.26; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 3.24 f.; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen des Abkommensrechts, Rz. 193 ff. 109 Zur Verfassungsmäßigkeit: BVerfG, Urteil vom 15. 12. 2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, S. 1; vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 3.24; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen des Abkommensrechts, Rz. 200 ff.; zur Zulässigkeit im Ausland: Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen des Abkommensrechts, Rz. 203 ff. 110 Dies ergibt sich aus Art. 60 WÜRV, welches das Recht der Verträge zwischen Staaten regelt, vgl. Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen des Abkommensrechts, Rz. 197; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 3.24. 111 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 3.25; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 624.
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
cc) Bedeutung und Zweck des Betriebsstättenbegriffs Das Betriebsstättenprinzip auf Ebene der DBA galt seit jeher als Garant der Auflösung elementarer Interessensgegensätze zwischen kapitalimportierenden und -exportierenden Staaten.112 Dies trug in der Vergangenheit stark zur Förderung des internationalen Handels und Wirtschaftens bei, was für alle Staaten mit einer Steigerung der inländischen Wirtschaftsleistung verbunden war.113 Durch Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur, die gerade in der Digitalisierung und Flexibilisierung von Unternehmenskonzepten liegen, steht jedoch immer mehr in Frage, ob der hergebrachte Betriebsstättenbegriff weiterhin in der Lage ist, diesen wichtigen Interessensausgleich zu leisten. Die hohe Relevanz des Betriebsstättenbegriffs für den internationalen Wirtschaftsverkehr ergibt sich darüber hinaus nicht nur aus den bloßen Besteuerungsfolgen für Unternehmen, wenn diese in einem Staat eine Betriebsstätte begründen. Vielmehr entstehen im jeweiligen Land auch entsprechende Buchführungs- und Dokumentationspflichten.114 Dies ist natürlich auch der steuerlichen Beratungspraxis bekannt, sodass diese zumeist darauf bedacht ist, die Begründung von Betriebsstätten zu vermeiden.115 Ziel der Regelungen zum internationalen Steuerrecht im EStG ist es, eine Besteuerung inländischer Einkünfte und der Einkünfte von hier ansässigen Personen sicherzustellen, gleichzeitig aber möglichst eine Doppelbesteuerung durch ein konkurrierendes Besteuerungsregime zu vermeiden.116 Dementsprechend rechnet der deutsche Fiskus durch § 26 Abs. 1 KStG i. V. m. §§ 34c Abs. 1, 34d Nr. 2 lit. a) EStG eine im Ausland errichtete Steuer auf die im Ausland befindliche Betriebsstätte an, normiert aber selbst die Besteuerung inländischer Betriebsstätteneinkünfte beschränkt Steuerpflichtiger in § 2 Nr. 1 KStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) EStG. Eine Besteuerung im Inland soll erst dann erfolgen, wenn eine wirtschaftliche Beziehung zu dem entsprechenden Territorium von einer gewissen Intensität vorliegt.117 Dies soll einem Auseinanderreißen von einheitlichen wirtschaftlichen Betätigungen vorbeugen118, gleichzeitig jedoch eine Besteuerung sicherstellen, sobald ein dauerhafter, substantieller Anknüpfungspunkt vorliegt. Auch auf der DBA-Ebene versucht der Betriebsstättenbegriff in erster Linie Doppelbesteuerungen durch Moderation der Besteuerungsrechte zu vermeiden. Dabei beabsichtigt der Tatbestand der Betriebs112
Görl, StBJb 2004/2005, S. 81 (82). Vgl. Kolck, Betriebsstättenbegriff, S. 150 ff.; Görl/Gradl, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 5, Rz. 2; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 17.1 ff. 114 Ausführliche Darstellung in Busch, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, BetriebsstättenHandbuch, Rz. 13.1 ff. 115 S. u. Kapitel 2: C.II.1. Grundproblem: Steuergestaltungsmöglichkeiten digitaler Konzerne, S. 67. 116 Füg, Betriebstättenbegriff, S. 4 f.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 16.1 ff. mit einer ausführlichen Herleitung der Problematik. 117 BFH, Urteil vom 21. 04. 1999 – I R 99/97, BStBl. I 1999, S. 694 (696). Ähnlich: Drüen, in: Tipke/Kruse, § 12 AO, Rz. 1. 118 Füg, Betriebstättenbegriff, S. 4. 113
B. Besteuerung unter Anwendung der aktuellen Rechtslage
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stätte eine möglichst trennscharfe und die Besteuerungsinteressen der Vertragsstaaten ausgewogen ausgleichende Zuordnung der jeweiligen Einkünfte. b) Wirkung Für digitale Geschäftsmodelle ist deren Unkörperlichkeit charakteristisch.119 Demnach unterfallen ausgeübte Unternehmenstätigkeiten solcher Geschäftskonzepte regelmäßig nicht von sich aus dem Betriebsstättenbegriff; Märkte werden durch Fernkommunikationsmittel erschlossen und ohne das Vorhandensein einer festen Geschäftseinrichtung im Quellenstaat betreut. Eine solche ist jedoch unerlässliche Voraussetzung des Betriebsstättentatbestandes, sodass es alleine durch die Geschäftstätigkeit eines Digitalkonzerns in einem Staat nicht zu einer Zuweisung von Einkünften kommt. Jedoch ist eine DBA-rechtliche Zuweisung von Besteuerungssubstrat nach Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA nicht davon abhängig, ob das Vorhandensein einer Betriebsstätte erforderlich oder gar sinnvoll ist. Vielmehr erhält der Quellenstaat dann das Besteuerungsrecht, wenn „das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit […] durch eine dort belegene Betriebsstätte aus[übt]“. Art. 7 Abs. 1 S. 1 OECD-MA schließt dann ausdrücklich das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaat aus und weist dieses dem Quellenstaat zu. Demnach kann durch die willentliche Begründung einer Betriebsstätte in einem bestimmten Staat dort absichtlich eine beschränkte Steuerpflicht geschaffen werden und aufgrund des DBA-rechtlichen Betriebsstättenprinzips eine Zuweisung der Einkünfte an diesen Staat erfolgen. Unabhängig von der Auslegung und Anwendung der grundsätzlichen Zuweisung an den Ansässigkeitsstaat120 kann die Begründung eines Nexus im Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung so ausgehebelt werden. Wird dagegen i. R. d. Ansässigkeit auf den Sitzstaat abgestellt, so hilft der Betriebsstättenbegriff im Hinblick auf die Nexusbegründung im Staate der Geschäftsleitung weiter. Das Regelbeispiel in Art. 5 Abs. 2 lit. a) OECD-MA sieht ausdrücklich eine Betriebsstätte an den Orten vor, von denen aus die Geschäfte geleitet werden. In diesem Fall erfolgt die Zuweisung der Einkünfte durch Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA an diesen Staat. Allerdings gilt es zu beachten, dass darüber hinaus weitere Betriebsstätten in anderen Ländern vorliegen können, welche ebenfalls einen vorrangigen Besteuerungstatbestand erfüllen. Es muss dann ermittelt werden, durch welche Betriebsstätte welcher Anteil an den Einkünften erzielt wird; hierfür gilt gemäß Art. 7 Abs. 2 OECD-MA der sog. Autorized-OECD-Approach.121 119
Vgl. Kapitel 2: A.III.3. Phänomenbasierter Ansatz, S. 38. S. o. Kapitel 2: B.II.2. Zuweisung aufgrund einer Geschäftsleitungsfunktion – Art. 7 Abs. 1 S. 1, 4 Abs. 3 OECD-MA, S. 52. 121 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.264 ff.; Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 7 Rz. 42 ff.; ausführlich zum AOA: Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.56 ff. 120
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
Konnten die Besteuerungsrechte durch die Verteilungsnormen zugewiesen werden, muss auf der nächsten Ebene nach der Methode der Vermeidung der Doppelbesteuerung gefragt werden. Für den Ansässigkeitsstaat hält das OECD-MA im Gegensatz zum Quellenstaat zwei unterschiedliche Instrumente bereit: Die Freistellungs- (Art. 23A OECD-MA) und die Anrechnungsmethode (Art. 23B OECDMA). Es steht den Vertragsstaaten frei, welche Art der Vermeidung sie wählen; dabei ist sowohl eine einheitliche Entscheidung beider Vertragsstaaten als auch entgegengesetzte Regelungen oder sogar Mischformen mit Bezug zu den einzelnen Einkunftsarten möglich.122 Die meisten deutschen DBA sehen bei Betriebsstätteneinkünften eine Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Freistellung vor.123 Dabei werden die Einkünfte aus dem Quellenstaat bei der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat vollständig (aber unter Progressionsvorbehalt) außer Acht gelassen. Die Folge davon ist, dass es bei der Besteuerung im Quellenstaat bleibt. Findet dort nur eine sehr niedrige Besteuerung statt, so können durch gezielte Betriebsstättenbegründung Einkünfte von einer hohen Besteuerung im Ansässigkeitsstaat ferngehalten werden.
III. Befund Insgesamt zeigt sich, dass das Instrumentarium, welches das nationale und zwischenstaatliche Doppelbesteuerungsrecht derzeit vorhält, nicht auf die Besteuerung originär digitaler Konzerne zugeschnitten ist. Es ist dementsprechend nicht ausreichend, ein zukunftsfähiges Konzept für die Besteuerung digitaler Unternehmen unter alleiniger Heranziehung der vorhandenen Normen zu erarbeiten. Zwar lassen sich mit Hilfe des Ortes der Geschäftsleistung Anknüpfungspunkte für digitalisierte Unternehmenskonzepte auch dort bilden, wo diese tatsächlich wesentliche Geschäftstätigkeiten ausüben. Dieser Nexus bringt aber erhebliche Unsicherheiten mit sich und kann zudem leicht durch Gestaltungen von Unternehmen umgangen werden. Einerseits ergibt sich durch das Nebeneinander von Sitz und Geschäftsleitung als Anknüpfungspunkte für die Festlegung der unbeschränkten Steuerpflicht die Möglichkeit einer Doppelansässigkeit, für die vom OECD-MA und anderen bedeutenden DBA nur ein Verständigungsverfahren zur Auflösung vorgesehen ist. Demnach kann nicht mit Sicherheit bestimmt werden, wann es auf den Ort der Geschäftsleitung überhaupt ankommt. Ein Nexus lässt sich daher schon von vornherein in den meisten Anwendungsfällen nicht zuverlässig konstruieren. 122 Vgl. z. B. Art. 23 Abs. 1, 3 DBA-USA, BGBl. II 2008, S. 611 (629 ff.); Ismer, in: Vogel/ Lehner, DBA, Art. 23A, Art. 23B Rz. 2 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.512 ff. 123 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.543; Übersicht bei: Ismer, in: Vogel/ Lehner, DBA, Art. 23A, Art. 23B Rz. 16.
C. Die Problematik der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
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Andererseits ist auch dann, wenn man von einer einheitlichen Verwendung der tatsächlichen Geschäftsleitung als Grundlage zur Bestimmung der unbeschränkten Steuerpflicht und der Ansässigkeitsstaats ausgeht, durch das Betriebsstättenprinzip die Möglichkeit zur willentlichen Aushöhlung dieses Nexus gegeben. So kann durch die zielgeleitete Begründung von Betriebsstätten oder Tochtergesellschaften in Niedrigsteuerländern eine Besteuerung im Ansässigkeitsstaat vermieden werden. Dies ergibt sich aus dem Vorrangverhältnis zwischen Betriebsstätten- und Ansässigkeitsstaat. Bei näherer Betrachtung muss anschließend noch die Einkünfteaufteilung zwischen den beiden beteiligten Staaten beachtet werden.
C. Die Problematik der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle Die Betrachtung der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle mit dem vorhandenen Regelungsinstrumentarium124 zeigt, dass das nationale und internationale Steuerrecht nicht mit den Entwicklungen der modernen Wirtschaft mitgehalten hat. Im Bereich der Digitaleinkünfte fehlt es an substantieller Verteilungsgerechtigkeit; dies soll anhand eines Besteuerungsvergleichs zwischen herkömmlichen und digitalen Geschäftsmodellen herausgearbeitet werden.125 Um eine sachgerechte Lösung für diese unbefriedigende Lage zu finden, gilt es jedoch zunächst den Befund zu präzisieren und die einzelnen Probleme, die sich für das aktuelle System ergeben, zu identifizieren.126
I. Unterschiede in der Besteuerung zu herkömmlichen Geschäftsmodellen Digitale Unternehmenskonzepte weisen aufgrund ihres neuartigen Entwurfs einige spezifische Eigenschaften auf, die sie gerade im Hinblick auf eine Besteuerung signifikant von herkömmlichen Modellen unterscheiden. 1. Marktteilnahme ohne physische Präsenz Auffälligstes Differenzierungskriterium ist die Möglichkeit, ohne physische Präsenz in einem anderen Land zur Gewinnerzielung tätig sein zu können. Zwar steht es auch herkömmlichen Unternehmen offen, ihre Geschäftstätigkeit zentral von einem Standort aus auszuüben. Dies zeigt sich vereinzelt an kleineren Unternehmen, 124 125
S. 63. 126
Kapitel 2: B. Besteuerung unter Anwendung der aktuellen Rechtslage, S. 41. Kapitel 2: C.I. Unterschiede in der Besteuerung zu herkömmlichen Geschäftsmodellen, Kapitel 2: C.II. Probleme für die Steuerrechtsordnungen, S. 66.
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
die eine bestimmte Nische besetzen und ihr Weltgeschäft von einem Standort aus betreiben.127 Jedoch führte die Digitalisierung zu einem erheblichen Zuwachs an Unternehmen, die sich dieses Modells bedienen.128 Dies liegt v. a. daran, dass die Wertschöpfungstätigkeit hochdigitaler Unternehmen weniger von körperlichen Faktoren, wie einer tatsächlichen sachlichen Präsenz, abhängt, sondern vielmehr zum Großteil auf immateriellen Wirtschaftsgütern, nutzergenerierten Inhalten und Daten basiert.129 Dies ermöglicht es der Branche, Kunden und Nutzer „over the air“ per Internet ohne größere Nachteile sowie relativ einfach zu bedienen, und einen Direktkontakt ohne physische Anknüpfungspunkte im Zielland herzustellen. Daraus ergibt sich der Trend, dass derartige Konzerne gerade im Vergleich zu den Besitzständen im Stammland und dem Umfang der ausländischen Betätigung kaum über Vermögenswerte außerhalb des Ansässigkeitsstaates verfügen.130 2. Konzeptionelle Unterschiede Weiterhin gestaltet sich nicht nur der Ort der Unternehmenstätigkeit mit der Digitalisierung neu. Auch die Art und Weise der wirtschaftlichen Aktivitäten divergiert teilweise völlig von den althergebrachten Layouts. Es ergeben sich in der Digitalbranche mannigfaltige Möglichkeiten zur Erzielung von Gewinnen.131 So kommt allen Geschäftsideen das verbindende Element des Internets als Grundpfeiler der Tätigkeit zu, allerdings weichen die einzelnen Konzepte zur Einnahmenerzielung deutlich voneinander ab. Ob entgeltliches Anbieten digitaler Leistungen oder Inhalte, Zugang zu nutzerbasierten Netzwerken in kostenloser oder kostenpflichtiger Form, Bereitstellung digitaler Lösungen und vieles mehr, die Uneinheitlichkeit der Tätigkeiten erschwert es, steuerliche Regelungen festzulegen und eine durchgängige und faire Besteuerung durchzuführen. Dabei ist auch noch Vieles im Wandel, sodass mit immer weiteren Konzepten der Digitalwirtschaft zu rechnen ist,132 welche heute noch gar nicht absehbar sind – dies erschwert die steuerliche Erfassung der Thematik noch weiter.
127 So bspw. hoch spezialisierte Unternehmen, die ihre Produkte und Dienstleistungen ausschließlich von einem Standort aus vertreiben und dennoch aufgrund ihres herausstechenden Knowhows erfolgreich am Weltmarkt tätig sind. 128 Cloer/Gerlach, FR 2018, S. 105 (108); Devereux/Vella, Implications of digitalization for international corporate tax reform, S. 5. 129 EU-Kommission, COM(2017) 547 final, S. 2; EU-Kommission, COM(2018) 147 final, S. 2; OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 64 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 5.3. 130 UNCTAD, World Investment Report 2017, S. 169 ff. 131 S. o. Kapitel 2: A.I. Wachstum und Vielseitigkeit digitaler Geschäftsmodelle, S. 32; OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 30 ff. 132 Vgl. OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 83 ff.
C. Die Problematik der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
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Ebenfalls zeichnen sich digitale Geschäftsmodelle durch einen hohen Fragmentierungsgrad im Hinblick auf die Wertschöpfung aus.133 Leistungen an Kunden und Nutzer werden nicht mittels weniger Handlungen, wie bislang etwa Produktion und Verkauf, sondern vielmehr aufgesplittet in erheblich mehr Faktoren erbracht. So spielen für die Wertschöpfung Faktoren wie Anzahl der Nutzer, preisgegebene Daten, Möglichkeiten zum Datenabsatz, Markenbildung und vieles mehr eine herausragende Rolle.134 Auch hier können aufgrund der Vielgestaltigkeit digitaler Geschäftsmodelle keine mustergültigen Aussagen getätigt werden, die auf alle Konzepte anwendbar sind. Jedoch zeigt sich, dass die herausgehobene Rolle von immateriellen Wirtschaftsgütern durch verbesserte Kommunikationswege und gesunkene bzw. weggefallene Transaktionskosten eine derartige Leistungsfragmentierung gerade erst ermöglicht haben und diese beiden Faktoren so als Kernelemente der Digitalisierung angesehen werden können.135 Dies geht damit einher, dass durch die vielen kleinen, aber relevanten Wertschöpfungsbeiträge eine sichere Abgrenzbarkeit oder Aufteilbarkeit der Gewinne geradezu unmöglich erscheint. Der bislang geltende Authorized OECD Approach (AOA) zur Betriebsstättengewinnaufteilung hilft hier aufgrund seiner Ausrichtung auf gewöhnliche Geschäftsmodelle nicht weiter; er behilft sich weitestgehend mit der Aufteilung nach Personalfunktionen,136 die bei Digitalunternehmen häufig nur zentralisiert zu finden sind.
3. Relevanz immaterieller Wirtschaftsgüter Generell ist zu erkennen, dass digitale Geschäftsmodelle weit mehr von immateriellen Wirtschaftsgütern abhängen als von körperlichen Gegenständen.137 Je nach Unternehmenskonzept bilden Software, Markennamen, Datenbestände, Nutzerstämme die geschäftsmäßige Grundlage. Ihre Bilanzierung ist im Einzelfall nicht ohne Weiteres möglich.138 Weitergehend ist diesen Wirtschaftsgrundlagen der Digitalsparte immer die schwierige Erfassbarkeit und der hohe Grad an Mobilität inhärent. Sie sind daher nicht nur im Hinblick auf ihre Bewertung problematisch, sondern auch nur schwer dem konkreten Land zuordenbar, in dem sie bei der Besteuerung Berücksichtigung finden sollen. Es ist ein Leichtes für multinational tätige Konzerne, jene nach eigenem Bedarf zu verschieben und so aktiv und in erheblichem Umfang Steuerplanung zu betreiben.139 Daraus ergibt sich bei Digitalunternehmen 133
Kowallik, DB 2018, S. 599 (600). OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 41 ff. 135 Englisch, IStR 2016, S. 717 (717); Olbert/Spengel, WTJ 2017, S. 3 (4). 136 Ausführlich dazu: Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.64 ff. 137 OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 135. 138 Vgl. § 5 Abs. 2 EStG; Krumm, in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 5 EStG Rz. 519 ff.; Richter/Anzinger/Tiedchen, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 EStG Rz. 1805 ff. 139 OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 33 ff.; Bräutigam/Kellermann/ Spengel, IStR 2020, S. 281 (282); Eilers/Oppel, IStR 2018, S. 361 (363). 134
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
der Trend, diese Investitionen in einigen wenigen Ländern zu zentrieren.140 Diese Möglichkeiten stehen herkömmlichen Konzernen, die regelmäßig zumindest zu einem erheblichen Teil auf körperliche Wirtschaftsgüter angewiesen sind, nicht offen. Das zeigt sich auch daran, dass multinational tätige Konzerne, die ein herkömmliches Geschäft betreiben, regelmäßig ihre Investitionen in verschiedene Länder streuen. Abschließend bleibt zudem festzuhalten, dass es sich bei digitalen Geschäftsmodellen nicht um eine Randerscheinung handelt, die in Kürze vorübergehen wird. Vielmehr wird die digitale Wirtschaft zur Wirtschaft selbst und durchsetzt auch immer weiter und tiefer sämtliche Zweige der herkömmlichen Wirtschaft.141 Unternehmen, die in bislang herkömmlichen Geschäftszweigen tätig waren, werden somit den neuartigen digitalen Modellen immer ähnlicher. Die Regelungen zu deren Besteuerung passen sich jedoch nicht automatisch daran an. Daher steht zu befürchten, dass die sich aus den dargestellten Divergenzen zwischen herkömmlichen und digitalen Geschäftsmodellen ergebenden Probleme eher zunehmen und flächendeckend anzutreffen sein werden.
II. Probleme für die Steuerrechtsordnungen Grundlegend können alle Probleme, die sich aus der Divergenz der Eigenschaften zwischen herkömmlichen und digitalen Geschäftsmodellen ergeben, darauf zurückgeführt werden, dass das Steuerrecht mit den Entwicklungen der globalen Wirtschaft nicht Schritt gehalten hat.142 Diese Erklärung greift jedoch wesentlich zu kurz, um Lösungen zu erarbeiten, die für die Zukunft nachhaltig entsprechende Brandherde im internationalen Steuerrecht und dem Steuerrecht der einzelnen Länder unschädlich machen. Demnach gilt es, die Schwierigkeiten, die sich aus dem Aufkommen digitaler Unternehmen ergeben, zu systematisieren und die rechtlichen Drehpunkte, die den erkannten Mechanismen und Praktiken zugrunde liegen, zu identifizieren. Diese veränderten unternehmerischen Bedingungen müssen konsequenterweise die Anforderungen an das vorherrschende Besteuerungssystem mitbestimmen.143 Die festgestellten konkreten faktischen Divergenzen führen zu abstrakten normativen Herausforderungen.
140
Vgl. UNCTAD, World Investment Report 2017, S. 174 f. OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 115; EU-Kommission, COM(2017) 547 final, S. 4. 142 OECD, Addressing Base Eosion and Profit Shifting, S. 7 f.; EU-Kommission, COM(2018) 147 final, S. 1. 143 Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 146 final, S. 4 f. 141
C. Die Problematik der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
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1. Grundproblem: Steuergestaltungsmöglichkeiten digitaler Konzerne Die Studien der OECD haben immer weiter aufgedeckt, dass multinational tätige Konzerne mittels durchdachter Steuerkonzepte ihre Steuerlast weltweit erheblich reduzieren können.144 Dabei wirken einzelne Konzerngesellschaften i. S. einer vereinheitlichten und zentral geplanten Gesamtstrategie für den Unternehmensverbund zusammen und können daher die Vorteile einer bestimmten Steuerregelung voll ausnutzen und die Nachteile von vornherein vermeiden.145 Insofern ist es diesen Konzernen möglich, sich durch ausgeklügelte Planungen i. S. eines „Rosinenpickens“ in einzelnen Steuerrechtsordnungen in begrenztem Maße ihr eigenes, nur sie betreffendes Regelstatut zu schaffen. Möglich ist dies, weil das Steuerrecht aller Staaten aus einer Zeit kommt, in der es Unternehmen nicht in diesem Maße möglich war, international tätig zu sein. Erst durch die Digitalisierung gelang es, immer einfacher ausländische Märkte zu erschließen und riesige Konzerne abgestimmt und zentral zu lenken. Erst diese neuen Möglichkeiten schafften Potentiale zur Steuerplanung durch Konzerne. Die Ausnutzung dieser Umstände geschieht durch einige Unternehmen in erheblichem Maße und mit äußerster Konsequenz, sodass zu Recht von aggressiver Steuerplanung146 gesprochen werden kann. Mit den technischen und finanziellen Möglichkeiten einiger Konzerne ist es diesen derzeit möglich, sich faktisch über die einzelnen Gesetzgeber der Nationalstaaten zu stellen. Multinationale Unternehmen, gerade solche der Digitalbranche, nutzen so gut wie jede Möglichkeit zur Ersparnis von Steuern. Wo früher markt- oder effizienzbezogene Gründe für Investitions- und Gestaltungsentscheidungen die beherrschenden Faktoren waren, werden diese heute durch finanzierungs- und v. a. steuerbezogene Erwägungen verdrängt.147 Häufig divergieren dadurch die formale rechtliche Konstruktion und die tatsächliche wirtschaftliche Situation. Dies dient lediglich dem Zweck einer vorteilhaften Betrachtung durch die für die Besteuerung zuständigen Institutionen. Multinational tätige Digitalunternehmen umgehen somit 144 So lag der von JP Morgan über zehn Jahre ermittelte Mittelwert des effektiven Steuersatzes multinational tätiger Unternehmen bei 22,6 %, wohingegen national tätige Unternehmen durchschnittlich mit einem Steuersatz i. H. v. 36,8 % belastet waren, vgl. OECD, Addressing Base Erosion ans Profit Shifting, S. 61 m. w. N. Bei Konzernen der Digitalbranche stellte die EU-Kommission mittels einer Studie des ZEW fest, dass sich der effektive durchschnittliche Steuersatz innerhalb der EU auf 9,5 % beläuft (im Vergleich zu einem Durchschnittssteuersatz von 23,2 % bei anderen internationalen Geschäftsmodellen), vgl. EUKommission, SWD(2018) 81 final, S. 18. Dies zeigt, dass Planungen zur Vermeidung von Steuern sich bei digitalen Geschäftsmodellen noch besser umsetzen lassen als bei herkömmlichen multinational tätigen Unternehmen, die bereits auch schon erheblich von den Effekten der Strategien profitieren. 145 Vgl. OECD, Addressing Base Erosion and Profit Shifting, S. 25. 146 OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 4, 206; zu früheren Arbeiten auf diesem Gebiet: OECD, Addressing Base Erosion and Profit Shifting, S. 85. 147 Vgl. UNCTAD, World Investment Report 2017, S. 164.
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
legal grundlegende Steuerprinzipien wie Gleichmäßigkeit, Angemessenheit und Fairness. Problematisch ist dabei weniger die Verlagerung des Besteuerungssubstrates an sich, auch wenn dies für einige Länder zu Einbußen im Steueraufkommen führt. Vielmehr führen die zielgerichteten Gestaltungen zu einer Verschiebung des Steuersubstrates in Niedrigsteuerländer oder zu Mechanismen, die eine Besteuerung gänzlich oder zumindest teilweise vermeiden.148 Letztlich sind daher die ausufernden Steuerplanungsmöglichkeiten großer digitaler Konzerne als Problemkern zu erkennen. Erst durch die forcierte Ausnutzung der vorhandenen Steuergesetze unterliegen die Einkünfte dieser Unternehmen keiner angemessenen Besteuerung mehr. Unmittelbare Folge davon ist Ungerechtigkeit: Die ausgeklügelte Steuerplanung durch diese Konzerne steht im Widerspruch zur Steuerpflicht, die jedes Steuersubjekt gleichermaßen treffen soll und derer sie sich entziehen. Die Verteilung der staatlich notwenigen Lasten orientiert sich damit nicht mehr proportional an der Leistungsfähigkeit des Steuersubjekts. Wesentliche Gestaltungsmechanismen zur Reduzierung der Steuerlast in international agierenden Digitalkonzernen sind die Vermeidung einer Steuerpflicht im Marktstaat, die gewillkürte Verlagerung immaterieller Wirtschaftsgüter in besteuerungsgünstige Jurisdiktionen und die Zurückhaltung von Gewinnen im niedrigbesteuernden Ausland. a) Vermeidung einer Steuerpflicht im Marktstaat Unternehmen sind heute in der Lage, in einem Land in erheblichem Maße wirtschaftlich präsent zu sein, ohne dort eine feste Einrichtung i. S. einer Betriebsstätte zu unterhalten.149 Demgegenüber steht das weltweit übliche und auch in sämtlichen DBA Deutschlands sowie im unilateralen internationalen Einkommensteuerrecht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) EStG) enthaltene Betriebsstättenprinzip.150 Nach dem Welteinkommensprinzip151 werden Einkünfte eines Steuersubjekts grds. immer dort versteuert, wo dieses seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt, Geschäftsleitung oder Sitz hat (sog. Ansässigkeitsstaat).152 Als Ausnahme dazu dürfen Einkünfte bei einer beschränkten Steuerpflicht auch dann besteuert werden, wenn keine Ansässigkeit im Inland vorhanden ist. Dafür ist jedoch ein Anknüpfungsmerkmal 148
OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 180 ff.; Röder, StuW 2020, S. 35 (37 f.); vgl. Kofler/Mayr/Schlager, BB 2017, S. 1751 (1756 f.). 149 S. o. Kapitel 2: C.I.1. Marktteilnahme ohne physische Präsenz, S. 63. 150 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.136; Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 7 Rz. 2a ff.; Reimer, in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 49 EStG Rz. 89 ff. 151 Zum Welteinkommensprinzip siehe Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 40, § 2 Rz. 19; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 1.88; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.53 f. 152 Für natürliche Personen und damit auch für die transparent besteuerten Personengesellschaften ergibt sich dies aus § 1 Abs. 1 S. 1 EStG, für Körperschaften aus § 1 Abs. 1 KStG.
C. Die Problematik der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
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i. S. v. § 49 Abs. 1 EStG erforderlich; für Einkommen aus Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit stellt das maßgeblichste Anknüpfungsmerkmal dabei die Betriebsstätte dar. Diese erfordert nach der vorherrschenden Definition eine dauerhafte, feste körperliche Anwesenheit des Unternehmens im Inland.153 Da dies bei digitalen Geschäftsmodellen häufig nicht gegeben ist oder durch geringen Aufwand gezielt vermieden werden kann, kommt es in einer Vielzahl von Fällen zu keiner Besteuerung im Inland.154 Ob die sich daraus ergebende alleinige Besteuerung im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens dogmatisch und wirtschaftlich sachgerecht ist, ist umstritten.155 Offensichtlich ist dagegen, dass sich aus der dadurch getroffenen Zuweisung der Besteuerungsrechte keine erhebliche Abweichung in der Steuerlast zwischen unterschiedlich agierenden Unternehmen ergeben darf. Dass dies jedoch tatsächlich der Fall ist, zeigen Erhebungen, die bei Digitalunternehmen eine signifikant geringere Steuerbelastung feststellen als bei anderen Betrieben.156 Die fehlende physische Präsenz wird also nur indirekt dadurch problematisch, dass keine beschränkte Steuerpflicht im Inland entsteht. Unternehmen der Digitalbranche bedienen sich dieser Vermeidung der Steuerpflicht gezielt in hochbesteuernden Ländern, auf die sie mit ihren Geschäftsmodellen ohne Weiteres einzig über das Internet einwirken können. Diesen sog. Marktstaaten, in denen eine große Zahl an Nutzern bzw. Kunden ansässig sind, kommt daher kein Besteuerungsrecht zu, obwohl herkömmliche Unternehmen mit vergleichbaren Geschäftsmodellen dort regelmäßig besteuert werden.157 Die steuerreduzierende Wirkung dieser Praktik tritt erst dadurch zutage, dass von den Unternehmen durch die Gründung von Tochtergesellschaften absichtlich Steuerpflichten in niedrigbesteuernden Ländern geschaffen werden.158 So führt die gezielte Vermeidung einer Steuerpflicht in den Marktstaaten im Vergleich zu herkömmlichen Unternehmen zu einer staatlich nicht gewollten Reduzierung der Steuerlast, welche langfristig ein Problem für die Steuerrechtsordnungen darstellt. b) Günstige Verlagerung immaterieller Wirtschaftsgüter Digitale Geschäftsmodelle basieren stark auf Entwicklung, Nutzung und Erhalt von immateriellen Wirtschaftsgütern.159 Diese tragen erheblich zum Erfolg und 153
S. o. Kapitel 2: B.I.3.a) Betriebsstätte, § 12 AO, S. 48. Pinkernell, ifst-Schrift 494, S. 114 ff.; Hongler/Pistone, Blueprints for a New PE Nexus, S. 12; OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 253 ff. 155 So jedenfalls: Kelm/Müller, WPg 2018, S. 587 (5899); kritisch dazu: Fehling, IStR 2015, S. 797 (798, 801 f.); zur Diskussion an sich: Eilers/Oppel, IStR 2018, S. 361 (362). 156 Vgl. EU-Kommission, SWD(2018) 81 final, S. 18; ausführlich siehe Fn. 144. 157 S. o. Kapitel 2: C.I.1. Marktteilnahme ohne physische Präsenz, S. 63. 158 OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 180 ff.; Röder, StuW 2020, S. 35 (37 f.); vgl. Kofler/Mayr/Schlager, BB 2017, S. 1751 (1756 f.). 159 S. o. Kapitel 2: C.I.3. Relevanz immaterieller Wirtschaftsgüter, S. 65. 154
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
damit auch zur Gewinnerzielung in der Digitalbranche bei.160 Im Vergleich zur Erfassung, Bewertung und Handhabung gewöhnlicher Wirtschaftsgüter ergeben sich für immaterielle Wirtschaftsgüter Probleme in der Besteuerung, die folglich v. a. digitale Unternehmen betreffen.161 Digitale Unternehmen machen sich häufig die Mobilität dieser Werttreiber und deren komplexe Bewertbarkeit sowie die schwierige Zuordenbarkeit der zu ihnen gehörenden Aufwendungen für Erstellung und Erhaltung für ihre Steuerplanungen zunutze.162 Wie bei gewöhnlichen Wirtschaftsgütern eines Unternehmens bedarf es auch bei immateriellen Wirtschaftsgütern Aufwand, um diese herzustellen und zu erhalten. So müssen Software entwickelt, Marken beworben und Netzwerke etabliert werden – all dies ist mit unternehmerischem Aufwand verbunden. Komplizierter als bei anderen Geschäftsgegenständen ist allerdings die Verknüpfung von Aufwand und Ertrag. Sobald ein Unternehmen durch die unkörperlichen Vermögenswerte in mehreren Ländern und durch verschiedene Gesellschaften Gewinne erzielt, werden diese allesamt dem Unternehmensteil zugeordnet, das als Inhaber des Vermögenswertes anzusehen ist.163 Grundlegende immaterielle Wirtschaftsgüter der Digitalunternehmen werden regelmäßig in hochbesteuernden Staaten geschaffen; ihre Herstellungskosten mindern dort die steuerliche Bemessungsgrundlage. Aufgrund ihrer Unkörperlichkeit und der damit einhergehenden Mobilität können sie anschließend ohne größere Probleme ins niedrigbesteuernde Ausland transferiert werden. Unternehmen der Digitalbranche machen sich dies gezielt zunutze. Ein erheblicher Teil ihres Gewinns, der aus der Nutzung immaterieller Wirtschaftsgüter resultiert, wird nach deren Verlagerung nicht mehr im Staate ihrer Entwicklung, sondern im Ausland zu günstigeren Konditionen besteuert. Eine sachgerechte steuerliche Berücksichtigung des Transfers des immateriellen Wirtschaftsguts selbst war bislang regelmäßig nicht möglich.164 Dies soll zukünftig durch angepasste Verrechnungspreisleitlinien weitgehend eingeschränkt werden.165 160
Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 147 final, S. 2 f.; Becker, IStR 2018, S. 634 (635); OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 135. 161 Greil/Fehling, IStR 2017, S. 757 (758); Devereux/Vella, Implications of digitalization for international corporate tax reform, S. 6. 162 OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 33 ff.; Bräutigam/Kellermann/ Spengel, IStR 2020, S. 281 (282); Eilers/Oppel, IStR 2018, S. 361 (363). 163 Greil/Fehling, IStR 2017, S. 757 (762); ausführlich dazu: Andresen, in: Wassermeyer/ Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.26 ff. 164 So auch OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 226: Dieser zeigt drei Möglichkeiten zum Verschieben von immateriellen Wirtschaftsgütern unter Umgehung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf: (1) schwierige Bewertbarkeit des Wirtschaftsgutes, (2) ungleicher Informationslage von Steuerzahler und Fiskus, (3) Transfer von versteckten oder bislang unbeachteten immateriellen Wirtschaftsgütern ohne Entgelt. 165 OECD, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations 2017, Chapter VI, S. 247 ff.; vgl. zusammenfassend: Greil/Fehling, IStR 2017, S. 757 (758 f.).
C. Die Problematik der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
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Weiterhin werden jedoch Gewinne, die entstehen, bei der Gesellschaft und in dem Land besteuert, welche Inhaber des Wirtschaftsgutes ist; die neuen Verrechnungspreisleitlinien knüpfen weiterhin an klassische Faktoren zur Bestimmung der Anteile an dem durch das immaterielle Wirtschaftsgut erzielten Gewinn an. In hoch besteuernden Ländern befindliche Standorte werden daher regelmäßig nur mit Routinefunktionen betraut, sodass auf diese kein bzw. nur ein kleiner anteiliger Gewinn entfällt.166 Damit ergeben sich für multinationale Konzerne auch weiterhin weitreichende Steuerplanungsmöglichkeiten. Diese richten ihre rechtlichen und wirtschaftlichen167 Strukturen so aus, dass immaterielle Wirtschaftsgüter und somit der damit zusammenhängende Residualgewinn vorwiegend niedrigbesteuernden Ländern zugeordnet werden. c) Zurückhaltung von Gewinnen im niedrigbesteuernden Ausland Gegenteilig zur Vermeidung steuerlicher Anknüpfungspunkte in den Marktstaaten werden im niedrigbesteuernden Ausland verbleibende Einnahmen von vielen multinational tätigen Konzernen forciert. Durch das Belassen von Einnahmen in ausländischen Tochtergesellschaften werden diese nicht Teil der Bemessungsgrundlage im Stammland, in welches die Gewinne aus den ausländischen Dependenzen eigentlich repatriiert und dort der endgültigen Besteuerung zugeführt werden sollten. Dieser Mechanismus wird von vielen multinational tätigen Unternehmen, auch in der Digitalbranche, zur Steuer- und Liquiditätsplanung verwendet.168 Das Zurückhalten von unversteuertem Kapital im Ausland dient dabei nicht vorrangig der Finanzierung von Investitionen in den entsprechenden Ländern, sondern vielmehr zur Minimierung der Steuerbelastung im Stammland durch Hinausschieben bzw. gänzliches Vermeiden der Repatriierung von Auslandsgewinnen ins Stammland.169 Dadurch fehlendes Eigenkapital in der Muttergesellschaft wird dort zum Teil durch Fremdkapital ersetzt, dessen Beschaffungskosten die Steuerbelastung im Staate der Muttergesellschaft zudem verringert. Dies führt zu geringen Effektivsteuersätzen und zu einem Gewinn an Liquidität und Flexibilität zum Vorteil der Konzerne. 166
Greil/Fehling, IStR 2017, S. 757 (762 ff.); vgl. OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 226 ff.; Olbert/Spengel, WTJ 2017, S. 3 (13); Heggmair/Riedl/ Wutschke, IStR 2014, S. 323 (326). 167 Vor der Aktualisierung der Verrechnungspreisrichtlinien im Juli 2017 stand das rechtliche Eigentum an den immateriellen Wirtschaftsgütern im Vordergrund. Heute wird maßgeblich auf die sog. DEMPE-Funktionen zur Bestimmung der Gewinnzuordnung bei immateriellen Wirtschaftsgütern zurückgegriffen. Danach ist nicht mehr das rechtliche Eigentum am Wirtschaftsgut, sondern die Ausführung von Entwicklung, Verbesserung, Erhaltung, Schutz und Verwertung Grundlage der Gewinnzuordnung. Vgl. OECD, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations 2017, Rz. 6.32. 168 Digitalkonzerne erzielen im Vergleich zu herkömmlichen Unternehmen deutlich mehr Einnahmen im Ausland; dabei belassen sie 62 % ihrer dort erzielten Einnahmen durch den Ansässigkeitsstaat unbesteuert, vgl. UNCTAD, World Investment Report 2017, S. 173 f. 169 UNCTAD, World Investment Report 2017, S. 174.
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
2. Wettbewerbsverzerrungen Die beschriebenen Gestaltungsmöglichkeiten stehen v. a. global tätigen originär digitalen und hochdigitalisierten Unternehmen offen. Die damit einhergehende Steuerersparnis hat direkte Auswirkungen auf die Liquidität und Profitabilität des Unternehmens. Im Vergleich zu weniger digitalisierten Unternehmen ergeben sich somit Wettbewerbsverzerrungen, die als mittelbare Folge digitaler Unternehmenstätigkeit problematisch für die Rechtsordnung sind. a) Digitale und nicht digitale Geschäftsmodelle Vergleicht man zunächst Unternehmen, die originär digitale Geschäftsmodelle betreiben, und andere Unternehmen, fällt auf, dass Digitalunternehmen im Durchschnitt mit einem weitaus niedrigeren Steuersatz arbeiten als ihre herkömmlichen Pendants.170 Die Gründe hierfür liegen wiederum in den Möglichkeiten digitaler Unternehmen zur Ausschöpfung steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten und nicht in einer ungleichen Behandlung durch das Steuerrecht der Nationalstaaten. Zu erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten bei der Besteuerung trägt vor allem die zentrale Stellung von immateriellen Wirtschaftsgütern in Digitalkonzernen bei.171 Wegen der hohen Mobilität, Flexibilität und schwierigen Bewertbarkeit lassen sich immaterielle Wirtschaftsgüter zur Erzielung positiver Steuereffekte heranziehen. Damit sind digitale Geschäftsmodelle gegenüber herkömmlichen Unternehmenskonzepten, die zu einem großen Teil mit körperlichen Wirtschaftsgütern arbeiten, im Hinblick auf die Steuerplanung begünstigt und können sich hierdurch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Auch das steuergünstige Vermeiden von Betriebsstätten fällt der Digitalbranche generell leichter,172 da diese über eine umfassende digitale Infrastruktur verfügt, durch die Märkte unproblematisch völlig ohne inländische Betriebsstätte bedient werden können, und ihre Leistungen im Wesentlichen ohnehin virtuell erfolgen.173 Unstreitig ist daher, dass insgesamt Wettbewerbsverzerrungen in diesem Bereich vorliegen. Fraglich erscheint dagegen, inwieweit diese von den einigen Ländern zur Förderung der Digitalwirtschaft gewünscht sind. Dass einzelne Staaten Maßnahmen zur Begünstigung der Ansiedlung dieser Sparte in ihrem Hoheitsgebiet ergriffen
170
Vgl. EU-Kommission, COM(2017) 547 final, S. 6 f. S. o. Kapitel 2: C.II.1.b) Günstige Verlagerung immaterieller Wirtschaftsgüter, S. 69. 172 S. o. Kapitel 2: C.II.1.a) Vermeidung einer Steuerpflicht, S. 68. 173 Dies spiegelt auch der von der UNCTAD erhobene „international footprint“ wider. Daraus ergibt sich, dass Auslandsumsatz und Auslandsinvestitionen bei Digitalkonzernen deutlicher auseinanderfallen, wie bei anderen Unternehmen. Daraus wird abgeleitet, dass ein Unternehmen umso weniger Auslandsinvestitionen erfordert, je höher sein Digitalisierungsgrad ist. Vgl. UNCTAD, World Investment Report, S. 169 f. 171
C. Die Problematik der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
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haben, steht fest.174 Jedoch können die beschriebenen Effekte nicht als Mittel des Steuerwettbewerbs unter den Nationalstaaten betrachtet werden. Zum einen stellen diese kein Unikum einzelner Rechtsordnungen dar, die sich für die entsprechenden Unternehmen positiv von den anderen Staaten abheben möchten. Zum anderen sind die gezeigten Effekte lediglich Nebenfolgen international vorherrschender Prinzipien und keine kontrollierbare und gezielte Subvention von Digitalunternehmen. Dementsprechend handelt es sich bei den dargestellten Wirkungsweisen nicht um gezielte steuerliche Subventionen oder Anreize der Nationalstaaten. b) Multinationale Konzerne und mittelständische Unternehmen Ein anderes Bild zeigt sich beim Vergleich multinationaler Konzerne (MNE) mit kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU). Bislang ist festzustellen, dass die großen Akteure in Relation zu kleineren Marktteilnehmern mit einem weit geringeren effektiven Steuersatz belastet sind.175 Dies resultiert v. a. aus wirtschaftlichen Markteintrittshemmnissen, die im Bereich nicht digitaler Geschäftsmodelle stark ins Gewicht fallen. Von vornherein haben herkömmliche Unternehmen im Hinblick auf Auslandsinvestitionen unabhängig von deren Größe die gleichen rechtlichen Voraussetzungen. Auch kleinen Unternehmen steht es grds. frei, ausländische Märkte zu erschließen, ohne dort eine Betriebsstätte zu eröffnen, die eine beschränkte Steuerpflicht in diesem Staat begründet.176 Jedoch sind die Kosten für den Entwurf und die Umsetzung einer ausgeklügelten Steuerplanung hoch und die Erweiterung des Geschäftskreises auf andere Länder beinhaltet ein gewisses Risiko. Für KMU können derartige Konzepte demnach uninteressant oder sogar unrentabel sein. Die Gründe für die bestehende Wettbewerbsverzerrung zwischen MNE und KMU liegen also nicht in einer unterschiedlichen rechtlichen Behandlung, sondern in der Chancenungleichheit im Hinblick auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten zur Ausnutzung der rechtlichen Gegebenheiten. Fraglich ist jedoch, inwieweit diese Feststellung auch für digitalisierte und originär digitale Geschäftsmodelle gilt. Diese benötigen schon aufgrund ihrer Eigenschaften weit weniger bis gar keine körperlichen Anknüpfungspunkte, um im Ausland tätig zu werden.177 Das beschriebene Steuersparpotential, das aus der Nutzung immaterieller Wirtschaftsgütern und der Vermeidung von Betriebsstätten resultiert, kann von digitalisierten und digitalen Geschäftsmodellen ohne größeren 174
Bspw. durch die Schaffung von Regelungen zur sog. Patentboxen, die es ermöglichen Gewinne, welche immateriellen Wirtschaftsgütern zugewiesen werden, gesondert auszuweisen und niedriger zu besteuern. Vgl. auch zu anderen Begünstigungsmaßnahmen: Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 150 ff. 175 Vgl. Abb. 2 in Richter/Hontheim, DB 2013, S. 1260 (1260). Zu erwähnen ist, dass diese geringen Steuersätze sich aus verschiedenen Gestaltungen ergeben. 176 Vgl. Zur Planung in international tätigen Unternehmensgruppen: Heggmair/Riedl/ Wutschke, IStR 2015, S. 92 (93). 177 S. o. Kapitel 2: C.I.1. Marktteilnahme ohne physische Präsenz, S. 63.
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
Aufwand genutzt werden. Wo etwa bei herkömmlichen Geschäftsmodellen für den Geschäftsablauf nötige Betriebsstätten im Ausland durch Konstruktionen über Servicetochtergesellschaften oder Logistikzentren kostenintensiv aktiv vermieden werden müssen, benötigen digitale Geschäftsmodelle derartige Dependancen von vornherein gar nicht.178 Auch den leicht verlagerbaren immateriellen Wirtschaftsgütern kommt in Digitalunternehmen, unabhängig von deren Größe, generell ein hoher Stellenwert zu, sodass auch in diesem Bereich Steuergestaltungen leichter fallen.179 Demnach kann die für herkömmliche Geschäftsmodelle getroffene Feststellung, dass MNE aufgrund ihrer wirtschaftlichen Stärke Steuersparpotentiale besser ausschöpfen können als KMU, nicht auf den Bereich digitaler und digitalisierter Unternehmen übertragen werden. Dort sind derartige Wettbewerbsverzerrungen deutlich reduziert, da wirtschaftliche Hemmnisse in der Steuerplanung für Digitalunternehmen aufgrund ihrer Eigenheiten von vornherein weit weniger bestehen.180 Der digitale Wandel verringert damit den ungleichen Wettbewerb zwischen MNE und KMU. Dies führt demnach allerdings auch zu einer Ausweitung des Kreises der Unternehmen, denen steuerliche Gestaltungsoptionen offen stehen. Zu erwarten ist daher, dass sich der Durchschnittssteuersatz von KMU aufgrund des steigenden Anteils an Digitalunternehmen dem der MNE annähert.181 Dies verringert zwar die Wettbewerbsverzerrungen zwischen MNE und KMU, führt jedoch zu einer Ausweitung der skizzierten Probleme. 3. Druck auf die Steuersysteme und dessen Folgen Es zeigt sich, dass im Bereich der Digitalwirtschaft – oder weiter gefasst im Bereich der Besteuerung multinationaler Konzerne – wesentliche Herausforderungen für die Gesetzgeber der Nationalstaaten und der Staatengemeinschaft liegen. Die zuvor beschriebenen Probleme führen zu einer objektiv messbaren und subjektiv nachvollziehbaren Ungerechtigkeit, welche mit den verfassungsmäßig vorgegebenen Besteuerungsprinzipien nur schwer in Einklang gebracht werden kann.182 Nachdem immer wieder auch Beispiele für legale, aber dem Gerechtigkeitsemp178
Vgl. OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 125. Dies zeigt sich auch daran, dass in Digitalunternehmen durchschnittlich deutlich weniger Auslandsvermögen bei deutlich höherem Auslandsumsatz vorhanden ist, UNCTAD, World Investment Report 2017, S. 169 ff. 179 Vgl. Heggmair/Riedl/Wutschke, IStR 2014, S. 232 (325 f.); EU-Kommission, COM(2017) 547 final, S. 2; EU-Kommission, COM(2018) 147 final, S. 2. 180 OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 110, 160, 367. 181 Analyse: EU-Kommission, COM(2017) 547 final, S. 6 f. 182 So erscheint zweifelhaft, ob die Divergenz zwischen den effektiven Steuersätzen großer Digitalunternehmen und anderen Betrieben mit dem Prinzip der Besteuerung nach dem Maß der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der steuerlichen Lastengleichheit (vgl. dazu Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 9 m. w. N.) in Einklang zu bringen ist.
D. Abhilfe durch angedachte oder durchgeführte Maßnahmen
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finden Vieler widersprechenden Gestaltungen zur Steuerersparnis großer Unternehmen Gegenstand medienwirksamer Berichte sind, bietet dieses Gebiet auch politischen Sprengstoff für die Regierungen und Oppositionen in den einzelnen Nationalstaaten.183 Die Sicherstellung eines gleichmäßigen und fairen Steuersystems ist eine der vornehmsten Aufgaben des Staates und zur Aufrechterhaltung der Steuermoral des Bürgers unerlässlich. Demnach geraten die Gesetzgeber der Nationalstaaten zunehmend unter Druck, entsprechende Verhältnisse in Bezug auf die Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle zügig wiederherzustellen; einige von ihnen reagierten bereits mit Gesetzesänderungen oder der Einführung neuer Abgaben.184 Ob diese ein probates Mittel zur Auflösung der Problematik darstellen, ist eingehend zu untersuchen.185 Jedenfalls sind durch vorschnelle, undurchdachte und unabgestimmte nationale Gesetzgebungen Widersprüche, Rechtszersplitterung und Rechtsunsicherheit zu erwarten.186
D. Abhilfe durch angedachte oder durchgeführte Maßnahmen Die Probleme um die Besteuerung der Digitalwirtschaft sind auch ein zentraler Punkt internationaler und supranationaler Auseinandersetzung. Aufgrund der Vielzahl an herausgegebenen Berichten, Entwürfen und Empfehlungen sowie einiger Rechtssetzungsempfehlungen bzw. Richtlinien ist zu erörtern, ob die bisher erwogenen oder umgesetzten Maßnahmen zu einer Abhilfe in Bezug auf die erörterte Problematik führen.
I. Maßnahmen i. R. d. BEPS-Aktionsplans Das BEPS-Projekt der OECD ist bereits weit fortgeschritten. In einigen Aktionspunkten wurden bereits konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet, die auch digitale Geschäftsmodelle betreffen können.187
183
S. o. Kapitel 1: Fn. 9. Vgl. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 346 ff.; Kowallik, DB 2018, S. 599 (600); Überblick bei Keuper, BB 2020, S. 407 (Teil I), S. 471 (Teil II). 185 S. u. Kapitel 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten, S. 191. 186 Vgl. Fehling, IStR 2015, S. 797 (802); Kofler/Mayr/Schlager, BB 2017, S. 1751 (1754 f.); Olbert/Spengel, WTJ 2017, S. 3 (43). 187 Dies sind vor allem Aktionspunkt 3 (Stärkung der Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung), Aktionspunkt 7 (Verhinderung der künstlichen Umgehung des Status als Betriebsstätte) und die Aktionspunkte 8 bis 10 (Gewährleistung der Übereinstimmung zwischen Verrechnungspreisergebnissen und Wertschöpfung), vgl. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 258. 184
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
1. Aktionspunkt 7 – Erweiterung des Art. 5 OECD-MA In einigen Fällen stellen sich die Probleme um den Nexus als weniger gravierend dar als es die vorhergehenden Einordnungen erahnen lassen. So besteht für Unternehmen zwar die Möglichkeit, durch Direktgeschäfte eine Steuerpflicht zu vermeiden, jedoch unterhält ein Großteil der betroffenen Betriebe dennoch körperliche Niederlassungen im Inland.188 Früher waren diese jedoch aufgrund rechtlicher Konstruktionen der Konzerne häufig nicht als Betriebsstätten fassbar. So sah Art. 5 Abs. 4 lit a) bis f) OECD-MA (2014) a. F. umfassende Ausnahmen für Einrichtungen von Unternehmen vor, die nicht Kerntätigkeiten eines Betriebes wahrnahmen. Weiterhin bedienten sich Konzerne oft Modellen, bei denen sie im Marktstaat eine Tochtergesellschaft gründeten, welche sämtliche Tätigkeiten dort vornahm. Auch so ließ sich ein Anknüpfungspunkt für die Steuerpflicht der Muttergesellschaft im Marktstaat verhindern.189 I. R. d. Aktionspunkts 7, der die Vermeidung von Betriebsstättendurch künstliche Gestaltungen in den Blick nahm, wurden zur Beseitigung derartiger Konstrukte die Regelungen in Art. 5 Abs. 4 bis 5 OECD-MA (2017) reformiert.190 So sieht Abs. 4 nun vor, dass sämtliche Ausnahmen nur noch dann zum Tragen kommen, wenn der Tätigkeit lediglich ein vorbereitender oder helfender Charakter zukommt. Weiterhin werden gemäß des neu geschaffenen Abs. 4.1 die Aktivitäten aller Konzerngesellschaften zur Subsumtion unter den Betriebsstättenbegriff zusammen betrachtet. Auch Abs. 5 erfuhr eine Änderung dahingehend, dass die Eigenschaft des Abschlussmittlers nunmehr wirtschaftlich anstatt rechtlich betrachtet wird; damit werden nun auch sog. Kommissionärsstrukturen als Betriebsstätte erfasst.191 2. Aktionspunkte 8 bis 10 – Revision der Verrechnungspreisleitlinien Die Aktionspunkte 8 bis 10 des BEPS-Aktionsplans versuchen, über eine Reform der Verrechnungspreisleitlinien bestehenden Gestaltungsmodellen entgegenzuwirken. So soll der Auslagerung wertvoller, aber schwer bewertbarer immaterieller Wirtschaftsgüter ins niedrigbesteuernde Ausland entgegengewirkt werden.192 Sowohl Verrechnungspreisfragen bei konzerninterner Umschichtung von immateriellen Wirtschaftsgütern (Aktionspunkt 8) als auch Divergenzen zwischen vertraglicher 188
Sog. „trade structures“, vgl. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 267. 189 Vgl. PwC, Steuerlicher Digitalisierungsindex 2017, S. 38, 40 f.; Schmidt-Heß, IStR 2016, S. 165 (169); Greil/Fehling, IStR 2017, S. 757 (762). 190 Vgl. OECD, Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status. Diese Änderungen im Abkommenstext wurden auch in das Multilaterale Instrument der OECD adaptiert und finden so direkt Eingang in einige DBA, vgl. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 272, Box 3.1 (S. 96). 191 Böhmer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 14.84 ff. 192 S. o. Kapitel 2: C.II.1.b) Günstige Verlagerung immaterieller Wirtschaftsgüter, S. 69.
D. Abhilfe durch angedachte oder durchgeführte Maßnahmen
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Risikodarstellung und tatsächlichen Entscheidungs- und Investitionskompetenzen (Aktionspunkt 9), sowie Gewinnzurechnungen, die einem Fremdvergleich nicht standhalten (Aktionspunkt 10), waren die Eckpunkte der Untersuchung. Konkret wurden als Folge dieser Analyse die Verrechnungspreisleitlinien so verändert, dass diese nun nicht mehr nur auf rechtliche Strukturen, sondern auch auf tatsächliche Sachverhalte und Handhabungen Bezug nehmen. Insbesondere werden mit der Reform der Leitlinien nun umfassender die tatsächliche Risikoverteilung im Konzern sowie die faktische Entwicklung und wirtschaftliche Zuordnung von immateriellen Wirtschaftsgütern erfasst.193
3. Aktionspunkt 3 – Hinzurechnungsbesteuerung International tätige Konzerne machen sich das vorherrschende Steuergefälle durch Gründung von Kapitalgesellschaften, die eine Abschirmwirkung194 entfalten, zunutze; dies betrifft – nicht ausschließlich, aber besonders stark – die Digitalbranche.195 Aufgrund des hohen Mobilitätsgrades immaterieller Wirtschaftsgüter können Zwischengesellschaften in steuergünstigen Ländern gegründet werden und die unkörperlichen Vermögenswerte in diese transferiert werden, sodass eine Besteuerung der daraus erzielten Einnahmen weder im Marktstaat noch im Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft erfolgt – Gewinne werden also im niedrigbesteuernden Ausland „geparkt“ und nicht an die Muttergesellschaft ausgeschüttet. Dies ist auch aufgrund eines fehlenden Nexus im Marktstaat möglich. Dem will Aktionspunkt 3 entgegenwirken. Durch die Einführung der Hinzurechnungsbesteuerung196, können Steuern in der Muttergesellschaft trotz fehlender Repatriierung der Gewinne erhoben werden. Dazu wird im Abschlussbericht zu Aktionspunkt 3 das betroffene Einkommen definiert und es werden den Nationalstaaten Vorschläge zur Umsetzung einer Hinzurechnungsbesteuerung unterbreitet. Diese Vorschläge stellen dabei keine Mindeststandards dar, sondern bieten denjenigen Staaten Umsetzungsvorschläge, die sich zur Einführung von CFC-Regeln entscheiden. Entsprechende Umsetzungen sind vor allem von Seiten der EU durch die ATAD-Richtlinien197 und der USA durch den Tax Cuts und Job Act198 erfolgt. 193
Vgl. OECD, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations 2017, Chapter VI, S. 247 ff.; OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 279. 194 Der Begriff „Abschirmwirkung“ bezeichnet den Umstand, dass von ausländischen Kapitalgesellschaften erzielte Gewinne erst im Zeitpunkt ihrer Repatriierung der inländischen Steuerpflicht unterfallen, vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 13.135. 195 Vgl.o. Kapitel 2: C.II.1.c) Zurückhaltung von Gewinnen im niedrigbesteuernden Ausland, S. 71. 196 Auch „CFC-rules“ (controlled foreign company rules) genannt. Zum Begriff und der Wirkungsweise siehe Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 13.2. 197 ATAD I (Richtlinie 2016/1164/EU des Rates vom 12. 07. 2016) und ATAD II (Richtlinie 2017/952/EU des Rates vom 29. 05. 2017).
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
4. Aktionspunkt 1 – Steuerliche Herausforderungen der Digitalisierung Die Herausforderungen der digitalen Wirtschaft stellen einen der umfangreichsten und bedeutendsten, aber auch komplexesten Teile der BEPS-Initiative dar. Dies zeigt bereits die Tatsache, dass die Arbeit an den weitreichenden Implikationen der Thematik über den Abschlussbericht aus dem Jahr 2015 durch die OECD und die G20 fortgeführt wurde.199 Durch die anschließende Gründung des „Inclusive Framework on BEPS“, an dem weit über 100 Nationen beteiligt sind, soll in internationaler Zusammenarbeit an einer einheitlichen Lösung der Problemlage gearbeitet werden. Zwar wurden i. R. d. Aktionspunktes immer wieder Handlungsoptionen dargelegt200 und eine Einigung ist in greifbare Nähe gerückt.201 Faktisch wurden jedoch bislang für den spezifischen Bereich steuerlicher Herausforderungen der Digitalwirtschaft noch keine Gegenmaßnahmen realisiert.
II. Maßnahmen der Europäischen Union Auch die Europäische Kommission hat die Probleme im Bereich der Besteuerung der Digitalwirtschaft bereits wahrgenommen202 und erkannte, dass damit grundlegende Themen der Union tangiert sind, wie die Freiheit des Binnenmarktes und das Steueraufkommen in den Mitgliedsländern. Daher legte die Europäische Kommission im März 2018 zwei Richtlinienvorschläge vor: eine kurzfristige Interimslösung in Form einer besonderen Digitalsteuer203 und einen zweiten Entwurf, der mit einer Nexusänderung im allgemeinen Ertragsteuerrecht eine langfristige Lösung vorsieht.204 Der Interimsvorschlag betrifft die Einführung einer Sondersteuer auf digitale Erträge. Diese soll diejenigen digitalen Dienstleistungen erfassen, bei denen die Wertschöpfung durch den Nutzer erfolgt.205 Oberhalb bestimmter unionsweiter Schwellenwerte werden alle Bruttoerträge mit einem Steuersatz von 3 % belastet, die aus der Platzierung von Werbung im Internet, der Bereitstellung mehrseitiger Plattformen zur Erbringung von Leistungen oder der Übermittlung gesammelter Nutzerdaten herrühren.206 Steuerpflichtiger und -schuldner ist das erwirtschaftende Unternehmen selbst; die Steuerpflicht entsteht unabhängig von der Ansässigkeit in 198
Dazu ausführlich: Hey/Härtwig, in: FS Lehner, S. 75 ff. OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 385. 200 OECD, Addressing Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 273 ff.; OECD, Blueprint for Pillar I; OECD, Blueprint for Pillar II. 201 Vgl. OECD, Statement on a Two-Pillar Solution. 202 Vgl. EU-Kommission, COM (2017) 547 final. 203 EU-Kommission, COM(2018) 148 final. 204 EU-Kommission, COM(2018) 147 final. 205 EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Erwägungsgrund 9, S. 19. 206 EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Art. 3 Abs. 1, 2, Art. 4 Abs. 1, Art. 8, S. 28 ff. 199
D. Abhilfe durch angedachte oder durchgeführte Maßnahmen
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dem jeweiligen EU-Land, aus dem die steuerbaren Erträge kommen. Diese Digitalsteuer soll lediglich eine Interimsmaßnahme darstellen und wieder abgeschafft werden, wenn eine adäquate Besteuerung der Digitalwirtschaft mithilfe der herkömmlichen Ertragsteuern erfolgen kann.207 Längerfristig strebt die Europäische Kommission mit ihrem zweiten Richtlinienentwurf die Einführung einer signifikanten digitalen Präsenz als Ergänzung zum bislang verwendeten Begriff der Betriebsstätte an. Dieser Vorschlag ändert die Zuordnungsregeln des internationalen Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts in den nationalen Regelungen ab.208 Demnach soll ein inländisches Anknüpfungsmerkmal i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch gegeben sein, wenn eine signifikante digitale Präsenz vorliegt, die keine körperlichen Anknüpfungspunkte im Inland erfordert. Ausreichend ist es, wenn über eine digitale Schnittstelle digitale Dienstleitungen bereitgestellt werden und diese bestimmte Schwellenwerte im Mitgliedsstaat überschreiten.209
III. Bewertung Mit den dargestellten Maßnahmen tangiert die OECD auch die Herausforderungen einer fairen Besteuerung der Digitalwirtschaft. Einfachste Gestaltungspraktiken werden durch die Einführung neuer Regelungen unterbunden; das Kernanliegen des BEPS-Projekts – das Schließen von Besteuerungslücken – wird damit wesentlich vorangetrieben. Betrachtet man allerdings die Zukunftsfähigkeit und Kohärenz des internationalen Steuersystems vor dem Hintergrund der Digitalisierung (sog. „broader tax challenges“), so hat die OECD in diesem Bereich bislang keine Verbesserungen erzielt.210 Die bisher erfolgten Änderungen können nicht als adäquate Antwort auf die massiven Herausforderungen bei der Besteuerung originär digitaler Geschäftsmodelle gesehen werden. Dies erkennt auch die OECD selbst an, indem sie die internationale Arbeit des Inclusive Frameworks an der Lösung der aufgezeigten Probleme weiter unterstützt. Die Europäische Union reagiert mit ihren Vorschlägen im Wesentlichen auf die zunehmenden unilateralen Alleingänge der Mitgliedstaaten bei der Besteuerung der Digitalwirtschaft. Die damit einhergehende Rechtszersplitterung bedroht den europäischen Binnenmarkt. Aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses im Rat der Europäischen Union wäre für ein unionsrechtliches Handeln ein umfassender Konsens zwischen den Mitgliedstaaten erforderlich. Ein solcher konnte für keinen der beiden Vorschläge erzielt werden. Den Vorschlägen der Europäischen Kom207 Ausführliche Zusammenfassung des Richtlinienvorschlags bei Schlund, DStR 2018, S. 937 (941 ff.). 208 EU-Kommission, COM(2018) 147 final, Erwägungsgrund 4, S. 13. 209 EU-Kommission, COM(2018) 147 final, Art. 4 Abs. 3, S. 18. 210 OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 312.
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Kap. 2: Ertragsbesteuerung und digitaler Wandel
mission kommt daher keine Wirkung zu. Sie sollten daher als veranschaulichender Beitrag zur internationalen Diskussion i. S. einer Mitgestaltung durch die Union verstanden werden.
E. Fazit I. Zusammenfassung Bei digitalen Geschäftsmodellen ist zwischen originär digitalen und digitalisierten Unternehmen zu unterscheiden. Digitalisierte Konzepte zeichnen sich durch die intensive Nutzung computer- und internetgestützter Technologie sowie den Betrieb ihres Geschäfts über eine Website, App oder sonstige digitale Schnittstelle aus. Für das Vorliegen eines hochdigitalen Modells muss zusätzlich der Einsatz der technologischen Möglichkeiten einen originären Teil des Konzeptes darstellen und der Hauptkostenanteil im Unternehmen in der Entwicklung und Unterhaltung immaterieller Wirtschaftsgüter liegen. Die vorhandenen nationalen und DBA-rechtlichen Regelungen halten nur unzureichende Vorgaben zur Besteuerung originärer Digitalunternehmen bereit. Selbst wenn aufgrund einer Geschäftsleitungsfunktion eine Steuerpflicht unabhängig von Gestaltungspraktiken digitaler Unternehmen begründen werden könnte, sieht das Betriebsstättenprinzip vorrangig eine andere internationale Zuweisung der Besteuerungsrechte vor. Da dieses lediglich an feste Geschäftseinrichtungen anknüpft, werden die virtuellen Faktoren digitaler Geschäftsmodelle nicht sachgerecht erfasst. Daraus ergeben sich weitreichende steuerliche Planungsmöglichkeiten für international agierende Digitalkonzerne. Ihnen steht es bislang offen, Steuerpflichten in Hochsteuerländern zu vermeiden, immaterielle Wirtschaftsgüter in Niedrigsteuerjurisdiktionen zu verlegen und Gewinne im niedrigbesteuernden Ausland zurückzuhalten. Dadurch treten auch Wettbewerbsverzerrungen zwischen digitalen und herkömmlichen Geschäftsmodellen auf, wohingegen hochdigitalen und digitalisierten KMU künftig ähnliche Steuergestaltungsmöglichkeiten wie MNE offenstehen. Die bisherigen Maßnahmen und Vorschläge der OECD und der Europäischen Union konnten diese Probleme, die spezifisch hochdigitale Unternehmen betreffen, nicht auflösen.
II. Erforderlichkeit einer Neuregelung Die dargestellten Probleme treten erheblich mit den Grundprinzipien unseres Steuersystems in Konflikt. Unter dem Aspekt der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung aus Art. 3 Abs. 1 GG,
E. Fazit
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zeigt sich, dass bestehende Steuervermeidungsmöglichkeiten und die daraus resultierenden Wettbewerbsverzerrungen nicht nur zu rechtlichen Implikationen führen können. Vielmehr ist auch der gesellschaftliche Konsens zur Finanzierung des Staates durch Steuern in Gefahr, wenn die Steuermoral in der Bevölkerung aufgrund eines subjektiv wahrgenommenen Mangels an Gleichheit und Fairness sinkt. Dementsprechend müssen diese Probleme so weit wie möglich aufgelöst werden, um für die Zukunft ein Steuersystem zu regeln, welches sowohl den höherrangigen gesetzlichen Vorgaben als auch der Erwartung der Querschnittsgesellschaft entspricht. Die bisher ergriffenen Maßnahmen – insbesondere i. R. d. BEPS-Projekts – tragen der Zukunftsfähigkeit der Steuersysteme im Hinblick auf die Digitalisierung der Gesellschaft und Wirtschaft noch nicht ausreichend Rechnung. Weiterhin besteht die Herausforderung, die aus dem analogen Zeitalter stammenden Regelungen an die Anforderungen der digitalen Epoche anzupassen. Dies erfordert grundlegende Reformen, v. a. im Ertragsteuerrecht. Zentral ist dabei die Frage, wo und wie Einkünfte besteuert werden sollen, die von digitalen Unternehmenskonzepten ohne zwingend erforderliche körperliche Anknüpfungspunkte generiert werden. Das vorherrschende Betriebsstättenprinzip vermag jedenfalls in seiner jetzigen Konstitution auf diese Frage keine adäquate Antwort zu geben. Es bedarf daher neuer Regelungsinstrumente, um in Zukunft eine gestaltungsunanfällige und wettbewerbsgerechte Steuerrechtsordnung zu schaffen, die digitalen und herkömmlichen Geschäftsmodellen gleichermaßen gerecht wird. Dieses Bedürfnis ist aufgrund der weitreichenden Bedeutung für das Steuersystem insgesamt und den direkten Auswirkungen für die Steuerpflichtigen als Kernpunkt einer zukunftsfähigen Ertragsbesteuerung anzusehen.
Kapitel 3
Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle Vorschläge für die Besteuerung von digitalen Geschäftsmodellen kursieren viele. Dabei geht es immer um das Treffen einer Zuordnungsentscheidung, die Besteuerungssubstrat bei einer bestimmten Steuerjurisdiktion lokalisiert. Dies ist unabhängig davon der Fall, ob ein neuer Anknüpfungspunkt i. R. d. Ertragsteuer etabliert, eine gänzlich neue Sondersteuer geschaffen, ein Mindestbesteuerungsregime erarbeitet wird, oder es im Gesamten bei der bisher vorgenommenen Zuordnung bleibt. Die Herausforderung dabei ist es, die bestmögliche Zuordnungsentscheidung zu treffen. Es handelt sich demgemäß um eine Entscheidung, die der Abwägung von Vor- und Nachteilen der unterschiedlichen Vorschläge unter verschiedenen Aspekten bedarf. Die Bewertung der verschiedenen Zuordnungsvorschläge muss daher systematisiert und unter Berücksichtigung mehrerer Belange erfolgen.
A. Vorgehensweise Für die systematisierte Bewertung unterschiedlicher Lösungsvorschläge ist die Festlegung eines einheitlichen Prüfprogrammes erforderlich, das Vorteile wie die Systemkohärenz, die Effektivität oder die Einfachheit in der Handhabung erfasst. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass Mankos wie das Fehlen einer dogmatischen Rechtsfertigungsgrundlage oder Umsetzungsprobleme identifiziert werden. Es ist zu erwarten, dass keiner der Lösungsvorschläge in allen Punkten vollständig überzeugen kann. Insoweit muss innerhalb einer abschließenden Gesamtbewertung erörtert werden, in welchem Verhältnis sich positive und negative Aspekte des Lösungsvorschlags gegenüberstehen, und ob vor dem Hintergrund des so ermittelten Verhältnisses eine Implementierung des Lösungsvorschlags überzeugend erscheint. Inhaltlich soll sich das Prüfprogramm nicht nur an theoretischen Kategorien orientieren und grundsätzliche Fragen der dogmatischen Vereinbarkeit klären, sondern auch Aufschluss über die praktische Handhabbarkeit geben. Einerseits wird so versucht zu gewährleisten, dass der Lösungsansatz möglichst systemkonform und begründbar ist. Andererseits soll auch seine effektive Wirkung auf die Problemlage, seine Relation zur vorhandenen Rechtsordnung sowie seine Praktikabilität untersucht werden. Dies umfasst auch Aspekte wie verfahrenstechnische und andere
B. Prüfungspunkte
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Folgefragen sowie letztlich auch den Anwendungsaufwand für den Steuerpflichtigen und die Steuerbehörden.
B. Prüfungspunkte I. Verbesserung der festgestellten Problemlage Grund für die Unterbreitung von Reformvorschlägen ist regelmäßig die Identifikation von Schwierigkeiten bei Anwendung der vorherrschenden Rechtslage. Hauptintention der unterbreiteten Lösungsvorschläge ist dann die Verbesserung der Situation und damit die möglichst vollständige Beseitigung der identifizierten Problemlage. Erforderlich ist daher zunächst, konkrete Punkte zu benennen, die die Umsetzung der in Betracht kommenden Handlungsoptionen beseitigen sollen. Ausgangspunkt dafür ist eine umfangreiche Analyse der Thematik, wie sie hier für den konkreten Fall der Besteuerung von digitalen Geschäftsmodellen bereits erfolgt ist.1 1. Eintretende Verbesserungen Vorliegend stellt die Besteuerung von digitalen Geschäftsmodellen das Problemumfeld und zugleich den Ausgangspunkt der Untersuchung dar. Es wurde bereits ermittelt, dass die vorhandene Regelungssituation für eine effektive Besteuerung dieses Wirtschaftszweigs vor dem Hintergrund der Globalisierung und Digitalisierung nicht ausreichend ist.2 Durch die fehlende Begründung von Anknüpfungspunkten im Quellenstaat, die aus dem Nichtvorhandensein einer Betriebsstätte oder einer Tochtergesellschaft resultiert, werden Gewinne aus digitalen Geschäftsmodellen regelmäßig nur im Ansässigkeitsstaat des Mutterkonzerns bzw. in demjenigen Staat besteuert, von wo aus der Geschäftsbetrieb im Quellenstaat organisiert wird. Dies stellt zunächst einmal kein Problem, sondern vielmehr den Normalfall in allen Fällen ausländischer Wirtschaftsaktivität dar. Erst wenn die Vermeidung von steuerlichen Anknüpfungspunkten im Inland durch die Unternehmen forciert wird, kann sich die identifizierte Problemlage ergeben. Dann nämlich erfolgt regelmäßig eine vorsätzliche Gewinnverlagerung ins niedrig besteuernde Ausland. Diese stellt nach der derzeitigen Rechtslage eine zulässige Form ausländischer Direktgeschäfte dar, die seit jeher keinen Nexus im Quellenstaat entstehen lassen. Erst durch die Spezifika der Digitaltechnik wurde es möglich, derartige Direktgeschäfte in erheblichem Umfang und ohne große geschäftliche Einbußen zur
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S. o. Kapitel 2: C. Die Problematik der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle, S. 63. Kapitel 2: B. Besteuerung unter Anwendung der aktuellen Rechtslage, S. 41.
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
steuerorientierten Gestaltung der rechtlichen Unternehmensstruktur zu nutzen.3 Aufgrund der Vereinfachung der Leistungsbereitstellung ohne jedes körperliche Substrat am Leistungsort ergeben sich durch die technischen Möglichkeiten weitreichende und flexible Gestaltungsmöglichkeiten. Dies führt häufig zu einer besonders aggressiven Steuerplanung von Digitalkonzernen, die diese Möglichkeiten gezielt und in erheblichem Maße zur Reduzierung ihrer Steuerlast verwenden. Daraus ergeben sich nicht nur massive Steuerausfälle, sondern auch Wettbewerbsverzerrungen zwischen digitalen und herkömmlichen Unternehmen.4 Konkret wird eine Verbesserung dann erzielt, – wenn schädliche Gestaltungsoptionen unschädlich gemacht werden. D. h. diese entweder verhindert werden oder dadurch ihre Wirkung verlieren, dass sie sich aufgrund einer geänderten Rechtslage nicht mehr auswirken. – wenn eine Besteuerung von Einkünften aus digitalen Geschäftsmodellen zu einem angemessenen Tarif sichergestellt wird. D. h. eine Besteuerung zu einem über Niedrigsteuerländern liegenden Tarif (im Bereich des weltweit durchschnittlichen Steuersatzes für Unternehmen) gewährleistet wird. – wenn Ungleichheiten zwischen verschiedenen Besteuerungssubjekten vermieden werden. D. h., digitale Unternehmenskonzepte und herkömmliche Betriebe gleichmäßig besteuert werden und aus den vorgeschlagenen Regelungen keine direkte oder indirekte Ungleichbehandlung unterschiedlicher MNE und KMU resultiert. Dabei ergibt sich keine ungleiche Besteuerung allein aus der Tatsache, dass bestimmte Regelungen Besonderheiten einzelner Unternehmensträger berücksichtigen.
2. Effektivität In Bezug auf die Beseitigung der identifizierten Probleme muss eruiert werden, wie effektiv die jeweilige Lösungsmöglichkeit ist. Dafür ist zu erfassen, inwieweit – also in welcher Intensität – eine konkrete Verbesserung erzielt wird. Einerseits ist dafür zu ermitteln, ob eine Verbesserung bei lediglich einem der drei soeben ermittelten Kriterien erreicht wird oder sich diese bei mehreren oder allen Aspekten zeigt. Zudem kommt es auf die Qualität der Verbesserung an. Durch die unterschiedlichen Lösungsansätze kann es lediglich zu einer graduellen Verbesserung kommen, sodass sich beispielsweise der effektive Tarif bei Digitaleinkünften erhöht und sich so auf den gewöhnlichen Tarif zubewegt. Andererseits ist auch eine Komplettbeseitigung der festgestellten Problemlage denkbar. Dies wäre dann der Fall, wenn zwischen der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle und der Besteue3
Ausführlich s. o. Kapitel 2: C.I. Unterschiede in der Besteuerung zu herkömmlichen Geschäftsmodellen, S. 63. 4 Zu den Folgen insgesamt: s. o. Kapitel 2: C.II. Probleme für die Steuerrechtsordnungen, S. 66.
B. Prüfungspunkte
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rung sonstiger gewerblicher Betriebe kein Unterschied mehr besteht; beide also den gleichen Tarif bezahlen, in gleicher Weise veranlagt werden und die Verteilung des Besteuerungssubstrats auf dem gleichen Regelwerk fußt. 3. Selektivität Um durch eine Reform einen umfassenden positiven Effekt zu erzielen, muss das gewählte Mittel nicht nur möglichst effektiv in Bezug auf die Qualität der Verbesserung sein. Auch die Quantität, also der Anteil an digitalen Geschäftsmodellen, deren Besteuerung auf ein angemessenes Niveau angehoben wird, spielt für die Bewertung der Lösungsmöglichkeit eine erhebliche Rolle. Zu klären ist, ob alle Steuersubjekte, die ein Unternehmenskonzept mit Potential zur Steuergestaltung mittels digitaler Technologien betreiben, von der Lösung gleichermaßen erfasst werden. Betrifft der Neuansatz dagegen nur einen bestimmten Teil digitaler Unternehmen, so wirkt dieser nur selektiv im Hinblick auf die identifizierten Subjekte. Optimalerweise umfasst der Regelungsbereich von hochdigitalen bis digitalisierten Geschäftsmodellen ausnahmslos alle Unternehmensträger. Allerdings kann es je nach Regelungsansatz zu kleineren oder größeren Aussparungen bei den erfassten Steuersubjekten kommen. Da Tatbestände mit starren abstrakten Merkmalen arbeiten, sich die digitale Technologie jedoch fortschreitend ändert, ist vor allem bei Regelungen, die explizit an das Vorhandensein bestimmter digitaler Voraussetzungen anknüpfen, eine Umfassung aller betroffenen Unternehmen für die Zukunft nur schwer denkbar.
II. Dogmatische Legitimität Als zweite Säule des Prüfkanons soll danach gefragt werden, ob der jeweilige Reformvorschlag mit den Prinzipien des internationalen Steuerrechts übereinstimmt und eine darin enthaltene Änderung der steuerlichen Anknüpfungspunkte dogmatisch zu rechtfertigen ist. Dafür ist darzustellen, welche Prinzipien für eine Überprüfung der Reformvorschläge relevant sind. Es muss ermittelt werden, welche Grundsätze im internationalen Steuerrecht vorherrschen und welche Rolle diese für die Entwicklung von nationalem Recht und DBA-Recht spielen. Gleichzeitig wohnen den angesprochenen Dogmen auch Grundlagen zur Rechtfertigung der Steuererhebung inne. Da den zu überprüfenden Reformbestrebungen allen eine – zumindest teilweise – Neubegründung von nationalen Besteuerungsrechten inhärent ist, ist auch diese systematische Rechtfertigung zu betrachten. Eine Neuregelung soll demnach nicht nur allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen entsprechen, sondern aus normativ-systematischer Sicht begründbar sein.
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
1. Territorialitätsprinzip und genuine link Es wird teilweise vertreten, dass das Völkergewohnheitsrecht keine limitierenden Prinzipien im Hinblick auf die fiskalischen Hoheitsbefugnisse der Staaten enthält.5 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die für alle Rechtsbereiche gültigen Prinzipien der Beschränkung staatlicher Souveränität auch im Steuerrecht gelten. Insoweit gibt vor allem das Territorialitätsprinzip Aufschluss über die völkerrechtlich legitimen Besteuerungsmöglichkeiten eines Staates.6 Erst die staatliche Souveränität, die das Völkerrechtssubjekt auf seinem Staatsgebiet ausübt, vermittelt die Gewalt und die Legitimation zur Besteuerung der Personen und Vorgänge im Inland.7 a) Kriterien des Territorialitätsprinzips Die Gebietshoheit eines Staates ergibt sich unmittelbar aus dessen Souveränität über ein bestimmtes Territorium; sie stellt die legitimierte Herrschaft über die sich in einem bestimmten Raum befindlichen Personen und Güter dar.8 Demnach kann zwischen subjektivem und objektivem Territorialitätsprinzip9 unterschieden werden. Der subjektive Teil erfasst die Regelungsgewalt des Staates über die Personen, die sich in ihm aufhalten. Steuerrechtlich betrifft dieser Teil vor allem die unbeschränkte Steuerpflicht, welche unabhängig von der Staatsangehörigkeit an den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland anknüpft.10 Das objektive Territorialitätsprinzip betrifft dagegen den Bereich der beschränkten Steuerpflicht, denn es regelt das Prorektorat des Staates über die auf seinem Gebiet befindlichen Gegenstände.11 Die innerstaatliche Macht zur Ausübung eines bestimmten Akts sagt nichts über das entsprechende Recht auf internationaler Ebene aus.12 Die völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Gebietsausschließlichkeit verbietet die Vornahme von Ho-
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V. a. Mössner, ÖZöffR 25, S. 255 (264); Croxatto, StuW 1964, S. 879 ff. So bereits Schanz, Finanzarchiv 1892, S. 365; vgl. Mann, Recueil des cours 1964-I, S. 1 (109); Martha, The Jurisdiction to Tax in International Law, S. 88 f.; Rudolf, in: FS Bärmann, S. 769 (778 f.); Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen Rz. 11 m. w. N. 7 Von Arnauld, Völkerrecht, Rz. 337 ff.; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, S. 23 f. 8 Vgl. Martha, The Jurisdiction to Tax in International Law, S. 45; Rudolf, in: FS Bärmann, S. 769 (776); zur Begrifflichkeit der Gebietshoheit im Vergleich zur territorialen Souveränität siehe von Arnauld, Völkerrecht, Rz. 337; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I, S. 318. 9 Zu Irritationen über den Begriff des Territorialitätsprinzips: Koblenzer, BB 1996, S. 933 (934). 10 Welz, in: Braun/Günther, Steuer-Handbuch, Territorialitätsprinzip, II.1; vgl. auch Martha, The Jurisdiction to Tax in International Law, S. 90 ff.; vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.53 ff.; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 1.87 f. 11 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.2 f.; Martha, The Jurisdiction to Tax in International Law, S. 52. 12 Mann, Recuile des cours 1964-I, S. 1 (9). 6
B. Prüfungspunkte
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heitsakten auf fremdem Terrain.13 Sachverhalte mit Auslandsberührung müssen dementsprechend daraufhin untersucht werden, ob sie in den Geltungsbereich der zur Anwendung herangezogenen Rechtsordnung fallen. Der räumliche Geltungsbereich einer Rechtsordnung ist strikt auf das jeweilige Staatgebiet begrenzt; ein Gesetz beansprucht nur auf dem eigenen Hoheitsgebiet Geltung. Davon zu unterscheiden ist der sachliche Geltungsbereich eines Gesetzes, dessen Anknüpfung an ausländische Sachverhalte, Tatbestände usw. möglich ist.14 Man spricht insoweit auch von formeller (räumlicher) und materieller (sachlicher) Territorialität15 oder insgesamt von extraterritorialer Hoheitsausübung.16 Das Völkerrecht stellt hierzu keine „harten“ Regelungen auf, die die nationalen Hoheiten voneinander abgrenzen, sondern belässt den Staaten einen weiten Ermessensspielraum. Klar ist jedoch, dass Beschränkungen der Hoheitsbefugnis vorliegen und es eine Pflicht zum zurückhaltenden Handeln in Bezug auf Sachverhalte mit Auslandsbeziehung gibt, die im Vergleich zur eigenen Tatbestandsnähe näher an den Hoheitsbefugnissen des anderen Staates liegen.17 Das Steuerrecht stellt dabei wohl denjenigen Rechtsbereich dar, der – völkergewohnheitsrechtlich unbeanstandet – die weiteste Auslegung des Territorialitätsprinzips vornimmt.18 Dem ist das starke Vordringen in Hoheitsbereiche anderer Staaten inhärent, was zu Überlappungen und Kompetenzkonflikten zwischen den Völkerrechtssubjekten führt und nur durch völkerrechtliche Verträge (DBA) bzw. unilaterales Verzichten auf die eigene Kompetenz im Hinblick auf das wirtschaftliche Problem immenser Doppelbesteuerungen aufgelöst werden kann.19 Im Ertragsteuerrecht folgt die Steuerpflicht zunächst einmal dem Welteinkommens- oder Universalitätsprinzip als Ausprägung des subjektiven Territorialitätsprinzips.20 Eine unbeschränkte Steuerpflicht liegt für Subjekte der Einkommen- und 13 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. 03. 1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, S. 343 (369, Rz. 96); von Arnauld, Völkerrecht, Rz. 337. 14 „International gebräuchlicher ist die dem angloamerikanischen Recht entstammende Unterscheidung zwischen der jurisdiction to prescribe und der jurisdiction to enforce: Im völkerrechtlich anerkannten Rahmen dürfen Staaten Gesetze erlassen, die sich auf ausländische Sachverhalte beziehen, sie dürfen diese Gesetze aber nicht außerhalb ihres Hoheitsgebietes vollziehen.“, von Arnauld, Völkerrecht, Rz. 345. Vgl. hierzu auch die „Lotus“-Entscheidung, StIGH, Urteil vom 07. 09. 1927, PCIJ Series A – No. 10 (1927), 10 Rz. 46 (S. 18). Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, S. 3; Mann, Recueil des cours, 1964-I, S. 1 (34). 15 Tipke, Die Steuerrechtsordnung III (1. Aufl.), S. 1076 f.; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 1.84. 16 Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, S. 1. 17 Fitzmaurice, Separate Opinion zum Barcelona-Traction-Urteil, ICJ Reports 170, S. 64 (105). 18 Hongler, IStR 2018, S. 756 (758); vgl. Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, S. 183. 19 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.60; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 1.84. 20 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.3; Mössner, in: Vogel, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, DStJG 8 (1985), S. 119 (122).
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
Körperschaftsteuer dann vor, wenn diese ein Ansässigkeitsmerkmal im Inland erfüllen.21 Anknüpfungspunkt für die Besteuerung ist also die Verwurzelung des jeweiligen Steuersubjekts im Inland.22 Dagegen vermittelt das Quellenprinzip (steuerrechtliches Territorialitätsprinzip) die Grundwertungen des objektiven Territorialitätsprinzips.23 Anknüpfungspunkt der beschränkten Steuerpflicht ist demnach eine inländische Einkunftsquelle.24 Für die Einkommen- und Körperschaftsteuer hat der nationale Gesetzgeber diese Quellen in § 49 Abs. 1 EStG als Indikator für einen ausreichenden Inlandsbezug abschließend normiert. Die beiden Seiten des Territorialitätsprinzips stehen zunächst grundsätzlich nebeneinander und bilden – jede für sich – eine Rechtfertigungserklärung für die Zugriffsinstrumente des Staates auf das Steuersubstrat. Allerdings treten beide auf internationaler Ebene in ein Spannungsfeld, da es durch die subjektive und die objektive Seite des Prinzips bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu einem steuerlichen Zugriff mehrerer Staaten kommt; die Folge ist eine Doppelbesteuerung.25 Bei der Besteuerung von digitalen Geschäftsmodellen geht es jedoch nicht um einen Doppelzugriff, sondern vielmehr darum, dass der Ansässigkeitsstaat von seinem Besteuerungsrecht keinen oder keinen reellen Gebrauch macht.26 Die Kernfrage ist daher, ob und unter welchen Voraussetzungen dem anderen Staat ebenfalls ein Besteuerungsrecht zusteht. Soll die Wahrung der Territorialität als Teil des völkerrechtlichen Pflichtenprogramms Eingang in die inländische Rechtsordnung finden, genügt es daher nicht, diese als ungeschriebenes Leitprinzip der extraterritorialen Rechtsanwendung stehen zu lassen. Vielmehr sind fachgesetzliche Ausformungen in Gestalt von Tatbeständen erforderlich, die einen hinreichenden Inlandsbezug sicherstellen. Verkürzt: Das Völkerrecht fordert die nationalen Gesetzgeber dazu auf, für jeden Rechtsbereich Voraussetzungen zur Rechtsanwendung festzulegen, welche die Wahrung des Territorialitätsgrundsatzes gewährleisten.27 Für das Ertragsteuerrecht bedeutet dies, dass 21
Für natürliche Personen nennt § 1 Abs. 1 S. 1 EStG den Wohnsitz (§ 8 AO) und den gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) als Anknüpfungsmerkmal, für juristische Personen stellt § 1 Abs. 1 KStG auf die Geschäftsleitung (§ 10 AO) und den Sitz (§ 11 AO) ab. 22 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.3; Mössner, in: Vogel, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, DStJG 8 (1985), S. 119 (122). 23 Von Arnaud, Völkerrecht, Rz. 347; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 23; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 1.88. 24 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 6; Fehrenbacher, Steuerrecht, § 2 Rz. 13, 24. 25 Vgl. Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, S. 183; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 24 ff. 26 S. o. Kapitel 2: C. Die Problematik der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle, S. 63. 27 Bspw. finden sich diese für das Strafrecht in den §§ 3 ff. StGB oder für das Bürgerliche Recht in Art. 3 ff. EGBGB bzw. der Rom I-VO (Verordnung (EG) Nr. 593/2008) und der Rom II-VO (Verordnung (EG) Nr. 864/2007). Vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I, S. 321 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, Rz. 1183; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, S. 4.
B. Prüfungspunkte
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Tatbestände erforderlich sind, die auch ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt eine derartige Nähe zum Inland markieren, sodass eine Besteuerung völkerrechtlich opportun ist.28 Dieses inländische Zugriffsmerkmal wird als genuine link bezeichnet.29 Aufgabe dieses Anknüpfungsmoments ist es, eine greifbare und handhabbare Definition zu liefern, die für einen bestimmten Bereich festlegt, welche Einkünfte als im Inland erzielt betrachtet werden können. b) Kriterien des genuine links Im Gegensatz zur Forderung eines Anknüpfungsmoments an sich besteht über dessen inhaltlichen Voraussetzungen keine Einigkeit.30 aa) Vorhandene Ansätze in Rechtsprechung und Literatur Die bisherigen Definitionsansätze der Rspr. und der Literatur sind vage31 geblieben und wirken teils willkürlich. Praktisch bieten sie oft nur wenig Anhaltspunkte über konkrete Anforderungen an ein inländisches Anknüpfungsmerkmal. In frühen Ansätzen zur Territorialität wurde der genuine link mit wirtschaftlicher Zugehörigkeit gleichgesetzt.32 Aufgrund der Konturenlosigkeit des Begriffs wurde bereits damals zwischen „Konsumtions-, Erwerbs und Produktionsakten“ unterschieden, wobei der bloße Absatz („Konsumtion“) die geringste Verbindung herstellt.33 Die sehr restriktive Handhabung der Besteuerung von Inlandsaktivitäten von Ausländern muss dabei unter den Vorzeichen der Zeit, insbesondere der Vielzahl deutscher Staaten und den damaligen Möglichkeiten, betrachtet werden und liefert demgemäß nur begrenzten Aufschluss für die Gegenwart. Aktuellere Begriffsentwürfe versuchen teilweise, die völkerrechtlich gebotenen Einschränkungen so gering wie möglich zu halten. Das Bundesverfassungsgericht beschränkt sich darauf, dass den Grundsätzen des Völker- und Verfassungsrechts 28 Fehrenbacher, Steuerrecht, § 2 Rz. 24; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 1.84; so auch das BVerfG, Beschluss vom 22. 03. 1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, S. 343 (369, Rz. 96). 29 Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, S. 4 f.; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 18; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 2.5; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen, Rz. 11; Hongler/Pistone, Blueprints for a New PE Nexus, S. 18. 30 Mössner, ÖZöffR 25, S. 255 (266) spricht von einem „embryonalen Zustand“; a. A.: Croxatto, StuW 1964, S. 879 ff. 31 Müller, Deutsche Steuerhoheit über ausländische Tochtergesellschaften, S. 99; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 2.5. 32 Schanz, Finanzarchiv 1892, S. 365 (368, 373) umschreibt dies weiter mit einem Inbeziehungtreten der Personen mit der Gemeinschaft. 33 Ausländische Aktivitäten im Inland wurden generell nur sehr zurückhaltend besteuert, vgl. Schanz, Finanzarchiv 1892, S. 365 (415 ff.).
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
genüge getan ist, wenn das Anknüpfungsmerkmal einem „Mindestmaß an Einsichtigkeit“ genügt.34 Diese Ansicht ist im Lichte des Selbstverständnisses des Bundesverfassungsgerichts als nationale Instanz und dessen Auffassung vom Grundgesetz als Ausdruck der Staatsgewalt zu betrachten.35 Auch in der Literatur existieren Stimmen, die den genuine link nur marginal völkerrechtlich determiniert sehen. So entstehen Worthülsen wie „sinnvolle Anknüpfung“36 oder „tatsächliche Anknüpfung“37, die keine Anhaltspunkte für die Anforderungen oder die Ausgestaltung von Reformen hinsichtlich der Zuordnung von Besteuerungssubstrat bereithalten. Vereinzelt wurde jedoch auch versucht, den völkerrechtlichen Vorgaben unter Berücksichtigung der eigenstaatlichen Souveränität Voraussetzungen für eine innerstaatliche Anknüpfung zu entnehmen. Eine relativ leistungsfähige Definition erarbeitete dabei Mann in seiner Doctrine of Jurisdiction in International Law.38 Dieser hält einen genuine link dann für gegeben, wenn nahe, substanzielle, unmittelbare und gewichtige Tatsachen vorliegen, die den Grundsätzen des völkerrechtlichen Einmischungsverbots und Rücksichtsnahmegebots Rechnung tragen. Dabei sind politische, wirtschaftliche, kommerzielle oder soziale Interessen sowie die Stellung anderer Staaten in Bezug auf den Sachverhalt außer Acht zu lassen.39 Einen anderen Ansatz verfolgt Rudolf, indem er auf die rechtliche Relevanz einer Inlandsbeziehung rekurriert und so die normative Fassbarkeit der Anknüpfung in den Mittelpunkt stellt. Dabei differenziert er nach dem Inhalt der Regelung. Dient sie der Verwirklichung international übereinstimmender Rechtswerte oder der internationalen Solidarität, so muss der Inlandsbezug weniger erheblich sein als bei der Verfolgung eigenstaatlicher Interessen.40 Da das Steuerrecht der Einnahmenerzielung des Staates und damit lediglich nationalen Interessen dient, muss daher eine erhebliche rechtlich relevante Inlandsbeziehung vorliegen, die „mehr als nur flüchtig“ ist.41 Eine zeitliche Komponente ist dem jedoch nicht inhärent: Die Gebietshoheit eines Staates gilt unabhängig von der Zeit, in der Aktivitäten ausgeübt werden. Es kommt einzig darauf an, dass der Charakter der Tätigkeit ein für den Quellenstaat erheblicher ist. 34
BVerfG, Beschluss vom 22. 03. 1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, S. 343 (369, Rz. 96). Mit konkreten Beschränkungen der staatlichen Hoheitsgewalt aus völkergewohnheitsrechtlichen Grundsätzen kann auf dieser Ebene wohl kaum gerechnet werden. Zur verfassungspolitischen Bedeutung des BVerfG: Maurer, Staatsrecht I, § 20 Rz. 9 ff.; Degenhart, Staatsrecht I, Rz. 834 f. 36 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I, S. 321; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1183. 37 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 3.13, 16.1. 38 Mann, Recuile des cours 1964-I, S. 1. 39 Mann, Recuile des cours 1964-I, S. 1 (49); a. A.: Schön, WTJ 2009, S. 67 (93). 40 Diese Abstufung lässt sich aus den völkerrechtlichen Grenzen extraterritorialer Rechtsanwendung ableiten; Rudolf, in: FS Bärmann, S. 769 (780 f.). 41 Rudolf, in: FS Bärmann, S. 769 (782). 35
B. Prüfungspunkte
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bb) Herleitung aus deduktivem Ansatz In der Literatur wurden bislang hauptsächlich induktive Ansätze verfolgt, die rechtliche Kriterien einzig aus allgemeingültigen Prinzipien ableiten. Dies genügt zur Herleitung des Erfordernisses eines genuine links an sich, zur Bestimmung der inhaltlichen Kriterien hilft dieses Vorgehen allerdings wenig weiter. Stattdessen sind die den anerkannten Anknüpfungsmerkmalen inhärenten Eigenschaften auf eine allgemeine Definition herunterzubrechen (deduktive Methode). Dabei ergeben sich konkretere und aussagekräftigere Prämissen als beim Versuch der Ableitung aus völkerrechtlichen Grundsätzen und Prinzipien.42 Durch die weitgehend übereinstimmende Anwendung der Anknüpfungsmerkmale in den nationalen Steuergesetzen und den verbreiteten DBA ergibt sich eine völkerrechtliche Übung (sog. consuetudo). Neben dieser ist weiterhin die sog. opinio iuris necessitas erforderlich. Dieser zweite Bestandteil verlangt nicht, dass die Bildung von Gewohnheitsrecht auf einer stillschweigenden vertraglichen Grundlage (sog. pactum tacitum) beruht, sondern, dass international der vorhandene Usus als Recht anerkannt wird.43 Zwar sind die vorhandenen Anknüpfungsregeln in den nationalen Gesetzen, wie in § 49 Abs. 1 EStG, veränderbar und austauschbar und unterliegen der Gestaltungsmacht des Gesetzgebers. Allerdings basieren einige der vorhandenen Anknüpfungsregelungen auf einem internationalen Konsens. Diese bilden den „kleinsten gemeinsame Nenner“ und stehen damit im Einvernehmen der Staatengemeinschaft. Sind diese Anknüpfungspunkte international anerkannt (consuetudo und opinio iuris)44, so bilden sie die Grundlage für einen gewohnheitsrechtsbasierten genuine link. International etabliert sind das Belegenheitsprinzip (bei der Nutzung und Veräußerung unbeweglichen Vermögens), das Betriebsstättenprinzip (bei unternehmerischen Einkünften), das Quellenprinzip (zumindest beschränkt bei Kapitaleinkünften), das Arbeitsortprinzip (bei unselbständiger Arbeit), das Kassenstaatsprinzip (bei Einkünften, die von einer öffentlichen Kasse ausgezahlt werden) und die Besteuerung am Ausübungsort einer Tätigkeit (bei künstlerischen und sportlichen Tätigkeiten).45 Sie sind Grundlage sämtlicher DBA und wurden daher bereits häufig völkerrechtlich kodifiziert. Die Kodifikation steht der Bildung der opinio iuris nicht 42 Zur Statthaftigkeit der deduktiven Methode: Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, S. 8 ff.; bereits Schanz wendete 1892 zum Teil eine deduktive Herleitung an: Schanz, Finanzarchiv 1892, S. 365 (434). 43 Detailliert zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht: Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I, S. 55 ff.; Herdegen, Völkerrecht, § 16. 44 Zur internationalen Anerkennung: Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 368. 45 Zur internationalen Üblichkeit jeweils: Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.158, 6.218, 6.258, 6.260 (Belegenheitsprinzip); 6.163, 6.204, 6.230 (Betriebsstättenprinzip); 6.248 (beschränktes Quellenprinzip); 6.240 (Arbeitsortprinzip); 6.236 (Kassenstaatsprinzip); 6.204 (Ausübungsort); vgl. OECD, Addressing Base Erosion and Profit Shifting, S. 34 f.
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
entgegen, sondern muss gerade als rechtliche Anerkennung gewohnheitsrechtlicher Regelungen verstanden werden. Dafür spricht auch deren konsensbasierte Nennung im OECD-MA.46 Insofern liegen beide Elemente der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht vor. Um den Kern dieser anerkannten genuine links ausfindig zu machen, ist das sie einende Element zu ermitteln. Erkennbar ist, dass nicht einheitlich an Gegenstände (Sachen oder Rechte) angeknüpft wird, sondern teilweise auch an bloße im Inland vorgenommene Tätigkeiten.47 Für die Besteuerung ist jedoch in allen Fällen im Inland entstandenes oder realisiertes Vermögen die Grundlage. Vermögen beschreibt dabei alle geldwerten Güter, Rechte und Forderungen. Es erfasst sowohl Rechtspositionen an Grundstücken oder Rechten (bspw. Gesellschaftsanteilen) als auch das Innehaben von Forderungen wie sie sich typischerweise aus einem Arbeitsverhältnis ergeben. Belässt man es allerdings bei dieser Beschreibung, so ufern die Anknüpfungsmöglichkeiten im Vergleich zu der Staatenpraxis zu weit aus. Im Inland entstandenes Vermögen erfasst dann u. U. auch Forderungen, die aus ausländischen Direktgeschäften entstanden sind und gewöhnlich nicht im Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Demgemäß bedarf es einer weiteren Einschränkung dahingehend, dass sämtliche Leistungsbestandteile im Inland verwirklicht sein müssen. Nur das exklusiv im Inland entstandene oder realisierte Vermögen bildet die Kriterien der vorhandenen Anknüpfungsmerkmale ab. So findet die Leistung beim Verkauf oder der Vermietung von Grundstücken durch die Übereignung oder die Überlassung der Immobilie im Inland statt, bei der Erzielung von Erträgen aus oder dem Verkauf von inländischen Kapitalgesellschaftsanteilen realisiert sich die Rechtsposition durch die im Inland stattfindende Ausschüttung bzw. Übertragung und auch beim Erbringen von Arbeitsleistung entsteht der Anspruch durch die im Inland stattfindende Tätigkeit. Ein genuine link liegt also immer dann vor, wenn Einkünfte aus einem exklusiv im Inland entstandenen oder realisierten Vermögen herrühren. Es fällt auf, dass unter diese Definition auch Sachverhalte fallen, die von den Staaten regelmäßig nicht im Quellen-, sondern im Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Beispielhaft sind die Vermietung und der Verkauf von im Ausland befindlichen beweglichen Sachen48 oder Lizenzen49 zu nennen. Auch hier findet die Entstehung des Anspruchs durch die Leistung im Quellenstaat statt. Diese werden regelmäßig nur im Ansässigkeitsstaat des Rechtsinhabers besteuert, sodass hier keine Anknüpfung an ein entstandenes oder realisiertes Vermögen erfolgt. Grund hierfür sind praktische Überlegungen wie Beweisfragen oder der entstehende Verwal46
Vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I, S. 60. So stellen Belegenheitsprinzip und Betriebsstättenprinzip auf das Innehaben von Sachen im Quellenstaat ab, wohingegen das Arbeitsortprinzip eine bloße Tätigkeit im Quellenstaat genügen lässt. 48 Vgl. Art. 21 Abs. 1 OECD-MA 2017. 49 Vgl. Art. 12 Abs. 1 OECD-MA 2017. 47
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tungsaufwand.50 Zudem ist es nicht so, dass die Staaten dazu verpflichtet sind, ein Anknüpfungsmerkmal zu statuieren, sobald die Voraussetzungen des genuine links erfüllt sind. Diese normieren lediglich die Grenzen, innerhalb derer ein Nationalstaat völkerrechtskonform ein Anknüpfungsmerkmal regeln darf.51 Zu einer Ausschöpfung dieses Potentials sind die Völkerrechtssubjekte hingegen nicht verpflichtet. Vorteil der hier vorgenommenen Begriffsbestimmung i. R. d. deduktiven Methode ist vor allem die Handhabbarkeit des Ergebnisses; mit ihm können zuverlässige Aussagen über die völkerrechtliche Besteuerungsmacht eines Staates getroffen werden. Dogmatisch beruht die Herleitung auf einer normativen Betrachtungsweise. Einheitliche Lebenssachverhalte, wie ein Verkaufs- oder Vermietungsvorgang, werden in normativ abtrennbare Prozesse aufgeteilt. Für die Bestimmung des Besteuerungsregimes bringt dies den Vorteil mit sich, dass separat auf die Leistungsvorgänge abgestellt werden kann, die nicht in gleichem Maße der Gestaltungsmacht des Steuerpflichtigen unterliegen wie es bei Verpflichtungsverhältnissen der Fall ist. Sicher ist allerdings auch, dass einige Stimmen in der Literatur diesen Ansatz als zu weitgehend abtun werden. So wurde in Bezug auf die vorhandenen genuine links teilweise festgestellt, dass diese zwar einen ausreichenden Inlandsbezug sicherstellen, jedoch keiner übergeordneten Ordnung folgen und damit willkürlich erscheinen.52 Richtig ist daran sicher, dass zwischen den verschiedenen Besteuerungsprinzipien strukturelle Unterschiede bestehen. So knüpfen das Betriebsstättenund Belegenheitsprinzip an Objekte an, das Arbeitsortprinzip hingegen an ein Tun. Diese Unterschiede sind allerdings der Verschiedenartigkeit der Erwerbstatbestände geschuldet. Geht man – wie bislang – induktiv an die Bestimmung eines übergeordneten Prinzips heran, so helfen das völkerrechtliche Einmischungsverbot und Rücksichtnahmegebot nicht weiter. Erst unter der Prämisse, dass sich die völkerrechtlichen Gewohnheiten aus der Praxis selbst ergeben, kann aus der international anerkannten Handhabung festgestellt werden, was alle Anknüpfungsmerkmale verbindet. Willkürlich ist daran nichts. Aus den tradierten Prinzipien lassen sich konkrete Vorgaben im Hinblick auf den genuine link ermitteln. Auch mag es vorkommen, dass die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung dieses Meta-Prinzips in Zweifel gezogen wird. Ansatzpunkt kann dabei jedoch nicht die Übung sein; die Tradition der genannten Prinzipien ist nicht ernsthaft bestreitbar. Vielmehr könnte bei der opinio iuris angesetzt werden. Beispielsweise könnte argumentiert werden, dass das Netzwerk der DBA nicht Ausdruck der völkergewohnheitsrechtlichen Vorgaben sei und nicht aus ihm ermittelt werden könne, ob es 50 So wäre es beispielsweise nur schwer möglich zu differenzieren, wann ein grenzüberschreitendes Direktgeschäft beim Verkauf beweglicher Sachen vorliegt (bei welchem kein exklusiv inländisches Vermögen entsteht oder realisiert wird) oder die Sache bereits dem Quellenstaat zuzuordnen ist und damit ein genuine link besteht. Bei zweifelsfreier Zuordnung der Vermögensentstehung oder -realisierung ist eine Besteuerung im Quellenstaat jedoch durchaus möglich. 51 Schön, WTJ 2009, S. 67 (93). 52 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.152.
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Völkerrecht ausdrücken oder Abweichung davon regeln soll.53 Dem ist die Zustimmung der Staaten zum OECD-MA entgegenzuhalten. Dieses Musterabkommen ist gerade kein völkerrechtlicher Vertrag, sondern nur ein Vorschlag zum Abschluss von DBA.54 Trotz seines unverbindlichen Charakters orientieren sich die vertragsschließenden Staaten an diesem beim Abschluss ihrer DBA. Die genannten Leitprinzipien stehen regelmäßig bei der Verhandlung von DBA nicht in Rede und sind daher so stark von der Staatenpraxis anerkannt, dass von einer Erhebung zu verbindlichen Rechtsprinzipien ausgegangen werden kann. c) Relevanz für die Zuordnungsentscheidung Das Territorialitätsprinzip überträgt den Souveränitätsanspruch der Staaten auf die Ebene Völkerrechts. Das Bedürfnis zu seiner zwingenden Berücksichtigung bei der Rechtssetzung im Bereich der zwischenstaatlichen Zuweisung von Besteuerungsrechten ergibt sich einerseits und vordergründig aus dem Bedürfnis nach Systemkohärenz und legitimierender völkerrechtlicher Rechtfertigung zur Erhaltung nachvollziehbarer steuerrechtlicher Regelungen. Andererseits ist auch ganz praktisch zu erwarten, dass ein internationaler Konsens über die künftige Besteuerung digitaler Unternehmenskonzepte wahrscheinlicher ist, je nachvollziehbarer die in ihm enthaltene Zuordnungsentscheidung ist.55 Eine umfassende Berücksichtigung des Territorialitätsprinzips gewährleistet einen Ausschluss des Eingriffs in fremde Hoheitsrechte. Insofern liegt die Beachtung des völkerrechtlich konstituierten Dogmas bei der Zuordnung von Besteuerungsrechten auch im praktischen Interesse der partizipierenden Staaten. Die inhaltlichen Anforderungen für einen ausreichenden territorialen Bezug ergeben sich aus dem genuine link, dessen genaue Voraussetzungen umstritten sind. Klar ist jedoch: Soll der völkerrechtlichen Legitimation und der zwischenstaatlichen Konfliktvermeidung als Ziele des Territorialitätsprinzips Rechnung getragen werden, so entsteht das Bedürfnis nach einer aussagekräftigen Definition. Da diesem durch die vorhandenen induktiven Ansätze nicht beizukommen ist, verbleibt die hier dargestellte deduktive Theorie als einzig tragfähige. Letztlich ist also auch das durch die Definition des genuine link festgehaltene Maß an Territorialität Ausfluss des staatlichen Souveränitätsanspruchs, der eine Festlegung des zu tolerierenden äußersten Umfangs der Besteuerungsrechte anderer Staaten fordert. Die dargelegten induktiven Methoden sind aufgrund der umstrittenen Anforderungen an den genuine link bei der Beurteilung der Reformentwürfe daneben zu betrachten. 53
Mann, Recuile des cours 1964-I, S. 109. Vgl. Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen des Abkommensrechts, Rz. 33 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.14; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 606 ff.; Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 44. 55 Vgl. Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung, S. 51; Musgrave, CJWB 1975, S. 29 (36). 54
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Dies gilt gerade auch im Bereich der Reformbestrebungen zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle. Das genuine link-Erfordernis ist keineswegs überkommen, sondern gibt insbesondere im Hinblick auf neue Arten der Einkünfteerzielung Aufschluss über die erforderliche Berücksichtigung der staatlichen Souveränitätsansprüche. Dabei sind die deduktiv ermittelten Voraussetzungen Richtschnur für neue inländische Anknüpfungsmerkmale, da sie allgemein gültige, vom Wandel in der Art der Einkünfteerzielung unabhängige Prinzipien festhalten. Im Ergebnis ist dem Territorialitätsprinzip vonseiten der Reformmodelle Rechnung zu tragen. Es ist ausreichend berücksichtigt, wenn ein genuine link vorhanden ist. Dies ist der Fall, wenn Einkünfte aus einem exklusiv im Inland entstandenen oder realisierten Vermögen herrühren. Daneben sind die herkömmlichen Kriterien des Mindestmaßes an Einsichtigkeit, der Rechtfertigung durch nahe, substanzielle, unmittelbare und gewichtige Tatsachen und der erheblichen rechtlich relevanten und mehr als nur flüchtigen Inlandsbeziehung zu berücksichtigen.
2. Wertschöpfungstheorie Ein weiteres Prinzip zur Verteilung von Besteuerungsrechten lässt sich u. U. aus der Betrachtung von Wertschöpfungsmechanismen in international tätigen Unternehmen herleiten. Bereits die Begriffe „Einkommensteuer“ und „Ertragsteuer“ weisen auf den Bezug der Abgabe zur Erwirtschaftung der Einkünfte hin. Allerdings gilt es zu beachten, dass die Ertragsteuern lediglich vereinnahmte Vermögensmehrungen besteuern. Es kommt also auf die Vereinnahmung und gerade nicht auf die „Schöpfung“ eines Wertes an.56 Dennoch stellt die Wertschöpfung ein zentrales Paradigma i. R. d. BEPS-Initiative der OECD dar.57 Grundlegendes Ziel des Programmes war bzw. ist es nämlich, die Verminderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und das Verschieben von Gewinnen zu vermeiden. Eine solche Verlagerung des Besteuerungssubstrates soll immer dann vorliegen, wenn die Besteuerung gezielter Weise nicht dort erfolgt, wo die Wirtschaftstätigkeit stattfindet.58 Dieses Grundverständnis findet sich in unterschiedlicher Intensität in den meisten BEPS-Punkten wieder.59 Auch zeigt sich aufgrund der erfolgten Umsetzung einiger BEPS-Maßnahmen und der aktiven 56
Vgl. Fehrenbacher, Steuerrecht, § 2 Rz. 1 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung II, S. 624 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 8.49 ff. 57 Vgl. Schön, IStR 2019, S. 647 (648); OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 4. 58 OECD, Addressing Base Erosion and Profit Shifting, S. 5 ff., 35; differenzierend zwischen den Begriffen der Wertschöpfung und der Wirtschaftstätigkeit: Hey, BfIT 2018, S. 203. 59 Vgl. v. a. Aktionspunkte 2 (Neutralising the effects of hybrid mismatch arrangements), 3 (Controlled Foreign Company), 6 (Prevention of tax treaty abuse), 7 (Permanent establishment status); Hey, BfIT 2018, S. 203 bezeichnet das Wertschöpfungsprinzip als Kern („core“) der BEPS-Initiative; vgl. auch Bauer/Fritz/Schanz/Sixt, Corporate income tax challenges arising from digitalised business models, S. 6.
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
Teilnahme aller bedeutenden Wirtschaftsnationen der grundlegende Konsens über dieses Prinzip. Problematisch erscheint aber insgesamt, dass weder eine allgemeine Definition von Wertschöpfung besteht, noch von Seiten der OECD im Rahmen ihres Programms erarbeitet wurde.60 Dies zeigt sich nicht nur bei Betrachtung der Berichte und Empfehlungen der OECD, sondern ebenfalls am fehlenden Konsens der Staaten über die Zuordnung von Besteuerungsrechten und der umfangreichen wissenschaftlichen Diskussion um dieses Thema. Soll also das Wertschöpfungsprinzip als Kriterium bei der Neuordnung von Besteuerungsrechten herangezogen werden, so bedürfte es zunächst einer belastbaren Definition, anhand derer auch eine Lokalisierung der Wertschöpfung stattfinden kann.61 Das Kriterium der Wertschöpfung ist nicht erst mit dem BEPS-Aktionsprogramm aufgekommen. Vielmehr wurde bereits in den 1920er Jahren bei der Herausbildung der Regelungsmerkmale für frühe DBA-Musterentwürfe mit dem Prinzip argumentiert. Bereits im „Economists Report“ der League of Nations62 wurde die Erzeugung von Vermögen als wesentlicher Faktor zur Verteilung von Ertragsteuerrechten zwischen den Staaten angesehen, was im Wesentlichen eine Verteilung nach dem Konzept der Wertschöpfung entspricht.63 Dort wurden von der Vermögenserzeugung alle Beiträge erfasst bis zu dem Zeitpunkt, an dem die tatsächliche Produktion vollständig abgeschlossen ist und der Vermögenswert nur noch realisiert werden muss.64 Dies zeigt allerdings, dass sich die damaligen Standards an industriellen Betrieben orientiert haben und noch nicht an eine informations- und datenbasierte Wertschöpfung zu denken war, wie sie heute möglich ist.65 Das Wertschöpfungsprinzip bildet auf theoretischer Ebene die Weggabelung ab, an der das internationale Steuerrecht aufgrund der Globalisierung heute steht. Abhängig davon was als Wertschöpfungsbeitrag zu Unternehmensgewinnen erfasst wird, ändert sich die dogmatische Rechtfertigungslage bei Berücksichtigung des Wertschöpfungsprinzips. Ob dies ein valides Instrument zur Beurteilung eines steuerlichen Reformentwurfs im Hinblick auf die Richtigkeit der Zuordnung von Besteuerungsrechten ist, muss im Folgenden ermittelt werden. Das Wertschöpfungsaxiom kann nur dann als wissenschaftlicher Zuordnungs- und Rechtfertigungsgrundsatz herangezogen werden, wenn Wertschöpfungsbeiträge definiert und zugerechnet werden können, eine örtliche Verknüpfung mit einer Steuerjurisdiktion fundiert hergeleitet werden kann und sich daraus schließlich eine Erheblichkeit für die Zuordnungsentscheidung ergibt. Ist dies nicht der Fall, so handelt es sich beim 60 Bauer/Fritz/Schanz/Sixt, Corporate income tax challenges arising from digitalised business models, S. 7; Hey, BfIT 2018, S. 203. 61 Vgl. Bauer/Fritz/Schanz/Sixt, Corporate income tax challenges arising from digitalised business models, S. 8. 62 League of Nations, Report on Double Taxation vom 03. 04. 1923. 63 Vogel, Der offene Finanz- und Steuerstaat, S. 77 (89); Bauer/Fritz/Schanz/Sixt, Corporate income tax challenges arising from digitalised business models, S. 8. 64 League of Nations, Report on Double Taxation vom 03. 04. 1923, S. 23. 65 Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 147 final, S. 2.
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Wertschöpfungskriterium nicht um ein wissenschaftliches Prinzip, sondern vielmehr um ein politisches Argument, das aufgrund seiner Uneindeutigkeit beliebig verändert werden kann. a) Definition und Zurechnung von Wertschöpfungsbeiträgen Wertschöpfung definiert sich ihrem Wortlaut nach, bereits als die Erzeugung von Werten.66 Sprich: Wertschöpfung liegt immer dann vor, wenn ein Mehrwert erzielt wird. Sie lässt sich also berechnen, indem man die Vorleistungen von den Bruttoerträgen abzieht.67 Dieser Ansatz zeigt jedoch nur, ob Wertschöpfung vorliegt. Worin sie hingegen liegt, wird nicht erfasst. Deshalb muss der Wertschöpfungsprozess in Untereinheiten unterteilt werden, um zu ermitteln, bei welchen Tätigkeiten Werte entstehen und bei welchen nicht.68 Dieses Konzept ermöglicht es, die Wertschöpfung in Produktionsketten zu erfassen. Für komplexe und neuartige Prozesse69, wie sie bei digitalen Geschäftsmodellen vorhanden sind, funktioniert dieses Konzept allerdings nicht. Was den Mehrwert konkret entstehen lässt – Softwareentwicklung, Datenverarbeitung, immaterielle Wirtschaftsgüter, Nutzerverhalten, usw. – kann anhand dieser einfachen Formel nicht abgeschätzt werden. Dennoch ist anzuerkennen, dass Wertschöpfung in jeder Quelle von Einkünften vorliegt.70 Dies rechtfertigt eine Besteuerung durch diejenigen Jurisdiktionen in natürlicher Weise, denen die Schöpfung des Wertes zuzuordnen ist.71 Damit erscheint eine dogmatisch einwandfreie Lösung, die sich an der Wertschöpfungstheorie orientiert, zunächst naheliegend und simpel. Allerdings erkennt man bei der Anwendung auf konkrete Sachverhalte, insbesondere auf Fragestellungen, die sich bei digitalen Geschäftsmodellen ergeben, dass es tiefergehend einer Klärung der Frage bedarf, was als Quelle der Einkünfte verstanden werden kann. Dieses Verständnis verschiebt damit nur die grundlegende Frage auf eine nachfolgende Ebene und führt daher nicht weiter. Es ist also weiterhin danach zu fragen, worin die Wertschöpfung, also die Quelle der Einkünfte, liegt. Dafür stehen zwei grundsätzliche Betrachtungsweisen zur Verfügung: der sog. supply approach (produktionsorientierte Betrachtung) und der sog. supply-demand approach (marktorientierte Betrachtung).72 Der supply approach stellt maßgeblich auf die Erwirtschaftung von Einkünften durch operative Tätigkeiten wie Entwicklung, Produktion, Vertrieb, usw. ab. Beim supply66
Vgl. Kroeber Riel, Die betriebliche Wertschöpfung, S. 79 f. Vgl. Kroeber Riel, Die betriebliche Wertschöpfung, S. 15. 68 Vgl. Kroeber Riel, Die betriebliche Wertschöpfung, S. 15 f.; i. Erg. auch Schön, IStR 2019, S. 647 (648). 69 Siehe sogleich: Kapitel 3: B.II.2.a)aa) Wertschöpfungsprozesse in digitalen Unternehmen, S. 98. 70 Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung, S. 55. 71 Musgrave/Musgrave, in: Bird/Head, Modern Fiscal Issues, S. 63 (82). 72 Musgrave, in: McLure, The State Corporation Income Tax, S. 234; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung, S. 55 f. 67
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demand approach stellt hingegen der Marktwert, der das Resultat aus Angebot und Nachfrage bildet, den Inhalt von Wertschöpfung dar. Da sich das Angebot aus der Produktion von Werten ergibt, die Nachfrage jedoch aus den Bedürfnissen der Kunden im Marktstaat herrührt, erfasst dieser Ansatz sowohl den Produktions- als auch den Absatzstaat.73 Bislang erfolgte die Besteuerung nach den egalisierten Anknüpfungsmerkmalen in den nationalen Rechtsordnungen und dem OECD-MA ausschließlich nach dem supply approach.74 Die bloße Nachfrage war dagegen zwar immer wieder Teil von Diskussionen über eine Neuzuordnung von Besteuerungsrechten, allerdings wurde sie letztlich bei der Ertragsteuer nie als besteuerungsrelevant eingestuft. Geht man also von der Annahme aus, dass die bisherigen internationalen Rahmenbedingungen bei herkömmlichen Modellen dem Wertschöpfungsprinzip ausreichend Rechnung getragen haben, so ist danach zu fragen, warum nun entsprechend des supply-demand approach auch in anderen Staaten eine Wertschöpfungstätigkeit zu verorten ist. Es muss demnach untersucht werden, was die wirtschaftlichen Prozesse und Faktoren von digitalen Geschäftsmodellen und herkömmlichen Unternehmen unterscheidet und ob dieser Unterschied eine Erweiterung der Wertschöpfungsdefinition hin zu einer absatzmarktorientierten Sichtweise erlaubt oder sogar erforderlich macht. aa) Wertschöpfungsprozesse in digitalen Unternehmen Ausgehend von der Funktionsweise herkömmlicher Unternehmen bildete bisher die Betriebsstätte die nach dem supply approach zu betrachtenden Produktionsfaktoren ab. Wertschöpfungsprozesse waren demnach an standortfixierte Tätigkeiten von Unternehmen von einem gewissen Ausmaß gekoppelt. Offensichtlich ist, dass sich die maßgeblichen Verhältnisse in modernen Unternehmen, insbesondere der Digitalbranche, stark verändert haben. Mittlerweile spielen im Vergleich zu früher mehr Faktoren eine Rolle für die Einkünfteerzielung von Unternehmen, was dazu führt, dass Prozesse stärker aufgeteilt an mehreren Orten und in mehreren Steuerjurisdiktionen stattfinden. Die OECD hat diese Spezifika von digitalisierten Unternehmensmodellen tiefgehend untersucht und Merkmale identifiziert, die typischerweise bei solchen Geschäftsmodellen auftreten und für den steuerlichen Umgang maßgeblich sind. Dabei wurden drei wesentliche Eigenarten von Digitalkonzernen herausgearbeitet, von welchen zumindest eines bei jedem Digitalunternehmen festgestellt werden kann; teilweise treten sie jedoch sogar kumulativ auf:
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Musgrave, in: McLure, The State Corporation Income Tax, S. 234; vgl. Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung, S. 56 f. 74 Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung, S. 55; vgl. Schön, IStR 2019, S. 647 (649); Becker/van der Ham, DB 2019, S. 502 (506).
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– Cross-jurisdictional scale without mass (grenzüberschreitende Ausdehnung ohne Masse).75 Digitalen Unternehmen ist es aufgrund moderner technischer Gegebenheiten möglich, in einer Vielzahl von Staaten tätig zu sein, ohne dort physisch präsent sein zu müssen. Dennoch ist ihre Beteiligung und ihr Einfluss auf die dortige Wirtschaft von einer Erheblichkeit, wie sie bei herkömmlichen Unternehmen bislang nur vorlag, wenn diese dort eine Betriebsstätte unterhielten. – Reliance on intangible assets, including intellectual property (Abhängigkeit von immateriellen Werten, insbesondere geistigem Eigentum).76 Anknüpfend an den ersten Punkt ist klar, dass innerhalb des Unternehmens andere, unkörperliche Faktoren wesentlich zur Einnahmenerzielung beitragen müssen. Geschäftsmodellen der Digitalwirtschaft ist deshalb gemein, dass sie stark von der Nutzung und Entwicklung immaterieller Wirtschaftsgüter wie Software, Algorithmen, Nutzerdaten usw. abhängen. Dies zeigt sich innerhalb der Unternehmensbilanzen vor allem an den erheblichen Investitionen in diese Unternehmensgrundlagen. – Data, user participation and their synergies with intellectual property (Daten, Nutzerbeteiligungen und Synergien mit geistigem Eigentum).77 Bei hochdigitalen Konzepten, insbesondere Netzwerkplattformen, sozialen Medien, usw. sind Daten, Nutzerbeteiligungen und damit einhergehende Netzwerkeffekte von hoher Relevanz für den Erfolg des Unternehmens. Je höher der Marktanteil eines Unternehmens ist, desto mehr Daten können gesammelt werden. Dies hat direkten Einfluss auf die Verwertung der immateriellen Wirtschaftsgüter: So hängt beispielsweise die Funktionsweise und die Weiterentwicklung von Algorithmen wesentlich vom Input an Daten ab. Gleichzeitig nähren sich Netzwerkkonzepte von der Nutzerbeteiligung; zusammenhängende immaterielle Wirtschaftsgüter wie die Software oder auch der Goodwill78 erlangen ihren Wert erst mit der Verwendung durch die Nutzer. Diese Analyse zeigt, dass digitale Geschäftsmodelle grds. anders funktionieren als herkömmliche Unternehmen. Die von der OECD erhobenen Befunde werden sowohl von der Politik als auch innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses nicht angezweifelt. Allerdings steht deren Erheblichkeit und Einfluss auf die Wertschöpfung in den betroffenen Unternehmen in Frage.79
75 OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 33; s. o. Kapitel 2: C.I.1. Marktteilnahme ohne physische Präsenz, S. 63. 76 OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 34; s. o. Kapitel 2: C.I.3. Relevanz immaterieller Wirtschaftsgüter, S. 65. 77 OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 35; s. o. Kapitel 2: C.I.2. Konzeptionelle Unterschiede, S. 64. 78 Goodwill bezeichnet den immateriellen Vermögenswert, der sich aus dem Geschäftsbzw. Firmenwert ergibt. 79 So auch die OECD selbst: OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 36 ff.
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bb) Erweiterung der Wertschöpfungsdefinition Fraglich ist, ob die Veränderungen in der unternehmerischen Wertschöpfung so tiefgreifend sind, dass diese nicht mehr nur anhand des supply approach definiert werden kann, sondern eine Neuausrichtung am supply-demand approach erforderlich ist. Dafür müssten die Kernfaktoren (Ausdehnung ohne Masse, Abhängigkeit von immateriellen Wirtschaftsgütern und Erheblichkeit von Nutzerbeteiligung) eine so starke Verschiebung der betrieblichen Prozesse bei der Einkünfteerzielung darstellen, dass ein Festhalten an der bisherigen Begriffsdefinition widersinnig erscheint. Dies ist dann der Fall, wenn sich logisch ergibt, dass eine Zuweisung der Wertschöpfung nach der tradierten Art und Weise nicht mehr die Herkunft der Einkünfte abbilden kann. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass sowohl die Einnahmen- als auch die Ausgabenseite für die Wertschöpfung relevant ist80 und deshalb beide von der Betrachtung mit umfasst sein müssen. Ausgaben finden fast exklusiv in denjenigen Staaten statt, die vom supply approach bereits erfasst werden. Kostenintensive Beiträge wie Forschung und Entwicklung, strategische Unternehmensplanung, technische Umsetzung usw. sind gerade nicht den Marktstaaten zuzuordnen. Dort hingegen erfolgt der Absatz an die Kunden und Nutzer. Für die Frage, ob dieser i. R. d. Einnahmenerzielung einen Werttreiber für das jeweilige Unternehmen darstellt, ist zunächst die bisherige steuerliche Erfassung des Marktes als Ausgangspunkt zu analysieren. Reine Absatzfunktionen spielten bei der Zuordnung von ertragsteuerlichen Besteuerungskompetenzen bislang keine Rolle. Dagegen erfasst die Umsatzsteuer den funktionalen Kern des Marktes. Als allgemeine Verbrauchsteuer81 belastet sie nicht – wie man zunächst meinen könnte – den Ge- oder Verbrauch als solchen, sondern vielmehr die geldwerten Aufwendungen für den Konsum.82 Dies bildet die steuerliche Leistungsfähigkeit der Konsumenten ab. Damit erfasst die Umsatzsteuer gerade diejenige Funktion des Marktes, die der supplydemand approach originär für die Begründung ertragsteuerlicher Besteuerungskompetenzen fruchtbar machen will. Eine derartige Doppelanknüpfung an dieselbe Funktion überzeugt nicht. Um ein Umschwenken auf den supply-demand approach zu rechtfertigen, darf die Funktion des Marktes nicht mehr nur im bloßen Absatz liegen. Vielmehr muss sich ein neuer Faktor an Wertbildung im digitalisierten Markt
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Olbert/Spengel, WTJ 2017, S. 3 (22). So die mittlerweile einhellige Meinung in Lit. und Rspr.: Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 17.10; BFH, Urteil vom 22. 07. 2010 – V R 4/09, BStBl. II 2013, S. 590, Rz. 39. 82 Dies kann bereits aus § 10 Abs. 1 S. 1, 2 UStG abgeleitet werden, welcher die Bemessungsgrundlage der USt definiert. Entgelt (und damit Bemessungsgrundlage der Steuer) ist alles, was der Unternehmer vom Leistungsempfänger für die Leistung erhält. Vgl. BFH, Urteil vom 12. 01. 2006 – V R 3/04, BStBl. II 2006, S. 479, Rz. 17; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 17.11. 81
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ermitteln lassen, welcher über den bloßen Konsum hinausgeht und damit auch eine ertragsteuerliche Anknüpfung rechtfertigt.83 Betrachtet man die identifizierten Änderungen in den Wertschöpfungsprozessen, so ist fraglich, ob diese derart revolutionär sind, dass sich ein Anknüpfungspunkt über den bloßen Absatzmarkt hinaus ergibt. Hinsichtlich der cross-jurisdictional scale without mass muss festgestellt werden, dass dies kein neues Phänomen ist.84 Zwar zeichnet sich eine klare Zunahme grenzüberschreitender Direktgeschäfte mit Etablierung der Digitaltechnologie ab, jedoch sind Geschäfte dieser Art nichts Neues. Weiterhin tragen auch andere Faktoren wie globalisierte Märkte, die zunehmende Anzahl an Handelsabkommen und sinkende Transportpreise zu dieser Erscheinung bei. Unverändert liegt die Quelle der Wertschöpfung durch Produktionstätigkeiten im Stammland, wohingegen im Quellenstaat weiterhin nur der Absatz als Faktor der Wertbildung zu identifizieren ist. Eine signifikante Änderung der Prozesse im Marktstaat, welche eine Umorientierung hin zum supply-demand approach rechtfertigt, liegt demnach durch grenzüberschreitende Tätigkeiten ohne physischen Anknüpfungspunkt nicht vor. Ebenso verhält es sich mit der reliance on intangible assets, including intellectual property. Immaterielle Wirtschaftsgüter und geistiges Eigentum stellen seit jeher maßgebliche Größen für unternehmerischen Erfolg dar. Logischerweise spielen diese bei digitalen Geschäftsmodellen eine erheblich gewichtigere Rolle als in herkömmlichen Unternehmen. In diesen Unternehmen werden nämlich lediglich unkörperliche Leistungen erbracht. Eines physischen Produktionszweiges bedarf es nicht mehr, sodass der Entwicklung und Pflege immaterieller Güter automatisch eine größere Bedeutung zukommt. Gerade diese findet jedoch ausschließlich in denjenigen Staaten statt, die bereits vom supply approach als wertschöpfend identifiziert werden. Für die Betrachtung im Staat des Absatzmarktes bedeutet dies hingegen zunächst einmal keine signifikante Änderung. Immaterielle Wirtschaftsgüter werden dort – wie materielle Wirtschaftsgüter bei herkömmlichen Geschäftsmodellen – lediglich vermarktet, was keiner über die Absatzfunktion des Marktstaats hinausgehender Bestimmung entspricht. Anders sieht dies beim dritten Punkt, data, user participation and their synergies with intellectual property, aus. Hier können Funktionen des Marktstaates abgeleitet werden, die über die bloße Eigenschaft als Absatzmarkt hinausgehen. In Abgrenzung zu den beiden anderen dargestellten Faktoren findet aufgrund der veränderten Rolle von Daten, Nutzerbeteiligungen und deren Synergien mit geistigem Eigentum durch den Markt fortan nicht mehr nur die bloße Realisierung von Werten statt, die in einer anderen Jurisdiktion erzeugt wurden. Vielmehr kann im Sammeln von Daten, der Bindung von Nutzern und deren Auswirkungen auf immaterielle Vermögenswerte eine eigene Werterzeugung gesehen werden.85 Daten, selbst unverarbeiteten Roh83 84 85
Ebenfalls zur Rolle der USt in diesem Zusammenhang: Schön, StuW 2012, S. 213 (218). OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 372. Vgl. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 36 ff.
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daten, können dabei direkt ab ihrer Speicherung gewisse Werte zukommen; insoweit wird häufig von „Daten als Öl der Zukunft“ gesprochen.86 Durch das Sammeln dieser Daten im Marktstaat entsteht also originär ein Wert, der i. R. d. bloßen Absatzes keine Berücksichtigung findet. Darüber hinaus stellen vor allem Nutzerbeteiligungen eine erhebliche Änderung zum bisherigen Konzept des einseitigen Absatzmarktes dar. Wo der Markt früher lediglich dem einseitigen Absatz von Gütern diente, werden Kunden bei modernen Digitalkonzepten zu Nutzern.87 Diese nehmen nicht nur Leistungen von Unternehmen entgegen, sondern tragen durch ihr Handeln signifikant zur Wertschöpfung dieser Unternehmen bei. So ergibt sich der Wert eines Nutzernetzwerks erst aus der Nutzung. Mit anderen Worten: Es entsteht erst durch die Beteiligung einer Vielzahl an Nutzern der im Netzwerk verkörperte Wert, den das jeweilige Unternehmen verwerten kann (sog. positive Netzwerkexternalität).88 Die Betrachtung zeigt, dass durch Daten und Nutzerbeteiligungen im Marktstaat Funktionen ausgeübt werden, die über einen bloßen Absatz hinaus gehen. Dies stellt eine signifikante Änderung der Charakteristik des Marktstaats dar. Ein derartiger Befund ist erforderlich, um eine Neuausrichtung des Wertschöpfungsbegriffs hin zum supply-demand approach zu rechtfertigen. Eine Erweiterung der Wertschöpfungsdefinition erscheint demnach möglich. Das Wertschöpfungsprinzip erfasst die angesprochenen Tätigkeiten im Marktstaat allerdings nur dann, wenn diese von vornherein als Wertschöpfung der Unternehmen zu verstehen sind oder den jeweiligen Unternehmen subjektiv zugerechnet werden können. cc) Unternehmenseigene Wertschöpfungsbeiträge Damit ein ertragsteuerlicher Anknüpfungspunkt für die betroffenen Unternehmen angenommen werden kann, müsste es sich bei den angesprochenen Daten und bei der Nutzerbeteiligung entweder um unternehmenseigene Wertschöpfungsbeiträge handeln oder sie müssten den Unternehmen zurechenbar sein. Das erscheint vor allem vor dem Hintergrund problematisch, dass es gerade die Nutzer und Kunden sind – und nicht die zu besteuernden Unternehmen –, die mit ihren Handlungen auf eine Wertschöpfung hinwirken. Zu untersuchen ist daher zunächst, ob die Wertschöpfung dennoch auf Handlungen des Unternehmens zurückführbar ist. Für eine Betrachtung von Daten und Nutzerbeteiligungen als unternehmenseigene Wertschöpfungsbeiträge spricht auf den ersten Blick das Steuerobjekt des Ertragsteuerrechts. Dieses liegt nämlich im Einkommen, welches Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuersubjekts ist.89 Im deutschen Ertragsteuerrecht definieren § 2 Abs. 1, 2 EStG und §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 S. 1 KStG i. V. m. 86
Humby, The world’s most valuable resource is no longer oil, but data. Vgl. HM Treasury, Corporate tax and the digital economy: position paper update, Rz. 2.26 ff. 88 Vgl. Schön, BfIT 2018, S. 278 (288). 89 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 8.49; Fehrenbacher, Steuerrecht, § 2 Rz. 27. 87
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§ 2 Abs. 1, 2 EStG, was Einkommen ist. Demgemäß wird bei gewerblichen Einkünften der Gewinn der Einkünfteermittlung zugrunde gelegt. Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen, § 4 Abs. 1 S. 1 EStG. Es erscheint demnach so, dass das Steuerobjekt eine Rechnungsgröße ist, die sich unabhängig vom Auslöser der Mehrung oder Verminderung des Betriebsvermögens ergibt. Steuerbare Einkünfte liegen jedoch nur dann vor, wenn zwischen der Erwerbstätigkeit und der Einnahmenerzielung ein ausreichender Kausalzusammenhang besteht.90 Da für eine Erwerbstätigkeit die Absicht, Einkünfte zu erzielen91 erforderlich ist, stellt sich die Frage, ob die Wertschöpfung durch die nutzerbasierten Daten und Netzwerke noch ausreichenden Bezug zum vorsatzgesteuerten, zweckgerichteten, finalen Handeln92 des Steuerpflichtigen hat. Dieser hat nämlich auf das Vorhandensein und den Ablauf der Wertbildung durch die Nutzer nur wenig Einfluss. Andererseits ist jede Erwerbstätigkeit am Markt von gewissen Unsicherheitsfaktoren geprägt.93 Das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs mit der Einkünfteerzielungsabsicht schließt daher nicht die willensunabhängige Risikosphäre der Einnahmenerzielung aus.94 Ein ausreichender mittelbarer Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens liegt also auch bei Nutzerverhalten vor. Sowohl die Generierung von Daten als auch die Nutzerbeteiligung hängen jedoch nur von Tätigkeiten des Unternehmens ab, die gerade nicht im Marktstaat stattfinden. So erfolgen die Handlungen des Unternehmens, wie Forschung und Entwicklung, Unternehmenssteuerung, Marketing, usw. nur im Ansässigkeitsstaat. Die Beiträge der Nutzer selbst beinhalten bereits kein Handeln des Unternehmens mehr, sodass eine unternehmenseigene Wertschöpfungsfunktion folglich auch unter Zugrundelegung des supply-demand approach im Marktstaat nicht begründet werden kann. dd) Zurechnung von Wertschöpfungsbeiträgen Vielmehr ist zu prüfen, ob das Verhalten der Nutzer als deren eigene Wertschöpfung im Marktstaat dem Unternehmen zugerechnet werden kann. Dafür besteht zunächst einmal kein Anlass. Nutzer werden auf digitalen Plattformen im Eigeninteresse und damit gerade nicht für das jeweilige Unternehmen tätig. Die Wert90
Fehrenbacher, Steuerrecht, § 2 Rz. 30; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 8.122; Ratschow, in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 2 EStG Rz. 110 ff. 91 Vgl. BFH, Beschluss vom 25. 06. 1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751; Ratschow, in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 2 EStG Rz. 120 ff.; Fehrenbacher, Steuerrecht, § 2 Rz. 31. 92 Vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 8.122; Ratschow, in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 2 EStG Rz. 88 ff. 93 So schon Welzel, Um die Finale Handlungslehre. 94 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 8.122; Ratschow, in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 2 EStG Rz. 111.
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
schöpfung beim Nutzer erfolgt also zunächst einmal nicht auf Seiten des Unternehmens, sondern auf Seiten des Nutzers, welcher durch die angebotenen Leistungen des Unternehmens persönlich profitiert.95 Demnach können die Wertschöpfungshandlungen nach den gewöhnlichen Methoden, die einen willentlichen Beitrag zur Gewinnerzielung des Unternehmens fordern, nicht zugerechnet werden. Es bedürfte eines besonderen Grundes, der es rechtfertigt, die Handlungen der Nutzer im Eigeninteresse den Unternehmen zuzuordnen. Ein solcher Grund könnte lediglich in der freiwilligen Herausgabe der Daten durch die Nutzer und deren freiwilligen Beteiligung an Netzwerken gesehen werden. Jedoch muss hierbei beachtet werden, dass die Datenhergabe bzw. Netzwerkbeteiligung nur deshalb erfolgt, weil die Kunden an den Leistungen der Unternehmen partizipieren möchten. Die nutzerseitige Beteiligung kann demnach als Gegenleistung für die von den Unternehmen bereitgestellten Angebote gesehen werden.96 Demnach wird die Wertschöpfung zwar vom Nutzer generiert, jedoch erzeugt erst das Einverständnis mit der Verwertung beim Unternehmen den Mehrwert. Damit stellt dieses Einverständnis eine geldwerte Gegenleistung dar, wodurch der Vorgang als Austauschgeschäft zu betrachten ist und damit zum bloßen Absatz degeneriert wird. Somit ist eine über den bloßen Absatz hinausgehende Wertschöpfungsfunktion nicht vorhanden. Es verbleibt demnach nichts, was dem Unternehmen zur Rechtfertigung eines Umschwenkens auf den supply-demand approach zugerechnet werden kann. ee) Zwischenbefund Wertschöpfungsprozesse in digitalen Unternehmen sind komplex. Vom bisher tradierten Prinzip des supply approach können jedoch sämtliche Wertschöpfungsbeiträge erfasst werden, da es an aktive Tätigkeiten des Unternehmens anknüpft. Festgestellt wurde darüber hinaus, dass die gravierenden Unterschiede zwischen Unternehmen der Digitalbranche und herkömmlichen Betrieben durchaus die Anpassung der Wertschöpfungsdefinition und damit eine Verlagerung hin zum supplydemand approach rechtfertigen. Im Marktstaat erfolgt fortan nicht nur der bloße Absatz, sondern darüber hinaus eine Wertentstehung durch Daten und Nutzerbeteiligungen. Jedoch führt diese Ausdehnung des Wertschöpfungsbegriffs im Ergebnis nicht zu einer Veränderung bei der Bewertung von Besteuerungslösungen anhand des Wertschöpfungsprinzips. Dafür wäre nämlich erforderlich, dass es sich um Wertschöpfung der zu besteuernden Unternehmen handelt bzw. jenen diese Wertschöpfung zumindest zurechenbar ist. Beides ist hingegen nicht der Fall. So liegt einerseits bei den Unternehmen im Marktstaat keine über den Absatz hinausgehende Funktion vor, die die Berücksichtigung der Wertschöpfungstätigkeit als eigene rechtfertigt. 95 96
Schön, IStR 2019, S. 647 (649). Vgl. Schön, BfIT 2018, S. 278 (288).
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Andererseits ist auch eine Berücksichtigung der nutzereigenen Wertschöpfungsbeiträge nicht opportun, da es hierfür an einer Zurechnungsmöglichkeit fehlt. Unternehmerische Wertschöpfung kann daher nur nach dem supply approach definiert werden und liegt damit nur dort vor, wo das jeweilige Unternehmen aktive Tätigkeiten vornimmt. b) Relevanz für die Zuordnungsentscheidung Mit der herausgearbeiteten Wertschöpfungsdefinition kann nun ermittelt werden, ob mithilfe des Wertschöpfungsprinzips überhaupt die Zuweisung von Steuersubstrat zu einer Steuerjurisdiktion erfolgen kann. Dabei ist zunächst anzuerkennen, dass das Wertschöpfungsprinzip i. R. anderer Aktionspunkte des BEPS-Programms valide Ergebnisse lieferte.97 Es ermöglichte regelmäßig die Abgrenzung von Jurisdiktionen, in denen Unternehmen tatsächlich tätig sind und eine Besteuerung unter Anwendung der allgemeinen steuerlichen Regeln grds. zu erfolgen hätte, von solchen Staaten, in denen aufgrund der günstigeren Situation durch aggressive Gestaltungen der Steuerpflichtigen steuerliches Substrat verschoben wird, obwohl dort keine Unternehmenstätigkeit stattfindet. In diesem Kontext kann das Prinzip sehr wohl als Orientierungshilfe herangezogen werden. Bei der Verteilung des Steuersubstrats bei digitalen Geschäftsmodellen geht es jedoch nicht um die Abgrenzung zwischen Staaten, in denen unternehmerische Handlungen erfolgen und Jurisdiktionen, die lediglich als günstiger Steuerhafen dienen. Vielmehr müssen die Besteuerungsrechte unter Ländern aufgeteilt werden, in denen allesamt realwirtschaftliche Beiträge zum Gewinn des Unternehmens vorhanden sind. Zwar liegen diese, wie festgestellt, in einem Land nur im Absatz von Gütern und können damit nicht als unmittelbare Wertschöpfung des Unternehmens angesehen werden. Jedoch ist das Unternehmen durch seine wertschöpfende Tätigkeit, welche sich auf den Marktstaat auswirkt, in einem anderen Staat ebenfalls realwirtschaftlich tätig. Für derartige Sachverhalte kann anhand des Wertschöpfungsprinzips keine brauchbare Zuordnung der Besteuerungsrechte erfolgen.98 Zum einen liegt dies an einem fehlenden Konsens über die Definition des Prinzips. Wie die umfangreiche wissenschaftliche Diskussion und die Begründungen von Entwürfen zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle zeigen, wird der Begriff der Wertschöpfung in unterschiedlichsten Weisen herangezogen. Das zeigt, dass es sich in diesem Kontext nicht um einen wissenschaftlichen Begriff handelt, anhand dessen eine Begründung oder Rechtfertigung für die Zuordnung von Besteuerungsrechten zu erlangen ist. Vielmehr ist in ihm ein politisches Werkzeug zu sehen, durch das versucht wird, unterschiedliche nationale Interessen international geltend zu ma97
Vgl. die Arbeiten zu Aktionspunkt 5: OECD, Harmful Tax Practices – 2018 Progress Report on Preferential Regimes, Rz. 4 und Aktionspunkt 3: OECD, Designing Effective Controlled Foreign Company Rules – Final Report, Rz. 74; dazu: Hey, BfIT 2018, S. 203 (204). 98 So auch Hey, BfIT 2018, S. 203; Schön, IStR 2019, S. 647 (649).
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
chen.99 Für eine dogmatische Betrachtung hilft dies demgemäß nicht weiter. Geht man richtigerweise davon aus, dass Wertschöpfung nur produktionsorientiert zu verstehen ist, so kommt dem Wertschöpfungsprinzip kein weiterer Erkenntniswert als dem Territorialitätsprinzip zu. Ist mit dem Territorialitätsprinzip nämlich ein Anknüpfungspunkt im Marktstaat zu rechtfertigen, so liegt dort erst recht auch aktive Wertschöpfung vor. Das Wertschöpfungsprinzip ist damit kein valides Instrument zur Begründung und Rechtfertigung von Besteuerungsrechten im vorliegenden Kontext. Es ist lediglich in der Lage, Realwirtschaften von Unternehmensteilen abzugrenzen, die keine reelle Wirtschaftstätigkeit umfassen. Darüber hinaus handelt es sich nur um ein politisches Argumentationsmuster, das durch seinen strittigen Inhaltskern – die Definition der Wertschöpfung – beliebig instrumentalisiert werden kann. Das Wertschöpfungsprinzip kann daher bei der dogmatischen Bewertung von Reformmodellen zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft nicht herangezogen werden. 3. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist seit jeher Fundamentalprinzip der Steuergerechtigkeit und nicht nur dem deutschen Steuerrecht inhärent.100 Es bildet weltweit die Grundlage nationaler Steuersysteme101 und postuliert insbesondere bei der Ertragsbesteuerung102 das Erfordernis steuerlicher Lastengleichheit. a) Inhalt im internationalen Kontext Der Aussagegehalt des Leistungsfähigkeitsprinzips für die innerstaatliche Rechtsordnung ist weitgehend geklärt103 und findet insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts immer wieder Rezeption.104 Im internationalen Kontext ist die Betrachtung des Prinzips allerdings weniger erforscht und auch weitaus komplexer, da es neben des eigentlichen Kerngehalts des gleichheitsrechtlichen Gedankens zudem auf dessen Adaption auf bi- oder multilaterale Sachverhalte 99
Vgl. Hey, BfIT 2018, S. 203 (205); Becker, IStR 2018, S. 634 (635); Schön, StuW 2012. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.40; vgl. Smith, Der Wohlstand der Nationen, S. 703. 101 Schön, StuW 2012, S. 213 (214); Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 486; Hey, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, Rz. 3.41. 102 Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 9; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.40; ausführlich zum Leistungsfähigkeitsprinzip: Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 479 ff.; Schaumburg, in: FS Tipke, S. 125 ff. 103 Vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.40 ff.; Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 9. 104 Seit BVerfG, Beschluss vom 17. 01. 1954 – 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, S. 55 (67); beispielhaft: BVerfG, Beschluss vom 29. 05. 1990 – 1 BvL 20/84, 3 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, S. 60; BVerfG, Beschluss vom 15. 01. 2014 – 1 BvR 1659/09, BVerfGE 135, S. 126 (144 f.). 100
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ankommt. Im Hinblick auf eine Reform der Zuordnung von Besteuerungsrechten kann der Aussagegehalt des Leistungsfähigkeitsprinzips lediglich unter Berücksichtigung des Nebeneinanders von einerseits unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht und andererseits von objektivem und subjektivem Nettoprinzip erfolgen.105 aa) Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht Das Nebeneinander von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht führt aufgrund der weltweiten Anwendung, vorbehaltlich etwaiger Regelungen zur Vermeidung, systematisch zu einer Doppelbesteuerung.106 Die doppelte Heranziehung eines Steuerpflichtigen in Bezug auf ein und dasselbe Steuerobjekt muss vor dem Hintergrund der gleichbleibenden Leistungsfähigkeit kritisch betrachtet werden. Um dem Leistungsfähigkeitsprinzip auch auf internationaler Ebene einen konsistenten Inhalt vermitteln zu können, bedarf es daher einer differenzierten Betrachtung. Es ist demgemäß zwischen der inländischen und der ausländischen Leistungsfähigkeit sowie der Gesamtleistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu differenzieren.107 Inländische Einkünfte werden i. R. d. unbeschränkten Steuerpflicht immer besteuert, i. R. d. beschränkten Steuerpflicht dagegen nur dann, wenn ein inländisches Anknüpfungsmerkmal gegeben ist.108 Ausländische Einkünfte unterliegen nur dann einer Besteuerung, wenn eine unbeschränkte Steuerpflicht vorliegt. Der Quellenstaat besteuert daher i. R. d. beschränkten Steuerpflicht nur die dort erzielten Einkünfte und berücksichtigt somit lediglich die inländische Leistungsfähigkeit. Der Ansässigkeitsstaat besteuert hingegen die Gesamtleistungsfähigkeit. Wird die ausländische Besteuerung also vom Ansässigkeitsstaat nicht bei seiner Steuererhebung berücksichtigt, kommt es zu einer Doppelbelastung in Höhe der ausländischen Leistungsfähigkeit. Dies würde diametral der Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip widersprechen, weswegen die Doppelbesteuerung durch uni- oder bilaterale Maßnahmen aufgelöst wird und bei konsequenter Berücksichtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips auch aufzulösen ist.109 Dabei obliegt es dem Ansässigkeitsstaat, seine Besteuerung so vorzunehmen, dass sie die Gesamtleistungsfähigkeit
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Vgl. Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, S. 91 ff.; Schaumburg, in: FS Tipke, S. 125 (134 ff.). 106 Zur Funktionsweise: Fehrenbacher, Steuerrecht, § 2 Rz. 19 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 8.25 ff.; ausführlich: Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.1 ff. 107 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.58; Schaumburg, in: FS Tipke, S. 130 ff.; Vogel, DStJG 8 (1985), S. 3 (28 ff.). 108 Für Deutschland ergibt sich dies aus §§ 1, 2, 8 Abs. 1 KStG, §§ 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, 49 Abs. 1 EStG. 109 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 522 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 17.8 ff.; Schaumburg, in: FS Tipke, S. 125 (143 ff.).
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
des Steuerpflichtigen erfasst, dabei jedoch ausländische Steuererhebungen berücksichtigt.110 Die Gebotenheit weltweit gleicher Besteuerungsbedingungen kann hingegen nicht aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip gefolgert werden. Dies ergibt sich einerseits aus dem Zusammenspiel des Prinzips mit anderen Grundsätzen zur internationalen Besteuerung111 und andererseits aus der Auslegungsbedürftigkeit des unbestimmten Leistungsfähigkeitsbegriffs an sich.112 Eine unterschiedliche Erfassung im In- und Ausland ist bereits deshalb geboten, weil die Rahmenbedingungen in den unterschiedlichen Staaten stark divergieren.113 So ist der Steuerpflichtige den rechtlichen, wirtschaftlichen, politischen und anderen Standortbedingungen im Quellenstaat ausgesetzt. Diese nehmen Einfluss auf die steuerliche Leistungsfähigkeit in den jeweiligen Ländern, sodass eine angepasste Besteuerung geboten ist. Eine international ermittelte Gesamtsteuerbelastung kann somit im Vergleich zu einer rein inländischen Besteuerung divergieren. bb) Objektives und subjektives Nettoprinzip Aus dem Erfordernis der leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung können zwei Subprinzipien hergeleitet werden: das objektive und das subjektive Nettoprinzip.114 Auch diese müssen Gegenstand einer umfänglichen internationalen Betrachtung sein. Das objektive Nettoprinzip verlangt, dass Aufwendungen bei der Einkünfteermittlung zum Abzug gebracht werden, sodass der reine Gewinn Gegenstand der steuerlichen Bemessungsgrundlage ist.115 Dies gilt sowohl national als auch international. Für eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung muss der Betriebskostenabzug daher auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gewährleistet sein. Grds. steht das objektive Nettoprinzip einer Besteuerung durch den Quellenstaat nicht im Wege. Allerdings ist eine Bruttobesteuerung in Form einer Quellensteuer mit abgeltender Wirkung (sog. Objektsteuercharakter116) zu vermeiden. Mit anderen Worten: Es dürfen nur reale und keine fiktiven Einkünfte besteuert werden.117 110 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 17.12; Schön, StuW 2012, S. 213 (214); Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, S. 95. 111 So vor allem mit dem Äquivalenz- bzw. Nutzenprinzip, s. u. Kapitel 3: B.II.4. Äquivalenz-/Nutzenprinzip, S. 111. 112 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 492 ff.; Schaumburg, in: FS Tipke, S. 125 (131); vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.41. 113 Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, S. 91; Jacobs, Internationales Unternehmensbesteuerung, S. 21. 114 Dazu generell: Fehrenbacher, Steuerrecht, § 2 Rz. 6; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 8.54 ff., 8.70 ff.; ausführlich: Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 762 ff. 115 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 8.54; Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 763 f. 116 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.129 ff.; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, S. 92.
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Das subjektive Nettoprinzip verlangt die Berücksichtigung von privaten Abzügen, die zu einer Minderung der individuellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen führen und damit nicht für eine steuerliche Belastung zur Verfügung stehen.118 Hierbei obliegt die Verwirklichung des subjektiven Nettoprinzips dem Ansässigkeitsstaat. Einerseits ist eine entsprechende Berücksichtigung in den Quellenstaaten nicht möglich, da es sich um personen- und nicht um sachbezogene Aufwendungen handelt, und diese sich damit keinem Tatbestand der Einkünfteerzielung und folglich auch keinem Quellenstaat zuordnen lassen.119 Andererseits kann die individuelle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen nur im Kontext der Gesamtleistungsfähigkeit zutreffend beurteilt werden, da sie von der Aufsummierung sämtlicher Einkünfte aus allen Staaten abhängt.120 cc) Durchbrechungen Zwar ist dem Leistungsfähigkeitsprinzip grds. so weit wie möglich Rechnung zu tragen. Jedoch können Durchbrechungen gerechtfertigt sein. Im internationalen Kontext stehen als Rechtfertigungsgründe die Sicherstellung der Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs und die Missbrauchsvorbeugung im Vordergrund.121 Dennoch steht die Rechtfertigung unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit.122 b) Relevanz für die Zuordnungsentscheidung Dem Leistungsfähigkeitsprinzip kommt auch im internationalen Kontext eine weichenstellende Bedeutung zu. Allerdings sind ihm für eine zu treffende Zuordnungsentscheidung nur rudimentäre Grundsätze zu entnehmen. Zwar lassen sich aus objektivem und subjektivem Nettoprinzip Prämissen für die Funktionsweise der Besteuerung ableiten, die auch nach der Einführung einer Neuregelung zur effektiveren Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle gelten müssen.123 Jedoch ist die 117
Schön, StuW 2012, S. 213 (214); vgl. Schaumburg, in: FS Tipke, S. 125 (139 ff.). Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 8.71; Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 785 f. 119 Schaumburg, in: FS Tipke, S. 125 (135 ff.); Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.135 ff.; vgl. Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, S. 92. 120 Schaumburg, in: FS Tipke, S. 125 (138); Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, S. 95 m. w. N. 121 Vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.128 ff.; vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. 10. 2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, S. 224 (253 ff.). 122 Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 524 f.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.124 ff.; vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. 11. 1998 – 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, S. 280 (290). 123 So ist erforderlich, dass ein Abzug der Betriebsausgaben auch bei Einkünften aus digitalen Geschäftsmodellen weiterhin grds. möglich sein muss und dass der Besteuerung insgesamt lediglich der weltweit erzielte Gesamtbetrag der Einkünfte zugrunde gelegt werden darf. Eine Besteuerung fiktiven Einkommens darf hingegen nicht erfolgen, s. o. Kapitel 3: B.II.3.a) 118
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Funktion des Prinzips insgesamt begrenzt. Konkrete Anhaltspunkte, wie das jeweilige Steuersubstrat an die Staaten zu verteilen ist und wann eine Zuordnung von Besteuerungsrechten zu einem Staat gerechtfertigt werden kann, enthält das Prinzip nicht.124 Dem Leistungsfähigkeitsprinzip muss dementsprechend ein Verständnis als Schutzprinzip125 zugrunde gelegt werden. Eine Neuregelung zur Substratzuordnung muss somit die von der Leistungsfähigkeit gesetzten Schranken wahren. Innerhalb dieser Schranken können jedoch keine weiteren Ableitungen getroffen werden. Im Wesentlichen sind zwei Ausprägungen zur berücksichtigen: Erstens sind die Gesetzgeber zur Orientierung der Besteuerung an der Gesamtleistungsfähigkeit angehalten. Wird daher nach einer eigenen gesetzlichen Wertung Steuersubstrat von einem Staat bei der inländischen Besteuerung herangezogen und damit eine Nichtbesteuerung des Substrats durch den Ansässigkeitsstaat erwartet, so darf im spiegelbildlichen Falle durch den selben Staat kein Zugriff auf das ausländische Besteuerungssubstrat erfolgen. Verkürzt: Das Substrat, das ein Staat durch eine inländische Quelle für sich beansprucht, muss er bei der Verwirklichung des gleichen Tatbestandes in einem anderen Staate diesem zur Besteuerung überlassen.126 Die Wertungen einer Steuerrechtsordnung müssen daher im Ergebnis und im Einzelfall kohärent sein. Gleichzeitig müssen auch unbesteuerte Einkünfte vermieden werden.127 Zweitens bedarf es der Berücksichtigung des objektiven und subjektiven Nettoprinzips auch beim Vorliegen grenzüberschreitender Sachverhalte. Nach dem objektive Nettoprinzip ist es geboten, den Betriebsausgabenabzug unabhängig davon zu gewährleisten, unter welchen Vorzeichen ein Staat die jeweiligen Einkünfte besteuert. International ist i. R. d. Gesamtleistungsfähigkeit spiegelbildlich zur Besteuerung ausländischer Gewinne auch der Abzug ausländischer Verluste zu ermöglichen.128 Ziel muss es sein, einen Zustand der Ist-Besteuerung zu erreichen und zu vermeiden, dass fiktive Einkünfte – sei es im Ansässigkeits- oder Quellenstaat – der Besteuerung unterliegen; gleichzeitig müssen auch unbesteuerte Einkünfte vermieden werden. Abweichungen von diesen Grundsätzen sind nur in eingeschränkten Fällen bei Vorliegen eines sachlichen Grundes und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gerechtfertigt.129. Das subjektive Nettoprinzip spielt dagegen eine Nebenrolle bei der Reform der Besteuerungsregeln für Inhalt im internationalen Kontext, S. 106; so auch Schön, StuW 2012, S. 213 (214); Becker/van der Ham, DB 2019, S. 502 (504); Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.69 ff. 124 Schön, StuW 2012, S. 213 (214). 125 Zum Begriff: Lang, StuW 2011, S. 144 (151). 126 Schaumburg, in: FS Tipke, S. 125 (131); Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 6.60. 127 Da auch diese einer Besteuerung nach der Gesamtleistungsfähigkeit widersprechen, s. o. Kapitel 3: B.II.3.a)aa) Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht, S. 107. 128 Schaumburg, in: FS Tipke, S. 125 (133). 129 Schaumburg, in: FS Tipke, S. 125 (136).
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digitale Geschäftsmodelle, da es um eine Reform sachbezogener und nicht personenbezogener Besteuerungstatbestände geht. Letztlich muss bei der Bewertung eines Reformvorschlags die Wahrung des Leistungsfähigkeitsprinzips in Abhängigkeit von der Regelungstechnik des Reformkonzepts gesehen werden. Es ist eine Beurteilung erforderlich, inwieweit eine Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips durch die Neuregelung explizit vorgesehen, begünstigt, potentiell ermöglicht oder ausgeschlossen wird. Je effektiver eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung durch die Reformregelung sichergestellt wird, desto besser ist die dogmatische Legitimität im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip. Im Ergebnis ist das Leistungsfähigkeitsprinzip bei einer Reform der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle zu beachten. Dem ist dann genüge getan, wenn die weltweit erhobenen Steuern unter Beachtung der Gesamtleistungsfähigkeit ermittelt werden. Erwerbsaufwendungen müssen demnach bei der Ermittlung der Einkünfte unabhängig von der Steuerjurisdiktion Berücksichtigung finden, sodass eine Besteuerung fiktiver Einkünfte ausgeschlossen wird. Spiegelbildlich zu Einkünften, die von einem Staat in die Bemessungsgrundlage miteinbezogen werden, müssen diese im umgekehrten Fall dem anderen Staat zur Besteuerung überlassen werden. 4. Äquivalenz-/Nutzenprinzip Das Äquivalenzprinzip geht in seiner Grundannahme davon aus, dass die Steuererhebung eines Staates mit der Inanspruchnahme staatlicher Leistungen durch den Steuerpflichtigen korreliert.130 Insofern bezieht es seinen Gerechtigkeitsmaßstab aus einer do-ut-des-Beziehung zwischen dem Staat und dem Steuerpflichtigen. a) Herleitung Steuern sind gemäß § 3 Abs. 1 AO Geldleistungen, die gerade keine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen. Dies grenzt Steuern von anderen Abgaben, wie Beiträgen und Gebühren ab, die als Gegenleistungen von konkreten oder abstrakten Leistungen öffentlich-rechtlicher Träger zu verstehen sind.131 Dementsprechend könnte man davon ausgehen, dass das Äquivalenzprinzip nicht zu einer dogmatischen Begründung oder Rechtfertigung einer Steuererhebung herangezogen werden kann.132
130 Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, S. 476; vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.44. Zu gerechtigkeitstheoretischen Erwägungen im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip: Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung, S. 61 f. 131 Vgl. Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 13 f.; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 2.15. 132 So die Meinung von Tipke, Die Steuerrechtsordnung I; S. 477 ff.
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Diese pauschale Ablehnung überzeugt hingegen nicht. Vielmehr muss eine Abstufung und Differenzierung im Hinblick auf die äquivalente staatliche Gegenleistung erfolgen. Das Prinzip ist nur dann nicht anwendbar, wenn man daraus eine äquivalenztheoretische Abgabenbemessung mit Bezug auf das steuerliche Individuum herleiten möchte.133 Konkret bedeutet dies, dass zwischen der Besteuerung des einzelnen Steuerpflichtigen und dessen Inanspruchnahme staatlicher Leistungen keine Äquivalenzbeziehung besteht. Die Höhe der Steuer steht nicht in Korrelation zum Maß staatlicher Teilhabemöglichkeiten; dieses Maß wäre gar nicht erst ermittelbar.134 Hingegen kann das Prinzip i. R. einer abstrakteren Betrachtung der „Gruppenoder Generaläquivalenz“135 zur Rechtfertigung einer Steuererhebung herangezogen werden. Zwar steht bei der Verteilung der Steuerlast das Leistungsfähigkeitsprinzip an erster Stelle gerechtigkeitstheoretischer Überlegungen.136 Jedoch findet das Äquivalenzprinzip dort einen Anwendungsbereich, wo das Leistungsfähigkeitsprinzip keinen weiteren Aufschluss bereithält.137 Gruppen an Steuerpflichtigen, die bestimmte staatliche Leistungen in besonderem Maße in Anspruch nehmen, dürfen auch bei der Steuererhebung besonders betroffen werden. Dies rechtfertigt also dem Grunde nach die steuerliche Erfassung der einschlägigen Gruppen durch Begründung einer Steuerpflicht. Hingegen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Erzielung eines bestimmten Betrags an Einkünften proportional von der Nutzung staatlicher Güter abhängt.138 Es kommt nicht auf das Maß der Kostenerzeugung durch Inanspruchnahme staatlicher Leistungen (Äquivalenz) an, sondern vielmehr auf die generelle Möglichkeit der Ziehung eines Nutzens aus den staatlichen Angeboten. Damit ist vom „Nutzenprinzip“ anstatt vom „Äquivalenzprinzip“ zu sprechen.139 Die Abschöpfung des Nutzens, den der Steuerpflichtige aus den staatlichen Angeboten ziehen kann, ist demnach als eines der zentralen internationalen Besteuerungsprinzipien bei der Bestimmung steuerlicher Anknüpfungspunkte zu berücksichtigen.140 Das Nutzenprinzip gibt seit jeher bei der Verteilung von steuerli133
Hey, in: FS Lang, S. 133 (147). Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung, S. 53; Hey, in: FS Lang, S. 133 (136 f.); Schön, StuW 2012, S. 213 (215); a. A.: Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, S. 119. 135 Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, S. 117; zum Begriff: Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, S. 467; Hey, in: FS Lang, S. 133 (137). 136 S. o. Kapitel 3: B.II.3. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, S. 106. 137 Lang, StuW 2013, S. 53 (58); Lang, StuW 2011, S. 144 (147). 138 Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung, S. 54; vgl. Hey, in: FS Lang, S. 133 (150); Schön, StuW 2012, S. 213 (215); wohl a. A.: Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, S. 109. 139 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.44; Lang, StuW 2011, S. 144 (146), ders., StuW 2013, S. 53 (58). 140 Hey, in: FS Lang, S. 133 (158), dies., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.45; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, S. 100 f.; Lang, StuW 2011, S. 144 (146); 134
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chem Substrat Aufschluss darüber, ob diese dem Grundgedanken internationaler Verteilungsgerechtigkeit entspricht.141 Staaten, die den Unternehmen durch ihre Investitionen erst die Erwirtschaftung von Gewinnen ermöglichen, sollen auch an deren Erträge partizipieren. Der Steuerpflichtige wird damit zum Nutznießer staatlicher Investitionen, sodass die Vorteilhaftigkeit der steuerfinanzierten Gemeinschaft in den Vordergrund tritt.142 Es geht somit nicht um Kostenzurechnung, sondern um nutzengerechte Beteiligung an der Staatsfinanzierung. Dieses Näheverhältnis zwischen investierendem Staat und dem Steuerpflichtigen rechtfertigt den Zugriff auf unternehmerische Erträge. Diese Funktionsweise lässt sich auch bei bereits vorhandenen, international anerkannten Nexusregelungen feststellen. So ist das Arbeitsortprinzip mit der staatlichen Teilhabe- und Finanzierungsgemeinschaft verknüpft oder das Belegenheitsprinzip mit der Teilhabe an den strukturellen tatsächlichen Leistungen eines Landes.143 Im Hinblick auf die herkömmlich produzierende Wirtschaft ist das Nutzenprinzip durch das Betriebsstättenerfordernis verwirklicht. Produzierende Unternehmen nutzen staatliche Ressourcen dabei nur dann in einem hinreichenden Maße, wenn von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Festigkeit der Inanspruchnahme ausgegangen werden kann. Valider Indikator dafür ist die Betriebsstätte. b) Inhalt und Reichweite Das Nutzenprinzip bedarf weiterer Konkretisierung hinsichtlich seines Inhalts und seiner Reichweite. Einerseits ist zu ermitteln, welche staatlichen Leistungsangebote die Begründung eines steuerlichen Nexus rechtfertigen. Andererseits ist festzustellen, inwieweit der potentiell Steuerpflichtige auf diese Angebote zugreifen muss. Zunächst ist also zu klären, welche Angebote seitens des Staates einen Zugriff auf das Besteuerungssubstrat eines Steuerpflichtigen rechtfertigen. Bislang wurde der Zugriff auf ausländische Unternehmen durch den Tatbestand der Betriebsstätte als Schwelle abgegrenzt. Dieser stellte durch ein bestimmtes Maß der Nutzung des Bodens und der Arbeitskraft der örtlichen Bevölkerung eine Teilhabe an staatlichen Leistungen sicher. Die bereitgestellten Angebote des Staates liegen dabei vor allem in rechtlichen wie tatsächlichen Ausübungs- und Schutzbedingungen, die der jeweilige Staat gewährt.144 Beispielhaft sind hierfür die verkehrsmäßige und informationsbezogene Infrastruktur, die Gewährleistung eines Justizsystems oder die vgl. Hongler/Pistone, Blueprints for a New PE Nexus, S. 19 ff.; a. A.: Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union, S. 243. 141 Vgl. Hey, in: FS Lang, S. 133 (159); Lang, StuW 2011, S. 144 (146, 148); so schon Smith, Der Wohlstand der Nationen, S. 703 (erstmals erschienen im Jahr 1776). 142 Lang, StuW 2011, S. 144 (147); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.44. 143 Burmester, StuW 1993, S. 221 (225 f.). 144 Vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, S. 101; Burmester, StuW 1993, 221 (226).
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Sicherung unternehmerischer Abläufe durch die Staatsgewalt zu nennen. Insgesamt sind darin erhebliche staatliche Leistungsangebote zu erkennen, die durch Einsatz finanzieller Mittel für die Allgemeinheit bereitgestellt werden. Auf bloße Gegebenheiten des Staatsgebiets, die unabhängig von einem staatlichen Aufwand vorhanden sind, darf hingegen nicht abgestellt werden.145 Auch staatliche Angebote von geringerem Umfang genügen für die Begründung und Rechtfertigung eines steuerlichen Nexus nicht.146 Die bloße Zugangsmöglichkeit zum Markt stellt von vornherein kein Leistungsangebot des Staates dar, sondern folgt einem staatlichen Selbstzweck, der in der Beteiligung am internationalen Wirtschaftsverkehr liegt. Ziel ist die Partizipation des Staates am Wachstum der Weltwirtschaft durch Öffnung des Marktes und nicht die Gewährleistung von Angeboten gegenüber den einzelnen Steuerpflichtigen. Weiterhin ist zu ermitteln, inwieweit ein Steuerpflichtiger auf die staatlichen Angebote zugreifen muss, damit dessen Besteuerung vor dem Hintergrund des Nutzenprinzips begründet werden kann. Zwar führt gerade die konkrete Inanspruchnahme staatlicher Leistungen zu einer Kostenersparnis im jeweiligen Unternehmen147 und könnte so vor dem Hintergrund des eingangs erwähnten do-ut-desGrundsatzes als grundlegend für die Rechtfertigung eines steuerlichen Zugriffs angesehen werden. Jedoch kann eine Anknüpfung an die tatsächliche Wahrnehmung staatlicher Leistungen nicht überzeugen. In Bezug auf den einzelnen Steuerpflichtigen ergibt sich dies bereits aus der fehlenden Ermittelbarkeit der Inanspruchnahme. Würde man dem Besteuerungsanspruch eine generelle Schwelle der Nutzung zugrunde legen, so müsste jeder unternehmerische Rückgriff auf staatliche Leistungen aufgezeichnet werden.148 In Bezug auf einen generalisierten Maßstab muss berücksichtigt werden, dass die Kosten für die Bereitstellung staatlicher Güter für den Staat von der konkreten Nutzung weitgehend unabhängig sind.149 Dementsprechend ist das Prinzip der Nutzenäquivalenz dem Prinzip der Kostenäquivalenz vorzuziehen.150 Es kann also nicht darauf ankommen, welche staatlichen Leistungen tatsächlich genutzt werden, sondern es muss vielmehr ermittelt werden, zu welchen Leistungen Steuerpflichtige im Generellen Zugang haben.
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Beispiele hierfür wären z. B. bloße Gegebenheiten der natürlichen Umgebung oder die Anwesenheit der Bevölkerung. 146 Dies zeigt sich an sämtlichen vorhandenen Anknüpfungsmerkmalen. So sind im unternehmerischen Bereich Direktlieferungen ebenfalls in einem gewissen Maße von der Bereitstellung staatlicher Infrastruktur, bspw. in Form von Straßen, oder der Justizgewährleistung abhängig. Ähnlich verhält es sich bei der kurzzeitigen Erbringung von Dienst- oder Arbeitsleistungen von Anbietern aus dem Ausland. 147 Vgl. Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung, S. 53. 148 So z. B. jede Fahrt über staatliche Straßen, jede Nutzung der Kommunikationsnetze etc. 149 Vgl. Hey, in: FS Lang, S. 133 (150). 150 S. o. Kapitel 3: B.II.4.a) Herleitung, S. 111.
B. Prüfungspunkte
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c) Relevanz für die Zuordnungsentscheidung Das Nutzenprinzip gibt Aufschluss über die Legitimität einer Zuordnungsentscheidung für steuerliches Substrat aus digitalen Geschäftsmodellen. Es ergänzt das Territorialitätsprinzip, indem es spezifiziert, wann der Bezug eines Steuerpflichtigen zu einer Steuerjurisdiktion vor dem Hintergrund des staatlichen Teilhabeanspruchs derart groß ist, dass eine Besteuerung gerechtfertigt ist. Daher ist das Nutzenprinzip bei der Auflösung der Besteuerungsproblematik um digitale Geschäftsmodelle zu berücksichtigen. Eine Besteuerung ist demnach dann gerechtfertigt, wenn die Möglichkeit der Inanspruchnahme staatlicher Leistungen, die der Staat durch finanziellen Aufwand für die Allgemeinheit bereithält, besteht und die bereitgehaltenen staatlichen Leistungen über die bloße Gewährung eines Marktzugangs für ausländische Personen hinausgehen.
5. Zusammenfassung Ergebnis der vorstehenden Untersuchungen ist ein Kanon steuerrechtlicher Grundprinzipien, die für die Zuordnung von Besteuerungsrechten im internationalen Kontext herangezogen werden müssen. Es wurde erarbeitet, dass das Territorialitätsprinzip, das Leistungsfähigkeitsprinzip und das Nutzenprinzip zwingend bei der Verteilung von Steuersubstrat zu berücksichtigen sind.151 Dagegen kommt dem Wertschöpfungsprinzip kein juristisches Gewicht in Bezug auf die Legitimität einer Besteuerung zu.152 Offensichtlich ist, dass unter Berücksichtigung der restlichen Prüfungspunkte, insbesondere vor dem Hintergrund der Vermeidung von Umgehungsmöglichkeiten153 und der Sicherstellung der Praktikabilität154, den genannten Axiomen nicht vollends und ohne jede Ausnahme Rechnung getragen werden kann. Es müssen demnach auch Abweichungen und deren Intensität mitbewertet werden. Die Prinzipien sind damit abwägbar und skalierbar. Es muss dennoch danach gestrebt werden, den Grundsätzen so weit wie möglich Rechnung zu tragen und Geltung zu verschaffen. Es ist also festzuhalten, dass unabhängig vom jeweiligen Prinzip gilt, dass eine Besteuerung umso legitimer und dogmatisch sinnhafter ist, je mehr sie den dargelegten Inhalten des Territorialitäts-, Leistungsfähigkeits- und Nutzenprinzips entspricht. Die Forderung dieser Arbeit nach einer Beachtung steuerdogmatischer Grundsätze ist kein akademisches Glasperlenspiel. Sie soll vielmehr eine systematische 151
Vgl. i. E.: Kapitel 3: B.II.1. Territorialitätsprinzip und genuine link, S. 86, 3. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, S. 106, 4. Äquivalenz-/Nutzenprinzip, S. 111. 152 Vgl. Kapitel 3: B.II.2. Wertschöpfungstheorie, S. 95. 153 Kapitel 3: B.IV. Umgehungsmöglichkeiten, S. 125. 154 Kapitel 3: B.V. Praktikabilität, S. 131.
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
Einpassung der Reformvorschläge in das internationale Steuersystem sicherstellen. Dies führt nicht nur zu einem höheren Grad an Gerechtigkeit, da die gesetzlichen Vorgaben für den Betroffenen nachvollziehbarer werden. Denn darüber hinaus wird durch Regelungen, die sich systematisch an Metaprinzipien orientieren, auch eine höhere Auslegungssicherheit im Hinblick auf nicht bedachte oder zukünftige Fragestellungen erreicht. Gerade im Hinblick auf die internationale Dimension der Problematik im Bereich der Digitalgeschäfte ist es erforderlich, dass sich ergriffene Maßnahmen derart in international geltenden Standards einfügen, dass ein Konsens zwischen den Staaten möglich ist. Dieser Konsens ist für eine effektive Umsetzung des Regelungsmodells eine wichtige Voraussetzung. Damit sorgt die Orientierung an dogmatischen Prinzipien auch praktisch für einen Fortschritt. Die gefundenen steuerrechtlichen Prinzipien sind dabei nicht fernab der Materie konstruiert, vielmehr bilden die beschriebenen Grundsätze die Funktionsweise der materiellen Besteuerung ab. So stellte bereits Adam Smith155 derartige Postulate auf und auch die Kölner Schule156 diskutierte diese.
III. Kohärenz mit der Rechtsordnung Die zu prüfenden Reformvorschläge zielen auf die Beseitigung der festgestellten Besteuerungsprobleme ab.157 Die Neuregelung entsteht jedoch nicht im luftleeren Raum, sondern tritt in Wechselwirkung mit der vorhandenen Steuerrechtsordnung. Es ist daher sicherzustellen, dass sich keine Fehlwirkungen oder Widersprüche, insbesondere zum Unions- und Verfassungsrecht, ergeben. 1. Nationale Grundlagen a) Formelle Verfassungsmäßigkeit Die formelle Seite der grundgesetzlichen Vorgaben betrifft das Zustandekommen der Besteuerungsregelungen. So ist bei der Zuständigkeit nach der Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungshoheit für das jeweilige Reformmodell zu fragen. Genauso richten sich auch das Gesetzgebungsverfahren und die Formalitäten nach der gewählten Umsetzungsvariante. Die Gesetzgebungshoheit158 richtet sich nach Art. 105 GG und differenziert zwischen der faktisch kaum mehr vorhandenen ausschließlichen159 und der kon-
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Smith, Der Wohlstand der Nationen, S. 703 ff. Dazu ausführlich: Lang, StuW 2013, S. 53 ff. 157 Kapitel 2: C. Die Problematik der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle, S. 63. 158 Dazu: Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 27 ff.; Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 26 Rz. 96 ff. 156
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kurrierenden160 Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Den Ländern kommt die Möglichkeit zur Gesetzgebung lediglich dann zu, wenn der Bund von seiner Kompetenz aus Art. 105 Abs. 2 GG keinen Gebrauch gemacht hat161 oder nach Art. 105 Abs. 2a GG für örtliche Verbrauchs- oder Aufwandsteuern162, die bundesrechtlichen Steuern nicht gleichartig sind. Für die Beurteilung der Gesetzgebungskompetenz im Hinblick auf digitale Geschäftsmodelle, kommt es auf die gewählte Umsetzungsvariante an, welche je nach Reformvorschlag variiert. So liegt eine Regelungskompetenz des Bundes durch Zustimmungsgesetz unproblematisch dann vor, wenn die Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle durch eine Änderung von EStG, KStG oder in Verbindung stehender Regelungen im AStG und damit einer modifizierten Regelung i. R. d. bisherigen Systems sichergestellt werden soll.163 Soll die Besteuerung von Digitalunternehmen außerhalb dieses Regelungsgefüges normiert werden, muss nach der Art der Steuer differenziert werden: Im Falle einer Sonderertragsteuer ist zu erörtern, ob nach den vorhandenen Regelungen des Grundgesetzes eine solche überhaupt eingeführt werden kann, ohne dass eine Änderung der Verfassung selbst erforderlich wird.164 Stellt die neu eingeführte Steuer 159 Für die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz ist derzeit kein Anwendungsfall gegeben: Für das Zollrecht wurde die Kompetenz an die EU übertragen, vgl. Art. 30, 31, 207 AEUV und mit dem Branntweinmonopol trat das letzte Finanzmonopol außer Kraft, vgl. § 166 S. 1 BranntwMonG; näher siehe: Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 28; Wienbracke, JuS 2019, S. 673 (674 ff.). 160 I. R. d. konkurrierenden Gesetzgebung kommt dem Bund dann die Gesetzgebungshoheit zu, wenn ihm das Aufkommen der Steuer zumindest teilweise zufließt oder wenn es zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder der Wahrung der Rechtsoder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich ist, Art. 105 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG. Nimmt der Bund hier seine Kompetenzen wahr, so ist eine Zustimmung des Bundesrates gem. Art. 105 Abs. 3 GG erforderlich, wenn auch die Länder oder die Kommunen am Aufkommen der Steuer beteiligt sind, vgl. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 2.34 ff.; Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 29; Wienbracke, JuS 2019, S. 673 (675). 161 Das ist dann der Fall, wenn eine gleichartige, also aus dem gleichen Quell wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gespeiste Steuer vorliegt; vgl. BVerfG, Beschluss vom 07. 05. 1963– 2 BvL 8/61, 2 BvL 10/61, BVerfGE 16, S. 64 (75); Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 29. 162 Solche liegen vor, wenn der Verbrauch konsumierbarer Güter oder das Halten und Gebrauchen von Gütern sowie die Inanspruchnahme von Dienstleistungen belastet werden (besondere Umsatzsteuern, die besonderen privaten Konsum belasten) und dabei an örtliche Gegebenheiten (wie der Belegenheit einer Sache oder einen gebietsbezogenen Vorgang) angeknüpft wird. Vgl. BVerfG, Urteil vom 07. 05. 1998 – 2 BvR 1991/95, BVerfGE 98, S. 106 (123 f.); Seiler, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 105 Rz. 170 f.; Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 30. 163 Dann leitet sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 105 Abs. 2 Var. 1, Abs. 3 GG i. V. m. Art. 106 Abs. 3 GG her, vgl. Fehrenbacher, Steuerrecht, § 2 Rz. 9, § 4 Rz. 3. 164 Dem Bund und den Ländern steht kein generelles Steuererfindungsrecht zu, da Art. 106 Abs. 3, 6 GG abschließend die Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer als Ertragsteuern vorsieht. Eine neu geschaffene Sonderertragssteuer auf digital erzielte Einkünfte ist von diesem Katalog nicht erfasst, sodass es für ihre Einführung einer Grundgesetzänderung be-
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
hingegen eine Sonderumsatzsteuer dar, ändert sich im Vergleich zur Sonderertragsteuer das Steuerobjekt, sodass zu klären ist, ob eine Verkehr-, Verbrauch- oder Aufwandsteuer vorliegt.165 Dies hängt stark von der Ausgestaltung, dem Zuschnitt und der Begründung der Steuer ab. Die Ertragshoheit wird von Art. 106 GG normiert. Bei der Beurteilung eines Reformmodells ist das ursprüngliche Ziel der Initiative im Blick zu behalten und zu prüfen, ob das Steueraufkommen – wie bei der bisherigen Unternehmensbesteuerung durch EStG und KStG nach Art. 106 Abs. 3 S. 1 GG – weiterhin Bund und Ländern gemeinsam zusteht.166 Art. 108 GG bestimmt die Verwaltungshoheit. Danach werden Steuern – abgesehen von bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern167 – durch die Landesfinanzbehörden verwaltet, wobei zwischen landeseigener Verwaltung und Bundesauftragsverwaltung zu differenzieren ist. b) Materielle Verfassungsmäßigkeit Für die materielle Verfassungsmäßigkeit von Steuergesetzen sind regelmäßig das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 2. HS GG) sowie der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und final auch die Berufs- und Eigentumsfreiheit (Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG) betrachtungsrelevant.168 Über Art. 19 Abs. 3 GG findet dieser Schutz auch auf inländische Gesellschaften unabhängig von ihrer Rechtsform Anwendung, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.169 Das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 2. HS GG fordert die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung; i. E. die Einhaltung der Grundsätze des Vorrangs und Vorbehalts des Gesetzes.170 Demnach darf die Steuerverwaltung nur gesetzeskonform handeln (Vorrang des Gesetzes) und Steuern zudem nicht ohne gesetzliche Ermächtigung
dürfte; diese ist mit erhöhten Beschlussanforderungen nach Art. 79 Abs. 2 (Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat) verbunden. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. 04. 2017 – 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, S. 171 (194 ff.); Seiler, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 105 Rz. 123 m. w. N. 165 Vgl. Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 21 ff.; ausführlich s. u. Kapitel 5: B.III.1.a) Formelle Verfassungsmäßigkeit, S. 217. 166 Dies ist v. a. bei der Einführung einer gänzlich neuen Steuer problematisch, da Art. 106 Abs. 1, 2 GG für andere Steuern keine Möglichkeit der Ertragsaufteilung zwischen Bund und Ländern vorsieht. 167 Sowie Zölle, Finanzmonopole und die Kfz-Steuer. 168 Vgl. Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rz. 155; Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 8 f.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.90 ff. 169 Epping, Grundrechte, Rz. 156 ff.; ausführlich: Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 19 Abs. 3 Rz. 37 ff. 170 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rz. 157; Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 8; ausführlicher Überblick bei Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 10 Rz. 92 ff.
B. Prüfungspunkte
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erheben (Vorbehalt des Gesetzes).171 Aus dem damit zusammenhängenden Bestimmtheitsgrundsatz folgt einerseits, dass sich aus dem Gesetzestext durch den Bürger der Steuergegenstand nach Inhalt, Zweck und Ausmaß entnehmen lassen muss (sog. Grundsatz der Tatbestandsbestimmtheit);172 unbestimmte Rechtsbegriffe sind damit nicht per se unzulässig.173 Andererseits muss der Steuertatbestand als Verhaltensgrundlage für den Bürger174 gesehen werden, sodass sich aus der Vorschrift unter Berücksichtigung des zu besteuernden Sachverhalts und des Normzwecks die Handlungsoptionen und -folgen des Steuerpflichtigen so genau, verständlich und klar wie möglich ergeben (sog. Grundsatz der Normenklarkeit).175 Zuletzt statuiert das Rechtsstaatsprinzips ein differenziertes Rückwirkungsverbot:176 Knüpft das Steuergesetz an einen abgeschlossenen Tatbestand in der Vergangenheit an (sog. echte Rückwirkung), so verstößt es gegen das Rechtsstaatsgebot.177 Dagegen ist die Anknüpfung an einen nicht abgeschlossenen Tatbestand in der Vergangenheit regelmäßig zulässig (sog. unechte Rückwirkung).178 Daneben steht der allgemeine Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG als Fundamentalnorm staatlicher Verteilungsgerechtigkeit.179 Er bindet sowohl den Gesetzgeber180 als auch die Finanzverwaltung und die Gerichtsbarkeit181. Aus diesen allgemeinen Postulaten lassen sich für das Steuerrecht zwei Konkretisierungen ablei-
171 Aufgrund ihrer hohen Eingriffsintensität stehen Steuergesetze nach der Wesentlichkeitstheorie im Allgemeinen unter Parlamentsvorbehalt, vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.234; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 128 f.; vgl. BVerfG, Urteil vom 14. 12. 1965 – 1 BvR 571/60, BVerfGE 19, S. 253 (267). 172 BVerfG, Beschluss vom 10. 10. 1961 – 2 BvL 1/59, BVerfGE 13, S. 153 (160). 173 BVerfG, Urteil vom 04. 04. 1967 – 1 BvR 126/65, BVerfGE 21, S. 245 (261); BVerfG, Beschluss vom 09. 08. 1995 – 1 BvR 2263/94, BVerfGE 93, S. 213 (338). 174 BVerfG, Urteil vom 07. 05. 1998 – 2 BvR 1991/95, BVerfGE 98, S. 106 (118). 175 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rz. 160; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.244. 176 Allgemein zum Rückwirkungsverbot: Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 10 Rz. 169 ff.; aus steuerrechtlicher Perspektive: Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rz. 161 ff.; Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 8. 177 BVerfG, Urteil vom 19. 12. 1961 – 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, S. 261 (272 ff.); grundlegend: BVerfG, Beschluss vom 31. 05. 1960 – 2 BvL 4/59, BVerfGE 11, S. 139 (145 f.). 178 BVerfG, Beschluss vom 07. 07. 2010 – 2 BvL 14/02, BVerfGE 127, S. 1; BVerfG, Beschluss vom 07. 07. 2010 – 2 BvR 1748/05, BVerfGE 127, S. 61; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.266 ff.; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rz. 165. 179 Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 9; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.110; Birk/ Desens/Tappe, Steuerrecht, Rz. 171. 180 Sog. Rechtssetzungsgleichheit: st.Rspr.: vgl. BVerfG, Urteil vom 23. 10. 1951 – 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, S. 14 (52); BVerfG, Beschluss vom 15. 07. 1998 – 1 BvR 1554/89, BVerfGE 98, S. 365 (385); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.116 ff. 181 Sog. Rechtsanwendungsgleichheit, st.Rspr.: vgl. BVerfG, Urteil vom 27. 6. 1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239; BVerfG, Urteil vom 9. 3. 2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, S. 94; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.111 ff.
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
ten: Zum einen gebietet das Leistungsfähigkeitsprinzip182, dass der Einzelne nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Anspruch genommen wird. Im Ertragsteuerrecht wird dem durch das (subjektive und objektive) Nettoprinzip Rechnung getragen.183 Bei den Verbrauch- und Verkehrsteuern kann auf die individuelle Leistungsfähigkeit des Einzelnen nur begrenzt Rücksicht genommen werden; diese ist im sich ergebenden Gesamtsteuersystem zu betrachten. Zum anderen muss das Gesetz und dessen Vollzug so gestaltet sein, dass die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig i. S. d. Belastungsgleichheit umgesetzt wird (sog. Folgerichtigkeitsgebot).184 Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob der Gesetzgeber mit dem jeweiligen Reformmodell von der gesetzlichen Eingangswertung, alle Gewerbebetriebe gleich zu besteuern, abweicht und – falls dies der Fall ist – Digitalunternehmen durch Zuweisung eines eigenen Steuergegenstandes besonders belasten darf. Den Freiheitsgrundrechten kommt eine Abwehrfunktion für staatliche Eingriffe in besondere, grundrechtlich geschützte Rechtsgüter zu.185 Im unternehmenssteuerrechtlichen Kontext sind vor allem Art. 12 Abs. 1 und 14 GG von Relevanz.186 Der Schutzbereich der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ist immer dann betroffen, wenn es um eine Tätigkeit geht, die der Schaffung oder Erhaltung einer Lebensgrundlage dient.187 Allerdings will das Bundesverfassungsgericht in st.Rspr. einen Eingriff in den Schutzbereich immer nur dann annehmen, wenn die Erhebung der Steuer eine berufsregelnde Tendenz erkennen lässt.188 Bei Steuern ist eine solche nur dann gegeben, wenn der Abgabe eine Nähe zu einem spezifischen Beruf zukommt189 und sie auch die Berufswahl erheblich erschwert oder unmöglich macht.190 Da dies nur dann der Fall ist, wenn die berufliche Tätigkeit aufgrund einer eminent hohen Steuerlast 182 St.Rspr.: BVerfG, Beschluss vom 29. 05. 1990 – 1 BvL 20/84, BVerfGE 82, S. 60 (86); BVerfG, Urteil vom 27. 06. 1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 (270); BVerfG, Urteil vom 10. 04. 2018 – 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, S. 217 (244); Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 9; zum internationalen Kontext s. o.: Kapitel 3: B.II.3. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, S. 106. 183 Dazu ausführlich oben: Kapitel 3: B.II.3.a)bb) Objektives und subjektives Nettoprinzip, S. 108. 184 St.Rspr.: vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. 02. 1991 – 1 BvR 1231/85, BVerfGE 83, S. 395 (402); BVerfG, Urteil vom 27. 06. 1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 (271); BVerfG, Beschluss vom 04. 12. 2002 – 2 BvR 400/98, BVerfGE 107, S. 27 (46 f.); Kirchhof, StuW 2000, S. 316 (317 f.); Schwarz, in: FS Isensee, S. 949 (957). 185 Vgl. Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rz. 171. 186 Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 9; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rz. 184 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.97. 187 BVerfG, Beschluss vom 26. 06. 2002 – 1 BvR 558/91, BVerfGE 105, S. 252 (265); Epping, Grundrechte, Rz. 378 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.188. 188 St.Rspr.: BVerfG, Urteil vom 07. 05. 1998 – 2 BvR 1991/95, BVerfGE 98, S. 106 (117); BVerfG, Urteil vom 20. 04. 2004 – 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, S. 274 (288). 189 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.188. 190 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 432; Epping, Grundrechte, Rz. 383.
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nicht wirtschaftlich sinnvoll ausgeübt werden kann191, führt dies letztlich zu einem Gleichlauf mit der Eigentumsfreiheit. Diese statuiert die „äußerste Verteidigungslinie“ gegen eine übermäßige Besteuerung, indem sie das Erworbene als Teil des Eigentums schützt.192 Vorgaben, wo die Grenze im Hinblick auf die steuerliche Gesamtbelastung verläuft, sind heute dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der steuerlichen Gesamtbelastung zu entnehmen.193 Eine absolute Schwelle ist erreicht, wenn die Besteuerung von einer derartigen Intensität ist, dass dies bereits einem Zugriff auf das jeweilige Eigentumsobjekt gleichkommt (sog. Erdrosselungssteuer).194 c) Einfachgesetzliche Vorgaben Das kodifizierte Recht hat die Aufgabe, in seiner Gesamtheit eine rechtsethische Wertordnung zu schaffen, die der Bürger zur Ausrichtung seiner Handlungen heranziehen kann. Dies ist nur möglich, wenn sie keine Widersprüche enthält.195 Die Einheit der Rechtsordnung erfordert die Durchhaltung gesetzgeberischer Entscheidungen im gesamten Rechtssystem.196 Der Gesetzgeber hat vermeidbare Wertungswidersprüche im Gesetz zu vermeiden. Im Gegensatz zum subjektiv grundrechtsanspruchsvermittelnden Folgerichtigkeitsgebot197 wirkt die Einheit der Rechtsordnung objektiv als rechtsstaatliche Aufforderung an den Gesetzgeber.198 Zwischen den einzelnen Teilrechtsordnungen besteht dabei kein Wert- oder Vorrangverhältnis.199 Auch der Binnenbereich des Steuerrechts soll einheitlichen Grundprinzipien, im Optimalfall einem Fundamentalprinzip, folgen (sog. Einheit der Steuerrechtsordnung).200 Das Gesamtsteuersystem muss daher zumindest insoweit kohärent sein, dass weiterhin ein Bestreiten der Steuerpflicht aus dem Einkommen möglich ist und keine Misswertungen in der Form entstehen, dass Ein-
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Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.188; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 432. Papier, DStR 2007, S. 973 (975); Kirchhof, StuW 2018, S. 1 (3); Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rz. 188; i. Erg. übereinstimmend: Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.190. 193 BVerfG, Beschluss vom 18. 01. 2006 – 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, S. 97 (114 f.); vgl. Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rz. 188; zum früheren Halbteilungsgrundsatz: BVerfG, vom 22. 06. 1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121 (138). 194 BVerfG, Beschluss vom 31. 05. 1988 – 1 BvL 22/85, BVerfGE 78, S. 232 (243). 195 Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 10; Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 20 und die allgemeine Rechtsstaatlichkeit, Rz. 56 f.; zur Herleitung: Kirchhof, StuW 2000, S. 313 ff. 196 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 57 ff.; Schwarz, in: FS Isensee, S. 949 (957); Kirchhof, StuW 2000, S. 316 (322). 197 S. o. Kapitel 3: B.III.1.b) Materielle Verfassungsmäßigkeit, S. 118. 198 Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 10 Rz. 141; Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 20 und die allgemeine Rechtsstaatlichkeit, Rz. 57. 199 Meinke, StuW 1992, S. 186 ff.; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 58. 200 Tipke, in: FS Friauf, S. 741 (741 ff.); Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 94 ff. 192
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
zelsteuergesetze durch ihr Zusammenwirken zu systemwidrigen Inkohärenzen führen.201 2. Europäische Grundlagen Unionsrecht ist supranationales Recht, das Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht genießt.202 Normen, die gegen Unionsrecht verstoßen, sind daher nicht automatisch nichtig, sondern im Einzelfall nicht anzuwenden. Die Marktfreiheiten (Art. 26 Abs. 2 AEUV) und das Beihilferecht (Art. 107 Abs. 1 AEUV) schützen den europäischen Binnenmarkt vor national-protektionistischen Regelungen.203 Eine Reform der Digitalunternehmensbesteuerung hat diese Grundsätze unabhängig von der Rechtssetzungsebene204 zu berücksichtigen. a) Marktfreiheiten Vor allem die Schutzbereiche der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 ff. AEUV und der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 ff. AEUV könnten mit einer reformierten Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle kollidieren, da beide die grenzüberschreitende Ausübung selbständiger Tätigkeiten betreffen.205 Die Niederlassungsfreiheit enthält die Freiheit unternehmerischer Tätigkeit und der Standortwahl durch den Unternehmer.206 Sie ist dann betroffen, wenn in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaates teilgenommen und daraus ein Nutzen gezogen wird, indem eine wirtschaftliche Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung im Aufnahmemitgliedstaat auf unbegrenzte Zeit tatsächlich
201 BVerfG, Beschluss vom 22. 06. 1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121 (134 f.); Tipke, in: FS Friauf, S. 741 (744 f.). 202 EuGH, Urteil vom 17. 05. 1984 – C-15/83, ECLI:EU:C:1984:183, Rz. 15; vgl. Herdegen, Europarecht, § 10 Rz. 1 ff.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 4.24 ff.; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 879. 203 Vgl. Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 898; Englisch, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, Rz. 4.2, 4.115. 204 Auch europäisches Sekundärrecht ist einer Prüfung am Maßstab des Primärrechts zugänglich, vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 4.10; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 901; Englisch, BTR 2015, S. 280 (305 f.). Faktisch ist es jedoch so, dass die Kontrolle sekundären Unionsrechts im Vergleich zu nationalen Rechtsakten großzügiger vorgenommen wird. 205 Jochum, Europarecht, Rz. 992. 206 Dies umfasst die Garantie, dass sich Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates in einem anderen Mitgliedstaat beschränkungsfrei niederlassen und dort Agenturen, Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften gründen können. Es muss ihnen offenstehen, eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen und ausüben sowie Unternehmen in gleicher Weise wie Inländer gründen und leiten zu können, vgl. Art. 49 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 AEUV. Vgl. Jochum, Europarecht, Rz. 993; Herdegen, Europarecht, § 16 Rz. 22.
B. Prüfungspunkte
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ausgeübt wird.207 Dagegen ist die subsidiäre208 Dienstleistungsfreiheit von einem Zuschnitt auf kurzfristige Aktivitäten in einem anderen Mitgliedsstaat geprägt. Sie erfasst nach Art. 57 Abs. 1 AEUV grenzüberschreitende Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden. Wesentliche Abgrenzungsmerkmale zwischen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sind somit das Vorhandensein einer festen Einrichtung und die Dauer der Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat.209 Digitale Geschäftsmodelle wirken durch die Bereitstellung von Onlineplattformen kontinuierlich im Markt des Staates mit, in dem sich eine nicht unerhebliche Anzahl an Nutzern oder Kunden Zugang zu den digitalen Angeboten des Unternehmens verschaffen. Dem Merkmal der festen Einrichtung wird in diesem Zusammenhang ein weitaus geringerer Stellenwert beigemessen, als es bei der Definition der Betriebsstätte210 der Fall ist.211 Eine wirtschaftliche Eingliederung212 in das System des Aufnahmemitgliedsstaates erreichen Digitalunternehmen auch ohne eine physische Einrichtung durch die Schaffung einer festen wirtschaftlichen Basis mittels Bereitstellung einer digitalen Präsenz. Vorzugswürdig erscheint daher die Erfassung digitaler Geschäftsmodelle durch die Niederlassungsfreiheit. Eine genaue Abgrenzung ist allerdings aufgrund des weitgehend einheitlichen Gewährleistungsgehalts213 der Grundfreiheiten aufgrund der immer weiter fortschreitenden Konvergenz der Prüfungsstandards von geringer Relevanz. Bei Ablehnung der Einschlägigkeit der Niederlassungsfreiheit wäre zwingend der Schutzbereichs der Dienstleistungsfreiheit eröffnet.214 Beide Grundfreiheiten sind dabei nicht nur als
207 St.Rspr. EuGH, Urteil vom 30. 11. 1995 – C-55/94, ECLI:EU:C:1995:411, Rz. 25; Urteil vom 23. 02. 2016 – C-179/14, ECLI:EU:C:2016:108, Rz. 148 m. w. N.; vgl. Jochum, Europarecht, Rz. 996 ff.; Müller-Graff, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV Rz. 11 ff. 208 Vgl. Art. 57 Abs. 1 AEUV; Auffangcharakter: Müller-Graff, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 56 AEUV Rz. 8; Jochum, Europarecht, Rz. 1065; Herdegen, Europarecht, § 17 Rz. 1 spricht von einer „Lücken füllende[n] Funktion“. 209 Jochum, Europarecht, Rz. 1066. 210 Dazu s. o. Kapitel 2: B.I.3.a) Betriebsstätte, § 12 AO, S. 48. 211 Uneinheitlich: einerseits: EuGH, Urteil vom 03. 12. 1974 – 33/74, ECLI:EU:C:1974: 131, Rz. 13; Urteil vom 04. 12. 1986 – 205/84, ECLI:EU:C:1986:463, Rz. 22; Tiedje, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 49 AEUV, Rz. 18 ff.; andererseits: Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 49 AEUV Rz. 41 hält diese Rspr. für überholt; vgl. auch EuGH, Urteil vom 05. 10. 1994 – C-23/93, ECLI:EU:C:1994:362, Rz. 15. 212 GA Philippe Léger, Schlussanträge vom 20. 06. 1995 – C-55/94, ECLI:EU:C:1995:194, Rz. 19; Jochum, Europarecht, Rz. 1066; Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 49 AEUV Rz. 29 ff. 213 Herdegen, Europarecht, § 14 Rz. 4 f.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 4.83; vgl. EuGH, Urteil vom 30. 11. 1995 – C-55/94, ECLI:EU:C:1995:411, Rz. 37; Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 49 AEUV Rz. 27 fordert hingegen vom Niederlassungswilligen eine größere Anpassungsbereitschaft an nationale Vorschriften des Aufnahmemitgliedsstaates als von einem Dienstleistungserbringer. 214 Vgl. EuGH, Urteil vom 03. 10. 2006 – C-452/04, ECLI:EU:C:2006:631, Rz. 32.
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
bloße Diskriminierungsverbote zu behandeln, sondern werden über ihren Wortlaut hinaus gleichheitsrechtlich interpretiert.215 Eine Beeinträchtigung des Schutzbereichs ist gegeben, wenn eine Maßnahme vorliegt, die die Ausübung der Grundfreiheit unterbindet, behindert oder weniger attraktiv macht.216 Für das Steuerrecht ergibt sich einerseits ein Verbot der steuerlichen Benachteiligung von beschränkt Steuerpflichtigen gegenüber unbeschränkt Steuerpflichtigen und andererseits von Auslandseinkünften unbeschränkt Steuerpflichtiger gegenüber entsprechenden Inlandseinkünften.217 Bei andersartigen Eingriffen, bspw. durch eine geänderte Verteilung der Steuerhoheit unter den Staaten,218 ist ein steuerlicher und steuerverfahrensrechtlicher Belastungsvergleich anzustellen, um zu ermitteln, ob eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit vorliegt. Wird ein derartiger Verstoß festgestellt, kommen Gründe zur Rechtfertigung in Betracht. Einerseits kann die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse als Rechtfertigungsgrund herangezogen werden. Demnach sind die Mitgliedstaaten grds. frei, ihre Steuersysteme zu gestalten und ihre Besteuerungsbefugnis untereinander aufzuteilen.219 Demnach dürfen in derartigen Fällen ansässige und nicht ansässige Personen auch ungleich besteuert werden.220 Andererseits lassen sich Grundfreiheitsverstöße auch mit dem Ziel der Bekämpfung von Steuerflucht und Steuerumgehung rechtfertigen. Dies umfasst nicht nur Konstellationen der illegalen Steuerhinterziehung, sondern auch künstliche Gestaltungen, die auf legalem Wege die Gesamtsteuerlast der Konzerne reduzieren sollen.221 Allerdings ist hier Zurückhaltung geboten, da der Rechtsfertigungsgrund bislang nur in Verbindung mit anderen Rechtfertigungsgründen zum Tragen kam oder dann, wenn eine dem Territorialitätsprinzip widersprechende Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse festgestellt wurde.222 b) Beihilfeverbot Der europäische Beihilfebegriff in Art. 107 Abs. 1 AEUV umfasst im Steuerrecht v. a. sog. Verschonungssubventionen, die Unternehmen dadurch begünstigen, dass 215
Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 4.83; vgl. Herdegen, Europarecht, § 14 Rz. 3 ff.; ausführlich: Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 322 ff.; differenzierend: Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 922. 216 St. Rspr. für Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit: EuGH, Urteil vom 15. 01. 2002 –C-439/99, ECLI:EU:C:2002:14, Rz. 22; Urteil vom 20. 02. 2001 – C-205/99, ECLI:EU: C:2001:107, Rz. 21; Urteil vom 17. 07. 2008 – C-389/05, ECLI:EU:C:2008:411, Rz. 52 jeweils m. w. N. 217 Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 4.83. 218 Dazu s. u. Kapitel 4: B.III.2. Europäische Grundlagen, S. 171. 219 EuGH, Urteil vom 12. 05. 1998 – C-336/96, ECLI:EU:C:1998:221, Rz. 30 ff. 220 Vgl. Kokott/Henze, BB 2007, S. 913 ff. 221 EuGH, Urteil vom 12. 09. 2006 – C-196/04, ECLI:EU:C:2006:544, Rz. 51. 222 Kokott/Henze, BB 2007, S. 913 (916).
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die steuerliche Last im Vergleich zur gewöhnlichen Besteuerung aufgrund gesetzlicher Regeln geringer ausfällt.223 Art. 107 Abs. 1 AEUV stellt ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt dar. Allen Reformansätzen kommt die Gemeinsamkeit zu, dass sie Einkünfte aus digitalen Geschäftsmodellen aus den gewöhnlichen Besteuerungsregeln für Unternehmen in unterschiedlicher Intensität herausheben. Für die Reformmodelle ist daher anhand einer vierstufigen Prüfung zu ermitteln, ob diese vom Beihilfeverbot umfasst sind: Zunächst ist ein selektiver Vorteil224 erforderlich; also eine steuerliche Entlastung, die nur bestimmten Unternehmen und Produktionszweigen zugutekommt, während sie vergleichbaren Unternehmen oder Branchen nicht gewährt wird. Es muss sich um eine staatliche oder staatlich finanzierte Maßnahme handeln. Darüber hinaus muss diese Maßnahme den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und eine wettbewerbsverfälschende Wirkung aufweisen.225 Eine bloße Neuausrichtung der Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Staaten geht konsequentermaßen mit Vor- und Nachteilen einher und unterliegt der Steuersouveränität der Mitgliedsstaaten; sie stellt daher keine Beihilfe i. S. v. Art. 107 Abs. 1 AEUV dar.226
IV. Umgehungsmöglichkeiten Die identifizierten Probleme bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle ergeben sich größtenteils aus dem Zusammenwirken vorhandener Regeln mit einer steueroptimierenden Planung digitaler Unternehmen.227 Eine Neuregelung muss demnach darauf hinwirken, derartige Gestaltungen künftig auszuschließen. 1. Steuervermeidung, -gestaltung und -missbrauch Steuervermeidung stellt die unterste Schwelle der Steuerbeeinflussung dar. Den Eintritt einer Steuerpflicht vermeidet der Steuerpflichtige schlichtweg durch Nichthandeln. Ein Steueranspruch entsteht gemäß § 38 AO nämlich erst dann, wenn der Tatbestand eines Steuergesetzes erfüllt wurde. Entscheidet sich der potentiell Steuerpflichtige i. R. seiner unternehmerischen Freiheit dazu, Einnahmen nicht zu 223
Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.4. Koenig/Förtsch, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV, Rz. 81 ff. Im Steuerrecht eine potentiell selektive Verschonung von der normalerweise zu tragenden Regelbelastung: st. Rspr.: EuGH, Urteil vom 23. 02. 1961 – 30/59, ECLI:EU:C:1961:2, S. 42; Urteil vom 22. 06. 2006 – C-182/03, ECLI:EU:C:2006:416, Rz. 86 m. w. N.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 4.117. 225 Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 4.116 ff.; Jochum, Europarecht, Rz. 725 ff. 226 Als Ausschlussgrund anerkannt: st.Rspr. EuGH, Urteil vom 02. 07. 1974 – 173/73, ECLI: EU:C:1974:71, Rz. 33; Urteil vom 08. 11. 2001 – C-142/99, ECLI:EU:C:2001:598, Rz. 42, vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 4.117. 227 S. o. Kapitel 2: C.II.1. Grundproblem: Steuergestaltungsmöglichkeiten digitaler Konzerne, S. 67. 224
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erzielen und dadurch auch keine Steuerpflicht zu begründen, kann der Fiskus mangels eintretenden Steuertatbestandes bei ihm auch keine Steuern erheben.228 Derartige Steuervermeidungen stellen kein Problem dar, da sie nicht dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit widersprechen. Die Ertragsteuern erfassen als Steuerobjekt das erzielte Einkommen und orientieren sich damit an Ist- und nicht an Soll-Werten.229 Am anderen Ende der Skala steht der Steuermissbrauch. Dieser setzt zwar keine Geheimhaltung steuerlich relevanter Ereignisse230 voraus. Jedoch wird gezielt die Diskrepanz zwischen dem Zweck einer Steuernorm und deren Wortlaut zur Vermeidung einer Steuerpflicht trotz Eintretens eines wirtschaftlichen Erfolges ausgenutzt. Der Tatbestand eines Steuergesetzes bedarf immer der sprachlichen Ausformulierung und unterliegt damit semantischen Einschränkungen. Daraus ergibt sich die Möglichkeit zur gezielten Nutzbarmachung der Abweichung zwischen Sinn und Zweck und dem Wortlaut des Gesetzes zur Erzielung von Steuervorteilen.231 Dem wird von rechtlicher Seite ausreichend begegnet. § 42 Abs. 2 S. 1 AO erklärt derartig „unangemessene Gestaltungen“, die zu einem „gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führen“ für missbräuchlich, mit der Folge, dass für den Sachverhalt eine Besteuerung erfolgt, wie sie beim Vorliegen einer angemessene Gestaltung geboten wäre, § 42 Abs. 1 S. 3 AO. Eine zu schaffende Neuregelung der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle muss daher nicht zwingend Regelungen zur Vermeidung von Steuermissbrauch vorsehen.232 Entscheidend für die Neuschöpfung einer gesetzlichen Regelung ist der Bereich der Steuergestaltung233, für den § 42 AO keine kompensatorische Rechtsfolge bereithält, der jedoch rechtspolitisch als unerwünscht angesehen wird.234 Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist demnach die „Unangemessenheit“ der Gestaltung. Eine solche soll vorliegen, wenn es sich bei der jeweiligen Steuerplanung um etwas Ungewöhnliches, Untypisches, Unübliches, Unökonomisches, Unvernünftiges oder 228
Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung III, S. 1662. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 7.30 ff.; Fehrenbacher, Steuerrecht, § 2 Rz. 5; Kirchhof, DStJG 33 (2010), S. 20 erklärt die Ist-Besteuerung zum „Ausdruck unseres Freiheitsverständnisses“. 230 Dies wird durch die strafrechtlichen Tatbestände der Steuerverkürzung und -hinterziehung erfasst, § 370 AO. 231 Tipke, Steuerrechtsordnung III, S. 1662 f. 232 Dies kann jedoch dennoch spezialgesetzlich erfolgen, wie § 42 Abs. 1 S. 2 AO nochmals ausdrücklich verdeutlicht. 233 Über die Deutungshoheit des Begriffs der Steuergestaltung besteht Uneinigkeit zwischen Forschung, Beratungspraxis und Finanzverwaltung, vgl. exemplarisch: Tipke, Steuerrechtsordnung III, S. 1662 ff.; BT-Drucks. 15/119, S. 21. Zum Verständnis als teloswidrige Ausnutzung von Gesetzeslücken und Steuerschlupflöchern und als verschleiernde künstliche Ummantelung anderer realer Sachverhalte: Rödder, DStJG 33 (2010), S. 93; zum Verständnis als steuerlich motivierte Beeinflussung von Höhe und/oder Zeitpunkt der Steuerbelastung durch Sachverhaltsgestaltung und/oder Wahlrechtsausübung: Rödder, DStJG 33 (2010), S. 93 (98). 234 Schmidt-Keßeler, DStR-KR 2007, S. 27. 229
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Unpraktikables handelt.235 Da dieses Konvolut an Begriffen immer von einer Wertung abhängt, ist die Reichweite des § 42 AO von einer gewissen Unsicherheit im Einzelfall geprägt. Soll ein Sachverhalt, für den der Steuerpflichtige eine Gestaltungsvariante wählen kann, die als zu günstig angesehen wird, gleichzeitig jedoch nicht zwangsweise dem Verdikt der Unangemessenheit unterliegt, also sicher vermieden werden, so muss der Gesetzgeber dies durch Ausgestaltung seiner steuerlichen Tatbestände regeln. Dabei gilt es zu beachten, dass derartige Gestaltungen grds. der unternehmerischen Freiheit des Steuerpflichtigen unterliegen. I. R. d. Vertragsfreiheit steht es dem Individuum zu, seine Tätigkeit rechtlich einzukleiden wie es ihm beliebt;236 es besteht hingegen kein „Grundrecht auf Steuergestaltung“.237 Demnach steht es dem Gesetzgeber aus steuerjuristischer Perspektive frei, die vom Steuerpflichtigen autonom getroffenen zivilrechtlichen Gestaltungsentscheidungen in seinen steuerrechtlichen Tatbeständen in einer Weise zu werten, dass eine Steuerersparnis zu Lasten der Allgemeinheit ausscheidet. Für die besondere Problematik der Besteuerung grenzüberschreitend tätiger Digitalkonzerne, muss dieser Differenzierung eine weitere, internationale Ebene hinzugefügt werden: die der Steuerflucht. Dem Steuerpflichtigen ist es über die zuvor genannten Varianten hinaus auch möglich, durch Verlegung von Sachverhalten ins Ausland und insbesondere durch Verwendung ausländischer Rechtskleider der Erfüllung inländischer Steuertatbestände zu entgehen.238 Der Gesetzgeber muss daher auch diese Problematik bei der Ausformung des Normtatbestandes beachten.
2. Gestaltungsausschließende Besteuerung Eine gestaltungsausschließende Besteuerung ist nicht nur aus gesetzgeberischer Sicht zur Sicherung des Steuersubstrats wünschenswert, sondern auch aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten.239 Gleichzeitig ist die grundlegende Gestaltungsfreiheit des Steuerpflichtigen zu beachten. Ihm steht es – außerhalb des steuerlichen Missbrauchs – frei, seine Angelegenheiten nach seinem Willen und damit auch steueroptimiert zu gestalten. Ziel der Normgestaltung muss es daher sein, einen Tatbestand zu schaffen, der die Steuerschuld für digitale Geschäftsmodelle unabhängig von der Steuervermeidungskunst des Steuerpflichtigen bemisst.240 Dabei darf 235
Kirchhof, DStJG 33 (2010), S. 9 (22). BVerfG, Beschluss vom 14. 04. 1959 – 1 BvL 23/57, BVerfGE 9, S. 237 (249); BFH, Urteil vom 24. 04. 2007 – I R 35/05, BStBl. II 2008, S. 253 (255); Seer, DStJG 33 (2010), S. 1; Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO, Rz. 41. 237 Schön, DStJG 33 (2010), S. 29 (39); differenzierend: Drüen, in: Tipke/Kruse, § 42 AO, Rz. 3 m. w. N., 16. 238 S. o. Kapitel 2: C.II.1. Grundproblem: Steuergestaltungsmöglichkeiten digitaler Konzerne, S. 67. 239 BVerfG, Urteil vom 27. 01. 1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 (268 ff.); vgl. auch BVerfG, Urteil vom 07. 12. 1999 – 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, S. 297 (309). 240 Seer, DStJG 33 (2010), S. 1 (2). 236
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nicht die Maximierung des Steuersubstrates, also der reine Fiskalzweck, im Vordergrund stehen, sondern das Ziel einer sachgerechten Erfassung der Einkünfte aus digitalen Geschäftsmodellen. Dies dient der Gleichheit der Lastenverteilung und damit auch einem fairen Wettbewerb unter den verschiedenen Marktteilnehmern.241 a) Unausweichlichkeit und steuerjuristische Betrachtungsweise Steuergleichheit und damit eine gleichmäßige Besteuerung kann nur dort erfolgen, wo die Steuerlast unausweichlich jeden Steuerpflichtigen trifft.242 Das Gesetz soll daher möglichst alle Fälle umfassen, in denen der Steuerpflichtige entsprechend der gesetzgeberischen Intension zu einer Steuer herangezogen werden soll. Kurz: Die Steuerbelastung muss für den Steuerpflichtigen unabhängig von der Ausgestaltung des Sachverhalts eintreten.243 Dieser vorauseilende Umgehungsschutz in einer Steuerregelung dient als Korrektiv zur unsachgemäß ausgeübten Gestaltungsfreiheit des Steuerpflichtigen. Das Auslegungsrisiko einer Norm, das sich aus dem Prinzip der Tatbestandmäßigkeit ableitet, trägt der Gesetzgeber.244 Der Steuerpflichtige genießt demnach außerhalb des Missbrauchstatbestandes grds. Vertrauensschutz im Hinblick auf seine zulässige Interpretation der jeweiligen Regelung.245 Dem Tatbestand sollte es also so weit wie möglich gelingen, den tatsächlich vorliegenden Sachverhalt unabhängig von seinem rechtlichen Kleid in den Normvoraussetzungen zu erfassen. Ein Instrument zur Erreichung dieses Ziels stellt die steuerjuristische Betrachtungsweise dar, die eine Anknüpfung an wirtschaftliche anstatt an rechtliche Tatsachen erlaubt.246 Der steuererhebliche Tatbestand ergibt sich aus den Wirkungen des privatrechtlichen Handelns und nicht daraus, wie der Steuerpflichtige dieses zivilrechtlich einkleidet.247 Während das Zivilrecht dem Steuerpflichtigen die Freiheit gewährt, seine Angelegenheiten durch eigene Erklärungen so zu gestalten, wie es ihm beliebt248, muss das Steuerrecht durch Anknüpfungen an tatsächliche und unveränderliche Folgen dieser Erklärungen eine gleichmäßige und unausweichliche 241
Vgl. Drüen, StuW 2008, S. 154 (166). BVerfG, Beschluss vom 10. 04. 1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, S. 1 (6 f.); Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 118 Rz. 200. 243 Kirchhof, DStJG 21 (1998), S. 9 (26 ff.); BVerfG, Urteil vom 27. 01. 1991 – 2 BvR 1493/ 89, BVerfGE 84, S. 239 (268 ff.). 244 Schön, DStJG 33 (2010), S. 29 (34) spricht von der gesteigerten Verantwortlichkeit des Gesetzgebers für das Detail im Steuerrecht und vergleicht mit dem Strafrecht. 245 Schön, DStJG 33 (2010), S. 29 (35 f.). 246 BVerfG, Beschluss vom 27. 12. 1992 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, S. 212; Kirchhof, DStJG 33 (2010), S. 9 (24 f.); Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 118 Rz. 200; Tipke, Steuerrechtsordnung III, S. 1663, kritisch dagegen: Schön, DStJG 33 (2010), S. 29 (41). 247 Kirchhof, DStJG 33 (2010), S. 9 (24), Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 118 Rz. 26 f. 248 Um bspw. Vertretungs-, Haftungs- oder Rechnungslegungsverpflichtungen sachgerecht handhaben zu können. 242
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Besteuerung aller Steuerpflichtigen sichern. Dies gilt ebenso für Merkmale, die die Zuordnung eines Digitalunternehmens oder dessen Tätigkeiten zum In- oder Ausland betreffen. Als eine der Wurzeln von Besteuerungsproblemen im Hinblick auf digitale Geschäftsmodelle249 kommt es darauf an, Steuerpflichten und Steuersubstrat unabhängig von der internationalen rechtlichen Gestaltung durch den Steuerpflichtigen einzuordnen. Daher sind u. U. auch steuerpflichtbegründende Merkmale von steuerjuristisch ermittelten Sachverhalten abzuleiten. b) Auslegbarkeit Steuergestaltungsmöglichkeiten entstehen immer dort, wo der Wortlaut der Steuernorm versagt.250 Grund dafür ist mitunter, dass eine sachgerechte und sichere Auslegung nicht möglich ist: Ein abstrakt-genereller Tatbestand wird erst durch die Subsumtion von konkret-individuellen Sachverhalten unter seine Tatbestandsmerkmale zu wirkendem Recht. Sachverhalten, die nicht dem Idealbild derjenigen Umstände entsprechen, die der Gesetzgeber bei Einführung der Norm vor Augen hatte, muss also durch Auslegung der Norm nach dem bekannten Auslegungskanon begegnet werden können. Dabei ist gerade für die Ermittlung von Sinn und Zweck der Norm entscheidend, dass sich aus der Regelung unmittelbar eine klare Belastungsentscheidung des Gesetzgebers ergibt.251 Diese muss sich unmittelbar und sicher aus dem Gesetz ableiten lassen, sodass die Handlungsoptionen und deren Folgen für den Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltung offenliegen. Daneben trägt auch eine klare Systematik dem Zweck der Auslegbarkeit Rechnung. Gesetzgeberischen Wertungen müssen innerhalb der Regelung durchgehalten werden. Insbesondere darf kein Über- oder Untermaß an Ausgestaltung zu verzeichnen sein. Die Regelung sollte so viel regeln, dass klar wird, welche Unternehmen und welche Einkünfte von der Norm betroffen sind, gleichzeitig aber auch so wenig, dass eine Auslegung an immanenten Prinzipien und damit eine flexible Rechtsfortbildung durch den Rechtsanwender erfolgen kann. Demnach sind besonders kleinteilige Regelungen zu vermeiden. Solche lassen durch ihre Ausnahmen und Sondertatbestände innerhalb ihres Normgefüges gerade keine – über den reinen Fiskalzweck hinausgehenden – klaren Belastungsgründe oder eine anerkennenswerte Systematik erkennen.252 Insgesamt eröffnet der Wunsch nach einer systematisch auslegbaren, gleichzeitig aber unausweichlichen Neuregelung jedoch das Spannungsfeld zwischen der gesetzgeberischen Verpflichtung zur Normenklarheit253 und dem Ideal der Offenheit 249
S. o. Kapitel 2: C.II.1.a). Vermeidung einer Steuerpflicht im Marktstaat, S. 68. S. o. Kapitel 3: B.IV.1. Steuervermeidung, -gestaltung und -missbrauch, S. 125. 251 Kirchhof, DStJG 33 (2010), S. 9 (27); Drüen, StuW 2008, S. 153 (159 f.). 252 Drüen, StuW 2008, S. 153 (160); Kirchhof, DStJG 21 (1998), S. 9 (27); vgl. BFH, Urteil vom 20. 10. 1983 – IV R 175/79, BStBl. II 1984, S. 221. 253 Dazu ausführlich s. o.: Kapitel 3: B.III.1.b) Materielle Verfassungsmäßigkeit, S. 118. 250
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des Tatbestandes. Einerseits soll eine Regelung geschaffen werden, aus deren Tatbestand unausweichlich und sicher entnommen werden kann, welche Konstellationen sie betrifft. Andererseits soll der zu schaffende Tatbestand trotzdem offen für unvorhergesehene Gestaltungen, sowie – besonders für den Bereich der Digitalwirtschaft entscheidend – zukünftige Entwicklungen sein. Da jedes Gesetz als abstrakt-generelle Regelung einer Anwendung durch Subsumtion bedarf, ist die Auslegung wesentlicher Bestandteil der Rechtsanwendung und ohnehin nicht auszuschließen.254 Dieses Auslegungserfordernis ist wünschenswert und durch den Gesetzgeber gestaltbar. Es gilt zu vermeiden, dass das Gesetz bereits bei seiner Verkündung veraltet ist. Dies kann nur durch Tatbestandsvoraussetzungen und darin enthaltene Begriffe gewährleistet werden, die einer fortwährenden Anwendung auf immer neu entstehende und andersartige Sachverhalte zugänglich sind.255 Bei steuerrechtlichen Normen ist dabei auch die eingeschränkte Möglichkeit der Analogiebildung zu berücksichtigen.256 Da es sich bei Steuerrecht um Eingriffsrecht handelt, sind Analogien und extensive Erweiterungen von Tatbeständen zulasten des Steuerpflichtigen problematisch. Es besteht Streit darüber, ob derartiges im Steuerrecht überhaupt zulässig ist oder ob in diesen Fällen immer § 42 AO bemüht werden muss.257 Im Ergebnis erreicht der Gesetzgeber den Ausschluss von Umgehungsmöglichkeiten nur mithilfe eines leistungsfähigen Tatbestandes, der eine flexible und zukunftssichere Handhabung durch Auslegbarkeit anhand einer klaren Systematik und erkennbaren Belastungsentscheidungen ermöglicht. c) Berücksichtigung ausländischer Wertungen Bei alledem darf jedoch nicht die besondere Dimension der Problematik bei digitalen Geschäftsmodellen in den Hintergrund rücken. Hier geht es nicht um die bloße Qualifizierung oder Ermittlung von Einkünften, sondern u. U. um die Begründung neuer Steuerpflichten und die Aufteilung des Besteuerungssubstrates unter
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Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO, Rz. 41. Vgl. Kirchhof, DStJG 33 (2010), S. 9 (13); Walz, StuW 1984, S. 170. 256 Die Auslegung einer Steuerrechtsnorm endet zwar nicht zwangsweise an der Wortlautgrenze, vgl. BFH, Urteil vom 20. 10. 1983 – IV R 175/79; Drüen, StuW 2008, S. 153 (160); a. A.: Tipke, Steuerrechtsordnung III, S. 1624. Dennoch sollte eine Regelung bereits im Tatbestand eine gewisse „Absicherung nach unten“ beinhalten, die die Unausweichlichkeit soweit wie möglich garantiert. 257 Geht man davon aus, dass der Rückgriff auf § 42 AO nötig ist, so kommt § 42 AO eine konstitutive Wirkung zu – belastende Analogien wäre ohne ihn nicht möglich. Die Gegenansicht geht jedoch von einer bloßen deklaratorischen Wirkung aus und bekräftigt, dass die Analogiebildung im Steuerrecht auch zu Lasten des Steuerpflichtigen generell möglich ist und § 42 AO lediglich einen besonderen Fall analoger Gesetzesanwendung regelt. Dazu näher: Tipke, Steuerrechtsordnung III, S. 1664 ff.; für eine Zulässigkeit: BFH, Urteil vom 20. 10. 1983 –IV R 175/79, BStBl. II 1984, S. 221; gegen eine Zulässigkeit: Drüen, StuW 2008, S. 153 (160). 255
B. Prüfungspunkte
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den beteiligten Staaten.258 Demnach darf – auch im Tatbestand – nicht übersehen werden, dass eine Umgehung gerade unter Anwendung ausländischer Rechtsordnungen erfolgen kann. Dies muss in der Regelung Berücksichtigung finden, sodass es möglich ist, Steuergestaltungen i. R. ausländischer Rechtsordnungen im Inland zu berücksichtigen. d) Regelungsstandort Letztlich stehen verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten bereit, um die vorstehenden Vorgaben ins Gesetz zu übernehmen. Grob kann danach differenziert werden, ob eine gewöhnliche Steuerrechtsnorm oder eine spezielle, § 42 AO erweiternde, Missbrauchsregelung geschaffen wird. Dabei haben beide Alternativen Vorzüge und Nachteile. So tendieren besondere Missbrauchsregelungen zum Herausheben spezieller Fälle aus einem breiteren Tatbestand und sind daher per se kleinteiliger. Andererseits können deren Tatbestandsmerkmale passgenauer auf bestehende Steuergestaltungsmöglichkeiten eingehen und sich noch weiter von der zivilrechtlichen Anknüpfung entfernen. Dies führt zu einem höheren Maß an Sicherheit für den Rechtsanwender und damit zu konkreteren Möglichkeiten, um den jeweiligen Problemen zu begegnen. Gerade für die Handhabung problematischer internationaler Sachverhalte haben sich derartige Regelungen – vor allem im AStG – etabliert.259 Gewöhnliche Steuergesetze haben dagegen den Vorteil, dass für deren Anwendung nicht zuerst einen Missbrauchsfall definiert werden muss, sondern diese generell für alle steuerlichen Sachverhalte gelten. Damit können sie zwar durch den Wortlaut selbst nicht so präzise und passgenau auf das jeweilige Besteuerungsproblem eingehen, jedoch ist es so grds. besser möglich, einen breiteren Tatbestand zu schaffen, der sich stärker an einem konkreten Belastungsgrund und nicht am bloßen Schließen von Schlupflöchern – letztlich einem reinen Fiskalzweck – orientiert und damit eine bessere Auslegbarkeit gewährleistet.
V. Praktikabilität Ein Steuertatbestand ist nur dann gerecht, wenn er auch praktikabel ist.260 Um eine tatsächliche Besteuerung digitaler Einkünfte – und damit das ursprüngliche Ziel der Bestrebungen – sicherzustellen, muss nämlich auch der flächendeckende und umfassende Vollzug der neu geschaffenen Besteuerungsregeln sichergestellt werden. Aufgabe der Praktikabilität als Bewertungsmerkmal ist es daher, den tatsächlichen Vorgang der Besteuerung in die Untersuchung der einzelnen Reformmodelle mit258
S. o. Kapitel 2: C.II.1. Grundproblem: Steuergestaltungsmöglichkeiten digitaler Konzerne, S. 67. 259 Vgl. z. B. die Hinzurechnungsbesteuerung in §§ 7 ff. AStG. 260 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 348; vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 118 Rz. 267; vgl. Locher, in: FS Höhn, S. 189 (190 ff.).
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
einzubeziehen und die bisherigen Überlegungen in einer Art „Realitätscheck“ auf deren praktische Durchführbarkeit hin zu überprüfen. Erforderlich zur Gewährleistung einer praktikablen Besteuerung ist ein tatsächlich eintretender Belastungserfolg. Dieser kann nur dann sichergestellt werden, wenn der Tatbestand anwendbar, die erklärten Sachverhalte überprüfbar und der festgesetzte Steueranspruch durchsetzbar ist. Dies steht wiederum in engem Zusammenhang mit der Simplizität der Regelung. Das Steuer- und Steuerverfahrensrecht findet gegenüber dem einzelnen Steuerpflichtigen durch Massenverwaltung Anwendung, sodass komplexe Regelungen schnell zur Überforderung des Systems und damit zu einer ungleichmäßigen Besteuerung führen. Zuletzt muss das Reformvorhabens auch realisierbar sein. Bedarf es zur Umsetzung des Regelungsvorschlages einer internationalen Koordinierung, so ist unabhängig von der aktuellen politischen Durchsetzbarkeit zu ermitteln, auf welchen Regelungsebenen es eines Konsenses bedarf, um das jeweilige Besteuerungsverfahren tatsächlich in geplanter Weise ausführen zu können. 1. Tatsächlicher Belastungserfolg Um einen tatsächlichen Belastungserfolg herbeizuführen und damit die Verbesserung der Besteuerung von digitalen Geschäftsmodellen auch von der steuerverfahrensrechtlichen Seite her sicherzustellen, bedarf es der Betrachtung aller Schritte, die zwischen Entstehung des Steueranspruchs bis zu dessen Vollzug erforderlich sind. Im Groben kann zwischen der Anwendung der Regelung, der Möglichkeit zur Überprüfung durch die Steuerverwaltung und dem Stadium der Durchsetzung des Steueranspruchs differenziert werden. a) Anwendbarkeit des Tatbestandes Erster Schritt zur Sicherstellung eines tatsächlichen Belastungserfolges ist die Anwendung der neu zu schaffenden materiellen Steuergesetze. Das Gesetz enthält im Optimalfall einen Tatbestand, der möglichst auf alle Anwendung findet, die ein digitales Geschäftsmodell betreiben261 und der auch in sachlicher Hinsicht möglichst alle digitalen Aktivitäten und die daraus resultierenden Einkünfte erfasst. Zu einem tatsächlichen Besteuerungserfolg führt dies jedoch nur dann, wenn das Steuergesetz durch einen Rechtsanwender auch innerhalb des jeweiligen konkreten Besteuerungsverfahrens vollzogen wird. Der Gesetzgeber kann zur Regelung des Besteuerungsverfahrens besondere Vorgaben machen262 oder auf die allgemeinen Regelungen in den §§ 85 ff. AO zu261
Dazu bereits oben Kapitel 3: B.I.3. Selektivität, S. 85 sowie Kapitel 3: B.IV. Umgehungsmöglichkeiten, S. 125. 262 So sieht bspw. § 90 Abs. 3 AO besondere Darlegungs- und Dokumentationspflichten für die AstG-Besteuerung vor.
B. Prüfungspunkte
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rückgreifen. Normalfall und damit Ausgangspunkt ist der Amtsermittlungsgrundsatz aus § 88 AO, der durch bestimmte Mitwirkungspflichten (§ 90 AO) des Steuerpflichtigen i. R. d. sog. Kooperationsmaxime263 flankiert wird. Besonders bei Sachverhalten mit internationalem Kontext stehen dem besteuernden Staat aufgrund des Territorialitätsgrundsatzes264 nicht dieselben Befugnisse in Bezug auf die Sachaufklärung zu wie bei inländischen Vorgängen. Der Staat muss stärker auf die Mitwirkung des Steuerpflichtigen setzen. Allerdings suspendieren diese Mitwirkungspflichten nicht die Sachaufklärungspflicht der Finanzbehörden.265 Es ist also ein Kompromiss aus Amtsermittlung und Mitwirkung zu finden, der eine sichere und zutreffende Handhabung des materiellen Steuertatbestandes ermöglicht, gleichzeitig aber nicht den gesamten Prozess auf den Steuerpflichtigen abwälzt, diesem ausreichend Rechtssicherheit bietet und ihn insgesamt nicht unverhältnismäßig durch das Besteuerungsverfahren belastet.266 Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Mitwirkung des Steuerpflichtigen ein Mittel von mehreren zur Verwirklichung der Aufklärungspflicht des Finanzamts ist, wenn auch ein unerlässliches. Gleichzeitig obliegt der Finanzverwaltung die Letztverantwortung für die Sachaufklärung; diese endet dabei nicht dort, wo die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen beginnt.267 Stehen der Durchführung des Besteuerungsverfahrens tatsächliche oder rechtliche unüberwindbare Hindernisse entgegen, so folgt daraus ein strukturelles Vollzugsdefizit.268 Dieses führt nicht nur dazu, dass die Besteuerung im Einzelfall nicht im gesetzmäßigen Verfahren erfolgen kann, sondern u. U. auch zur Verfassungswidrigkeit der Regelung.269 Steht dem Tatbestand also ein unüberwindbares Hindernis entgegen, sei es, weil Grundlagen der Besteuerung nicht zuverlässig ermittelt werden können oder Regelungen im In-oder Ausland nicht durchführbar sind, so steht dieser selbst einem tatsächlichen Belastungserfolg im Wege. Dies gilt insbesondere, wenn die Regelung an digitale Transaktionen oder an das Agieren von Nutzern anknüpfen will. Kunden- und Nutzerdaten sind einem grundrechtssensiblen Bereich zuzuordnen und unterliegen regelmäßig und insbesondere in der Europäischen Union strengen Datenschutzvorschriften.270
263
Seer, in: Tipke/Kruse, § 88 AO, Rz. 3; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 22.1. 264 S. o. Kapitel 3: B.II.1. Territorialitätsprinzip und genuine link, S. 86. 265 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 22.1; vgl. BVerfG, Urteil vom 09. 03. 2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, S. 94 (121). 266 Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 348 ff. 267 Vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, § 90 AO, Rz. 1. 268 Vgl. BVerfG, Urteil vom 09. 03. 2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, S. 94. § 90 Abs. 2 S. 2 AO würdigt die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit im Beweismaß. Die Beibringung weiterer Informationen als die rechtlich oder tatsächlich möglichen ist nicht erforderlich. 269 Art. 3 Abs. 1 GG garantiert neben der Rechtssetzungs- auch die Rechtsanwendungsgleichheit. 270 Vgl. Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), Verordnung (EU) 2016/679.
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
Ist die Erhebung der Steuer daneben nur mit unverhältnismäßigem Aufwand für die Beteiligten zu leisten, so ist zu erörtern, inwieweit der Aufwand des Verfahrens in Relation zur festzusetzenden Steuer steht.271 Geht mit der Regelung ein hoher Dokumentations- oder Rechnungslegungsaufwand einher, bspw. durch unterschiedliche Rechnungslegungsstandards in den beteiligten Staaten, so kann dies auch zu Wettbewerbsnachteilen für kleinere Unternehmen führen, was im Hinblick auf die ohnehin schon monopolistische Struktur der Digitalbranche nicht förderlich erscheint. Da es sich beim Vollzug von Steuergesetzen um Massenverfahren handelt, ist auch sicherzustellen, dass die Steuerverwaltung durch die Neuregelung nicht überlastet wird. Auch dies könnte ansonsten zu einem Vollzugsdefizit führen. Zuletzt muss auch noch die Verfassungs- und Gesetzeskonformität des Festsetzungsverfahrens selbst betrachtet werden. Das Vorgehen bei der Erhebung darf nicht grundgesetzlichen Rechten oder anerkannten Verfahrensmaximen widersprechen. So können gerade Schätzungen zuungunsten des Steuerpflichtigen nach §§ 90 Abs. 2, 162 Abs. 2 AO problematisch sein, wenn auch dem Steuerpflichtigen selbst keine Mittel zur ausreichenden Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung stehen oder die Finanzverwaltung ihre Möglichkeiten nicht ausschöpft.272 b) Überprüfbarkeit der Besteuerungsgrundlagen Eine Regelung muss neben legalen Praktiken zur Vermeidung des Anfalls einer Steuer273 auch illegalen Handlungen wie der Steuerverkürzung oder -hinterziehung (§ 370 AO) entgegenwirken können. Gleichzeitig muss es den Steuerbehörden ebenso möglich sein, die vom Steuerpflichtigen erklärten Sachverhalte nachzuvollziehen, um auch ungewollte Fehler feststellen zu können und eine gesetzmäßige Besteuerung sicherzustellen.274 Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn gewährleistet ist, dass eine erklärte oder erfolgte Besteuerung einer Überprüfung zugänglich ist. Gerade bei international tätigen Digitalkonzernen stellen sich im Hinblick auf die Beschaffung von besteuerungsrelevanten Informationen diverse Probleme. So können auch inländische Besteuerungsgrundlagen betreffende Informationen lediglich im Ausland gespeichert sein, sodass ein direkter Zugriff aufgrund des Ter-
271 Locher, in: FS Höhn, S. 189 (190 f.); vgl. Tipke, Steuerrechtordnung I, S. 348; BVerfG, Urteil vom 09. 03. 2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, S. 94 (122). 272 Auch die Finanzbehörden sind als Beteiligte des Besteuerungsverfahrens nach § 90 Abs. 2 S. 1 u. 2 AO dazu verpflichtet, alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten zur Sachverhaltsermittlung auszuschöpfen. Vgl. dazu auch Seer, in: Tipke/Kruse, § 90 AO, Rz. 20; Spatscheck/Alvermann, IStR 2001, S. 33 (38); zur sog. „Gefahr einer Verdachtsbesteuerung“: Seer, EWS 2013, S. 257. 273 S. o. Kapitel 3: B.IV. Umgehungsmöglichkeiten, S. 125. 274 Sog. Verifikationsprinzip, vgl. BVerfG, Urteil vom 27. 06. 1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (273).
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ritorialitätsprinzips ausscheidet.275 Zudem ist digitalen Geschäftsmodellen ein hoher Grad an Mobilität zu eigen276, was zudem zu Schwierigkeiten bei der Informationsbeschaffung führen kann. Die Überprüfbarkeit der Besteuerungsgrundlagen hängt unmittelbar von der Erreichbarkeit tatbestandsrelevanter Informationen ab. Dem Fiskus stehen bei inländischen Tatsachen weit mehr Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung zu als im Ausland. Ein Anknüpfen an solche Sachverhalte ist im Hinblick auf die Informationsermittlung im Besteuerungsverfahren positiv zu werten. Soweit auf sich im Ausland befindliche Informationen zurückgegriffen werden muss, ist zu prüfen, welche Möglichkeiten dem besteuernden Staat zustehen, um an diese Informationen zu gelangen. Insoweit sind hier die bestehenden gesetzlichen Institute zu betrachten, soweit die Neuregelung keine weitergehenden Instrumente zur Verfügung stellt. Grds. ist es den besteuernden Staaten aufgrund des Territorialitätsprinzips verwehrt, Informationen in ausländischen Rechtsordnungen zu erheben. I. R. d. erweiterten Mitwirkungspflichten steht ihnen lediglich die Möglichkeit zu, sich Informationen beim Steuerpflichtigen selbst zu beschaffen und diesen zur Beweismittelbeschaffung zu verpflichten, § 90 Abs. 2 S. 2 AO.277 Dies gilt aber nur insoweit, wie der besteuernde Staat nicht selbst durch Amts- oder Rechtshilfeersuchen i. R. von Art. 26 OECD-MA bzw. gleichwertigen Auskunftsansprüchen an die entsprechenden Informationen gelangen kann. Den besteuernden Staaten kommen u. U. Möglichkeiten zum internationalen Informationsaustausch aus bi- oder multilateralen Verträgen sowie supranationaler Rechtssetzung zu. Im Steuerrecht sind neben der EG-Amtshilferichtlinie278, die jedoch lediglich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindet, vor allem Doppelbesteuerungsabkommen relevant. Art. 26 OECD-MA, der in unterschiedlicher Ausprägung auch Bestandteil sämtlicher deutscher DBA ist,279 hält eine Bestimmung zum Informationsaustausch bereit. Zu beachten gilt dennoch: Auch wenn nach dem jeweiligen Reformvorschlag die Beschaffung besteuerungsrelevanter Informationen über bi- oder multilaterale Absprachen sichergestellt ist, sind die Effektivität und die Folgen dieser Staatsverträge mitabzuschätzen. Einerseits ist ausländische Amtshilfe 275 Zur Unzulässigkeit von Online-Durchsuchungen im Ausland vgl. Spatscheck/Alvermann, IStR 2001, S. 33 (37); s. o. Kapitel 3: B.II.1. Territorialitätsprinzip und genuine link, S. 86. 276 S. o. Kapitel 2: C.I. Unterschiede in der Besteuerung zu herkömmlichen Geschäftsmodellen, S. 63. 277 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 22.10. 278 Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. 02. 2011, umgesetzt durch das AmtshilfeRLUmsG vom 26. 06. 2013, BGBl. I 2013, S. 1809. 279 Zu unterscheiden sind sog. kleine Auskunftsklauseln, die sich lediglich auf Auskünfte beziehen, die der Durchführung des Abkommens dienen und regelmäßig mit Entwicklungsländern geschlossen werden und sog. große Auskunftsklauseln, die sich auf Auskünfte beziehen, die unter das DBA fallende Steuern im Generellen betreffen und regelmäßig mit kontinentaleuropäischen Staaten und anderen Industriestaaten vereinbart werden, vgl. Spatscheck/Alvermann, IStR 2001, S. 33 (34 f.).
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
trotz entsprechender Vereinbarungen in der Praxis nur schwer zu erlangen und mit erheblichen Zeitspannen verbunden.280 Andererseits gilt es zu berücksichtigen, dass für den inanspruchnehmenden Staat aus Art. 26 OECD-MA eine spiegelbildliche Verpflichtung entsteht, die nicht nur Kapazitäten der inländischen Steuerbehörden bindet, sondern im Einzelfall auch noch auf die Rechts- und Verfassungskonformität der zu leistenden Amtshilfe hin zu überprüfen ist. Daher ist es erstrebenswert, die Zuhilfenahme von Amtshilfe beim Entwurf der Regelung und der Festlegung des Besteuerungsverfahrens bereits von vornherein auf ein Mindestmaß zu beschränken. c) Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs Steht dem Fiskus ein Steueranspruch zu, wird dieser durch einen Steuerbescheid oder durch eine Steueranmeldung des Steuerpflichtigen festgesetzt, § 218 Abs. 1 AO. Dieser Verwaltungsakt stellt die Grundlage etwaiger Vollstreckungshandlungen dar und bildet den Rechtsgrund für die Leistung des Steuerschuldners.281 Während die §§ 249 ff. AO für das Inland ein Vollstreckungsrecht bereithalten, das es den Finanzbehörden282 ermöglicht, in bewegliches Vermögen (§§ 281 ff. AO), in Forderungen und sonstige Vermögensrechte (§§ 309 ff. AO) oder in unbewegliches Vermögen (§ 322 AO) zu vollstrecken,283 gestaltet sich die Vollstreckung im Ausland äußerst kompliziert. Aufgrund des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips und der darin enthaltenen Gebietsausschließlichkeit284 ist es einem Staat nicht möglich, Hoheitsakte in fremdem Territorium vorzunehmen. Ist daher – wie häufig bei digitalen Geschäftsmodellen – im Inland kein oder nicht ausreichend Vermögen vorhanden, so ist der jeweilige Staat bei der Beitreibung der Steuer auf die Hilfe anderer Staaten angewiesen. Ist der entstehende Steueranspruch regelmäßig nicht vollstreckbar, ergibt sich ein gegen das Prinzip der Rechtsanwendungsgleichheit verstoßendes, verfassungswidriges strukturelles Vollzugsdefizit. Dem GG ist zu entnehmen, „daß das materielle Steuergesetz in ein normatives Umfeld eingebettet sein muß, welches die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges prinzipiell gewährleistet“.285 Demnach muss das gesamte Besteuerungsverfahren inklusive der Erhebung 280
Spatscheck/Alvermann, IStR 2001, S. 33 (37); Seer, EWS 2013, S. 257 (258). Fehrenbacher, Steuerrecht, § 8 Rz. 151; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 21.310. 282 Sog. Grundsatz der Selbstexekution: Die Finanzbehörde vollstreckt die von ihr erlassenen Verwaltungsakte selbst, vgl. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 21.370. 283 Diese Möglichkeiten dienen der Vollstreckung von Geldforderungen. Andere Leistungen als Geldforderungen können durch Zwangsgeld, Ersatzvornahme und unmittelbarem Zwang vollstreckt werden, §§ 328 ff. AO. 284 S. o. Kapitel 3: B.II.1. Territorialitätsprinzip und genuine link, S. 86. 285 BVerfG, Urteil vom 27. 06. 1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (1. Leitsatz). Daneben darf die Durchführung der Besteuerung nicht bereits durch das gesetzlich vorgesehene Verfahren von vornherein ineffizient gestaltet sein, BVerfG, Urteil vom 09. 03. 2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (2. Leitsatz). 281
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und der Vollstreckung als Gesamtkonzept betrachtet werden, ansonsten ist bereits die materielle Steuerrechtsnorm verfassungswidrig.286 Im Zusammenhang mit der Reform der Besteuerungsregeln für digitale Geschäftsmodelle ist daher zu ermitteln, ob eine Anspruchsdurchsetzung unproblematisch im Inland erfolgen kann oder ob eine Vollstreckung im Wesentlichen auf Amtshilfemaßnahmen anderer Staaten beruht. Für Letzteres stehen derzeit die europäische Betreibungsrichtlinie und DBA-rechtliche Vollstreckungsklauseln zur Verfügung. Die europäischen Beitreibungsrichtlinie287 sieht für die Mitgliedstaaten ein genau geregeltes, unaufwändiges und standardisiertes Verfahren zur Vollstreckung ihrer steuerlichen Forderungen im Ausland vor.288 Eine Besonderheit stellt dabei der einheitliche Vollstreckungstitel (vgl. Art. 12 BeitrRL) dar, welcher unmittelbar Rechtsgrundlage der Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat ist und daher keiner Anerkennung, Ergänzung oder Ersetzung mehr bedarf, Art. 12 Abs. 1 UAbs. 2 S. 1 BeitrRL.289 Damit wird ein effektives und zügiges Verfahren ermöglicht, das das Erfordernis der Anerkennung oder Übersetzung von Titeln abschafft.290 Dies ist aufgrund des angeglichenen Grundrechtsstandards und der innerhalb der Union gewährleisteten Rechtsstaatlichkeit möglich. Anders liegt das bei bilateralen Absprachen in DBA. Gegenüber Drittstaaten bilden sie aus deutscher Sicht die einzige Rechtsgrundlage zur Vollstreckung von Forderungen im Ausland.291 Art. 27 OECDMA sieht ebenfalls recht umfassende Vollstreckungsmöglichkeiten vor. Allerdings bestehen hier die Staaten in weiterem Maße auf ihre territoriale Souveränität und prüfen daher den vom ersuchenden Staat geltend gemachten Anspruch, bevor sie ihn anerkennen und damit für vollstreckbar erklären.292 Hinsichtlich des Vollstreckungsumfangs und des -verfahrens kommt diese Regelung allerdings nahe an das Niveau der BeitrRL heran. Allerdings entsprechen die meisten tatsächlichen DBA im Hinblick auf die Vollstreckungsklausel nicht dem Inhalt des OECD-MA; es existieren diverse Klauseln mit abweichendem oder eingeschränktem Regelungsinhalt.293 Ein deutlich massiveres Problem ergibt sich jedoch daraus, dass nur mit einem geringen Teil der Staaten überhaupt eine Vollstreckungsklausel vereinbart wurde.294 286 Seer, in: Tipke/Kruse, § 85 AO, Rz. 15; Kirchhof, StuW 2000, S. 316 (319); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.115. 287 Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. 03. 2010, umgesetzt durch das BeitrRLUmsG vom 07. 12. 2011, BGBl. I 2011, S. 2592. 288 Seer, IWB 2017, S. 595 (596 f.). 289 Seer, IWB 2017, S. 595 (600). 290 Vgl. Erwägungsgrund 8 der BeitrRL. 291 Das multilaterale Amtshilfeabkommen des Europarates und der OECD vom 25. 01. 1988 wurde zwar von Deutschland in das nationale Recht übernommen, allerdings hat Deutschland Gebrauch vom Vorbehalt zu den Vollstreckungshilferegelungen gemacht, die daher generell keine Anwendung finden, vgl. Seer, IWB 2017, S. 595 (599). 292 Seer, IWB 2017, S. 595 (598). 293 So auch ein Alternativvorschlag der OECD selbst in Art. 27 Rz. 2 OECD-MK (2017). 294 Vgl. Engelschalk, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 27 Rz. 11; Seer, IWB 2017, S. 595 (597 f.).
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
Von einer flächendeckenden Sicherstellung der Durchsetzbarkeit extraterritorialer Ansprüche kann daher derzeit keine Rede sein. Unabhängig davon, auf welchem Wege die Durchsetzung von innerstaatlichen Steueransprüchen gegen ausländische Digitalunternehmen erfolgt, müssen im Wesentlichen zwei zentrale Punkte Berücksichtigung finden: Einerseits muss das Verfahren zur Durchsetzung möglichst effizient, also unkompliziert, ressourcenschonend und zügig sein, andererseits muss es dem Steuerpflichtigen möglich sein, wirksamen Rechtsschutz zu erlangen.295 Dies gilt unabhängig davon, ob die Vollstreckung durch in- oder ausländische Finanzbehörden erfolgt. Gleichwohl muss aufgrund der Internationalität der Sachverhalte und der Mobilität digitaler Geschäftsmodelle sichergestellt sein, dass eine flächendeckende Anspruchsdurchsetzung möglich ist. Das bedeutet, dass die Vollzugsmöglichkeiten möglichst gegenüber allen Staaten gewährleistet sein müssen und nicht nur innerhalb der Europäischen Union oder einem Kreis von sich beteiligenden Staaten. Wird die Vollstreckung durch eigene Mittel verfolgt, so ergeben sich im Hinblick auf die Rechtsschutzmöglichkeiten des Steuerpflichtigen keine besonderen Probleme, jedoch muss die Handhabung auf völkerrechtliche Kompetenzüberschreitungen hin überprüft werden. Sind an der Durchsetzung des Besteuerungsanspruchs auch andere Staaten beteiligt, so sind die Grenzen der Amtshilfe (Gegenseitigkeit, Äquivalenz, Subsidiarität und der ordre public) zu berücksichtigen.296 Hier muss genau betrachtet werden, ob der Steuerpflichtige durch das Verfahren nicht in seinen Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkt wird. 2. Komplexität Für die Praktikabilität eines Regelungskonzepts spielt auch seine Komplexität eine erhebliche Rolle.297 Das Ziel einer möglichst simplen Regelung ergibt sich dabei aus unterschiedlichen Gründen. So ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Steuerverwaltung grds. um Massenverwaltung handelt und demnach aufgrund der begrenzten Ressourcen der Finanzbehörden eine Regelung nur dann praktikabel ist, wenn sich der Verwaltungsaufwand für jeden einzelnen Besteuerungsvorgang im Rahmen hält.298 Damit zusammenhängend kann Vollzugsgleichheit nur hergestellt werden, wenn das jeweilige Steuergesetz so einfach angewendet werden kann, dass es die Kapazitäten der Finanzbehörden nicht überfordert.299 Vorteilhaft ist dies auch für den Steuerpflichtigen, dessen Compliance-Kosten durch eine einfachere Rege295
Vgl. Seer, IWB 2017, S. 595 (596). Ausführlich dazu: Seer, IWB 2017, S. 595 (602 ff.). 297 „Gerechtes Steuerrecht ist einfaches Steuerrecht; es ist aber nicht einfach zu haben“, Kirchhof, 57. dt. Juristentag, S. 9. 298 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 348; Locher, in: FS Höhn, S. 189 (190). 299 Kirchhof, DStJG 21 (1998), S. 9 (16); BVerfG, Beschluss vom 29. 11. 1989 – 1 BvR 1402/87, BVerfGE 81, S. 108 (117). 296
B. Prüfungspunkte
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lung sinken.300 Zudem wird durch klare, einfach verständliche Regelungen der „Dummensteuereffekt“301 ausgeschlossen. Ein höheres Maß an Gleichheit folgt damit auch daraus, dass die Bemessung der Steuerlast einzig am wirtschaftlichen Sachverhalt und nicht an der Rechtskenntnis des Steuerpflichtigen oder der Qualität dessen steuerlicher Berater gemessen wird.302 Damit einher geht auch eine Verbesserung der Rechtssicherheit, was zu einer geringeren Streitanfälligkeit führt.303 Die Simplizität einer Regelung stellt demnach nicht nur ein erstrebenswertes Ziel, sondern auch ein qualitatives Merkmal des jeweiligen Reformvorschlages dar und ist auch in der Lage, Einbußen in anderen Bereichen zu rechtfertigen.304 Die Simplizität einer Norm wird maßgeblich durch deren Prinzipiengebundenheit und ihren Typisierungsgrad bestimmt. Eine prinzipiengebundene Regelung beruht auf klaren Grundsätzen und stellt damit Normenklarheit, Auslegbarkeit und Nachvollziehbarkeit in den Vordergrund, sodass es dem Rechtsanwender besser möglich ist, für einen – u. U. atypischen – Sachverhalt die gesetzesgerechte Subsumtion zu finden.305 Sie eröffnet die Möglichkeit einer sachgerechten richterlichen Rechtsfortbildung, die sich positiv auf die schlüssige Handhabbarkeit der Norm auch in der Zukunft auswirkt. Gerade in einem sich schnell entwickelnden Unternehmenszweig wie in der Digitalbranche werden so auch häufige Neuregelungen, die der Simplizität nicht zuträglich wären, vermieden. Daneben tragen auch Typisierungen in einer Norm der Simplifizierung bei. Die Fixierung einer Durchschnittsnormalität306 garantiert eine einfache Anwendbarkeit und damit auch einen ressourcenschonenden Vollzug der Norm. Diese Regelungstechnik ist dem deutschen und auch anderen Steuersystemen bereits inhärent und begegnet grds. keinen Bedenken.307 Dem Gesetzgeber steht dabei eine Einschätzungsprärogative dahingehend zu, die getroffene Belastungsentscheidung an manchen Stellen durch Typisierung und Pauschalierung zu verwässern, soweit dies einer Vereinfachung zuträglich ist.308 Im Verhältnis zu den Grundanforderungen an eine gleichmäßige und an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientierten Besteue300
Ruppe, DStJG 21 (1998), S. 29 (34). Rose, in: FS Tipke, S. 153 ff.; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 493; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 7.14. 302 Vgl. Kirchhof, DStJG 21 (1998), S. 9 (26 f.); in Ansätzen bereits Smith, Der Wohlstand der Nationen, S. 704: „Eine Steuer, die jeder einzelne zu zahlen verpflichtet ist, sollte genau und nicht willkürlich festgelegt sein. Der Steuertermin, die Zahlungsform und der zu entrichtende Beitrag sollten für den Steuerpflichtigen und jedem anderen klar und offenkundig sein.“. 303 Vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 7.15. 304 BVerfG, Beschluss vom 31. 05. 1988 – 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, S. 214 (226 ff.). 305 Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 348; Isensee, StuW 1994, S. 3 (5). 306 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.147. 307 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. 09. 1992 – 2 BvL 5/91, BVerfGE 87, S. 153 (172); Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 118 Rz. 97. 308 BVerfG, Beschluss vom 10. 04. 1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, S. 1; Hey, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, Rz. 3.147. 301
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
rung gibt die allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung i. R. d. „neuen Formel“ des Bundesverfassungsgerichts die Grenze der Vereinfachungsmöglichkeiten vor. Die Vereinfachung durch Typisierung muss daher dazu geeignet und erforderlich sein, einen Vereinfachungseffekt zu erreichen und darf darüber hinaus keine unangemessene Wirkung entfalten.309 3. Realisierbarkeit Für den praktischen Erfolg eines Konzepts ist die Implementierung der Regelung in die Rechtsordnung unerlässliche Voraussetzung. Um die Realisierbarkeit des jeweiligen Regelungsentwurfs einschätzen zu können, ist zunächst zu ermitteln, wer Gesetzgeber der Regelung sein soll, also auf welche Umsetzungsebene der Vorschlag abzielt. Sodann ist herauszuarbeiten, welche Anforderungen an den Gesetzgeber gestellt sind und wie der konkrete Zustimmungs- und Umsetzungsprozess aussieht. Zuletzt muss bestimmt werden, wie wahrscheinlich eine Umsetzung unter Berücksichtigung der Interessen der beteiligten Akteure und des unterschiedlichen Maßes an Zustimmungserfordernissen ist. a) Umsetzungsebene Zur Einführung einer Neuregelung der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle kommen grds. alle bekannten Regelungsebenen in Betracht. So sind neben einzelstaatlichen Vorgehensweisen bilaterale Absprachen, eine europäische Lösung oder auch multilaterale Vereinbarungen denkbar. Jeder dieser Umsetzungsebenen bringt Vorteile wie auch Probleme mit sich. Insgesamt ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen dem Subsidiaritätsprinzip als Idealbild guter Gesetzgebung in einem liberalen Staat310 und einer weltweit abgestimmten Regelung als Leitbild effektiver Rechtssetzung in einer globalisierten Welt.311 In jedem Fall muss die materielle Wirkungsweise des jeweiligen Regelungskonzeptes in Bezug zur angestrebten Umsetzungsebene gesetzt werden. So liegt das Ziel einer unilateralen Regelung regelmäßig in der Außerachtlassung ausländischer Wertungen, während zwischenstaatliche Absprachen i. d. R. auf eine koordinierte Verfahrensweise abzielen. Ein unilaterales Gesetz ohne weitere Absprachen ermöglicht die zielgenaue Einpassung der Neuregelung in die nationale Steuerrechtsordnung. Eine Rück309 Ausführlich: Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 350. Teilweise wird formuliert, dass eine Vereinfachung durch Verzicht auf Rechtsfolgendifferenzierung dann gerechtfertigt ist, wenn der Gewinn an Praktikabilität des Vollzugs nicht unangemessen gegenüber dem Verlust an Einzelfallgerechtigkeit ist, Isensee, StuW 1994, S. 3 (10). 310 Vgl. Reimer, ifst-Schrift 527, S. 20 (22); Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 44. So auch der unionsrechtliche Grundsatz in Art. 5 Abs. 1, 3 EUV und Ansätze im deutschen Verfassungsrecht wie Art. 72 Abs. 2 GG. 311 EU-Kommission, COM(2018) 147 final, S. 3 f.; OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 370 ff.
B. Prüfungspunkte
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sichtnahme auf anders lautende Regelungsinteressen fremder Staaten ist nicht erforderlich. Darüber hinaus steht – zumindest dem deutschen Gesetzgeber – die Möglichkeit eines unilateralen treaty-overrides offen. Somit ist dieser materiellrechtlich in der Lage, für sein nationales Regelungskonzept unpassende internationale Absprachen nicht anzuwenden und sie damit zu überwinden.312 Dennoch müssen auch einzelstaatliche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Internationalität der Problematik betrachtet werden. I. R. eines national autarken Vorgehens ist eine Rechtszersplitterung auf internationaler Ebene zu erwarten, die Wachstumshindernisse schafft und Steuerwettbewerb fördert.313 Insbesondere treaty-overrides verringern die Bereitschaft zur zwischenstaatlichen Kooperation in Steuersachen314 und begegnen darüber hinaus einer verfassungsrechtlichen Teilbedenklichkeit.315 Bilaterale Absprachen in Form völkerrechtlicher Verträge (sog. DBA) bieten gegenüber nationalen Alleingängen den Vorteil, durch Berücksichtigung der unterschiedlichen Steuersysteme in den Vertragsstaaten sachgerechter mit grenzüberschreitenden Sachverhalten umzugehen.316 Umgekehrt ergeben sich im Vergleich zu multilateralen Bestrebungen einfachere Abstimmungsprozesse. In der Vergangenheit rührten aus der ständigen Abkommenspraxis Vereinheitlichungseffekte her, die über die Zeit anerkannte Regelungsstrukturen geschaffen und damit zur internationalen Rechtsvereinheitlichung beigetragen haben.317 Dennoch ist auch eine Regelung durch einzelne DBA mit Nachteilen behaftet. Aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Abkommen kann sich ein kaum zu durchschauendes und komplexes Regelungsdickicht ergeben. Zudem ist zu erwarten, dass insbesondere diejenigen Staaten, die aufgrund ihrer Steuerpolitik als maßgebliche Auslöser der Besteuerungsprobleme im Zusammenhang mit digitalen Geschäftsmodellen zu identifizieren sind, nicht zum Abschluss bilateraler Verträge bereit sind. Weiterhin denkbar ist eine Lösung auf multilateraler Ebene. Ihre Wirksamkeit in Bezug auf die Verbesserung der Problemlage hängt maßgeblich von der Anzahl und dem Gewicht der beteiligten Staaten ab. Gleichzeitig steigt mit der Zahl der beteiligten Staaten auch die Inhomogenität der Akteure. Die Vielzahl an unterschiedlichen Steuersystemen und Interessen machen u. U. inhaltliche Kompromisse erfor312 Zum treaty override: Pohl, in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Vorb. zu § 1 AStG Rz. 22; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 623; Englisch, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, Rz. 5.26. 313 Vgl. Reimer, ifst-Schrift 527, S. 20 (23 f.). 314 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 22.89; Pohl, in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Vorb. zu § 1 AStG Rz. 21; zu den völkerrechtlichen Folgen eines treatyoverrides: Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen des Abkommensrechts Rz. 197 f. 315 Z. B. beim vorträglichen treaty-override, vgl. Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 625; Pohl, in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Vorb. zu § 1 AStG Rz. 26; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen des Abkommensrechts Rz. 201 ff. 316 Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 618 f.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.1 ff. 317 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.12 ff.
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
derlich,318 die dazu geeignet sind, einen grds. soliden Lösungsvorschlag in Sachen Effektivität stark zu verwässern. Ist dann ein Kompromiss gefunden, ist unklar, ob dieser dauerhaft gehalten werden kann oder ob die Vertragsgemeinschaft nach und nach durch Aufkündigung des Abkommen auseinanderfällt. Auch eine Anpassung und Fortbildung des Vertragsinhalts erscheint aufgrund der Vielzahl an Akteuren schwierig.319 Letztlich kommt auch die supranationale Ebene der Europäischen Union als Regelungsstandort in Betracht. Im Gegensatz zu anderen multistaatlichen Vereinbarungen kann eine Regelung auf Unionsebene auf die Errungenschaften europäischer Rechtssetzung zurückgreifen. Dabei stellt die Einbettung in ein bereits vorhandenes Regelungssystem mit weitreichenden kodifizierten Instrumenten wie dem europäischen Rechtsschutzsystem, Amts- und Rechtshilferegelungen, etc. einen Vorteil in praktischer Hinsicht dar. Daneben ermöglichen die angeglichenen Rechtsstaatlichkeits- und Grundrechtsstandards eine einfachere Handhabung, da mitgliedsstaatliche Handlungen in einzelnen Besteuerungsverfahren ohne vorherige Überprüfung anerkannt werden können.320 Letztlich befördert der Anwendungsvorrang des Unionsrechts die Effektivität und Konsequenz der Umsetzung ins nationale Recht. Als nachteilig ist v. a. der begrenzte räumliche Geltungsbereich anzusehen, da gerade die Staaten, von denen aus digitale Geschäftsmodelle maßgeblich betrieben werden und die damit den Ausgangspunkt der identifizierten Probleme darstellen, nicht von der Regelungswirkung erfasst wären.321 b) Umsetzungsvoraussetzungen Zentraler Kern einer jeden gesetzgeberischen Umsetzung ist der Konsens. Je nach Umsetzungsebene ist dieser in unterschiedlicher Quantität und Qualität erforderlich. Damit erfordert jeder mögliche Regelungsstandort die Einigkeit einer verschieden hohen Anzahl an Amts- und Mandatsträgern.322 Für eine unilaterale Regelung normiert das Grundgesetz in Art. 105 GG die Gesetzgebungshoheit von Bund und Ländern.323 Erforderlich ist der Beschluss durch den Bundestag mit anschließender ordnungsgemäßer Beteiligung des Bundesrates, Art. 77 Abs. 1 S. 1, 78 Var. 1 und 2 GG.324 Im Vergleich mit der Umsetzung auf 318
Vgl. Reimer, ifst-Schrift 527, S. 20 (22). Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.24 f. 320 S. o. Kapitel 3: B.V.1.c) Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs, S. 136. 321 So z. B. eine einheitliche Verhandlungsstrategie, wie sie im Richtlinienvorschlag vorgesehen war: EU-Kommission, COM(2018) 147 final, S. 4 f. 322 Reimer, ifst-Schrift 527, S. 20 (21). 323 S. o. Kapitel 3: B.III.1.a) Formelle Verfassungsmäßigkeit, S. 116. 324 Benötigt wird die Mehrheit der abgegebenen Stimmen im Bundestag, Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG. Die Beteiligung des Bundesrates richtet sich danach, ob aufgrund der teilweisen Aufkommenszuweisung an die Länder (Art. 105 Abs. 3 GG) seine Zustimmung erforderlich ist oder ob anderenfalls die Nichterhebung eines Einspruchs genügt. 319
B. Prüfungspunkte
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anderen Ebenen stellt dieses Verfahren keine allzu hohe Hürde dar. Beteiligt sind nur die Rechtssetzungsorgane eines einzelnen Staates, sodass eine inländische parlamentarische Mehrheit genügt.325 Regelmäßig verfügen die Regierungsfraktionen über eine derartige Mehrheit zumindest im Bundestag. Auf bilateraler Ebene zeichnen sich bereits erhöhte Zustimmungshürden ab. So muss neben einem Konsens auf zwischenstaatlicher Ebene, welcher regelmäßig durch die Regierungen der Länder verhandelt wird, auch eine Umsetzung ins nationale Recht durch das jeweilige Parlament erfolgen. Es ist also ein dreifacher Konsens erforderlich: einerseits die Einigung der Exekutivorgane i.R. eines völkerrechtlichen Vertrages, andererseits die beiderseitige Umsetzung ins nationale Recht durch die jeweilige Legislative der Staaten.326 Erheblich erweitert sich diese Problemlage auf multilateraler Ebene. Hier gelten grds. die gleichen Umsetzungsvoraussetzungen wie auf bilateraler Ebene. Allerdings erweitert jede dem Abkommen hinzutretende Nation den Kreis der Vertragskontrahenden auf internationaler Ebene. So ist dort die Einigkeit sämtlicher Amtsträger erforderlich, was die qualitativen Anforderungen an den Konsens erhöht. Während die qualitativen Beschlussanforderungen auf der nationalen Umsetzungsebene im Vergleich zu den anderen Umsetzungsvarianten gleich bleibt, nimmt die Quantität der erforderlichen nationalen Konsense mit jedem beteiligten Staat zu. Insgesamt erhöhen sich die Umsetzungshürden daher mit jedem hinzutretenden Akteur massiv. Auch aufgrund der Unterschiedlichkeit der nationalen politischen Systeme kann nicht ohne Weiteres von einer Übereinstimmung von aushandelnder Exekutive und umsetzender Legislative in allen Staaten ausgegangen werden, sodass sich eine Implementierung ins nationale Recht mitunter schwierig gestalten kann. Davon hebt sich die europäische Ebene als multilaterales, aber supranationales Regelungskonstrukt ab. Zwar kommt der Europäischen Union mangels umfassender Ermächtigungsgrundlage zur Harmonisierung des Steuerrechts außerhalb des Bereichs der indirekten Steuern keine uneingeschränkte Regelungskompetenz zu.327 Jedoch ermöglichen Art. 113 AEUV für indirekte Steuern und Art. 115 AEUV für alle anderen Steuerarten, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken, den Erlass von Richtlinien. Im Hinblick auf die Konsenserfordernisse auf europäischer Ebene ist in beiden Fällen eine einstimmige Entscheidung im Rat der Europäischen Union erforderlich, Art. 289 325
Anders bei Erforderlichkeit einer Grundgesetzänderung, s. o. Kapitel 3: B.III.1.a) Formelle Verfassungsmäßigkeit, S. 116. 326 So zumindest die vorherrschende dualistische Theorie, vgl. Herdegen, Völkerrecht, § 22 Rz. 1 ff.; zum Abschluss und Wirksamwerden von DBA: Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.16 ff.; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen des Abkommensrechts Rz. 47 ff. 327 Es gilt der Grundsatz der beschränkten Einzelermächtigung und das Subsidiaritätsprinzip, Art. 5 Abs. 1 bis 3 EUV; vgl. Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 867, 872; Jochum, Europarecht, Rz. 313, 319; Herdegen, Europarecht, § 6 Rz. 26 ff., § 8 Rz. 74 f.
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
Abs. 2, 113 bzw. 115 AEUV (besonderes Gesetzgebungsverfahren).328 So ergibt sich ebenso wie bei anderen multilateralen Vereinbarungen ein Einstimmigkeitserfordernis und damit formell kein Vorteil. Allerdings kann die Europäische Kommission als autarkes Exekutivorgan mit ihren Mitgestaltungsrechten im Gesetzgebungsverfahren329 Normentwürfe vorbereiten und bereits zu diesem Zeitpunkt auf die Konsensfähigkeit hinarbeiten. Deshalb und aufgrund des abschließenden Kreises an Mitgliedstaaten, die qua Beitritt durch die Achtung der Grundwerte der Europäischen Union verbunden und unifiziert sind, gestaltet sich bereits die Konsensfindung auf unionaler Ebene einfacher als auf multilateraler Ebene ohne Eingliederung in eine supranationale Instanz. Auf mitgliedstaatlicher Ebene muss im Falle von Richtlinien noch eine Umsetzung ins nationale Recht erfolgen. Dort kommt den Staaten jedoch aus europarechtlicher Sicht dem Grunde nach keine Entscheidungskompetenz mehr zu.330 c) Umsetzungswahrscheinlichkeit Zwar ist die politische Dimension der Umsetzung von Maßnahmen zur Reform der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle nicht Teil dieser rechtswissenschaftlichen Arbeit. Dennoch soll anhand objektiver Maßstäbe eine kurze Analyse der Wahrscheinlichkeit einer Umsetzung mit Berücksichtigung der angestrebten Umsetzungsebene durchgeführt werden. Aus objektiver Perspektive lassen sich zwei grundlegende Faktoren ermitteln, die maßgeblichen Einfluss auf die Umsetzungswahrscheinlichkeit haben. Dies ist einerseits die Anzahl und Homogenität der beteiligten Staaten und andererseits die Intensität und Reichweite der Veränderung, die sich aus der Neuregelung ergibt. Je größer der örtliche Anwendungsbereich einer Regelung sein soll, umso mehr Instanzen sind an einem Konsens zu beteiligen; dies ergibt sich aus den bereits ermittelten Umsetzungsvoraussetzungen331 deutlich. Aus dieser höheren Anzahl an Konsenserfordernissen folgt zugleich eine höhere Komplexität im Hinblick auf den Abstimmungsprozess.332 Ebenso zeigt sich, dass nicht nur die bloße Anzahl an beteiligten Staaten entscheidend ist, sondern auch die Homo- oder Heterogenität der Interessen dieser Länder. Fallen die Belange des multilateralen Konsortiums zu weit auseinander, so ist eine Übereinkunft schwieriger zu treffen als bei im Wesentlichen gleichgerichteten Interessen.
328
Die Anwendung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens wird durch Art. 114 Abs. 2 AEUV ausgeschlossen. 329 Herdegen, Europarecht, § 7 Rz. 53, 61 ff. 330 Sog. Gebot effektiver Umsetzung: Herdegen, Europarecht, § 8 Rz. 56, vgl. EuGH, Urteil vom 21. 06. 1988 – C-283/86, ECLI:EU:C:1988:325. 331 Kapitel 3: B.V.3.b) Umsetzungsvoraussetzungen, S. 142. 332 Reimer, ifst-Schrift 527, S. 20 (29).
B. Prüfungspunkte
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Mit Blick auf den Regelungsinhalt ergibt sich eine zweite Kondition für die Umsetzungswahrscheinlichkeit. Das Einfügen einer Neuregelung ins jeweilige nationale Steuerrecht bedarf u. U. erheblicher Anpassung der inländischen Gesetze. Die beteiligten Staaten haben demnach ein Interesse, die Abweichungen von ihren derzeit vorhandenen Regelungen möglichst klein zu halten. Je grundlegender eine Reform der internationalen Besteuerungsregeln ausfällt, desto schwieriger gestaltet sich deren Umsetzung. Noch stärker als die bloßen Abweichungen vom aktuellen Steuersystem fallen die unmittelbaren Folgen der Änderung ins Gewicht; die einzelnen Staaten werden regelmäßig nur ungern dazu bereit sein, vorhandene Herrschaftsrechte abzugeben. Die durch die Reform eintretende Änderung in der Aufteilung des Besteuerungsrechte zwischen den Staaten stellt damit einen Indikator für die Veränderungsintensität des Vorschlags dar. Im Ergebnis kann die Umsetzungswahrscheinlichkeit in folgender Korrelation zusammengefasst werden: Je höher die Intensität und die Reichweite der Veränderung sind, die durch die Neuregelung eintreten und je mehr und heterogenere Staaten an der Schaffung der Reformabsprache beteiligt sind, desto potenziert komplexer gestaltet sich der Abstimmungsprozess und desto unwahrscheinlicher ist i. Erg. auch eine tatsächliche Umsetzung durch alle Beteiligten.333 4. Zusammenfassung Die Praktikabilität bezieht die Anforderungen an eine tatsächlich effektive, handhabbare und umsetzbare Regelung mit ins Prüfprogramm ein. Die Reformvorschläge werden hierbei einer Art „Realitätscheck“ unterworfen, um zu ermitteln, ob von ihnen tatsächlich eine Verbesserung der aktuellen Problemlage zu erwarten ist. Eine Regelung genügt dann den Anforderungen, wenn sie einen tatsächlichen Belastungserfolg ermöglicht, simpel handhabbar ist und in Bezug auf ihre tatsächliche Implementierung in das Steuersystem vor dem Hintergrund der Umsetzungsebene realisierbar erscheint. Zur Sicherstellung eines tatsächlichen Belastungserfolgs müssen sämtliche Stufen des Besteuerungsverfahrens betrachtet werden. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Tatbestandes ist zu berücksichtigen, dass die Subsumtion unter die geschaffene materielle Norm nicht von vornherein unmöglich oder unzumutbar sein darf und dass ein sinnvolles, aber ausgewogenes Maß zwischen Amtsermittlung durch die Finanzbehörden und Mitwirkung durch den Steuerpflichtigen vorgesehen wird. Der ermittelte steuerliche Sachverhalt muss danach der Überprüfung durch die Finanzbehörden zugänglich sein. Dabei ist aufgrund des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips der Informationszugriff im Ausland grds. nicht möglich, sodass besondere Maßnahmen wie Amtshilfe oder die Einführung erweiterter Mitwirkungspflichten zu erwägen sind. Zuletzt muss auch die Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs sichergestellt sein. Die formellen Regeln des Besteuerungsverfahrens 333
Vgl. Reimer, ifst-Schrift 527, S. 20 (29).
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
sind auf die materiellen Voraussetzungen des Tatbestands anzupassen, sodass ein möglichst effizientes und flächendeckendes Durchsetzungsverfahren, das gleichzeitig wirksamen Rechtsschutz gewährt, entsteht. Da das Steuerverfahren regelmäßig ein Massenverfahren darstellt und sich darüber hinaus bei überkomplexen Regelungen ein „Dummensteuereffekt“ einstellt, ist im Hinblick auf die Praktikabilität ein Augenmerk auf die Simplizität der Neuregelung zu legen. Die Steuer soll sich am wirtschaftlichen Tatbestand und nicht an der Sachkenntnis und den Steuervermeidungskünsten des Steuerpflichtigen oder dessen Berater bemessen. Um eine komplexe Regelung zu vermeiden, kann dabei auf einen prinzipiengebundenen Tatbestand anstatt kleinteiliger Detailregelungen und in gewissem Maße auf Typisierung gesetzt werden. Für die Realisierbarkeit des Reformvorschlags ist die jeweils angestrebte Umsetzungsebene entscheidend. Diese gibt die räumliche Reichweite der Regelung vor, stellt aber gleichzeitig auch die Konsensanforderungen auf, die erforderlich sind, um die Reform ins internationale Steuerrechtssystem aufzunehmen. Grundsätzlich kann dabei festgehalten werden, dass sich eine Umsetzung schwieriger gestaltet, je mehr Parteien involviert sind. Daneben sind jedoch auch Faktoren wie die Intensität und Reichweite der Veränderung durch die Reform sowie die Homo- bzw. Heterogenität der beteiligten Staaten für die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung maßgeblich.
VI. Gesamtabwägung Innerhalb der fünf herausgearbeiteten Prüfungspunkte wurden jeweils Kriterien und Prämissen aufgestellt, unter deren Berücksichtigung von einer Optimallösung in Bezug auf den einzelnen Bereich des Untersuchungsprogramms gesprochen werden kann. Gleichwohl wurde bereits eingangs334 erwähnt, dass kein Lösungsvorschlag unter gleichzeitiger und vollständiger Berücksichtigung aller Vorgaben aus den fünf Prüfungspunkten überzeugen kann. Wohl kein derzeitig bestehendes Steuergesetz erfüllt sämtliche Kriterien restlos. Dies liegt darin begründet, dass sich einzelne Anforderungen an die Gesetzgebung bereits von vornherein zumindest teilweise widersprechen. So geht eine simple Regelung, wie sie vom vierten Punkt anvisiert wird, mit Typisierungen einher, die schon ihrer Natur nach in gewissem Umfang dem Leistungsfähigkeitsprinzip zuwiderlaufen.335 Demnach bedarf es dieses sechsten methodischen Zusatzpunktes. Ziel muss es sein, eine Reformmöglichkeit zu finden, die den besten Kompromiss aus allen Kriterien in sich vereint. Innerhalb der ersten fünf Prüfungspunkte ist demnach unter den dort erarbeiteten Kriterien eine voneinander unabhängige Bewertung des jeweiligen Reformvorschlages vorzunehmen. Innerhalb der Gesamtabwägung müssen 334
S. o. Kapitel 3: A. Vorgehensweise, S. 82. S. o. Kapitel 3: B.IV.2.a) Unausweichlichkeit und steuerjuristische Betrachtungsweise, S. 128. 335
C. Ergebnis: Das 5+1-Programm
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diese Einzelergebnisse dann ins Verhältnis zueinander gesetzt werden, sodass sich unter Berücksichtigung von positiven und negativen Faktoren ein Gesamtbild ergibt. Bei dieser Gesamtabwägung dürfen die Prüfungspunkte nicht gleichrangig nebeneinanderstehen, sondern müssen entsprechend ihrer Wichtigkeit priorisiert werden. Da es maßgebliches Ziel der Reform ist, die festgestellte Problemlage faktisch zu verbessern (Punkte 1 und 5), muss die Effektivität des Vorschlags vorrangig in die Gesamtabwägung miteinfließen. Erst danach ist die dogmatische Legitimität (Punkt 2) zu berücksichtigen, um die wissenschaftlich betrachtet beste Lösung aus den effektiven auszuwählen. Letztlich ist der Grad an Kohärenz mit der Rechtsordnung sowie die Umgehungsmöglichkeiten (Punkte 3 und 4) mit in die Abwägung einzustellen. Diese stellen zwar gewichtige Qualitätskriterien für den Regelungsansatz dar, die jedenfalls Berücksichtigung beim Vergleich der einzelnen Ansätze spielen müssen. Jedoch können hier am ehesten graduelle Abstriche vertretbar sein, die zur Verwirklichung einer Lösung in Kauf genommen werden müssen.
+1-Programm C. Ergebnis: Das 5+ Bereits Adam Smith dachte 1776 in seinem Werk „Der Wohlstand der Nationen“ darüber nach, welchen Anforderungen ein Staat bei der Besteuerung seiner Bürger nachkommen sollte.336 Seitdem sind fast 250 Jahre vergangen, das Steuersystem ist deutlich komplexer geworden und sieht sich nun immer mehr mit den Herausforderungen der globalisierten und digitalisierten Welt konfrontiert. Damit die Anpassung der vorhandenen Steuerordnung an die neuen Erfordernisse gelingt, sollten Reformen daher weiterhin bestimmte Grundprinzipien beachten, die jedoch im Kontext des heutigen Wirtschaftsgefüges betrachtet werden müssen. Dies versucht das „5+1-Programm“ zu vereinen und dabei vor allem die Besonderheiten der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle und die darin enthaltenen Probleme in den Fokus rücken. Die fünf herausgearbeiteten Prüfungskriterien – Verbesserung der Problemlage337, dogmatische Legitimität338, Kohärenz mit der Rechtsordnung339, Umgehungsmöglichkeiten340 und Praktikabilität341 – spiegeln die Kernanforderungen an eine gute Gesetzgebung wieder. Um mithilfe dieser Einzelkriterien eine einheitliche Aussage über die Qualität eines Reformvorschlags abgeben zu können, bedarf es 336 337 338 339 340 341
Smith, Der Wohlstand der Nationen, S. 703 ff. S. o. Kapitel 3: B.I. Verbesserung der festgestellten Problemlage, S. 83. S. o. Kapitel 3: B.II. Dogmatische Legitimität, S. 85. S. o. Kapitel 3: B.III. Kohärenz mit der Rechtsordnung, S. 116. S. o. Kapitel 3: B.IV. Umgehungsmöglichkeiten, S. 125. S. o. Kapitel 3: B.V. Praktikabilität, S. 131.
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Kap. 3: Anforderungen an die sachgerechte Besteuerung
allerdings der zusätzlichen Gesamtabwägung342, die die ermittelten Ergebnisse ins Verhältnis zueinander setzt und daraus die erforderlichen Kompromisse wertet. Dieses Vorgehen ist im Besonderen auf die Reformbestrebungen im Bereich der Besteuerung global agierender Digitalkonzerne anzuwenden, gilt jedoch im Allgemeinen auch für sämtliche Gesetzgebungsvorgänge mit grenzüberschreitendem Bezug. Im Ergebnis trifft ein Besteuerungsmodell dann eine vertretbare Zuordnungsentscheidung, wenn es möglichst weitgehend alle der vorgenannten Prüfungspunkte umsetzt. Für die bestmögliche Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle ist daher dasjenige System auszuwählen, das im Rahmen einer Gesamtabwägung eine tatsächlich eintretende Verbesserung der Problemlage unter Ausschluss von Umgehungsmöglichkeiten verspricht und gleichzeitig dogmatisch begründbar sowie vereinbar mit der vorhandenen Rechtsordnung erscheint.
342
S. o. Kapitel 3: B.VI. Gesamtabwägung, S. 146.
Kapitel 4
Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung Als erster Cluster an Reformvorschlägen sollen diejenigen Ansätze betrachtet werden, die allesamt einen, im Marktstaat eintretenden Sachverhalt zur Grundlage eines Anknüpfungspunktes zur dortigen Besteuerung machen. Zwar lassen sich die einzelnen, hier zusammengefassten Konzepte anhand der unterschiedlichen Ausformungen ihrer Anknüpfungskriterien unterscheiden. Die entwickelten Tatbestände finden jedoch Eingang in die Ertragsteuergesetze der einzelnen Staaten sowie in die einzelnen DBA und modifizieren so die allgemeinen Steuergesetze. Ihnen allen ist gemein, dass sie eine Anpassung des vorhandenen Systems anstreben, diese Umgestaltung aber weitreichender ist als alle bisherigen Änderungen und Reformen im internationalen Steuerrecht.
A. Inhalt des Regelungsansatzes Nicht erst seitdem die Diskussion um die geringe Steuerlast digitaler Geschäftsmodelle auch in der breiten Öffentlichkeit angekommen ist, beraten Fachkreise über die sachgerechte Besteuerung digitaler Unternehmenskonzepte und damit um die Modifikation internationaler Steuerregelungen. Immer wieder wurde erörtert, ob das Anknüpfungsmerkmal der Betriebsstätte, das noch dem 19. Jahrhundert entstammt,1 der Einkünfteerfassung in modernen Unternehmen noch gerecht wird. Gerade in der jüngeren Vergangenheit wurde deren Tatbestand immer wieder angepasst und erweitert, um so z. B. die künstliche Vermeidung von Betriebsstätten mittels getrennter Tochterunternehmen und Logistikzentren zu unterbinden.2 Insoweit erscheint die derzeitige Debatte um die Einbeziehung von Marktfaktoren in die Nexusbegründung als Weiterführung der erfolgten Adaptionen im Betriebsstättenbegriff. Ausgangpunkt der derzeitigen internationalen Bestrebungen ist das BEPS-Projekt der OECD. Dieses ging im Jahr 2012 aus einer Absprache der G20-Regierungschefs 1
Vgl. §§ 26 Nr. 1, 36, 40, 41 AllgGewO Pr; vgl. Art. 2 Abs. 1 des preußisch-österreichischen Doppelbesteuerungsvertrages vom 21. 06. 1899; Kolck, Betriebsstättenbegriff, S. 11, Fn. 9 m. w. N.; Walcker, The Evolution of the Agency Permanent Establishment Concept, S. 1 f. 2 Heggmair/Riedl/Wutschke, IStR 2015, S. 92 (94).
150
Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
hervor, die erklärten, zur Vermeidung von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung die Berichte und Vorschläge der OECD zu beobachten.3 Seither wird unter dem Aktionspunkt 1: „Tax Challenges Arising from Digitalisation“ erörtert, inwieweit eine internationale Lösung auf Ebene der OECD erfolgen kann. Hierbei wird schwerpunktmäßig gerade auch eine Anpassung der Nexusregeln unter Einbeziehung der Marktfaktoren als Bezugspunkt der Besteuerung diskutiert.4 Daneben hat auch die Europäische Union mit dem Entwurf einer Richtlinie zur Einführung einer signifikanten digitalen Präsenz als Anknüpfungsmerkmal ein gleichgerichtetes Konzept vorgestellt.5 Bislang handelt es sich jedoch auf beiden Ebenen lediglich um Vorschläge; eine Umsetzung ist hingegen nicht erfolgt, wenngleich sich eine Einigung auf multilateraler Ebene abzeichnet.6 Diese zögerliche Vorgehensweise auf internationaler Ebene sowie die mit einer Umsetzung einhergehenden weitreichenden Änderungen7 zeigen, dass es sich bei den Vorschlägen nicht nur um eine Adaption zum Betriebsstättenkonzept, sondern um einen tiefen Eingriff ins internationale Steuersystem handelt.
I. Grundmodell Die hier zusammengefassten Regelungsvorschläge beruhen alle auf der Grundannahme, dass es durch die Entwicklung digitaler Technologien möglich ist, auch ohne einen physischen Anknüpfungspunkt, wie die Betriebsstätte ihn darstellt, in gleicher Intensität auf das Wirtschaftssystem eines Staates einzuwirken. Aus dieser Hypothese heraus begründet sich die Forderung der Reformansätze nach der Entwicklung eines, der Betriebsstätte nebengeordneten und gleichwertigen inländischen Anknüpfungsmerkmals. Dieser neue Nexus soll durch Änderung der vorhandenen allgemeinen Steuerregeln in das nationale und internationale Regelungsgefüge implementiert werden. Erforderlich ist daher einerseits, dass in § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG, der über §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 KStG auch im Körperschaftsteuerrecht steuerpflichtbegründend wirkt, ein neues inländisches Anknüpfungsmerkmal geschaffen wird, das eine beschränkte Steuerpflicht auch für Unternehmen vorsieht, die anders als durch körperliche Anwesenheit im Inland präsent sind.8 Damit diese neu begründete Steuerpflicht überhaupt zum Tragen kommt, müssen andererseits auch die DBA entsprechend ange3
G20, Leaders Declaration vom 19. 06. 2012, Rz. 48. Vgl. OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 277 ff. 5 Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 147 final. 6 Angedacht ist die Einführung einer Nexusänderung kombiniert mit der Implementierung eines globalen Mindestbesteuerungsregimes, vgl. OECD, Statement on a Two-Pillar Solution; zum Mindestbesteuerungsregime s. u. Kapitel 6: Globale Mindestbesteuerung, S. 242. 7 Dazu sogleich Kapitel 4: A.I. Grundmodell, S. 150. 8 Ähnliches muss in sämtlichen anderen inländischen Rechtsordnungen erfolgen, die sich an dem Konzept beteiligen möchten. 4
A. Inhalt des Regelungsansatzes
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passt werden. Eine effektive Änderung der Zuordnung von Besteuerungsrechten erfolgt nur dann, wenn die Art. 7 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Artikel in den einzelnen DBA ebenfalls um den marktbezogenen Anknüpfungspunkt erweitert werden. Folge einer flächendeckenden Umsetzung wäre dann, dass Einkünfte von Digitalunternehmen trotz fehlender Betriebsstätte in demjenigen Staat der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, wo durch das definierte Betriebsstättenäquivalent ein Anknüpfungspunkt geschaffen wurde und dies gleichzeitig nicht durch anders lautende DBA konterkariert wird. Demnach zeigt sich, dass vor allem die Gestaltung des Anknüpfungskriteriums entscheidend für die reformierte Verteilung der Besteuerungsrechte ist. Ziel ist es, die intensive Tätigkeit im Marktstaat in einer oder mehreren subsumierbaren Voraussetzungen abzubilden und so eine Parallelität zur Betriebsstätte zu gewährleisten. Die Auswahl und die Ausgestaltung des oder der Kriterien ist damit entscheidend für die daraus resultierende Besteuerung der Unternehmen. Da der Markteinfluss anhand unterschiedlicher wirtschaftlicher Folgen sichtbar gemacht werden kann, entstehen an dieser Stelle Gestaltungsmöglichkeiten für den Gesetzgeber. Diskutiert werden unterschiedliche Ansätze, die alle das Ziel verfolgen, einen Nexus anhand von Marktkriterien immer dann zu begründen, wenn ein ähnlicher wirtschaftlicher Markteinfluss vorliegt, wie er durch die Betriebsstätte abgebildet wird. Offensichtlich ist, dass diese Ansätze allesamt eine weitreichende Reform des internationalen Steuerrechts und zumindest eine teilweise Abkehr vom bisherigen, lediglich auf Produktionsfaktoren beruhenden System bedeuten. Durch den Regelungsstandort in den allgemeinen Ertragsteuergesetzen und DBA ergibt sich ein zunächst offener Anwendungsbereich für die umsetzenden Normen. Damit muss bei grenzüberschreitenden Sachverhalten immer geprüft werden, ob das neue Anknüpfungsmerkmal vorliegt und nicht nur dann, wenn eine Umgehungsgestaltung festgestellt wurde, wie dies bei speziellen Missbrauchsvermeidungsnormen der Fall ist. Diese Gruppe an Reformvorschlägen zielt daher nicht nur auf das Schließen von Besteuerungslücken ab, sondern ordnet die Regelungen zur Aufteilung des internationalen Steuerkuchens neu.9 Bei einer Umsetzung würden sich deutliche Verschiebungen bei der Verteilung des Steuersubstrates unter den Staaten ergeben, die im Vergleich zur aktuellen Regelungslage den Absatzmarkt stärker berücksichtigen. Dabei besteht einerseits die Möglichkeit, dies auf Digitalunternehmen zu beschränken, indem die steuerpflichtbegründenden Merkmale auf Eigenschaften beruhen, die typisch für die Digitalwirtschaft sind.10 Andererseits ist auch eine Ausgestaltung als allgemeiner Nexus für Unternehmen aller Art denkbar, wenn an gewöhnliche absatzmarktbezogene Faktoren angeknüpft wird.11 9 Vgl. Hongler/Pistone, Blueprints for a New PE Nexus, S. 2; Marquardt, IStR 2020, S. 292 (299). 10 So die wirtschaftliche Präsenz, vgl. Kapitel 4: A.II.1. Wirtschaftliche Präsenz (Significant Economic Presence), S. 152 und der Vermarktungsnexus vgl. Kapitel 4: A.II.3. Vermarktungsnexus (Marketing Intangibles), S. 154. 11 So der Nutzernexus vgl. Kapitel 4: A.II.2. Nutzernexus (User Participation), S. 153.
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
Zusammenfassend handelt es sich hier um Regelungsvorschläge, die auf Marktfaktoren basieren und durch ihren Regelungsstandort in den Ertragsteuergesetzen und den DBA in der Lage sind, digitale Geschäftsmodelle der beschränkten Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht zu unterwerfen, auch wenn sie keine körperlichen Anknüpfungsmerkmale im Inland haben.
II. Ausgestaltungsmöglichkeiten Zur Berücksichtigung von Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt für die Aufteilung des Steuersubstrats unter den Staaten sind unterschiedliche Ausgestaltungen denkbar. Alle Ansätze versuchen ein sachgerechtes Kriterium zu finden, anhand dessen sich ein ausreichender Einfluss des potentiell Steuerpflichtigen auf das jeweilige innerstaatliche Wirtschaftssystem abbilden lässt. Denkbar sind hierbei unzählige Varianten und Kombinationen aus diesen. Im Folgenden sollen die wesentlichen Vorschläge kurz vorgestellt werden. 1. Wirtschaftliche Präsenz (Significant Economic Presence) Ausgangspunkt der Vorschläge zur Berücksichtigung von Marktfaktoren bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle ist die Schaffung eines Anknüpfungsmerkmals, das die Prinzipien, die hinter dem bekannten Betriebsstättennexus stehen, ins digitale Zeitalter überführen soll.12 Ziel des Ansatzes ist es, Unternehmen einen steuerlichen Anknüpfungspunkt zuzuweisen, wenn diese im Inland absichtlich auf eine dauerhafte Beteiligung am örtlichen Markt hinwirken. Dies erfolgt regelmäßig dadurch, dass der potentiell Steuerpflichtige versucht, eine verfestigte und nicht nur vorübergehende Bindung zu Nutzern und Kunden in diesem Staat herzustellen.13 Maßgeblicher Faktor zur Bestimmung der Marktmacht, und damit desjenigen Punktes, der eine Gleichstellung mit der Betriebsstätte rechtfertigen soll, ist die Erzielung gewisser Einnahmen in einer Jurisdiktion. In den erzielten Einnahmen spiegelt sich der wirtschaftliche Erfolg am Standort und damit auch die Einwirkung auf den innerstaatlichen Markt wider.14 Gleichwohl dürfen nicht ausschließlich reine Umsatz- oder Gewinnwerte zur Bestimmung der Steuerpflicht herangezogen werden.15 Um die proaktive Einwirkung eines Unternehmens auf das Wirtschaftsleben eines Staates in einem Nexus zu erfassen, sollen ergänzende Faktoren Berücksichtigung finden, in denen sich die 12
Entsprechende Ansätze werden regelmäßig auch als „virtuelle Betriebsstätte“ bezeichnet, vgl. Cloer/Gerlach, FR 2018, S. 105; Kofler/Mayr/Schlager, BB 2017, S. 1751. 13 OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 350; OECD, Public Consultation Document, Rz. 51. 14 OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 278. 15 So jedoch mittlerweile OECD, Pillar One Draft Model Rules, S. 5 ff.
A. Inhalt des Regelungsansatzes
153
zielgerichtete Einwirkung manifestiert. Nur wenn ein potentiell Steuerpflichtiger die digitale Infrastruktur eines Staates gezielt für seine Zwecke nutzt, soll dort eine Besteuerung erfolgen.16 Hierfür sollen, neben den einnahmenbezogenen Größen, auch digitale oder nutzerbasierte Momente im Anknüpfungspunkt zu subsumierbaren Voraussetzungen werden.17 So können einerseits analoge Notwendigkeiten, die für den digitalen Erfolg erforderlich sind, wie bspw. lokale Domains, länderspezifische digitale Plattformen oder die Verwendung landestypischer Zahlungsmethoden ein willentliches Einwirken des Unternehmens auf einen Staat abbilden. Andererseits lässt sich eine geschäftliche Basis aus weniger steuerbaren – heute aber umso aktuelleren – Kriterien, wie die Anzahl der aktiven Nutzer, erfolgte OnlineVertragsschlüsse oder dem Maß an gesammelten Daten ableiten. Um die gefundene Regelung handhabbarer zu gestalten und eine Besteuerung im jeweiligen Land zu rechtfertigen, sollen Schwellenwerte implementiert werden, die dafür sorgen, dass eine Steuerpflicht nur dann entsteht, wenn die Einwirkung eines Unternehmens auf das Wirtschaftsleben des jeweiligen Staates von einer gewissen Relevanz ist.18 Dies soll auch einer übermäßigen Zersplitterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage vorbeugen.19 Diese Schwellenwerte können sowohl bei den einnahmebezogenen, wie auch bei den nutzerbasierten Faktoren oder bei beiden Eingang in die Norm finden.20 2. Nutzernexus (User Participation) Ein weiterer Ansatz identifiziert die Nutzerbasis und die Datenerhebung bei dieser als wesentliches Merkmal hochdigitalisierter Unternehmen.21 Der Fokus dieses Ansatzes liegt damit ausdrücklich auf Social-Media-Plattformen, Suchmaschinen und Onlinemarktplätzen.22 Ein Anknüpfungsmerkmal soll sich daher unmittelbar daraus ergeben, dass eine Vielzahl an Nutzern aktiv am Unternehmenskonzept partizipieren und damit auf dieses einwirken. Begründet wird dies mit der Funktion des Nutzers, dem im Vergleich zu einem bloßen Kunden weitreichendere Bestimmungen zukommen.23 So entsteht die gefestigte Stellung eines Unternehmens, das sich nur über digitale Schnittstellen am inländischen Wirtschaftsgeschehen beteiligt, gerade erst durch die Wahrnehmung im 16
Hongler/Pistone, Blueprints for a New PE Nexus, S. 24. Vgl. OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 279 f. 18 Vgl. OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 278. 19 Hongler/Pistone, Blueprints for a New PE Nexus, S. 26. 20 Eine Besteuerung kann z. B. von einer bestimmten Anzahl an Nutzern oder Transaktionen, aber auch von einem bestimmten Jahresumsatz oder -gewinn abhängig gemacht werden. Möglich und viel diskutiert sind daneben auch Kombinationen beider Konzepte. 21 HM Treasury, Corporate tax and the digital economy: position paper update, Rz. 2.1 ff. 22 OECD, Public Consultation Document, Rz. 19. 23 HM Treasury, Corporate tax and the digital economy: position paper update, Rz. 2.26 ff. 17
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
Inland. Weiterhin liefern die Nutzer und deren Verhalten die Betriebsgrundlage für das Geschäftsmodell, indem Datensätze abgeschöpft werden, um diese nutzbar zu machen. Dadurch wird das vom Unternehmen betriebene Netzwerk erst geschaffen und dann vergrößert, um damit die Grundlage des Geschäftsmodells zu formen und zu erweitern. Schließlich ist es durch diese Basis erst möglich, Marken durch Wahrnehmung der Nutzer entstehen zu lassen und deren Wert zu steigern.24 Diese Faktoren entscheiden allesamt über Erfolg oder Misserfolg des jeweiligen Unternehmens und bilden so dessen Marktmacht ab. Feststellen ließe sich die maßgebliche Aktivität bspw. anhand der IP-Adresse, die eine Geolokalisierung des Nutzers zulässt.25 Gleichzeit ist klar, dass auch hier der Zugriff eines einzigen oder nur sehr weniger Nutzer auf die Website des Unternehmens nicht zur Begründung einer Steuerpflicht in deren Staat ausreicht. Vielmehr wäre auch hier ein Schwellenwert einzufügen, der sicherstellt, dass ein Nexus nur bei Vorhandensein eines bestimmten Gewichts im Nutzerstaat entsteht. 3. Vermarktungsnexus (Marketing Intangibles) Wie der Nutzernexus stellt auch der Vermarktungsnexus durch Rekurs auf die Wahrnehmung eines Unternehmens in einem Staat dort einen Anknüpfungspunkt her. Allerdings ist der Vermarktungsnexus nicht strikt an den Geschäftsmodellen hochdigitaler Unternehmen ausgerichtet, sondern nimmt auch andere verbraucherorientierte Unternehmenskonzepte in den Fokus, die ebenfalls ohne körperliche Präsenz eine gewisse Marktmacht im Marktstaat erlangt haben.26 Dies wird mit der Durchsetzung der gesamten Wirtschaft mit digitaler Technologie begründet. Besteuert werden sollen Unternehmen, die durch bestimmte immaterielle Wirtschaftsgüter auf das Wirtschaftssystem eines Staates einwirken. Diese „Marketing Intangibles“ (Vermarktungsgüter) sind immaterielle Werte, die in Relation zur Vermarktungstätigkeit des Unternehmens stehen, zur kommerziellen Verwertung eines Produktes oder einer Dienstleistung beitragen oder einen Werbeeffekt für das Unternehmen oder dessen Leistungen haben.27 Damit werden Marken, Handelsnamen, Kundendaten und -beziehungen usw. erfasst, wenn sie im jeweiligen Staat Verwendung finden und einer Positionierung des Unternehmens im Markt zuträglich sind. Andere immaterielle Wirtschaftsgüter wie Patente oder andere Schutzrechte sollen dagegen nicht in der Lage sein, einen Nexus zu begründen, da ihnen die funktionale Verbindung zum Marktstaat fehlt.28 24
Cloer/Postler, FR 2020, S. 486 (489); Becker/van der Ham, DB 2019, S. 502 (503). Vgl. EU-Kommission, COM(2018), 148 final, S. 32 (Art. 5); Weggenmann/Blank/ Brunnhübner, IStR 2019, S. 769 (771). 26 OECD, Public Consultation Document, Rz. 29; Bauer/Fritz/Schanz/Sixt, DStR 2019, S. 887 (888). 27 OECD, Public Consultation Document, Rz. 29 Fn. 4. 28 OECD, Public Consultation Document, Rz. 34. 25
A. Inhalt des Regelungsansatzes
155
Diese funktionale Verbindung wohnt Marketing Intangibles kraft einer intrinsischen Verknüpfung zum Marktstaat inne; im Gegensatz zu gewöhnlichen Wirtschaftsgütern, die gezielt durch das Unternehmen geschaffen werden, ergibt sich der Wert derartiger immaterieller Wirtschaftsgüter zu einem erheblichen Teil ohne Zutun des Unternehmens durch den Markt. Vermarktungsgüter entstehen damit entweder durch Wahrnehmung von Verbrauchern und daher in deren jeweiligen Ansässigkeitsstaaten oder auf der Grundlage von Daten, die das Unternehmen im Staat der Verbraucher schöpft.29 Dies kann als erheblicher Anteil am Wertschöpfungsprozess verstanden werden. Die Rechtfertigung zur Gleichstellung mit der Betriebsstätte als herkömmlichem Anknüpfungsmerkmal soll sich aus einer abgewandelten Präsenzform ergeben: Während digitale Technologie das Erfordernis einer physischen Präsenz und damit die Steuerpflicht im Marktstaat erheblich reduziert oder sogar ganz überflüssig macht, wurde die Präsenz von Unternehmen in Form der Wahrnehmung von Verbrauchern im Marktstaat deutlich wichtiger für deren wirtschaftlichen Erfolg.30 Die „geistige Nähe“ zum Kunden ist damit heutzutage mindestens ebenso wichtige Grundlage einer Unternehmenstätigkeit wie es bislang die physische Nähe war. 4. Weitere Ansätze und der Unified Approach Neben den dargestellten Ansätzen sind noch unzählige weitere denkbar. Alle eint jedoch, dass ein Marktfaktor, also ein Zutagetreten von Marktmacht, zum Anknüpfungspunkt zur Begründung einer Ertragsteuerpflicht und über die DBA zur Verteilungsregel für Besteuerungsrechte gemacht wird. Insbesondere sind gänzlich andere Konzepte sowie Abwandlungen der dargestellten Vorschläge oder Kombinationen aus diesen denkbar. Auch für sie gelten grds. die Ausführungen im nachfolgenden Prüfprogramm; die Untersuchung sämtlicher Besonderheiten aller denkbaren Ansätze ist jedoch i. R. dieser Arbeit nicht darstellbar. Insbesondere ist hierbei auf den Unified Approach der OECD31 einzugehen. Dieser wurde aufgrund politischer Differenzen über die künftige Aufteilung von Besteuerungsrechten als Kompromissvorschlag erarbeitet und sollte zwischenzeitlich – nach Absprache der G7, G20 und der OECD – als eine zweier Säulen die globale Besteuerungsproblematik auflösen.32 Inhärent sind ihm daher Fragmente aller vorgenannten Ansätze. Eine inländisches Anknüpfungsmerkmal soll danach vorliegen, wenn im Inland automatisierte digitale Dienstleistungen erbracht oder 29
OECD, Public Consultation Document, Rz. 31. OECD, Public Consultation Document, Rz. 39. 31 Im Überblick: Bauer/Keuper, IStR 2020, S. 685. 32 Gemäß multilateraler Absprache des Inclusive Framworks on BEPS soll der Unified Approach gemeinsam mit einem globalen Mindestbesteuerungsregime in sämtlichen, der 132 sich beteiligenden Industrienationen eingeführt werden, vgl. OECD, Statement on a Two-Pillar Solution. 30
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
konsumentenorientierte Aktivitäten ausgeführt werden.33 Dabei sind Geschäftstätigkeiten, die durch standardisierte digitale Leistungen an eine große Anzahl an Konsumenten Einnahmen erzielen34 als automatisierte digitale Dienstleistungen zu sehen; und solche, die den Verkauf von Waren und Dienstleistungen an Endkunden beinhalten als konsumentenorientierte Aktivitäten.35 Erkennbar geht dieser Ansatz damit über die Kombination der vorgenannten Anknüpfungsmerkmale und auch über das Ziel der Besteuerung originär digitaler Geschäftsmodelle hinaus. Vielmehr schafft der Ansatz ein generelles Besteuerungsrecht für den Fall, dass ein Unternehmen mit Privatpersonen in Kontakt tritt und sich aus diesem Kontakt – wie auch immer – Einnahmen ergeben.36 Ziel ist somit die allgemeine Beteiligung der Marktstaaten am Gewinn internationaler Großkonzerne. Während der Marktbezug durch die beiden sehr weitreichenden Tatbestände festgestellt werden soll, wird die zielgenaue Erfassung großer Unternehmen durch die Begrenzung des Anwendungsbereichs mittels hoher Schwellenwerte erreicht.37 Das Inclusive Framework hat die beiden Anknüpfungsmerkmale allerdings in weiteren Abstimmungen aufgegeben und konzentriert sich nunmehr lediglich auf Umsatzschwellen.38
B. Anwendung des Prüfprogramms Auf das beschriebene Modell sollen nun die oben festgelegten Grundsätze39 angewendet werden, um anschließend eine umfassende Bewertung des Vorschlages vornehmen zu können.40
I. Verbesserung der festgestellten Problemlage Als Probleme wurden i. R. d. vorangegangenen Untersuchung das Bestehen schädlicher Gestaltungsoptionen im Bereich digitaler Geschäftsmodelle, die daraus folgende Besteuerung zu einem effektiv unangemessenen Tarif sowie eintretende 33
OECD, Blueprint for Pillar I, Rz. 38 ff. Beispiele: Onlinesuchmaschinen, Social-Media-Plattformen, Online-Marktplätze, Streamingdienste, Online-Computerspiele, Cloudservices, Online-Werbefunktionen, vgl. OECD, Blueprint for Pillar I, Rz. 43 ff. 35 Beispiele: Onlineshops, die auf den Endverbraucher abzielen, Softwareüberlassung an Endverbraucher, vgl. OECD, Blueprint for Pillar I, Rz. 52 ff. 36 Vgl. Bauer/Keuper, IStR 2020, S. 685 (687). 37 OECD; Blueprint for Pillar I, Rz. 171 ff.; vgl. Bauer/Keuper, IStR 2020, S. 685 (689). 38 Vgl. OECD, Pillar One Draft Model Rules, S. 5 ff.; dies entspricht eher des Ansatzes der wirtschaftlichen Präsenz, s. o. Kapitel 4: A.II.1. Wirtschaftliche Präsenz (Significant Economic Presence), S. 152. 39 S. o. Kapitel 3: B. Prüfungspunkte, S. 83. 40 S. u. Kapitel 4: B.VI. Gesamtabwägung, S. 189. 34
B. Anwendung des Prüfprogramms
157
Wettbewerbsverzerrungen zwischen unterschiedlichen Unternehmensgruppen identifiziert.41 Es wurde aufgezeigt, dass eine Verbesserung der festgestellten Problemlage dann eintritt, wenn die identifizierten Probleme möglichst effektiv42 und unselektiv43 beseitigt werden. 1. Eintretende Verbesserungen a) Schädliche Gestaltungsoptionen Die Einführung eines Marktfaktors als Anknüpfungspunkt für die allgemeine Ertragsteuerpflicht würde die Weichen im Hinblick auf die Ausnutzung des Steuergefälles neu stellen. Das Betriebsstättenerfordernis wird – je nach Ausgestaltung – zumindest für den Bereich hochdigitaler Einkünfte überspielt. Fortan wären Einnahmen, die dem neuen Nexus zugeordnet werden können, durch eine dann bestehende beschränkte Steuerpflicht und durch eine entsprechende Zuweisung in den DBA der Besteuerung durch den Marktstaat zugänglich. Damit würden die anfallenden Einkünfte in dem Staat besteuert, wo sich die Nutzer bzw. Kunden befinden. Sie unterliegen damit auch dem gleichen Steuersatz wie alle anderen Unternehmen, die durch eine Betriebsstätte oder eine Tochtergesellschaft im Marktstaat tätig sind.44 Durch die Begründung eines Besteuerungsrechts zugunsten des Marktstaats ist es den Digitalunternehmen nicht mehr möglich, das steuerliche Anknüpfungsmoment gezielt zu vermeiden und damit einer Besteuerung der Einkünfte durch diesen Staat zu umgehen. Damit ist eine Steuerplanung durch das Ausnutzen der Unkörperlichkeit digitaler Geschäftsmodelle in der bisherigen Form nicht mehr möglich.45 Wird ein Unternehmen in einer ausländischen Jurisdiktion in einem gewissen Umfang tätig, so lässt sich dort eine Steuerpflicht nicht mehr vermeiden. Der Tatbestand knüpft, anders als die Betriebsstätte, an Faktoren an, die den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens vor Ort widerspiegeln und die vom potentiell Steuerpflichtigen nicht aktiv verändert werden können, wenn dieser dort weiterhin i. R. seines Geschäftsmodells tätig sein möchte. Sobald ein Unternehmen im Marktstaat durch eine digitale Schnittstelle tätig wird, hängt das Einsetzen einer Steuerpflicht in diesem Staat lediglich vom Erreichen der festgelegten Schwellenwerte ab, auf welches das Unternehmen regelmäßig keinen Einfluss hat. Ein „Rosinenpicken“ unter den Vorteilen der einzelnen Steuerrechtsordnungen durch planmäßige Verlegung der steuerlichen Anknüpfungsmerkmale entfällt demgemäß. 41
S. o. Kapitel 2: C.II. Probleme für die Steuerrechtsordnungen, S. 66. S. o. Kapitel 3: B.I.2. Effektivität, S. 84. 43 S. o. Kapitel 3: B.I.3. Selektivität, S. 85. 44 Dies gilt vorbehaltlich besonderer Steuervergünstigungen, die der Gesetzgeber in manchen Ländern für die Besteuerung von immateriellen Wirtschaftsgütern gewährt. 45 Auch, dass sich für die entsprechenden Unternehmen durch die Einführung der signifikanten digitalen Präsenz neue Planungsmöglichkeiten ergeben, erscheint daher eher unwahrscheinlich. 42
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
In Bezug auf die Steuervermeidung durch Einsatz immaterieller Wirtschaftsgüter46 wird durch die Einführung eines Marktnexus für die allgemeine Ertragsteuerpflicht keine Verbesserung erzielt.47 Zwar wird mit ihm ein neuer Anknüpfungspunkt zur Besteuerung in einem anderen Land geschaffen, jedoch besteht weiterhin die Möglichkeit, in anderen, niedrig besteuernden Steuerjurisdiktionen eine Dependance zu begründen, der die immateriellen Wirtschaftsgüter zugeordnet werden und wo dann weiterhin auch deren Besteuerung erfolgt. Dem neuen Nexus im Quellenstaat ist hingegen nur derjenige Teil des Gewinns zuzuweisen, der als dort erzielt angesehen werden kann.48 Jedoch geht mit der Erhebung des Marktstaates zu einer besteuernden Rechtsordnung die Anerkennung eines Beitrages des Marktes zur Gewinnerzielung einher. Der Anteil des Steuersubstrates, das dem niedrig besteuernden Staat mit dem immateriellen Wirtschaftsgut zuzuordnen ist, verringert sich. Dies kann zumindest als geringfügige Verbesserung angesehen werden. b) Angemessener Tarif Logische Folge der Etablierung eines Anknüpfungspunktes im Marktstaat ist es, dass Unternehmensgewinne, die diesem Nexus zugeordnet werden, den dortigen Besteuerungsregeln unterliegen und regelmäßig im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens keine Berücksichtigung mehr finden. Dies betrifft auch die Bemessungsgrundlage und den Tarif. Dementsprechend können Einkünfte, die in Abkehr zur aktuellen Rechtslage dem neuen Nexus im Marktstaat zugeordnet werden, einer niedrigeren Besteuerung als im Ansässigkeitsstaat unterliegen, wenn dort günstigere Regelungen gelten. Demnach folgt nicht in allen Fällen aus der Einführung eines neuen Nexus eine höhere Besteuerung, die der des Stammlandes entspricht. Dies ist jedoch auch nicht erforderlich. Ziel der Bestrebungen darf es nicht sein, eine möglichst hohe Besteuerung digitaler Unternehmen zu erreichen, sondern die Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle zu einem angemessenen effektiven Tarif sicherzustellen. Dies muss nicht zwangsläufig der Tarif des jeweiligen Ansässigkeitsstaates sein. Jedenfalls ergibt sich durch die Implementierung eines Marktfaktors als Bezugspunkt für die Besteuerung ein Gesamtbild, das der Besteuerung herkömmlicher Geschäftsmodelle i. R. einer Betriebsstätte sehr nahe kommt. Auch dort leiten sich die Regelungen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage und zum Steuertarif aus der Rechtsordnung des Quellenstaates ab. Dass dies in seiner Grundkonzeption dem Interesse der Staaten an einer Besteuerung zu einem sachgerechten Tarif entspricht, ist unstreitig. 46
S. o. Kapitel 2: C.II.1.b) Günstige Verlagerung immaterieller Wirtschaftsgüter, S. 69. Etwas anderes gilt i. R. d. Ansatzes zum Vermarktungsnexus nur für sog. „Marketing Intangibles“, die aber nur einen geringen Teil aller immaterieller Wirtschaftsgüter ausmachen, s. o. Kapitel 4: A.II.3. Vermarktungsnexus (Marketing Intangibles), S. 154. 48 Dazu s. u. Kapitel 4: B.V.4. Folgefrage: Anpassung der Einkünftezuordnungsregeln, S. 186. 47
B. Anwendung des Prüfprogramms
159
c) Wettbewerbsverzerrungen Mit der Einschränkung von Steuergestaltungsoptionen großer Digitalkonzerne ist auch die Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen eng verbunden. Festgestellt wurde bereits, dass die aktuelle Rechtslage zu Verzerrungen des Wettbewerbs zwischen digitalen und nichtdigitalen Geschäftsmodellen führt, jedoch kaum Ungleichbehandlungen zwischen digital agierenden MNE und KMU hervorruft.49 Durch die Einführung eines Marktfaktor als Bezugspunkt für eine Ertragssteuerpflicht sollte diese Situation zumindest teilweise beseitigt werden. KMU und MNE profitieren bislang gleichermaßen von den mit der Digitaltechnologie verbundenen Steuersparmodellen. Werden durch die Einführung des Reformvorschlages die Möglichkeiten zur Steuerplanung verringert, so wirkt sich dies gleichermaßen auf beide Unternehmensgruppen aus. Demnach rücken digitale Geschäftsmodelle in Sachen Steuergestaltungsoptionen näher an ihre herkömmlichen Pendants heran. Zu erwarten ist daher, dass MNE fortan nur noch auf Steuersparmodelle zurückgreifen können, die auch der herkömmlichen Industrie zustehen und einen gewissen wirtschaftlichen Einsatz erfordern, während KMU solche regelmäßig wegen Rentabilitäts- und Risikofaktoren nicht offenstehen.50 Zudem ergeben sich zwischen den beiden Unternehmensgruppen neue Implikationen. Weil durch die Einführung des neuen Anknüpfungsmerkmals fortan in jedem Marktstaat ein steuerlicher Nexus begründet wird, wenn die vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind, ist damit zu rechnen, dass sich regelmäßig für entsprechend tätige Unternehmen deutlich häufiger Steuerpflichten im Marktstaat ergeben.51 Diese sind mit starkem Complianceaufwand verbunden, der kleinere Unternehmen im Vergleich zu großen Konzernen deutlich mehr belastet und wiederum Markthemmnisse für diese schafft. Insofern können MNE ihr wirtschaftliches Gewicht trotz der formalen rechtlichen Gleichheit besser ausspielen als KMU. Hier kommt es entscheidend auf die Ausgestaltung der Regelung in Bezug auf die Grenzwerte an. Werden Markteintrittshindernisse durch hohe Grenzwerte verhindert, so werden KMU nicht vom erhöhten Complianceaufwand betroffen während die dargelegten Steuergestaltungsoptionen für MNE ausgeschlossen werden. Im Verhältnis zwischen digitalen und nichtdigitalen Geschäftsmodellen kann auf den ersten Blick eine Verbesserung im Hinblick auf Wettbewerbsverzerrungen verzeichnet werden. Sieht man eine unkörperliche Präsenz im Marktstaat als genauso gewichtig wie eine körperliche Präsenz an, so wird durch die Einführung des Reformmodells eine Situation hergestellt, in der beide Bezugspunkte von der Steuerrechtordnung des Marktstaates gleich behandelt werden. Bei einer erheblichen 49 50
S. 73.
Kapitel 2: C.II.2. Wettbewerbsverzerrungen, S. 72. S. o. Kapitel 2: C.II.2.b) Multinationale Konzerne und mittelständische Unternehmen,
51 Abhängig ist dies auch stark von der Ausgestaltung der Voraussetzungen des Anknüpfungspunktes, insbesondere den Schwellenwerten bei Umsatz, Nutzern oder Zugriffen. Werden diese hoch angesetzt, so sind KMU i. d. R. nicht belastet.
160
Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
Wirtschaftstätigkeit im Marktstaat kommt es also unabhängig davon, ob ein Unternehmen körperlich oder digital anwesend ist, zu einer Besteuerung. Dies ist grundsätzlich als wesentliche Verbesserung im Hinblick auf die Gleichheit herkömmlicher und digitaler Geschäftsmodelle anzusehen. Gleichzeitig muss jedoch abhängig von der Ausgestaltung der Reform beachtet werden, dass es zu Unterschieden bei der Nexusbegründung zwischen gewöhnlichen Betriebsstätten und dem neuen Anknüpfungspunkt kommen kann. Wo sich bei einem herkömmlichen Geschäftsmodell unabhängig vom Umsatz die Steuerpflicht nach den Kriterien von § 12 AO richtet, kommt es bei virtuellen Präsenzen entscheidend auf diesen Umsatz an. Dies leitet sich daraus ab, dass der Betriebsstättenbegriff einzig auf Produktionsfaktoren aufbaut, wohingegen die virtuelle Präsenz den Markt stärker gewichtet. Wettbewerbsunterschiede zwischen digitalen und nichtdigitalen Unternehmen ergeben sich also aus der Einbeziehung oder Nichteinbeziehung des Marktes in die Voraussetzungen der Anknüpfungsregel. Während dieser beim Reformmodell eine maßgebliche Rolle spielt, kommt es i. R. d. Betriebsstätte nicht auf ihn an. Dies kann bei einigen Geschäftsmodellen, die sich zwar ähnlich sind, aber sich in digitaler und nichtdigitaler Ausprägung gegenüberstehen, zu Wettbewerbsverwerfungen führen.52 2. Effektivität Die zuvor dargestellten Verbesserungen beschränken sich auf diejenigen Probleme, die sich aus der Möglichkeit einer virtuellen Einwirkung auf das Ausland ergeben. So bestehen bspw. weiterhin Gestaltungsmöglichkeiten, die aus der willentlichen Verlegung steuerlichen Substrats (v. a. immaterielle Wirtschaftsgüter) herrühren. Diese können auch weiterhin zu einer unangemessen niedrigen Besteuerung genutzt werden. Da diese Optionen regelmäßig auch herkömmlichen Unternehmen zustehen, ergibt sich dadurch zumindest formal keine Wettbewerbsverzerrung. Zudem ist zu beachten, dass die angemessene Besteuerung der Gesamteinkünfte eines Unternehmens auch von den Gewinnzuordnungsregeln abhängt. So ergibt sich aus der neu etablierten Steuerpflicht im Quellenstaat nur dann eine signifikante Verbesserung, wenn dieser Jurisdiktion auch ein substantieller Teil des Unternehmensgewinns und nicht nur eine Routinevergütung zugewiesen wird.53 Die Wettbewerbsverzerrungen zwischen MNE und KMU werden eher erweitert anstatt beseitigt. Steuerplanungsmöglichkeiten, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Machtposition nur MNE offenstanden, rücken durch die Einführung der neu be52 So würde beispielsweise ein Streamingdienstanbieter für Musik oder Filme, der seine Leistungen via Internet zur Verfügung stellt, einen inländischen Nexus i. S. d. virtuellen Betriebsstätte begründen. Ein Unternehmen, dass dagegen die gleichen Leistungen nicht über das Internet, sondern durch physisches Verschicken von Datenträgern aus dem Ausland anbietet, unterfiele mangels virtueller und faktischer Präsenz im Inland keiner Steuerpflicht. Siehe dazu weitere Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen: Becker, IStR 2018, S. 634 (636 f.). 53 Dazu s. u. Kapitel 4: B.V.4. Folgefrage: Anpassung der Einkünftezuordnungsregeln, S. 186.
B. Anwendung des Prüfprogramms
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gründeten Steuerpflichten in Marktstaaten in den Vordergrund. Zudem schafft der neue Nexus erhebliche Markteintrittshindernisse, die KMU deutlich stärker betreffen. Insoweit ist die Sicherstellung eines ausreichend hohen Schwellenwertes erforderlich. Zwischen digitalen und nicht digitalen Unternehmen werden die Wettbewerbsverzerrungen beseitigt; bei gleicher wirtschaftlicher Teilhabe im Quellenstaat, mit oder ohne physischem Anknüpfungspunkt, entsteht eine Steuerpflicht. Die Etablierung eines Marktfaktors als Anknüpfungspunkt für eine Steuerpflicht im Quellenstaat verbessert also die spezifischen Probleme, die sich aus der Einwirkungsmöglichkeit digitaler Unternehmen ohne physische Präsenz ergeben. Weitergehende steuerliche Vorteile dieser Unternehmen werden vom Vorschlag nicht beseitigt. Auch hängt die Effektivität insgesamt stark von der Gewinnzuordnung ab.
3. Selektivität Wie hoch der Anteil digitaler Geschäftsmodelle ist, bei denen sich eine Verbesserung in Bezug auf das Anliegen einer substantiellen Besteuerung ergibt, hängt stark von der Ausgestaltung des Regelungsmodells ab. Generell ist ein Marktnexus denkbar, der jedwede Art von Geschäftstätigkeit, die aus dem Ausland vorgenommen wird, der inländischen Besteuerung unterwirft. Ziel der aktuellen Bestrebungen ist es allerdings, die bestehenden Besteuerungsprobleme für digitale Geschäftsmodelle aufzulösen. Hierfür gilt es jedoch, diese so flächendeckend wie möglich zu umfassen. Wird ein Marktnexus nach dem Vorbild einer signifikanten wirtschaftlichen Präsenz im internationalen Steuerrecht installiert, erfasst dieser grds. alle digitalen und digitalisierten Unternehmen. Dies umfasst daher hochdigitale und digitalisierte Konzepte. Eine mehr oder weniger starke Einschränkung der erfassten Unternehmen kann sich jedoch aus den enthaltenen Grenzwerten ergeben. Wird für das Vorliegen eines Anknüpfungspunktes ein sehr hoher Umsatz oder eine große Anzahl an Nutzern im Inland verlangt, so kann sich der Anwendungsbereich der Regelung faktisch auf Großkonzerne beschränken.54 Wesentlich enger ist der Anwendungsbereich der Regelung bei Orientierung an einer Nutzernexusgestaltung. Dieser zielt explizit auf originär digitale Geschäftsmodelle ab, da die Nutzerbeziehung, auf die der Vorschlag ausschließlich abstellt, wesentliches Merkmal typischer Digitalunternehmen, wie Social-Media-Plattformen, Suchmaschinen oder Onlinemarktplätzen ist. Herkömmliche Unternehmen mit digitalisieren Geschäften oder Geschäftsteilen werden damit i. d. R. nicht erfasst. Gerade entgegengesetzt sieht es beim Ansatz des Vermarktungsnexus aus. Dieser orientiert sich nicht an der digitalen oder digitalisierten Tätigkeit eines Unternehmens, sondern lässt es genügen, dass bestimmte Wirtschaftsgüter im Marktstaat 54
So der Fall bei der französischen Digitalsteuer: vgl. Walter, DK 2019, S. 389 (390).
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
entstehen. Da dieser Ausgestaltungsvorschlag damit auch in der Lage ist, herkömmliche Geschäftsmodelle zu erfassen, die in anderen Jurisdiktionen ohne jede digitale Einwirkung tätig sind, werden von ihm auch sämtliche Geschäftsmodelle erfasst.55 Ähnliches gilt für den Unified Approach. Auch vor dem Hintergrund der Innovationskraft in der Digitalbranche erscheint die Erhebung von Marktfaktoren zu Anknüpfungspunkten einer beschränkten Steuerpflicht als probates Mittel, um die Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle in Zukunft sicherzustellen. Während hier die signifikante wirtschaftliche Präsenz maßgeblich auf einen sehr grundlegenden Faktor – nämlich die erzielten Einkünfte im Quellenstaat – abstellt und daher auf jeden Fall auch in Zukunft sachgerechte Ergebnisse liefert, wird bei den beiden anderen Ansätzen auf Phänomene der aktuellen Digitalwirtschaft – nämlich den Nutzerbezug bzw. die Relevanz immaterieller Wirtschaftsgüter – abgestellt. Ob diese Faktoren weiterhin unerlässlich für die erhebliche Marktteilnahme im Ausland ohne physische Präsenz sind, ist unklar. Als zukunftssicherstes Konzept ist daher die signifikante wirtschaftliche Präsenz anzusehen. 4. Zwischenfazit Zur Verhinderung von Steuerplanungen durch gewillkürtes Setzen von Betriebsstätten ist die Begründung eines ertragsteuerlichen Anknüpfungspunkts im Marktstaat also ein taugliches Instrument; weitere Steuergestaltungsoptionen werden durch einen solchen allerdings nicht verhindert. Zwar führt eine Reform nicht zwangsläufig zur Erhebung höherer Steuern, jedoch wäre es den betroffenen Konzernen nicht mehr möglich, den Ort der Besteuerung durch eigene Planungs- und Strukturierungsakte frei zu wählen. Dadurch erfolgt eine teilweise Besteuerung nach den Regeln des jeweiligen Quellenstaates. Daneben lösen sich vorhandene Wettbewerbsverzerrungen, die sich aus der Digitalisierungsquote in Konzernen ergeben, auf oder werden zumindest abgemildert. Jedoch kann die Einführung eines Marktnexus auch zu neuen Implikationen im Hinblick auf die Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts führen. Im Wesentlichen hängt dabei der Umfang erfasster Geschäftsmodelle von der jeweiligen Ausgestaltung ab. Möglich erscheint hier ein Zuschnitt auf hochdigitalisierte Geschäftsmodelle sowie ein allgemeiner Nexus, der sogar herkömmliche Geschäftsmodelle bei entsprechender Tätigkeit erfasst.
II. Dogmatische Legitimität Bei der Ermittlung des Prüfungsschemas wurden drei wesentliche Prinzipien festgestellt, die der internationalen Steuerrechtsordnung inhärent sind und über deren Geltung ein Grundkonsens besteht. Der Reformvorschlag muss sich daher danach 55
OECD, Public Consultation Document, Rz. 60.
B. Anwendung des Prüfprogramms
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beurteilen lassen, ob er dem Territorialitätsprinzip Rechnung trägt, also einen ausreichenden genuine link beinhaltet, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch Wahrung des Leistungsfähigkeitsprinzips sicherstellt und eine Besteuerung vor dem Hintergrund des Nutzenprinzips als gerechtfertigt erscheint.56 Das Wertschöpfungsprinzip findet dabei keine Rezeption, da es sich – wie gezeigt – nicht zur Zuordnung von Besteuerungsrechten im hier vorliegenden Kontext eignet.57 1. Territorialitätsprinzip und genuine link Verlangt man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lediglich ein Mindestmaß an Einsichtigkeit zur Begründung eines genuine link, so kann ein solcher bei der Einführung eines Marktfaktors als Anknüpfungspunkt für die allgemeine Ertragsteuerpflicht durchaus argumentativ begründet werden. Dafür können Überlegungen herangezogen werden, die darauf basieren, dass durch die Möglichkeiten der Digitaltechnik virtuelle Präsenzen geschaffen werden können, die in ihrer Intensität derjenigen einer Betriebsstätte gleichkommen.58 Offensichtlich bieten digitale Technologien heute die Möglichkeit, trotz mangelnder physischer Präsenz, ähnlich nahe an andere Personen im Inland zu rücken, wie es mithilfe einer Betriebsstätte möglich wäre. Demnach stünde nach dieser Ansicht die Einführung eines Marktnexus in Einklang mit den Anforderungen an einen genuine link.59 Gleiches gilt für die auf eine sinnvolle Anknüpfung rekurrierende und ähnlich weite Auffassungen in der Literatur. Mann gibt hier durch seine Forderung nach nahen, substantiellen, unmittelbaren und gewichtigen Tatsachen, die eine Besteuerungsmöglichkeit begründen sollen, klarere Leitlinien vor. Dafür, dass eine unkörperliche Präsenz unter bestimmten Voraussetzungen einen hinreichend nahen Zusammenhang mit dem Marktstaat herstellt, kann die gleiche Argumentation wie oben herangezogen werden: Die erforderliche Nähe wird durch die digitale Schnittstelle vermittelt. Problematischer ist dagegen die Voraussetzung einer substantiellen Tatsache. Je nach Auslegung des Begriffs kann „substantiell“ als etwas Sachliches verstanden werden, das die in Betracht gezogenen Marktfaktoren gerade nicht beinhalten. Eine bloße virtuelle Präsenz kennt gerade keine körperliche Substanz, sondern bietet lediglich ein Mittel zum Kontakt durch Fernkommunikationsmittel. Der Vollzug des Geschäfts stellt nach jetzigen Kriterien ein ausländisches Direktgeschäft dar. Dementsprechend kann selbst bei anderweitiger Auslegung des Begriffs „substantiell“ jedenfalls keine unmittelbare Tatsache angenommen werden. Die besteuerungsbegründende Tatsache 56 Im Einzelnen s. o. Kapitel 3: B.II.1. Territorialitätsprinzip und genuine link, S. 86; Kapitel 3: B.II.3. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, S. 106; Kapitel 3: B.II.4. Äquivalenz-/Nutzenprinzip, S. 111. 57 S. o. Kapitel 3: B.II.2. Wertschöpfungstheorie, S. 95. 58 OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 390 ff.; López, Intertax 43 (2015), S. 6 (10); Schäfer/Spengel, Tax Attributes and Scope of Taxation, S. 15. 59 Undifferenziert: Becker/van der Ham, DB 2019, S. 502 (504).
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
wird zumindest in einem anderen Land maßgeblich mitbegründet und durch den Marktfaktor nur ins Inland vermittelt. Dies trägt dem Unmittelbarkeitserfordernis dieser Ansicht nicht ausreichend Rechnung. Mann schließt darüber hinaus ausdrücklich politische und wirtschaftliche Interessen von der Argumentation eines genuine links aus. Jedoch begründen gerade diese Punkte die Diskussion um die Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle.60 Nach der Definition von Rudolf ist eine rechtlich relevante Inlandsbeziehung erforderlich. Die Inlandsbeziehung wird im Falle des Markfaktors durch eine digitale Schnittstelle oder lediglich durch die Wahrnehmung im Marktstaat hergestellt. In Frage steht also die normative Relevanz dieser Beziehung. Betrachtet man die Prozesse, die bei derartigen Geschäftsmodellen abgewickelt werden aus zivil- oder öffentlich-rechtlicher Perspektive, so liegen bloße Direktgeschäfte aus dem Ausland vor. Im Gegensatz zum Vorhandensein einer Betriebsstätte, unterliegen die Geschäfte nicht zwangsläufig der Rechtsordnung des Quellenstaates. Eine normative Relevanz der inländischen Tätigkeit kann sich bei einem Marktnexus einzig aus den rechtlichen Beziehungen zu Inländern ergeben. Dass dieser allerdings die geforderte Erheblichkeit zukommt, wie sie wegen des eigenstaatlichen Interesses an Steuergesetzen erforderlich ist, muss stark bezweifelt werden. Gerade weil sich keine rechtlichen Unterschiede zu der Behandlung von ausländischen Direktgeschäften ergibt, darf eine rechtliche Erheblichkeit der Geschäftspraktiken über virtuelle Präsenzen im Inland nicht angenommen werden. Ansonsten könnten alle grenzüberschreitenden Aktivitäten aus Verträgen mit inländischen Partnern unter inländische Anknüpfungsmerkmale fallen. Auch hier dürfen politische Erwägungen nicht in die Abwägung miteinbezogen werden.61 Zuletzt sind die Reformansätze noch an den eigens aufgestellten Anforderungen an einen genuine link zu messen. Ein tauglicher Anknüpfungspunkt läge dann vor, wenn durch diesen erzielte Einkünfte aus einem exklusiv im Inland entstandenen oder realisierten Vermögen herrühren. Hierfür soll der jeweilige unternehmerische Marktfaktor einen Ausgangspunkt im Inland vermitteln, der die einzelnen Geschäfte bündeln und damit eine Relevanz für die Besteuerung herleiten soll. Problematisch im Hinblick auf das Vermögenserfordernis ist, dass nicht etwa auf die Geschäftstätigkeit im Inland an sich, sondern auf das fiktive Gebilde einer Präsenz im Inland abgestellt wird. Dieses ist normativ nicht zu fassen. Es gibt keinerlei rechtliche Wertungen, die aus dem bloßen Anhäufen von Geschäftstätigkeit die Fiktion von Vermögen rechtfertigen. Der „virtuellen Betriebsstätte“ kommt – im Gegensatz zu ihrem körperlichen Pendant – keine Vermögenseigenschaft zu, die das Anknüpfen einer Steuerpflicht erlauben würde. Wo bei der herkömmlichen Betriebsstätte Eigentum oder andere Rechte an dieser im Inland vorhanden sind, fehlen derartige Rechte beim Marktnexus fast vollständig. Die digitale Schnittstelle, an welche u. U. noch angeknüpft werden könnte, wird regelmäßig aus dem Ausland heraus bereit60 61
Vgl. oben Kapitel 2: C.II. Probleme für die Steuerrechtsordnungen, S. 66. Rudolf, in: FS Bärmann, S. 769 (782).
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gestellt und liefert daher keinen Aufschluss über inländisches Vermögen. Demnach genügt eine virtuelle Präsenz als Anknüpfungspunkt für die Ertragsteuerpflicht auch nach dieser Ansicht nicht den Anforderungen an einen genuine link. Zuletzt könnte man daran denken, i. R. aller Ansichten nicht die virtuelle Präsenz, sondern die Daten der Nutzer oder das Vorhandensein von Kunden als relevanten Marktfaktor für den genuine link zu betrachten. Diese Faktoren werden teilweise als „Öl der Zukunft“62 und damit als eine Art Bodenschatz betrachtet, der das Anknüpfungsmoment i. S. d. Territorialitätsprinzips darstellen kann. Da es sich bei den Einkünften aus digitalen Geschäftsmodellen allerdings um unternehmerische und nicht solche aus unbeweglichem Vermögen handelt, muss auf unternehmenseigene Merkmale im Marktstaat abgestellt werden.63 Dies ergibt sich auch aus den maßgeblichen Ansichten, die unmittelbare (Mann) oder rechtlich relevante Tatsachen (Rudolf) oder eigenes Vermögen verlangen. Ein genuine link kann demnach auch nicht aus dem bloßen Vorhandensein von Nutzern hergeleitet werden. 2. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung Die Gleichmäßigkeit oder Ungleichmäßigkeit der Besteuerung eines Steuerpflichtigen ist im internationalen Kontext anhand der Ausrichtung des Besteuerungskonzeptes an der Gesamtleistungsfähigkeit des Steuersubjekts zu beurteilen. Die Etablierung eines allgemeinen Ertragsteuernexus im Marktstaat geht dabei von einer günstigen Ausgangsbasis aus: Durch die Implementierung der Neuregelung ins allgemeine Ertragsteuergefüge, gelten für die Einkünfte aus digitalen Geschäftsmodellen im Ausgangspunkt diejenigen Regeln, die auch für alle anderen Unternehmen gelten. Dies bedeutet, dass die steuerliche Bemessungsgrundlage an den Gewinn des Steuerpflichtigen anknüpft. Grundsätzlich kann daher also davon ausgegangen werden, dass eine Nettobesteuerung unter Berücksichtigung des Erwerbsaufwendungen stattfindet. Aus der Einführung des zusätzlichen ertragsteuerlichen Nexus folgt unmittelbar die Begründung neuer beschränkter Steuerpflichten in den Marktstaaten. Dies führt zu einer verstärkten Verteilung der Einkünfte auf mehrere Staaten, was für die Besteuerung von Gewinnen bedeutet, dass diese – aufgeteilt auf die unterschiedlichen Jurisdiktionen – nach den dort bestehenden Regelungen besteuert werden. Dies ist jedoch im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht negativ zu bewerten. So wurde festgestellt, dass unterschiedlich ausgestaltete Steuerregelungen im Ansässigkeits- und Quellenstaat nicht der Besteuerung anhand der Gesamtleistungsfähigkeit widersprechen. Mit der Lokalisierung in unterschiedlichen Steuerrechts-
62
Humby, The world’s most valuable resource is no longer oil, but data. Vgl. dazu auch die Argumentation bei Kapitel 3: B.II.2.a)cc) Unternehmenseigene Wertschöpfungsbeiträge, S. 102. 63
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
ordnungen geht auch eine unterschiedlich zu bestimmende Leistungsfähigkeit einher.64 Anders gewendet könnte mit der vermehrten Begründung beschränkter Steuerpflichten jedoch der Wegfall bzw. die Verringerung von Verlustnutzungsmöglichkeiten einhergehen. So können Verluste im Quellenstaat bei Anwendung der Freistellungsmethode nach Art. 23A OECD-MA keine Berücksichtigung im Stammstaat des Unternehmens mehr finden. Arbeitet das Unternehmen in einem oder mehreren Marktstaaten defizitär, so besteht keine Möglichkeit zur Berücksichtigung dieser Verluste i. R. d. Gesamtsteuerbelastung des Betriebs. Dies widerspricht dem Grundsatz des objektiven Nettoprinzips und führt zu einer Besteuerung, die nicht auf der Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens basiert. Ob und wie stark sich diese fehlende Verlustberücksichtigungsmöglichkeit bei der Besteuerung auswirkt, hängt maßgeblich auch von der Gestaltung der Gewinnzuordnungsregeln ab.65 Weiterhin geht mit der Einführung eines separaten Nexus für digitale Geschäftsmodelle die herausgehobene Behandlung im Vergleich zu sonstigen unternehmerischen Einkünften einher. Da der Nexus zusätzlich zum bestehenden Betriebsstättentatbestand eingeführt werden soll, ergeben sich für Geschäftsmodelle im digitalen und nichtdigitalen Sektor unterschiedliche Folgen in Bezug auf die Begründung bzw. Nichtbegründung einer beschränkten Steuerpflicht im Marktstaat.66 Trotz dessen, dass sich unterschiedliche Besteuerungsfolgen bei teilweise ähnlichen Geschäftsmodellen ergeben, widerspricht diese Wirkung nicht den Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips. Diesem kommt – wie gezeigt – nur der Status eines Schutzprinzips zu, sodass die unmittelbaren Folgen der gesetzgeberischen Entscheidung zur Begründung eines separaten Nexus nicht der Besteuerung nach der Gesamtleistungsfähigkeit widersprechen.67 U. U. können sich durch die vorgeschlagene Einführung des Marktnexus Doppelbesteuerungen bzw. Keinmalbesteuerungen ergeben.68 Zwar kommt den Vorschlägen auch hier die Verortung in den allgemeinen Steuergesetzen zugute, da dort bereits Mechanismen zur Bewältigung dieser Probleme bestehen. Jedoch hängt der konkrete Erfolg deren Vermeidung wesentlich von den Maßnahmen der Nationalstaaten und den Vereinbarungen in DBA ab. Vor allem bei einem unabgestimmten Handeln der Nationalstaaten sind Doppelbesteuerungen zu befürchten, da bestehende Steuerrechtsordnungen regelmäßig von der Aufteilung unternehmerischer Einkünfte nach dem Betriebstättenstandard ausgehen. Gegenläufig kann es natürlich auch zu weißen Einkünften kommen, wenn das Stammland von einer Besteuerung im 64
S. o. Kapitel 3: B.II.3.a)aa) Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht, S. 107. OECD, Secretariats Proposal for a „Unified Approach“ under Pillar One, Rz. 51; Hongler/Pistone, Blueprints for a New PE Nexus, S. 27; s. u. Kapitel 4: B.V.4. Folgefrage: Anpassung der Einkünftezuordnungsregeln, S. 186. 66 Vgl. hierzu das Beispiel in Fn. 52 auf S. 160. 67 S. o. Kapitel 3: B.II.3.b) Relevanz für die Zuordnungsentscheidung, S. 109. 68 Hongler/Pistone, Blueprints for a New PE Nexus, S. 21. 65
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Marktstaat ausgeht, dieser aber keinen entsprechenden Tatbestand zur Begründung der beschränkten Steuerflicht eingeführt hat. Die Vermeidung dieser Fälle, die eine Besteuerung nach der Gesamtleistungsfähigkeit des jeweiligen Unternehmens konterkarieren, hängt maßgeblich von der Art und Weise der Umsetzung ab.69 3. Äquivalenz-/Nutzenprinzip Aus nutzentheoretischer Sicht ist die Einführung eines Marktfaktors als Anknüpfungspunkt für eine allgemeine Ertragsteuerpflicht daran zu messen, ob einem Unternehmen durch dessen Tätigkeit im Marktstaat die Möglichkeit zur Partizipation an den dortigen staatlichen Angeboten zukommt. Als Anknüpfungsmomente für die Teilhabe an Leistungen, die der Marktstaat zur Verfügung stellt, kommen insbesondere das Rechtssystem, die Gewährleistung der Durchsetzung vertraglicher Rechte im Inland, der Schutz von Immaterialgütern und die Bereitstellung einer technischen Infrastruktur in Betracht.70 Entscheidend ist dabei, ob diese Faktoren derart erhebliche tatsächliche oder rechtliche Ausübungs- oder Schutzbedingungen darstellen, dass ein Zugriff des Marktstaates aus der Perspektive des Nutzenprinzips gerechtfertigt erscheint. Deutlich ist, dass weder die bloße Gewinnerzielung71 noch die bloße Marktteilnahme72 im Ausland eine Anknüpfung rechtfertigen, wenn sich darüber hinaus keine zusätzlichen Teilhabemöglichkeiten der Unternehmen an staatlichen Leistungen abzeichnen. Ähnliches ergibt sich für die bloße Bereitstellung der digitalen Infrastruktur im Marktstaat, die zwar wesentliche Voraussetzung für den Erfolg digitaler Geschäftsmodelle darstellt, im Vergleich zur Nutzung herkömmlicher Infrastruktur (Luft-, Land- und Seewege) jedoch keinen weitergehenden Nutzen für Unternehmen beinhaltet.73 So ist anerkannt, dass keine Besteuerung von gewöhnlichen Direktgeschäften im Marktstaat in Betracht kommt, obwohl dabei die genannte Infrastruktur benötigt wird. Auch andere Anknüpfungspunkte, die sich auf klassische Produktionsfaktoren beziehen, kommen zur Begründung nicht in Betracht, da diese bei digitalen Geschäftsmodellen nicht im Marktstaat zu verorten sind.74 Eine nutzentheoretische Rechtfertigung des Nexusvorschlags aufgrund dieser Bezugspunkte scheidet daher aus. Umstritten ist die Frage, ob diejenigen Wesensmerkmale digitaler Geschäftsmodelle, die diese von herkömmlichen Geschäftsmodellen unterscheiden, eine Anknüpfung vor dem Hintergrund des Nutzenprinzips rechtfertigen. Im Wesentlichen betrifft dies die intensivere Beziehung zu den Nutzern und Kunden sowie 69 70 71 72 73 74
Dazu s. u. Kapitel 4: B.V.3. Realisierbarkeit, S. 181. Vgl. Hongler/Pistone, Blueprints for a New PE Nexus, S. 22. Brauner/Baez, Withholding Taxes in the Service od BEPS Action 1, S. 9. Jacobs/Spengel/Schäfer, Intertax 31 (2003), S. 214 (223). So auch Greil/Fehling, IStR 2017, S. 757 (761). Leisner-Egensperger, StuW 2014, S. 298 (303).
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
diejenigen staatlichen Aufwendungen, die diese Geschäftspraktik erst möglich machen. Kundendaten und Nutzerverhalten werden dabei regelmäßig mit Bodenschätzen verglichen.75 Allerdings vermag diese Analogie nicht zu überzeugen. So sind diese Momente eindeutig der privaten Sphäre der Kunden und Nutzer zuzuordnen und gerade nicht als staatliche Gegebenheit zu sehen. Zudem führt deren unternehmerische Nutzung nicht zu einem finanziellen Aufwand des Marktstaates.76 Letztlich bleiben zur Rechtfertigung also nur Teilhabemöglichkeiten von Unternehmen, die den Betrieb digitaler Geschäftsmodelle im Marktstaat ermöglichen und gleichzeitig über das staatlichen Leistungsangebot bei der Marktteilnahme durch andere Direktgeschäfte hinausgehen. Diese liegen weitestgehend im Bereich des Rechtsgüterschutzes und der Sicherung des Betriebes. Gerade im Vergleich zu den staatlichen Gegebenheiten im Ansässigkeitsstaat oder anderen Staaten, in denen klassische Produktionsfaktoren zu verorten sind, zeigt sich die geringe Intensität dieser Teilhabemöglichkeiten im Marktstaat, sodass vor dem Hintergrund des Nutzenprinzips eine dogmatische Legitimation ausscheidet. 4. Zwischenfazit Die Verwendung eines Marktfaktors als Anknüpfungspunkt für die Ertragsbesteuerung kann nur teilweise dogmatisch substantiiert gerechtfertigt werden. Der nach dem Territorialitätsprinzip erforderliche genuine link ist nur nach sehr weitreichenden Ansichten vorhanden. Nach den vorzugswürdigen, konkreten Definitionen, fehlt es an einer solchen Verknüpfung zum Marktstaat. Zwar sind die konkreten Voraussetzungen an den genuine link äußerst umstritten. Vor dem Hintergrund der im internationalen Steuersystem vorhandenen grundlegenden Wertungen sind die möglichen Anknüpfungsmerkmale jedoch einzuschränken, sodass ein Marktfakor als Nexus aus Sicht des Territorialitätsprinzips nicht dogmatisch legitimierbar ist. Für die Rechtfertigung eines Besteuerungsrechts vor dem Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzips stellen die Ansätze zur Implementierung eines neuen Anknüpfungsmerkmals im vorhandenen Ertragsteuerrecht eine günstige Ausgangsbasis dar. Wesentliche Faktoren, die maßgeblichen Einfluss auf die im Mittelpunkt der Überlegungen stehende Gesamtleistungsfähigkeit haben, sind das Maß der Abstimmung zwischen den Staaten bei der Umsetzung und die Anpassung der Einkünftezuordnungsregeln. Gelingt hier eine flächendeckende Zusammenarbeit zwischen den Staaten und eine logische Anpassung der Verrechnungspreisleitlinien, so kann der neue Nexus eine Besteuerung der Steuerpflichtigen nach der jeweiligen Gesamtleistungsfähigkeit gewährleisten. 75
Vgl. Humby, The world’s most valuable resource is no longer oil, but data. Vgl. Greil/Fehling, IStR 2017, S. 757 (761, Fn. 53); Hofmann/Riedel, Intertax 47 (2019), S. 172 (173). 76
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Zudem wurde festgestellt, dass über den bloßen Marktzugang hinaus, nur sehr geringe Teilhabemöglichkeiten an staatlichen Leistungen des Marktstaats für die Unternehmen bestehen, die lediglich in digitaler Form vertreten sind. Gerade bei vergleichsweiser Betrachtung mit denjenigen Staaten, in denen körperliches Substrat der jeweiligen Unternehmen belegen ist, kann eine nutzentheoretische Rechtfertigung nicht überzeugen. Dort stehen den Steuerpflichtigen wesentlich weitreichendere staatliche Angebote zur Verfügung, sodass vor dem Hintergrund des Nutzenprinzips die Besteuerung auch dort erfolgen sollte. Insgesamt erscheint die dogmatische Legitimierung des Marktnexus schwierig. Weder territorialitäts- noch nutzentheoretisch können ausreichende Anknüpfungsmomente festgestellt werden. Lediglich die Wahrung des internationalen Leistungsfähigkeitsprinzips erscheint möglich.
III. Kohärenz mit der Rechtsordnung Um aus normativer Sicht sicherzustellen, dass die Regelungen des Reformmodells insbesondere im Hinblick auf höherrangiges Recht zulässig sind und Widersprüche mit der bestehenden Rechtsordnung vermieden werden, sollen diese mit den herausgearbeiteten nationalen77 und europäischen78 Maßstäben abgeglichen werden. Hierbei sind – aus nationaler Perspektive – die formelle und materielle Verfassungsmäßigkeit sowie die Kohärenz mit einfachgesetzlichen Regelungen und – aus europäischer Sicht – Verstöße gegen die Marktfreiheiten und das Beihilfeverbot zu prüfen. 1. Nationale Grundlagen Die Implementierung einer formell verfassungsmäßigen Regelung stellt bei der Einführung eines Marktfaktors als Anknüpfungspunkt für die allgemeine Ertragsteuer keine besondere Herausforderung dar. Die Gesetzgebungs- und Ertragshoheit ergibt sich aus Art. 105 Abs. 2 Var. 1, Abs. 3 i. V. m. Art. 106 Abs. 3 GG. So kann der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates das EStG ändern; die Erträge fließen weiterhin Bund und Ländern zu. Die Einkommen- und die Körperschaftsteuer werden durch die Finanzämter i. R. d. Bundesauftragsverwaltung erhoben, Art. 108 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 GG. Ähnliches gilt in Bezug auf die Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes. Sämtliche Ausgestaltungsmöglichkeiten tragen den Grundsätzen der Tatbestandsbestimmtheit und der Normenklarheit Rechnung. Zwar führt jeder Ansatz einen unbestimmten Rechtbegriff in das Gesetz ein (digitale Schnittstelle, Nutzer, Vermarktungsgut), diese sind jedoch der Auslegung zugänglich. 77 78
Kapitel 3: B.III.1. Nationale Grundlagen, S. 116. Kapitel 3: B.III.2. Europäische Grundlagen, S. 122.
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG, kann i. R. d. Leistungsfähigkeitsprinzips im Wesentlichen auf die Ausführungen weiter oben verwiesen werden.79 Die Umsetzung einer auf internationaler Ebene koordinierten Nexusänderung ins nationale Recht muss dort einen effektiven Betriebskostenabzug vorsehen, um das objektive Nettoprinzip zu wahren. Dies hängt im Ergebnis stark von der Ausgestaltung ab und stellt grds. kein Problem dar, wie sich aus den Regelungen bei anderen Anknüpfungspunkten ergibt. Weiterhin ist das Folgerichtigkeitsgebot zu beachten. Hierbei ist entscheidend, ob sich durch die Einführung eines gesonderten inländischen Anknüpfungsmerkmals für Digitalunternehmen in den konkreten Anwendungsfällen die Abkehr von einer gesetzgeberischen Belastungsentscheidung ergibt. Durch die Eingliederung der Reform in das allgemeine Ertragsteuergefüge, bleibt es beim Einkommen als Gegenstand der Besteuerung. Jedoch sollen im Anwendungsbereich des neuen Nexus die Besteuerungsrechte künftig anders zwischen den beteiligten Staaten verteilt werden. Damit kann es für den einzelnen Steuerpflichtigen – im Vergleich zu anderen Gewerbebetrieben – zu einer abweichenden steuerlichen Belastung kommen, wenn er ein digitales Geschäftsmodell betreibt.80 Ziel der Initiative ist es ja gerade, die zu geringe steuerliche Belastung dieser Unternehmen zu verhindern. Daraus folgt jedoch je nach Ausgestaltung eine abweichende Behandlung im Verglich zu herkömmlichen Gewerbebetrieben. Während der Marketing Intangibles-Ansatz alle Unternehmen erfasst, sind die Ansätze, die die digitale Schnittstelle bzw. die Nutzerbasis als Anknüpfungsmerkmal heranziehen, lediglich auf hochdigitale Geschäftsmodelle zugeschnitten. Zu beachten ist jedoch, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in keinem Fall eine neue Steuer oder eine neue Einkünftegattung schafft, sondern lediglich der Gattung der gewerblichen Einkünfte ein neues inländisches Anknüpfungsmerkmal hinzufügt. Zu fragen ist damit danach, ob die Gestaltungsmacht des Gesetzgebers so weit reicht, dass er eine vom Betriebsstättenprinzip abweichende Zuordnung des Besteuerungssubstrates regeln kann. Dies ist zu bejahen. Zwar weicht der Normgeber damit zwar von seinem Grundsatz, alle Gewerbebetriebe mit beschränkter Steuerpflicht nur dann im Inland zu besteuern, wenn dort eine körperliche Betriebsstätte vorhanden ist, ab. Jedoch kommt diesem Betriebsstättenprinzip selbst kein Wert an sich zu, der die Regelung der Anknüpfungsmerkmale für Gewerbebetriebe der Gestaltungsmacht des Gesetzgebers entzieht.81 Zudem zeigt die Ungleichbehandlung unternehmerischer Einkünfte durch die Differenzierung nach gewerblichen und selbständigen Tätigkeiten, dass es dem Gesetzgeber zusteht bei bloßen Unterschieden in der Art und Weise der Gewinnerzielung sogar separate Einkünftegat79 Kapitel 4: B.II.2. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, S. 165. 80 Vgl. Boehle/Scholtholt, IStR 2019, S. 919 (923); Becker/van der Ham, DB 2019, S. 502 (505). 81 López, Intertax 43 (2015), S. 6 (8); Hongler/Pistone, Blueprints for a New PE Nexus, S. 15.
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tungen zu schaffen. Demnach muss es ihm erst recht freistehen, für digitale Geschäftsmodelle ein separates inländisches Merkmal einzuführen. Durch die Eingliederung der Besteuerungsreform in das allgemeinen Ertragsteuersystem, sind besondere Probleme im Hinblick auf die eigentumsschonende Besteuerung nicht zu befürchten. Da mit der Nexusänderung zwangsläufig die Einkünftezuordnungsregeln angepasst werden müssen, sind bei auch deren Umsetzung insbesondere der Bestimmtheitsgrundsatz und die Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 GG zu wahren. 2. Europäische Grundlagen Die Einführung eines Marktfaktors als Anknüpfungspunkt für eine beschränkte Steuerpflicht ist am Maßstab der Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 ff. AEUV zu messen.82 Das Konzept führt nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung von beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen oder von In- und Auslandseinkünften;83 vielmehr ändert sie die Verteilung der Besteuerungsrechte unter den Mitgliedstaaten. Deren beschränkende Wirkung84 ist anhand eines steuerlichen und steuerverfahrensrechtlichen Belastungsvergleichs zu überprüfen. Sicherlich geht mit der Einführung eines Marktnexus für einige digitale Unternehmenskonzepte beabsichtigterweise eine höhere Steuerbelastung einher. Diese Wirkung ergibt sich aus dem geschaffenen steuerlichen Zugriff von Hochsteuerländern, deren Steueransprüche derzeit mittels Gestaltungen von Digitalunternehmen gezielt ausgeklammert werden.85 Das Reformmodell führt damit zu einer höheren Steuerbelastung für diese Unternehmen. Gleiches gilt auch aus steuerverfahrensrechtlicher Sicht, da die quantitative Vermehrung nationaler Verpflichtungen einen erhöhten Erklärungs- und Durchführungsaufwand mitsichbringt, was die Compliance-Kosten steigen lässt. Allerdings darf die Beeinträchtigung nicht aus der bloßen Tatsache hergeleitet werden, dass Steuerpflichtige aufgrund der Reform mehr belastet würden. Den Mitgliedstaaten steht es – auch aufgrund des mangelnden Harmonisierungsauftrags im Bereich direkter Steuern – frei, ihre Besteuerungsrechte untereinander aufzuteilen.86 Dementsprechend führt die Einführung eines Marktfaktors als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung nicht zu einer Beeinträchtigung der Marktfreihei-
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S. o. Kapitel 3: B.III.2.a) Marktfreiheiten, S. 122. Dazu: Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 4,83. 84 Dazu s. o. Kapitel 3: B.III.2.a) Marktfreiheiten, S. 122. 85 S. o. Kapitel 2: C.II.1.a) Vermeidung einer Steuerpflicht im Marktstaat, S. 68. 86 St.Rspr. EuGH, Urteil vom 12. 05. 1998 – C-336/96, ECLI:EU:C:1998:221, Rz. 30 ff., 46 ff., Urteil vom 12. 06. 2005 – C-403/03, ECLI:EU:C:2005:446, Rz. 45; Mu¨ ller-Graff, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV, Rz. 71 f.; ausfu¨ hrlich: Cordewener, Europa¨ ische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 483 ff. 83
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
ten.87 Dies gilt parallel auch für das unionsrechtliche Beihilfeverbot aus Art. 107 AEUV. Damit bieten Ansätze, die in das allgemeine Ertragsteuersystem implementiert werden sollen, grds. eine solide Ausgangsbasis zur Sicherstellung einer europarechtskonformen Regelung. Ebenso wie bei allen anderen gewerblichen und sonstigen Einkünften können jedoch hier einzelne Regelungswirkungen entstehen, die eine Beschränkung der Marktfreiheiten bedeuten. Besonders müssen solche Wirkungen bei der erforderlichen Änderung der Verrechnungspreisleitlinien Berücksichtigung finden.88
IV. Umgehungsmöglichkeiten Ziel der Reformbestrebungen ist die Beseitigung der unbefriedigenden Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle, die maßgeblich aus den derzeitigen Gestaltungsmöglichkeiten digitaler Unternehmen resultiert. Um dies sicherzustellen, muss das neue Besteuerungskonzept Steuergestaltungen89, denen nicht durch § 42 AO begegnet werden kann, ausschließen. Dem kann durch Auslegbarkeit der Regelung mittels systematischer Einbettung und Orientierung an einer klaren Belastungsentscheidung sowie durch Tatbestandsmerkmale, die an tatsächliche Gegebenheiten anstatt an rechtliche Bewertungen anknüpfen, Rechnung getragen werden (Regelungseigenschaften). Inwieweit die Unausweichlichkeit der Regelung erreicht wird, ist daran zu messen, wie sachgerecht der Tatbestand digitale Einkünfte erfasst, wie flexibel und zukunftssicher er einerseits handhabbar ist, wie klar andererseits die Tatbestandsmerkmale ungewollte Interpretationen ausschließen und wie weit er auch Gestaltungen im internationalen Bereich unschädlich macht. 1. Regelungseigenschaften Der grundsätzliche Gedanke, ein neues Anknüpfungsmerkmal für die beschränkte Steuerpflicht in das bestehende Ertragsteuerrecht zu implementieren, trägt im Ausgangspunkt zu einer soliden systematischen Einbettung des Regelungskonzeptes bei. Unabhängig vom Inhalt des jeweiligen Tatbestandes des Anknüpfungsmerkmals, ist die Regelungstechnik aufgrund der Verortung in § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG und innerhalb der DBA auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen bekannt. Es kann daher auf die Dogmatik und die Rechtsprechung mit Bezug zur Regelungsweise von innerstaatlichen Anknüpfungsmerkmalen und bilateralen Verteilungstatbeständen zurückgegriffen werden. 87
So auch Englisch, BTR 2015, S. 280 (286). S. u. Kapitel 4: B.V.4. Folgefrage: Anpassung der Einkünftezuordnungsregeln, S. 186. 89 Zur begrifflichen Abgrenzung: Kapitel 3: B.IV.1. Steuervermeidung, -gestaltung und -missbrauch, S. 125. 88
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Die Reformbestrebungen zur angemessenen Besteuerung der Digitalwirtschaft stellen alleine noch keine ausreichend differenzierte Belastungsentscheidung des Gesetzgebers dar, die eine Auslegbarkeit der Regelungen gewährleisten kann. Dafür ist das pauschale Ziel zu oberflächlich und unbestimmt, da unklar bleibt, was unter dem Begriff „Digitalwirtschaft“ verstanden wird. Dies zeigt sich gerade an den unterbreiten Regelungsvorschlägen, die verschiedenste Ausgestaltungen des Gedankens, ein neues Anknüpfungsmerkmal für digitale Geschäftsmodelle zu definieren, aufzeigen. Erst, wenn klar ist, ob lediglich hochdigitale Geschäftsmodelle, wie es der Nutzernexus vorsieht, oder auch andere Unternehmen, die in erheblicher Weise auf den Marktstaat einwirken, wie der Vermarktungsnexus sie in den Mittelpunkt rückt, besteuert werden sollen, kann ein Tatbestand anhand einer spezifischen Belastungsentscheidung ausgeformt werden. Bevor also beurteilt werden kann, ob sich hinter der vorgeschlagenen Regelung ein klarer Belastungsgrund verbirgt, muss vom Gesetzgeber – auf welcher Ebene auch immer – entschieden werden, welche Unternehmen betroffen sein sollen. Betrachtet man die einzelnen drei dargestellten Ansätze, so wird bei jedem einzeln recht deutlich klar, welche Unternehmen belastet werden sollen und wie diese Belastung begründet wird: So sollen mit der Anknüpfung an eine wirtschaftliche Präsenz Unternehmen erfasst werden, denen es durch digitale Technologie möglich ist, in gleicher Weise wie herkömmliche Unternehmen durch Betriebsstätten am Wirtschaftsleben des Marktstaates teilzunehmen.90 Der Nutzernexus belastet hingegen solche Unternehmen, für die Nutzerinteraktionen im Inland Grundlage für die Funktion ihres Unternehmenskonzeptes sind.91 Anders belastet der Vermarktungsgüternexus Unternehmen, deren Geschäftsmodell erheblich von der Wahrnehmung deren immaterieller Wirtschaftsgüter durch Kunden im Inland abhängt.92 Bei Letzterem ist zuzugeben, dass der Zuschnitt der betroffenen Unternehmen aufgrund der Abgrenzung zwischen verschiedenen immateriellen Wirtschaftsgütern nicht klar hervortritt; immerhin ist jedoch eine Zielrichtung erkennbar. Dennoch stehen diese Entscheidungen hinter den jeweiligen Tatbestandsmerkmalen und eröffnen eine Auslegbarkeit nach Sinn und Zweck der Regelung. Anders sieht dies allerdings aus, wenn die einzelnen Ansätze vermischt werden. So weist bspw. der unified approach der OECD93 keine klare Belastungsentscheidung mehr auf. Der angestrebte Kompromiss führt letztlich dazu, dass durch Hinzunahme von Tatbeständen oder Aussparung bestimmter Tätigkeiten keine allgemeine Unternehmensgruppe mehr identifiziert werden kann, die belastet werden soll. Unabhängig von der jeweiligen Ausgestaltungsvariante knüpfen die Tatbestände der einzelnen Vorschläge allesamt an tatsächlichen Gegebenheiten an. Damit schaffen sämtliche Regelungen eine spezifisch steuerjuristische Betrachtungsweise, 90 91 92 93
Vgl. Kapitel 4: A.II.1. Wirtschaftliche Präsenz (Significant Economic Presence), S. 152. Vgl. Kapitel 4: A.II.2. Nutzernexus (User Participation), S. 153. Vgl. Kapitel 4: A.II.3. Vermarktungsnexus (Marketing Intangibles), S. 154. Vgl. Kapitel 4: A.II.4. Weitere Ansätze und der Unified Approach, S. 155.
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
die eine steuerrechtliche Einordnung der Auslandstätigkeit unabhängig von der zivilrechtlichen Struktur des Unternehmens zulassen. Diese Regelungsweise beugt einer Gestaltung durch den Steuerpflichtigen vor, da dieser zur Veränderung der steuerlichen Folge den wirtschaftlichen und nicht bloß den juristischen Sachverhalt ändern müsste, was regelmäßig nicht in seinem Interesse liegen wird. Dies berücksichtigt aufgrund des Regelungsstandortes auch die Internationalität des Problems. Durch das Erfüllen bestimmter tatsächlicher Voraussetzungen im Inland, wird das Unternehmen der beschränkten Steuerpflicht im Inland unterworfen.94 Damit verfügt der jeweilige Marktstaat über ein umfassendes und unumgängliches Besteuerungsrecht. Die Implementierung der Regelung als allgemeiner Tatbestand ins allgemeine Ertragsteuerrecht ist als gewöhnliche Gesetzesanpassung ebenfalls zum Ausschluss von Umgehungsmöglichkeiten geeignet und schafft gleichzeitig Grundvoraussetzungen zur Berücksichtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips.95 2. Unausweichlichkeit Die, in den einzelnen Vorschlägen enthaltene, steuerjuristische Betrachtungsweise ist Grundvoraussetzung für eine sachgerechte Erfassung der Sachverhalte unabhängig von deren rechtlicher Ausgestaltung.96 Die Tatbestände der Einzelvorschläge orientieren sich dabei zumeist an einem klaren Belastungsgrund, sodass grds. angenommen werden kann, dass sie nicht dem Ziel der Maximierung von Besteuerungssubstrat, sondern der fairen Besteuerung digitaler Unternehmen dienen. Wie unausweichlich eine Regelung in der Praxis ist, richtet sich maßgeblich nach der Leistungsfähigkeit ihres Tatbestandes. Dieser muss einerseits so bestimmt und aussagekräftig sein, dass sich für den Steuerpflichtigen kein Interpretationsspielraum ergibt, den er sich für Steuergestaltungen zunutze machen kann. Andererseits kann eine flexible und zukunftssichere Handhabbarkeit nur durch eine gewisse Offenheit des Tatbestandes erreicht werden, der eine Auslegung anhand der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung zulässt. Die Besonderheit im vorliegenden Fall ist, dass es beim Tatbestand nicht um die Einkünftequalifikation, sondern um die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat geht. Wesentlicher Kern der Regelung ist daher das inländische Anknüpfungsmerkmal. Die Vermeidung eines Interpretationsspielraums kann bei allen Ansätzen nur durch Legaldefinitionen erreicht werden. Während bei der signifikanten wirtschaftlichen Präsenz97 dabei hauptsächlich im Vordergrund stehen muss, welche quantitativen Größen im 94
Anzupassen sind dabei auch die DBA-rechtlichen Zuweisungsregeln, s. u. Kapitel 4: B.V.3.a) Umsetzungsebene, S. 181. 95 Vgl. Kapitel 4: B.II.2. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, S. 165. 96 S. o. Kapitel 4: B.IV.1. Regelungseigenschaften, S. 172. 97 Vgl. Kapitel 4: A.II.1. Wirtschaftliche Präsenz (Significant Economic Presence), S. 152.
B. Anwendung des Prüfprogramms
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Marktstaat ermittelt werden müssen, um zu bestimmen, ob eine entsprechende Präsenz vorhanden ist, liegt beim Nutzernexus98 der Fokus auf der Definition des „Nutzers“. Beim Vermarktungsnexus99 müsste es hingegen gelingen, eine abstraktgenerelle Definition derjenigen immateriellen Wirtschaftsgüter zu entwickeln, die der Vermarktungstätigkeit eines Unternehmens im Marktstaat zuträglich sind. Noch schwieriger wird es bei Mischformen, die mit Begriffen wie „automatisierter digitaler Dienstleistung“ oder „konsumentenorientierte Aktivitäten“ arbeiten.100 Diese sind einer Auslegung anhand eines einheitlichen Belastungsgrundes nicht unmittelbar zugänglich und bedürfen daher einer umfangreichen Beispielskasuistik.101 Gleichzeitig unterliegt die Digitalbranche einem stetigen Wandel durch Innovationen und technischem Fortschritt,102 der neue Geschäftsmodelle ermöglicht, die im Vorhinein nicht identifiziert werden können. Dem können die einzelnen Ansätze regelmäßig durch Auslegung anhand von Sinn und Zweck der Regelung begegnen. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn der Wortlaut des Tatbestands eine derartige Auslegung zulässt. Nach alledem ist die Bestimmung eines leistungsfähigen Tatbestandes zur Abgrenzung von inländischen Einkünften schwierig aber möglich. Orientiert sich die entsprechende Norm an einem klaren Belastungsgrund und gibt innerhalb einer Legaldefintion Leitlinien zur Auslegung des Abgrenzungsmerkmals vor, ohne dass diese zu abschließend sind, so ist eine sachgerechte, unausweichliche Einkünfteidentifikation gewährleistet. Auch der Internationalität der Problematik wird von den Ansätzen Rechnung getragen. So hängt das Eintreten der beschränkten Steuerpflicht von vornherein nur von Faktoren ab, die im Inland verwirklicht werden; ausländische Sachverhalte und Gestaltungen spielen keine Rolle. Vorsicht ist jedoch bei der spiegelbildlichen Freistellung im Outbound-Fall geboten. Werden Einkünfte aus digitalen Geschäftsmodellen, die im Ausland durch ein dort vorhandenes inländisches Merkmal erzielt werden freigestellt, kann es zu weißen Einkünften kommen, wenn die Besteuerung im Marktstaat nicht den gleichen Regeln folgt, wie im Ansässigkeitsstaat.
V. Praktikabilität Ein Steuertatbestand ist nur dann gerecht, wenn er auch praktikabel ist.103 Es ist daher sicherzustellen, dass der jeweilige Reformvorschlag bei einer Umsetzung in 98
Vgl. Kapitel 4: A.II.2. Nutzernexus (User Participation), S. 153. Vgl. Kapitel 4: A.II.3. Vermarktungsnexus (Marketing Intangibles), S. 154. 100 OECD, Statement on the Two-Pillar Approach, Rz. 18 ff. 101 Vgl. die umfangreiche Kauistik in OECD, Blueprint for Pillar I, Rz. 43 ff., 47 ff. 102 S. o. Kapitel 2: A.I. Wachstum und Vielseitigkeit digitaler Geschäftsmodelle, S. 102. 103 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 348; vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 118 Rz. 267; vgl. Locher, in: FS Höhn, S. 189 (190 ff.). 99
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
der Lage ist, auch tatsächlich eine Verbesserung der festgestellten Problemlage herbeizuführen. Dafür muss er zu einem tatsächlichen Belastungserfolg beim Steuerpflichtigen führen, möglichst simpel anzuwenden sein und sich vor dem Hintergrund der Umsetzungsebene auch als realisierbar darstellen. Zuletzt ist noch auf sich stellende Folgefragen einzugehen, die sich hier besonders im Bereich der Einkünftezuordnung aufdrängen. 1. Tatsächlicher Belastungserfolg Ein tatsächlicher Belastungserfolg ergibt sich, wenn die Durchführbarkeit des Besteuerungsverfahrens in allen Phasen gewährleistet ist. Der Tatbestand der Regelung muss für den Steuerpflichtigen anwendbar und für die Steuerbehörden überprüfbar sein. Anschließend muss sichergestellt sein, dass der sich daraus ergebende Steueranspruch zur Not auch zwangsweise durchsetzbar ist. a) Anwendbarkeit des Tatbestandes Der Anwendbarkeit des Tatbestandes kommt die Integration der Regelung ins allgemeine Ertragsteuersystem zugute. Das Besteuerungsverfahren gleicht dem anderer beschränkt Steuerpflichtiger, sodass von der Wahrung der Kooperationsmaxime auszugehen ist. Der Betreiber eines digitalen Geschäftsmodells mit inländischem Anknüpfungspunkt unterliegt danach der Steuererklärungspflicht aus § 31 Abs. 1 S. 1 KStG i. V. m. § 25 Abs. 3 S. 1 EStG. Daneben kann er von Buchführungspflichten betroffen sein. Jedoch ergibt sich derzeit allenfalls eine originäre Buchführungspflicht bei Erreichen der Grenzwerte in § 141 Abs. 1 AO. Eine derivative Buchführungspflicht aus § 140 AO i. V. m. § 238 Abs. 1 S. 1 HGB kommt nach der derzeitigen Gesetzeslage nicht in Betracht, da Digitalunternehmen im Inland nicht die Voraussetzungen des Kaufmanns erfüllen und mangels körperlichen Substrats auch keine Zweigniederlassungen i. S. d. §§ 13dff. HGB begründen. Den jeweiligen Unternehmen sind diese Verpflichtungen zuzumuten, da ihnen die entsprechenden Daten zur Ermittlung der Steuer ohnehin vorliegen und diese ohne Probleme zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten aufbereitet werden können.104 Demnach stehen der Anwendung des Tatbestandes keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegen. Gleichzeitig geht mit der Änderung des Systems der steuerlichen Anknüpfungspunkte kein unverhältnismäßiger Mehraufwand einher, da das Besteuerungsverfahren gleich wie beim Vorliegen einer Betriebsstätte als inländischem Anknüpfungsmerkmal erfolgt. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Begründung des digitalen inländischen Anknüpfungsmerkmals an ausreichend hohe Voraussetzungen geknüpft ist.
104
Vgl. Kofler/Mayr/Schlager, BB 2017, S. 1815 (1816).
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b) Überprüfbarkeit der Besteuerungsgrundlagen Während die Anwendung des Tatbestandes also unproblematisch ist, begegnet die Überprüfbarkeit durch die Steuerbehörden einigen Hürden. Diese resultieren aus dem Fehlen einer körperlichen Einrichtung der Unternehmen im Inland und den sich daraus ableitenden mangelhaften Zugriffsmöglichkeiten der innerstaatlichen Behörden auf unternehmenseigene Informationen.105 Einzig die Buchführungsunterlagen wären gemäß § 146 Abs. 2 S. 1 AO im Inland aufzubewahren,106 was vor dem Hintergrund der nicht vorhandenen körperlichen Niederlassung im Inland perplex erscheint. Zwar sieht § 146 Abs. 2a AO eine Möglichkeit vor, auf Antrag des Steuerpflichtigen, elektronische Aufzeichnungen unter bestimmten Voraussetzungen auch im Ausland zu führen. Jedoch müsste derartiges für Geschäftsmodelle mit einem Marktfaktor als Anknüpfungspunkt der Besteuerung die Regel und nicht die Ausnahme sein. Neben den Büchern der Unternehmen müssen auch die besteuerungsrelevanten Tatsachen einer Überprüfung durch die Behörden zugänglich sein. Deren Erreichbarkeit für die inländischen Organe hängt von der Ausgestaltung des Tatbestandes ab. So sind die Inlandsumsätze der IT-Konzerne, die i. R. d. signifikanten wirtschaftlichen Präsenz herangezogen werden, bekannt.107 Auch beim Vorhandensein von immateriellen Vermarktungsgüter handelt es sich aus Sicht des Marktstaates um eine inländische Tatsache. Stellt man dagegen auf die Anzahl der (aktiven) Nutzer eines digitalen Geschäftsmodells ab, handelt es sich um eine Information, die sich der Marktstaat nicht ohne Weiteres beschaffen kann, da diese regelmäßig nur dem Unternehmen mit Sitz im Ausland bekannt ist und auch dort gespeichert wird.108 Solche Informationen müsste der Marktstaat umständlich über Auskunftsanfragen beim Ansässigkeitsstaat einholen. In Bezug auf die Verfügbarkeit der Buchführung wie auch der sachlichen Grundlagen der Besteuerung ist klar, dass zumindest die inländischen Informationsansprüche angepasst werden müssen.109 Dabei ist es vorzugswürdig, das inländische Anknüpfungsmerkmal an Voraussetzungen auszurichten, die an inländische Tatsachen anschließen. Hier wird die Integration in das allgemeine Ertragsteuerrecht zum Malus. Beim Gewinn bzw. Verlust, welcher Grundlage der Einkommens- bzw. Körperschaftsbesteuerung ist, handelt es sich um Informationen, die regelmäßig nur für den Ansässigkeitsstaat unmittelbar zugänglich sind. Hier sind internationale 105 Zur Wirkung des Territorialitätsprinzips in diesem Zusammenhang: Kapitel 3: B.V.1.b) Überprüfbarkeit der Besteuerungsgrundlagen, S. 134. 106 Die Ausnahme in § 146 Abs. 2 S. 2 bis 4 AO gilt de lege lata nur für ausländische Betriebsstätten. Diese Pflicht steht in Widerspruch zur unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit und ist damit auf innergemeinschaftliche Unternehmen nicht anwendbar, vgl. EuGH, Urteil vom 15. 05. 1997 – C-250/95, ECLI:EU:C:1997:239, Rz. 23 ff. 107 Kofler/Mayr/Schlager, BB 2017, S. 1815 (1816). 108 Kofler/Mayr/Schlager, BB 2017, S. 1815 (1816). 109 Cloer/Gerlach, Fr 2018, S. 105 (110).
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
Absprachen zum effektiven Informationsaustausch zur Sicherstellung einer sachgerechten Besteuerung unumgänglich. c) Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs Wesentlich erheblicher sind die Probleme im Bereich der Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs. Bei Nichtvorhandensein einer Betriebsstätte fehlt es nämlich regelmäßig an inländischem körperlichem Haftungssubstrat des Unternehmens, sodass eine Vollstreckung nicht möglich ist. Auch das bisherige nationale Instrumentarium und die bisherigen Mechanismen lassen sich nicht für die Durchsetzung der Ertragsteuer in diesem Zusammenhang heranziehen: So ist ein Steuerabzug, wie ihn derzeit § 50a Abs. 1 EStG für bestimmte Fälle der beschränkten Steuerpflicht vorsieht, nicht generell denkbar, da Haftungsschuldner dann häufig eine Vielzahl von Endverbrauchern wären, denen entsprechende Abführungspraktiken fremd sind, § 50a Abs. 5 S. 2 EStG.110 Daneben ist auch eine Verlagerung dieser Verpflichtung auf Intermediäre, wie Banken und Kreditkartenunternehmen nicht denkbar, da diesen nicht ausreichend Informationen über die Transaktionen der Digitalunternehmen zur Verfügung stehen.111 Danach müsste auf eine extraterritoriale Rechtsdurchsetzung zurückgegriffen werden, für die das supranationale Recht sowie die vereinbarten DBA keine ausreichenden Instrumente bieten. Entsprechende Mechanismen müssten i. R. d. Einführung des Regelungsmodells in das Abkommensrecht implementiert werden. Selbst dann bleibt fraglich, wie effektiv diese Erhebungsformen genutzt werden können, da sich hieran verfassungsrechtliche Fragen anschließen und dieser zusätzliche Aufwand Steuerbehörden überlasten könnte.112 De lege lata erweist sich eine Durchsetzung der neu geschaffenen beschränkten Steuerpflicht also als nicht zu gewährleisten. Es müssten neue Methoden zur effektiven und gleichmäßigen Durchsetzung der entstehenden Steueransprüche geschaffen werden. Diese greifen tief in das vorhandene System ein und begegnen u. U. verfassungsrechtlichen, europarechtlichen und völkerrechtlichen Bedenken. Vorgeschlagen werden einerseits erweitere Absprachen über die Erhebung zwischen den Staaten. So ist, ähnlich der Mini-One-Stop-Shop-Regelung in § 18h UStG, eine Erhebungsweise angedacht, bei der ein Staat die Verwaltung und Erhebung der Steuer übernimmt und dann mit den anderen Staaten abrechnet.113 Jedoch handelt es sich auch hierbei letztlich um eine Form der extraterritorialen Rechtsdurchsetzung, die denselben Einwänden wie oben begegnet. Eine abgeschwächte Form der Mitwirkung anderer Staaten wäre, diese nicht zur Durchsetzung des Steueranspruchs heranzuziehen, sondern diese erst dann zu beteiligen, wenn das jeweilige Unternehmen seine Steuererklärungs- und -entrich110 111 112 113
Kofler/Mayr/Schlager, BB 2017, S. 1815 (1816). OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 296 f. Dazu s. o. Kapitel 3: B.V.1.c) Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs, S. 136. Hongler/Pistone, Blueprints for a New PE Nexus, S. 36 f.
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tungspflichten im Inland nicht erfüllt. Entsprechende Strafen könnten durch andere Staaten vollstreckt werden, wobei diese im Gegensatz zur Vollstreckung von Steueransprüchen nicht den materiellen Steueranspruch des anderen Staates überprüfen, sondern lediglich feststellen müssten, dass das Unternehmen seine ausländischen Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren verletzt hat.114 Jedoch stehen auch diesem Ansatz die gewöhnlichen Einwände gegen Amtshilfemaßnahmen entgegen, wenn auch in abgemilderter Form. Ein Ansatz, der ohne die Zuhilfenahme fremder Jurisdiktionen auskommt, stellt die Zurechnung zu innerstaatlichen Teilen des Digitalunternehmens dar. Zwar verfügen Digitalkonzerne regelmäßig nicht über eine Betriebsstätte im Inland. Jedoch werden Funktionen wie örtliche Kundenbetreuung, Servicezentren, Logistikstätten o. ä. häufig in Form einer konzernzugehörigen Schwester- oder Tochtergesellschaft ausgeübt, die über entsprechendes körperliches Haftungssubstrat im Inland verfügt. Stattet man dieses Unternehmen mit einer Attraktionskraft bezogen auf die Digitaleinkünfte aus oder zieht diese zur Sicherung des Vollzugs der steuerlichen Ansprüche heran, so kann der Steueranspruch zumindest bei denjenigen Unternehmen durchgesetzt werden, die entsprechende Einrichtungen im Inland betreiben.115 Allerdings kann so eben nur bei einem Teil der beschränkt steuerpflichtigen Unternehmen die Durchsetzung des Steueranspruchs sichergestellt werden. Erkennbar ist danach, dass die Schwierigkeiten in Bezug auf die Herbeiführung eines tatsächlichen Belastungserfolges mit zunehmender Intensität staatlicher Beteiligungserfordernisse steigt. Während der Anwendbarkeit des Tatbestandes durch den Steuerpflichtigen nichts im Wege steht, stellen sich die Überprüfung und noch vielmehr die Durchsetzung des Steueranspruchs als äußerst schwierig dar. 2. Komplexität Generell führt die Einführung zusätzlicher Regelungen in die Steuerrechtsordnung zu einer Zunahme der Komplexität. Die hier angestrebte Schaffung eines zusätzlichen inländischen Anknüpfungsmerkmals ermöglicht die Beteiligung der Marktstaaten am Besteuerungsprozess, macht eine Veränderung der Verrechnungspreisleitlinien erforderlich116 und verlangt die Änderung von DBA und nationalen Rechtsordnungen.117 Eine derartige Komplexitätssteigerung im Steuersystem ist einer jeden Reform zur Auflösung der Problemlage inhärent, muss jedoch unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten118 sowie vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips opportun sein. Dazu sollte sie möglichst alle derzeit pathologischen Fälle erfassen und gleichzeitig möglichst simpel in der Durchführung sein. 114 115 116 117 118
Im Ansatz: Hellerstein, BfIT 2014, S. 346 (348). Vgl. Hellerstein, BfIT 2014, S. 346 (349). S. u. Kapitel 4: B.V.4. Folgefrage: Anpassung der Einkünftezuordnungsregeln, S. 186. S. u. Kapitel 4: B.V.3. Realisierbarkeit, S. 181. Vgl. Bauer/Keuper, IStR 2020, 685 (694).
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
Dies kann nur durch Prinzipiengebundenheit und Typisierung innerhalb der Regelung erfolgen.119 In Bezug auf die Prinzipiengebundenheit kommt dem Reformvorschlag auf erster Stufe wiederum die Einbindung ins vorhandene Ertragsteuersystem zugute. Generell handelt es sich bei inländischen Anknüpfungsmerkmalen, die zur Begründung einer beschränkten Steuerpflicht im Inland führen, nicht um verwirrende Detailregelungen, sondern um Tatbestände, die ein Maß an Verbindung zu einer Steuerjurisdiktion vorgeben, ab dem eine Besteuerung vor dem Hintergrund des Territorialanspruchs des Staates als gerechtfertigt erscheint. Dies gilt, solange auf zweiter Stufe auch die Anknüpfungsmerkmale selbst einsichtig – also prinzipiengebunden – erscheinen. Diese orientieren sich nur teilweise an klaren Belastungsgründen120 und auch die Kompetenz zur Erfassung atypischer Sachverhalte unterscheidet sich je nach Ausgestaltungsvariante. Während die signifikante digitale Präsenz bei einer Anknüpfung an reine Umsatzwerte und auch der Vermarktungsgüteransatz mit der Anknüpfung an regelmäßig vorkommende immaterielle Wirtschaftsgüter sehr umfassend erscheinen, beschränkt sich der Nutzernexus auf Geschäftsmodelle, die auf bestimmte Interaktionen mit Individuen beruhen. Der unified approach versucht durch die Kombination von Merkmalen einen umfassenden Tatbestand zu erreichen. Allerdings ist hier der Belastungsgrund nicht klar erkennbar und die Regelung erscheint kleinteilig anstatt offen, was gerade zu vermeiden ist. Das zu schaffende inländische Anknüpfungsmerkmal bedient sich der Typisierung zur Komplexitätsreduzierung. Einerseits wird mit den einzelnen Ausgestaltungsvarianten versucht, den Stereotyp des digitalen Geschäftsmodelles zu fixieren. Dabei divergieren die identifizierten Merkmale der Digitalwirtschaft (Nutzer, Vermarktungsgüter, Einwirken durch digitale Schnittstelle) unter den verschiedenen Modellen. Andererseits wird versucht, mittels Schwellenwerten die Anzahl der Anwendungsfälle derart zu reduzieren, dass nur diejenigen Unternehmen einer beschränkten Steuerpflicht unterfallen, bei denen eine Verhältnismäßigkeit zwischen Mehraufwand der Beteiligten und Ertrag sowie Intensität der Einwirkung auf die inländische Wirtschaft gegeben ist.121 Konkret werden dabei neben einer allgemeinen Umsatzschwelle auch Verschonungsregeln für die Fälle diskutiert, in denen die zuzuordnenden Einkünfte sehr gering sind (sog. de-minimis-Regel) oder eine gewisse Profitabilität nicht erreicht wird.122 Letzteres dient der Vermeidung von unverrechenbaren Verlusten im Marktstaat. Diese Schwellen haben ambivalente Auswirkungen auf die Komplexität der Regelung. Zwar werden durch sie eine Vielzahl von Anwendungsfällen vermieden, was gerade KMU vor erheblichen ComplianceKosten verschont und die Verwaltbarkeit der Regelung für die Finanzverwaltung 119
Dazu siehe auch: Kapitel 3: B.V.2. Komplexität, S. 138. S. o. Kapitel 4: B.IV.1. Regelungseigenschaften, S. 172. 121 Cloer/Postler, FR 2020, S. 486 (490); OECD, Statement on the Two-Pillar Approach, Rz. 35. 122 Vgl. OECD, Statement on the Two-Pillar Approach, Annex B. 120
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erhöht.123 Anders gewendet führt die Schwellenprüfung selbst evtl. in einzelnen Fällen zu einem Mehraufwand und zu weiterführenden Fragestellungen, da durch sie neue Rechnungsgrößen eingeführt werden, die damit auch Gegenstand der Tatbestandsanwendung werden.124 3. Realisierbarkeit Die Realisierbarkeit des Reformentwurfs ist dreistufig zu prüfen: Zunächst ist festzustellen, welche Umsetzungsebene für den Vorschlag vorgesehen ist, sodass die Verbesserung der Problemlage auch eintreten kann. Anschließend sind die Voraussetzungen zu erörtern, die auf dieser Ebene für eine Umsetzung in geltendes Recht erforderlich sind. Zuletzt ist zu betrachten, inwieweit die Erfüllung dieser Voraussetzungen wahrscheinlich erscheint.125 a) Umsetzungsebene Eine Umsetzung der Nexusänderung durch unilaterales Gesetz ohne weitere Absprachen berücksichtigt die Internationalität der identifizierten Probleme nicht ausreichend und wird der Grundidee hinter den Reformvorschlägen dieser Gruppe nicht gerecht. Würde der deutsche Gesetzgeber autark den Marktnexus als Anknüpfungspunkt in § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG aufnehmen, so hätte dies aufgrund des Vorrangs der abgeschlossenen DBA nach dem lex specialis Grundsatz126 regelmäßig keine Auswirkungen auf die Besteuerung. Mit denjenigen Staaten, aus denen die meisten Digitalkonzerne stammen, wurden i. d. R. Abkommen abgeschlossen. Eine bloße Umsetzung auf nationaler Ebene würde also zu keiner Änderung führen. Um die effektive Einführung eines Marktnexus herbeizuführen, bedürfte es vielmehr eines treaty overrides. Damit kann innerstaatliches Recht auch bei einem Entzug der Besteuerungskompetenz durch anders lautenden völkerrechtlichen Vertrag angewendet werden und überlagert so die Bestimmungen der geltenden DBA.127 Jedoch führt ein derartiges Vorgehen zu Rechtszersplitterung, Doppelbesteuerungen und verfassungs- sowie völkerrechtlichen Fragestellungen.128 Zudem ist davon auszugehen, dass eine derartige Lösung nicht zu einer tatsächlichen Verbesserung der Problemlage führt, da die erforderliche Kooperation bei der Anwendung, Über-
123
Vgl. OECD, Statement on the Two-Pillar Approach, Rz. 35. Vgl. Bauer/Keuper, IStR 2020, 685 (694). 125 Zum Vorgehen: s. o. Kapitel 3: B.V.3. Realisierbarkeit, S. 140. 126 Zur Vorrangigkeit von Abkommensvorschriften: Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 89; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 3.23 ff. 127 Ausführlich zum Begriff des treaty overrides: Vogel, in: FS Höhn (1995), S. 461 ff. 128 S. o. Kapitel 3: B.V.3.a) Umsetzungsebene, S. 140. 124
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
prüfung und Durchsetzung der Regelung129 von anderen Staaten nicht zu erwarten ist. Insofern kann eine rein unilaterale Einführung nicht überzeugen. Gleiches gilt für bilaterale Absprachen, also eine Umsetzung über einzeln ausgehandelte DBA. Bei einem derartigen Vorgehen ist zu erwarten, dass ein regelungstechnischer Flickenteppich entsteht, welcher zur Rechtszersplitterung und damit zu keiner Verbesserung der Problemlage führen würde. Von einer einheitlichen und flächendeckenden Problemlösung ist demnach nicht auszugehen. Auch könnte das innerstaatliche Recht nicht richtig auf die verschiedenartigen DBA abgestimmt werden. Angestrebt wird deshalb eine Lösung auf multilateraler Ebene. Hierfür wurde von der OECD in Zusammenarbeit mit den G20-Staaten das sog. Inclusive Framework gegründet, dem weit über 100 Nationen angehören, die sich an der Erarbeitung einer entsprechenden Lösung beteiligen. Ein derartiges Vorgehen trägt der multinationalen Ausrichtung digitaler Geschäftsmodelle Rechnung und ermöglicht daher eine effektive Verbesserung der identifizierten Problemlage.130 So wird der neugeschaffene Marktnexus bei der Umsetzung durch die große Anzahl der beteiligten Staaten zu einem neuen Standard bei der internationalen Aufteilung der Besteuerungsrechte. Damit werden Doppelbesteuerungen durch Abstimmung von inner- und zwischenstaatlichem Recht vermieden. Daneben können Vermeidungsmöglichkeiten durch das abgestimmte Handeln der Staaten minimiert und der effektive Vollzug durch Nebenabsprachen zur extraterritorialen Rechtsdurchsetzung sichergestellt werden. Mit Sicherheit wäre eine Umsetzung des Marktnexus auf dieser Ebene aufgrund seiner umfassenden Geltung vorzugswürdig. Gleichwohl erscheint auch eine Umsetzung auf EU-Ebene nicht völlig ausgeschlossen.131 Zwar wäre der Geltungsbereich der Regelung bei dieser Umsetzungsvariante auf die Mitgliedstaaten beschränkt und würde damit wesentlich kleiner ausfallen als bei einer Umsetzung auf Ebene des Inclusive Frameworks. Jedoch entstehen aus der Einführung über supranationales Recht auch Vorteile.132 So kann eine Regelung aufgrund der weitgehend einheitlichen Grundrechts- und Rechtsschutzstandards weiter in die territorialen Hoheitsrechte der Staaten eingreifen. Die Durchführung von Ermittlungs- oder Durchsetzungsmaßnahmen für andere Mitgliedstaaten ist demnach nicht zwangsweise an Überprüfungs- oder Umsetzungsakte durch den um Hilfe gebetenen Mitgliedstaat gebunden. Zudem kommt dem EU-Recht Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht zu, sodass eine effektive Umsetzung der Regelung nach deren Beschluss auf EU-Ebene aus rechtlicher Perspektive garantiert ist. Eine europäische Umsetzung würde damit innerhalb der Union zu einer flächendeckenden und effektiven Lösung des Problems 129
S. o. Kapitel 4: B.V.1. Tatsächlicher Belastungserfolg, S. 176. So auch: EU-Kommission, COM(2018) 147 final, S. 3; BR-Drucks. 94/18 (B) Abs. 3, 4. 131 Ein entsprechende Richtlinienvorschlag existiert bereits: EU-Kommission, COM(2018) 147 final. 132 S. o. Kapitel 3: B.V.3.a) Umsetzungsebene, S. 140. 130
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führen. Da die Problemlösung räumlich damit auf diese „Insel“ beschränkt ist und wichtige Staaten der Digitalbranche, insbesondere die USA, nicht umschließt, handelt es sich bei dieser Ebene nur um die zweitbeste Möglichkeit. b) Umsetzungsvoraussetzungen Für eine Umsetzung auf multilateraler Ebene ist ein mehrseitiger völkerrechtlicher Vertrag erforderlich. Dies bedeutet, dass i. R. d. Inclusive Frameworks weit über 100 Staaten diesem Vertrag zustimmen müssten. Regelmäßig geschieht dies durch Vertreter der Regierungsorgane der einzelnen Länder, die auch am Abstimmungsprozess maßgeblich beteiligt sind. Zwar existiert mit Art. 9 Abs. 2 WÜRV auch eine kodifizierte Möglichkeit durch einen Zweidrittelbeschluss auf einer Konferenz ein Abkommen herbeizuführen.133 Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich Länder, die sich an der Umsetzung der Reform nicht beteiligen wollen, dem Vertragsschluss nicht beiwohnen. Demnach ist zu erwarten, dass sich diejenigen Länder, die von der aktuellen Rechtslage profitieren, dem Vertrag nicht anschließen werden. Während die Abstimmung bereits auf dieser zwischenstaatlichen Ebene durch die große Zahl an beteiligten Staaten schwierig erscheint, folgt aus dem Vertragsschluss lediglich die völkerrechtliche Verpflichtung der Länder zur Umsetzung. Geltung erlangt die Reform dann erst durch die Ratifikation in den einzelnen Staaten134 bzw. durch die Umsetzung ins nationale Recht. In Deutschland ist hierfür gemäß Art. 59 Abs. 2 GG ein Zustimmungsgesetz erforderlich, dass sich nach den gewöhnlichen Bestimmungen zur Gesetzgebung richtet. Da die Implementierung eines zusätzlichen Anknüpfungsmerkmals in die Regeln des Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerrechts eingreift, ist ein Beschluss durch den Bundestag sowie die Zustimmung durch den Bundesrat erforderlich.135 Regelmäßig müssen auch in anderen Ländern die Parlamente als Legislativorgane an der Umsetzung des völkerrechtlichen Vertrags ins nationale Recht mitwirken.136 Während dies in Deutschland aufgrund der politischen Tradition zur Bildung einer Mehrheitsregierung i. d. R. zumindest im Bundestag keine politische Hürde darstellt, kann es in Ländern, die im Abstimmungsprozess durch eine Minderheitsregierung vertreten waren, hier zu Problemen bei der Umsetzung kommen. Es zeigt sich somit, dass die vorgestellten Vorschläge in Bezug auf eine Umsetzung auf multilateraler Ebene hohen Hindernissen begegnen. Anders verhält sich dies auf europäischer Ebene. Hier sind nicht die einzelnen Nationalstaaten, sondern die EU selbst primärer Gesetzgeber. Zur Änderung von Regelungen im Bereich direkter Steuern steht dem EU-Gesetzgeber gemäß Art. 115 133 134 135 136
Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht III, S. 551. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht III, S. 553 ff. S. o. Kapitel 4: B.III.1. Nationale Grundlagen, S. 169. Im Einzelnen: Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I, S. 110 ff.
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
AEUV lediglich die Richtlinie als Instrument zur Verfügung.137 Diese gibt konkrete Entscheidungen vor, die die nationalen Gesetzgeber anschließend zwingend in ihre Rechtsordnungen übernehmen müssen. Auf supranationaler Ebene ist für das Zustandekommen eines solchen europäischen Rechtssetzungsaktes im besonderen Gesetzgebungsverfahren die Einstimmigkeit des Rates erforderlich, Art. 17 Abs. 2 EUV, Art. 289 Abs. 2, 115 AEUV, sodass ein Konsens über die Einführung des neuen Anknüpfungsmerkmals zwischen sämtlichen EU-Mitgliedsstaaten bestehen muss. Auf nationaler Ebene muss anschließend eine Übernahme der Richtlinienvorgaben ins nationale Recht durch den dort zuständigen Gesetzgeber erfolgen. Während dies bei multilateralen Verträgen die Umsetzung blockieren kann, ist ein Scheitern bei diesem Schritt i. R. einer europäischen Gesetzgebung nicht zu erwarten. Einerseits sind die Mitgliedstaaten zur Umsetzung verpflichtet und sehen sich im Falle einer Nichtumsetzung einem potentiellen Vertragsverletzungsverfahren (Art. 258 Abs. 2 AEUV) ausgesetzt. Andererseits können nicht oder nur unzureichend umgesetzte Richtlinien unmittelbare Wirkung entfalten, wenn sie hinreichend genau und unbedingt sind.138 Im Ergebnis ist damit nur ein Konsens auf supranationaler Ebene erforderlich. Dieser muss allerdings einstimmig erfolgen, was auch auf EU-Ebene hohe Hürden für eine Umsetzung setzt, wenngleich diese geringer sind als bei einem multilateralen Abkommen. c) Umsetzungswahrscheinlichkeit Die Wahrscheinlichkeit einer Umsetzung richtet sich maßgeblich an politischen Fragen aus. Als objektive Faktoren, die Aufschluss über die Chancen einer Umsetzung geben können, sind die Intensität und die Reichweite der mit dem Reformvorschlag einhergehenden Änderungen sowie die Homogenität bzw. Inhomogenität der an der Abstimmung beteiligten Instanzen zu identifizieren.139 Unabhängig von der Umsetzungsebene ist festzustellen, dass die Veränderungen, die mit der Einführung des Reformvorschlages einhergehen, massiv sind. So erkennt die Reform nicht nur erstmalig ein Anknüpfungsmerkmal im Marktstaat ohne physische Präsenz an und ändert damit ein Grundprinzip des internationalen Steuerrechts, sondern führt auch zu einer Umverteilung des Steuersubstrats unter den Staaten. Bei einer Umsetzung auf multilateraler Ebene kommt hinzu, dass es auch weitreichende Ergänzungen bei den Regelungen zur Fest- und Durchsetzung von Steueransprüchen bedarf, die stark in die Hoheitsrechte der Nationalstaaten eingreifen. Im Hinblick auf den Abstimmungsprozess muss gesehen werden, dass ein institutionalisierter Rahmen für die Regelungsfindung, wie er auf EU-Ebene mit Kommission und Rat vorliegt, im Inclusive Framework nur in weit weniger aus137 138 139
Ausführlich s. o.: Kapitel 3: B.V.3.b) Umsetzungsvoraussetzungen, S. 142. Vgl. Jochum, Europarecht, Rz. 353 ff. S. o. Kapitel 3: B.V.3.c) Umsetzungswahrscheinlichkeit, S. 144.
B. Anwendung des Prüfprogramms
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geprägter Weise vorhanden ist. Zudem sind dort nicht nur deutlich mehr Staaten in die Konsensfindung miteinbezogen. Auch die Interessen einiger bedeutender Akteure in diesem Prozess sind weit gegenläufiger als auf Ebene der EU.140 Zudem unterscheiden sich die beteiligten Staaten in ihrer politischen, wirtschaftlichen und juristischen Struktur stark. Aufgrund dieser Inhomogenität können die Interessen der Länder allenfalls in einem langwierigen diplomatischen Prozess in Einklang gebracht werden,141 wobei auf multilateraler Ebene eine grundsätzliche Einigung erzielt wurde.142 Zu erwarten ist damit auch, dass, aufgrund der bestehenden Verhandlungsinteressen, eine Kompromissbildung zur Aufweichung des Kerngedankens der Reformvorschläge führen wird und daher, wenn überhaupt, nur eine „weichgespülte“ Regelung festgelegt werden kann.143 Auf Ebene der Europäischen Union ist die Konsenswahrscheinlichkeit etwas höher. So sind weniger Staaten an der Kompromissbildung beteiligt und auch die Zusammensetzung dieser Akteure stellt sich homogener dar. Darüber hinaus entfällt die Auseinandersetzung auf zweiter Stufe im nationalen Recht fast vollständig, da sich dort nicht mehr die Frage nach dem „Ob“, sondern nur noch nach dem „Wie“ der Umsetzung stellt. Gleichwohl bringen die weitreichenden Änderungen, insbesondere in der Zuordnung von Besteuerungsrechten, negative wirtschaftliche Folgen für einige Nationalstaaten mit sich.144 Für Zurückhaltung könnte daneben auch das Auseinanderfallen in der Behandlung digitaler Einkünfte von Dritt- und Mitgliedstaaten sorgen. Während innerhalb der Union der neue Nexus gelten soll, bleibt es bei Sachverhalten mit Drittstaatenbezug beim Betriebstättenprinzip.145 Die verleiht den Reformvorschlägen eine noch stärkere Veränderungsintensität, da die Mitgliedstaaten untereinander im Vergleich zur sonstigen internationalen Steuerrechtsordnung einen Sonderweg beschreiten würden. 140 V. a. den USA würden durch die Einführung des Marktnexus erhebliche Steuereinnahmen entfallen. Im Vergleich zu den europäischen Staaten (insbesondere Deutschland) ist der Anteil der Digitalwirtschaft am amerikanischen Bruttoinlandsprodukt erheblich höher. So beträgt der Anteil der Informations- und Kommunikationsbranche am BIP 2016 in Deutschland 3,0 % (vgl. Statistisches Bundesamt, BIP 2016, S. 10) wohingegen in den USA nur die Digitalwirtschaft bereits 6,5 % des BIP ausmacht (vgl. BEA, How Big is the Digital Economy?). Dennoch haben die USA der Einführung eines Marktnexus zusammen mit einem globalen Mindestbesteuerungsregime grds. zugestimmt, vgl. OECD, Statement on a Two-Pillar Solution. 141 Hongler/Pistone, Blueprints for a new PE Nexus, S. 40; so auch die Einschätzung der EU-Kommission, COM(2018) 147 final, S. 4 und auch der OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 403. 142 OECD, Statement on a Two-Pillar Solution. 143 Hongler/Pistone, Blueprints for a new PE Nexus, S. 40. 144 So wurde ein entsprechender Richtlinienentwurf der EU vom Bundesrat mit der Begründung abgelehnt, dass im Hinblick auf die deutsche Interessenslage eine Umsetzung zumindest auf Ebene der OECD erfolgen muss, BR-Drucks. 94/18 (B) Abs. 4 a. E. 145 Im vorhandenen Richtlinienentwurf ist lediglich eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten enthalten, entsprechende Regelungen in die Bestimmungen ihrer DBA mit Drittstaaten aufzunehmen, vgl. EU-Kommission, COM(2018) 147 final, S. 5.
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
4. Folgefrage: Anpassung der Einkünftezuordnungsregeln Soll die bestehende Problemlage um die Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle durch eine Reform der Zuordnung von Besteuerungsrechten im allgemeinen Ertragsteuerrecht gelöst werden, so stellt sich zwingend auch die Frage nach der Zuordnung von Einkünften zu diesem neu geschaffenen Nexus. Dieser bliebe nämlich wirkungslos, wenn ihm keine Einkünfte zugeordnet werden können.146 Derzeit werden Betriebsstätteneinkünfte nach dem sog. Authorized OECD Approach147 zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat aufgeteilt. Dabei wird die Betriebsstätte fiktiv als eigenständiges und unabhängiges Unternehmen behandelt, § 1 Abs. 5 S. 2 AStG. Die daraufhin erfolgende Allokation von Einnahmen und Ausgaben erfolgt nicht lediglich nach der Erklärung des Steuerpflichtigen; vielmehr wird der Gewinn mithilfe der Verrechnungspreismethode den Unternehmensteilen zugewiesen.148 Die Zuordnung von Einkünften zur Betriebsstätte knüpft dabei gemäß § 1 Abs. 5 S. 3 Nrn. 1 bis 4 AStG an das Vorhandensein von Personalfunktionen, Vermögenswerten, Chancen und Risiken sowie von Eigenkapital an.149 Da jedoch letztlich alle dieser Kriterien eine „Schaffung“ oder „Nutzung“ i. R. d. Betriebsstätte vorsehen (§§ 5 ff. BsGaV), sind Personalfunktionen als zentrales Zuordnungskriterium zu identifizieren. Ohne Betriebsstätte oder eine sonstige körperliche Basis im Inland, können derartige Funktionen bereits denklogisch nicht vorhanden sein.150 Dies zeigen auch Unternehmen der Digitalbranche, die bereits derzeit der inländischen Besteuerung unterfallen, da sie eine Betriebsstätte unterhalten. Ihnen wird aufgrund der Beimessung von nur sehr geringen Funktionsanteilen regelmäßig nur ein sehr kleiner Teil der Gewinne zugewiesen.151 Trotz der Einführung eines neuen Nexus, bliebe es mit dem vorhandenen Instrumentarium zur Gewinnaufteilung demnach dabei, dass im Marktstaat keine oder nur ein kleiner Teil der Gewinne
146
Vgl. Becker/van der Ham, DB 2019, S. 502 (505). Dieser ist abkommensrechtlich in Art. 7 Abs. 2 OECD-MK und innerstaatlich in § 1 Abs. 5 AStG verankert; vgl. Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, BetriebsstättenHandbuch, Rz. 4.31 ff., 5.5 ff. 148 Der Gesetzgeber erkennt demnach die Verantwortlichkeit für die einwandfreie Zuordnung von Einkünften nicht beim Steuerpflichtigen, sondern bei der Finanzverwaltung, da die Gewinnaufteilung in der Vergangenheit häufig durch Steuerpflichtige zur Verlagerung von Gewinnen in andere, niedriger besteuernde Rechtsordnungen missbraucht wurde, vgl. Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.18. 149 Vgl. auch OECD-MK (2017), Art. 7 Rz. 15, 21; ausführlich: Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.17 ff. 150 Vgl. Becker/van der Ham, DB 2019, S. 502 (505). 151 OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 285; Greil/Fehling, IStR 2017, S. 757 (762); vgl. mit konkreten Fallbeispielen: Kofler/Meyer/Schlager, BB 2017, S. 1751 (1756 f.). 147
B. Anwendung des Prüfprogramms
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besteuert würden. Dies würde bedeuten, dass die oben beschriebenen Probleme weiterbestehen und sich lediglich auf die Ebene der Verrechnungspreise verlagern.152 Es bedarf daher als Folge der Ergänzung eines Nexus für Digitaleinkünfte auch einer Anpassung der Verrechnungspreisleitlinien. In diesem Zusammenhang ergeben sich ähnliche Probleme wie bei der Frage nach dem inländischen Anknüpfungsmerkmal. So ist aufgrund der Eigenheiten digitaler Geschäftsmodelle eine, am Fremdvergleich ausgerichtete und transaktionsbasierte Regelung nicht möglich.153 Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass maßgebliche Wertschöpfungsaktivitäten weiterhin in denjenigen Staaten zu verorten sind, in denen Personalfunktionen vorhanden sind. Demnach müssen auch diesen weiterhin angemessene Anteile am Gesamtgewinn zukommen. Wie dies zu erreichen ist, ist umstritten und im Einzelnen mit weiterreichenden Fragen und Problemen verknüpft. Im Ergebnis sollen Unternehmensteile, die aktiv an der Wertschöpfung teilhaben, weiterhin entsprechend des Authorized OECD Approach betrachtet werden und lediglich der Restgewinn oder ein Teil davon auf die Staaten mit neuem digitalem Anknüpfungspunkt verteilt werden.154 Dies führt zu einem mehrstufigen Prozess, der ein gewisses Maß an Koordination zwischen den beteiligten Staaten fordert und mit erheblicher Komplexität verbunden ist. Letztlich stellen sich auf Ebene der Einkünftezuordnung ähnliche Fragen wie auf der Ebene der Begründung eines inländischen Anknüpfungsmerkmals. Auch bei der Verteilung des Gewinns ist demnach darauf achten, dass eine Verbesserung der Problemlage mittels einer dogmatisch legitimen Lösung herbeigeführt wird, die zudem mit den vorhandenen Regeln kohärent ist, Umgehungsgestaltungen vorbeugt und Praktikabilität gewährleistet. Insoweit kann das dargelegte Prüfprogramm auf dieser Ebene entsprechend angewendet werden. Diese Problematik geht allerdings über das Thema dieser Arbeit, welche nach einem Anknüpfungspunkt zu Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle forscht, hinaus. Festzustellen ist lediglich, dass es sich bei der Anpassung der Einkünftezuordnungsregeln um eine unumgängliche und komplexe Folgethematik handelt, ohne deren Mitbetrachtung die Einführung eines inländischen Anknüpfungsmerkmals für digitale Geschäftsmodelle keinen Erfolg in Bezug auf die identifizierten Probleme verspricht. 5. Zwischenfazit Es hat sich gezeigt, dass der Einführung eines Marktfaktors als Anknüpfungspunkt i. R. d. allgemeinen Ertragsteuer wesentliche Probleme bei der Praktikabilität gegenüberstehen. 152
Hongler/Pistone, Blueprints for a New PE Nexus, S. 32; Olbert/Spengel, WTJ 2017, S. 3 (14 f.); insgesamt dazu: Greil/Fehling, IStR 2017, S. 757 (762); Rogge, BB 2015, S. 2966 (2969). 153 Weggenmann/Blank/Brunnhübner, IStR 2019, S. 769 (771 f.). 154 Vgl. OECD, Blueprint for Pillar I, Rz. 496 ff.
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
Während der Tatbestand des inländischen Anknüpfungsmerkmals für den Steuerpflichtigen noch anwendbar ist, sieht sich die Steuerverwaltung mit dem derzeit bestehenden Instrumentarium nicht im Stande, entstehende Steueransprüche zu überprüfen oder gar durchzusetzen. Erforderlich wären weitreichende Anpassungen im Bereich der Informationsansprüche und den Möglichkeiten zur extraterritorialen Rechtsdurchsetzung. Gleichzeitig kann eine gewisse Komplexität der Regelung nicht verhindert werden. Zwar richtet sich der Tatbestand – je nach Umsetzung – an klaren Prinzipien aus, was die Einseitigkeit und Subsumtionsfähigkeit verbessert. In Sachen Typisierung erweisen sich enthaltene Schwellenwerte als zweischneidiges Schwert, da diese einerseits die Anwendungsszenarien reduzieren, jedoch gleichzeitig durch zusätzliche Ermittlungs- und Subsumtionsarbeit weitere Prüfungen erfordern. Damit es zu einer tatsächlichen Verbesserung der Problemlage durch Einführung des Digitalnexus kommt, muss dieser mindestens auf europäischer, besser noch auf multinationaler Ebene eingeführt werden, da nur eine flächendeckende Einführung Ausflüchte der Steuerpflichtigen und Disparitäten im internationalen Steuerrecht verhindert. Die Hürden für eine Umsetzung auf einer der beiden Ebenen sind hoch. Für eine multilaterale Umsetzung ist auf internationaler Ebene ein Konsens zwischen einer Vielzahl an Staaten – vertreten durch die Exekutivorgane der Länder – und auf nationaler Ebene eine Überführung ins innerstaatliche Recht – meist durch Beschluss der Legislativorgane – erforderlich. Entsprechend schwierig ist das Finden eines Kompromisses innerhalb dieser großen und inhomogenen Gruppe und entsprechend unsicher ist auch die Übernahme ins nationale Recht. Bei einer Umsetzung i. R. d. Europäischen Union findet der Kern der Gesetzgebung direkt auf supranationaler Ebene statt. Aufgrund der europäischen Verfasstheit stellt die Umsetzung ins nationale Recht hingegen keine materielle Hürde dar, da die Mitgliedstaaten zur Umsetzung verpflichtet sind. Der EU-Rat muss dennoch zuvor die Einführung einer entsprechenden Richtlinie einstimmig beschließen. Zwar ist hierbei die Gruppe an beteiligten Akteuren wesentlich kleiner und homogener als auf multilateraler Ebene. Jedoch gehen, wie auch bei einer multilateralen Umsetzung, mit der Einführung massive Eingriffe in hoheitliche Rechte der Nationalstaaten sowie erhebliche Änderungen im internationalen Steuerrecht und in der Verteilung der Besteuerungskompetenzen unter den Staaten einher. Zuletzt stellen sich fast unüberblickbare Folgefragen im Bereich der Einkünftezuordnung. Die Anwendung der vorhandenen Verrechnungspreisleitlinien knüpfen allesamt an Personalfunktionen an, die bei einer unkörperlichen Teilnahme am Wirtschaftsleben eines Marktstaates nicht vorhanden sind. Dadurch käme es auch bei Einführung eines Nexus für digitale Geschäftsmodelle zu keiner Verbesserung der identifizierten Problemlage. Für die Bestimmung sachgerechter Regelungen in diesem Bereich kann das dargelegte Prüfverfahren entsprechend herangezogen werden.
B. Anwendung des Prüfprogramms
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Insgesamt stellt sich die Praktikabilität als kritischster Punkt der Vorschläge zur Einführung eines gesonderten Anknüpfungsmerkmals für digitale Geschäftsmodelle i. R. d. allgemeinen Ertragsteuersystems dar. Sowohl bei Implementierung der Regelung ins Steuersystem als auch bei der späteren Durchführung des Besteuerungsverfahrens zeigen sich gewichtige Hindernisse. Gleiches gilt für die Folgefrage nach der Anpassung der Einkünftezuordnungsregeln. Dies muss als wesentlicher Malus dieser Reformentwürfe in die Gesamtabwägung miteinfließen.
VI. Gesamtabwägung Für die Einführung eines Marktfaktors als Anknüpfungspunkt für die allgemeine Ertragsteuerpflicht spricht zunächst die Verbesserung der identifizierten Problemlage. Diese nimmt der Digitalbranche aktiv Wahlmöglichkeiten, die ihr derzeit zur Vermeidung von Ertragsteuern zustehen und baut Wettbewerbsverzerrungen ab. Gleichzeitig richtet sich deren Selektivität nach der gewählten Gestaltungsvariante. Weiterhin steht der Reformvorschlag auch in Kohärenz zur vorhandenen Rechtsordnung: Die Regelung ist von der Gestaltungsmacht des Gesetzgebers gedeckt und steht nicht im Widerspruch zum Grundgesetz oder den europäischen Marktfreiheiten und dem Beihilfeverbot. Zuletzt gelingt es der potentiellen Regelung auch weitgehend Umgehungsmöglichkeiten auszuschließen. Eine beschränkte Steuerpflicht wird im Marktstaat unabhängig vom Willen des Steuerpflichtigen begründet, da deren Voraussetzungen an eine unabhängige steuerjuristische Betrachtungsweise anknüpfen. Gleichzeitig orientieren sich die Tatbestandsmerkmale (je nach Ausgestaltungsvariante) an einem klaren Belastungsgrund. Gegen eine Umsetzung dieses Regelungsvorschlags spricht die schwache dogmatische Legitimität. So wird dem Territorialitätsprinzip aufgrund des nicht vorhandenen oder nur schwach ausgeprägten genuine links keine Rechnung getragen und eine nutzentheoretische Rechtfertigung scheidet aufgrund der relativ geringen Teilhabe an staatlichen Leistungen aus. Lediglich dem Leistungsfähigkeitsprinzip kann durch die Inklusion ins allgemeine Ertragsteuerrecht Rechnung getragen werden. Gravierender noch sind die massiven Einwände gegen die Praktikabilität der Regelung. Die Herbeiführung eines tatsächlichen Belastungserfolges ist mit Rücksicht auf die Überprüfungs- und Durchsetzungshindernisse kaum stringent möglich. Auch eine Umsetzung der Regelung auf einer Ebene, die tatsächliche Verbesserungen verspricht (multilateral oder zumindest EU-weit) erscheint – zumindest, wenn sie nicht stark verwässert werden soll – kaum realisierbar. Dennoch konnte sich ein erheblicher Teil der Staatengemeinschaft auf die grundsätzliche Einführung des Konzepts einigen. Während sich die Komplexität der Nexusregelung dagegen in Grenzen hält, stellen sich auf der nächstniedrigeren Ebene der Einkünftezuordnung zudem erhebliche Folgeprobleme. Aus theoretischer Perspektive handelt es sich daher um einen recht ordentlichen Vorschlag. Gelingt eine multinationale Umsetzung, so erfolgt eine Besteuerung von
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Kap. 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung
Digitaleinkünften analog zu der von Betriebsstätteneinkünften. Die dogmatischen Einwände wären dann, als „Kollateralschaden“ einer ansonsten soliden und ins Steuersystem integrierten Lösung, hinzunehmen. Zu beachten wäre dabei, dass auch die Ausgestaltung des Tatbestandes sich anhand der genannten Kriterien ausrichtet und damit zur Wahrung der Voraussetzungen beiträgt. Blickt man jedoch auch aus praktischer Perspektive auf den Regelungsvorschlag, stellt sich dieser als weitaus weniger geeignet dar. Während durch die Einpassung der Tatbestände in vorhandene Institute wie DBA und den nationalen inländischen Anknüpfungsmerkmalen der Vorschlag als minimal invasiv für das Steuerrecht wirkt, wird die Änderungsintensität erst bei den Folgefragen sichtbar. So führt die inhaltliche Änderung der Substratverteilungsregeln zur Abweichung vom Grundprinzip der Besteuerung bei körperlicher Anwesenheit, was sich in massiven Problemen im Besteuerungsverfahren und bei der Einkünftezuordnung niederschlägt. Zu diesen herausragenden Problemen der Besteuerungspraxis treten die Hürden bei der Rechtssetzung. International fließt seit Jahren erhebliche Energie in das Vorantreiben dieses Entwurfes. Zu erwarten war, dass die Regelungsidee ein akademisches Glasperlenspiel bleibt. Dennoch konnte sich eine große Anzahl an Staaten auf die grundsätzliche Umsetzung des Reformvorschlages verbunden mit der Einführung eines globalen Mindestbesteuerungsregimes einigen. Abzuwarten bleibt, ob der Beschlussvorschlag i. R. d. konkreten Gesetzgebungsprozesses jedoch nicht so stark verwässert wird, dass dieser die Problemlage tatsächlich nicht mehr verbessert.
Kapitel 5
Sondersteuern auf digitale Aktivitäten Zur Auflösung der identifizierten Besteuerungsprobleme in der Digitalwirtschaft wird als weitere Möglichkeit die Einführung einer besonderen Steuer auf digitale Geschäfte diskutiert. Während diese in der EU1 und der OECD2 zwar erörtert aber verworfen wurde, haben sich einige Länder dazu entschlossen, derartige Steuern im Alleingang einzuführen.3 Regelmäßig sind diese Alleingänge als Interimslösungen angedacht, die wieder abgeschafft werden sollen, sobald eine vom internationalen Konsens getragene Regelung gefunden wurde. Dabei ist dieses Cluster an Vorschlägen v. a. durch den Regelungsstandort außerhalb der bekannten Steuern gekennzeichnet. Die Sondersteuer soll Minderbesteuerungen i. R. d. allgemeinen Ertragsteuer ausgleichen, die bei digitalen Unternehmen aufgrund ihrer weitreichenden Steueroptimierungsmöglichkeiten eintreten.
A. Inhalt des Regelungsansatzes Nachdem die OECD in ihrem Abschlussbericht zu Aktionspunkt 1 des BEPSPlans die Situation und die Probleme bei der Besteuerung der digitalen Wirtschaft dargestellt hatte, nannte sie in diesem Bericht erstmals die sog. „Equalization Levy“ als eine von drei Handlungsoptionen für die Gesetzgeber.4 Gleichwohl sprach die OECD keine Empfehlung zu einer Umsetzung aus.5 Dennoch führte Indien 2016 als erstes Land eine entsprechende Digitalsteuer für Gebietsfremde ein;6 daneben begann Ungarn mit der Erhebung einer Werbesteuer, die jedoch nicht nur digitale Geschäftsmodelle betraf.7 Bis zu diesem Zeitpunkt handelte es sich lediglich um einzelne Vorstöße in diesem Bereich, die sodann durch die OECD evaluiert wurden. Dabei macht der OECD-Bericht deutlich, dass es sich bei derartigen unilateralen 1
EU-Kommission, COM(2018) 148 final. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 403 ff. 3 So bestehen derartige Steuern derzeit in Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich, Tschechien, Polen und der Türkei, weitere Staaten prüfen deren Einführung; vgl. Keuper, BB 2020, 2327. 4 OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 302 ff. 5 OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 357. 6 Vgl. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Box 4.3, S. 140 f. 7 Keuper, BB 2020, S. 471 (475 f.). 2
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
Sondersteuern lediglich um Interimsmaßnahmen handeln darf.8 Mit dem darauffolgenden Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie zur Einführung einer europäischen Digital-Service-Tax,9 kam neue Dynamik in die Diskussion. Zwar scheiterte dieser Richtlinienvorschlag am 12. 03. 2019 im Rat der Europäischen Union. Mehrere europäische Nationen intensivierten daraufhin allerdings ihre unilateralen Bemühungen zur Einführung einer entsprechenden Regelung. Hierbei verwiesen die meisten Gesetzgebern darauf, dass ihre Regelungen nur gelten sollen, bis ein internationaler Konsens gefunden ist.10 Demnach ist klar, dass Digitalsteuern weitgehend von allen Beteiligten als „Quick-Fix“ angesehen werden. Eine zügige Einführung ist im Vergleich zu den anderen Lösungsalternativen deshalb möglich, weil die neue Steuer separat steht und sich nicht in ein vorhandenes Regelsystem einfügen muss. Änderungen bekannter und geltender Regeln sind danach nicht erforderlich. Zudem erscheint die Sondersteuer auf digitale Aktivitäten auch unilateral einführbar, was das Erfordernis von Absprachen auf internationaler Ebene entfallen lässt. Dies ist deshalb der Fall, weil angenommen wird, dass im Gegensatz zu einer Nexusänderung im allgemeinen Ertragssteuerrecht, die vorhandenen DBA und unilateralen Regelungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung keine Relevanz für die Digitalsteuer haben.11 Dennoch sind sich auch die nationalen Gesetzgeber der Problematik um diese Sondersteuern bewusst. Nicht nur juristische Implikationen, sondern auch wirtschaftliche oder politische Fragestellungen werden zu Hauf aufgeworfen.12 Die Digitalsteuer wird deshalb als Interimsmaßnahme betrachtet, die zwar weit von einer Optimallösung entfernt ist, derzeit jedoch ein effektives und zügiges Herantreten an das Problem ermöglicht.
I. Grundmodell Sämtliche Entwürfe oder vorhandenen Regelungen einer Sondersteuer auf digitale Aktivitäten haben gemein, dass kein Rückgriff auf vorhandene Steuertypen erfolgt, sondern eine gänzlich neue, separate Steuer eingeführt wird. Sie stehen also außerhalb des vorhandenen Ertragsteuersystems und sollen auch nicht mit diesem verflochten werden. Steuerobjekt ist danach nicht das erzielte Einkommen, sondern Einnahmen, die durch diese spezifischen Geschäftsmodelle im Inland erlangt werden. Um einerseits digitale Transaktionen, die als besonders besteuernswert ange8
OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 407 ff. EU-Kommission, COM(2018) 148 final; zur Kompetenzgrundlage: Kapitel 5: B.V.3.b) Umsetzungsvoraussetzungen, S. 235. 10 So sah dies auch der Entwurf der EU-Kommission vor, EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Erwägungsgrund 5, 6, S. 18; für Frankreich vgl. Walter, DK 2019, S. 389 (392). 11 Dazu s. u. Kapitel 5: B.I.2.a) Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen, S. 202. 12 Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, S. 6 ff.; zum hervorgerufenen Handelskonflikt zwischen Frankreich und den USA: Walter, DK 2019, S. 389 (393). 9
A. Inhalt des Regelungsansatzes
193
sehen werden, von anderen Geschäften abzugrenzen, und zugleich den erforderlichen Inlandsbezug herzustellen, wird auf die Erzielung der Einnahmen durch eine digitale Schnittstelle abgestellt. Die Höhe der Steuer berechnet sich dann alleine anhand der erfassten Einnahmen und berücksichtigt etwaige Aufwendungen nicht. Damit handelt es sich um eine Bruttobesteuerung, also um ein System, das nicht an den Gewinn, sondern lediglich an den spezifischen Digitalumsatz anknüpft. Dieser wird mit einem niedrigen Prozentsatz (i. d. R. zwei bis sieben Prozent) besteuert, da es wirtschaftliche Zielsetzung der Regelung ist, Erträge digitaler Geschäftsmodelle abzuschöpfen, wenngleich regelungstechnisch an den Umsatz angeknüpft wird.13 Steuersubjekt ist dann das Unternehmen, das die Website im Inland betreibt. Auf eine Eigenschaft als Einkommen- oder Körperschaftsteuersubjekt kommt es nicht an.14 Erfasst werden sollen nur MNE, denen aufgrund ihrer Größe, Marktstellung und Internationalität die identifizierten Steuervermeidungspraktiken offenstehen. Regelmäßig wird der Anwendungsbereich der Regelung deshalb von hohen Schwellenwerten eingegrenzt, die Aufschluss über die Größe des Unternehmens und über das Ausmaß der Teilnahme am inländischen digitalen Markt geben. Gleichzeitig handelt es sich bei der Digitalsteuer um eine Maßnahme, die aufgrund der fehlenden Verbindung zum ausdifferenzierten internationalen Ertragsteuersystem für eine unilaterale oder europäische Einführung geeignet erscheint. Sie soll als Interimsmaßnahme regelmäßig nur solange gelten, bis ein internationaler Konsens über eine abgestimmte Lösung gefunden ist. Betrachtet man die vorhandenen oder geplanten digitalen Sondersteuern, wird deutlich, dass sich diese fast alle stark am Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission15 orientieren. Während der Steuertatbestand in seinem Zuschnitt teils divergiert,16 stimmen die zuvor beschriebenen Grundlagen der Regelung weitgehend überein.17 Demnach soll sich die folgende Untersuchung an diesem Grundmodell orientieren.
II. Ausgestaltungsmöglichkeiten 1. Steuertatbestand Kernfrage im Zusammenhang mit dem Steuertatbestand ist, welche Unternehmen von ihm erfasst werden sollen. Wie bei den Lösungsvorschlägen zur Schaffung eines 13 Vgl. Regelungen in Frankreich, Österreich, Großbritannien Italien, Spanien, Tschechien: Keuper, BB 2020, S. 407 (410, 412, 474, 475), S. 471 (471, 473); EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Erwägungsgrund 7, S. 18 f. 14 EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Art. 2 Abs. 1, S. 28, eingehend: Eilers/Oppel, IStR 2018, S. 361 (365). 15 EU-Kommission, COM(2018) 148 final. 16 Dazu sogleich Kapitel 5: A.II.1. Steuertatbestand, S. 193. 17 Im Überblick: Keuper, BB 2020, S. 407, S. 471.
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
neuen Anknüpfungsmerkmals im allgemeinen Ertragsteuersystem,18 kommen auch hier unterschiedliche Reichweiten in Betracht. So können sämtliche Unternehmen mit digitalen Berührungspunkten (sog. „digitalisierte Unternehmen“) oder auch nur originäre Digitalunternehmen Ziel der Regelung sein. Ausgangspunkt ist der Begriff der „digitalen Schnittstelle“. Dieser grenzt regelmäßig digitale Aktivitäten von anderen unternehmerischen Handlungen ab und begründet damit die Grundlage der Digitalsteuer.19 Zwar besteht bislang keine positive internationale Absprache darüber, was eine digitale Schnittstelle ist, allerdings bewegen sich sämtliche Ansätze in dieselbe Richtung. Demnach soll jede Art von Software darunter auch Websites oder Teile davon sowie Anwendungen einschließlich mobiler Anwendungen, auf die Nutzer zugreifen können, eine derartige Schnittstelle darstellen.20 Der wohl weitgehendste, denkbare Ansatz erfasst alle Umsätze, die durch eine derartige Schnittstelle bezogen werden. Dies würde demnach auch herkömmliche Leistungen erfassen, die über das Internet angeboten werden und bei denen Kern des Geschäftsmodells nicht zwangsläufig die digitale Schnittstelle selbst ist. Die Onlinepräsenz kann vielmehr auch bloßes Mittel zum Zweck sein, der in der Bereitstellung von Leistungen liegt. Es werden also nicht nur hochdigitale Geschäftsmodelle, sondern alle digitalisierten Unternehmensleistungen erfasst und besteuert. Vorbehaltlich etwaiger Ausnahmetatbestände unterlägen bspw. der E-Commerce, Streamingdienste, Software- und Medienbereitstellungen oder auch Kommunikationsdienste der Steuer. Aufgrund dieser Reichweite wird der Ansatz in der Praxis nicht diskutiert. Durch eine Reform sollen zwar bestehende Probleme bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle beseitigt werden. Allerdings betrifft dies maßgeblich diejenigen Unternehmenskonzepte, die erst aus der Digitalisierung entstanden sind. Digitalisierte Unternehmen, die herkömmliche Leistungen nun auch via Internet anbieten, sind höchstens am Rande Teil der identifizierten Problemlage. Um lediglich spezifische Digitalleistungen zu erfassen, die originär aus der Digitalisierung entstanden und daher Kern der identifizierten Probleme sind, muss der Tatbestand auf bestimmte Geschäfte eingegrenzt werden. Originär digitale Geschäftskonzepte unterscheiden sich in ihrer Art der Einnahmenerzielung von lediglich digitalisierten Modellen. So liegt der Fokus nicht auf der Erbringung irgendeiner Leistung über das Internet, sondern auf dem Bereitstellen der digitalen Schnittstelle selbst. Social-Media-Unternehmen, Online-Suchmaschinen und andere werbende Plattformen finanzieren sich über Werbeeinnahmen, Vermittlungsdienste und Datenverkäufe.21 Damit stellen Nutzerverhalten und Nutzerdaten die Basis dieser neu etablierten Geschäftsmodelle dar. Dies muss sich im Tatbestand der Norm widerspiegeln. Steuerbare Einnahmen können sich demnach nur aus der Platzierung 18 19 20 21
Dazu s. o. Kapitel 4: A.II. Ausgestaltungsmöglichkeiten, S. 152. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, S. 12 f. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Art. 2 Abs. 3, S. 28. Eingehend: OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 440 ff.
A. Inhalt des Regelungsansatzes
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von Werbung auf digitalen Schnittstellen, der Bereitstellung einer mehrseitigen digitalen Schnittstelle oder der Übermittlung gesammelter Nutzerdaten ergeben.22 Dieser Ansatz findet sich im Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission23 und in einer Vielzahl nationaler Digitalsteuergesetze oder -gesetzesentwürfe wieder.24 Demnach soll der Fokus der unten vorgenommenen Betrachtung auf einer solchen Sondersteuer liegen, die gezielt nur originär digitale Dienstleistungen besteuert. Erkennt man dagegen nicht die Erbringung hochdigitaler Dienstleistungen als besteuernswert an, sondern sieht die Grundlage der Steuer lediglich in der Erbringung von Werbeleistungen, so ist der steuerliche Tatbestand noch enger zu ziehen. Gerade Länder, in denen bereits eine Steuer auf herkömmliche Werbung existiert, gehen diesem Ansatz nach und begründen die Einführung einer Digitalwerbesteuer mit der Gleichbehandlung von analoger und digitaler Werbung im steuerlichen Kontext.25 Ausgangspunkt der Überlegungen sind daher nicht die identifizierten Probleme um die Minderbesteuerung digitaler Geschäftsmodelle, sondern vielmehr Gedanken zur Gleichbehandlung digitaler und nicht digitaler werbetreibender Unternehmen. Mit dem Tatbestand muss demnach klargestellt werden, welche digitale Werbeleistungen eine Steuerpflicht im Inland auslösen. Während herkömmliche Werbeleistungen bereits durch ihren Standort (im Falle vom Reklametafeln o. ä.) oder dem Medium ihrer Verbreitung (TV, Radio, etc.) einen örtlichen Bezug zum Inland erkennen lassen, liegt dies bei Onlinewerbung komplexer. Wird keine Einschränkung anhand einer gewissen Zahl derer, die die Werbung betrifft vorgenommen oder durch eine Zielrichtung des Werbeinhalts ein Bezug zum Inland hergestellt, so würde eine Steuerpflicht auch für Unternehmen entstehen, wenn zufällig ein Inländer Kenntnis von der Online-Werbung nimmt. 2. Abziehbarkeit i. R. d. allgemeinen Ertragsbesteuerung Fraglich ist, in welchem Verhältnis die Digitalsteuer zur allgemeinen Ertragsbesteuerung steht. Beide Steuern sollen nebeneinander erhoben werden. Da die Digitalsteuer dennoch eine Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit für die Steuersubjekte von Einkommen- und Körperschaftsteuer darstellt, ergibt sich die Frage, ob dieser Aufwand gewinnmindernd in der Bilanz zu berücksichtigen ist. In Deutschland geben die §§ 4 Abs. 4, 12 Nr. 3 EStG Aufschluss über die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben. So unterliegen insbesondere Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern einem Abzugsverbot; Sach- und Realsteuern sind
22
EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Art. 3 Nr. 1, S. 28 f. EU-Kommission, COM(2018) 148 final. 24 Im Überblick: Keuper, BB 2020, S. 407 (Teil I), S. 471 (Teil II). 25 So z. B. Ungarn, welches am 1. 7. 2017 eine Werbesteuer eingeführt hat, die unabhängig davon gilt, ob die Werbeleistung analog oder digital erbracht wird, vgl. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Box 4.5, S.142. 23
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
u. U. abziehbar.26 Letztere können jedoch nur dann Berücksichtigung bei der Einkünfteermittlung finden, wenn sie Betriebsausgaben i. S. v. § 4 Abs. 4 EStG darstellen. Es muss sich demnach um Aufwendungen handeln, die durch den Betrieb veranlasst sind. Dies ist der Fall, wenn die Steuer an eine bestimmte betriebliche Tätigkeit anknüpft.27 Zwar ist die Natur der Digitalsteuer umstritten und bedarf der weiteren Erörterung.28 Gleichwohl unterfällt die Steuer keinesfalls dem Abzugsverbot in § 12 Nr. 3 EStG. Dafür müsste es sich um eine Personensteuer handeln, also eine Steuer die an die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen anknüpft.29 Das ist bei der vorgeschlagenen Digitalsteuer offensichtlich nicht der Fall. Vielmehr stellt sie die Erbringung spezifischer Leistungen i. R. besonderer Geschäftsmodelle in den Mittelpunkt. Ziel ist es zwar, eine mangelhafte Besteuerung i. R. d. Einkommen- oder Körperschaftsbesteuerung auszugleichen. Aus technisch-normativer Perspektive betrachtet stehen Geschäftsvorgänge, die über eine digitale Schnittstelle ausgeübt werden, und nicht etwa die Erträge des Unternehmens im Mittelpunkt. Eine Berücksichtigung der steuerlichen Belastung durch die Digitalsteuer bei der Ertragsbesteuerung des Digitalunternehmens ist daher geboten.30 Dies gilt ebenfalls für im Ausland erhobene Digitalsteuern. Auch diese stellen Betriebssteuern dar, die im Ansässigkeitsstaat des ertragsteuerlich unbeschränkt Steuerpflichtigen mangels beschränkter Steuerpflicht im Marktstaat gewinnmindernd zu berücksichtigen sind. In anderen Rechtsordnungen ist dies nicht selbstverständlich. So sehen Gesetzgebungsvorschläge und bereits existierende Regelungen die Abzugsfähigkeit als Betriebsaufwand i. R. d. Einkommens- bzw. Körperschaftsbesteuerung explizit vor.31 Generell stellt sich damit die Frage, ob eine Digitalsteuer de lege ferenda von der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage abziehbar sein soll und ob diese Abzugsmöglichkeit nur die im Inland bezahlte Steuer oder auch ausländische Digitalsteuern umfassen muss. Schließt man die Abziehbarkeit der Digitalsteuer i. R. d. Ertragsbesteuerung aus, so bleibt es endgültig bei der Belastung durch die Bruttobesteuerung. Damit könnten die Komplettabschöpfung des Gewinns oder sogar eine Besteuerung verlustträch26
Thürmer, in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 12 EStG Rz. 197 f.; zum Begriff von Personen- und Realsteuern: Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 7.21. 27 Kanzler/Kruschke/Musil/Paul/Rätke/Schallmoser/Schober/Stapperfend/Tiede, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz. 980; Drüen, in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 4 EStG Rz. 940. 28 S. u. Kapitel 5: B.III.1.a) Formelle Verfassungsmäßigkeit, S. 217. 29 Zur Abgrenzung: Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 7.21. 30 Das gilt für Deutschland und auch für den Rest Europas, vgl. Eilers/Oppel, IStR 2018, S. 361 (369). 31 Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Erwägungsgrund 27, S. 23; zur französischen Digitalsteuer: Walter, DK 2019, S. 389 (390 f.).
A. Inhalt des Regelungsansatzes
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tiger Unternehmen die Folge sein, ohne eine Kompensation i. R. d. Ertragsteuer vorzusehen. Dies widerspräche nicht nur evident dem Leistungsfähigkeitsprinzip, sondern kann auch zu einer verfassungswidrigen Erdrosselungssteuer führen.32 Generell sollte die Abziehbarkeit der Digitalsteuer deshalb de lege ferenda nicht ausgeschlossen werden. Weiterhin käme ein Abzugsverbot der im Ausland entrichteten Digitalsteuer bei der jeweiligen ertragsteuerlichen Veranlagung in Betracht. Damit wäre im Ansässigkeitsstaat nur dessen Digitalsteuer abziehbar, die Digitalsteuer anderer Staaten würden nur dann Berücksichtigung finden, wenn im jeweiligen Land eine beschränkte Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerpflicht bestehen würde, sprich, wenn eine Betriebsstätte besteht. Auf den ersten Blick würde für Digitalunternehmen damit ein Anreiz zur Begründung einer beschränkten Steuerpflicht i. R. d. allgemeinen Ertragsteuer gesetzt, um eine Berücksichtigung der Digitalsteuer als Betriebsausgabe zu erreichen. Betrachtet man dies aber anhand der eintretenden steuerlichen Belastung für die Unternehmen, so wird es regelmäßig für den Steuerpflichtigen trotz der Abzugsmöglichkeit günstiger sein, eine Ertragsteuerpflicht im Marktstaat zu vermeiden.33 Die Begründung einer beschränkten Steuerpflicht ist nur dann günstiger, wenn die Digitalsteuerlast den Gewinn vollständig oder annähernd vollständig abschöpft. Dann entsteht mangels Gewinns auch keine Ertragsbelastung im Ansässigkeitsstaat und die durch die Digitalsteuer eintretenden Verluste würden „verfallen“, da ein Abzug im Ansässigkeitsstaat nicht vorgesehen ist. Insoweit setzt die Digitalsteuer zwar häufig keinen Anreiz zur Begründung einer Ertragsteuerpflicht im Marktstaat, allerdings erfüllt sie somit immerhin ihre substituierende Zielrichtung als Instrument zum Ausgleich einer mangelhaften Ertragsbesteuerung. Problematisch erscheint dabei, dass dieser Effekt auch dann eintritt, wenn eine Ertragsteuer mangels Gewinns gar nicht anfallen würde. Immerhin führt eine Anrechungsmöglichkeit, die auf die inländische Digitalsteuer beschränkt ist, nicht zur Verschiebung von Besteuerungssubstrat zwischen einkommen- bzw. körperschaftsteuerlichem Ansässigkeits- und Quellenstaat. Belässt man es bei der pauschalen Abzugsmöglichkeit ausländischer Betriebssteuern so kommt es dagegen u. U. zu einer massiven Umverteilung des Steuersubstrats zwischen den Staaten.34 Arbeitet ein Unternehmen mit einer geringen Umsatzrendite, die im Bereich des Digitalsteuersatzes liegt, so wird dessen Gewinn in den Marktstaaten durch die Bruttobesteuerung der Digitalsteuer komplett abgeschöpft. Vom Unternehmensgewinn, der mangels Betriebsstätten in den Marktstaaten vollständig im Ansässigkeitsstaat zu versteuern wäre, bliebe aufgrund des Abzugs der Digitalsteuerlast nichts mehr übrig. Die Ertragsteuer verkäme damit in einigen Fällen zu einer Art Nebensteuer auf Restgewinne. Der Ansässigkeitsstaat würde damit erheblich weniger als bislang an den Gewinnen eines Digitalunter32 33 34
Dazu s. u. Kapitel 5: B.III.1.b) Materielle Verfassungsmäßigkeit, S. 220. Walter, DK 2019, S. 389 (392 f.). Vgl. Eilers/Oppel, IStR 2018, S. 361 (369).
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
nehmens partizipieren. Gleichwohl berücksichtigt eine solche Handhabung am umfangreichsten die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen i. R. d. Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer und trägt somit der leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung Rechnung.35 Zudem bleibt es beim Gleichlauf aller (ausländischen) Betriebssteuern, die die Bemessungsgrundlage der allgemeinen Ertragsteuer mindern.
III. Sondersteuer als Erhebungsform der allgemeinen Ertragsteuer Neben der soeben skizzierten Einführung einer autarken Digitalsteuer, wäre auch eine Sondersteuer für digitale Geschäftsmodelle mit Eingliederung ins allgemeine Ertragsteuersystem denkbar. Vergleichbar der Lohnsteuer (§§ 38 ff. EStG), der Kapitalertragsteuer (§§ 43 ff. EStG), dem Steuerabzug für Bauleistungen (§§ 48 ff. EStG) oder bei beschränkt Steuerpflichtigen (§ 50a Abs. 1 EStG) könnte die Digitalsteuer als Steuerabzug ausgestaltet werden und damit im Falle des Bestehens einer Ertragsteuerpflicht bloße Erhebungsform der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer sein. Eine solche Quellensteuer wird von einem anderen Subjekt abgeführt und bietet damit den Vorteil der unkomplizierten und sicheren Steuererhebung von im Inland nicht präsenten Steuerpflichtigen.36 Opportun erscheint eine derartige Handhabung jedoch nur dann, wenn ein Unternehmer von der Steuerentrichtungspflicht betroffen wird;37 Verbraucher werden solchen Pflichten aus Mangel an steuerverfahrensrechtlichen Kenntnissen regelmäßig nicht unterworfen.38 Problematisch wäre der Quellenabzug der Digitalsteuer deshalb nur dann, wenn Endverbraucher verpflichtet würden. Allerdings fließen die Entgelte für Werbung, Vermittlungsdienste und verkaufte Daten i. d. R. im B2B-Verhältnis,39 sodass in den allermeisten Fällen ein Steuerabzug möglich erscheint. Etabliert man ein entsprechendes System, so wäre das Digitalunternehmen Steuerschuldner (§ 43 S. 1 AO) und derjenige, der sich zur Vergütung der Digitalleistungen verpflichtet hat, Steuerentrichtungspflichtiger (§ 43 S. 2 AO). Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen: Erstens ergibt die Erhebung der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer durch einen Steuerabzug an der Quelle nur dann einen Sinn, wenn gleichzeitig eine be35 S. u. Kapitel 5: B.II.2. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, S. 211. 36 Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 398; Brauner/Baez, Withholding Taxes in the Service od BEPS Action 1, S. 6 f. 37 So ist bei der Lohnsteuer der Arbeitgeber, bei der Kapitalertragsteuer das Kreditinstitut, beim Steuerabzug für Bauleistungen der beauftragende Unternehmer und beim Steuerabzug bei beschränkt Steuerpflichtigen der Vergütungsschuldner. 38 Brauner/Baez, Withholding Taxes in the Service of BEPS Action 1, S. 6. 39 Brauner/Baez, Withholding Taxes in the Service of BEPS Action 1, S. 12 f.
A. Inhalt des Regelungsansatzes
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schränkte Ertragsteuerpflicht im Quellenstaat besteht. Demgemäß müssten die Nexus- und Substratzuordnungsregeln in § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG und den bestehenden DBA entsprechend des Vorschlags in Kapitel 440 angepasst werden. Ansonsten bestünde keine Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht im Quellenstaat und die einbehaltene Steuer müsste komplett zurückbezahlt werden. Eine andere Variante wäre, der Digitalsteuer eine abgeltende Wirkung zuzubilligen, soweit nicht eine Veranlagung zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer erfolgt und dabei eine beschränkte Steuerpflicht besteht.41 Die entsprechende Optionsmöglichkeit müsste sich allerdings dann auch in den Regeln der DBA wiederfinden. Zweitens fiele die Digitalquellensteuer u. U. nicht im Ansässigkeits- oder Marktstaat an. Vielmehr befindet sich die Einkünftequelle häufig in einem dritten Staat, in dem sich weder das Digitalunternehmen noch dessen Nutzer oder Kunden befinden. Die Steuer würde demnach in einem Land erhoben, dem jeder Bezug zum Digitalunternehmen oder dessen Tätigkeit fehlt. Dort kann demnach kein inländisches Anknüpfungsmerkmal etabliert werden, das zu einer beschränkten Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerpflicht führt und dem Quellenabzug einen Sinn verleiht. Um der Quellensteuer dennoch einen Zweck zu vermitteln, müsste ein Ausgleichsmechanismus unter den Staaten etabliert werden, in denen eine Ertragssteuerpflicht des Digitalunternehmens besteht und denen, an die eine Quellensteuer für diese Unternehmen abgeführt wurde.42 Weiterhin kommt dem Konzept nur dann eine verbessernde Wirkung zu, wenn im Marktstaat ein Nexus geschaffen wird. Ansonsten bleibt es dabei, dass die Gewinne auch nach einer Verrechnung der Digitalsteuer nur dem Steuersatz des Ansässigkeitsstaat unterliegen, der vom Unternehmen günstig gewählt werden kann. Im Ergebnis vergrößert die Einführung einer Quellensteuer mit Ausgleichsmechanismus daher nur den Kreis der am Steuerverfahren beteiligten Akteure. Neben den Steuerpflichtigen, den Ansässigkeits- und den Marktstaat treten der Steuerentrichtungspflichtige und der Quellenstaat. Dies steigert die Komplexität und die Anforderungen an den Informationsfluss erheblich. Zudem verlagert sich das beim Entwurf zur Einführung eines neuen Anknüpfungsmerkmals i. R. d. allgemeinen Ertragsteuer identifizierte Problem bei der Durchsetzbarkeit43 lediglich. Danach würde sich nicht mehr die Frage stellen, wie ein Steueranspruch in einem fremden Staat u. U. durch Amtshilfemaßnahmen durchgesetzt werden kann, sondern wie eine erhobene Quellensteuer dem Land zugeführt werden kann, welchem das endgültige Besteuerungsrecht obliegt. Die mit Einführung eines Steuerabzugs eintretenden Verbesserungen in der Sicherheit der Steuererhebung, können vor dem Hintergrund der dargelegten Probleme 40
S. o. Kapitel 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung, S. 149. Vorgeschlagen wird auch, eine Option zur beschränkten Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht einzuführen, wenn Digitalsteuer im Inland entrichtet wurde, vgl. Brauner/ Baez, Withholding Taxes in the Service of BEPS Action 1, S. 7. 42 Brauner/Baez, Withholding Taxes in the Service of BEPS Action 1, S. 15. 43 S. o. Kapitel 4: B.V.1.c) Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs, S. 178. 41
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
nicht überzeugen. Durch die Beteiligung weiterer Akteure am Besteuerungsprozess gerät dieser noch komplexer und das Problem der Beitreibung der Steuer wird lediglich verlagert. Gleichzeitig kann auch eine Zuweisung der erzielten Einnahmen an den europäischen Haushalt diese Problematik nicht wirklich entschärfen. So müsste eine an der Quelle erhobene Steuer zwar nicht umverteilt werden, jedoch würde diese aufgrund der Berücksichtigung i. R. d. allgemeinen Ertragsteuer dennoch deren Bemessungsgrundlage beeinflussen. Zudem ergäbe sich eine Problematik in Bezug auf Drittstaatensachverhalte, da einerseits kein Steuerabzug vorgenommen werden kann, wenn der Vergütungsschuldner im EU-Ausland sitzt, und andererseits die DBA mit Drittstaaten ebenfalls angepasst werden müssten, um das durch die Digitalsteuer abgeführte Substrat in der EU zu behalten.
B. Anwendung des Prüfprogramms Auf das beschriebene Modell sollen nun die oben festgelegten Grundsätze44 angewendet werden, um anschließend eine umfassende Bewertung des Vorschlages vornehmen zu können.45
I. Verbesserung der festgestellten Problemlage Als Probleme wurden i. R. d. vorangegangenen Untersuchung das Bestehen schädlicher Gestaltungsoptionen im Bereich digitaler Geschäftsmodelle, die daraus folgende Besteuerung zu einem effektiv unangemessenen Tarif sowie eintretende Wettbewerbsverzerrungen zwischen unterschiedlichen Unternehmensgruppen identifiziert.46 Es wurde aufgezeigt, dass eine Verbesserung der festgestellten Problemlage dann eintritt, wenn die identifizierten Probleme möglichst effektiv47 und unselektiv48 beseitigt werden. 1. Eintretende Verbesserungen Die Funktionsweise einer autarken Steuer auf digitale Dienstleistungen unterscheidet sich in erheblicher Weise strukturell von den anderen beiden Vorschlägen, die eine Eingliederung in oder eine Rückbindung an das allgemeine Ertragsteuerrecht vorsehen. Da die Digitalsteuer keinen Einfluss auf die Regelungen der Einkommen- und Körperschaftsteuer hat, gestaltet sich ihre Wirkungsweise im Hinblick 44 45 46 47 48
S. o. Kapitel 3: B. Prüfungspunkte, S. 83. S. u. Kapitel 5: B.VI. Gesamtabwägung, S. 240. S. o. Kapitel 2: C.II. Probleme für die Steuerrechtsordnungen, S. 66. S. o. Kapitel 3: B.I.2. Effektivität, S. 84. S. o. Kapitel 3: B.I.3. Selektivität, S. 85.
B. Anwendung des Prüfprogramms
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auf die identifizierten Probleme unterschiedlich. So stehen schädliche Gestaltungsoptionen Unternehmen, die lediglich durch eine digitale Präsenz am Marktstaat auftreten, weiterhin offen. Die Möglichkeiten zur Vermeidung von Betriebsstätten und damit zur Beeinflussung des Kreises der Staaten, in denen eine allgemeine Ertragsteuer anfällt, werden von der Einführung einer Digitalsteuer nicht adressiert. Stattdessen soll dieses schädliche Verhalten durch die Erhebung der Sondersteuer kompensiert werden. So kann die Digitalsteuer als Ausgleich für die Marktstaaten dafür angesehen werden, dass ihnen durch die absichtliche Nichtbegründung eines inländischen Merkmals i. S. v. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG eine steuerliche Beteiligung am Bilanzgewinn der Unternehmen entgeht. Gleichwohl werden die Bestrebungen von Unternehmen zur Vermeidung von Betriebsstätten in Marktstaaten damit nicht hinfällig. Der unternehmerische Anreiz und die gesetzlichen Möglichkeiten zur Vermeidung einer Ertragsteuerpflicht bleiben im Marktstaat weiterhin bestehen. Auch etwaige Regelungen zum Abzug der Digitalsteuer von der Bemessungsgrundlage der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer ändern daran nur wenig. Wäre die Digitalsteuer lediglich im Marktstaat von der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage abziehbar,49 so könnte die dortige Vermeidung einer Ertragsbesteuerung für hochprofitable Unternehmen dennoch günstiger sein, wenn die Vorteile der ausländischen Steuerrechtsordnung den Nachteil durch den Verlust der Abzugsmöglichkeit übersteigen.50 Andersherum würden auch Unternehmen, die keinen oder nur einen geringen Gewinn erwirtschaften, nicht wirklich von der Begründung einer Steuerpflicht im Marktstaat profitieren, da dort mangels Gewinns ohnehin keine Ertragsteuer anfallen würde und sich die Digitalsteuer daher nur in Form eines Verlustvortrages niederschlägt. Die Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle zu einem angemessenen Tarif soll von der Digitalsteuer auf andere Weise erreicht werden. Eine Annäherung der effektiven Gesamtsteuerbelastung von zu niedrig besteuerten Digitalkonzernen an die Steuerlast herkömmlicher Unternehmen soll durch die zusätzliche Erhebung der Digitalsteuer erfolgen. Sie bildet daher eine Ausgleichsmaßnahme. Auf jeden Fall kommt es durch die Erhebung der Sondersteuer zu einer höheren Belastung digitaler Unternehmen. Damit wird jedoch keineswegs in jedem Fall die Besteuerung zu einem angemessenen Tarif erreicht. Da sich die Steuer nach dem Anteil der Bruttoerträge eines Unternehmens bemisst, der auf inländische Digitalaktivität entfällt, erfolgt die Besteuerung orientiert am Umsatz ohne Berücksichtigung der Aufwendungen. Als Folge ergeben sich unterschiedliche Gesamtbelastungsquoten in Relation zu den Nettoerträgen. Die Höhe der steuerlichen Belastung richtet sich damit nicht nach dem Gewinn, sondern dem Umsatz aus Digitalgeschäften. Konsequentermaßen erfasst dies allerdings auch Digitalunternehmen, die bislang nicht von den 49 Zur Regelungslage s. o. Kapitel 5: A.II.2. Abziehbarkeit i. R. d. allgemeine Ertragsbesteuerung, S. 195. 50 Walter, DK 2019, S. 389 (392).
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
Möglichkeiten zur Steueroptimierung Gebrauch gemacht haben. Diese unterliegen dann der Digitalsteuer und der bereits angemessenen Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer im Ansässigkeitsstaat. Ein Ausgleich von Steuervorteilen erfolgt demnach auch dort, wo dieser gar nicht nötig wäre. Gleiches gilt für Wettbewerbsverzerrungen zwischen digitalen und herkömmlichen Unternehmen. Zwar werden die Vorteile, die digitalen Unternehmen durch die gezielte Vermeidung ertragsteuerlicher Anknüpfungspunkte im Marktstaat zukommen durch die Belastung mit der Digitalsteuer kompensiert. Allerdings erfolgt insoweit eine Überkompensation bei Digitalunternehmen, die eine Ertragsteuerpflicht im Marktstaat nicht vermeiden und damit demselben Steuerregime unterworfen sind wie herkömmliche Unternehmen. Insoweit wird dort der Wettbewerb zwischen digitalen und nicht digitalen Unternehmen zulasten der Digitalkonzerne verzerrt. Anders sieht dies bei der Betroffenheit von MNE und KMU aus. Entsprechend Ihrer Grundkonzeption betrifft die Sonderteuer alle Unternehmen gleich, unabhängig von Ihrer Größe. Jedoch schafft sie aufgrund des erhöhten Complianceaufwandes, der mit der Begründung von Digitalsteuerpflichten in einer Vielzahl an Ländern einhergeht, faktische Marktzutrittshindernisse für kleine Unternehmen, die diese Verpflichtungen mehr belasten. Anders gewendet dürfte sich dieser zusätzliche Complianceaufwand gerade im Vergleich zu den zusätzlichen Erklärungs- und Dokumentationspflichten bei der Einführung eines Marktfaktors als Anknüpfungsmerkmal für die allgemeine Ertragsteuer in Grenzen halten.51 Gleichwohl sehen sämtliche Regelungsentwürfe und auch die bereits eingeführten Regelungen Schwellenwerte vor, die den subjektiven Anwendungsbereich der Digitalsteuer auf MNE begrenzen. Hauptsächlich dient dies der Entlastung neuerer Unternehmen (sog. Start-Ups), die aufgrund hoher Anfangsinvestitionen und den damit einhergehenden geringen oder sogar negativen Einkünften von der Bruttobesteuerung empfindlich getroffen würden.52 2. Effektivität a) Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen Ob es mit der Einführung der Digitalsteuer überhaupt zu der beschriebenen Wirkung kommt, hängt maßgeblich davon ab, ob die Regelungswirkung aufgrund vorhandener anderer Bestimmungen gar nicht erst eintritt. Dies wäre der Fall, wenn die Digitalsteuer durch DBA überlagert wird. Unterfällt die Digitalsteuer dem sachlichen Anwendungsbereich der DBA über die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, so würde für die, von der Digitalsteuer erfassten Einkünfte weiterhin die Zuweisungsregel des Art. 7 Abs. 1 S. 1 OECD-MA gelten. Damit wäre eine 51
Vgl. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 451. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 407; Kofler/Sinnig, Equalization Tax and the EU’s Digital Service Tax, S. 124 f.; Eilers/Oppel, IStR 2018, S. 361 (370). 52
B. Anwendung des Prüfprogramms
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Erhebung der Digitalsteuer nur dann möglich, wenn im jeweiligen Staat eine Betriebsstätte vorhanden ist und die von der Digitalsteuer erfassten Einkünfte als durch die Betriebsstätte bezogen gelten. Da derzeit knapp einhundert DBA bestehen und diese vor allem mit hoch entwickelten Staaten abgeschlossen wurden53, ist davon auszugehen, dass die Digitalsteuer die aktuelle Problemlage kaum ändern würde, falls sie durch die Abkommen erfasst wird. Ob die Digitalsteuer dem Anwendungsbereich der DBA unterfällt, richtet sich gemäß Art. 2 Abs. 1 OECD-MA danach, ob eine „Steuer vom Einkommen“ vorliegt. Was unter einer solchen Steuer zu verstehen ist, wird in den Absätzen zwei bis vier der Regelung weiter präzisiert.54 Demnach sind Steuern umfasst, die auf das Gesamteinkommen oder Teile des Einkommens anfallen, Art. 2 Abs. 2 OECD-MA. Entscheidend ist damit, was dem Begriff des Einkommens im DBA-rechtlichen Kontext unterfällt. Eine Legaldefinition enthält Art. 3 Abs. 1 OECD-MA nicht. Gleichzeitig kann nicht ohne Weiteres auf die inländischen Wertungen des EStG und KStG zurückgegriffen werden, vielmehr kommt es vorrangig auf eine autonome Auslegung im Sinnzusammenhang mit dem Abkommen an, Art. 3 Abs. 2 OECDMA.55 Zwar besteht insoweit ein einheitliches Verständnis, dass sich der Begriff des Einkommens an der Reinvermögenszugangstheorie56 orientiert. Die weiteren Feinheiten sind hingegen streitig, insbesondere wenn es um besondere Steuern auf Teile des Einkommens geht.57 Es ist demnach durch Auslegung anhand der bekannten Methoden zu ermitteln, ob der abkommensrechtliche Begriff der „Steuern vom Einkommen“ auch die Digitalsteuer erfasst.58 Problematisch ist hierbei v. a. der hybride Charakter der Digitalsteuer, der sich aus dem Ziel einer Besteuerung von Erträgen bei gleichzeitigem Anknüpfen an eine Bruttogröße ergibt. Vom reinen Wortlaut wäre eine solche Bruttosteuer wohl erfasst. So kann unter „Einkommen“ – blendet man die dem Begriff durch das EStG zugemessene Bedeutung aus und besinnt sich auf den allgemeinen Sprachgebrauch – auch die Summe
53 Im Einzelnen: BMF-Schreiben vom 18. 02. 2021 – IV B 2 – S 1301/07/10017 – 12 (Stand der Doppelbesteuerungsabkommen). 54 Die DBA einiger Staaten enthalten keine abstrakten Regelungen darüber, auf welche Steuern das Abkommen Anwendung finden soll. Stattdessen benennen diese in einem Katalog die bestehenden Steuern, die vom Abkommen erfasst werden (entspricht Art. 2 Abs. 3 OECDMA) und ergänzen dies um eine Klausel, die gleichartige und ähnliche Steuern ebenfalls in den Anwendungsbereich einbezieht, wenn diese nach Unterzeichnung des Abkommens erhoben werden (entspricht Art. 2 Abs. 4 OECD-MA), vgl. Ismer, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 2 Rz. 18. 55 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.54 ff.; Dremel, in: Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 2 Rz. 24; Lang, BfIFD 2005, S. 216. 56 Schanz, Finanzarchiv 1896, S. 1; vgl. Fehrenbacher, Steuerrecht, § 2 Rz. 5. 57 Ismer, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 2 Rz. 22; Dremel, in: Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 2 Rz. 26. 58 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.62, vgl. auch Art. 31 Abs. 1 WÜRV.
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
aller oder auch nur bestimmter Einnahmen verstanden werden.59 Auch die Erläuterungen des Musterkommentars weisen darauf hin, dass der Begriff so weit wie möglich ausgelegt werden soll.60 Historisch betrachtet, konnten die Probleme um die Besteuerung der digitalen Wirtschaft zum Zeitpunkt der Entwicklung der ersten DBA und auch lange danach nicht vorhergesehen werden. Allerdings enthielt bereits das erste OECD-MA aus dem Jahr 1963 sowie davor abgeschlossene DBA, die Bestimmung, dass das Abkommen auch später beschlossene Steuern erfassen soll, die von „gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art“ sind, Art. 2 Abs. 4 OECD-MA.61 Auch dies spricht in Zusammenschau mit dem generellen Ziel der DBA – der Vermeidung von Doppelbesteuerungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten – für eine Anwendbarkeit auf die Digitalsteuer. Andererseits wurden einige ähnliche Sondersteuern in der Vergangenheit von der Staatenpraxis akzeptiert und gerade nicht unter den sachlichen Anwendungsbereich der DBA subsumiert.62 Die Systematik des Art. 2 OECD-MA muss vor dem Hintergrund des Ziels jedes DBAs, nämlich der Vermeidung von Doppelbesteuerung, und der Wertungen des OECD-MK betrachtet werden. Im Hinblick auf die innere Struktur der Norm ist festzustellen, dass sich Art. 2 Abs. 4 OECD-MA dabei nicht nur auf die Steuern, die im Katalog des Art. 2 Abs. 3 OECD-MA genannt werden und deren konkrete Steuerobjekte bezieht, sondern auch auf andere Steuern vom Einkommen.63 Damit kommt dem Absatz lediglich eine klarstellende Bedeutung in Bezug darauf zu, dass auch später eingeführte Steuern erfasst sein können. Letztlich bleibt es bei der Frage, ob eine „Steuer vom Einkommen“ vorliegt.64 Betrachtet man dabei den Charakter der Digitalsteuer und ihre potentielle Stellung im Gesamtsteuergefüge, so zeigt sich, dass gerade keine derartige Steuer vorliegt. Zwar ist anerkannt, dass eine Ertragsbesteuerung in Form einer Bruttosteuer grds. den Anwendungsbereich der DBA nicht ausschließt.65 Jedoch darf nicht jede Steuer, die im Entferntesten Erträge abschöpft, 59
„Einkommen“ auf Duden-online, https://www.duden.de/node/37864/revision/37893 (letzter Abruf: 28. 10. 2020). 60 Art. 2 Rz. 1 OECD-MK (2017); zur Einbeziehung des OECD-MK bei der Auslegung: Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.76. 61 Zu den Positionen bei Entstehung der Norm: Lang, BfIFD 2005, S. 216 (217). 62 So bspw. die italienische regionale Wertschöpfungssteuer IRAP, vgl. Valta, IStR 2018, S. 765 (772). 63 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.193; Kofler/Sinnig, Equalization Tax and the EU’s Digital Service Tax, S. 134; ähnlich: Lang, BfIFD 2005, S. 2016 (221); a. A.: Sternberg, IStR 2020, S. 697. 64 Ismer, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 2 Rz. 64; Lang, BfIFD 2005, S. 216 (221); anders Sternberg, IStR 2020, 697, der die Vergleichbarkeit in Art. 2 Abs. 4 OECD-MA auf den Steuerkatalog in Abs. 3 bezieht und damit für neu eingeführte Steuern zu der Prüfung, ob eine Steuer vom Einkommen vorliegt auch prüfen will, ob eine Vergleichbarkeit zu vorhandenen Steuer vorliegt. 65 Ismer, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 2 Rz. 34; OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 419.
B. Anwendung des Prüfprogramms
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als Steuer vom Einkommen betrachtet werden. Zu berücksichtigen ist der Regelungsort der Norm.66 Die allgemeinen Ertragsteuergesetze sollen nach dem Willen der unterzeichnenden Staaten offensichtlich dem Anwendungsbereich des DBAs unterfallen. Daher können Steuern, die Erwerbsaufwendungen außer Acht lassen und trotzdem in diesen Gesetzen enthalten sind, unproblematisch unter das Abkommen subsumiert werden. Typischerweise ist dies bei der Besteuerung von Dividenden in Outboundkonstellationen der Fall, Art. 10 Abs. 2 OECD-MA.67 Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass auch andere, separat stehende Bruttosteuern unter den Anwendungsbereich der Abkommen fallen. Für die autarke Digitalsteuer ist also zu bestimmen, ob es sich bei ihr um eine stark typisierende Einkommensteuer oder eine Umsatz- oder Verkehrsteuer handelt. Dies bestimmt sich maßgeblich nach Sinn- und Zweck der Norm. Zwar ist das Ziel, das mit der Einführung der Steuer verfolgt wird, eindeutig: Digitalunternehmen, die typischerweise aufgrund ihrer Gestaltungsmöglichkeiten einer erheblich niedrigeren Ertragsteuerbelastung unterliegen, durch eine Ausgleichssteuer zu belasten. Allerdings ist fraglich, ob diese Steuerlast nicht an die Geschäftspartner der Unternehmen weitergereicht wird.68 Einerseits findet sich in der Konzeption der Digitalsteuer kein Merkmal, das für eine generelle Überwälzung der Steuerlast an den Leistungsempfänger spricht. Andererseits spricht der Zuschnitt der Bemessungsgrundlage und der Steuertarif maßgeblich für diese Weitergabe.69 Während sich andere Sondersteuern, wie bspw. die Gewerbesteuer an der Ertragskraft eines Unternehmens orientieren, spielt diese für die Digitalsteuer keine Rolle. Arbeitet ein Unternehmen mit einer geringen Umsatzrendite, so ist es geradezu genötigt, die Preise für seine Leistungen um den Digitalsteuersatz zu erhöhen, wenn es weiterhin profitabel sein will. Ausgangspunkt der Steuer ist zudem die Eigenart digitaler Transaktionen und nicht die Gewinnerzielung. Im Fokus des steuerlichen Tatbestandes steht demnach der Vorgang des Betriebs eines digitalen Geschäftsmodells und nicht die Einkünfteerzielung einer Person.70 Auch, dass sich die Steuer i. R. d. Einkommens- bzw. Körperschaftsteuer abziehen lässt,71 spricht gegen eine Einordnung als Steuer vom Einkommen. Letztlich muss man sich die Frage stellen, ob die Digitalsteuer bei einem Neuabschluss eines DBAs von den Vertragspartnern mit in den Katalog des jeweiligen Art. 2 Abs. 3 mitaufgenommen werden würde. Mit Blick auf das Ziel der Digital66
Hohenwarter/Kofler/Mayr/Sinnig, Intertax 2019, S. 140 (143 f.). Vgl. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 419; Ismer, in: Vogel/ Lehner, DBA, Art. 2 Rz. 34. 68 Valta, IStR 2018, S. 765 (772). 69 Walter, DK 2019, S. 389 (391); Eilers/Oppel, IStR 2018, S. 361 (369); Hohenwarter/ Kofler/Mayr/Sinnig, Intertax 2019, S. 140 (145). 70 Hohenwarter/Kofler/Mayr/Sinnig, Intertax 2019, S. 140 (141, 145). 71 S. o. Kapitel 5: A.II.2. Abziehbarkeit i. R. d. allgemeine Ertragsbesteuerung, S. 195. 67
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steuer ist das jedenfalls zu verneinen. Denn auch wenn DBA generell vor der Mehrfachbelastung von Steuerpflichtigen durch unterschiedliche Steuerjurisdiktionen schützen sollen, ist es gerade Ziel der Digitalsteuer, eine derartige zusätzliche Belastung als Ausgleich für die Gestaltungsmöglichkeiten herbeizuführen. Damit widerspräche eine Einbeziehung der Digitalsteuer in den Anwendungsbereich von DBA immanent dem Zweck der Steuer und dem hypothetischen Willen der DBAVertragspartner. Die Digitalsteuer unterfällt damit nicht den DBA auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.72 Käme man hier aufgrund einer abweichenden Einschätzung zum gegenteiligen Ergebnis, so wäre für die Effektivität der Digitalsteuer entweder eine Sonderregelung in den DBA erforderlich oder das zu erlassende Digitalsteuergesetz müsste ein unilaterales treaty override enthalten. Ersteres erscheint aufgrund der erforderlichen Neuverhandlung sämtlicher DBA äußerst schwierig, zweiteres ist verfassungsrechtlich nicht in allen Staaten zulässig und ist zudem als Verstoß gegen den völkerrechtlichen Vertag zu identifizieren. Wird die Steuer aufgrund einer EU-Richtlinie eingeführt, so geht sie den DBA aufgrund des europarechtlichen Anwendungsvorrangs vor. b) Weitere Aspekte Es wurde bereits aufgezeigt, dass schädliche Gestaltungsoptionen durch die Digitalsteuer nicht ausgeschlossen werden.73 Grundansatz des Digitalsteuervorschlags ist es hingegen, die Vorteile großer Digitalkonzerne durch die Einführung einer zusätzlichen Steuer zu kompensieren. Insoweit kann der Digitalsteuer bei stark typisierender Betrachtung und unter der Grundannahme, dass die Steuerlast multinationaler Digitalkonzerne zu gering ist, eine Kompensationswirkung beigemessen werden, die über den bloßen Ausgleich der benannten Steuergestaltungsmöglichkeiten hinausgeht. So kann in der Erhebung der Bruttoabgabe bei dieser bestimmten Gruppe Steuerpflichtiger eine generelle Belastung zu dem Zweck gesehen werden, bestehende steuerliche Vorteile zu kompensieren. Solche können neben der Vermeidung von Betriebsstätten auch aus anderen Gestaltungen herrühren, die der Aushöhlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage oder der steuergünstigen Gewinnverlagerung dienen. Die Digitalsteuer stellt – so betrachtet – ein effektives Mittel zur Kompensation der vorhandenen Minderbesteuerung dar. Gleiches gilt auch für die damit zusammenhängenden Wettbewerbsverzerrungen. Zwar scheint die Digitalsteuer, dieser Argumentation nach, einen Beitrag zur Beseitigung von BEPS zu leisten. Gleichwohl ist die enthaltene sehr typisierende 72
H. M.: Eilers/Oppel, IStR 2018, S. 361 (369); EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Erwägungsgrund 4, S. 18; Hohenwarter/Kofler/Mayr/Sinnig, Intertax 2019, S. 140 (141, 145); Kofler/Sinnig, Equalization Tax and the EU’s Digital Service Tax, S. 135; OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 422; Sternberg, IStR 2020, 697; a. A.: Valta, IStR 2018, S. 765 (772). 73 S. o. Kapitel 5: B.I.1. Eintretende Verbesserungen, S. 200.
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Betrachtung kritisch zu sehen. Von einer effektiven Verbesserung der Problemlage kann nämlich nur dann gesprochen werden, wenn nur denjenigen Fällen begegnet wird, in denen sie tatsächlich Probleme vorliegen. 3. Selektivität Die Digitalsteuer will mit ihrem Tatbestand gezielt hochdigitale Geschäftsmodelle erfassen, digitalisierte Unternehmen sind hingegen nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der Steuer umfasst. So unterliegen bspw. werbefinanzierte Suchmaschinen, soziale Netzwerke und mehrseitige Onlineplattformen unproblematisch der Digitalsteuer, da sie Erträge durch Werbeplatzierungen, Bereitstellung mehrseitiger digitaler Schnittstellen oder dem Sammeln von Nutzerdaten erwirtschaften. Hingegen werden etwa Streamingdienste, die Überlassung von Software oder der E-Commerce nicht erfasst. Die Gruppe hochdigitaler Unternehmen wird damit aus den gewerblichen Tätigen herausgehoben (sog. ring-fencing der Digitalwirtschaft). Noch selektiver gerät die Regelung durch die integrierten erheblichen Schwellenwerte, die KMU gänzlich aus dem Anwendungsbereich ausscheiden. Erfasst wird damit im Ergebnis nur eine sehr dezimierte Anzahl von MNE.74 Diese waren zwar Ausgangspunkt der Überlegungen der BEPS-Überlegungen der OECD, allerdings stehen die identifizierten Gestaltungsmöglichkeiten einer weit größeren Gruppe an Unternehmen offen. Die Digitalsteuer trifft jedoch hoch selektiv nur MNE, die ein originär digitales Geschäftsmodell betreiben. Auch mit Blick auf künftige Entwicklungen in der Digitalbranche erscheint der Kerntatbestand der Digitalsteuer sehr eng. So zeichnet sich die Digitalbranche durch ihre Vielseitigkeit und Innovationskraft aus. Bilden sich durch neue oder weiterentwickelte Technologien veränderte Geschäftskonzepte, bei denen die Einkünfte nicht aus platzierter Werbung, der Bereitstellung einer mehrseitigen Schnittstelle oder der Überlassung von Nutzerdaten resultieren, werden diese nicht von der Digitalsteuer erfasst. Der Tatbestand der Regelung beschreibt damit nur vorhandene Geschäftsmodelle und unterlässt Abstrahierungen. 4. Zwischenfazit Generell kann festgehalten werden, dass mit der Einführung der Digitalsteuer, die identifizierten Probleme bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle nicht beseitigt, sondern kompensiert werden sollen. So bleiben die schädliche Gestaltungsoptionen für Digitalunternehmen vorhanden und es wird auch kein Anreiz zur freiwilligen Unterlassung von Steueroptimierungen geschaffen. Aus dem Charakter als Bruttosteuer resultiert, dass die Gesamtsteuerlast für alle betroffenen Unternehmen höher, aber nicht zwangsläufig angemessener wird. Ähnliches gilt in Bezug 74 Vgl. z. B. der Kreis der erfassten Unternehmen durch die französische Digitalsteuer: Hidien, ISR 2019, S. 268 (272).
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
auf Wettbewerbsverzerrungen. Hier werden die Vorteile großer Digitalunternehmen zwar generell ausgeglichen, bei Betrachtung der einzelnen Akteure kann es jedoch zu einer Überkompensation kommen. Die Wirkungen der Digitalsteuer können unabhängig vom Vorhandensein von DBA eintreten. Die Steuer kann dabei bei stark typisierender Betrachtung als genereller Ausgleich für die steuerliche Minderbelastung digitaler Großkonzerne gesehen werden. Allerdings trifft die Steuer diese Unternehmen pauschal und nicht zielgenau. Zuletzt wurde ein sehr enger persönlicher Anwendungsbereich der Regelung identifiziert. Erfasst werden nur originär digitale Geschäftsmodelle, die durch MNE betrieben werden. Insoweit ist die Regelung hochselektiv. Daneben verhindert der wenig abstrahierende Tatbestand die Offenheit der Regelung für künftige Entwicklungen in der Digitalbranche.
II. Dogmatische Legitimität Bei der Ermittlung des Prüfungsschemas wurden drei wesentliche Prinzipien festgestellt, die der internationalen Steuerrechtsordnung inhärent sind und über deren Geltung ein Grundkonsens besteht. Der Reformvorschlag muss sich daher danach beurteilen lassen, ob er dem Territorialitätsprinzip Rechnung trägt, also einen ausreichenden genuine link beinhaltet, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch Wahrung des Leistungsfähigkeitsprinzips sicherstellt und eine Besteuerung vor dem Hintergrund des Nutzenprinzips als gerechtfertigt erscheint.75 Das Wertschöpfungsprinzip findet dabei keine Rezeption, da es sich – wie gezeigt – nicht zur Zuordnung von Besteuerungsrechten im hier vorliegenden Kontext eignet.76 1. Territorialitätsprinzip und genuine link Der Zusammenhang zwischen der Einkünfteerzielung des Unternehmens und der Steuererhebung des Marktstaates wird bei der Digitalsteuer mittels des Kriteriums der „digitalen Schnittstelle“ hergestellt. Zu fragen ist dementsprechend danach, ob diese digitale Schnittstelle das Vorhandensein eines ausreichenden genuine links für die Begründung eines Besteuerungsrechts gewährleistet. Nur dann wäre dem völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip Rechnung getragen.77 Wird mit dem Bundesverfassungsgericht lediglich ein Mindestmaß an Einsichtigkeit für den genuine link gefordert, so kommt es darauf an, dass die Steuerer75
Im Einzelnen s. o. Kapitel 3: B.II.1. Territorialitätsprinzip und genuine link, S. 86; Kapitel 3: B.II.3. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, S. 106; Kapitel 3: B.II.4. Äquivalenz-/Nutzenprinzip, S. 111. 76 S. o. Kapitel 3: B.II.2. Wertschöpfungstheorie, S. 95. 77 S. o. Kapitel 3: B.II.1. Territorialitätsprinzip und genuine link, S. 86.
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hebung an diesem Ort argumentativ begründet werden kann.78 Hierfür kann man letztlich die gleichen Argumente fruchtbar machen wie bei der Einführung eines Marktnexus i. R. d. allgemeinen Ertragsteuer: Neue digitale Technologien ermöglichen intensiven geschäftlichen Kontakt mit Geschäftspartnern vom Ausland aus ohne, dass im Inland die Begründung eines steuerlichen Anknüpfungspunkts erforderlich wäre.79 Jedoch ist diese Begründung im Hinblick auf den kompensatorischen Ansatz der Digitalsteuer zu erweitern. So wird nicht etwa eine Anpassung der Anknüpfungsregeln im allgemeinen Ertragsteuerrecht und den dazugehörigen DBA durch den genuine link legitimiert, sondern die Einführung der Digitalsteuer als Ausgleich für das Ausbleiben einer solchen Anpassung. Vor dem Hintergrund der dargelegten Veränderung in der Wirtschaftstätigkeit dieser Konzerne erscheint die beschriebene Kompensation allerdings als Alternative zur Nexusänderung und damit ebenfalls als einsichtig. Verlangt man mit Mann nahe, substantielle, unmittelbare und gewichtige Tatsachen für das Vorliegen eines genuine links, so erscheint dessen Begründung bei der Digitalsteuer schwierig. Während sich eine nahe Tatsache aus der Interaktion eines Unternehmens mit Kunden und Nutzern im Marktstaat über die digitale Schnittstelle herleiten lässt, scheinen diese Interaktionen über die Schnittstelle keine substantiellen und unmittelbaren Tatsachen darzustellen. So versucht die Steuer den Inlandsbezug für die Einkünfteerzielung mit dem Kriterium der digitalen Schnittstelle herzustellen. Jedoch fehlt ein unmittelbarer und substantieller Bezug jedenfalls dann, wenn ein Dritter eine Vergütung an den, im Ausland befindlichen Steuerpflichtigen bezahlt und der Inlandsbezug dieser Vergütung lediglich daraus resultiert, dass der Steuerpflichtige über die digitale Schnittstelle in den Marktstaat hineinwirkt. Ein anderer Ansatz erkennt das Bestehen eines genuine links dann an, wenn eine erhebliche normativ fassbare und nicht nur flüchtige Inlandsbeziehung vorliegt. Die digitale Schnittstelle gewährleistet eine solche nicht. Der Digitalsteuerpflichtige tritt normativ betrachtet mit den Nutzern und Kunden im Marktstaat nur in sehr losen Kontakt. So genügt es für die Begründung einer Steuerpflicht bereits, wenn ausreichend viele Nutzer eine Werbung auf seiner Website wahrnehmen, die dieser im Auftrag eines Dritten geschaltet hat. Eine normativ fassbare Beziehung kann daraus gerade nicht hergeleitet werden. Auch nach dem deduktiven Ansatz80 scheidet eine territoriale Rechtfertigung der Digitalsteuer mangels genuine links aus. Erforderlich wären Einkünfte, die aus einem exklusiv im Inland entstandenen oder realisierten Vermögen stammen. Einerseits ist bereits zu bezweifeln, dass die digitale Schnittstelle überhaupt ein solches Vermögen darstellt. Bei ihr handelt es sich letztlich nur um eine verfestigte Kommunikationsmöglichkeit, der per se kein eigener Vermögenswert zukommt. Ande78 Ausführlich zu den Voraussetzungen sämtlicher Ansätze zur Definition des genuine links s. o. Kapitel 3: B.II.1.b)aa) Vorhandene Ansätze in Rechtsprechung und Literatur, S. 89. 79 Vgl. o. Kapitel 4: B.II.1. Territorialitätsprinzip und genuine link, S. 163. 80 S. o. Kapitel 3: B.II.1.b)bb) Herleitung aus deduktivem Ansatz, S. 91.
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
rerseits können auch die Umsätze, die erzielt werden, nicht als durch diese Schnittstelle entstanden oder realisiert angesehen werden. Diese stammen nämlich vielmehr aus Vereinbarungen, die mit Dritten abgeschlossen wurden. Erkennbar ähneln diese Einschätzungen denen zum Vorschlag der Einführung eines Marktfaktors als Anknüpfungsmerkmals i. R. d. allgemeinen Ertragsteuer.81 Dies ist nur schlüssig, da es hier wie da um etwa dieselben Einkünfte geht, die durch das neue Anknüpfungsmerkmal i. R. d. Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer oder die Digitalsteuer betroffen werden sollen. Die Funktionsweise des Digitalsteuerkonzepts unterscheidet sich dabei jedoch von den Nexusvorschlägen nicht nur durch die bereits angesprochene Kompensationswirkung, sondern auch durch das Steuerobjekt. Die Sondersteuer knüpft nicht an den Gewinn bzw. Verlust aus den Digitalgeschäften an, sondern erhebt den erzielten Umsatz zur Bemessungsgrundlage. Demgemäß handelt es sich um eine hybride Steuer und nicht um eine Ertragsteuer im klassischen Sinne. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob die dargelegten Kriterien des genuine links für eine derartige Steuer überhaupt den richtigen Maßstab für die Wahrung des Territorialitätsprinzips bilden. So folgt die Umsatzsteuer bei grenzüberschreitenden Sachverhalten grds. dem sog. Bestimmungslandprinzip, wobei dessen Kohärenz mit dem Territorialitätsprinzip allgemein anerkannt ist.82 Der genuine link ergibt sich in diesem Fall nicht aus der Beziehung des Steuerpflichtigen zum Territorium des besteuernden Staates, sondern aus dem Bezug des Umsatzes selbst zum jeweiligen Hoheitsgebiet. Dies erscheint bei Betrachtung des Steuerobjekts als logisch. Nicht etwa der mit dem Sachverhalt eintretende Gewinn, sondern der damit einhergehende Verkehr oder Verbrauch werden besteuert. Versteht man die Digitalsteuer ebenso als Verkehrsteuer, da sie an den Umsatz und nicht an den Gewinn anknüpft, so könnten bei deren territorialen Rechtfertigung andere Bewertungsmaßstäbe für den erforderlichen genuine link gelten. Dies ist im Ergebnis abzulehnen. So ist die Verkehrs- und Verbrauchslogik des Umsatzsteuerrechts nicht übertragbar. Während dort gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG eine entgeltliche Lieferung oder sonstige Leistung im Inland steuerbarer Tatbestand ist, knüpft die Digitalsteuer an einen Kundenkontakt an, der mit der Geschäftsbeziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Vergütungsschuldner und damit dem eigentlichen Verkehr nichts zu tun hat. Darüber hinaus bemisst sich die erforderliche territoriale Legitimation nicht nach der normativen Ausgestaltung der Steuererhebung, sondern deren Funktion und faktischen Reichweite. Unabhängig davon, ob die Besteuerung der Gewinne digitaler Geschäftsmodelle durch eine stärkere Einbeziehung i. R. d. beschränkten allgemeinen Ertragsteuerpflicht oder durch eine kompensatorische Sondersteuer erfolgt, bleibt es bei der gleichen
81
Vgl.o. Kapitel 4: B.II.1. Territorialitätsprinzip und genuine link, S. 163. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 17.393 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 10.2. 82
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Zuordnung der zugrundeliegenden Fiskalsouveränität vor dem Hintergrund des Territorialitätsprinzips. 2. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung a) Betrachtung der autarken Bruttosteuer Für die Digitalsteuer ist deren Regelungsstandort außerhalb der Einkommen- und Körperschaftsteuerregelungen sowie ihr Anknüpfen an Bruttoerträge kennzeichnend. Beide Elemente spielen eine maßgebliche Rolle, wenn es um die zutreffende Erfassung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen geht. Erstens unterscheidet die Digitalsteuer als autarkes System außerhalb des allgemeinen Ertragsteuerrechts nicht zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht. Betrachtet man die Steuer dabei einzeln, so werden die Erträge nur mittels Anknüpfung an den eingetretenen Sachverhalt ohne Berücksichtigung irgendwelcher Ansässigkeitsmerkmale zugeordnet. Damit sind Doppel- und Nichtbesteuerungen grds. ausgeschlossen, was der Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips zuträglich ist. Jedoch lässt eine derartige autarke Betrachtung das kompensatorische Konzept der Steuer völlig außer Acht. Die Sondersteuer soll nämlich die Begründung einer beschränkten Steuerpflicht i. R. d. Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer ersetzen.83 Wird daher eine Steuer auf digitale (Brutto-)Erträge von Unternehmen erhoben, so entspricht die Besteuerung bei Betrachtung im Zusammenhang mit der sonstigen Ertragsteuerlast nicht dem Prinzip der Besteuerung anhand der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Hier werden die Einkünfte in fast allen Fällen im Ansässigkeitsstaat der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer und gleichzeitig im Marktstaat der Digitalsteuer unterliegen. So gewendet führt das Nebeneinander der allgemeinen Ertragsteuer und der Sondersteuer sogar noch zu weiteren Interferenzen, da eine Freistellung oder Anrechnung der Digitalsteuer i. R. d. allgemeinen Ertragsteuer de lege lata und de lege ferenda ausscheidet.84 Zweitens widerspricht die vorgesehene Bruttosteuer diametral dem objektiven Nettoprinzip.85 Die Erhebung von Umsätzen zur Bemessungsgrundlage der Steuer ohne die Möglichkeit Erwerbsaufwendungen abzuziehen führt zu einer zweifachen Pauschalierung. Dabei wird einerseits angenommen, dass die betroffenen Unternehmen mit einer annähernd gleichen Umsatzrendite arbeiten und andererseits durch Gestaltungen auch ähnlich niedrigen Ertragsteuersätzen unterliegen. Diese beiden sehr weitgehenden Postulate führen im Ergebnis zu einer steuerlichen Belastung, die an fiktiven Einkünften ausgerichtet ist, die der Stereotyp eines Digitalunternehmens 83 EU-Kommission, COM(2018) 148 final, S. 2; OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 403 ff. 84 Vgl. Hidien, ISR 2019, S. 268 (270); im Richtlinienvorschlag der EU ist explizit nur eine Abziehbarkeit von der Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage vorgesehen: EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Erwägungsgrund 27, S. 23. 85 Kokott, IStR 2019, S. 123 (128).
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
aus Sicht des Gesetzgebers einnehmen müsste. Dieser Effekt verstärkt sich noch, wenn das jeweilige Unternehmen Verluste anstatt der angenommenen Gewinne erwirtschaftet. Deren Berücksichtigung ist ganz und gar ausgeschlossen, wodurch eine Besteuerung fiktiver Gewinne sogar dann erfolgt, wenn die Leistungsfähigkeit des Unternehmens negativ ist.86 Aufgrund ihres Regelungsstandorts und ihrem Bruttosteuercharakter orientiert sich die Digitalsteuer damit nicht an der Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens. Stattdessen begünstigt sie den Widerspruch zum Leistungsfähigkeitsprinzip nicht nur, sondern legt ihn durch Gesetz regelrecht fest. Fraglich ist allerdings, ob die dargelegten Maßstäbe ohne Weiteres an die Digitalsteuer angelegt werden können. Bei ihr handelt es sich, wie bereits dargelegt um eine hybride Steuer87, die umsatz- und ertragsteuerliche Elemente vereint. Für die Umsatzsteuer ist anerkannt, dass auch diese das Leistungsfähigkeitsprinzip zu berücksichtigen hat.88 Dies ergibt sich bereits daraus, dass jede Steuerzahlung, unabhängig von ihrer Funktionsweise, der gleichen Quelle entnommen werden muss,89 welche die Grenze der subjektiven Leistungsfähigkeit bildet. Damit beansprucht das Leistungsfähigkeitsprinzip umfassende Geltung, auch in Bezug auf die Digitalsteuer. Für die Beurteilung, welche konkreten Maßstäbe sich aus dem Prinzip ableiten, ist danach zu fragen, ob mit der Digitalsteuer das Unternehmen oder ein anderer belastet werden soll und daran anknüpfend, ob es sich bei ihr um eine Einkommensteuer oder eine Einkommenverwendungssteuer handelt.90 Zwar weist die Digitalsteuer Merkmale einer Umsatzsteuer auf, allerdings folgen diese aus der stark typisierenden Konzeption der Steuer. So wird zwar an den Bruttoertrag aus digitalen Geschäften angeknüpft, allerdings wird aus der Zielrichtung und der geringen Höhe des Steuersatzes klar, dass ein typisierter Gewinn abgeschöpft werden soll. Demnach soll die Digitalsteuer das Einkommen des Digitalunternehmens selbst belasten. Dies bestätigt sich auch bei Berücksichtigung des kompensatorischen Gedankens, den die Steuer unzweifelhaft beinhaltet. Die Digitalsteuer zielt auf eine angemessene Besteuerung digitaler Unternehmen ab. Die regelungstechnische Umsetzung dieses Ziels in einer Steuer, die an den Umsatz anknüpft, soll damit die gleiche bzw. eine ähnliche Wirkung herbeiführen, auf die bspw. auch die Einführung eines neuen inländischen Anknüpfungsmerkmals i. R. d. allgemeinen Ertragsteuer abzielt. Sprich: Unabhängig von Art und Funktionsweise der steuerlichen Norm muss dem Leistungsfähigkeitsprinzip bei gleicher steuerlicher Zielsetzung der gleiche Gehalt zukommen. Die dargelegten Grundsätze können damit auch zur Bewertung der 86
Walter, DK 2019, S. 389 (392); Hidien, ISR 2019, S. 268 (270); OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 407. 87 S. o. Kapitel 5: B.I.2.a) Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen, S. 202. 88 Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 980 f.; Kirchhof, UR 2002, S. 541 (543); Desens, Leitgedanken des Rechts II, S. 2069 (2072, Rz. 12). 89 Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 97 f. 90 Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 973, 981.
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Digitalsteuer herangezogen werden. Es bleibt also dabei, dass die Digitalsteuer den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht ausreichend Rechnung trägt. b) Betrachtung von Doppelbelastung und Doppelbesteuerung Nicht nur die Wirkung der Digitalsteuer an sich kann dem Leistungsfähigkeitsprinzip widersprechen. Auch aus den Wechselwirkungen der Digitalsteuer mit anderen in- oder ausländischen Steuern kann es sich ergeben, dass die Belastung des Steuerpflichtigen nicht seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entspricht. Doppelbesteuerungsabkommen finden keine Anwendung auf die Digitalsteuer.91 Einer Doppelbelastung entspricht es dabei, wenn derselbe wirtschaftliche Vorgang innerhalb einer nationalen Rechtsordnung mit mehr als einer Steuer belastet wird.92 Eine internationale juristische Doppelbesteuerung liegt hingegen vor, wenn mehrere Staaten vergleichbare Steuern vom selben Steuerpflichtigen für denselben Steuergegenstand erheben.93 Bei der Digitalsteuer erscheint besonders problematisch, dass beide Phänomene zusammentreten. So tritt eine Doppelbelastung durch die Besteuerung der Digitaleinkünfte i. R. d. Digitalsteuer und der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer und eine Doppelbesteuerung durch Besteuerung des transnationalen Sachverhalts durch Ansässigkeits- und Marktstaat ein. Bei einem rein nationalen Sachverhalt, bei dem ein Steuerpflichtiger der Digitalsteuer und der allgemeinen Ertragsteuer unterfällt, liegt eine Doppelbelastung vor, da zweimal derselbe wirtschaftliche Vorgang, nämlich die Erzielung von Einnahmen durch eines der aufgezählten Digitalgeschäfte, besteuert wird. Dass dabei einmal auf den Ertrag und einmal auf den Umsatz als Steuerobjekt abgestellt wird, ändert an der Doppelbelastung bei gleichbleibender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nichts. Bei internationalen Sachverhalten kann es zu einer Mehrfachbelastung mit Digitalsteuer kommen, wenn mehrere beteiligte Marktstaaten unabhängig voneinander eine Digitalsteuer erheben.94 Diese Mehrbelastungen stellen offensichtlich internationale juristische Doppelbesteuerungen dar. Diffiziler ist die Situation, wenn nicht mehrere Marktstaaten, sondern ein Marktstaat und der Ansässigkeitsstaat in den Fokus gerückt werden. Dann fällt auf die Einkünfte aus dem digitalen Geschäft im Marktstaat Digitalsteuer an und im Ansässigkeitsstaat Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer, falls im Marktstaat keine Betriebsstätte vorhanden ist. Ob auch in diesem Fall eine internationale juristische Doppelbesteuerung vorliegt, erscheint fraglich. Während Nettoeinkünfte jeglicher Art Steuerobjekt der gewöhnlichen Ertragsteuern sind, besteuert die Digitalsteuer die Bruttoeinnahmen aus spezifischen 91
S. o. Kapitel 5: B.I.2.a) Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen, S. 202. Kluge, Das internationale Steuerrecht, B. Rz. 20. 93 Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen Rz. 7; Introduction Rz. 1 OECD-MK (2017). 94 Beispiel bei Walter, DK 2019, S. 389 (393). 92
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
Digitalgeschäften. Eine Gleichartigkeit des Steuerobjekts, wie sie für das Vorliegen einer juristischen Doppelbesteuerung begriffsnotwendig ist, ist also nicht ohne Weiteres gegeben. Allerdings darf hier keine streng juristische Betrachtung vorgenommen werden. Stattdessen ist eine wirtschaftliche Betrachtung orientiert an der Belastungswirkung der Steuern anzustellen.95 Unter dieser Prämisse zeigt sich, dass die Digitalsteuer einen spezifischen Teil dessen besteuert, was auch die Einkommenbzw. Körperschaftsteuer belastet. Damit liegt auch in diesem Verhältnis eine internationale juristische Doppelbesteuerung vor. Alle genannten Doppelbelastungen und -besteuerungen widersprechen dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Dies gilt umso mehr, da an keiner Stelle eine Anrechnung oder Freistellung, weder durch unilaterale Regelungen noch durch DBA, vorgesehen ist. Eine Rückbindung der Steuerlast an die weltweite Gesamtleistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erfolgt damit nicht. 3. Äquivalenz-/Nutzenprinzip Inwieweit die Einführung einer Digitalsteuer vor dem Hintergrund des Nutzenprinzips bestehen kann, ist ebenfalls problematisch. Auch hier stellt sich die Frage, ob die dargelegten Grundsätze auf die hybride Sondersteuer ohne Weiteres Anwendung finden können. Bei der Einkommens- und Körperschaftsbesteuerung wird der Zugriff auf Einkünfte eines Steuerpflichtigen dadurch gerechtfertigt, dass dieser durch bestimmte Anknüpfungsmerkmale im Inland die Möglichkeit hat, staatliche Leistungen in Anspruch zu nehmen. Andere Steuern erheben jedoch andere Sachverhalte als die Einkünfteerzielung zum Steuerobjekt. Jedoch kann das Nutzenprinzip, über den klassisch ertragsteuerlichen Bereich hinaus, immer dann zur Rechtfertigung einer Besteuerung herangezogen werden, wenn der Staat Rahmenbedingungen dafür gewährleistet, dass der Sachverhalt, an den die Steuerpflicht anknüpft, ungehindert stattfinden kann. So kann beispielsweise bei der Umsatzsteuer eine nutzentheoretische Rechtfertigung dadurch stattfinden, dass der Staat grundlegende Voraussetzungen für Konsummöglichkeiten und Bedarfsbefriedigung durch Gewährleistung von Infrastruktur, Recht und Justiz schafft.96 Dabei gilt es zu beachten, dass hierbei nicht auf eine Belastung des Unternehmens abgezielt wird, sondern die Umsatzsteuer auf eine Überwälzung auf den Endverbraucher angelegt ist; die theoretische Rechtfertigung muss sich also am Nutzen des Steuerträgers orientieren. Im Bereich spezieller Verkehrs- und Verbrauchsteuern wird das Nutzenprinzip noch plastischer.97 Dort ist die Verknüpfung zwischen staatlichem Aufwand und dem jeweiligen Steuerobjekt noch offensichtlicher. 95
Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 15.3; Kluge, Das internationale Steuerrecht, B. Rz. 24. 96 Kirchhof, UR 2002, S. 541 (542 f.); Lang, in: FS Schaumburg, S. 45 (51 f.). 97 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.47; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 478; Desens, Leitgedanken des Rechts II, S. 2069 (2072, Rz. 11); Lang, in: FS Schaumburg, S. 45 (52): „Je
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Die Digitalsteuer kann als spezielle Verkehrsteuer eingeordnet werden. Demnach eignet sich das Nutzenprinzip besonders, den steuerlichen Zugriff des jeweiligen Digitalsteuergläubigers zu beurteilen. Zu betrachten ist daher zunächst, welche staatlichen Leistungen der Steuerschuldner im Zusammenhang mit den besteuerten digitalen Leistungen potentiell in Anspruch nimmt oder nehmen kann. Der steuerauslösende Tatbestand knüpft an die Platzierung von Werbung, die Bereitstellung einer mehrseitigen digitalen Schnittstelle und die Übermittlung von Nutzerdaten an,98 sodass die Benutzung der technischen Infrastruktur des Marktstaats unerlässlich ist. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Digitalsteuer entsprechend ihrer Zielsetzung das Unternehmen belasten soll, das das digitale Geschäftsmodell betreibt; eine Abwälzung ist vor dem Hintergrund des enthaltenen kompensatorischen Gedankens nicht vorgesehen. Die besteuerten Einnahmen des Digitalunternehmens ergeben sich dabei gerade nicht direkt aus den Beziehungen des Unternehmens zu den Nutzern im Marktstaat, sondern aus Geschäften mit Dritten, die Entgelte für die Platzierung von Werbung, die Nutzung der digitalen Schnittstelle oder die Übermittlung gesammelter Daten bezahlen. Die mit diesen Geschäften in Verbindung stehenden staatlichen Leistungsangebote dürfen daher nicht zur nutzentheoretischen Rechtfertigung der Besteuerung in dem Staat herangezogen werden, in dem die Digitalsteuer erhoben wird. Damit ergibt sich sogar aus dem Vergleich mit Direktgeschäften aus dem Ausland eine verminderte staatliche Teilhabe. Während bei ausländischen Direktgeschäften neben der technischen Infrastruktur auch die Gewährleistung des Justizsystems und die Sicherung unternehmerischer Abläufe eine Rolle spielen können, ist dies im Verhältnis zwischen Digitalunternehmen und Nutzer regelmäßig nicht der Fall.99 Es zeigt sich, dass nur eine sehr geringe Möglichkeit der Teilhabe an staatlichen Leistungen für das mit Digitalsteuer belastete Unternehmen im besteuernden Staat besteht; diese beschränkt sich auf die Bereitstellung der technischen Infrastruktur. Die bloße Beteiligung der in diesem Staat befindlichen Nutzer sowie die Datenerhebung ist für die Beurteilung der nutzentheoretischen Rechtfertigung irrelevant, da es bereits begrifflich an einer staatlichen Leistung fehlt.100 4. Zwischenfazit Eine Rechtfertigung der territorialen Anknüpfung im Nutzerstaat scheidet aufgrund des nicht vorhandenen genuine links aus. In diesen Staat wirkt das Digitalunternehmen nämlich nur durch die Beziehung zum Nutzer hinein, ohne dass es spezieller die indirekte Konsumsteuer belastet, desto deutlicher wird ihr nutzentheoretischer Gehalt.“ 98 Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Art. 3 Nr. 1, S. 28 f. 99 Zu pauschal dagegen: Kokott, The Genuine Link Requirement for Source Taxation in Public International Law, S. 16 f. 100 Vgl. o. Kapitel 3: B.II.4.b) Inhalt und Reichweite, S. 113.
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
hierfür Tatsachen oder Verknüpfungen gäbe, die eine ausreichende Verbindung zur dortigen Besteuerung gewähren. Dabei sind die herausgearbeiteten Formeln nicht aufgrund des hybriden Charakters der Steuer unanwendbar; eine Vergleichbarkeit zur Umsatzsteuer, bei der das Bestimmungslandprinzip gilt, liegt gerade nicht vor. Auch widerspricht die Digitalsteuer in gravierender Weise dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Wegen des kompensatorischen Ansatzes des Digitalsteuerkonzeptes muss die Belastung in Wechselwirkung mit der Körperschaft- bzw. Einkommensteuer betrachtet werden. Hierbei ergibt sich aufgrund des Bruttosteuercharakters der Digitalsteuer u. U. die Besteuerung fiktiver Einkünfte. Eine internationale Mehrfachbesteuerung wird – im Gegensatz zu einer ertragsteuerlichen Lösung – sogar noch perpetuiert, da bekannte internationale Freistellungs- oder Anrechnungsmethoden nicht zum Einsatz kommen. Gleichzeitig tritt zur internationalen Doppelbesteuerung noch die Doppelbelastung aus Digital- und allgemeiner Ertragsteuer. Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird daher gleich in mehrfacher Hinsicht missachtet. Auch im Hinblick auf eine nutzentheoretische Rechtfertigung kann die Digitalsteuer nicht überzeugen. Das Nutzenprinzip kann dabei sowohl für die Rechtfertigung von Ertragsteuern als auch in Bezug auf Verkehr- und Verbrauchsteuern fruchtbar gemacht werden, sodass die hybride Digitalsteuer jedenfalls den Grundsätzen unterliegt. Unabhängig, ob man das Verhältnis zwischen dem Digitalunternehmen und dem Vergütungsschuldner oder zwischen dem Digitalunternehmen und den Nutzern betrachtet, kann ein staatliches Leistungsangebot in erforderlichem Ausmaß nicht erkannt werden. Die Nutzer selbst stellen dabei keinen staatlich bereitgestellten Nutzen für das Digitalunternehmen dar. Insgesamt ist die Digitalsteuer somit nicht dogmatisch legitimierbar. Keine der dargelegten Formeln vermag für ihre Erhebung und eine entsprechende Zuordnung der Besteuerungsrechte eine ausreichende Rechtfertigung zu liefern.
III. Kohärenz mit der Rechtsordnung Um aus normativer Sicht sicherzustellen, dass die Regelungen des Reformmodells insbesondere im Hinblick auf höherrangiges Recht zulässig sind und Widersprüche mit der bestehenden Rechtsordnung vermieden werden, sollen diese mit den herausgearbeiteten nationalen101 und europäischen102 Maßstäben abgeglichen werden. Hierbei sind – aus nationaler Perspektive – die formelle und materielle Verfassungsmäßigkeit sowie die Kohärenz mit einfachgesetzlichen Regelungen und – aus europäischer Sicht – Verstöße gegen die Marktfreiheiten und das Beihilfeverbot zu prüfen.
101 102
Kapitel 3: B.III.1. Nationale Grundlagen, S. 116. Kapitel 3: B.III.2. Europäische Grundlagen, S. 122.
B. Anwendung des Prüfprogramms
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1. Nationale Grundlagen Entscheidet sich Deutschland aus eigener Motivation oder aufgrund europäischer Vorgaben dazu, eine Digitalsteuer einzuführen, so muss diese, unabhängig vom Ausgangspunkt und vom Ziel der Einführung, mit der nationalen Rechtsordnung in Einklang stehen. a) Formelle Verfassungsmäßigkeit Die Prämissen für die Einführung der Digitalsteuer hängen maßgeblich von deren Einordnung ab. Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes in Steuersachen ist ein in sich geschlossenes System, dem über die bloße Ordnungsfunktion auch eine Schutzund Begrenzungsfunktion zukommt.103 Die Gesetzgebungs-, Ertags- und Verwaltungshoheit richtet sich nach der Art der eingeführten Steuer. Handelt es sich bei der Digitalsteuer um eine Verbrauchsteuer, so steht dem Bund neben dem Steueraufkommen auch die (konkurrierende) Gesetzgebungskompetenz zu, Art. 105 Abs. 2, 106 Abs. 1 Nr. 2 GG. Bei einer Einordnung als Verkehrsteuer gehen die Ertragssowie die Gesetzgebungshoheit an die Länder, soweit nicht eine bundesgesetzliche Regelung zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich ist, Art. 105 Abs. 2, 72 Abs. 2 GG. Verneint man die Zuordnung der Digitalsteuer zu einer der genannten Kategorien und sieht sie damit als Sonderertragsteuer, fehlt es im Grundgesetz an einem Kompetenztitel, sodass eine Verfassungsänderung zur Einführung erforderlich wird.104 Dem Bund und den Ländern steht kein generelles Steuererfindungsrecht zu.105 Steuern können nur eingeführt werden, soweit deren Aufkommen durch Art. 106 GG dem Bund, den Ländern oder beiden gemeinschaftlich zugewiesen ist.106 In Art. 106 Abs. 3, 6 GG sind lediglich Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer als Ertragsteuern vorgesehen. Wenn jedoch die gesonderte Besteuerung von Erträgen aus digitalen Geschäften ebenfalls an die Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit anknüpft, muss auch diese Steuer als Ertragssteuer angesehen werden.107 103 BVerfG, Beschluss vom 13. 04. 2017 – 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, S. 171 (194 ff., Rz. 69 ff.). 104 Eine solche würde aufgrund der erhöhten Beschlussanforderungen nach Art. 79 Abs. 2 GG (Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat) eine hohe politische Hürde darstellen und eine Einführung praktisch wesentlich erschweren. 105 Eindeutig: BVerfG, Beschluss vom 13. 04. 2017 – 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, S. 171 (194 ff.); für die Länder ergibt sich dies aus der Formulierung in Art. 105 Abs. 2a GG, der im Gegensatz zur unbeschränkten Länderzuweisung in Art. 70 GG für das Finanzwesen eine positive Kompetenzzuweisung statuiert, vgl. Seiler, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 105 Rz. 123 m. w. N. 106 BVerfG, Beschluss vom 13. 04. 2017 – 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, S. 171 (194 f.). 107 Als Ergänzungsabgabe i. S. v. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG kann eine Sonderertragsteuer nicht betrachtet werden, da eine solche lediglich die Steuerlast, die sich aus ESt und KSt ergibt
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
Was unter einer Verbrauch-, Verkehr- oder Ertragsteuer zu verstehen ist, regelt das Grundgesetz nicht. Bei den Steuerarten in Art. 105, 106 GG handelt es sich um Typusbegriffe, sodass sich aus einem Mehr oder Weniger typusprägender Merkmale in der Gesamtschau der Charakter einer Steuer ergibt.108 Eine Verbrauchsteuer zeichnet sich v. a. dadurch aus, auf die private Einkommensverwendung Zugriff zu nehmen.109 Regelmäßig wird sie indirekt erhoben und ist auf die Abwälzung an den Verbraucher angelegt. Zwar kann eine Verbrauchsteuer auch auf den Verbrauch von Produktionsgütern anfallen, allerdings muss eine strikte Abgrenzung von Unternehmenssteuern erfolgen. Gleiches muss für Verkehrsteuern entsprechend gelten.110 Auch diese knüpfen an Rechtsverkehrsakte an, die der Einkommensverwendung anstatt der Einkommenserzielung dienen.111 Dieser Typus an Steuern ist darauf gerichtet, den Beteiligten zu belasten, der den wirtschaftlichen Aufwand im Zusammenhang mit dem Geschäft hat.112 Demnach ist bei einer indirekten Ausgestaltung der Steuer die vorgesehene Abwälzung auf den Schuldner der Geldleistung wesentliches Charaktermerkmal.113 Die Digitalsteuer knüpft an die Umsätze von Unternehmen an, die diese aus digitalen Leistungen erzielen. Um sie als Verbrauchsteuer i. S. d. Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG einzuordnen, wäre erforderlich, dass diese Digitalleistungen „verbraucht“ würden. Verbrauch ist dabei der Konsum bestimmter vertretbarer Güter des ständigen Bedarfs, die regelmäßig dem Verzehr oder dem kurzfristigen Bedarf dienen.114 Dies erscheint bereits begrifflich schwierig, weil eine wirkliche Verwendung der digitalen Leistungen nicht stattfindet. Da weder der Staat, in dem das Digitalunternehmen ansässig ist, noch derjenige Staat besteuert, der Sitz des Vergütungsschuldners ist, müsste der Verbrauch der Digitalleistung darüber hinaus beim Nutzer gesehen werden. Angeknüpft wird allerdings an die Geldzahlung im Verhältnis der beiden anderen Akteure. Eine Besteuerung des Nutzers – und damit des Verbrauchers – kann daher bereits logisch in der Steuer nicht angelegt sein. Eine Verbrauchsteuer liegt somit nicht vor. Näher liegt da die Einordnung als Verkehrsteuer i. S. d. Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG. Eine solche besteuert den ausgetauschten Wert bei zumeist zivilrechtlichen verlängert und akzessorisch an den Steuer- tatbestand dieser Steuern anknüpft, vgl. Seiler, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 106, Rz. 117. 108 BVerfG, Beschluss vom 13. 04. 2017 – 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, S. 171 (193, Rz. 65). 109 BVerfG, Beschluss vom 13. 04. 2017 – 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, S. 171 (212 f., Rz. 115 f.); Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 23. 110 Seiler, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 106 Rz. 97. 111 Desens, Leitgedanken des Rechts II, S. 2069 (2073, Rz. 14 f.); Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 22. 112 Desens, Leitgedanken des Rechts II, S. 2069 (2073, Rz. 14). 113 Seiler, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 106 Rz. 97. 114 Vgl. BVerfG, Urteil vom 07. 05. 1998 – 2 BvR 1991/95, 2 BvR 2004/95, BVerfGE 98, S. 106 (123 f.); BVerfG, Beschluss vom 13. 04. 2017 – 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, S. 171 (211 ff.).
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Rechtsverkehrsakten.115 Der Tatbestand der Digitalsteuer knüpft an bestimmte digitale Transaktionen an, bei deren Vorliegen ein Umsatz zum Steuerobjekt wird. Auch hier ist allerdings das Verhältnis zwischen Digitalunternehmen, Vergütungsschuldner und Nutzer zu berücksichtigen. Der Rechtsakt, der eine Besteuerung auslöst, kann einerseits im besteuernden Staat zwischen Nutzer und Digitalunternehmen, andererseits im entgeltlichen Geschäft zwischen Digitalunternehmen und dem Vergütungsschuldner gesehen werden. Nimmt man Ersteres an, so ist dem Geschäft kein Umsatz inhärent, der zu einer Besteuerung herangezogen werden kann. Geht man von Zweiterem aus, so befinden sich beide Beteiligte im Ausland und auch der Umsatz hat keinen Berührungspunkt zum Inland, sodass eine Anknüpfung an diesen Verkehrsakt vor dem Hintergrund des Territorialitätsprinzips116 ungerechtfertigt erscheint. Unabhängig von der Einordnung als Verbrauch- oder Verkehrsteuer darf jedenfalls keine reine Unternehmenssteuer vorliegen.117 Diese würde in jedem Fall nicht die Einkommensverwendung, sondern vor dem Hintergrund der Produktivitätsabsicht von Unternehmen lediglich indirekt die Einkommenserzielung besteuern. Damit läge eine Ertragsteuer vor. Demgemäß ist die Digitalsteuer daraufhin zu überprüfen, ob sie nicht nur Sachverhalte erfasst, die typischerweise ausschließlich der unternehmerischen Wertschöpfung dienen.118 Das ist beim Zuschnitt der Digitalsteuer der Fall. Sie knüpft an die Platzierung von Werbung, die Bereitstellung einer mehrseitigen digitalen Schnittstelle und die Übermittlung gesammelter Daten und damit an Sachverhalte an, die ausschließlich der unternehmerischen Gewinnerzielung dienen. Gleichzeitig ist sie nicht auf die Abwälzung dieser Belastung angelegt, sodass Kern der Digitalsteuer die Abschöpfung unternehmerischer Erträge ist, die häufig der allgemeinen Ertragsbesteuerung entgehen.119 Bei der Digitalsteuer handelt es sich daher um eine Sonderertragsteuer. Da das Grundgesetz in Art. 105 keine allgemeine Ertragsteuerhoheit kennt und der Katalog vor dem Hintergrund der Schutz- und Begrenzungsfunktion als abschließend anzusehen ist, steht dem einfachen Gesetzgeber keine Gesetzgebungskompetenz zu. Erforderlich zur Einführung der Digitalsteuer wäre demnach eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat, Art. 79 Abs. 2 GG.120 Dies
115 BVerfG, Beschluss vom 04. 02. 1958 – 2 BvL 31/56, 2 BvL 33/56, BVerfGE 7, S. 244 (260); BVerfG, Urteil vom 05. 11. 2014 – 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, S. 350 (362). 116 Dazu s. o. Kapitel 5: B.II.1. Territorialitätsprinzip, S. 208. 117 BVerfG, Beschluss vom 13. 04. 2017 – 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, S. 171 (212, Rz. 115); Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 2.47 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 7.22. 118 BVerfG, Beschluss vom 13. 04. 2017 – 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, S. 171 (212 f., Rz. 115 f.); für die Digitalsteuer: Valta, IStR 2018, S. 765 (769 f.). 119 So insgesamt auch Valta, IStR 2018, S. 765 (769 f.). 120 So auch Valta, IStR 2018, S. 765 (769 f.); zu den Folgen hinsichtlich der Realisierbarkeit s. u. Kapitel 5: B.V.3. Realisierbarkeit, S. 234.
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
gilt auch im Falle einer Einführung i. R. d. Umsetzung einer Richtlinie der Europäischen Union.121 Diese Einordnung erscheint im Hinblick auf die erörterte fehlende Umfassung durch DBA auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen122 auf den ersten Blick als inkonsequent. Und sicherlich bleibt es in beiden Betrachtungen bei den Grundentscheidungen der Sondersteuer. Dennoch dürfen aus den getroffenen Einordnungen gegenseitig keine unmittelbaren Rückschlüsse gezogen werden. Nicht nur der DBA-rechtliche Begriff des „Einkommens“ unterscheidet sich von den kompetenzabgrenzenden Differenzierungen des Grundgesetzes. Darüber hinaus sind DBA auf die Vermeidung von Doppelbesteuerungen bedacht, während das Grundgesetz mit den Kompetenzvorgaben an den Gesetzgeber eine anderweitige Zielrichtung beinhaltet. Damit ändern sich auch diejenigen Punkte, die für die Einordnung der Steuer maßgeblich sind. Es liegt demnach kein Widerspruch darin, in unterschiedlichen Kontexten einerseits eine Steuer vom Einkommen abzulehnen und andererseits eine Sonderertragsteuer anzunehmen. b) Materielle Verfassungsmäßigkeit Die Digitalsteuer trägt den Grundsätzen der Tatbestandsbestimmtheit und der Normenklarheit als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips ausreichend Rechnung. So ist der Steuergegenstand durch den abschließenden Katalog betroffener digitaler Geschäftsmodelle klar abgrenzbar und die steuerlichen Folgen des Betriebs eines derartigen Unternehmens den Regelungen unschwer zu entnehmen. Dagegen erscheint die Wahrung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG vor dem Hintergrund seiner Ausprägung als Leistungsfähigkeitsprinzip als fraglich. Dass die Digitalsteuer das objektive Nettoprinzip außer Acht lässt, wurde bereits aufgezeigt.123 Dennoch wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bis zu einem gewissen Grad – beispielsweise mit der Freistellung des Grundfreibetrags, der Berücksichtigung von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen, etc. – i. R. d. Einkommensteuer erreicht. Es stellt sich damit die Frage, inwieweit die Ausrichtung der Digitalsteuer am Leistungsfähigkeitsprinzip überhaupt verfassungsrechtlich geboten ist.124 Während die Einkommensteuer maßgeblich die Berücksichtigung der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit i. S. d. subjektiven Nettoprinzips bei Gesamtbetrachtung des Steuersystems ausreichend gewährleistet, müssen andere Ertragsteuern zumindest das objektive Nettoprinzip berücksichtigen. Verbrauch- und Verkehrsteuern tun dies regelmäßig nicht. Für die Digitalsteuer wurde soeben herausgearbeitet, dass diese im verfassungsrechtlichen
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Dazu s. u. Kapitel 5: B.V.3.b) Umsetzung, S. 235. S. o. Kapitel 5: B.I.2.a) Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen, S. 202. S. o. Kapitel 5: B.II.2.a) Betrachtung der autarken Bruttosteuer, S. 211. Dazu bereits oben Kapitel 3: B.III.1.b) Materielle Verfassungsmäßigkeit, S. 118.
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Kontext eine Ertragsteuer darstellt.125 Insoweit muss auch sie das objektiven Nettoprinzip verwirklichen. Da dies nicht der Fall ist, widerspricht die Digitalsteuer dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Daneben tritt das Folgerichtigkeitsprinzip. Anders als beim zuvor besprochenen Ansatz, der lediglich einen neuen Anknüpfungspunkt für die beschränkte Steuerpflicht schafft,126 geht mit der Digitalsteuer die Erhebung eines eigenen, zusätzlichen Steuergegenstandes einher. Unabhängig davon, ob die zusätzliche Besteuerung digitaler Gewerbebetriebe von der getroffenen Entscheidung zur Gruppierung aller gewerblich Tätigen abweicht, ist hier der Regelungsstandort in einem separaten Gesetz zu berücksichtigen. Das Folgerichtigkeitsprinzip darf nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht steuerübergreifend verstanden werden.127 Auf das Durchhalten der vom EStG und KStG getroffenen Belastungsentscheidung kommt es daher nicht an. Selbst, wenn man dies anders beurteilt,128 steht es dem Gesetzgeber i. R. seiner Regelungsmacht grds. frei, Sondersteuern einzuführen, soweit diese einen bestimmten legitimierten Zweck verfolgen. In Betracht kommt zudem ein Verstoß gegen die Freiheitsgrundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 GG. Über Art. 19 Abs. 3 GG finden diese Grundrechte auch auf inländische juristische Personen Anwendung,129 sodass auch Kapitalgesellschaften vom Schutzbereich der Berufs- und Eigentumsfreiheit erfasst sind. Die Abwehrwirkung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG ist im steuerrechtlichen Kontext recht begrenzt. So ist zur Begründung eines Eingriffs in ihren Schutzbereich eine berufsregelnde Tendenz der Steuer erforderlich, die sich in der Nähe zu einem spezifischen Beruf äußert und zudem auch Einfluss auf die Berufswahl nimmt.130 Ersteres ist für die Digitalsteuer sicherlich zu bejahen. Als Sonderertragsteuer, die digitale Geschäftsmodelle erfassen soll, zielt sie darauf ab, Unternehmen zu besteuern, die diese bestimmte berufliche Tätigkeit ausüben. Zweiteres erscheint vor dem Hintergrund der hohen Schwellenwerte, die die Digitalsteuer beinhaltet, hingegen eher fraglich. So ist regelmäßig nicht damit zu rechnen, bei der Entscheidung, fortan ein digitales Geschäftsmodell zu betreiben, direkt mit Digitalsteuer belastet zu werden. Ein solches wird in aller Regel nicht die 125
S. o. Kapitel 5: B.III.1.a) Formelle Verfassungsmäßigkeit, S. 217. S. o. Kapitel 4: B.III.1. Nationale Grundlagen, S. 169. 127 BVerfG, Urteil vom 06. 03. 2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, S. 73 (125 ff.). 128 Vgl. Schwarz, in: FS Isensee, S. 949 (957); Tipke, StuW 2007, S. 201 (206). 129 Für ausländische juristische Personen aus EU-Mitgliedstaaten gelten aufgrund des unionsrechtlichen Diskriminierungsverbots in Art. 18 AEUV die gleichen Maßstäbe, vgl. Scholz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 12 Rz. 105; Epping, Grundrechte, Rz. 584. Ausländische Gesellschaften aus Drittstaaten können sich dagegen nicht unmittelbar auf die Berufsfreiheit berufen, ihnen bleibt der allgemeine Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG, vgl. Scholz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 12 Rz. 107; Epping, Grundrechte, Rz. 583, BVerfG, Beschluss vom 11. 03. 1968 – 2 BvL 18/63, BVerfGE 23, S. 208 (223). Für die Eigentumsfreiheit gilt entsprechendes, vgl. Papier/Shirvani, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 14 Rz. 343 ff. 130 S. o. Kapitel 3: B.III.1.b) Materielle Verfassungsmäßigkeit, S. 118. 126
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
Umsatzschwellen im hohen dreistelligen Millionenbereich131, die in sämtlichen Entwürfen vorgesehen sind, erreichen. Ob hingegen eine unverhältnismäßige Berufsausübungsregel vorliegt, die ebenfalls zu einem Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG führen würde, beurteilt sich letztlich nach den gleichen Maßstäben, die auch bei Art. 14 GG anzulegen sind.132 Führt eine Steuer dazu, dass die Ausübung des entsprechenden Berufs erheblich erschwert oder unmöglich gemacht wird und dies nicht gerechtfertigt werden kann, so liegt dem immer eine übermäßige Besteuerung zugrunde, die auch durch Art. 14 GG erfasst wird. Die Eigentumsfreiheit umfasst auch den Schutz des Erworbenen vor dem Zugriff durch den Staat. Da jede Steuer das Erworbene des Steuerpflichtigen schmälert, ergibt sich aus Art. 14 GG das Prinzip der eigentumsschonenden Besteuerung.133 Dieses steuerrechtsspezifische Übermaßverbot ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips und findet seine absolute Grenze in der Erdrosselungssteuer. Gleichwohl kann sich aus der Einzelabwägung auch unterhalb dieser Schwelle ein Grundrechtsverstoß ergeben. Eine allgemeingültige Obergrenze für die Gesamtbelastung des Steuerpflichtigen existiert hingegen nicht.134 Die Problematik im Hinblick auf die Digitalsteuer ergibt sich erneut aus ihrem Bruttosteuercharakter. So ist zwar die Anknüpfung an Soll-Erträge durch Art. 14 GG nicht ausgeschlossen, einen Bestandsschutz des Vermögens gewährt Art. 14 GG jedoch trotzdem.135 Dieser ist an der Zumutbarkeitsgrenze zu verorten, wo die dem Steuerpflichtigen obliegende Belastung zum Ziel der Besteuerung – der Deckung des staatlichen Finanzbedarfs – außer Verhältnis steht. Konkret ist also eine Abwägung des gemeinschaftlichen Nutzens der Steuererhebung mit der Abgabeverpflichtung des Einzelnen erforderlich. Offensichtlich ist dabei, dass dem Steuerpflichtigen etwas von seinem wirtschaftlichen Erfolg verbleiben muss. Dem trägt die Digitalsteuer keine Rechnung. Bereits Unternehmen, die mit geringer Umsatzrendite arbeiten, wären mit einer Steuerquote aus Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer plus Digitalsteuer belastet, die erheblich über 50 Prozent liegen kann.136 Zudem kann es bei wenig profitablen bzw. verlustträchtigen Betrieben dazu kommen, dass die kumulative Steuerlast teilweise oder ausschließlich aus der Vermögenssubstanz des Unternehmens getragen werden muss. In diesem Fall ergibt sich eine erdrosselnde Wirkung, die jede Rechtfertigung des Eingriffs in den Schutzbereich von Art. 14 GG und auch in den der Berufsfreiheit ausschließt. Wird im Gesetz zur Digitalsteuer kein Ausnahme-
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Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Art. 4 Nr. 1 lit. (a), S. 30. Arndt/Schumacher, NJW 1995, S. 2603 (2605); Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 433. 133 Vgl. o. Kapitel 3: B.III.1.b) Materielle Verfassungsmäßigkeit, S. 118. 134 BVerfG, Beschluss vom 18. 01. 2006 – 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, S. 97 (114, Rz. 41). 135 BVerfG, Beschluss vom 22. 06. 1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121 (136 ff.); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.192. 136 Kokott, IStR 2019, S. 123 (128); Hidien, ISR 2019, S. 268 (270); Walter, DK 2019, S. 389 (392). 132
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tatbestand für derartige Fälle vorgesehen, so verstößt die Steuererhebung in diesen Fällen gegen die Grundrechte der Betroffenen. 2. Europäische Grundlagen Im Hinblick auf die Marktfreiheiten der Europäischen Union erscheint die Digitalsteuer bei erster Betrachtung unverdächtig. So knüpft der Tatbestand der Steuer an keiner Stelle an die Nationalität des Steuerpflichtigen an, sondern behandelt Gebietsansässige und Gebietsfremde gleich. Zwar werden sowohl Art. 49 AEUV als auch Art. 56 AEUV nicht nur als bloße Diskriminierungsverbote, sondern als umfassende Beschränkungsverbote verstanden.137 Eine Beschränkung des Marktzugangs kann jedoch in der Digitalsteuer nicht erkannt werden. Vielmehr gibt sie die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaftsaktivitäten aller Akteure vor. Ihre Regelung ist Ausdruck der Souveränität des jeweiligen Mitgliedstaats. In Betracht kommt jedoch eine indirekte Ausländerdiskriminierung, die sich aus den enthaltenen Schwellenwerten ergibt. Diese sind so ausgelegt, dass sie ausschließlich große Digitalkonzerne betreffen, die vorwiegend in den USA oder durch Tochtergesellschaften in einigen wenigen europäischen Niedrigsteuerländern ansässig sind.138 Insoweit kann sich aus dem stark progressiven Zuschnitt der Digitalsteuer eine indirekte Diskriminierung ausländischer Unternehmen ergeben, die gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt.139 Jedoch steht es den Mitgliedstaaten frei, das jeweilige Steuersystem derart auszugestalten, wie es ihnen am passendsten erscheint; das umfasst auch die Einführung einer progressiven Besteuerung. Die Höhe des Umsatzes im Speziellen ist dabei ein neutrales Unterscheidungsmerkmal und es erscheint nicht sachfremd, damit Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu ziehen.140 Erfasst werden damit zwar de facto v. a. ausländische Konzerne, jedoch sind dies eben auch diejenigen, die – unabhängig von ihrer Herkunft – aufgrund ihrer Größe und Umsatzstärke besonders belastet werden sollen. Ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten ist daher nicht zu erkennen. Fraglich ist jedoch, ob eine Abmilderung durch die Möglichkeit des Abzugs der Steuerlast von der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt. Solche Abzugsmöglichkeiten sind in den geltenden Gesetzen und Vorschlägen regelmäßig vorgesehen.141 Aller137
S. o. Kapitel 3: B.III.2.a) Marktfreiheiten, S. 122. Vgl. Hidien, ISR 2019, S. 268 (272). 139 Vgl. Graßl/Koch, IStR 2020, S. 645 (646); Kokott, IStR 2029, S. 123 (127); Spilker, DK 2019, S. 385 (387). 140 EuGH, Urteil vom 03. 03. 2020 – C-75/18, ECLI:EU:C:2020:139, Rz. 49 f.; GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 13. 06. 2019 – C-75/18, ECLI:EU:C:2019:492, Rz. 100; Kokott, IStR 2029, S. 123 (128); ausführlich: Graßl/Koch, IStR 2020, S. 654 (646 ff.); a. A.: Spilker, DK 2019, S. 385 (387). 141 Vgl. Walter, DK 2019, S. 389 (390 f.); Keuper, BB 2020, S. 407 (411); Keuper, BB 2020, S. 2327 (2329, 2331). 138
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
dings stellen diese keine besonderen Entlastungen dar, insbesondere deshalb, weil sie nicht in den Digitalsteuern, sondern in den allgemeinen Ertragsteuern enthalten sind. Das objektive Nettoprinzip, das Grundlage der allgemeinen Ertragsteuergesetze sämtlicher Mitgliedstaaten ist, sieht den Abzug von Erwerbsaufwendungen vor. Dazu gehört auch der Abzug von Steuern, die i. R. d. unternehmerischen Gewinnerzielungsprozesses anfallen.142 Der Abzug angefallener Digitalsteuer eines inländischen Unternehmens i. R. d. Ertragsbesteuerung stellt daher keine Diskriminierung ausländischer Unternehmen dar. Hingegen wäre eine Anrechnung der Digitalsteuer für Inländer auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer problematisch. Eine solche ist jedoch in sämtlichen Vorschlägen nicht vorgesehen. Ein Verstoß gegen das Beihilfeverbot aus Art. 107 Abs. 1 AEUV kommt von vornherein nicht in Betracht. Dafür fehlt es an der Verschaffung eines selektiven Vorteils für eine bestimmte Gruppe an Unternehmen oder Produktionszweigen.143 Während durch die Einführung eines Anknüpfungspunktes für die beschränkte Steuerpflicht i. R. d. allgemeinen Ertragsteuer in bestimmten Fällen eine geringere Steuerlast für Digitalunternehmen die Folge sein kann,144 ist dies bei der Digitalsteuer nicht möglich. Die Sonderertragsteuer führt für sämtliche Digitalunternehmen in allen Konstellationen zu einer Mehrbelastung. Zuletzt könnte die Digitalsteuer noch europäischem Sekundärrecht widersprechen. Im Bereich indirekter Steuern hat die Europäische Union aufgrund ihres Harmonisierungsauftrages die MwStSystRL145 erlassen, die den Bereich der Umsatzsteuer nahe an eine Vollharmonisierung rückt. Art. 401 MwStSystRL verbietet es dabei, eine Abgabe mit Mehrwertsteuercharakter einzuführen. Ist die Digitalsteuer als solche Abgabe zu sehen, verstößt ihre Einführung gegen europäisches Sekundärrecht und müsste unangewendet bleiben. Zwar erscheint der Begriff des Mehrwertsteuercharakters zunächst sehr weitreichend. Jedoch soll eine Steuer nur dann dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterfallen, wenn sie allgemein auf Waren oder Dienstleistungen Anwendung findet, die Steuerbelastung an die Höhe des Umsatzes geknüpft ist, eine Erhebung auf allen Stufen des Produktions- und Vertriebsprozesses stattfindet und eine Vorsteuerabzugsmechanismus vorhanden ist.146 Dies ist bei der Digitalsteuer nicht der Fall.147 Anders als bei der Umsatzsteuer handelt es sich bei ihr nicht um eine Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug. Stattdessen soll die Steuer jeweils nur auf die schlussendlichen Einnahmen 142 Dazu s. o. Kapitel 5: A.II.2. Abziehbarkeit i. R. d. allgemeine Ertragsbesteuerung, S. 195. 143 Ausführlich: s. o. Kapitel 3: B.III.2.b) Beihilfeverbot, S. 124. 144 Auch diese Regelung stellt keinen Verstoß gegen das Beihilfeverbot dar, s. o. Kapitel 4: B.III.2. Europäische Grundlagen, S. 171. 145 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. 11. 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem. 146 EuGH, Urteil vom 03. 10. 2006 – C-475/03, ECLI:EU:C:2006:629; Haslehner, EU/ WTO Law Limits on Digital Business Taxation, S. 34; Graßl/Koch, IStR 2020, S. 645 (648). 147 Kofler/Mayr/Schlager, ET 2017, S. 523 (531); Graßl/Koch, IStR 2020, S. 645 (648).
B. Anwendung des Prüfprogramms
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des Digitalunternehmens anfallen, wenn der Jahresschwellenwert erreicht wird. Art. 401 MwStSystRL behindert die Einführung der Digitalsteuer also nicht.
IV. Umgehungsmöglichkeiten Ziel der Reformbestrebungen ist die Beseitigung der unbefriedigenden Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle, die maßgeblich aus den derzeitigen Gestaltungsmöglichkeiten digitaler Unternehmen resultiert. Um dies sicherzustellen, muss das neue Besteuerungskonzept Steuergestaltungen148, denen nicht durch § 42 AO begegnet werden kann, ausschließen. Dem kann durch Auslegbarkeit der Regelung mittels systematischer Einbettung und Orientierung an einer klaren Belastungsentscheidung sowie durch Tatbestandsmerkmale, die an tatsächliche Gegebenheiten anstatt an rechtliche Bewertungen anknüpfen, Rechnung getragen werden (Regelungseigenschaften). Inwieweit die Unausweichlichkeit der Regelung erreicht wird, ist daran zu messen, wie sachgerecht der Tatbestand digitale Einkünfte erfasst, wie flexibel und zukunftssicher er einerseits handhabbar ist, wie klar andererseits die Tatbestandsmerkmale ungewollte Interpretationen ausschließen und wie weit er auch Gestaltungen im internationalen Bereich unschädlich macht. 1. Regelungseigenschaften Die Digitalsteuer unterscheidet sich von der Idee, i. R. d. allgemeinen Ertragsbesteuerung einen inländischen Anknüpfungspunkt für den Marktstaat zu schaffen, vor allem durch ihren Regelungsstandort außerhalb der vorhandenen Steuergesetze und durch ihre kompensatorische Wirkung. Vor diesem Hintergrund gilt es zu beachten, dass schädliche Gestaltungsoptionen, die im Bereich der Einkommens- bzw. Körperschaftsbesteuerung identifiziert wurden, auch nach Einführung einer Digitalsteuer weiter bestehen und es gerade nicht Ziel der Regelung ist, diese zu beseitigen. Im Hinblick auf die Systematik der Steuer muss zwischen innerer und äußerer Kohärenz differenziert werden. Da keine Rückbindung zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer besteht, ist eine Abstimmung auf diese Regelungen zur Gewährleistung einer Auslegbarkeit nicht relevant. Allerdings bedeutet dies, dass die innere Systematik des Digitalsteuergesetzes umso stringenter sein muss, um eine einwandfreie Anwendung auf alle Sachverhalte zu gewährleisten. Die Handhabung der Regelung erscheint simpel und einfach nachvollziehbar. Es werden klare Tatbestände definiert, deren zuordenbare Einnahmen einem festen Steuersatz unterworfen werden. Die Regelung ist allerdings im Hinblick auf die steuerauslösenden Tatbestände recht kleinteilig. So wird einerseits auf einen abschließenden Katalog, 148 Zur begrifflichen Abgrenzung: Kapitel 3: B.IV.1. Steuervermeidung, -gestaltung und -missbrauch, S. 125.
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
der drei Arten von Geschäftsmodellen enthält, rekurriert. Andererseits erscheint die Erfassung der ortsbezogenen Tatsachen, die zur Subsumtion unter den Tatbestand erforderlich sind, recht technisch und schwer nachvollziehbar.149 Die Normvoraussetzungen werden durch einen abschließenden Katalog vorgegeben150 und damit nicht durch einen offenen Tatbestand mit einer allgemeinen Definition des „Digitalgeschäfts“. Dies stellt eine eher kleinteilige Regelungsweise dar. Erfasst sind demnach nur die Geschäfte, die unter die Beschreibungen des Katalogs fallen. Die einzelnen Katalogtatbestände sind hingegen regelmäßig offen gehalten und nennen Teile der typischen Systematisierungsgruppen151 digitaler Unternehmenskonzepte, wie z. B. Werbeeinnahmen, Erträge mehrseitiger digitaler Plattformen oder Einnahmen aus Datenverkäufen.152 Innerhalb ihrer Leitplanken kann demnach eine Auslegung stattfinden. Dies erscheint im Hinblick auf die derzeit bestehenden Modelle als ausreichend. Die Fortentwicklung der Digitalbesteuerung, die aufgrund der Innovationskraft und Vielseitigkeit der Digitalbranche immanent wichtig ist, ist dabei jedoch nicht gewährleistet. So fallen veränderte oder gänzliche neue Ertragserzielungsmethoden nicht unter die Steuer. Insbesondere Unternehmenskonzepte, die mithilfe von „Big Data“, also der Beschaffung, Verarbeitung und Aufbereitung großer und komplexer Datenmengen Gewinne erzielen wollen, sind bereits vorhanden und werden nicht von der Regelung erfasst. Gleichzeitig fällt es schwer, eine konkrete Belastungsentscheidung aus den Tatbeständen abzuleiten. Zwar ist sämtlichen Tatbestandsvarianten die digitale Aktivität im Zusammenhang mit Nutzern im besteuernden Staat inhärent. Unklar ist jedoch, warum gerade diese ausgewählten Geschäftsmodelle von der Steuer erfasst werden sollen und andere nicht. Dies ergibt sich aus dem kompensatorischen Gedanken der Steuer: Besteuert werden sollen diejenigen Geschäftsmodelle, bei denen man eine erhebliche Minderbesteuerung i. R. d. allgemeinen Ertragsteuer durch Vermeidung inländischer Anknüpfungsmerkmale festgestellt hat.153 Einer Auslegbarkeit der Regelung ist dieser Grund jedoch nicht zuträglich. Es kann keine sachliche Belastungsentscheidung festgestellt werden, die dabei hilft, die Reichweite des Besteuerungsanspruchs zu ermitteln. Hinsichtlich des Steuersubjekts bedienen sich die Digitalsteuern einer steuerjuristischen Betrachtungsweise. Regelmäßig wird die Einordnung als Personen- oder Kapitalgesellschaft außer Acht gelassen und an das juristische Konstrukt angeknüpft, das das digitale Geschäftsmodell betreibt, sodass steuerrechtlich transparente 149 Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Art. 5, S. 31 f.; Bedenken im Hinblick auf den Datenschutz: Kokott, IStR 2019, S. 123 (131); Luther/Vail, MwStR 2019, S. 986 (900). 150 So die Regelungstechnik aller bestehenden und diskutierten Entwürfe: vgl. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Art. 3 Nr. 1, S. 28 f.; im Überblick: Keuper, BB 2020, S. 407 (Teil I), S. 471 (Teil II). 151 S. o. Kapitel 2: A.II. Systematisierung, S. 34. 152 EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Art. 3 Nr. 1, S. 28 f. 153 Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, S. 8 f.
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Strukturen ebenfalls erfasst werden.154 Zudem werden konzernrechtliche Gestaltungen, die der Aufteilung des Geschäftsbetriebs dienen, für die Bestimmung der Digitalsteuer konsolidiert betrachtet.155 Demnach wird zur Identifikation des Steuerpflichtigen und indirekt auch für die Ermittlung des zurechenbaren Sachverhalts unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Gestaltung auf tatsächliche Gegebenheiten abgestellt. Die Digitalsteuer stellt eine allgemeine Steuer dar, die grds. auf jeden Sachverhalt Anwendung findet und die demnach nicht die vorherige Identifizierung eines Missbrauchs voraussetzt. Der Anwendungsbereich der Steuer ist jedoch faktisch durch ihre Ausgestaltung stark auf die Kompensation von Missbrauchsgestaltungen angelegt. Dazu tragen sowohl hohe Schwellenwerte als auch der Tatbestandszuschnitt bei. 2. Unausweichlichkeit Dass mit Einführung der Digitalsteuer die Gestaltungsmöglichkeiten im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht weiterhin vorhanden sind, spielt für die Unausweichlichkeit der Regelung keine Rolle. Die Steuer soll die identifizierten Gestaltungsmöglichkeiten der Unternehmen lediglich kompensieren, sodass es ausschließlich darauf ankommt, ob die Digitalsteuer umgangen werden kann. Diese kompensatorische Lösung orientiert sich dabei nicht an einer sachgerechten Einkünfteerfassung, sondern zielt vorwiegend auf die Maximierung inländischen Steuersubstrats ab. Dies ergibt sich v. a. aus der Konzeption als Bruttosteuer. Besteuert werden nicht die Erträge, die das jeweilige Digitalunternehmen erwirtschaftet, sondern die Umsätze. Dies führt zu einer teilweisen Überkompensation der identifizierten Probleme. Die Gleichheit der Lastenverteilung sowie der faire Wettbewerb unter den Steuerpflichtigen wird daher zugunsten der ausgedehnten Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle preisgegeben. Die Digitalsteuer stellt auch keine prinzipiengeleitete Gesetzgebung dar, da sich ihre Belastungsentscheidung – wie soeben gezeigt – lediglich an den Arten bestehender Geschäftsmodelle orientiert, bei denen regelmäßig von den Steuerpflichtigen zu wenig Ertragsteuern entrichtet werden.156 Dies führt für den Moment wohl zu tragfähigen Ergebnissen und einer fast vollumfänglichen Kompensation der Minderbesteuerung. Allerdings ist zu erwarten, dass mit fortschreitender Digitalisierung veränderte Geschäftsmodelle entstehen, für die die aufgezählten Tatbestandsvarianten nicht passen, denen aber trotzdem dieselben Steuergestaltungsmöglichkeiten zustehen. Da die Auslegbarkeit der einzelnen Katalogtatbestände aufgrund ihrer Ausrichtung an vorhandenen Geschäftspraktiken begrenzt ist, können hier Lücken entstehen. Diese führen dazu, dass die Minderbesteuerung i. R. d. allgemeinen Er154 155 156
Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Art. 2 Abs. 1, S. 28. Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Art. 4 Nr. 6, S. 30. Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, S. 8 ff.
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
tragsteuern nicht mehr ausreichend kompensiert wird und dies durch die Digitalunternehmen mittels Anpassung ihrer Geschäftsmodelle forciert werden kann. Indessen ergibt sich für vorhandene digitale Geschäftsmodelle der Zugriff des Staates auf das Steuersubstrat grds. klar aus dem Tatbestand der Regelung. Dieser behilft sich u. a. mit Legaldefinitionen157 zur Klarstellung der Tatbestandsvoraussetzungen. Während damit die Voraussetzungen des steuerauslösenden Tatbestandes präzisiert werden, lassen sich jedoch keinerlei Rückschlüsse auf die Höhe der Steuer ziehen. Zwar ist ein ausdifferenziertes Gewinnermittlungssystem aufgrund des Bruttosteuercharakters der Digitalsteuer nicht erforderlich. Jedoch belässt das Gesetz bei der Höhe der steuerbaren Erträge erheblichen Interpretationsspielraum. So wird lediglich klargestellt, dass unter „Erträgen“ i. S. d. Digitalsteuergesetzes die Gesamtbruttoerträge abzüglich der Mehrwertsteuer zu verstehen sind. Weitere Präzisierungen fehlen und sind für die vorgestellten Grundgeschäfte, der Platzierung von Onlinewerbung und der Bereitstellung einer mehrseitigen digitalen Plattform gegen Entgelt sowie Datenverkäufen auf den ersten Blick nicht erforderlich. Allerdings sehen die Unternehmenskonzepte großer Digitalkonzerne weitaus umfangreichere und ausdifferenziertere Angebote vor, wie beispielsweise der Zugang zu mehrseitigen digitalen Plattformen, der von Nebenleistungen flankiert wird oder die Platzierung von Werbung, die zuvor i. R. einer Gesamtleistung vom Digitalunternehmen konzipiert wurde.158 Hier stehen nicht die Gesamtkosten, sondern lediglich ein Teil der Gegenleistung in Zusammenhang mit der digitalen Leistung. Zwar werden die Erträge – entsprechend der umsatzsteuerrechtlichen Praxis – wohl aufzuteilen und zuzuordnen sein,159 allerdings erscheint der Zugriff des Staates auf das Besteuerungssubstrat weniger klar, als auf den ersten Blick erwartet. Festzuhalten ist zuletzt, dass eine Umgehung der Digitalsteuer unter Anwendung einer anderen Rechtsordnung nicht möglich ist, da der Tatbestand an den Ort des Nutzers anknüpft und dabei örtliche Faktoren, die das Digitalunternehmen schafft, außer Acht lässt.
V. Praktikabilität Ein Steuertatbestand ist nur dann gerecht, wenn er auch praktikabel ist.160 Es ist daher sicherzustellen, dass der jeweilige Reformvorschlag bei einer Umsetzung in der Lage ist, auch tatsächlich eine Verbesserung der festgestellten Problemlage herbeizuführen. Dafür muss er zu einem tatsächlichen Belastungserfolg beim
157
Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Art. 2, S. 28. Vgl. Luther/Vail, MwStR 2019, S. 896 (900). 159 So jedenfalls Luther/Vail, MwStR 2019, S. 896 (900). 160 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 348; vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 118 Rz. 267; vgl. Locher, in: FS Höhn, S. 189 (190 ff.). 158
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Steuerpflichtigen führen, möglichst simpel anzuwenden sein und sich vor dem Hintergrund der Umsetzungsebene auch als realisierbar darstellen. 1. Tatsächlicher Belastungserfolg Ein tatsächlicher Belastungserfolg ergibt sich, wenn die Durchführbarkeit des Besteuerungsverfahrens in allen Phasen gewährleistet ist. Der Tatbestand der Regelung muss für den Steuerpflichtigen anwendbar und für die Steuerbehörden überprüfbar sein. Anschließend muss sichergestellt sein, dass der, sich daraus ergebenden Steueranspruch zur Not auch zwangsweise durchsetzbar ist. a) Anwendbarkeit des Tatbestandes Die Digitalsteuer zeichnet sich dadurch aus, dass sie außerhalb des vorhandenen Ertragssteuersystems ein in sich geschlossenes Sondersteuerregime begründet, welches spezifische Digitalleistungen anhand der aus ihnen erzielten Bruttoerträgen besteuert. Diese Schlichtheit der Regelung kann ihr im Hinblick auf die Simplizität der Anwendbarkeit zum Vorteil gereichen. So ist der Steuerpflichtige zwar auch i. R. d. Digitalsteuer mit einer Steuererklärungspflicht belastet.161 Diese Mitwirkungspflicht erscheint jedoch im Vergleich mit bestehenden Steuererklärungspflichten, bspw. bei er Körperschaft- oder Umsatzsteuer, als wesentlich weniger belastend und damit keineswegs unverhältnismäßig. Während bei der allgemeinen Ertragsteuer die Einhaltung komplexer Bewertungs- und Bilanzierungsregeln und bei der Umsatzsteuer die Berücksichtigung des Vorsteuerabzugs erforderlich sind, kann die Digitalsteuerlast anhand weniger Parameter bestimmt werden. Auch komplizierte Gewinnverteilungsmechanismen, wie sie im Zusammenhang mit der Schaffung eines digitalen inländischen Anknüpfungsmerkmals i. R. d. allgemeinen Ertragsteuern erforderlich wären,162 sind nicht nötig. Für das Digitalunternehmen genügt die Kenntnis der Erträge aus den digitalen Dienstleistungen, die Standorte seiner Nutzer und der Zusammenhang zwischen dem jeweiligen Ertrag und der Nutzerbeteiligung zur Ermittlung der Steuer. Diese begrenzten Parameter erscheinen in einem einheitlichen Unternehmen als leicht ermittelbar. Bei genauerer und realitätsnäherer Betrachtung können der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen jedoch Hindernisse entgegenstehen. Regelmäßig erbringen große Digitalkonzerne ihre Leistungen nicht einheitlich, sondern in mehrstufigen Prozessen. Diese Leistungsketten führen dazu, dass der Digitalsteuerpflichtige nicht zwangsläufig ohne Weiteres Zugang zu sämtlichen besteuerungsrelevanten Informationen hat; häufig sind gerade die wichtigen Nutzerstandortsin-
161 Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Art. 14, S. 36; § 5 Abs. 1 DiStG (Österreich); Art. 300 Abs. 1 CGI (Frankreich), vgl. dazu Walter, DK 2019, S. 389 (390). 162 S. o. Kapitel 4: B.V.4. Folgefrage: Anpassung der Einkünftezuordnungsregeln, S. 186.
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
formationen nicht unmittelbar verfügbar.163 Die unternehmerischen Strukturen zur Erfüllung der steuerrechtlichen Erklärungspflicht müssen damit erst proaktiv geschaffen werden. Dies bedeutet, dass die Anwendbarkeit des Tatbestandes dann recht unproblematisch gewährleistet werden kann, wenn der Steuerpflichtige sich bereits vor dem Eintritt einer Steuerpflicht164 – sei es vor der Einführung einer entsprechenden Steuer oder vor dem Überschreiten der Schwellenwerte – um die reibungslose Informationsbeschaffung hinsichtlich seiner Digitalleistungen bemüht und entsprechende Strukturen schafft. Zu berücksichtigen ist dabei, dass ein Digitalunternehmen nicht nur die Bestimmungen seiner Ansässigkeits- und seiner Quellenstaaten, sondern auch seiner Nutzerdestinationen im Blick behalten muss. Daneben sind vorhandene datenschutzrechtliche Bestimmungen im Hinblick auf die Nutzerdaten zu berücksichtigen. Das Erheben, Speichern und Vorhalten dieser Daten (insb. der Nutzerstandorte) unterliegt dem strengen Reglement der DSGVO.165 Dürfen erforderliche Nutzerdaten i. R. d. Wertschöpfungsprozesses nicht weitergegeben werden oder werden erhobene Daten zu kurz gespeichert,166 droht die Unmöglichkeit einer sachgerechten Digitalsteuerermittlung. U. U. müssen entsprechende Regeln angepasst oder erforderliche Zustimmungen eingeholt werden. Gleichwohl erscheint eine Anwendung des Tatbestandes nach Überwindung der genannten Hindernisse unkompliziert. Die Subsumtion unter den Tatbestand ist simpel und durch die hohen Schwellenwerte werden zunächst nur wenige große Unternehmen betroffen sein, deren steuerjuristische Berater ausreichende Kenntnisse mitbringen, um die Vorgaben zu erfüllen. Auf der anderen Seite ist damit auch eine Überlastung der Finanzverwaltung nicht zu erwarten. b) Überprüfbarkeit der Besteuerungsgrundlagen Nach Anwendung des Steuergesetzes muss die Finanzverwaltung prüfen können, ob die, durch den Steuerpflichtigen erklärten Tatsachen der Wahrheit entsprechen. Vorteil der Digitalsteuerlösung ist dabei der geringe Umfang der benötigten Informationen. Während bei der Nexuslösung die Prüfung und damit der Zugang zu den Büchern des Digitalunternehmens erforderlich ist, genügt für die Digitalsteuer die Zugänglichmachung weniger Tatsachen. Kann der besteuernde Staat die Vergütungen für Digitalleistungen, die Nutzerstandorte und den Zusammenhang zwischen beiden Komponenten einsehen, genügt dies weitgehend zur Überprüfung der erklärten Besteuerungsgrundlagen. Zwar sinkt damit der Umfang des Informationsbedürfnisses der Finanzverwaltung immens, jedoch gestaltet sich der Zugriff auf die genannten Informationen vor dem Hintergrund ihres jeweiligen Standortes schwierig. Der besteuernde Staat hat aufgrund des Territorialitätsprinzips ohne die 163 164 165 166
Luther/Vail, MwStR 2019, S. 896 (901). Luther/Vail, MwStR 2019, S. 896 (899 f.). Zur Datenschutzproblematik: Spilker, DK 2019, S. 385 (388 f.). Vgl. Luther/Vail, MwStR 2019, S. 896 (901).
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Mitwirkung des Steuerpflichtigen und ohne die Amtshilfe anderer Staaten lediglich Zugriff auf die im Inland belegenen Informationen.167 Während es sich bei der Anzahl der Nutzer aus Perspektive des Marktstaats um eine derartige inländische Tatsache handelt, befinden sich die Informationen über die Höhe und den Bezug der Umsätze im Ansässigkeits- und im Quellenstaat. Ein Zugriff des Digitalsteuerfiskus ist daher nur über ein Amtshilfeverfahren oder eine Verpflichtung des Steuerpflichtigen selbst möglich. Zusätzliche Instrumente zur Informationsbeschaffung sind regelmäßig nicht vorgesehen.168 Jedoch könnte die Schätzung als Sanktion für fehlende Kooperation fruchtbar gemacht werden;169 ein entsprechendes Instrument bietet § 162 AO. Auch für die Überprüfung des Steuersachverhalts können darüber hinaus datenschutzrechtliche Vorgaben problematisch sein. So steht das Interesse des Steuerstaates an der Bereithaltung von Informationen in Konflikt mit dem Datenschutzinteresse der Nutzer. Werden Nutzerdaten deshalb lediglich anonymisiert und nur eingeschränkt gespeichert,170 so kann es sein, dass eine Sichtung dieser Daten zur Überprüfung der Steuerfestsetzung nicht möglich ist oder zu keiner sicheren Verifizierung des erklärten Sachverhalts beiträgt. c) Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs Zuletzt muss der festgesetzte Steueranspruch effizient und rechtsstaatlich durchsetzbar sein. Da auch die Digitalsteuer dort einen Steueranspruch begründet, wo nicht zwangsläufig Haftungssubstrat des Steuerpflichtigen belegen ist, stellen sich im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit im Wesentlichen dieselben Fragen wie bei der Nexuslösung.171 Auch ihr Vollzug erfordert nach der bisherigen Regelungslage die Amtshilfe der Ansässigkeitsstaaten, um eine flächendeckende Durchsetzung festgesetzter Steueransprüche sicherzustellen. Allerdings bestehen einige Vorschläge, die die Verbesserung dieses Problems betreffen. Zum einen wird ein Quellensteuerabzug diskutiert. Problematisch erscheint hierbei allerdings, dass auch Endverbraucher Vergütungsschuldner i. R. von digitalen Geschäftsmodellen sein können. Diesen ist ein Steuerabzug für Rechnung des Digitalunternehmens nicht zuzumuten, da ihnen die Funktionsweise entsprechender Abführungspraktiken fremd ist.172 Schränkt man die Abzugsverpflichtung auf un167
S. o. Kapitel 3: B.V.1.b) Überprüfbarkeit der Besteuerungsgrundlagen, S. 134. Zu möglichen Maßnahmen i. R. d. Anspruchsdurchsetzung: s. u. Kapitel 5: B.V.1.c) Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs, S. 231. 169 So praktiziert in Frankreich: Luther/Vail, MwStR 2019, S. 896 (899). 170 Zur Datenschutzproblematik: Spilker, DK 2019, S. 385 (388 f.); Luther/Vail, MwStR 2019, S. 896 (901). 171 S. o. Kapitel 4: B.V.1.c) Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs, S. 178. 172 S. o. Kofler/Mayr/Schlager, BB 2017, S. 1815 (1816); Brauner/Baez, Withholding Taxes in the Service od BEPS Action 1, S. 12 ff. 168
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
ternehmerische Vergütungsschuldner ein – was im Hinblick auf den hohen Anteil an B2B-Geschäften gangbar erscheint173 –, so ergibt sich hingegen ein anderes Problem: Die Steuerabzugsverpflichtung betrifft dann nämlich nicht zwangsläufig ein Unternehmen, das im Marktstaat ansässig ist. Vielmehr werden auch ausländische Unternehmen zu Steuerentrichtungsschuldnern. Von diesen kann einerseits nicht verlangt werden, dass sie für jeden Marktstaatenkontakt, den ihr Gläubiger vollzieht, einzeln Steuern abführen; insoweit fehlt es dem Schuldnerunternehmen womöglich sogar an den erforderlichen Informationen über die Nutzerstandorte. Andererseits erscheint auch eine umsatzsteuerähnliche One-Stop-Regelung problematisch. Diese wäre nur tragfähig, wenn sämtliche Staaten eine Digitalsteuer einführen würden. Zudem würde sich das Problem der Steuerertragsverteilung dadurch vom Vergütungsschuldner auf die Ebene der Staaten verlegen. Eine andere – bereits praktizierte – Möglichkeit stellt die verpflichtende Bestellung eines akkreditierten steuerlichen Vertreters im Marktstaat dar, der sich um die Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Unternehmens kümmert und gleichzeitig als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden kann, wenn der Steuerpflichtige seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt.174 Zwar ist durch diese Regelung letztlich nicht sichergestellt, dass das jeweilige Digitalunternehmen dem Vertreter die erforderlichen Informationen bereitstellt, mit ihm kooperiert oder überhaupt einen solchen bestellt. Jedoch darf erwartet werden, dass gerade die betroffenen Großkonzerne aufgrund ihrer weitreichenden Aktivitäten innerhalb der Europäischen Union versucht sein werden, sich möglichst compliant zu verhalten. Im Hinblick auf den Besteuerungsprozess würde ein Vertreter auch für die Finanzverwaltung einiges erleichtern. Dies gilt sowohl für die Steuerfestsetzung vor dem Hintergrund der Kooperationsmaxime als auch für die anschließende Durchsetzung des Steueranspruchs mithilfe des hinzutretenden Haftungsschuldners. Allerdings müsste der Gesetzgeber den normativen Rahmen für ein solches Institut schaffen. Gerade im Hinblick auf die Haftungsschuldnerschaft bedarf es genauer gesetzlicher Vorgaben. 2. Komplexität Das Regelungskonzept der Digitalsteuer ist offensichtlich in seinem Grundgerüst sehr simpel: Auf die Einnahmen aus bestimmten Digitalleistungen wird eine Steuer von drei Prozent erhoben, soweit der Steuerpflichtige bestimmte Umsatzgrenzwerte überschreitet. Dennoch gilt es zu beachten, dass es sich um eine völlig neue und im Vergleich zu den bestehenden Steuern andersartige Regelung handelt, für die seitens der Steuerpflichtigen, der Finanzverwaltung und der Gerichtsbarkeit keine Grundsätze oder Erfahrungswerte bestehen.175 Eine solche ist regelmäßig dann handhabbar, 173 174 175
Brauner/Baez, Withholding Taxes in the Service od BEPS Action 1, S. 17. Vgl. Art. 300 Abs. 4 CGI (Frankreich), vgl. Walter, DK 2019, S. 389 (390). Vgl. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation, Rz. 407.
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wenn sie Prinzipien enthält, die Leitlinien der Gesetzesanwendung vorgeben und sie sich eines gewissen Maßes an Typisierung bedient, sodass die Sachverhaltsermittlung und -subsumtion zügiger erfolgen kann.176 Wie gut sich einem Regelungskonzept Prinzipien zur Auslegung entnehmen lassen, richtet sich am Zutagetreten der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung aus. Dass der Gesetzgeber bei der Digitalsteuer mit einem Katalog erfasster Digitaldienstleistungen eher eine Kleinteiligkeit als eine Prinzipiengebundenheit des Gesetzes erreicht, wurde bereits dargestellt.177 Zwar sind derzeit die betroffenen Geschäftsmodelle unproblematisch bestimmbar. Atypische Konstellationen, die in Zukunft aufgrund der Vielseitigkeit und Innovationskraft der Digitalbranche zu erwarten sind, könnten jedoch nicht unter den Tatbestand fallen. Auch vor dem Hintergrund aktuell vorhandener Unternehmenskonzepte erscheint die Bestimmung der Digitalsteuerpflicht nicht immer eindeutig. So bieten digitale Großkonzerne bereits jetzt Leistungen an, die über die erfassten Digitalleistungen hinausgehen. Da beide Leistungsarten dennoch häufig miteinander verknüpft sind und i. R. einer Gesamtleistung angeboten werden, kann die Abgrenzung der digitalsteuerpflichtigen Einnahmen im Einzelfall komplex sein.178 Auch hierbei hilft die fehlende Prinzipiengebundenheit nicht. Stattdessen typisiert das Regelungskonzept der Digitalsteuer in zweierlei Hinsicht stark: Erstens geht es davon aus, dass gerade die drei genannten digitalen Geschäftskonzepte einer zu niedrigen Gesamtsteuerquote im Vergleich zu anderen Gewerbebetrieben unterliegen. Dies ergibt sich aus dem spezifischen Zuschnitt des Tatbestandes.179 Zweitens nimmt es an, dass jedes Unternehmen, das unter die Regelung fällt, mit einer deutlich positiven Umsatzrendite arbeitet, aus der die Steuer abgeführt werden kann. Abgeleitet werden kann dies aus der Zielrichtung als Sonderertragssteuer in Zusammenschau mit dem gewählten Bruttosteuerkonzept.180 Diese starke Typisierung führt dazu, dass das Problem um die Minderbesteuerung digitaler Geschäftsmodelle in den einschlägigen Fällen ohne Veränderungen im vorhandenen Steuersystem zügig und ressourcenschonend behoben wird. Allerdings tritt das Interesse an einer simplen Regelung ins Spannungsfeld zur Besteuerung anhand der geltenden Grundsätze der Ertragsbesteuerung. Mit der Typisierung geht zwar einerseits ein Gewinn an Praktikabilität einher, der ein legitimes Ziel bei der Normsetzung im Steuerrecht darstellt. Dieser Vorteil darf jedoch gegenüber dem miteinhergehenden Verlust an Einzelfallgerechtigkeit nicht unangemessen sein.181 Dem Steuergesetzgeber kommt hier grds. eine Einschätzungsprärogative zu. Diese 176
S. o. Kapitel 3: B.V.2. Komplexität, S. 138. S. o. Kapitel 5: B.IV.1. Regelungseigenschaften, S. 225. 178 S. o. Kapitel 5: B.IV.2. Unausweichlichkeit, S. 227. 179 Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, S. 8 ff. 180 Walter, DK 2019, S. 389 (392 f.). 181 Isensee, StuW 1994, S. 3 (10); Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 350; s. o. Kapitel 3: B.V.2. Komplexität, S. 138. 177
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
reicht jedoch nur soweit, wie sie die verfassungsrechtlichen Vorgaben vor dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewähren. Es spricht vieles dafür, dass dieser Spielraum hier überschritten ist. So führt die Typisierung im Katalogtatbestand dazu, dass einige Geschäftsmodelle, bei denen dieselben Steuersparoptionen bestehen, nicht von der Digitalsteuer erfasst werden. Dies widerspricht dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Gleichzeitig geht mit der Bruttosteuereigenschaft ein Widerspruch mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip und u. U. auch dem Prinzip der eigentumsschonenden Besteuerung einher.182 Diese Gerechtigkeitseinbußen können – auch bei Berücksichtigung des ehrenwerten Ziels der Digitalsteuer und deren Simplizität – nicht hingenommen werden. 3. Realisierbarkeit Die Realisierbarkeit des Reformentwurfs ist dreistufig zu prüfen: Zunächst ist festzustellen, welche Umsetzungsebene für den Vorschlag vorgesehen ist, sodass die Verbesserung der Problemlage auch eintreten kann. Anschließend sind die Voraussetzungen zu erörtern, die auf dieser Ebene für eine Umsetzung in geltendes Recht erforderlich sind. Zuletzt ist zu betrachten, inwieweit die Erfüllung dieser Voraussetzungen wahrscheinlich erscheint.183 Anders als der Ansatz zur Änderung der inländischen Anknüpfungsmerkmale i. R. d. allgemeinen Ertragsteuern184 und der Vorschlag zur globalen Mindestbesteuerung185, zielt die Digitalsteuer gerade nicht auf eine internationale – möglichst weltweite – Umsetzung ab. Vielmehr handelt es sich um eine Übergangslösung, die zumeist auf nationaler Ebene diskutiert wird, zu welcher aber auch die Europäische Union bereits einen Vorschlag186 vorgelegt hat. Insoweit beschränkt sich die Erörterung auf diese beiden Ebenen. a) Umsetzungsebene Setzt man die Digitalsteuer lediglich auf nationaler Ebene um, so beschränkt sich ihr Anwendungsbereich auf das Inland. Gleichwohl wurde die Internationalität des identifizierten Problems beim Entwurf der Regelung mitbedacht, sodass trotz des begrenzten Anwendungsbereichs eine Wirkung auch für ausländische Digitalunternehmen eintritt, die mit inländischen Nutzern in Kontakt treten. Dies ist möglich, da die Steuer separat neben dem vorhandenen Ertragsteuersystem steht und damit nicht dessen steuersubjektszentrierter Systematik mit beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht unterliegt. Zudem wird die Wirkung der Digitalsteuer nicht 182 183 184 185 186
S. o. Kapitel 5: B.III.1.b) Materielle Verfassungsmäßigkeit, S. 220. Zum Vorgehen: s. o. Kapitel 3: B.V.3. Realisierbarkeit, S. 140. S. o. Kapitel 4: Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung, S. 149. S. u. Kapitel 6: Globale Mindestbesteuerung, S. 242. EU-Kommission, COM(2018) 148 final.
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durch die bestehenden ertragsteuerlichen DBA konterkariert, da sie nicht unter deren sachlichen Anwendungsbereich fällt.187 Die Digitalsteuer eignet sich auch deshalb zur Einführung auf nationaler Ebene, weil sie das identifizierte internationale Problem bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle nicht beseitigt, sondern stattdessen eine Kompensation der Minderbesteuerung anstrebt. Sie greift dafür nicht in das empfindliche System der Zuweisung von Besteuerungsrechten auf zwischenstaatlicher Ebene ein, sondern führt eine separate zusätzliche Abgabe auf nationaler Ebene ein, die – juristisch betrachtet – keiner Absprache mit anderen Staaten bedarf. Daraus ergibt sich auch der häufig attestierte Charakter als „Quick Fix“-Lösung.188 Einerseits kann die Digitalsteuer, anders als die anderen Lösungen, zügig auf nationaler Ebene eingeführt und erhoben werden. Andererseits bringt diese schnelle Problemlösung erhebliche Nachteile in Sachen Gerechtigkeit und Systematik mit sich. Gleichzeitig muss damit gerechnet werden, dass sich mehrere Staaten zur Einführung einer Digitalsteuer entschließen werden.189 Aufgrund divergierender politischer Ansichten ist dabei zu erwarten, dass der Tatbestand der einzelnen nationalen Steuern unterschiedlich zugeschnitten wird. Damit droht ein zersplittertes Digitalsteuerkonvolut aus unterschiedlichsten Detailregelungen, das v. a. zu Rechtsunsicherheit führt. Dies wäre bei einer Einführung auf europäischer Ebene bereits anders. Zum einen ergäbe sich damit eine harmonisierte Rechtslage innerhalb des europäischen Binnenmarktes. Zum anderen wäre die Digitalsteuer aufgrund des wirtschaftlichen Gewichts der Europäischen Union auch nach außen hin stärker abgesichert als bei einer bloßen nationalen Umsetzung; z. B. ist mit mehr Zurückhaltung bei Handelssanktionen durch andere Länder zu rechnen.190 Gleichzeitig entschärft sich bei einer europäischen Lösung die skizzierte Durchsetzungsproblematik191 immens. Mithilfe einer formalisierten Kooperation, die Eingang in die europäische Richtlinie zur Einführung der Digitalsteuer finden muss, steht das gesamte Unionsgebiet als Territorium zur unkomplizierten Vollstreckung der entstehenden Steueransprüche zur Verfügung. Entsprechende Mechanismen sind von der Umsatzsteuer als vollharmonisierten Umsatzsteuer bekannt (sog. Mini-One-Stop-Shop-Regelung). b) Umsetzungsvoraussetzungen Vorteil einer Umsetzung auf nationaler Ebene ist die Entbehrlichkeit eines internationalen Konsenses. Eine Koordination der Interessen auf internationaler Ebene 187
S. o. Kapitel 5: B.I.2.a) Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen, S. 202. Kofler/Mayr/Schlager, ET 2017, S. 523; Fritz/Schanz/Siegel, IStR 2018, S. 853 (857); Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, Monatsbericht des BMF Januar 2019, S. 13 (14). 189 Überblick bei Keuper, BB 2020, S. 407 (Teil I), S. 471 (Teil II). 190 Entsprechende Sanktionen kündigten die USA bspw. ggü. Frankreich an, vgl. Walter, DK 2019, S. 389 (393). 191 S. o. Kapitel 5: B.V.1.c) Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs, S. 231. 188
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Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
ist demnach nicht erforderlich. Vielmehr ist lediglich ein innerstaatlicher Beschluss des Steuergesetzes erforderlich. Allerdings ist der Einführung dort eine hohe Hürde gesetzt. Da sich die Digitalsteuer nicht unter den bestehenden Kompetenzkatalog in Art. 105, 106 GG einordnen lässt, muss eine entsprechende Kompetenz erst durch eine Grundgesetzänderung geschaffen werden.192 Dies setzt in Bezug auf die Qualität der Rechtsänderung und die Quantität der erforderlichen Zustimmungen durch Mandatsträger hohe Hürden. So verfügen die Regierungsfraktionen regelmäßig über eine einfache Mehrheit im Bundestag. Für die Änderung des Grundgesetzes ist jedoch gemäß Art. 79 Abs. 2 GG die Zustimmung von je zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und des Bundesrates erforderlich. Damit müssen sowohl Teile der politischen Opposition im Bundestag als auch eine erhebliche Anzahl der Länderdelegierten im Bundesrat nicht nur von der Einführung der Digitalsteuer, sondern auch von der Änderung der Verfassung überzeugt werden. Somit sind die Hürden für die innerstaatliche Rechtssetzung hoch, die Beteiligung anderer Rechtssetzungsoder Koordinierungsebenen ist hingegen nicht erforderlich. Weitaus komplexer gestaltet sich dies auf europäischer Ebene. Zwar bietet die Europäische Union als supranationales Konstrukt einen geordneten Rahmen für die Rechtssetzung und ermöglicht durch die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der erlassenen Richtlinien eine flächendeckende und effektive Einführung der Steuer. Jedoch muss der Union aufgrund des Grundsatzes der beschränkten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 S. 1 EUV) überhaupt eine Rechtssetzungskompetenz durch die Mitgliedstaaten übertragen worden sein. Hierfür kommen Art. 113 AEUV als ausdrücklicher Kompetenztitel für Umsatz-, Verbrauch- und sonstige indirekte Steuern und Art. 115 AEUV als allgemeine Binnenmarktkompetenz in Betracht. Die Europäische Kommission stellt bei ihrem Richtlinienvorschlag ohne weitere Erörterung auf Art. 113 AEUV als Kompetenztitel ab.193 Und tatsächlich erscheint die Einordnung der Digitalsteuer aufgrund der Bemessung der Steuer an den digitalen Umsätzen194 als „Umsatzsteuer“ i. S. d. Art. 113 AEUV nicht von vornherein abwegig. Jedoch bedarf es zur Abgrenzung der beiden Kompetenztitel einer eingehenderen Betrachtung. Der AEUV nennt in seinem Art. 113 die „Umsatzsteuern“ im Plural, was im Gegensatz zur grundgesetzlichen singulären Formulierung in Art. 105 Abs. 2 S. 2, 106 Abs. 3 S. 1 GG („die Umsatzsteuer“) für die Gesetzgebungskompetenz über alle Steuern, die sich am Umsatz bemessen, spricht. Jedoch gewährt Art. 113 AEUV dem EU-Gesetzgeber die Regelungskompetenz nur für indirekte Steuern, wie sich aus dem Abschluss der tatbestandsmäßigen Aufzählung („und sonstige indirekte Steuern“) ergibt.195 Somit ist die Indirektheit der 192
S. o. Kapitel 5: B.III.1.a) Formelle Verfassungsmäßigkeit, S. 217. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, S. 5, 17. 194 EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Art. 3 Nr. 2, S. 29. 195 So wäre der Begriff „sonstige“ obsolet, wenn lediglich neben Umsatz- und Verbrauchsteuern auch indirekte Steuern Art. 113 AEUV unterfallen. Dass das Wort im Tatbestand enthalten ist zeigt, dass zwar sämtliche indirekte Steuern, jedoch keine direkten Steuern dem Kompetenztitel unterfallen. 193
B. Anwendung des Prüfprogramms
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Steuer als maßgebliches Abgrenzungskriterium zwischen Art. 113 AEUV und Art. 115 AEUV anzusehen.196 Eine indirekte Steuer liegt vor, wenn der Steuerschuldner nicht wirtschaftlicher Träger der Steuerlast sein soll, sie also auf Überwälzung angelegt ist. Dagegen ist eine Besteuerung als direkt anzusehen, wenn sie vom Steuerschuldner selbst getragen wird.197 Eine Abwälzung der Digitalsteuer auf den Nutzer ist im Richtlinienvorschlag nicht vorgesehen und mit der Systematik der Steuer nicht zu erreichen.198 Vielmehr soll die Digitalsteuer gerade dazu geschaffen werden, die aufgrund möglicher Steuergestaltungen ausfallende Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer zu ersetzen.199 Im Ergebnis ist die Digitalsteuer demnach keine indirekte Steuer, sondern eine direkte Steuer, deren europäische Kompetenzgrundlage in Art. 115 AEUV und nicht in Art. 113 AEUV zu erkennen ist.200 Art. 115 AEUV ermöglich den Erlass von Richtlinien, wenn sich deren Inhalt unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Binnenmarkts auswirkt. Dies kann aufgrund der drohenden Rechtszersplitterung und der damit einhergehenden Fragmentierung des Binnenmarktes201 angenommen werden. Der starke Eingriff in die Wirtschaftlichkeit digitaler Geschäftsmodelle durch die Bruttosteuerwirkung und die zielgenauen Tatbestände sind in der Lage, die Wettbewerbsfähigkeit der Union im digitalen Sektor insgesamt zu beeinträchtigen.202 Daher kann der Rat eine Digitalsteuerrichtlinie einstimmig und in einem besonderen Gesetzgebungsverfahren nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses erlassen.203 Zu beachten ist, dass dieses Einstimmigkeitserfordernis im Rat auch für eine spätere Abschaffung oder Abänderung der
196
Seiler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 113 AEUV Rz. 22 ff.; Kamann, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 113 AEUV Rz. 5; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 4.66 ff.; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 868 ff.; Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 46. 197 Seiler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 113 AEUV Rz. 23; Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 46. 198 EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Art. 3 Nr. 1, S. 28 spricht explizit von „aus der Erbringung jeder der folgenden Dienstleistungen durch einen Rechtsträger erwirtschafteten Erträge[n]“; zur Abwälzung durch Erhebung von Nutzerdaten als Gegenleistung: Brauneck, EuZW 2018, S. 624 (627). 199 EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Erwägungsgrund 7, S. 18 f.; Valta, IStR 2018, S. 765 (766). 200 So auch: Valta, IStR 2018, S: 765 (767); Brauneck, EuZW 2018, S. 624 (628); Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, Monatsbericht des BMF Januar 2019, S. 13 (15); Haslehner, EU/WTO Law Limits on Digital Business Taxation, S. 29, 38 ff.; Graßl/Koch, IStR 2020, S. 645 (649); 201 Vgl. EU-Kommission, COM(2018) 148 final, Erwägungsgrund 6, S. 18. 202 Zustimmend: Valta, IStR 2018, S. 765 (768); skeptisch: Brauneck, EuZW 2018, S. 624 (628 f.). 203 Das Gesetzgebungsverfahren unterscheidet sich nicht zum Verfahren bei indirekten Steuern nach Art. 113 AEUV.
238
Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
Digitalsteuer erforderlich ist,204 was aufgrund des engen Tatbestandes oder internationalen Entwicklungen eine Rolle spielen könnte. c) Umsetzungswahrscheinlichkeit Klarer Vorteil einer Einführung der Digitalsteuer auf nationaler Ebene ist das Wegfallen sämtlicher internationaler Koordinierungserfordernisse. Ohne diese Beteiligung anderer Staaten entfallen entscheidende Hürden zur Einführung einer effektiven Regelung. Die Quantität an Zustimmungserfordernissen sinkt. Dennoch ist die innerstaatliche Intensität der erforderlichen Maßnahmen zur Einführung des Regelungskonzeptes nicht zu unterschätzen. Da eine Grundgesetzänderung erforderlich ist, sind nicht nur die beschriebenen erhöhten Zustimmungserfordernisse in Bundestag und Bundesrat zu beachten.205 Darüber hinaus muss die Hemmung der Legislative im Hinblick auf die Änderung des Grundgesetzes zur Einführung einer zusätzlichen Steuer berücksichtigt werden, insbesondere weil mit der Digitalsteuer erhebliche Nachteile einhergehen, die auch der Gesetzgeber in seinem Entscheidungsprozess berücksichtigen muss. Rein national betrachtet steigen daher die Anforderungen an Quantität und Qualität der erforderlichen Zustimmungen verantwortlicher Mandatsträger. Gleichwohl ergibt sich im Vergleich zu einer internationalen Lösung eine homogenere Gruppe an Verantwortlichen für die Einführung der Steuer, deren Interessen überdies gleichgerichteter sein dürften. So werden grds. alle innerstaatlichen Beteiligten ein Interesse an der sachgerechten Besteuerung von Digitalunternehmen haben, wenngleich unterschiedliche Meinungen über die Umsetzung bestehen dürften. Zudem ist zu erwarten, dass der deutsche Gesetzgeber auch durch die bereits erfolgende Einführung der Digitalsteuer in anderen Ländern unter Druck gerät. Anderes gilt für eine europäische Umsetzung der Digitalsteuer. Zwar ist auch auf dieser Ebene faktisch nur ein Beschluss des Rats der Europäischen Union erforderlich; eine Umsetzung des europäischen Rechts in nationales Recht ist für die Mitgliedstaaten verpflichtend. Jedoch sind die qualitativen und quantitativen Hürden zur Einführung weitaus höher. Einerseits sind v. a. die wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten weitaus diverser. Andererseits ist ein einstimmiger Beschluss durch sämtliche Ländervertreter im Rat erforderlich. Daneben lassen die gleich hohen Anforderungen an eine Aufhebung der eingeführten Digitalsteuer eine Zementierung der Rechtslage befürchten und führen so zu zusätzlicher Skepsis der Mitgliedstaaten gegenüber der Regelung auf EU-Ebene. Die Einführung der Digitalsteuer ist bereits einmal gescheitert.206 204
Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, Monatsbericht des BMF Januar 2019, S. 13 (14) mit Hinweis auf Befristungsmöglichkeit. 205 S. o. Kapitel 5: B.V.3.b) Umsetzungsvoraussetzungen, S. 235. 206 Vgl. Rat der Europäischen Union, Ergebnisse der 3678. Ratstagung vom 12. 03. 2019, Dok. Nr. 7368/19, S. 6.
B. Anwendung des Prüfprogramms
239
4. Zwischenfazit Während die Digitalsteuer auf den ersten Blick als praktikable und simple kurzfristige Lösung erscheint, wurde festgestellt, dass dies nicht uneingeschränkt stimmt. Die Anwendbarkeit des Tatbestandes ist, bis auf kleinere Hürden beim Datenschutz oder den Informationsstandorten, gewährleistet und recht simpel. Vorteilhaft für die Überprüfbarkeit für die Steuerbehörden ist, dass keine Auswertung der gesamten Bücher erforderlich ist, sondern der Zugriff auf einzelne Informationen genügt. Dass sich diese Informationen häufig im Ausland befinden ist dabei problematisch. Die Durchsetzbarkeit begegnet den grundlegenden Problemen der extraterritorialen Anspruchsdurchsetzung. Ein Quellensteuerabzug verschiebt das Problem lediglich, die Abhilfe durch Einführung eines verpflichtenden akkreditierten steuerlichen Vertreters und Haftungsschuldners für Ausländer kann die Situation u. U. verbessern, bedarf aber weiterer Ausarbeitung. Grundlegend profitiert die Digitalsteuer im Hinblick auf ihre Komplexität von ihrer einfachen Struktur. Allerdings ist die Regelung anhand der Katalogtatbestände kleinteilig geraten und lässt so nicht auf eine konkrete Belastungsentscheidung schließen, die die Auslegbarkeit verbessern würde. Auch wirkt die Digitalsteuer in Bezug auf die betroffenen Geschäftsmodelle und die Höhe deren Umsatzrenditen stark typisierend. Der Wille, dadurch eine simple Regelung zu schaffen, steht außer Verhältnis zum Verlust an Einzelfallgerechtigkeit. Eine Realisierung der Digitalsteuer ist grds. auf nationaler und europäischer Ebene denkbar. Vorteil einer nationalen Umsetzung ist das entfallende Erfordernis des internationalen Konsenses. Da allerdings eine Grundgesetzänderung zur Einführung einer Digitalsteuer erforderlich ist, sind die innerstaatlichen Konsensanforderungen hoch. Gleichzeitig droht im Falle zahlreicher nationaler Alleingänge die Rechtszersplitterung. Für eine Umsetzung auf europäischer Ebene spricht dagegen das Ausbleiben einer derartigen Zersplitterung innerhalb des europäischen Binnenmarktes und erweiterte Möglichkeiten bei der Erhebung und Durchsetzung der Steuer. Dennoch stehen auch einer Einführung auf dieser Ebene erhebliche Hürden entgegen. So ist ein einstimmiger Beschluss für die Einführung, Änderung und Aufhebung der Digitalsteuerrichtlinie erforderlich. Die Interessenslage im Rat der Europäischen Union ist dabei zerstreuter, was das erstmalige Scheitern der digital service tax belegt. Bei isolierter Betrachtung stellt sich die Digitalsteuer damit vergleichsweise praktikabel dar. Der geringere Informationsbedarf im Vergleich zu einer Lösung im bestehenden Ertragsteuermodell trägt der Herbeiführung eines tatsächlichen Belastungserfolges bei. Zudem ist die Steuer auch unabhängig von einem internationalen Konsens auf nationaler Ebene realisierbar, wenngleich eine europäische Lösung im Vergleich Vorteile bietet. In beiden Szenarien bestehen jedoch hohe Hürden in Bezug auf den erforderlichen Konsens der Mandatsträger.
240
Kap. 5: Sondersteuern auf digitale Aktivitäten
VI. Gesamtabwägung Für eine Einführung der Digitalsteuer spricht maßgeblich die vergleichsweise hohe Praktikabilität des Vorschlags. So ist eine Einführung der Steuer durch deren Konzeption auch unabhängig von einem internationalen Konsens lediglich auf nationaler Ebene möglich. Allerdings ist im Grundgesetz kein Kompetenztitel für eine derartige Steuer vorgesehen, sodass eine Verfassungsänderung für ihre Einführung erforderlich wäre. Jedoch zeichnet sich die Digitalsteuer durch eine simple Regelungsstruktur und ein – im Vergleich zur Marktnexuslösung – geringeres Informationsbedürfnis aus. Daneben tritt bei Einführung der Digitalsteuer eine effektive Verbesserung der identifizierten Problemlage ein. Da die Steuer nicht unter den sachlichen Anwendungsbereich der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen fällt, kann sie ihre Wirkung unbedingt entfalten. Gleichwohl führt das kompensatorische Konzept der Regelung nicht zu einer Beseitigung der bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten, sondern versucht diese nur auszugleichen. Zudem tritt diese Wirkung nur sehr selektiv und in wettbewerbsverzerrender Weise bei Unternehmen mit hohen Digitalumsätzen ein. Gegen die Digitalsteuer spricht v. a. die fehlende dogmatische Legitimität. Da die hybride Ausgestaltung der Digitalsteuer mit umsatz-, verkehr- und ertragsteuerlichen Elementen keine anderen Bewertungsmaßstäbe zulässt, muss sie dem Territorialitäts-, dem Leistungsfähigkeits- und dem Nutzenprinzip entsprechen. Dies ist nicht der Fall. So fehlt es an einem genuine link, der Bruttosteuercharakter führt zu einer Missachtung des objektiven Nettoprinzips und zu einer wirtschaftlichen Doppelbelastung des Steuerpflichtigen und es sind keine signifikanten staatlichen Leistungsangebote des Marktstaats identifizierbar, sodass eine Rechtfertigung des steuerlichen Zugriffs ausscheidet. Gleichzeitig fehlt es an der Kohärenz mit der Rechtsordnung. Zwar ist die Regelung ausreichend bestimmt. Jedoch ist sie in der Lage Belastungen hervorzurufen, die sowohl Art. 3 Abs. 1 GG als auch Art. 14 GG widersprechen. Etwa werden fiktive Einkünfte besteuert, was eine Besteuerung anhand der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausschließt und potentiell eine erdrosselnde Wirkung beinhaltet. Aus europäischer Sicht stehen hingegen keine Einwände entgegen. Auch im Hinblick auf die bestehenden Umgehungsmöglichkeiten überzeugt die Steuer nicht vollends. So führt der enthaltene Tatbestandskatalog und die steuerjuristische Betrachtungsweise für den Moment zur Erzielung der gewünschten Wirkung. Allerdings ist die Regelung auf Maximierung des Steuersubstrates anstatt auf die Erreichung einer sachgerechten Besteuerung gerichtet und lässt darüber hinaus keine klaren Prinzipien erkennen, die in strittigen oder nicht bedachten Fällen Aufschluss über eine Handhabung geben. Beim besprochenen Vorschlag handelt es sich daher um einen Schnellschuss. Mit ihm ist es möglich, zügig einen Ausgleich für die Steuereinnahmen zu schaffen, die dem Fiskus durch die weitreichenden Gestaltungsmöglichkeiten von Digitalunternehmen i. R. d. allgemeinen Ertragsteuern entgehen. Auf den ersten Blick scheinen dabei die Vorteile der Lösung zu überwiegen: Es handelt sich um eine simpel
B. Anwendung des Prüfprogramms
241
strukturierte Regelung, die ohne Abstimmungsprozess mit anderen Staaten eingeführt werden kann. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich dann jedoch, dass dieser pragmatische Ansatz einige Fallstricke mit sich bringt, die das Gelingen einer sachgerechten Besteuerung digitaler Unternehmen verhindern. Der Digitalsteuer, nach der hier besprochenen Konzeption, stehen massive dogmatische und verfassungsrechtliche Einwände entgegen. Diese führen nicht nur zu einer Abwertung des Vorschlags auf theoretischer Ebene. Vielmehr ergeben sich daraus praktische Folgen, wie sie sich beim Debakel um die Kernbrennstoffsteuer gezeigt haben. Soll eine Digitalsteuer eingeführt werden, so müssen wesentliche Grundlagen der Regelung überdacht und verändert werden und eine sorgfältige Überarbeitung stattfinden. Aufgrund der drohenden Rechtszersplitterung und im Interesse eines effektiven Besteuerungsverfahrens ist eine europäische Lösung zu bevorzugen. Insgesamt ist abzuwägen, ob eine pragmatische aber sehr problembehaftete Lösung dem status quo vorzuziehen ist.
Kapitel 6
Globale Mindestbesteuerung Neben den besprochenen Konzepten zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle wurde im Laufe der Diskussion eine Alternative entwickelt, die einen völlig anderen Ansatz verfolgt als die Nexusreform und die Digitalsteuer, die beide eine Verlagerung der Besteuerungsrechte zum Marktstaat hin beinhalten. Das vom Inclusive Framework on BEPS erarbeitete Konzept „GloBE“1 entwickelt die bestehenden CFC rules am Vorbild des US-amerikanischen GILTI-Regimes fort und verfolgt das Ziel einer koordinierten unilateralen Einführung in möglichst vielen Ländern. So soll die Besteuerung von Unternehmensgewinnen zu einem bestimmten effektiven Mindeststeuersatz global abgesichert und der internationale Steuerwettbewerb (sog. „race to the bottom“) nach unten hin begrenzt werden.2
A. Inhalt des Regelungsansatzes Das Konzept der Mindestbesteuerung ist in einigen Bereichen bereits bekannt und hat sich dort zur Vermeidung von Minderbesteuerung und schädlichem Steuerwettbewerb zwischen den Hoheitsträgern bereits bewährt. Entsprechende Regelungen sind auf allen möglichen Ebenen zu finden. So sind bspw. die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Art. 97, 99 Abs. 1 MwStSystRL im Bereich der Mehrwertsteuern zur Erhebung von Mindeststeuersätzen i. H. v. 15 bzw. fünf Prozent verpflichtet. Auch im Bereich der Ertragsteuern lassen sich Beispiele finden: §§ 1, 16 Abs. 4 S. 2 GewStG beschränkt das aus Art. 28 Abs. 2 S. 3, 106 Abs. 6 S. 2 GG resultierende Hebesatzrecht der Gemeinden und verpflichtet diese zur Bestimmung eines Mindestgewerbesteuerhebesatzes i. H. v. 200 %. Die beiden genannten Regelungen begrenzen die Regelungsmacht der untergeordneten Normgeber direkt und führen damit eine Beschränkung des als schädlich identifizierten steuerlichen Wettbewerbs herbei.3
1
OECD, Blueprint for Pillar II. Röder, StuW 2020, S. 35 (37 f.). 3 Vgl. Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. 11. 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, Erwägungsgrund 29; BT-Drucks. 15/481, S. 16; Röder, StuW 2020, S. 35 (36). 2
A. Inhalt des Regelungsansatzes
243
Die entsprechende Abstimmung eines flächendeckenden Mindestertragsteuersatzes auf multilateraler Ebene ist nicht erreichbar.4 Staaten, die seit Jahren mit niedrigen oder gar keinen Steuern und günstigen gesellschaftsrechtlichen Bedingungen die Ansiedlung von Kapitalgesellschaften auf ihrem Territorium fördern und so den schädlichen internationalen Steuerwettbewerb ermöglichen und perpetuieren, werden sich sicherlich nicht freiwillig einem Mindestbesteuerungsregime unterwerfen. Die Sicherstellung einer Mindestbesteuerung durch direkte freiwillige Verpflichtung sämtlicher Staaten ist demnach utopisch. Gleichwohl bestehen andere Möglichkeiten zur Einziehung einer internationalen ertragsteuerlichen Steuersatzuntergrenze. Dies belegt das Beispiel des US-amerikanischen GILTI-Regimes, das dort bereits 2017 eingeführt wurde. Bei der Regelung, die Vorbildcharakter für den GloBE-Vorschlag der OECD hat,5 handelt es sich um eine unilaterale Maßnahme. Nach ihr ist eine Besteuerung ausländischer Einkünfte trotz anders lautender (uni- oder bilataler) Regelungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung dann erlaubt, wenn diese im Ausland einer Nicht- oder Niedrigbesteuerung unterliegen.6 Für den begrenzten Bereich passiver Einkünfte sieht auch die deutsche Rechtsordnung mit der Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 ff. AStG bereits ein ähnliches, aber weniger weitgehendes Instrument vor.7 Können sich die führenden Industrienationen oder ein erheblicher Teil davon auf Regeln einigen, die wie das GILTI-Regime eine umfassende Ersatzbesteuerung zu niedrig besteuerter Auslandseinkünfte vorsehen, führt dies zur indirekten Begründung eines weltweiten Mindestbesteuerungsniveaus. Erreicht werden soll dabei nicht nur eine Anhebung der Steuerquote bei digitalen Geschäftsmodellen, sondern bei allen MNE, die durch gezielte Steuersubstratverlegung in Niedrigsteuerländer ihre Steuerlast reduzieren. GloBE zielt also auf ein abgestimmtes unilaterales Handeln derjenigen Staaten ab, die ein Interesse an der Sicherung des Steuersubstrats in den Ansässigkeitsstaaten haben.8 Zu einer generellen Verlagerung der Besteuerungsrechte zwischen den Staaten soll es somit nicht kommen. Vielmehr adressiert die Regelung nicht nur Unternehmen, die ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer verlagern, sondern auch die Niedrigsteuerländer selbst. Für diese soll mit der eintretenden Nachbesteuerung für dort versteuerte Einkünfte ausländischer Unternehmensträger ein starker Anreiz gesetzt werden, ihre effektiven Steuerraten zumindest bis auf das Mindestbesteuerungsniveau anzuheben. Insoweit ist es Ziel, auch das „race to the bottom“ zu begrenzen.
4 Röder, StuW 2020, S. 35 (36); Wissenschaftlicher Beirat Steuern EY, Beilage zu DB 2019 Heft 50, S. 3 (12); vgl. Englisch/Becker, WTJ 2019, S. 483 (517). 5 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 25 ff. 6 Ausführlich s. u. Kapitel 6: A.I.6.b) US-amerikanisches GILTI-Regime, S. 253. 7 Ausführlich s. u. Kapitel 6: A.I.6.a) Hinzurechnungsbesteuerung, S. 251. 8 Vgl. Zinowsky, IStR 2019, S. 811 (818 f.).
244
Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
I. Grundmodell Die hier dargestellte globale Mindestbesteuerung nach dem Vorbild des GloBEVorschlags des Inclusive Frameworks der OECD beruht auf der Annahme, dass sehr niedrige Steuersätze generell als unfair anzusehen und damit dem schädlichen, bekämpfenswerten Steuerwettbewerb zuzurechnen sind.9 Dies ist als Abkehr von der bisherigen Einschätzung anzusehen, dass die effektive Niedrigbesteuerung eines Staates nur dann bekämpfenswert ist, wenn sie eine unfaire staatliche Wettbewerbspraktik darstellt.10 Gleichzeitig sollen die einzuführenden Regelungen die Allokation der staatlichen Besteuerungsrechte im vorhandenen internationalen System nicht generell abändern. Vielmehr wird ein Mechanismus angestrebt, der lediglich dann zum Tragen kommt, wenn ein Staat in einem konkreten grenzüberschreitenden Sachverhalt nicht oder nicht ausreichend Gebrauch von seinen zugewiesenen Besteuerungsrechten macht. Dies unterscheidet den Ansatz grundlegend von den beiden zuvor besprochenen Alternativen, denen eine Änderung bzw. Ergänzung der steuerlichen Substratzuordnung hin zum Marktstaat zugrundeliegt. Die Errichtung des Mindestbesteuerungsregimes soll international abgestimmt durch unilaterale Regelungen erfolgen. Beteiligen sich genügend Industrienationen an der Umsetzung des Konzeptes, so ist zu erwarten, dass sich in der Konzernstruktur jedes MNE, die entsprechende Gestaltungen zur Steuerreduktion enthält, auch Anknüpfungspunkte in Industrienationen finden, die die Erhebung der Mindestbesteuerung ermöglichen. In diesen soll der Zugriff auf das Steuersubstrat dann im Wesentlichen durch Aufhebung des Trennungsprinzips bei Kapitalgesellschaften (sog. income inclusion rule)11 und durch die Versagung eines Betriebsausgabenabzugs für Zahlungen an konzernverwandte Gesellschaften im niedrig besteuernden Ausland (sog. untertaxed payment rule)12 erreicht werden. Dies gilt unabhängig davon, wie diese Einkünfte erzielt werden. Im Gegensatz zur Hinzurechnungsbesteuerung werden daher auch aktive Einkünfte erfasst.13 Diese Regelungen sind damit weder allein auf die Beseitigung der Minderbesteuerung bei Digitalunternehmen gerichtet, noch besonders auf diese zugeschnitten,14 sodass eine Definition des Anwendungsbereichs oder der erfassten Einkünfte nicht erforderlich ist. Dennoch wird der Regelungsansatz unter Aktionspunkt 1 (Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy) der BEPS-Initiative diskutiert. Dies liegt daran, dass das Konzept als potentiell geeignet angesehen wird, Steuergestaltungen auszu-
9
Röder, StuW 2020, 35 (37 f.). Vgl. OECD, Addressing Base Erosion and Profit Shifting, S. 28 ff. 11 S. u. Kapitel 6: A.I.1. Income inclusion rule und switch over rule, S. 245. 12 S. u. Kapitel 6: A.I.2. Undertaxed payment rule und subject to tax rule, S. 246. 13 S. u. Kapitel 6: A.I.6.a) Hinzurechnungsbesteuerung, S. 251. 14 Röder, StuW 2020, 35 (37). 10
A. Inhalt des Regelungsansatzes
245
schließen, die besonders von Digitalunternehmen aufgrund deren Mobilität und Immaterialität genutzt werden, jedoch auch in anderen Bereichen üblich sind. 1. Income inclusion rule und switch over rule Typischerweise beruht die Minderbesteuerung digitaler Unternehmen auf der Auslagerung wesentlicher Geschäftstätigkeiten in Tochtergesellschaften im niedrig besteuernden Ausland (Outbound-Konstellation). Aus den o. g. Gründen15 ist dies für sie im Vergleich zu anderen Gewerbebetrieben recht unproblematisch möglich, da keine materiellen Produktionsmittel, Personal, etc. verlagert werden müssen. Diese Gestaltungsoption versucht die income inclusion rule unattraktiv zu machen, indem sie die Abschirmwirkung der ausländischen Kapitalgesellschaft im Falle einer Niedrigbesteuerung aufhebt.16 Wird also eine Niedrigbesteuerung im Ausland festgestellt, so wird eine Ergänzungsbesteuerung im Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft zum in der income inclusion rule enthaltenen Mindestbesteuerungstarif vorgenommen. Es erfolgt damit keine Besteuerung zum gewöhnlichen Körperschaftsteuersatz im Mutterstaat, sondern lediglich eine Anhebung der Steuerlast der Tochtergesellschaft auf die international vereinbarte Mindeststeuerquote. Die im Staat der Tochtergesellschaft bereits abgeführten Steuern werden dabei angerechnet.17 Auch Betriebsstätten, die häufig einer DBA-rechtlichen Freistellung unterliegen, entfalten eine ähnliche Abschirmwirkung wie Tochtergesellschaften. Um eine Umgehung der income inclusion rule durch Verwendung von Freistellungsbetriebsstätten anstatt von Tochtergesellschaften, auszuschließen, sieht der GloBEVorschlag die Einführung einer sog. switch over rule vor.18 Diese soll in die DBA der Staaten übernommen werden, die den Regelungsvorschlag umsetzen. Im Falle, dass die Betriebsstätteneinkünfte unterhalb des festgelegten Mindestbesteuerungsniveaus besteuert werden, soll ein „Umschalten“ von der vereinbarten Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode stattfinden. Eine Besteuerung soll auch hier nur bis zur Höhe des international verabredeten Mindeststeuersatzes erfolgen. Deutschland wäre es auch möglich, eine entsprechende Regelung unilateral als treaty override einzuführen,19 sodass keine Änderung sämtlicher DBA erforderlich wäre.
15
S. o. Kapitel 2: C.I. Unterschiede in der Besteuerung zu herkömmlichen Geschäftsmodellen, S. 63. 16 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 410 ff. 17 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 371 ff. 18 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 453 ff. 19 Zur Verfassungsmäßigkeit: BVerfG, Urteil vom 15. 12. 2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, S. 1; vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 3.24.
246
Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
2. Undertaxed payment rule und subject to tax rule Erkennbar regelt die income inclusion rule lediglich den Outbound-Sachverhalt, in welchem die Niedrigbesteuerung in einem Staat stattfindet, in dem untergeordnete Unternehmensteile wie eine Tochtergesellschaft oder eine Betriebsstätte belegen sind. In der umgekehrten Inbound-Konstellation, wenn die Niedrigbesteuerung auf Ebene einer übergeordneten Unternehmenseinheit erfolgt, hilft die income inclusion rule demnach nicht weiter. Um auch in Fällen, in denen sich die Muttergesellschaft in einem Niedrigsteuerland befindet, das keine GloBE-Regeln implementiert hat, eine Mindestbesteuerung sicherzustellen, soll als zweite Maßnahme zusätzlich die sog. undertaxed payment rule in die Rechtsordnung aufgenommen werden. Die untertaxed payment rule stellt eine allgemeine Betriebsausgabenabzugsbeschränkung für Zahlungen an nahestehende Personen im Ausland dar, die dort nur einer Besteuerung unterhalb des Mindeststeuersatzes unterliegen.20 Eine vergleichbare Regelung enthält § 4j EStG; diese ist jedoch auf das spezifische Feld der Lizenzgebühren beschränkt. Grds. würde die Versagung des Abzugs von der ertragsteuerlichen Bemessungsgrundlage zu einer Unterwerfung unter den allgemeinen Ertragsteuersatz führen. Jedoch soll die untertaxed payment rule lediglich ein weiteres Mittel zur Erreichung einer flächendeckenden Mindestbesteuerung sein. Daher wird die Höhe der Steuer, die auf Beträge anfällt für die der Abzug nach der undertaxed payment rule versagt wurde, auf die Höhe der Mindeststeuerquote beschränkt.21 Der Abzugsbeschränkungsmechanismus gelangt dabei nur zur Anwendung, soweit keine Besteuerung i. R. d. income inclusion rule stattfindet; die Regelung ist daher zur income inclusion rule subsidiär.22 Dasselbe Ziel soll daneben auch durch die Einführung einer subject to tax rule erreicht werden, die in der Inbound-Konstellation nicht bei der untergeordneten, sondern bei der übergeordneten Unternehmenseinheit ansetzt.23 Sie soll jedoch nicht den Ansässigkeitsstaat begünstigen, sondern dem Quellenstaat die Besteuerung der ausländischen Muttergesellschaft durch Erhebung einer Quellensteuer ermöglichen.24 Dies ist grds. durch Art. 7, 10 – 13, 21 OECD-MA ausgeschlossen. Die DBArechtliche, abschließende Zuweisung der Besteuerungsrechte an den Ansässigkeitsstaat lässt die Besteuerung i. R. einer beschränkten Steuerpflicht im Quellenstaat nicht zu, obwohl bspw. §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f), Nr. 5, Nr. 6 EStG unilateral teilweise eine solche Besteuerungsmöglichkeit vorsehen. In Zukunft soll der genannte bilaterale Ausschluss einer Quellenbesteuerung unter den Vorbehalt der Einkünftebesteuerung oberhalb der Mindestbesteuerungsquote gestellt werden. Die DBA-Regelungen wären demnach in einer Weise abzuändern, dass im 20
OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 457 ff. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 498. 22 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 459 ff. 23 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 566 ff. 24 Zu vereinzelten vergleichbaren Regelungen: Dürrschmidt, in: Vogel/Lehner, DBA, Vor Art. 6 bis 22, Rz. 19 ff. 21
A. Inhalt des Regelungsansatzes
247
Falle einer Minderbesteuerung der Muttergesellschaft im Ansässigkeitsstaat in eine Besteuerung i. R. einer beschränkten Steuerpflicht im Quellenstaat „zurückgefallen“ wird. Dies soll für einen bestimmten Katalog an Zahlungen gelten, die typischerweise zur steueroptimierenden Verminderung der Bemessungsgrundlagen in Hochsteuerländern verwendet werden. Dazu gehören Zinsen, Lizenzgebühren, Zahlung für die Nutzung von Immaterialgütern, etc.25 Ein korrespondierendes inländisches Anknüpfungsmerkmal muss demnach u. U. in § 49 Abs. 1 EStG erst geschaffen werden. Dann unterliegen diese Einkünfte nach § 43 Abs. 1 EStG bzw. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG einem Quellensteuerabzug. Dieser Steuerabzug an der Quelle ist wiederum der Höhe nach auf die Mindestbesteuerungsquote zu beschränken. 3. Weitere Regelungsprinzipien Der GloBE-Vorschlag stellt damit eine Zusammenstellung einzelner Regelungen dar, die auf unterschiedliche Weise eine flächendeckende Mindestbesteuerung sicherstellen sollen. Während die beiden anderen Vorschläge versuchen, digitale Geschäftsmodelle innerhalb eines eigenen Nexus oder einer Sondersteuer zu definieren und gesonderten Regeln zu unterwerfen, enthält der GloBE-Ansatz nichts dergleichen. Er zielt nicht darauf ab, die Digitalwirtschaft als wesentlicher Brandherd der identifizierten Probleme zu umgrenzen und alle anderen Problemfälle auszuschließen. Vielmehr wird das Problem der Minderbesteuerung direkt zum rechtsfolgenauslösenden Tatbestand aller GloBE-Rechtsinstitute erklärt. GloBE muss deshalb definieren, wann eine derartige Minderbesteuerung vorliegt. Dabei darf nicht einfach an den nominellen Steuertarif des potentiell niedrig besteuernden Staates angeknüpft werden, sondern es muss anhand einheitlicher Kriterien ermittelt werden, ob effektiv eine Minderbesteuerung gegeben ist. Dies bestimmt sich nach dem Verhältnis zwischen der absoluten steuerlichen Belastung der jeweiligen Einkünfte und einer auf einheitlichen Standards beruhenden Bemessungsgrundlage. An der Relation zwischen beiden Größen kann die vergleichbare, effektive Steuerbelastung (sog. effective tax rate) abgelesen werden.26 Dieses Kriterium bildet die Anwendbarkeitsschwelle aller GloBE-Regelungen. Seine Bestimmung wirft einige Fragen und Probleme auf.27 Wird durch Unterschreiten des Mindestbesteuerungsniveaus die Anwendbarkeit einer der GloBE-Regelungen ausgelöst, so führen diese über die zuvor beschriebenen Mechanismen zu einer Ergänzungsbesteuerung der betroffenen Einkünfte. Es werden also nicht generell Besteuerungsrechte zwischen den Staaten neu verteilt, sondern lediglich zusätzliche Steuern erhoben, wenn der Staat das Besteuerungsrecht nicht sachgemäß ausübt, welches er nach der internationalen Konvention innehat. 25 26 27
OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 588 ff. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 127 ff. Dazu s. u. Kapitel 6: A.I.4. Bestimmung der effektiven Steuerlast, S. 248.
248
Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
Dementsprechend unterfallen die minderbesteuerten Einkünfte auch nicht den allgemeinen Regeln und damit auch nicht dem Steuersatz des nachbesteuernden Staates. Es soll lediglich eine Hochschleusung der Besteuerungsquote auf das vereinbarte Mindestbesteuerungsniveau erfolgen.28 Dafür werden die als zu niedrig besteuert identifizierten Einkünfte unter Berücksichtigung der bereits entrichteten ausländischen Steuer einem Sondersteuertarif unterworfen, der der vereinbarten Mindeststeuerrate entspricht. Es entsteht damit ein Sondertarif mit eigenen spezifischen Regeln für minderbesteuerte Sachverhalte. Dieses Prinzip ist allen GloBEInstituten inhärent und wird durch sie technisch zur Anwendung gebracht. Kern des identifizierten Problems sind im Wesentlichen große, multinationale Konzerne, die durch ihre Internationalität und wirtschaftliche Stärke das zwischen den Staaten bestehende Steuergefälle optimal durch steueroptimierte Gestaltungen ausnutzen können. Im Fokus der GloBE-Regeln stehen demnach auch gerade diese Unternehmensgruppen. Sie sollen daher nicht für KMU gelten, denen der zusätzliche Aufwand und die damit einhergehenden Compliance-Kosten wohl nicht zumutbar sind.29 Die Anwendung der GloBE-Regeln wird daher auf Unternehmensgruppen beschränkt, die im vorangegangenen Geschäftsjahr einen Konzernumsatz von über 750 Mio. Euro erzielt haben.30 Dieser Schwellenwert wurde von den bereits bestehenden CbCR-Regeln adaptiert, wodurch es zu Synergieeffekten kommen und der Aufwand für die Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltungen begrenzt werden soll. 4. Bestimmung der effektiven Steuerlast Zentrales Anknüpfungs- und Bemessungskriterium aller GloBE-Regelungen ist die effektive Steuerlast (sog. effective tax rate – ETR) als Indikator dafür, ob eine Minderbesteuerung vorliegt und wie hoch die zu erhebende Ergänzungssteuer sein muss. Diese Maßgröße ergibt sich aus dem Verhältnis des Gewinns, der dem jeweiligen Unternehmensteil zuzurechnen ist, und der darauf weltweit angefallenen Steuer.31 Um die tatsächliche und international vergleichbare Steuerquote der Konzerneinheiten festzustellen, darf nicht an die nominalen Steuersätze der einzelnen Staaten oder deren inländischen steuerlichen Bemessungsgrundlagen angeknüpft werden. Stattdessen ist ein einheitlicher Ermittlungsstandard erforderlich, der den tatsächlichen Gewinn und die darauf angefallenen Steuern international unterschiedslos erfasst.
28 29 30 31
Vgl. Röder, StuW 2020, S. 35 (38). S. u. Kapitel 6: B.I.3. Selektivität, S. 262. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 113 ff. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 127 ff.
A. Inhalt des Regelungsansatzes
249
Zuerst muss dazu der Gewinn vor Steuern je Konzerneinheit bestimmt werden.32 Grds. soll hierfür keine Neuberechnung sämtlicher Bemessungsgrundlagen nach den steuerrechtlichen Bilanzierungsregeln des Staates, der die GloBE-Regel anwendet, erforderlich sein. Stattdessen wird an handelsrechtliche Gewinnermittlungsmethoden angeknüpft, die den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung Rechnung tragen (bspw. IFRS, GAAP und die Rechnungslegungsregeln vieler Industrienationen).33 Anknüpfungspunkt ist dabei der einheitliche Standard, den die Konzernmuttergesellschaft zur Erstellung ihres konsolidierten Abschlusses verwendet. Dies berücksichtigt, dass börsennotierte Konzerne ohnehin die Abschlüsse der Einzelunternehmen für den Kapitalmarkt konsolidieren und sich zudem keine Rechnungsdifferenzen aus unterschiedlichen Ermittlungsmethoden ergeben. Permanente Differenzen zwischen dieser Gewinngröße und einer brauchbaren steuerrechtlichen Bemessungsgrundlage sollen durch steuerliche Überleitungsregeln ausgeglichen werden.34 Bei der Ermittlung der Steuerbelastung, der der Gewinn unterliegt, sollen alle Ertragsteuern im weiteren Sinne berücksichtigt werden, die weltweit anfallen und der jeweiligen Geschäftstätigkeit zugeordnet werden können. Dies umfasst sowohl die Ertragsteuer, die vom jeweiligen Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft erhoben wird,35 als auch Quellensteuern, Hinzurechnungssteuern aus vorhandenen Rechtsinstituten sowie die Mindeststeuer aus der abkommensrechtlichen subject to tax rule.36 Daneben wird auch die Steuer, die auf eine spätere Gewinnausschüttung anfällt berücksichtigt. Ergibt sich dann aus dem Verhältnis zwischen der ermittelten Steuerbelastung und dem festgestellten Gewinn ein Prozentsatz, der oberhalb des Mindestbesteuerungsniveaus liegt, ist der Anwendungsbereich der GloBE-Regeln bereits nicht eröffnet. Liegt die effektive Steuerbelastung jedoch darunter, sind bestimmte Maßnahmen zur Reduzierung temporärer Abweichungen zu ergreifen und einen bestimmten Teil der Einkünfte, die auf substanzbasierte Aktivitäten entfallen, aus der GloBE-Betrachtung auszunehmen (sog. carve-out).37 Bleibt es danach immer noch bei einer Minderbesteuerung, so ist die Ergänzungssteuer durch die GloBE-Regelungen zu erheben.
32 Zu einem möglichen Ausgleich einer effektiven Minderbesteuerung einer Konzerneinheit auf unterschiedlichen Ebenen, s. u. Kapitel 6: A.II.2. Blending, S. 256. 33 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 154 ff. 34 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 175 ff. 35 In Fällen einer Direktbetätigung werden die Betriebsstättensteuern sowie die Steuern des Stammhausstaates erfasst. 36 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 175 ff.; zum Verhältnis der subject to tax rule zu den anderen GloBE-Regelungen: s. u. Kapitel 6: A.I.5. Verhältnis der GloBE-Regelungen zueinander, S. 250. 37 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 332 ff.; s. u. Kapitel 6: A. II. 3. Carve-Outs, S. 257.
250
Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
5. Verhältnis der GloBE-Regelungen zueinander Income inclusion rule, switch over rule, undertaxed payment rule und subject to tax rule zielen allesamt auf die Sicherstellung eines international vereinbarten Mindestbesteuerungsniveaus ab. Dieses Niveau ist einerseits das regelungsauslösende Merkmal, stellt aber andererseits auch der Höhe nach die Begrenzung der GloBE-Besteuerung dar. Für die einzelnen Staaten ist klar, dass eine Besteuerung oberhalb der vereinbarten Mindeststeuerquote – unabhängig vom angewendeten GloBE-Instrument – nicht durch die internationale Absprache gedeckt ist. Betrachtet man aber die Multinationalität der Gesellschaftsstrukturen digitaler Unternehmen, so liegt eine Mehrfacherfassung der unterbesteuerten Einkünfte durch GloBE-Regelungen in unterschiedlichen Ländern nicht fern. Etwa können in vielstöckigen und verzweigten Konzernstrukturen dieselben unterbesteuerten Einkünfte dem Anwendungsbereich unterschiedlicher oder gleicher GloBE-Regelungen in verschiedenen Ländern unterfallen. Für diese Fälle muss mittels Kollisionsregeln klar festgelegt sein, welche Regel in welchem Staat vorrangig anzuwenden ist.38 Dafür ist folgende Abstufung vorgesehen: Denklogisch geht die subject to tax rule der undertaxed payment rule vor. Kann nämlich eine Zahlung, die von einer Tochtergesellschaft an eine übergeordnete Mutter, die im niedrig besteuernden Ausland ansässig ist, bereits durch eine beschränkte Steuerpflicht der Mutter selbst einer substantiellen Besteuerung zugeführt werden, so fehlt es für die Anwendbarkeit der undertaxed payment rule an einer Besteuerung unterhalb des Mindeststeuersatzes.39 Gleiches gilt für die Anwendung einer income inclusion rule, wenn eine solche auf einer der Muttergesellschaft übergeordneten Ebene vorhanden ist. Zwischen der income inclusion rule und der switch over rule besteht aufgrund der unterschiedlichen Anwendungsfälle und -mechanismen ein Exklusivitätsverhältnis.40 So kann die income inclusion rule wegen der abschließenden DBA-rechtlichen Zuweisung von Betriebsstätteneinkünften zum Quellenstaat keine Anwendung auf entsprechende Strukturen finden. Dort führt die DBA-rechtliche (oder per treaty override eingeführte) switch over rule zu einer Ergänzungsbesteuerung im Ansässigkeitsstaat. Das Verhältnis zwischen income inclusion rule und untertaxed payment rule sowie mehreren income inclusion Anwendungsfällen in Bezug auf einen Einkünftetatbestand in unterschiedlichen Ländern folgt dem sog. top-down-approach.41 Demnach wird der income inclusion rule gegenüber der undertaxed payment rule Vorrang gewährt. Eine Kollision tritt dabei auf, wenn Zahlungen einer Tochtergesellschaft, die sich in einem GloBE-Staat befindet an eine niedrig besteuernde 38 39 40 41
OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 668 ff. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 671, vgl. Examples 10.2.1A. und 10.2.1B. (S. 240 ff.). OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 675. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 673.
A. Inhalt des Regelungsansatzes
251
Muttergesellschaft getätigt werden, die wiederum einer Gesellschaft untergeordnet ist, die ebenfalls in einem GloBE-Staat ansässig ist. In diesem Fall ist die income inclusion rule im übergeordneten Staat vorrangig zu bemühen. Gleiches gilt, wenn zwei Staaten mithilfe ihrer jeweiligen income inclusion rule die Einkünfte einer nachgeordneten Tochtergesellschaft besteuern können. Dann ist dem Staat der am weitesten übergeordneten Unternehmenseinheit der Vorrang zu gewähren. Erforderlich ist neben dem Legislativakt zur Regelung der Verhältnisse zwischen den GloBE-Instituten auch ein vorbereitender Exekutivakt, der in der Feststellung der Konzernstruktur und der Besteuerung in den anderen beteiligten Staaten liegt. Hierbei kann teilweise an Informationen aus dem bereits eingeführten CbCR angeknüpft werden.42 6. Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Verhältnis zu vorhandenen Rechtsinstituten Die Idee zur Einführung einer weltweiten Mindestbesteuerung durch eine „Koalition der Willigen“ i. R. derer nationalen Steuerrechtsordnungen ist neu. Nicht neu sind allerdings ganz allgemein Regeln, die auf eine Niedrigbesteuerung im Ausland reagieren und deren Ziel es ist, auf nationaler Ebene Gegen- bzw. Ausgleichsmaßnahmen zu ergreifen. Deutschland hat dafür bereits Anfang der 1970er Jahre die sog. Hinzurechnungsbesteuerung in §§ 7 ff. AStG implementiert, die USA schließlich im Jahr 2017 das sog. GILTI-Regime, das derzeit die wohl weitreichendsten Regelungen enthält und Vorbild für den GloBE-Vorschlag war. a) Hinzurechnungsbesteuerung Neben Deutschland mit den §§ 7 ff. AStG haben auch andere Länder sog. CFC rules eingeführt. Der GloBE-Vorschlag und diese Hinzurechnungsbesteuerungen verfolgen alle das Ziel der Besteuerung zu niedrig besteuerter Auslandseinkünfte.43 Sie arbeiten dabei mit der Durchbrechung der Abschirmwirkung, die Körperschaften aufgrund des kapitalgesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzips zukommt.44 § 7 Abs. 1 AStG wie auch die income inclusion rule führen Erträge einer Besteuerung im Inland zu, die einer ausländischen Kapitalgesellschaft zugerechnet und dort zu niedrig besteuert werden.45 Die grundlegende Funktionsweise der Rechtsinstitute ist
42 Vgl. Altenburg/Geberth/Gebhardt/Holle/Oertel, DStR 2019, S. 2451 (2455); OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 381 ff. 43 Röder, StuW 2020, S. 35 (43); Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 13.2. 44 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 11.2, Rz. 13.135; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 13.1. 45 Eine, der undertaxed payment rule ähnliche Regelung enthalten die §§ 4 h, 4j EStG für Zinseinkünfte und Linzenzgebühren.
252
Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
damit vergleichbar. Allerdings weist GloBE bei Tatbestand und Rechtsfolgen im Vergleich zur Hinzurechnungsbesteuerung gravierende Unterschiede auf. Die Hinzurechnungsbesteuerung fordert auf Tatbestandsseite eine wesentliche Beteiligung des unbeschränkt Steuerpflichtigen am ausländischen Rechtsträger (§ 7 Abs. 1 AStG), Einkünfte aus passivem Erwerb (§ 8 Abs. 1 AStG) und das Vorliegen einer Niedrigbesteuerung (§ 8 Abs. 3 AStG). Die income inclusion rule soll dagegen nicht auf bestimmte Einkünfte beschränkt sein, lässt also die Differenzierung nach aktiv und passiven Einkünften weg und erfasst damit auch aktiv im Ausland erwirtschaftete Erträge. Dafür soll jedoch die Schwelle der Niedrigbesteuerung wesentlich niedriger angesetzt, also die Anwendbarkeitsvoraussetzungen erhöht werden. Während § 8 Abs. 3 AStG die Schwelle für eine Niedrigbesteuerung bei 25 Prozent (unter Einbeziehung der, bei der Ausschüttung anfallenden Steuern) zieht, soll die ETR, ab der die GloBE-Regelungen zum Zug kommen wesentlich geringer sein.46 Demnach sind die GloBE-Regelungen im Tatbestand in Bezug auf die Herkunft der Einkünfte wesentlich weitreichender, was jedoch die Definition der Niedrigbesteuerung angeht, wesentlich enger. Bei der Rechtsfolge unterscheiden sich die beiden Rechtsinstitute noch wesentlicher. Die Hinzurechnungsbesteuerung fingiert eine Ausschüttung der vom Tatbestand umfassten Einkünfte (§ 10 Abs. 2 S. 1 AStG) und unterwirft diese so den inländischen Steuerregeln, sodass letztlich der allgemeine Tarif zum Tragen kommt. Der zu besteuernde Betrag knüpft an die Auslandseinkünfte nach Abzug der ausländischen Steuern an.47 Die GloBE-Regelungen führen die jeweiligen Einkünfte dagegen lediglich einer wesentlich geringeren Ergänzungsbesteuerung zu. Dabei werden die erfassten Beträge unabhängig von der angewendeten GloBE-Regelung immer nur auf das Mindestbesteuerungsniveau angehoben. Es ergibt sich damit keine Gleichstellung ausländischer und inländischen Einkünfte wie bei der Hinzurechnungsbesteuerung, sondern eher der Charakter einer hilfsweisen stellvertretenden Ausübung im Ausland nicht genutzter Besteuerungsrechte.48 Werden die Regeln zur Hinzurechnungsbesteuerung bei einer Einführung der GloBE-Mindestbesteuerung nicht konsolidiert oder angepasst, ergibt sich ein Nebeneinander beider Rechtsinstitute. Sie stehen dann denklogisch in einem Stufenverhältnis. Handelt es sich um passive Einkünfte, die den Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung erfüllen, liegt die ETR aufgrund der erhobenen Hinzurechnungssteuer zwingend über dem Mindeststeuersatz.49 Die §§ 7 ff. AStG bilden daher das speziellere Regelungsregime und sind daher vorrangig. Dieses Nebeneinander führt jedoch dazu, dass GloBE-Einkünfte und Erträge, die von der Hinzurechnungsbesteuerung erfasst werden, nach unterschiedlichen Regeln und v. a. zu un46
S. u. Kapitel 6: A.II.1. Mindeststeuersatz, S. 255. § 12 Abs. 1 AStG ermöglicht auf Antrag auch eine Erfassung des Betrags vor Steuern unter Anrechnung der ausländischen Steuer. 48 Vgl. Röder, StuW 2020, S. 35 (43). 49 Altenburg/Geberth/Gebhardt/Holle/Oertel, DStR 2019, S. 2451 (2455). 47
A. Inhalt des Regelungsansatzes
253
terschiedlichen Steuertarifen besteuert werden. Dies birgt die Gefahr einer unsystematischen und ungleichen Besteuerung.50 Daher existieren Bestrebungen, das Außensteuerrecht in diesem Bereich zu reformieren und die Regelungsinstitute miteinander zu konsolidieren.51 b) US-amerikanisches GILTI-Regime Mit dem Tax Cuts and Jobs Act von 2017 ging eine umfassende Steuerreform in den USA einher.52 Neben einer Absenkung des Körperschaftsteuersatzes von 35 % auf 21 % und der Freistellung von Gewinnausschüttungen ausländischer Tochtergesellschaften wurden auch die GILTI- und BEAT-Regelungen (§§ 951 A, 250 IRC und § 59 A IRC) implementiert, die der Verhinderung von Erosionen der US-amerikanischen Besteuerungsgrundlage dienen.53 Das GILTI-Regime wurde dabei ergänzend zu den bestehenden CFC-Normen (sog. Subpart F-Einkunftsbesteuerung) der USA eingeführt54 und wird häufig als Prototyp oder Vorlage für den GloBEVorschlag angesehen.55 Allerdings handelt es sich bei den US-amerikanischen Normen um kein international koordiniertes Vorgehen, wie es i. R. d. BEPS-Initiative angestrebt wird, sondern um ein unilaterales Handeln der USA, sodass durch GILTI ein international flächendeckendes und einheitliches Mindestbesteuerungsniveau nicht erreicht wird. Von der grundlegenden Regelungskonzeption her ähneln sich GILTI und GloBE stark. So sollen die Einkünfte ausländischer Tochtergesellschaften bei einer zu geringen Steuerbelastung in den USA nachversteuert werden.56 Die undertaxed payment rule findet ihr Äquivalent in der BEAT-Regelung, die ebenfalls den erfolgswirksamen Abzug von Zahlungen an konzernverbundene Gesellschaften unter die Prämisse derer Mindestbesteuerung im Empfängerstaat stellt.57 Sowohl die amerikanischen Regelungen wie auch der GloBE-Vorschlag wollen die Verlegung von Wirtschaftsaktivität ins Ausland aufgrund der dort signifikant niedrigeren Steuerbelastung bekämpfen. Dies soll in beiden Konzepten mithilfe einer ertragsteuerlichen Untergrenze erfolgen, bei deren Unterschreiten unabhängig vom Ort eine Nachbesteuerung an einem anderen Ort (bei GILTI in den USA) erfolgt. 50 S. u. Kapitel 6: B.II.2. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, S. 266. 51 Vgl. Röder, StuW 2020, S. 35 (43 f.); zu beachten wären dabei die ATAD I (Richtlinie 2016/1164/EU des Rates vom 12. 07. 2016) und ATAD II (Richtlinie 2017/952/EU des Rates vom 29. 05. 2017). 52 Dazu ausführlich: Hey/Härtwig, in: FS Lehner, S. 75 ff. 53 Gsödl/Schmid, ifst-Schrift 524, S. 9 ff. 54 Röder, StuW 2020, S. 35 (43); Gsödl/Schmid, ifst-Schrift 524, S. 13. 55 Schildgen, ISR 2019, S. 400; vgl. OECD, Public Consultation Document, Rz. 98; OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 25. 56 Gsödl/Schmid, ifst-Schrift 524, S. 13 ff. 57 Gsödl/Schmid, ifst-Schrift 524, S. 21 ff.
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Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
Hierbei unterscheiden sich jedoch die Reichweite sowie die technische Umsetzung der Normen. Zwar erfassen beide Regelungen ausländische Erträge unabhängig davon, ob es sich um aktive oder passive Einkünfte handelt.58 Jedoch will GILTI Einkünfte erfassen, die aus immateriellen Wirtschaftsgütern stammen und diese Einkünfte formelhaft berechnen, indem lediglich der Restgewinn erfasst wird, der nicht aus den typisiert ermittelten Einkünften aus materiellen Wirtschaftsgütern stammt.59 GloBE verfolgt hingegen einen umfänglicheren Ansatz und unterwirft sämtliche zu niedrig besteuerte Einkünfte der Regelung.60 Inwieweit sich die Funktionsweise der Regelungen unterscheidet, kann nicht abschließend ermittelt werden, da das OECD-Papier lediglich Vorgaben hinsichtlich der Wirkung und nicht hinsichtlich der technischen Umsetzung der Steuer macht. Das GILTI-Regime unterwirft im Ausgangspunkt sämtliche immateriellen Einkünfte61 der inländischen Körperschaftsteuer. Es lässt jedoch einen Abzug von 50 % dieser Einkünfte zu, sodass sich bei einem Körperschaftsteuersatz von 21 % eine effektive Steuerbelastung von 10,5 % ergibt.62 Um lediglich Einkünfte zu erfassen, die nicht bereits im Ausland einer Besteuerung auf Mindestniveau unterlegen haben, lässt GILTI dann die 80-prozentige Anrechnung der entrichteten ausländischen Steuer zu. Damit wird eine Begrenzung der Anwendbarkeit auf Fälle erreicht, in denen die Einkünfte im Ausland einer effektiven Steuerlast unterhalb von 13,125 % ausgesetzt waren.63 In allen anderen Fällen erfolgt eine vollständige Verrechnung der US-Körperschaftsteuer mit den ausländischen Steuern – die ausländischen Erträge bleiben dann im Inland steuerfrei. Insgesamt handelt es sich bei GILTI auch um die schlichtere Regelung. Schwellenwerte, Verlustvorträge oder dergleichen sind – anders als beim GloBE-Ansatz – nicht vorgesehen.64 Das potentielle Verhältnis zwischen den angestrebten GloBE-Regelungen und dem GILTI-Regime ist bislang noch nicht endgültig geklärt. Jedoch ist die Berücksichtigung der bestehenden US-amerikanischen Regelungen bei der Einführung der weltweiten Mindestbesteuerung politisch unerlässlich.65 Nach derzeitigem Stand würde sich aufgrund der Regelungstechnik von GILTI eine Koexistenz mit GloBE 58 Dies stellt den maßgeblichen Unterschied zu den herkömmlichen CFC-Regelungen wie der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung oder der US-amerikanischen Subpart F-Regelung dar. 59 Schildgen, ISR 2019, S. 401 f., 405 f. 60 Jedoch wird auch hier ein formelbasierter carve-out für Lohnsummen und Sachanlagen diskutiert, um eine feste Rendite für substanzielle Aktivitäten vom Anwendungsbereich der GloBE-Regeln auszuschließen, vgl. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 332 ff. 61 Diese immateriellen Einkünfte müssen zuvor durch Abzug der typisierten Erträge aus materiellen Einkünften von den Gesamteinkünften errechnet werden, vgl. Gsödl/Schmid, ifstSchrift 524, S. 14 f. 62 Ab 2026 soll der Abzugabetrag auf 37,5 % verringert werden, sodass sich die Effektivsteuerbelastung auf 13,125 % erhöht, vgl. Gsödl/Schmid, ifst-Schrift 524, S. 14. 63 Gsödl/Schmid, ifst-Schrift 524, S. 16. 64 Vgl. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 26. 65 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 27.
A. Inhalt des Regelungsansatzes
255
ergeben; inwieweit die USA die bestehenden Regelungen ändern oder konsolidieren, bleibt ihnen überlassen. Problematischer ist, in welche Wechselwirkung die BEATRegel mit einer ausländischen income inclusion rule innerhalb derselben Konzernstruktur treten würde.66 Nach Konzeption des GloBE-Vorschlags soll die Sicherstellung einer Mindestbesteuerung über eine Abzugsbeschränkung für Zahlungen an ausländische Konzernteile (sog. undetaxed payment rule) lediglich nachrangig zur income inclusion rule zum Zuge kommen.67
II. Ausgestaltungsmöglichkeiten Die angedachten Regelungen zur Einführung einer globalen Mindestbesteuerung durch abgestimmte unilaterale Gesetzesreformen bedürfen – ähnlich wie EURichtlinien – der gesetzgeberischen Umsetzung ins nationale Recht. Dabei müssen die Besonderheiten der jeweiligen Rechtsordnung berücksichtigt und verschiedene Wege der Umsetzung betrachtet werden.68 Dies betrifft den Standort, den Zusammenhang, die Funktionsweise und weitere Faktoren des Regelungssystems. Daneben sind auch auf internationaler Ebene noch nicht alle Fragen zur Ausgestaltung von GloBE ausdiskutiert. Inzwischen konnte man sich zwar auf einen Mindeststeuersatz und damit den Kern der Regelung einigen.69 Dennoch verbleiben weitere Fragestellungen, die wesentlichen Einfluss auf die Praxis haben, so z. B. die Reichweite des sog. Blendings oder Ausnahmetatbestände für bestimmte Branchen, etc. 1. Mindeststeuersatz Der Mindeststeuersatz stellt auf Seiten des Tatbestandes den maßgeblichen Auslöser der GloBE-Regelungen dar. Auf Rechtsfolgenseite markiert er dagegen den Steuertarif i. R. d. erfolgenden Ergänzungsbesteuerung. Da es sich bei den einzuführenden Regelungen grds. um unilaterale Rechtsakte handelt, stünde es jedem Staat frei, einen eigenen Mindeststeuersatz zu definieren, ab dem eine Ergänzungsbesteuerung erfolgt. Allerdings verfolgt GloBE – im Unterschied zu den vorhandenen CFC-Regeln – gerade den Ansatz einer koordinierten Einführung zur Sicherstellung eines einheitlichen Mindestbesteuerungsniveaus. Dies bietet gegenüber einem unabgestimmten Verhalten diverse Vorteile. Etwa reduziert ein weltweit einheitliches Mindeststeuerniveau Anreize und Möglichkeiten zur Steueroptimierung, vermeidet Fehlwirkungen, die sich aus divergierenden Vorschriften ergeben,
66 67 68 69
OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 27. S. o. Kapitel 6: A.I.5. Verhältnis der GloBE-Regelungen zueinander, S. 250. Vgl. Englisch/Becker, WTJ 2019, S. 483 (499). OECD, Statement on a Two-Pillar Solution.
256
Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
und bietet den Niedrigsteuerländer einen Anreiz zur Anhebung ihres Besteuerungsniveaus bis zur vereinbarten ETR.70 Bei der Höhe dieses Steuersatzes handelt es sich mehr um eine politische als um eine juristische Frage. Auf internationaler Ebene ist ein Kompromiss darüber erforderlich, ab wann eine Niedrigbesteuerung unabhängig von anderen Faktoren absolut als unfairer Steuerwettbewerb anzusehen ist und demnach Gegenmaßnahmen erfordert.71 Eine Orientierung an den vorhandenen Besteuerungsniveaus der hochbesteuernden Industriestaaten – wie sie die vorhandenen CFC-Regeln regelmäßig vorsehen – ist nur begrenzt möglich. Beim Ziel einer weltweiten Mindestbesteuerung müssen nachvollziehbare Gründe für ein abgesenktes Besteuerungsniveau, wie bspw. der Ausgleich anderer nachteiliger Standortfaktoren niedrig besteuernder Staaten, mit in die Überlegungen eingestellt werden.72 Andererseits darf das Ziel einer sachgerechten Besteuerung digitaler und anderer Geschäftsmodelle international agierender Konzerne nicht aus den Augen verloren werden. Vorgesehen ist derzeit eine ETR i. H. v. 15 Prozent.73 Die tatsächliche Wirkungsweise dieses Mindeststeuersatzes hängt jedoch auch maßgeblich von der weiteren Ausgestaltung der Regelungen, wie bspw. der Möglichkeit zum Blending, ab. 2. Blending Das sog. Blending bezeichnet die Möglichkeit, die effektive Minderbesteuerung von Teilen eines Unternehmens durch eine höhere Besteuerung in einem anderen Unternehmensteil auszugleichen. Letztlich geht es also darum, auf welcher Ebene die ETR ermittelt wird. Denkbar ist die Ermittlung für jeden ausländischen Unternehmensteil separat, pro Tätigkeitsland, pro Unternehmensgesellschaft oder ein Blending sämtlicher Konzerneinkünfte.74 Je höher die Ebene ist, auf der die Einkünfte und die angefallenen Steuern verrechnet und betrachtet werden, desto weniger kommen die GloBE-Regeln zum Tragen. GILTI enthält ein Blending auf US-Anteilseignerebene;75 die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung verrechnet lediglich auf Ebene der jeweiligen Zwischengesellschaft die unterschiedlichen passiven Einkünfte.76 Die unterschiedlichen Gestaltungsvarianten des Blendings schaffen eine Skalierbarkeit des GloBE-Ansatzes. Gleichzeitig zeichnen sie ein Spannungsfeld zwischen 70
Ausführlich: Englisch/Becker, WTJ 2019, S. 483 (496 f.). Englisch/Becker, WTJ 2019, S. 483 (496). 72 Vgl. Röder, StuW 2020, S. 35 (41). 73 OECD, Statement on a Two-Pillar Solution. 74 Vgl. Englisch/Becker, WTJ 2019, S. 483 (501 f.); Altenburg/Geberth/Gebhardt/Holle/ Oertel, DStR 2019, S. 2451 (2453). 75 Schildgen, ISR 2019, S. 400 (402 f.); Röder, StuW 2020, S. 35 (45). 76 Röder, StuW 2020, S. 35 (45); vgl. Tz. 8.3.2.1 AEAStG. 71
A. Inhalt des Regelungsansatzes
257
der effektiven Verhinderung steuerlicher Gestaltungsoptionen und dem zu- bzw. abnehmendem Verwaltungsaufwand für Unternehmen und Finanzverwaltung.77 Dies bedeutet, dass die Möglichkeiten der Konzerne zur Steuergestaltung aber auch die Komplexität der Regelung unmittelbar vom vorgesehenen Umfang an Verrechnungsmöglichkeiten abhängt. Ein Blending über Landesgrenzen hinweg würde somit dem Ziel der Einführung eines weltweiten Mindeststeuerniveaus keine Rechnung tragen und u. U. weitere Gestaltungsanreize schaffen.78 Der GloBE-Ansatz sieht ein sog. jurisdictional Blending vor. Dazu sollen in einem ersten Schritt in sämtlichen Konzernunternehmen die Einkünfte einzeln ermittelt werden. Im zweiten Schritt werden dann die ermittelten Einkünfte nach dem herkömmlichen Fremdvergleichsgrundsatz den beteiligten Jurisdiktionen zugeordnet und anhand der darauf angefallenen in- und ausländischen Steuern die ETR für das jeweilige Land ermittelt. Dabei wird die Effektivsteuerbelastung aller dort steuerpflichtigen Unternehmenseinheiten zusammen betrachtet.79 3. Carve-Outs Insbesondere als politische Maßnahme zur Konsenserzielung80 ist eine wesentliche Ausnahme vom Mindestbesteuerungsreglement für bestimmte Einkünfte angedacht, der sog. substance carve-out.81 Diese Sonderbehandlung soll allen substanzbasierten Aktivitäten zuteil werden, denen formelhaft ein gewisser Teil der Einkünfte zugeordnet wird, der dann selbst bei Besteuerung unterhalb des vereinbarten Mindeststeuersatzes nicht nach den GloBE-Regeln nachbesteuert werden soll. Als substanzbasierte Aktivitäten sollen dabei menschliche Arbeits- und Dienstleistungen, die anhand der im Land ausbezahlten Lohnsumme identifiziert werden, und die Verwendung von Sachanlagen, Grundstücken und Ressourcen, die mithilfe der geltend gemachten Abschreibung ermittelt werden, gelten.82 Ziel ist es, das Anwendungsfeld der Mindestbesteuerungsregeln auf überschießende Gewinne, vornehmlich aus dem Einsatz immaterieller Wirtschaftsgüter, zu begrenzen und weiterhin den internationalen Steuerwettbewerb um Realinvestitionen zu ermöglichen.83 Daneben sind weitergehende Ausnahmen für gewisse Branchen, wie etwa die Finanzindustrie oder die Seefahrt84 sowie de-minimis-Ausschlüsse für Staaten, in 77
Vgl. Englisch/Becker, WTJ 2019, S. 483 (501 f.); Altenburg/Geberth/Gebhardt/Holle/ Oertel, DStR 2019, S. 2451 (2453). 78 Vgl. Röder, StuW 2020, S. 35 (45). 79 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 248, 269 ff. 80 Englisch, FR 2021, S. 1 (10); Benecke/Rieck, IStR 2021, S. 692 (700). 81 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 331 ff. 82 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 337 ff., 342 ff.; zusammenfassend: Englisch, FR 2021, S. 1 (10 f.). 83 Englisch, FR 2021, S. 1 (11); Benecke/Rieck, IStR 2021, S. 692 (699 f.). 84 OECD, Statement on a Two-Pillar Solution, S. 5; darauf eingehend: Benecke/Rieck, IStR 2021, S. 692 (700).
258
Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
denen das jeweilige Unternehmen nur vergleichsweise geringe Umsätze und Gewinne erzielt, vorgesehen.85
B. Anwendung des Prüfprogramms Auf das beschriebene Modell sollen nun die oben festgelegten Grundsätze86 angewendet werden, um anschließend eine umfassende Bewertung des Vorschlages vornehmen zu können.87
I. Verbesserung der festgestellten Problemlage Als Probleme wurden i. R. d. vorangegangenen Untersuchung das Bestehen schädlicher Gestaltungsoptionen im Bereich digitaler Geschäftsmodelle, die daraus folgende Besteuerung zu einem effektiv unangemessenen Tarif sowie eintretende Wettbewerbsverzerrungen zwischen unterschiedlichen Unternehmensgruppen identifiziert.88 Es wurde aufgezeigt, dass eine Verbesserung der festgestellten Problemlage dann eintritt, wenn die identifizierten Probleme möglichst effektiv89 und unselektiv90 beseitigt werden. 1. Eintretende Verbesserungen Der Vorschlag zur globalen Mindestbesteuerung stellt sich in gewisser Weise zwischen die Vorschläge zur Nexusänderung und zur Einführung einer Digitalsteuer. Einerseits werden die Regelungen nicht völlig vom Ertragsteuersystem abgekoppelt, wie es die Digitalsteuer vorsieht, andererseits werden aber auch nicht die grundlegenden Regeln zur Substratverteilung im allgemeinen Ertragsteuerrecht geändert, wie von der Nexuslösung vorgeschlagen wird. Lediglich im Bedarfsfall, wenn eine signifikante Niedrigbesteuerung vorliegt, lösen die GloBE-Regelungen eine Ergänzungsbesteuerung aus. Im Unterschied zu den anderen Ansätzen, finden die Mindestbesteuerungsregeln damit nur in bestimmten Fällen Anwendung, die als schädliche Gestaltungen identifiziert werden. Klar ist, dass mit dieser Lösung schädliche Gestaltungsoptionen von Digitalunternehmen nicht direkt unmöglich gemacht werden. Weiterhin steht es Unternehmen 85 86 87 88 89 90
OECD, Statement on a Two-Pillar Solution, S. 4. S. o. Kapitel 3: B. Prüfungspunkte, S. 83. S. u. Kapitel 6: B.VI. Gesamtabwägung, S. 293. S. o. Kapitel 2: C.II. Probleme für die Steuerrechtsordnungen, S. 63. S. o. Kapitel 3: B.I.2. Effektivität, S. 84. S. o. Kapitel 3: B.I.3. Selektivität, S. 85.
B. Anwendung des Prüfprogramms
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frei, durch die Gründung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ihr steuerliches Pflichtenprogramm zu beeinflussen. Ziel des Vorschlags ist es vielmehr, steuerliche Gestaltungen durch die Erhebung einer Ergänzungssteuer unattraktiv zu machen.91 Fraglich ist, inwieweit dies dem GloBE-Vorschlag gelingt. Anwendung finden die Regelungen immer dann, wenn sich die ETR unterhalb des vereinbarten Mindestbesteuerungsniveaus bewegt, also eine Niedrigbesteuerung vorliegt. Ist dies der Fall, so wird eine Ergänzungssteuer erhoben. Allerdings führt die Ergänzungssteuer nicht zur Anhebung der steuerlichen Last auf das Niveau des Ansässigkeitsstaats der Muttergesellschaft oder eines Staates in dem ein anderer Unternehmensteil eine GloBE-Regelung auslöst, sondern lediglich zur Heraufschleusung der Steuerlast bis auf das vereinbarte Mindestbesteuerungsniveau.92 Daher ist der Mindeststeuersatz von maßgeblichem Einfluss auf die Präventionswirkung der Steuer. Für hochbesteuernde Industrienationen, die regelmäßig Ansässigkeitsstaat digitaler Geschäftsmodelle sind, tritt durch die Regelung kein umfassender Effekt ein, wenn der Mindeststeuersatz nicht annährend an ihre steuerlichen Belastungsquoten herankommt. Denn entweder ist es trotz der Erhebung einer Ergänzungssteuer für Digitalunternehmen weiterhin günstiger, gezielt eine Gewinnverlagerung ins Ausland zu bewirken oder Niedrigsteuerländer, die derzeit mit Steuerquoten unterhalb des Mindestbesteuerungsniveaus arbeiten, heben ihre Steuersätze bis auf die Mindeststeuerrate an und bleiben dennoch steuerlich attraktiver als die Ansässigkeitsstaaten.93 Da mit einem Mindeststeuersatz deutlich unterhalb des Besteuerungsniveaus von hochbesteuernden Industrienationen zu rechnen ist, lohnen sich die identifizierten Gestaltungsoptionen grds. weiterhin für global agierende Unternehmen. Nach unten hin wird der Steuersatzwettbewerb allerdings begrenzt, sodass Anreize zur Verlagerung von Steuersubstrat zwischen niedrig besteuernden Ländern beseitigt werden. Anders zu bewerten ist die Frage danach, ob durch GloBE eine Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle zu einem angemessenen Tarif sichergestellt wird. Zwar führen die GloBE-Regeln, wie soeben gezeigt, nicht zu einer Besteuerung auf dem Niveau des Ansässigkeitsstaat der Konzernmutter oder wesentlicher Konzernteile. Allerdings wird eine Besteuerung zum vereinbarten Mindeststeuersatz sichergestellt. Dieser markiert die Quote, unterhalb welcher eine Besteuerung unter jeglichen Umständen als zu niedrig angesehen wird und ist das Ergebnis einer politischen Absprache.94 Oberhalb dieser Grenze kann es sich bei der Steuerpolitik eines Staates vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs schlichtweg um nachvoll-
91 Vgl. Schildgen, ISR 2019, S. 400; Röder, StuW 2020, S. 35 (41); Englisch/Becker, WTJ 2019, S. 483 (488 f.). 92 S. o. Kapitel 6: A.I.1. Income inclusion rule und switch over rule, S. 245. 93 Vgl. Röder, StuW 2020, S. 35 (40 f.). 94 Vgl. Altenburg/Geberth/Gebhardt/Holle/Oertel, DStR 2019, S. 2451.
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Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
ziehbares Setzen von Anreizen zur Ansiedlung von Wirtschaftstätigkeit handeln.95 Demnach darf das in hochbesteuernden Industriestaaten vorherrschende Besteuerungsniveau nicht ohne Weiteres als Referenz zur Bemessung eines angemessenen Tarifs herangezogen werden. Dem GloBE-Konzept gelingt es jedenfalls, eine Besteuerung zu einem unangemessen niedrigen Tarif zu verhindern. Dies alles zumindest soweit keine bis nur sehr geringe carve-outs ins Regelungssystem eingefügt werden. Bereits die angedachte Ausnahme für substanzbasierte Aktivitäten rückt vom Grundprinzip ab und ermöglicht für arbeits- oder sachbezogene Aktivitäten weiterhin eine Besteuerung unterhalb des Mindeststeuerniveaus. Am Beispiel einer ähnlichen Ausnahme im GILTI-Regime (QBAI) zeigt sich, dass derartige Regelungen sogar dazu führen können, Anreize für Unternehmen zu setzen, herkömmliche Unternehmensaktivitäten zur Steuergestaltung ins niedrigbesteuernde Ausland zu verlegen.96 Dies würde zu einer Verschlechterung der Situation führen, da noch weitgehendere Unternehmensaktivitäten einer steuerlichen Erfassung entzogen würden. Ein wesentlicher Vorteil der globalen Mindestbesteuerung zeigt sich beim Abbau von Ungleichheiten zwischen digitalen und herkömmlichen Unternehmen. Wo die anderen Konzepte Sonderregeln für digitale Geschäftsmodelle vorsehen,97 knüpft der GloBE-Ansatz nicht an die Art des Geschäftsbetriebs an. Im regelungsauslösenden Mittelpunkt steht die Nutzung steuerlicher Gestaltungsoptionen, die zu einer Niedrigbesteuerung führen. Durch diese Anknüpfung werden sämtliche Unternehmen von der Regelung betroffen, unabhängig davon, ob sie als originäres Digitalunternehmen anzusehen sind, digitalisierte Dienstleitungen anbieten oder als herkömmlicher Betrieb auf steuerliche Gestaltungsvarianten zurückgreifen. Die Regelung beseitigt also immer dort bestehende Ungleichheiten in Form von Gestaltungsmöglichkeiten, wo sie genutzt werden. Da digitale Geschäftsmodelle die weitreichendsten Möglichkeiten zur Steuergestaltung eröffnen und deren Verwendung in diesem Bereich typisch ist,98 werden Digitalunternehmen wohl am meisten von der Ergänzungssteuerpflicht betroffen werden. Dies wirkt faktisch bestehenden Besteuerungsungleichheiten zwischen digitalen und herkömmlichen Unternehmen entgegen. Ähnlich sieht es im Hinblick auf die Ungleichheit zwischen MNE und KMU aus. Die Vorteile v. a. von MNE, die kein digitales Geschäftsmodell betreiben, bei der 95 Um andere nachteilige Standortfaktoren, wie einen niedrigeren Entwicklungsgrad, schlechtere Infrastruktur, eine geografische Randlage, etc. auszugleichen, vgl. Röder, StuW 2020, S. 35 (40 f.). 96 Benecke/Rieck, IStR 2021, S. 692 (700). 97 Der Ansatz zur Erhebung eines Marktfaktors als Anknüpfungspunkt für eine Ertragsbesteuerung sieht ein zusätzliches inländisches Merkmal für digitale Geschäftsmodelle vor, das zur Begründung einer beschränkten Steuerpflicht führt; die Digitalsteuer knüpft an das Vorliegen digitaler Dienstleistungen an. 98 S. o. Kapitel 2: C.II.1. Grundproblem: Steuergestaltungsmöglichkeiten digitaler Konzerne, S. 67.
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steuerlichen Gestaltung ihrer Geschäftstätigkeit ergeben sich maßgeblich aus dem Zusammenspiel von wirtschaftlicher Größe und multinationalem Engagement. Damit stehen sie KMU regelmäßig nicht offen. Die Einführung der GloBE-Regeln führt einen Ausgleich dieser Steuergestaltungspraktiken unabhängig davon herbei, ob sich Steuersparmodelle der Eigenheiten digitaler Geschäftsmodelle bedienen oder nicht. Gleichzeitig geht damit jedoch erheblicher Complianceaufwand einher. Um KMU nicht mit diesem Aufwand zu belasten, soll ein am Unternehmensumsatz ausgerichteter Schwellenwert den persönlichen Anwendungsbereich der Normen begrenzen.99 Dabei ist vorgesehen, die Belastung von MNE durch Synergien mit den ohnehin bestehenden CbCR-Regeln abzumildern. So soll einerseits der Schwellenwert bei 750 Mio. Euro liegen, wodurch nur solche Unternehmen den GloBE-Regelungen unterfallen, die entsprechende Daten ohnehin aufgrund der CbCR-Regeln erheben und erklären müssen. Andererseits leiten sich viele der verwendeten GloBETatbestandsmerkmale aus den vorhandenen CbCR-Regeln ab, sodass der Mehraufwand auch für die betroffenen Unternehmen abgemildert wird.100 2. Effektivität Mit dem GloBE-Vorschlag gehen eindeutig Verbesserungen für die aufgezeigte Problemlage einher. So werden bestehende Ungleichheiten in der Besteuerung von MNE und KMU sowie von digitalen und nicht digitalen Konzernen verringert und eine tarifliche Untergrenze etabliert. Schädliche Gestaltungen werden hingegen nicht ausgeschlossen, jedoch weniger attraktiv gemacht. Damit treten Verbesserungen in sämtlichen Problembereichen ein, wenngleich eine vollständige Beseitigung nicht erreichbar ist. Aufgrund der Konzeption des Regelungskonstrukts als Mindeststeuer, gelingt es den vorgesehenen Regelungen, eine absolute Minderbesteuerung zu vermeiden. Damit tritt ein Begrenzungseffekt ein, sodass die identifizierten negativen Effekte zwar abgemildert, nicht aber vollständig aufgehoben werden. Anders als die anderen Vorschläge führt die Mindestbesteuerung dabei nicht zur Unterwerfung von Einkünften oder Umsätzen unter eine Steuer oder ein inländisches Anknüpfungsmerkmal, das an sachliche Kriterien eines Unternehmens, z. B. die Erbringung digitaler Dienstleistungen, anknüpft. Stattdessen wird auf eine Niedrigbesteuerung, die sich aus den vorhandenen allgemeinen Steuerregeln ergibt, mit einer Ergänzungssteuer reagiert. Die Intensität der Maßnahmen ist dem Grunde nach somit auf dieses Reagieren begrenzt. Es erfolgt gerade keine Besteuerung, weil diese als systematisch gerechtfertigt erscheint, sondern nur weil ein anderer Staat seine Besteuerungskompetenz nicht oder nicht ausreichend ausübt. Da der Tarif der Ergänzungssteuer auf die Mindeststeuerquote limitiert ist, ist die Intensität der GloBE-Regelungen auch der Höhe nach begrenzt. 99 100
OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 113 ff. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 41 ff., 115.
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Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
Diese beschriebenen Effekte der Steuerregeln treten allerdings nur dann ein, wenn eine möglichst flächendeckende Erfassung aller MNE gewährleistet werden kann. Zwar ist eine Umsetzung der GloBE-Regelungen durch sämtliche Staaten kaum denkbar. Allerdings führt die Regelungsstruktur aus verschiedenen Mechanismen, die an unterschiedlichen Teilen des Konzerns ansetzen dazu, dass unabhängig von der Konzernstruktur und der Verortung der einzelnen Gesellschaften und Niederlassungen sämtliche zu niedrig besteuerten Einkünfte einer Ergänzungsbesteuerung zugeführt werden können. Demnach kann eine Mindestbesteuerung erfolgen, sobald ein Konzernteil in einem Staat beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtig ist, der die GloBE-Regeln umgesetzt hat. Damit können alle relevanten MNE erfasst werden, auch wenn sich einige Staaten nicht an der Umsetzung des GloBE-Konzepts beteiligen. 3. Selektivität Dass die GloBE-Regeln direkt an die Auswirkungen einer schädlichen Steuergestaltung anknüpfen und nicht an deren Ursachen, ist auch im Hinblick auf die Selektivität vorteilhaft. Erfasst werden so nämlich alle unternehmerischen Maßnahmen zur Steuergestaltung, die von Unternehmen ergriffen werden, welche unter den persönlichen Anwendungsbereich der Steuer fallen, und zu einer ETR unterhalb des Mindestbesteuerungsniveaus führen. Tatbestandsmerkmale, die an eine bestimmte Tätigkeit, eine bestimmte Art der Gewinnerzielung oder das Vorliegen bestimmter juristischer Gestaltungen anknüpfen existieren im Hinblick auf den Eintritt der Steuerpflicht nicht. Die Regelungen wirken damit unabhängig vom Geschäftsmodell des Unternehmens, sodass sämtliche MNE betroffen sind, deren Unternehmensteile einer Minderbesteuerung unterliegen. Erfasst werden daher alle digitalen, digitalisierten, aber auch herkömmlichen Geschäftsmodelle. Allerdings führen carve-outs, insb. für substanzbasierte Aktivitäten, zur Ausnahme eines großen Teils der Einkünfte bestimmter Geschäftsmodelle. Je nach Reichweite und Ausgestaltung der Ausnahmen ist eine faktische Beschränkung des Mindestbesteuerungsregimes auf hochdigitale Geschäftsmodelle zu befürchten.101 Auch für die Zukunftsfähigkeit der Regelung ist die Regelungstechnik der GloBE-Normen von Vorteil. Unabhängig davon, wie sich digitale Geschäftsmodelle mit den fortschreitenden technischen Möglichkeiten ändern, wirkt die Mindestbesteuerung immer bei der Unterschreitung des Mindestbesteuerungsniveaus.102
101 Vgl. Altenburg/Geberth/Gebhardt/Holle/Oertel, DStR 2019, S. 2451 (2454); hingegen spricht Englisch, FR 2021, S. 1 (5) davon, dass „nur etwa 5 % aller derzeit potentiell von GloBE erfassten, niedrig besteuerten Konzerngewinne aus dem Anwendungsbereich der Mindeststeuer herausgenommen würden“. 102 Vgl. Röder, StuW 2020, S. 35 (37).
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4. Zwischenfazit Im Ergebnis verbessern die GloBE-Regeln im Falle einer Umsetzung die festgestellte Problemlage unselektiv und recht effektiv. Durch das eingeführte Mindestbesteuerungsniveau werden zwar schädliche Gestaltungen nicht unmöglich gemacht, allerdings wird deren Wirkung dadurch begrenzt, dass eine Besteuerung zu einem absolut unangemessenen Tarif ausgeschlossen wird. Damit geht auch die Beseitigung von Ungleichheiten in den steuerlichen Gestaltungsoptionen digitaler und nicht digitaler Geschäftsmodelle einher. Für die Berücksichtigung der Ungleichheiten zwischen MNE und KMU findet ein Schwellenwert, der an die CbCRRegeln angelehnt ist, einen sachgerechten Ausgleich. Insgesamt werden die angesprochenen Probleme damit abgemildert, aber nicht völlig beseitigt. Durch die Regelungsstruktur werden flächendeckend sämtliche MNE betroffen, auch wenn einzelne Staaten innerhalb der Konzernstruktur die GloBE-Regeln nicht umsetzen. Erfasst werden dabei auch alle Arten von Unternehmen, da nicht an das Geschäftsmodell oder die Tätigkeit des Unternehmens, sondern an das Vorliegen einer Minderbesteuerung angeknüpft wird.
II. Dogmatische Legitimität Bei der Ermittlung des Prüfungsschemas wurden drei wesentliche Prinzipien festgestellt, die der internationalen Steuerrechtsordnung inhärent sind und über deren Geltung ein Grundkonsens besteht. Der Reformvorschlag muss sich daher danach beurteilen lassen, ob er dem Territorialitätsprinzip Rechnung trägt, also einen ausreichenden genuine link beinhaltet, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch Wahrung des Leistungsfähigkeitsprinzips sicherstellt und eine Besteuerung vor dem Hintergrund des Nutzenprinzips als gerechtfertigt erscheint.103 Das Wertschöpfungsprinzip findet dabei keine Rezeption, da es sich – wie gezeigt – nicht zur Zuordnung von Besteuerungsrechten im hier vorliegenden Kontext eignet.104 1. Territorialitätsprinzip und genuine link Das Territorialitätsprinzip rechtfertigt den steuerlichen Zugriff eines Staates auf steuerliches Substrat dann, wenn diesem eine bestimmte Regelungsgewalt über den Sachverhalt zukommt. Betrachtet man die GloBE-Regelungen, so zeigt sich, dass sich für jedes Regelungsinstitut ein territoriales Anknüpfungsmerkmal finden lässt. Die income inclusion rule nutzt die unbeschränkte Steuerpflicht einer Gesellschaft und führt dieser Erträge einer niedrig besteuerten Tochtergesellschaft zu; gleiches 103
Im Einzelnen s. o. Kapitel 3: B.II.1. Territorialitätsprinzip und genuine link, S. 86; Kapitel 3: B.II.3. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, S. 106; Kapitel 3: B.II.4. Äquivalenz-/Nutzenprinzip, S. 111. 104 S. o. Kapitel 3: B.II.2. Wertschöpfungstheorie, S. 95.
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Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
gilt parallel für die switch over rule in Betriebsstättensachverhalten.105 Umgekehrt beruht die undertaxed payment rule auf der unbeschränkten Steuerpflicht der Tochtergesellschaft bei der der Abzug bestimmter Ausgaben beschränkt wird.106 Für diese Rechtsinstitute kann sich die besteuernde Jurisdiktion also auf die subjektive Territorialität berufen. Sie beschreibt die Regelungsgewalt über Personen, die sich dauerhaft im Staat aufhalten und findet typischerweise im Welteinkommensprinzip ihre steuerrechtliche Ausformung.107 Eine Anknüpfung an Sachverhalte oder Tatbestände, die außerhalb des Staatsgebiets eintreten, ist dabei Ausdruck der materiellen Territorialität.108 Lediglich die geplante subject to tax rule setzt bei einer beschränkten Steuerpflicht der Muttergesellschaft im Staate der Tochtergesellschaft an. Hierfür müssten die Kataloge des § 49 Abs. 1 EStG und der Art. 7, 10 bis 13, 21 OECD-MA angepasst werden. Dies betrifft damit die objektive Territorialität, die nur dann gewährleistet ist, wenn ein genuine link zwischen den Einkünften der Muttergesellschaft und dem Staatsgebiet des Quellenstaates besteht.109 Betrachtet man dies vor dem Hintergrund der dargelegten Voraussetzungen für einen genuine link,110 so lässt sich ein solcher durchaus herleiten. Die Einkünfte der Muttergesellschaft, die von der subject to tax rule erfasst werden, sind in jedem Fall durch die Tätigkeit der Tochtergesellschaft im Quellenstaat erwirtschaftet worden. Gerade für Gewinnausschüttungen, die nach Art. 10 Abs. 1 OECD-MA dem Ansässigkeitsstaat zur Besteuerung zugewiesen sind,111 aber auch für Zinsen, Lizenzgebühren und sonstige Einkünfte, lassen sich gewichtige Bezüge zum Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft begründen. Die dortige Erwirtschaftung der Einkünfte durch Geschäftstätigkeit der Tochtergesellschaft genügt einem Mindestmaß an Einsichtigkeit, stellt eine nahe, substantielle und gewichtige Tatsache für die Rechtfertigung einer Besteuerung sowie eine erhebliche und dauerhafte rechtlich relevante Inlandsbeziehung dar. Auch handelt es sich um exklusiv im Inland entstandenes Vermögen.112 Die für die subject to tax rule erforderliche Einführung einer beschränkten Steuerpflicht ginge daher mit dem Territorialitätsprinzip konform. Während der Großteil der GloBE-Regeln die subjektive Territorialität der Ansässigkeitsstaaten ausnutzt, gelingt es der subject to tax rule einen genuine link zur
105
S. o. Kapitel 6: A.I.1. Income inclusion rule und switch over rule, S. 245. S. o. Kapitel 6: A.I.2. Undertaxed payment rule und subject to tax rule, S. 246. 107 Ausführlich dazu s. o. Kapitel 3: B.II.1.a) Kriterien des Territorialitätsprinzips, S. 86. 108 So auch die Analyse in: Wissenschaftlicher Beirat Steuern EY, Beilage zu DB 2019 Heft 50, S. 3 (9). 109 S. o. Kapitel 3: B.II.1.a) Kriterien des Territorialitätsprinzips, S. 86. 110 S. o. Kapitel 3: B.II.1.b) Kriterien des genuine links, S. 89. 111 Bereits jetzt weist Art. 10 Abs. 2 S. 1 OECD-MA dem Quellenstaat ein teilweises Besteuerungsrecht zu und erkennt damit einen Zusammenhang mit diesem Territorium an. 112 So auch Vogel, DStJG 8 (1985), S. 3 (23 ff.). 106
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Rechtfertigung einer beschränkten Steuerpflicht zu begründen. So betrachtet, trägt GloBE dem Territorialitätsprinzip ausreichend Rechnung.113 Eine derartige Betrachtung ist jedoch zu eindimensional und lässt die steuerrechtlichen Wirkungen einer konzernmäßigen Aufteilung der Tätigkeiten in einem Unternehmen außer Acht. Sowohl die income inclusion rule als auch die undertaxed payment rule sehen eine Besteuerung von Einkünften einer anderen Kapitalgesellschaft bei deren Mutter- bzw. Tochtergesellschaft vor.114 Dies führt zu einer Durchbrechung des körperschaftsteuerrechtlichen Trennungsprinzips, das eine eigenständige Betrachtung der Einkünfte jeder Körperschaft vorsieht.115 Im internationalen Kontext führt dies zur Abschirmwirkung und so zur Abgrenzung der territorialen Besteuerungskompetenzen.116 In ähnlicher Weise gilt dies auch für die subject to tax rule. Bei ihr geht es zwar nicht um die Besteuerung bei einer anderen Gesellschaft, sondern um die Heranziehung einer Gesellschaft in einem Land, in dem es ihr nach aktuellem Recht an einem inländischen Anknüpfungsmerkmal fehlt. Dennoch führt auch diese Maßnahme zur Unterwerfung der Einkünfte einer ausländischen Gesellschaft unter die Mindestbesteuerung, wodurch letztlich – für den Konzern betrachtet – die gleiche Umgehung des körperschaftsteuerlichen Trennungsprinzips erreicht wird. Fraglich ist daher, ob die Durchbrechung des körperschaftsteuerrechtlichen Trennungsprinzips mit der Gebietshoheit der beteiligten Jurisdiktionen in Einklang steht. Hierfür spricht zunächst die Eingliederung der einzelnen Gesellschaften in ein Gesamtunternehmen. Die territoriale Zugriffsmöglichkeit auf die Einkünfte einer ausländischen Gesellschaft lässt sich hierbei über die Beteiligungsverhältnisse herleiten. Aus der Inhaberschaft der Gesellschaftsrechte117 ergeben sich erhebliche Tatsachen und eine rechtlich relevante Inlandsbeziehung, wodurch sich ein genuine link zum Territorium der Tochter- bzw. Muttergesellschaft ableiten lässt. Dass dies der Fall ist, zeigt bereits die Tatsache, dass eine Besteuerung im Falle der income inclusion rule bereits jetzt schon erfolgt, diese jedoch von einer Ausschüttung abhängt.118 Hinter dem Zugriff steht zudem das legitime Ziel der Gestaltungsabwehr. Mit den GloBE-Regelungen sollen die Besteuerungskompetenzen der beteiligten Staaten nicht etwa aus bloßem Fiskalzweck ausgeweitet werden. Vielmehr steht die Verhinderung der Ausnutzung ausländischer Territorialmacht mit dem Ziel der Steuerersparnis im Vordergrund. Dies zeigt sich vor allem an der vorgesehen An-
113
Bereits an dieser Stelle kritisch: Hidien/Versin, DK 2019, S. 245 (249). Die switch over rule führt den gleichen Effekt für freigestellte Betriebsstätten herbei. 115 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 11.2, Rz. 13.135; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 13.1. 116 Vgl. Hey/Härtwig, in: FS Lehner, S. 75 (80); Vogel, DStJG 8 (1985), S. 3 (4). 117 Hierfür ist maßgebend, ob die Unternehmenseinheit in den Konzernabschluss miteinzubeziehen ist, vgl. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 48. 118 Hey/Härtwig, in: FS Lehner, S. 75 (81). 114
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rechenbarkeit ausländischer Steuern auf die Ergänzungssteuer.119 Zudem werden die neuen Steuerkompetenzen in besonders territorialitätsschonender Weise ausgeübt. Sämtliche GloBE-Regelungen beinhalten eine Art ultima-ratio-Vorbehalt: Erst wenn der Staat, dem nach den allgemeinen unilateralen und DBA-rechtlichen Verteilungsregeln das Besteuerungsrecht zusteht, seine damit verbundene territoriale Macht nicht oder nur marginal ausübt, kommt die Ergänzungsbesteuerung zum Zuge. Ebenso wird auf die GloBE-Einkünfte nicht der gewöhnliche inländische Steuersatz angewendet, sondern lediglich eine Ergänzungsbesteuerung bis auf das Mindestbesteuerungsniveau herbeigeführt.120 Diese Ausgestaltungen zeigen die Rücksichtnahme auf die Gebietshoheit der beteiligten Jurisdiktionen. Zwar wird durch die GloBE-Regeln in die Territorialmacht der anderen Staaten eingegriffen. Dieser Eingriff erfolgt jedoch unter Ausnutzung der eigenen territorialen Macht unter Berücksichtigung des genuine link-Erfordernisses, zur Gestaltungsabwehr und unter Herbeiführung eines schonenden Ausgleichs der Territorialkompetenzen aller beteiligten Staaten. Insofern ist das Territorialitätsprinzip gewahrt. 2. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung Die GloBE-Regelungen errichten ein System aus Normen zum Ausschluss schädlicher Gestaltungen. Dem ist die Annahme inhärent, dass die bisherigen Steuerregelungen Möglichkeiten zur Reduzierung der Steuerlast bieten, die einer Besteuerung orientiert an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zuwiderlaufen. Der Anwendungsbereich der Regelungen ist daher – im Gegensatz zu den beiden anderen Vorschlägen – auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen eine unsachgerechte Besteuerung festgestellt wird. Dem Leistungsfähigkeitsprinzip muss daher sowohl bei der Identifikation der Minderbesteuerung als auch bei der Durchführung der Ergänzungsbesteuerung Rechnung getragen werden. Die Identifikation der Minderbesteuerung erfolgt anhand anerkannter handelsrechtlicher Rechnungslegungsvorschriften, die an die steuerlichen Beurteilungsbedürfnisse angepasst werden.121 Demnach werden dort Erwerbsaufwendungen und Verluste ausreichend berücksichtigt, sodass die Ermittlung der regelungsauslösenden ETR unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Unternehmenseinheit erfolgt. Problematischer zeigt sich die Durchführung der Ergänzungsbesteuerung. Zwar wird die Steuerlast der Höhe nach anhand der ermittelten ETR unter Berücksichtigung der bereits entrichteten Steuern bestimmt.122 Allerdings erfolgt dem Grunde nach zielgerichtet eine Besteuerung der Einkünfte in zwei Jurisdiktionen. Anders als bei der Digitalsteuer werden hierbei allerdings unterschiedliche Steuersubjekte 119 120 121 122
OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 371 ff. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 412. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 154 ff. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 371 ff.
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herangezogen, sodass keine juristische, sondern eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung123 vorliegt. Gleichzeitig kann jedoch auch von einer bloßen virtuellen Doppelbesteuerung gesprochen werden, da der Staat mit dem Erstbesteuerungsrecht seine durch DBA zugewiesene Besteuerungskompetenz nicht oder nur unzureichend ausübt.124 All dies beschreibt bislang nur das Phänomen der Doppelbesteuerung, gibt letztlich aber noch keinen Aufschluss darüber, ob die erhobene Ergänzungssteuer nicht dennoch die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens berücksichtigt. Dafür kommt es auf die Wirkung der Ergänzungssteuer an.125 Eine Besteuerung, die der Gesamtleistungsfähigkeit Rechnung trägt, erfordert die Beachtung sämtlicher Einkünfte eines Unternehmens unter Abzug der Erwerbsaufwendungen und unter der Berücksichtigung von Verlusten. Problematisch erscheint dabei, dass dieselben Einkünfte sowohl von einer Steuer im Staat der Erstbesteuerung als auch kumulativ von der Mindestbesteuerung betroffen sein können. So wird dieselbe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zweimal bei der Besteuerung herangezogen. Dies alleine erscheint allerdings unproblematisch, da die Verringerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch die Erstbesteuerung durch eine Anrechnung dieser Steuer auf die Ergänzungssteuer Berücksichtigung findet.126 Aufgrund des ultima ratio-Charakters der GloBE-Regelungsinstitute kann die erhobene Ertragsteuer die zu entrichtende Mindeststeuer nicht überschreiten, da diese dann gar nicht anfällt. Die Anrechnung stellt sich daher als eine Vollanrechnung dar, sodass dem Leistungsprinzip Rechnung getragen wird. Daneben stellt sich noch die Frage, ob die Sonderstellung der Ergänzungssteuer eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung ausschließt. Folge der GloBE-Regeln ist nämlich weder eine Gleichstellung mit Steuerinländern des GloBE-Staates, noch mit Steuerinländern des anderen Staates. Es greift weder der eine noch der andere gewöhnliche Steuertarif, sondern der besondere Mindeststeuersatz.127 Durch die Rechtsinstitute wird also weder Kapitalimport- noch -exportneutralität erreicht, was beides legitime Varianten einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung darstellen würde.128 Dies steht jedoch nicht mit einer Besteuerung in Konflikt, die die Gesamtleistungsfähigkeit erfassen will.129 Die erhobene Ergänzungssteuer dient dabei gerade der Erfassung des Steuersubstrats, das aufgrund von Nicht- oder Minderbesteuerung bislang nicht leistungsfähigkeitsgerecht besteuert wurde. Dabei unter123
(139). 124
Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Grundlagen Rz. 9; Mössner, DStJG 8 (1985), S. 135
Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 15.8. Vgl. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 6.55. 126 Die Anrechnungsmethode ist ein anerkanntes Mittel zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und trägt der wirtschaftlichen Gesamtleistungsfähigkeit Rechnung, vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 17.92 ff.; Mössner, DStJG 8 (1985), S. 135 (159 ff.). 127 S. o. Kapitel 6: A.I.1. Income inclusion rule und switch over rule, S. 245. 128 Mössner, DStJG 8 (1985), S. 135 (138). 129 Stattdessen handelt es sich um eine gleichheitsrechtliche Frage. Dazu s. u. Kapitel 6: B.III.1. Nationale Grundlagen, S. 271. 125
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Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
liegen sämtliche zu gering belasteten Einkünfte demselben Steuersatz. Dieser führt aufgrund seiner geringen Höhe und der Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen und Verlusten jedenfalls nicht zu einer Besteuerung, die vor dem Hintergrund der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unverhältnismäßig erscheint. Auch in dieser Hinsicht genügen die GloBE-Regelungen den Anforderungen des internationalen Leistungsfähigkeitsprinzips. 3. Äquivalenz-/Nutzenprinzip Ziel der GloBE-Regeln ist es, eine weltweite Mindestbesteuerung einzuführen, ohne dass dafür die Beteiligung aller Staaten erforderlich ist. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die einzelnen Regelungen darauf gerichtet, eine Besteuerung der nicht oder minderbesteuerten Einkünfte dort vorzunehmen, wo innerhalb der jeweiligen Unternehmensstruktur bereits ein steuerlicher Zugriff vorhanden oder effektiv errichtbar ist. Dabei hängt der Ort der Besteuerung nicht starr von Art und Lokation des eintretenden Einkünftetatbestandes ab, sondern bezieht flexibel die Nichtausübung zugewiesener Besteuerungskompetenzen innerhalb der Konzernstruktur ein. Übt ein Staat seine Besteuerungskompetenz nicht oder nicht ausreichend aus, sorgt ein GloBE-Staat für die ausreichende Belastung der Einkünfte. Fraglich ist, ob die dortige Steuererhebung mit der Möglichkeit zur Inanspruchnahme staatlicher Leistungen durch den Steuerpflichtigen und damit dem Nutzenprinzip korreliert. Die income inclusion rule und die switch over rule sorgen bei deren Anwendung für eine Besteuerung in Staaten, in denen eine übergeordnete Konzerngesellschaft, möglichst die Konzernmutter (sog. ultimate parent entity), ansässig ist.130 Dadurch, dass die unternehmerische Aktivität immer weiter gebündelt wird und damit auch die Nutzung staatlicher Ressourcen mit aufsteigender Unternehmensebene regelmäßig zunimmt, lässt sich durchaus ein Zusammenhang zwischen erzieltem Gewinn und der Zugriffsmöglichkeit des Steuerpflichtigen auf erhebliche staatliche Ressourcen herstellen.131 Die undertaxed payment rule führt dagegen durch Versagung des Kostenabzugs zu einer Besteuerung im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft, also im Staat einer nachgeordneten Konzernebene. In demselben Staat soll auch mithilfe der subject to tax rule besteuert werden, jedoch durch einen Quellenabzug für Rechnung der Muttergesellschaft.132 Eine generelle nutzentheoretische Rechtfertigung erscheint hier schwierig, da eine Besteuerung unabhängig davon erfolgt,
130
S. o. Kapitel 6: A.I.1. Income inclusion rule und switch over rule, S. 245. Zur nutzentheoretischen Rechtfertigung des Besteuerungsrechts des Ansässigkeitsstaates: Hey, in: FS Lang, S. 133 (160); differenziert: Vogel, DStJG 8 (1985), S. 3 (27); frühe Ansätze bereits bei: Schanz, Finanzarchiv 1892, S. 365. 132 S. o. Kapitel 6: A.I.2. Undertaxed payment rule und subject to tax rule, S. 246. 131
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welche unternehmerischen Aktivitäten in einem Staat stattfinden und damit unabhängig von der möglichen Inanspruchnahme staatlicher Leistungen.133 Zwar sieht der GloBE-Ansatz zudem klare Kollisionsregeln134 zwischen den einzelnen Regelungen vor, jedoch orientiert sich der besteuerungsberechtigte Staat gerade nicht an sachbezogenen Kriterien oder einer einheitlichen Überlegung, sondern hängt vom Einzelfall ab. Die Möglichkeit zur Inanspruchnahme staatlicher Leistungen, die im Zentrum der nutzentheoretischen Rechtfertigung steht, spielt daher bei der Zuweisung der Besteuerungsrechte bei diesem Ansatz keine Rolle. Dennoch ist in diesem Zusammenhang die den GloBE-Regeln inhärenten Anrechnungsmethode zu berücksichtigen. Der GloBE-Staat lässt die Ausübung der Besteuerungsrechte des jeweils anderen Staates unangetastet, indem lediglich eine Ergänzungssteuer erhoben wird, die der Differenz zwischen erhobener Minderbesteuerung und dem Mindeststeuersatz entspricht. Die nutzentheoretisch gerechtfertigte Besteuerung durch den anderen Staat wird damit nicht beeinträchtigt. Gleichwohl verrät diese Abwägung nichts über die Rechtfertigung des Zugriffs durch den GloBE-Staat. Anders als die herkömmliche Hinzurechnungsbesteuerung betreffen die GloBE-Regelungen nicht nur passive Einkünfte, für die in Anspruch genommen werden kann, dass sie kaum Aufwand im Quellenstaat auslösen und die Teilhabemöglichkeiten an staatlichen Leistungen daher gering sind. Allerdings dient das GloBE-Konzept und die enthaltenen Regelungen gerade der Verhinderung gezielter Verlagerung von Besteuerungsrechten zur Ausnutzung günstigerer steuerlicher Gegebenheiten auch bei aktiven Einkünften. Die Verlagerung tatsächlicher Wirtschaftstätigkeit gelingt digitalen und digitalisierten Unternehmen vor allem aufgrund der Unkörperlichkeit großer Teile ihrer Geschäftsmodelle.135 Die Überführung derartigen geistigen Eigentums führt jedoch nicht tatsächlich zu einer örtlichen Veränderung der Wirtschaftstätigkeit, sodass die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme staatlicher Leistungen in den anderen Staaten weitgehend erhalten bleiben. Dieser Hintergrund findet im ultima ratio-Prinzip der GloBE-Regelungen und auch im angedachten carve-out für substanzbasierte Aktivitäten seine Berücksichtigung. Die Normen greifen nur Platz, wenn eine absolute und schädliche Minderbesteuerung identifiziert wurde. In diesen Fällen darf angenommen werden, dass die juristisch-örtliche Verteilung der Unternehmensfunktionen steuerlich motiviert ist und kaum Rückschlüsse auf die tatsächlichen Aktivitäten des Unternehmens in den einzelnen Staaten zulässt. Auch die mit diesen Aktivitäten verbundenen Möglichkeiten zur Inanspruchnahme staatlicher Leistungen sind damit schwer verortbar. Aus nutzentheoretischer Sicht ist daher ein nachrangiger und teilweiser Zugriff des GloBE-Staates auf das Besteuerungssubstrat gerechtfertigt. 133
I. R. d. undertaxed payment rule könnte man immerhin auf die generelle nutzentheoretische Rechtfertigung des Zugriffs des Ansässigkeitsstaates der Gesellschaft rekurrieren, vgl. Hey, in: FS Lang, S. 133 (160). 134 S. o. Kapitel 6: A.I.5. Verhältnis der GloBE-Regelungen zueinander, S. 250. 135 S. o. Kapitel 2: C.I.1. Marktteilnahme ohne physische Präsenz, S. 63.
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4. Zwischenfazit Insgesamt lässt sich die dogmatische Legitimität vor dem Hintergrund der genannten Prinzipien durchaus begründen. Dem Territorialitätsprinzip wird in erster Linie durch die Anknüpfung an vorhandene Kompetenzen gegenüber Ansässigen (subjektive Territorialität) Rechnung getragen. Weitere Besteuerungsrechte können durch einen ausreichenden genuine link gerechtfertigt werden. Die Durchbrechung des Trennungsprinzips als Ausformung des Territorialitätsprinzips bei Körperschaften führt aufgrund der Berücksichtigung des genuine link-Erfordernisses, dem Ziel der Gestaltungsabwehr und der Herbeiführung eines schonenden Ausgleichs der Territorialkompetenzen aller beteiligten Staaten nicht zur Illegitimität. Im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip überzeugen die Merkmale der GloBE-Regelungen. Bei der Ermittlung der ETR wird an etablierte Rechnungslegungsstandards angeknüpft, sodass eine Aufwands- und Verlustberücksichtigung vorhanden ist. Dennoch erfolgt durch GloBE ein Zugriff zweier Staaten auf das Steuersubstrat, wenngleich dies durch Anknüpfung an unterschiedliche Steuersubjekte passiert (sog. wirtschaftliche Doppelbesteuerung). Aufgrund der enthaltenen Anrechnungsmethode orientiert sich die Steuerlast dennoch an der Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens. Der besondere Mindeststeuertarif widerspricht dem Prinzip ebenso wenig. Zuletzt liegt auch eine nutzentheoretische Rechtfertigung vor. Zwar nehmen die unterschiedlichen GloBE-Regelungen auch unterschiedliche Besteuerungsjurisdiktionen in den Blick, für die die Besteuerungskompetenz von den jeweiligen Unternehmensverhältnissen abhängt. Gleichwohl entzieht GloBE den anderen Staaten ihre nutzentheoretisch gerechtfertigte Kompetenz nicht, sondern knüpft an deren unsachgemäße Ausübung an. Dabei lässt sich vor dem Hintergrund der juristischen Verlegung unkörperlichen Substrats weiterhin eine faktische Nutzungsmöglichkeit für staatliche Leistungen im GloBE-Staat herleiten.
III. Kohärenz mit der Rechtsordnung Um aus normativer Sicht sicherzustellen, dass die Regelungen des Reformmodells insbesondere im Hinblick auf höherrangiges Recht zulässig sind und Widersprüche mit der bestehenden Rechtsordnung vermieden werden, sollen diese mit den herausgearbeiteten nationalen136 und europäischen137 Maßstäben abgeglichen werden. Hierbei sind – aus nationaler Perspektive – die formelle und materielle Verfassungsmäßigkeit sowie die Kohärenz mit einfachgesetzlichen Regelungen und – 136 137
Kapitel 3: B.III.1. Nationale Grundlagen, S. 116. Kapitel 3: B.III.2. Europäische Grundlagen, S. 122.
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aus europäischer Sicht – Verstöße gegen die Marktfreiheiten und das Beihilfeverbot zu prüfen. 1. Nationale Grundlagen Bevor die Kohärenz der GloBE-Regelungen mit der nationalen Rechtsordnung erörtert werden kann, ist zu klären, wie eine Implementierung der internationalen Absprache ins nationale Gesetz erfolgen kann. So ist der Erlass eines separaten Mindestbesteuerungsgesetzes, das sämtliche Regelungsinstitute zusammenführt, kaum denkbar. Vielmehr würden die einzelnen GloBE-Regelungsinstitute i. R. eines Umsetzungsgesetzes durch punktuelle Anpassung von EStG, KStG, AStG und den ertragsteuerlichen DBA in die Rechtsordnung eingeführt.138 Die income inclusion rule wäre als Ergänzung oder Änderung der Hinzurechnungsbesteuerung im AStG zu verorten, die undertaxed payment rule als Betriebsausgabenabzugsbeschränkung in den Gewinnermittlungsvorschriften des EStG.139 Switch over rule und subject to tax rule stellen DBA-rechtliche Institute dar und bedürften deshalb neben einer bilateralen Vereinbarung einer parlamentarischen Zustimmung per Gesetz, Art. 52 Abs. 2 S. 1 GG.140 Gleichwohl würde die switch over rule auch die Abänderung der inländischen Anknüpfungsmerkmale in § 49 Abs. 1 EStG erfordern, damit eine DBArechtlich zugestandene Quellenbesteuerung überhaupt erfolgen kann. Um eine Besteuerung zum reduzierten Mindeststeuertarif zu erreichen, kann auf Teilfreistellungs- und Anrechnungsmechanismen zurückgegriffen werden.141 a) Formelle Verfassungsmäßigkeit Für die Gesetzgebungskompetenz spielt der Regelungsstandort der GloBENormen allenfalls mittelbar eine Rolle. Da es sich um Änderungen der Einkommensbzw. Körperschaftsbesteuerung handelt, deren Aufkommen gemäß Art. 106 Abs. 3 S. 1 GG Bund und Länder gemeinsam zufließt, ergibt sich eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für den Bund aus Art. 105 Abs. 2 S. 2 GG.142 Die Erhebung der Einkommen- und Körperschaftsteuer erfolgt in Bundesauftragsverwaltung durch die Finanzämter, Art. 108 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 GG. 138 In ähnlicher Weise haben die USA ihr GILTI- und BEAT-Besteuerungsregime implementiert, vgl. Gsödl/Schmid, ifst-Schrift 524, S. 13 ff. 139 Die undertaxed payment rule gleicht in Ihrer Funktionsweise der Zinsschranke (§ 4 h EStG) und der Lizenzschranke (§ 4j EStG), sieht jedoch ein Abzugsverbot für eine Vielzahl an Zahlungen vor. 140 Eine Umsetzung dieser Regelungen wäre jedoch auch als unilaterales treaty override denkbar, dazu s. u. Kapitel 6: B.V.3.a) Umsetzungsebene, S. 287. 141 Vergleichbar der US-amerikanischen GILTI-Besteuerung, § 250 (a) (1) (b) (i) IRC oder dem Teileinkünfteverfahren des § 3 Nr. 40 EStG im deutschen Recht, vgl. Gsödl/Schmid, ifstSchrift 524, S. 13 ff. 142 Der Gesetzesänderung müsste vom Bundesrat zugestimmt werden, Art. 105 Abs. 3 GG.
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b) Materielle Verfassungsmäßigkeit Im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz kommt dem GloBE-Vorschlag seine technische Anknüpfung an die ausländische Steuerquote gelegen. So muss der Steuergegenstand nicht durch einen auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff seiner Eigenart nach umrissen werden. Vielmehr ergibt er sich nach Inhalt, Zweck und Ausmaß klar aus dem Bezug zur erfolgten Besteuerung. Deutlich problematischer erscheint die Vereinbarkeit des GloBE-Ansatzes mit Art. 3 Abs. 1 GG. Im Zusammenhang sowohl mit der Inboundbesteuerung durch die income inclusion rule als auch der Outboundbesteuerung durch die undertaxed payment rule entstehen potentielle Verwerfungen zu den gleichheitsrechtlichen Geboten der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit. Zwar existieren in beiden Fällen bereits Regelungen im Gesetz, die den GloBE-Regelungen in ihrer Funktionsweise ähneln.143 Dennoch verbietet sich eine ungesehene Übertragung verfassungsrechtlicher Bewertungen, da Abweichungen in der Zielsetzung, der Reichweite und den Folgen teils zu diametral anderen Wertungen führen müssen. Die income inclusion rule wahrt durch die Anknüpfung an Nettoeinkünfte und die Anrechnung der bereits erhobenen Steuern grds. das objektive Nettoprinzip als Ausprägung des Leistungsfähigkeitsgebots.144 Eine Ungleichbehandlung ergibt sich stattdessen aus dem Vergleich von Steuerpflichtigen, deren ausländische Einkünfte im Inland der Nachbesteuerung durch die income inclusion rule unterliegen und solchen, deren Auslandseinkünfte von keiner inländischen Ergänzungssteuer betroffen sind. Die Möglichkeit, Einkünfte einer ausländischen Tochtergesellschaft bei der Gesellschafterbesteuerung im Inland zu berücksichtigten, wird durch die Durchbrechung des körperschaftsteuerrechtlichen Trennungsprinzips erreicht. Diese Durchbrechung erscheint – auch auf nationaler Ebene – vor dem Hintergrund des Folgerichtigkeitsgebots als betrachtungswürdig.145 Die Einbeziehung von Einkünften minderbesteuerter ausländischer Tochtergesellschaften bei der Besteuerung der Muttergesellschaft konterkariert die grundsätzliche Entscheidung zur Nichtbelastung der Einkünfte von Tochtergesellschaften beim Gesellschafter. Zwar wird die Grundentscheidung zur steuerlichen Subjekttrennung zwischen der Kapitalgesellschaft und deren Anteilseigner bereits heute an einigen Stellen im Gesetz durchbrochen, dennoch kann bislang nicht von einer generellen Abkehr von diesem Grundsatz des Ertragsteuersystems gesprochen werden.146 Damit verstößt die income inclusion rule gegen das Folgerichtigkeitsgebot. 143
So ähnelt die income inclusion rule der Hinzurechnungsbesteuerung in §§ 7 ff. AStG, die undertaxed payment rule der Zins- und Lizenzschranke in §§ 4h, 4j EStG. 144 Vgl. Pinkernell/Ditz, ISR 2020, S. 1 (10). 145 Zum Leistungsfähigkeitsprinzip im völkerrechtlichen Kontext, s. o. Kapitel 6: B.II.2. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, S. 266. 146 Ausführlich: Böhmer, StuW 2012, S. 33 (38).
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Ein weiterer Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG kann sich aus der vergleichsweise geringeren Belastung der GloBE-Einkünfte ergeben. Während sich der Besteuerungstarif sämtlicher Einkünfte – auch der Hinzurechnungseinkünfte – aus §§ 23 ff. KStG bzw. §§ 31 ff. EStG ergibt, sollen Einkünfte, die aus den GloBE-Instrumenten stammen, lediglich auf das Mindeststeuerniveau147 hochgeschleust werden. Global wirtschaftlich dient dies zwar der Vermeidung eines Lock-In-Effekts und soll den schädlichen Steuersatzwettbewerb (sog. race to the bottom) begrenzen, nicht aber zu signifikant höheren Steuereinnahmen in den GloBE-Staaten führen.148 Bei Betrachtung auf nationaler Ebene erscheint hingegen weniger nachvollziehbar, warum passive ausländische Einkünfte, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterfallen, mit dem herkömmlichen Steuersatz, aktive GloBE-Einkünfte jedoch nur mit einer reduzierten Quote belastet werden.149 Die Belastungsentscheidung zur einheitlichen Besteuerung aller Unternehmenseinkünfte wird damit nicht folgerichtig i. S. d. Belastungsgleichheit durchgehalten. Zwar ließe sich hier argumentieren, dass gar keine Privilegierung der GloBE-Einkünfte gegenüber anderen Einkünften vorliegt, da diese ja grds. gar nicht besteuert würden. Diese Betrachtung verkennt jedoch, dass eine gesetzgeberische Entscheidung zur Besteuerung nicht vor dem Hintergrund einer bisherigen Nichtbesteuerung, sondern unter Berücksichtigung des vorhandenen Systems als folgerichtig erscheinen muss. Daneben verstößt die undertaxed payment rule gegen das objektive Nettoprinzip als Ausprägung des Gebots zur Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.150 Sie regelt einen Betriebsausgabenabzugsverbot in Fällen, in denen die getätigten Betriebsausgaben einer ausländischen Gesellschaft zufließen, die i. R. d. CbCR-Regeln in die Konzernfinanzberichtserstattung einbezogen ist und einer Besteuerung unterhalb des Mindeststeuersatzes unterliegt. Durch dieses Ausgabenabzugsverbot werden bei der Besteuerung der Tochtergesellschaft nicht mehr alle vorhandenen Erwerbsaufwendungen abgezogen, sodass in Teilen eine Bruttobesteuerung vorliegt. Dies widerspricht dem objektiven Nettoprinzip und stellt damit ebenfalls ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip dar. Auch bei der undertaxed payment rule werden die anfallenden Mehreinkünfte lediglich dem Mindeststeuersatz unterworfen und nicht wie bei der Zins- bzw. Lizenzschranke dem allgemeinen Tarif. Damit liegt auch hier ein Verstoß gegen das Folgerichtigkeitsprinzip vor. Zwar sind die Ausgangspunkte der verfassungsrechtlichen Verstöße bei der income inclusion rule und der undertaxed payment rule unterschiedlich. Einerseits erfolgt die Ungleichbehandlung aufgrund der Durchbrechung des Trennungsprin147
Zur Höhe s. o. Kapitel 6: A.II.1. Mindeststeuersatz, S. 255. Vgl. OECD, Public Consultation Document, Rz. 89 ff.; zum Lock-In-Effekt: Röder, StuW 2020, S. 35 (41). 149 Vgl. Pinkernell/Ditz, ISR 2020, S. 1 (11). 150 Altenburg/Geberth/Gebhardt/Holle/Oertel, DStR 2019, S. 2451 (2457); Pinkernell/ Ditz, ISR 2020, S. 1 (11). 148
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zips, andererseits durch die Nichtberücksichtigung bestimmter Betriebsausgaben. Bei beiden ergibt sich aus dem abweichenden Steuersatz der Verstoß gegen das Folgerichtigkeitsgebot. Für sämtliche Verstöße müssen jedoch dieselben Rechtsfertigungsabwägungen angestellt werden. Die unterschiedlichen Anwendungskonstellationen ändern nichts am angestrebten Ziel der weltweiten Mindestbesteuerung und der Beseitigung der Minderbesteuerung digitaler und anderer Geschäftsmodelle internationaler Konzerne. Zunächst könnte man an daran denken, in den GloBE-Regelungen Maßnahmen zur Missbrauchsabwehr zu erkennen und die gleichheitsrechtlichen Eingriffe durch dieses legitime Ziel zu rechtfertigen. Eine derartige Rechtfertigung ist für die Hinzurechnungsbesteuerung anerkannt,151 für die Zins- und Lizenzschranke jedoch strittig.152 Für deren Rechtfertigung wird typisierend argumentiert, dass die Passivierung von Einkünften sowie übermäßige Zins- und Lizenzgebührenzahlungen an ausländische Konzerngesellschaften der gezielten Ausnutzung des internationalen Steuergefälles dienen. Die regelmäßige Richtigkeit dieser Annahme ergäbe sich aus den eng zugeschnittenen Tatbeständen der Normen, die an typische Steuergestaltungsmechanismen anknüpfen. Dies ist auch der Grund, weswegen bei den GloBERegeln eine Rechtfertigung durch den Zweck der Missbrauchsabwehr nicht in Betracht kommt. Die GloBE-Tatbestände sind weitaus weniger eng. Sowohl bei der income inclusion rule als auch bei der undertaxed payment rule wird lediglich an das Vorliegen einer Minderbesteuerung im Ausland angeknüpft. Der Grund für diese Minderbesteuerung spielt hingegen keine Rolle. So sind für die Lokalisierung der Unternehmensaktivität im Ausland regelmäßig neben steuerlichen Gründen auch wirtschaftliche, geographische oder taktische Überlegungen ausschlaggebend. Eine generalisierte Missbrauchsvermutung wie sie bei passiven Einkünften oder Zins- und Lizenzausgaben diskutiert wird, kann hier nicht hergeleitet werden.153 Ziel der GloBE-Regeln ist die Begrenzung des schädlichen Steuerwettbewerbs und damit zusammenhängend die Vermeidung einer absoluten Minderbesteuerung.154 Darin kann ein Lenkungszweck erkannt werden, der ebenfalls zur Rechtfertigung der genannten Verstöße herangezogen werden kann. Allerdings ist hierbei der Eintritt der Lenkungswirkung unter Berücksichtigung der Adressaten der Norm zu betrachten. Der Zweck, niedrig besteuernde Staaten zu einer Anhebung ihrer Steuerbelastung zu bewegen, darf jedenfalls nicht zur Rechtfertigung herangezogen werden, da Adressat der Normen nicht der niedrigbesteuernde Staat, sondern der jeweilige Steuerpflichtige ist.155 Berücksichtigung darf allerdings das Ziel der 151
Pinkernell/Ditz, ISR 2020, S. 1 (10) mit Verweis auf BFH, Urteil vom 11. 03. 2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, S. 1049. 152 Ausführlich: Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 h Rz. 6; Hagemann/Kahlenberg, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 4j EStG Rz. 4. 153 Pinkernell/Ditz, ISR 2020, S. 1 (11). 154 Vgl. OECD, Public Consultation Document, Rz. 89 ff. 155 Pinkernell/Ditz, ISR 2020, S. 1 (10).
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Lenkung des Investitionsverhaltens dieses Steuerpflichtigen finden. Damit sollen schädliche Auslandsinvestitionen in niedrig besteuernden Ländern vermieden werden. Zur Erreichung dieses Ziels sind die GloBE-Regeln auch geeignet; durch die anfallende Ergänzungssteuer wird die Substratverlegung in Niedrigsteuerländer in ihrer Attraktivität begrenzt.156 Letztlich muss die Etablierung des Mindestbesteuerungsregimes als Maßnahme zur Vermeidung schädlicher Auslandsinvestitionen vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG angemessen sein. Dem Gesetzgeber obliegt hier zwar grds. eine Einschätzungsprärogative. Allerdings müssen die dargelegten Verstöße mit dem Ziel der Problembeseitigung in schonenden Ausgleich gebracht werden. Dabei sind die einzelnen Regelungsmerkmale – die Erhebung einer Ergänzungssteuer und der verminderte Steuersatz – als Gesamtkonzept zu betrachten.157 Auslandsinvestitionen unterliegen dabei der unternehmerischen Freiheit und dürfen nicht per se als unangebracht bewertet werden. Jedoch steht es dem Gesetzgeber zu, die Rahmenbedingungen für derartige Auslandsaktivitäten zu setzen; Investition in Niedrigbesteuerungsländern dürfen in ihrer Attraktivität begrenzt werden. Da hier jedoch kein gezielter Missbrauch und kein gezieltes Ausnutzen des Steuergefälles vermutet werden kann, erschiene eine Gleichstellung mit Inlandseinkünften als unangemessen. Hingegen ist die Besteuerung mit einem besonderen (niedrigeren) Mindestbesteuerungssatz zwar systemfremd, vermag es jedoch, die Interessen an einer gleichmäßigen Besteuerung und einer freien Finanzplanung im Konzern mit dem Ziel der Vermeidung schädlicher Auslandsinvestitionen in Ausgleich zu bringen. Die Differenzierung in der Besteuerungshöhe zwischen aktiven und passiven Einkünften trägt den unterschiedlichen Rechtfertigungszielen Rechnung. 2. Europäische Grundlagen Aufgrund ihrer teilweisen Ähnlichkeit zur Hinzurechnungsbesteuerung158 erscheint das Verhältnis der GloBE-Regelungen zu den europäischen Marktfreiheiten als nicht unproblematisch. So wurde die Anwendbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung als Folge der Rechtsprechung des EuGHs zum Verhältnis von Missbrauchsvermeidung und der Niederlassungsfreiheit durch § 8 Abs. 2 AStG stark eingeschränkt.159 Trotz dessen oder gerade deshalb hat es sich die OECD zum Ziel gesetzt, Regelungen zu schaffen, die von Mitgliedstaaten der EU sowohl gegenüber Drittstaaten als auch gegenüber anderen Mitgliedstaaten zur Anwendung gebracht werden können.160 Gleichwohl unterliegt die Rechtsprechung des EuGHs im Bereich 156
So auch: Pinkernell/Ditz, ISR 2020, S. 1 (10). Anders: Pinkernell/Ditz, ISR 2020, S. 1 (10 f.). 158 S. o. Kapitel 6: A.I.6.a) Hinzurechnungsbesteuerung, S. 251. 159 EuGH, Urteil vom 12. 09. 2006 – C-196/04, ECLI:EU:C:2006:544; vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 13.7. 160 Vgl. OECD, Public Consultation Document, Rz. 98. Zur Einführung von GloBE durch eine EU-Richtlinie s. u. Kapitel 6: B.V.3.a) Umsetzungsebene, S. 287. 157
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der direkten Steuern stetigen Anpassungen und Änderungen und daher einer gewissen Unvorhersehbarkeit.161 Die income inclusion rule führt zu einer zusätzlichen Besteuerung von minderbesteuerten Einkünften einer Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft. Wird der Anwendungsbereich der Norm bei der Umsetzung ins nationale Recht auf ausländische Tochtergesellschaften beschränkt, so werden ausländische Töchter einer Ergänzungsbesteuerung unterworfen und damit im Vergleich zu inländischen schlechter gestellt. In Sachverhalten mit Bezug zu einem EU-Mitgliedstaat stellt diese Diskriminierung einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 Abs. 1 AEUV dar. Gleiches muss jedoch auch dann gelten, wenn das Umsetzungsgesetz nicht explizit auf ausländische Tochtergesellschaften beschränkt ist. Faktisch werden in diesem Fall dennoch nur ausländische Gesellschaften betroffen, da die Steuerbelastung der Tochtergesellschaft im GloBE-Staat so hoch ist, dass die income inclusion rule nie ausgelöst wird. Es läge auch dann eine versteckte Diskriminierung vor.162 Eine solcher Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit kann nur durch die in Art. 52 Abs. 1 AEUV genannten Gründe oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein.163 Insoweit ist die Missbrauchsvermeidung als Grund anerkannt. In diesem Bereich ergeben sich aus der Judikatur des EuGHs enge Leitlinien, die den Gesetzgeber im Hinblick auf die unionsinterne Missbrauchsabwehr beschränken. Ein Missbrauch ist nur gegeben, wenn eine rein künstliche Gestaltung vorliegt, die dazu bestimmt ist, der normalerweise geschuldeten Steuer zu entgehen.164 Zwar darf ein Missbrauch auch aus Indizien geschlossen werden, aus denen objektiv und eindeutig ein Missbrauch abgeleitet werden kann; insoweit ist ein sog. Substanztest nicht zwingend erforderlich.165 Jedoch muss dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zum Nachweis wirtschaftlicher Gründe zur Beseitigung des Missbrauchsverdachts gegeben werden.166 Im Vergleich zur Hinzurechnungsbesteuerung sieht die income inclusion rule einen wesentlich breiter angelegten Tatbestand vor. Einzige Voraussetzung ist eine Minderbesteuerung der Einkünfte bei der Tochtergesellschaft. Wenn schon die Regelungen der §§ 7 ff. AStG, die wesentlich näher eingrenzen, wann passive Einkünfte vorliegen und damit ein Missbrauch anzunehmen ist, einer Einschränkung 161
Röder, StuW 2020, S. 35 (47). Vgl. Englisch/Becker, WTJ 2019, S. 483 (525); zur versteckten Diskriminierung: EuGH, Urteil vom 05. 02. 2014 – C-385/12, ECLI:EU:C:2014:47, Rz. 30,41; Jochum, Europarecht, Rz. 789 ff.; Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 49 AEUV Rz. 81 ff. 163 Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 49 AEUV Rz. 122. 164 EuGH, Urteil vom 12. 09. 2006 – C-196/04, ECLI:EU:C:2006:544, Rz. 55. 165 EuGH, Urteil vom 26. 02. 2019 – C 115/16, ECLI:EU:C:2019:134, Rz. 127 ff. 166 EuGH, Urteil vom 20. 12. 2017 – C-504/16, ECLI:EU:C:2017:1009, Rz. 74. 162
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zur Gewährleistung der Unionsrechtskonformität (§ 8 Abs. 2 AStG) bedürfen, ist eine Rechtfertigung des Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit durch die income inclusion rule durch Missbrauchsvermeidung undenkbar.167 Eine vergleichbarer Missbrauchstest für Unionsrechtssachverhalte würde einerseits faktisch zum Leerlaufen des Rechtsinstituts innerhalb der EU führen168 und wäre andererseits obsolet, da mit § 42 AO bereits eine allumfassende Missbrauchsvermeidungsnorm besteht. Der angedachte carve-out für substanzbasierte Aktivitäten ändert hieran nichts, da dieser auf einen Teil der Einkünfte beschränkt ist. Unvorhersehbar ist hingegen, ob der EuGH im Kampf gegen den schädlichen Steuerwettbewerb einen neuen zwingenden Grund des Allgemeininteresses erkennt.169 Auch die undertaxed payment rule führt mit der Betriebsausgabenabzugsbeschränkung für grenzüberschreitende Zahlungen zu einer Diskriminierung und damit zu einem Eingriff in die Niederlassungsfreiheit.170 Eine Rechtfertigung im Lichte bekannter zwingender Gründe des Allgemeininteresses, insbesondere der Missbrauchsabwehr, erscheint auch hier kaum denkbar. Kompensatorische Abgaben, wie die Ergänzungsbesteuerung, beeinträchtigen den Binnenmarkt in seinen Grundlagen.171 Insofern ergibt sich primärrechtlich dasselbe Bild wie bei der income inclusion rule; lediglich über umfassende Ausnahmetatbestände für Mitgliedstaatensachverhalte könnte eine Unionsrechtskonformität erreicht werden.172 Die sekundärrechtliche Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie173 ist von der undertaxed payment rule hingegen nicht berührt. Diese betrifft lediglich den Zahlungsempfänger, nicht aber den Schuldner der Vergütung.174 Die DBA-rechtlichen Instrumente der switch over rule und der subject to tax rule erscheinen hingegen aus unionsrechtlicher Sicht weitaus weniger problematisch. Erstere verhindert lediglich die Freistellung von Betriebsstätteneinkünften durch DBA. Sie führt damit eine Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Betriebsstätteneinkünfte herbei, worin kein Verstoß gegen eine Marktfreiheit erkannt werden kann.175 Durch die Anwendung der geringeren Mindeststeuersatzes werden
167 So auch Englisch/Becker, WTJ 2019, S. 483 (526); Röder, StuW 2020, S. 35 (47); Pinkernell/Ditz, ISR 2020, S. 1 (12 f.). 168 Vgl. Pinkernell/Ditz, ISR 2020, S. 1 (13). 169 Vgl. Link, DB 2017, S. 2372 (2375). 170 Vgl. Englisch/Becker, WTJ 2019, S. 483 (527); Pinkernell/Ditz, ISR 2020, S. 1 (13); skeptisch: Link, DB 2017, S. 2372 (2375). 171 EuGH, Urteil vom 26. 10. 1999 – C-294/97, ECLI:EU:C:1999:524, Rz. 45. 172 Pinkernell/Ditz, ISR 2020, S. 1 (14). 173 Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 03. 06. 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten. 174 EuGH, Urteil vom 21. 07. 2011 – C-397/09, ECLI:EU:C:2011:499, Rz. 29. 175 Vgl. Englisch/Becker, WTJ 2019, S. 483 (526 f.).
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ausländische Einkünfte sogar privilegiert.176 Auch der subject to tax rule stehen die Marktfreiheiten nicht entgegen. Die Aufteilung der Steuerhoheiten mittels inländischen Anknüpfungsmerkmalen177 und die Erhebung durch einen Quellensteuerabzug sind im Bereich direkter Steuern der Hoheitsgewalt der Nationalstaaten überlassen und behindern die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit nicht, solange sich für den Ausländer keine höhere Steuerbelastung ergibt als für den Inländer.178 Problematisch erscheint hier hingegen das Verhältnis zum europäischen Sekundärrecht. Art. 1 Abs. 1 der Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie179 sieht eine Steuerbefreiung für Zinsen und Lizenzgebühren im Quellenstaat vor, wenn die Einkünfte aus von einem verbundenen Unternehmen stammen. Die subject to tax rule könnte demnach in grenzüberschreitenden Sachverhalten innerhalb der EU nicht zur Anwendung gelangen. Erforderlich wäre demnach eine Implementierung der GloBE-Regeln ins europäische Sekundärrecht durch Änderung der Richtlinie.180 3. Zwischenfazit Eine Implementierung der GloBE-Regelungen wirft schwierige und grundlegende Fragen des Verfassungs- und Unionsrechts auf. Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG fordert eine folgerichtige Besteuerung anhand der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Die Niederlassungsfreiheit in Art. 49 Abs. 1 AEUV verlangt hingegen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten mit Bezug zu einem Mitgliedstaat eine diskriminierungsfreie Steuererhebung. Die Durchbrechung des Trennungsprinzips, die allgemeine Betriebsausgabenabzugsbeschränkung und die Ergänzungsbesteuerung zu einem geringeren Steuersatz bedürfen der Rechtfertigung vor dem Verfassungs- und dem Unionsrecht. Auf beiden Ebenen ist eine Rechtfertigung mit dem Ziel der Missbrauchsvermeidung nicht statthaft. Die Begründung der Regelungen mit einem Lenkungszweck und der Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs erscheinen fragil aber denkbar.
176 Die im Umkehrschluss daraus folgende Inländerdiskriminierung ist europarechtlich nicht zu beanstanden, vgl. Jochum, Europarecht, Rz. 654; EuGH, Urteil vom 14. 07. 1988 – C-407/85, ECLI:EU:C:1988:401, Rz. 25. 177 Dazu s. o. Kapitel 3: B.III.2.a) Marktfreiheiten, S. 122. 178 Vgl. EuGH, Urteil vom 10. 05. 2012 – C-338/11, ECLI:EU:C:2012:286, Rz. 43 f.; Englisch/Becker, WTJ 2019, S. 483 (527 f.). 179 Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 03. 06. 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten, umgesetzt durch § 50g EStG; zur Richtlinie: Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 982 ff. 180 Englisch/Becker, WTJ 2019, S. 483 (528).
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IV. Umgehungsmöglichkeiten Ziel der Reformbestrebungen ist die Beseitigung der unbefriedigenden Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle, die maßgeblich aus den derzeitigen Gestaltungsmöglichkeiten digitaler Unternehmen resultiert. Um dies sicherzustellen, muss das neue Besteuerungskonzept Steuergestaltungen181, denen nicht durch § 42 AO begegnet werden kann, ausschließen. Dem kann durch Auslegbarkeit der Regelung mittels systematischer Einbettung und Orientierung an einer klaren Belastungsentscheidung sowie durch Tatbestandsmerkmale, die an tatsächliche Gegebenheiten anstatt an rechtliche Bewertungen anknüpfen, Rechnung getragen werden (Regelungseigenschaften). Inwieweit die Unausweichlichkeit der Regelung erreicht wird, ist daran zu messen, wie sachgerecht der Tatbestand digitale Einkünfte erfasst, wie flexibel und zukunftssicher er einerseits handhabbar ist, wie klar andererseits die Tatbestandsmerkmale ungewollte Interpretationen ausschließen und wie weit er auch Gestaltungen im internationalen Bereich unschädlich macht. 1. Regelungseigenschaften GloBE hebt mit seinen einzelnen Rechtsinstituten die Gestaltungsmöglichkeiten international agierender Digitalkonzerne nicht auf. Die Möglichkeit zur Gründung ausländischer Tochtergesellschaften und deren Besteuerung im Ansässigkeitsstaat bleibt weiterhin uneingeschränkt erhalten. Insoweit unterscheidet sich der GloBEAnsatz von der Einführung eines neuen digitalen Nexus, der Digitaleinkünfte einer Ertragsteuerpflicht im Nutzerstaat unterwirft. Auf der anderen Seite sehen die GloBE-Regelungen keine generelle Kompensation der Gestaltungsoptionen durch Erhebung einer Sondersteuer vor, sodass der Steuerpflichtige zum Fortbetrieb des Steuergestaltungsmodells geradezu gezwungen ist. Vielmehr erfolgt eine Ergänzungsbesteuerung nur, wenn eine Minderbesteuerung der Einkünfte identifiziert wurde. Damit werden mittelfristig die Gestaltungsanreize für den Steuerpflichtigen gesenkt, da die Verlegung steuerlichen Substrats ins Ausland durch die Erhebung der Ergänzungssteuer in ihrer steuerlichen Wirkung begrenzt wird. Langfristig soll die Mindestbesteuerung auch zu einer Anhebung der effektiven Steuersätze in den niedrig besteuernden Staaten führen und so das internationale „race to the bottom“ begrenzt werden.182 Ausgangspunkt der gesetzgeberischen Entscheidung zur Einführung der Mindestbesteuerungsregeln ist der Wille, den internationalen Steuerwettbewerb zu begrenzen. Eine absolut zu niedrige Besteuerung durch den Staat, der aufgrund der vorhandenen uni- und bilateralen Absprachen die Besteuerungskompetenz innehat, soll nicht mehr hingenommen, sondern durch die Erhebung einer Ergänzungssteuer ausgeglichen werden. Fraglich ist, inwieweit dies als klare Belastungsentscheidung 181 Zur begrifflichen Abgrenzung: Kapitel 3: B.IV.1. Steuervermeidung, -gestaltung und -missbrauch, S. 125. 182 Vgl. OECD, Public Consultation Document, Rz. 89 ff.
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anerkannt werden kann, die einer Auslegbarkeit des Regelungskonzeptes zuträglich ist. Zwar unterscheidet sich diese Festlegung insoweit von den Gesetzgebungsmotiven zum Digitalnexus oder zur Sondersteuer,183 als dass sie nicht auf sachbezogene, sondern rechtsfolgenbezogene Kriterien abstellt. Dennoch leitet sich das klare Ziel der Regelungen aus den identifizierten Besteuerungsproblemen ab und gibt Aufschluss über die Intensionen des Gesetzgebers. Vorteilhaft ist zudem, dass eine Abgrenzung digitaler Einkünfte oder Geschäftstätigkeit nicht erforderlich ist. Damit liegt eine klare Belastungsentscheidung des Gesetzgebers vor, die zur Auslegbarkeit des Normgebildes beiträgt. Andererseits erscheinen die einzelnen GloBE-Regelungen kleinteilig. An unterschiedlichsten Stellen des vorhandenen Steuerrechts werden Regelungen eingefügt, die darauf gerichtet sind, bei jeglichem Auftreten einer ausländischen Minderbesteuerung eine Ergänzungsbesteuerung vornehmen zu können. Eine Systematik zwischen Ihnen ergibt sich lediglich aus den Kollisionsregeln.184 Innerhalb der einzelnen Regelungen kann an die Regelungstechniken vorhandener Rechtsinstitute angeknüpft werden. Dies trägt der systematischen Einbettung der Normen bei. Allerdings stellen die angedachten carve-outs als kompromissortientierte Ausnahmen Einfallstore für Umgehungen dar. Aufgrund eines fehlenden systemischen Grundes für Ihre Einführung ist zu erwarten, dass Unternehmen diese Regelungen zur Sachverhaltsgestaltung ausnutzen und so versuchen möglichst weitreichend eine Erfassung durch das Mindeststeuerregime zu verhindern.185 Zentrales tatbestandsauslösendes Kriterium ist die ETR. Es handelt sich dabei um eine klar ermittelbare Größe und damit um ein leistungsfähiges Tatbestandsmerkmal, das sich aus feststehenden und anerkannten Rechnungslegungsmethoden ableiten lässt und daher kaum einer Auslegung bedarf. Die GloBE-Regelungen überwinden die bekannten zivil- und steuerrechtlichen Wertungen nur dann, wenn die Mindeststeuerschwelle unterschritten ist. In diesem Fall werden die Einkünfte einer besonderen steuerjuristischen Betrachtungsweise unterworfen. Der Ort der Besteuerung richtet sich dann nicht mehr nach der zivilrechtlichen Einkleidung oder der gewöhnlichen steuerrechtlichen Einkünftezuordnung, sondern schlichtweg danach, wo ein steuerlicher Zugriff durch einen GloBE-Staat möglich ist. Bei den GloBE-Regelungen handelt es sich weder um spezielle Missbrauchsregeln noch um allgemeine Steuertatbestände. So hängt die Anwendbarkeit der Rechtsinstitute zwar von der Feststellung einer Niedrigbesteuerung ab, ein Missbrauch – also ein gezieltes Ausnutzen des Steuergefälles durch den Steuerpflichtigen – ist hingegen nicht erforderlich.186
183 Dazu s. o. Kapitel 4: B.IV.1. Regelungseigenschaften, S. 172; Kapitel 5: B.IV.1. Regelungseigenschaften, S. 225. 184 S. o. Kapitel 6: A.I.5. Verhältnis der GloBE-Regelungen zueinander, S. 250. 185 Benecke/Rieck, IStR 2021, S. 692 (700). 186 Vgl. Hidien/Versin, DK 2019, S. 245 (249).
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2. Unausweichlichkeit Der GloBE-Ansatz verfolgt, wie alle dargelegten Reformvorschläge, das Ziel, digitale Einkünfte unabhängig von ihrer rechtlichen Ausgestaltung zu erfassen. Jedoch gehen die Mindestbesteuerungsregeln über die Erfassung digitaler Geschäftsmodelle hinaus, indem sie insgesamt versuchen, sämtliche Unternehmenseinkünfte, die einer Minderbesteuerung im Ausland unterliegen, einer Ergänzungsbesteuerung zuzuführen. Als Zweck der Regelung könnte man damit, aufgrund der potentiellen undifferenzierten Besteuerung aller unternehmerischen Auslandsaktivitäten, die bloße Maximierung des inländischen Steuersubstrats erkennen. Dies greift allerdings zu kurz. Eine sachgerechte Einkünfteerfassung bedarf nicht zwingend ein Anknüpfen an primäre sachbezogene Kriterien, wie dem Eintritt eines bestimmten Einkünftetatbestandes. Vielmehr müssen i. R. d. internationalen Ertragsbesteuerung gerade auch sekundäre Tatsachen, wie die steuerliche Behandlung im anderen Staat, Eingang in die Besteuerungsentscheidung finden. Nur so kann eine sachgerechte Besteuerung erfolgen, die Einkünfte flächendeckend einer angemessenen Belastung unterwirft. Eine unsachgemäße Pauschalierung darf darin gerade nicht erkannt werden. Anders als die Sondersteuer auf digitale Aktivitäten knüpft die Steuerpflicht nicht an die Vorstellung an, alle digitalen Geschäftsmodelle würden einer verminderten Steuerbelastung unterliegen. Stattdessen differenzieren die GloBE-Regelungen im Einzelfall danach, ob eine Minderbesteuerung vorliegt oder nicht. Daneben wurde bereits ermittelt, dass der Gesetzgeber mit GloBE eine klare Belastungsentscheidung verfolgt.187 Es sollen alle Einkünfte nachbesteuert werden, die im Ausland einer Steuer unterhalb des Mindeststeuerniveaus unterliegen. Dies entspricht dem Ziel, den internationalen Steuerwettbewerb zu begrenzen. Auch die Regelungen knüpfen an bestimmte Prinzipien an. So wird etwa die steuerliche Belastung immer nur auf das Mindeststeuerniveau angehoben und vorzugsweise bei der hierarchisch obersten Konzerngesellschaft besteuert (sog. top-down-approach).188 Dies trägt der sicheren Handhabbarkeit der Regelungen bei. Ein großer Vorteil der GloBE-Regelungen ist es, dass diese nicht zwischen Digitalwirtschaft und herkömmlichen Gewerbebetrieben unterscheiden, soweit von weitreichenden Ausnahmeregelungen für substanzbasierte Aktivitäten abgesehen wird. Das sog. ring fencing189 wird damit ausgeschlossen. Dies führt dazu, dass Umgehungsgestaltungen, die im Zusammenhang mit dem Begriff der „digitalen Leistung“ stehen, von vornherein ausscheiden. Der Zugriff auf das Steuersubstrat folgt hier eindeutig aus dem Vorliegen einer Minderbesteuerung, die anhand bekannter Rechnungslegungsstandards zu ermitteln ist. Dabei bedienen sich die GloBE-Tatbestände Legaldefinitionen, wie bspw. der ETR, die festlegen, wie eine 187 188 189
S. o. Kapitel 6: B.IV.1. Regelungseigenschaften, S. 279. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 673. OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Rz. 364.
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Niedrigbesteuerung zur ermitteln ist, wo diese auszugleichen ist, etc. Insgesamt bedürfen die Mindeststeuerregelungen daher weniger Auslegung, erfassen aber dennoch unausweichlich alle problematischen Steuergestaltungen, da direkt an das technische Kriterium der absoluten Niedrigbesteuerung angeknüpft wird.190 Da sich die steuerlichen Gestaltungsoptionen gerade aus der Ausnutzung von ausländischen Niedrigsteuerniveaus ergeben, muss die Internationalität der Problematik bei der Tatbestandsfestlegung mitberücksichtigt werden. GloBE versucht dabei – anders als der Nexusansatz, der einer weltweiten flächendeckenden Umsetzung bedarf – ein international einheitliches Besteuerungsregime durch Regelungen zu erreichen, die lediglich der Beteiligung einiger und nicht aller Staaten bedürfen. Einerseits können die Normen so zwar durch die Bildung der Konzernstrukturen um die GloBE-Staaten herum umgangen werden.191 Andererseits hängt die Gangbarkeit dieser Umgehungsstrukturen wesentlich von der Art und Anzahl der beteiligten Nationen ab. Global tätigen MNE dürfte es dabei schwerfallen, ihr Geschäftskonzept ohne jede steuerliche Ansässigkeit in Europa und Nordamerika zu betreiben.192
V. Praktikabilität Ein Steuertatbestand ist nur dann gerecht, wenn er auch praktikabel ist.193 Es ist daher sicherzustellen, dass der jeweilige Reformvorschlag bei einer Umsetzung in der Lage ist, auch tatsächlich eine Verbesserung der festgestellten Problemlage herbeizuführen. Dafür muss er zu einem tatsächlichen Belastungserfolg beim Steuerpflichtigen führen, möglichst simpel anzuwenden sein und sich vor dem Hintergrund der Umsetzungsebene auch als realisierbar darstellen. 1. Tatsächlicher Belastungserfolg Ein tatsächlicher Belastungserfolg ergibt sich, wenn die Durchführbarkeit des Besteuerungsverfahrens in allen Phasen gewährleistet ist. Der Tatbestand der Regelung muss für den Steuerpflichtigen anwendbar und für die Steuerbehörden überprüfbar sein. Anschließend muss sichergestellt sein, dass der sich daraus ergebende Steueranspruch zur Not auch zwangsweise durchsetzbar ist.
190
Vgl. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 24. Vgl. Röder, StuW 2020, S. 35 (42). 192 Vgl. Röder, StuW 2020, S. 35 (37). 193 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 348; vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 118 Rz. 267; vgl. Locher, in: FS Höhn, S. 189 (190 ff.). 191
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a) Anwendbarkeit des Tatbestandes Die GloBE-Regelungen knüpfen maßgeblich an die bereits im Ausland erfolgte Besteuerung an. Dies hat einerseits den Vorteil, dass es sich dabei um Tatsachen handelt, die klar bestimmbar und teils bereits ermittelt sind. So liegt die Steuerbelastung in den einzelnen Tätigkeitsjurisdiktionen für den Steuerpflichtigen klar auf der Hand. Zur Bestimmung der ETR ist jedoch auch die Bestimmung deren Bemessungsgrundlage erforderlich. Die dazu erforderlichen Rechnungsgrößen sind im Unternehmen vorhanden und müssen nicht, wie etwa die Nutzerzahl beim Nutzernexus oder der Digitalumsatz bei der Sondersteuer, extra ermittelt werden. Allerdings bedürfen diese der Aufbereitung durch den Steuerpflichtigen, zu der dieser durch zu erweiternde Mitwirkungspflichten herangezogen werden muss.194 Anders als zunächst vorgesehen muss die Berechnung nicht auf Grundlage der Vorgaben des jeweiligen GloBE-Staats erfolgen, sondern kann an international anerkannte Rechnungslegungsstandards angeknüpft werden.195 Rechtliche Hindernisse stehen der Anwendung des Tatbestandes nicht entgegen. Jedoch könnte der Anrechnungsmechanismus der GloBE-Regelungen196 in der Praxis zu einer faktischen Doppelbesteuerung führen. Regelmäßig bestehen Probleme im Zusammenhang mit dem Nachweis abgeführter Steuern oder zeitlicher Unterschiede bei der Berücksichtigung von Vorfällen. Aus diesen Gründen vermied der deutsche Gesetzgeber bislang eine Steueranrechnung.197 Die Verpflichtungen zur Ermittlung der ETR198 sowie zum Nachweis der bereits entrichteten Steuer führen daher zu zusätzlichen Dokumentations- und Rechnungslegungspflichten.199 Um eine Unverhältnismäßigkeit des damit in Verbindung stehenden Aufwands zu vermeiden, sieht GloBE verschiedene regulatorische Maßnahmen vor. So werden durch den Umsatzschwellenwert, der den Anwendungsbereich der Normen einschränkt, KMU vor den zusätzlichen Pflichten verschont. Zudem knüpfen die Regelungen an die bereits vorhandenen CbCR-Regeln an.200 Dies führt auch für die betroffenen MNE zu Synergieeffekten, sodass deren zusätzlicher Aufwand vermindert wird.
194
Pinkernell/Ditz, ISR 2020, S. 1 (14). So noch Becker/van der Ham, DB 2019, S. 502 (508); vgl. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 158. 196 Wissenschaftlicher Beirat Steuern EY, Beilage zu DB 2019 Heft 50, S. 3 (10) erkennt eine erhebliche Abkehr zum bisherigen Freistellungssystem. 197 Becker/van der Ham, DB 2019, S. 502 (508); Ismer, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 23 Rz. 14 ff. 198 Dazu s. o. Kapitel 6: A.I.4. Bestimmung der effektiven Steuerlast, S. 248. 199 Pinkernell/Ditz, ISR 2020, S. 1 (3). 200 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 24. 195
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Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
b) Überprüfbarkeit der Besteuerungsgrundlagen Die Steuerbelastung durch die GloBE-Regelungen knüpft sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach an ausländische steuerliche Sachverhalte sowie deren dortige Besteuerung an. Damit beruht der Steuertatbestand fast ausschließlich auf ausländischen Tatsachen, was einen direkten Zugriff der inländischen Steuerbehörden vor dem Hintergrund des Territorialitätsprinzips grds. unmöglich macht.201 Problematisch erscheint dabei insbesondere, dass zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage der GloBE-Institute detailreiche Sachverhaltskenntnis erforderlich ist. Die maßgeblichen Einzeltatsachen müssen demnach auch der Überprüfung durch die Finanzbehörden zugänglich sein. Insoweit genügt das Bereitstellen von Bescheiden ausländischer Behörden mangels ausreichender Transparenz nicht.202 Ähnliche Fragen der Sachverhaltsaufklärung stellen sich ebenfalls i. R. d. bereits bestehenden Hinzurechnungsbesteuerung; auch diese knüpft kaum an inländische, sondern maßgeblich an ausländische Tatsachen an. Deshalb konkretisiert § 17 Abs. 1 AStG die erhöhten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen aus § 90 Abs. 1 S. 2 AO dahingehend, dass auch Besteuerungstatsachen, die eine Auslandsgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit betreffen, von der Mitwirkungspflicht der inländischen Konzerngesellschaft umfasst sind.203 Eine entsprechende Regelung wäre auch für GloBE zu schaffen. Die Durchsetzung dieses Informationsanspruchs der inländischen Finanzbehörden erscheint vor dem Hintergrund des vorhandenen festen Anknüpfungspunktes im Inland durch die Konzerngesellschaft gut möglich. Verhältnismäßige Zwangsmaßnahmen können hier – im Vergleich zur beschränkten Steuerpflicht durch einen Nutzernexus oder einer Sondersteuer auf digitale Erträge – effektiv ergriffen werden.204 Gleichzeitig kommt dem GloBE-Vorschlag sein Anknüpfen an bereits vorhandene internationale Absprachen i. R. von BEPS zugute. Die in Deutschland bereits umgesetzten CbCR-Regeln, an die die GloBE-Normen anknüpfen und die aufgrund des auslösenden einheitlichen Umsatzschwellenwertes auch immer gleichzeitig anwendbar sind,205 sehen bereits einen zwischenstaatlichen Informationsaustausch vor.206 Den Finanzbehörden ist es damit möglich, sich einen Überblick über die Konzernstruktur des international tätigen MNEs zu verschaffen. Zur Überprüfung 201
S. o. Kapitel 3: B.II.1. Territorialitätsprinzip und genuine link, S. 86. Wissenschaftlicher Beirat Steuern EY, Beilage zu DB 2019 Heft 50, S. 3 (10). 203 Vogt, in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 17 AStG Rz. 1 f.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 22.15. 204 Neben den allgemeinen Zwangsmaßnahmen kommt auch eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen in Betracht. Hierfür existiert mit § 17 Abs. 2 AStG für die Hinzurechnungsbesteuerung bereits eine Sondernorm. 205 Vgl. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 24. 206 Vgl. Aktionspunkt 13 der BEPS-Initiative, OECD, Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting. Die Umsetzung des deutschen Gesetzgebers findet sich in § 138a AO. 202
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der i. R. von GloBE erklärten Besteuerungstatsachen müssten diese Regeln allerdings erweitert bzw. angepasst werden. Dabei ist insbesondere die Erfassung detaillierter Tatsachen in mehrstufiger Beteiligungsketten problematisch.207 Zudem führt die der Anwendbarkeit zuträgliche Möglichkeit für Unternehmen, jegliche international anerkannten handelsrechtlichen Rechnungslegungsstandards zu verwenden, zu erheblichen Herausforderungen für die Finanzbehörden bei der genauen Sachverhaltsüberprüfung. c) Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs Bei der Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs zeigt sich einer der maßgeblichen Vorteile des GloBE-Vorschlags gegenüber den anderen Ansätzen zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle am deutlichsten: Die Besteuerung erfolgt an Orten, wo bereits nach den aktuell vorherrschenden Regeln ein steuerlicher Anknüpfungspunkt besteht und nicht dort, wo ein solcher Zugriff erst noch geschaffen werden muss. So entsteht der Steueranspruch bei der income inclusion rule im Ansässigkeitsstaat der höchstmöglichen GloBE-Muttergesellschaft, bei der switch over rule im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft, die eine ausländische Betriebsstätte betreibt und bei der undertaxed payment rule im Ansässigkeitsstaat der jeweiligen GloBE-Konzerngesellschaft.208 Günstig ist dies deshalb, weil die bestehenden Anknüpfungsmerkmale auf körperlichen Faktoren beruhen und damit eine Vollstreckung der Steueransprüche zur Not unter Zugriff auf das inländische Haftungssubstrat erfolgen kann. Damit ist eine flächendeckende Anspruchsdurchsetzung i. R. d. allgemeinen Vollstreckungsverfahrens gewährleistet, ohne dass es eines Rückgriffs oder einer Beteiligung ausländischer Behörden bedarf. Ebenso richten sich somit die Rechtsschutzmöglichkeiten des Steuerpflichtigen nach den nationalen Vorschriften. Die Durchsetzung eines GloBE-Steueranspruchs begegnet daher im Vergleich zu anderen Steueransprüchen keinen besonderen Hindernissen. 2. Komplexität Beim GloBE-Vorschlag handelt es sich offensichtlich um ein Regelungsgefüge, das eine Vielzahl zusammenhängender technischer Sonderregelungen für Sachverhalte mit Auslandsbezug vorsieht. Dem ist von vornherein eine gewisse Komplexität und Unübersichtlichkeit inhärent. Vorteilhaft ist dabei allerdings, dass insoweit an bekannte Regelungsprinzipien angeknüpft wird, die von der Hinzurechnungsbesteuerung, der Zins- und Lizenzschranke sowie DBA-rechtlichen switch over- und subject to tax-Regeln bereits geläufig sind.209 Allerdings führt diese Ausweitung des 207
Becker/van der Ham, DB 2019, S. 502 (508). Lediglich bei der subject to tax rule entsteht eine neue beschränkte Steuerpflicht der Muttergesellschaft im Herkunftsstaat der jeweiligen Zahlung. Deren Durchsetzbarkeit wird jedoch durch einen Quellenabzug gesichert. 209 Wissenschaftlicher Beirat Steuern EY, Beilage zu DB 2019 Heft 50, S. 3 (9). 208
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Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
unilateralen Außensteuerrechts zu einem nur schwerlich überblickbaren Nebeneinander zahlreicher Sondertatbestände, die sich auf Tatbestands- oder Rechtsfolgenseite teils nur in Nuancen unterscheiden.210 Die damit einhergehende Vermehrung außensteuerrechtlicher Anwendungsfälle führt damit für das Steuerrecht insgesamt zu einer Komplexitätssteigerung211. Daneben beinhaltet GloBE selbst eine Fülle an Sonderregeln, die das allgemeine Prinzip des Regelungsentwurfs, nämlich die Nachbesteuerung minderbesteuerter ausländischer Einkünfte, aufweicht. Zu differenzieren ist hierbei zwischen Ausnahmeregelungen, die aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen Steuerpflichtige entlasten oder ganz aus dem Anwendungsbereich der Regelungen herausnehmen sollen. Diese Tatbestände tragen u. U. zwar sachlichen Gründen Rechnung, dennoch vertiefen sie die Komplexität beim Vollzug der Besteuerung. Um eine solche Regelung handelt es sich bspw. beim jurisdictional blending,212 welches eine Berücksichtigung aller steuerlichen Verpflichtungen eines Konzerns bei Bestimmung der ETR in einem bestimmten Staat vorsieht. Andererseits sind auch Sonderregelungen angedacht, die gerade der Vereinfachung von GloBE dienen. Etwa wird eine sog. save harbor-Regelung diskutiert, die an die bereits bestehenden CbCR-Regeln anknüpft.213 Weist der ohnehin einzureichende CbC-Bericht ein Verhältnis zwischen Gewinn und Ertragsteuern aus, das eine gewisse Schwelle oberhalb des Mindeststeuersatzes überschreitet, so wird – ohne weitere Prüfung – davon ausgegangen, dass keine Minderbesteuerung vorliegt und die GloBE-Regelungen für die Einkünfte aus diesem Staat nicht eingreifen. Daneben wird eine weitere Vertrauensschutzregelung für Aktivitäten in Ländern, in denen die ETR in einem Jahr besonders hoch ist, erwogen: Wurde vom Steuerpflichtigen dargelegt, dass die ETR in einem Basisjahr einen bestimmten Wert oberhalb des Mindeststeuersatzes überschreitet, so soll in den nächsten drei bis fünf Jahren eine erneute Darlegung der ETR nicht erforderlich sein.214 Diese Wertungen reduzieren einerseits die Komplexität des Regelungsvorschlages indem sie typisieren, andererseits enthalten sie eine Reihe an Ausnahmen, die das Gesamtregelungsgefüge weitaus unübersichtlicher und schwieriger handhabbar gestalten.215 Ebenso typisiert bereits das Gesamtregelungskonzept von GloBE stärker als die bekannten Regeln des Außensteuerrechts. Im Vergleich zur herkömmlichen Hinzurechnungsbesteuerung oder der Zins- und Lizenzschranke differenzieren die Regelungen nicht nach der Art und Weise der Einkünfteerzielung, sondern stellen nur auf das Vorliegen einer Minderbesteuerung ab. Anders als bei den anderen Vorschlägen knüpft GloBE auch nicht an die vermutete Wertschöpfungsweise in digi210 211 212 213 214 215
Vgl. Röder, StuW 2020, S. 35 (43). Pinkernell/Ditz, ISR 2020, S. 1 (14). Dazu s. o. Kapitel 6: A.II.2. Blending, S. 256. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 381 ff. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 399 ff. Vgl. Wissenschaftlicher Beirat Steuern EY, Beilage zu DB 2019 Heft 50, S. 3 (9).
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talen Geschäftsmodellen an. Einziges Differenzierungsmerkmal ist stattdessen die konkrete steuerliche Belastung in den jeweiligen Konzernteilen eines MNE. Die Grundannahme ist dabei, dass eine Besteuerung unterhalb des international vereinbarten Mindeststeuersatzes unter allen Umständen unsachgemäß ist und dem schädlichen Steuerwettbewerb beiträgt. Insgesamt stellt GloBE damit im Grunde eine stark typisierende Fortentwicklung bereits bestehender Außensteuerregelungen dar. Insoweit ist der Vorschlag geradezu simpel. Innerhalb des Konzepts ergibt sich aus der Wechselwirkung der unterschiedlichen Regelungen sowie einer Vielzahl an Sondertatbeständen ein hoher Grad an Komplexität, dem Vereinfachungskonzepte nur begrenzt beikommen können. 3. Realisierbarkeit Die Realisierbarkeit des Reformentwurfs ist dreistufig zu prüfen: Zunächst ist festzustellen, welche Umsetzungsebene für den Vorschlag vorgesehen ist, sodass die Verbesserung der Problemlage auch eintreten kann. Anschließend sind die Voraussetzungen zu erörtern, die auf dieser Ebene für eine Umsetzung in geltendes Recht erforderlich sind. Zuletzt ist zu betrachten, inwieweit die Erfüllung dieser Voraussetzungen wahrscheinlich erscheint.216 a) Umsetzungsebene Das Besteuerungskonzept GloBE wurde i. R. d. Aktionspunktes 1 der OECDBEPS-Initiative erarbeitet. Eine Umsetzung soll jedoch nicht in Form eines flächendeckenden völkerrechtlichen Vertrages erfolgen. Stattdessen wird eine „koordinierte Umsetzung“ durch die sich beteiligenden Staaten angestrebt.217 Darunter ist die unilaterale Einführung der international abgestimmten GloBE-Regelungen durch Staaten zu verstehen, die sich zu einer Implementierung des Regelungskonzepts in ihr nationales Steuerrecht entschließen. Der Aspekt der Koordinierung wirkt sich dabei nicht nur im Zeitpunkt der Einführung, sondern darüber hinaus aus. So sollen einerseits Eckpunkte der weltweiten Mindestbesteuerung bestimmt, eine Mustergesetzgebung erarbeitet und Auslegungsleitlinien beschlossen werden.218 Andererseits bleibt eine enge Zusammenarbeit der umsetzenden Länder auch nach der Einführungsphase unumgänglich. Zur Vermeidung einer Doppelbelastung durch GloBE-Regelungen in mehrstufigen Konzernen ist ein ungehinderter einheitlicher Informationsfluss zwischen den beteiligten Staaten erforderlich, aus dem eindeutig entnommen werden kann, wo eine Ergänzungsbesteuerung erfolgen muss.219 Hierzu 216 217 218 219
Zum Vorgehen: s. o. Kapitel 3: B.V.3. Realisierbarkeit, S. 140. Vgl. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 678. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 699 ff. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 711 ff.
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Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
sind die CbCR-Regeln entsprechend anzupassen. Ebenso sollen Streitbeilegungsmechanismen i. R. internationaler Absprachen implementiert werden.220 Ob die erforderlichen internationalen Absprachen als hard law, also über völkerrechtlich bindende Übereinkommen, oder durch soft law221, d. h. nicht bindende Absichtserklärungen der Staaten erfolgen, ist letztlich unerheblich. An beiden Varianten werden sich lediglich diejenigen Staaten beteiligen, die eine Umsetzung der Regelungen ohnehin beabsichtigen. Dies stellt auch einen wesentlichen Unterschied zum Nexusansatz dar, der nur dann zu einer effektiven Verbesserung der Problemlage führt, wenn er flächendeckend von allen Staaten implementiert und in ihre DBA aufgenommen wird.222 In den sich beteiligenden Jurisdiktionen müssen daher auf nationaler Ebene die income inclusion rule und die undertaxed payment rule ins Gesetz aufgenommen werden.223 Auch die Regeln zur Bestimmung der ETR sind in die Rechtsordnung zu implementieren. Zur Umsetzung der switch over rule und der subject to tax rule ist hingegen die Anpassung bilateraler Absprachen notwendig.224 Bei beiden Rechtsinstituten handelt es sich um DBA-Regeln, die für den Fall einer Minderbesteuerung eine Zuteilung von Besteuerungsrechten entgegen der bestehenden Verteilungsnormen vorsehen. Insoweit ist es grds. notwendig, sich als GloBE-Staat mit den DBA-Vertragsstaaten über eine Implementierung dieser Ausnahmeregeln zu verständigen. Auch eine Aufnahme in das multilaterale Instrument (MLI) der OECD erscheint möglich. In Staaten, in denen ein unilaterales treaty override verfassungsrechtlich zulässig ist, ist auch eine einseitige Einführung dieser Normen möglich.225 Fraglich ist zuletzt noch, welche Rolle die europäische Ebene bei der Umsetzung von GloBE spielt. Denkbar ist, dass sich die Europäische Union zur Umsetzung des GloBE-Vorschlages entscheidet.226 Dies könnte mittels einer Richtlinie erfolgen, die der Umsetzung ins nationale Recht der Mitgliedstaaten bedarf. Dann obläge eine Implementierung der GloBE-Regeln nicht mehr der Entscheidungsgewalt der Nationalstaaten sondern wäre durch den EU-Gesetzgeber verbindlich vorgegeben.
220
OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 709 ff. Vgl. Röder, StuW 2020, S. 35 (42). 222 S. o. Kapitel 4: B.V.3.a) Umsetzungsebene, S. 181. 223 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 678. 224 OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 677. 225 Vgl. Becker/van der Ham, DB 2019, S. 502 (508); Becker/Englisch, WTJ 2019, S. 483 (517). Vgl. auch die bereits eingeführten Regelungen in § 50d Abs. 8 und Abs. 12 EStG. 226 Vgl. OECD, Public Consultation Document, Rz. 98. 221
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b) Umsetzungsvoraussetzungen Wie soeben dargelegt, existieren unterschiedliche Möglichkeiten zur Etablierung der weltweiten Mindestbesteuerung durch die GloBE-Regelungen. Sie eint jedoch die grundsätzliche Struktur: Beruhend auf einer internationalen Absprache werden auf nationaler Ebene koordiniert Regelungen eingeführt, die durch das Zusammenspiel ihrer Regelungsstrukturen und ihrer gegenseitigen Bedingung ein internationales Mindeststeuerniveau etablieren. Auf internationaler Ebene ist ein Konsens zwischen einer bestimmten Anzahl an Staaten erforderlich, die von so großem wirtschaftlichen Gewicht sind, dass eine gezielte Planung der gesamten Konzernstruktur eines MNE ohne deren Beteiligung aus tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen ausscheidet.227 Ein flächendeckendes Engagement aller OECD-Staaten, wie es für die Umsetzung des Nexusansatzes nötig wäre, ist damit nicht erforderlich. Unter den beteiligten Ländern geht es daher nicht um das „Ob“ der Regelung, sondern lediglich um das „Wie“. Unabhängig davon, ob die Absprache über GloBE als „hard law“ in einen völkerrechtlich bindenden multilateralen Vertrag gefasst oder lediglich i. R. nicht bindenden „soft laws“ eine Einigung über den genauen Inhalt der Regelungen erzielt wird, bleibt es beim Konsenserfordernis der beteiligten Staaten. Zwar könnten die GloBE-Regeln auch unkoordiniert unilateral implementiert werden, wie sich an der US-amerikanischen Einführung von GILTI zeigt.228 Allerdings träte dann nicht die beabsichtigte Wirkung einer weltweiten Mindestbesteuerung ein. Es würde sich dann vielmehr um eine Ausdehnung des jeweiligen Außensteuerrechts handeln, die die Steuerpflichtigen u. U. zu weiteren Umgehungsgestaltungen bewegt. Daher ist eine internationale Übereinkunft über die Regelungsmerkmale der einzuführenden Rechtsinstitute unerlässlich. Soll ein völkerrechtlicher Vertrag geschlossen werden, bedarf dieser gemäß Art. 52 Abs. 2 GG der Ratifikation durch Zustimmungsgesetz. Da GloBE mit der switch over rule und der subject to tax rule ebenfalls Regelungen enthält, die auf bilateraler Ebene in die Verteilung der Besteuerungsrechte eingreifen, ist mit der Umsetzung von GloBE auch eine Änderung abgeschlossener DBA erforderlich.229 Dafür muss im jeweiligen Verhältnis für das das DBA gilt auf zwischenstaatlicher Ebene ein Konsens über die Einführung der GloBE-Regelungen erzielt werden. Anschließend bedarf auch diese Änderung der völkerrechtlichen Verträge der parlamentarischen Zustimmung durch ein Umsetzungsgesetz. Kann nicht in sämtlichen bilateralen Verhältnissen eine Einigung über die Änderung der DBA erzielt werden, kommt auch eine unilaterale Umsetzung der Regeln über ein treaty override in Betracht.230 Die subject to tax rule stellt dabei ohnehin nur eine
227 228 229 230
Röder, StuW 2020, S. 35 (36 f.). S. o. Kapitel 6: A.I.6.b) US-amerikanisches GILTI-Regime, S. 253. OECD, Blueprint for Pillar II, Rz. 677. Pinkernell/Ditz, ISR 2020, S. 1 (6); Becker/van der Ham, DB 2019, S. 502 (508).
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Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
Ergänzung dar, die für das Funktionieren der Mindestbesteuerung nicht unerlässlich ist. Im Kern handelt es sich bei den GloBE-Normen um Gesetzgebung auf der nationalen Ebene. Hier ist – unabhänig von der Ausgestaltung auf höherer Ebene – eine Ergänzung und Anpassung der Steuergesetze, v. a. des AStGs und des EstGs, erforderlich.231 Notwendig ist hierfür ein Beschluss durch den Bundestag und die Zustimmung durch den Bundesrat. Eine Bindung an die internationalen Absprachen besteht hierbei nicht. So ist ein einseitiges Ausscheeren möglich, welches die Gefahr der Rechtszersplitterung und damit auch der Gefährdung des einheitlichen Mindestbesteuerungsniveaus birgt.232 Optional kommt eine Beteiligung der Europäischen Union am GloBE-Konzept in Betracht.233 Die Einführung einer verbindlichen Richtlinie ist im Bereich direkter Steuern nach Maßgabe des Art. 115 AEUV möglich. Die dafür erforderliche unmittelbare Auswirkung der Vorschriften auf die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes ergibt sich hier aus der potentiellen Einschränkung der Marktfreiheiten durch die Einführung eines Mindestbesteuerungsniveaus. Auf Vorschlag der Europäischen Kommission hin, kann der Rat der Europäischen Union einstimmig eine entsprechende Richtlinie beschließen. Dabei ist auch die EU-Gesetzgebung an das europäische Primärrecht gebunden.234 Adressat der Richtlinie sind dann die Mitgliedstaaten. Diese sind dazu verpflichtet, ihr innerstaatliches Recht i. S. d. Richtlinie zu ändern; auch dafür bedarf es eines gewöhnlichen Gesetzgebungsverfahrens auf nationaler Ebene. c) Umsetzungswahrscheinlichkeit Es wurde bereits herausgearbeitet, dass nur dann ein weltweites Mindeststeuerniveau etabliert werden kann, wenn sich eine ausreichende Anzahl an Industrienationen an der Umsetzung von GloBE beteiligt. Im Vergleich zum Nexusansatz235 erscheint eine internationale Verwirklichung des Vorschlags deutlich wahrscheinlicher.236 Dies ergibt sich im Wesentlichen nicht aus politischen Hintergründen, sondern aus den juristischen Voraussetzungen und Ausgestaltungen von GloBE; also 231 Soll auf internationaler Ebene ein multilateraler Vertrag über die Einführung der GloBERegeln geschlossen werden, so bedarf dieser ebenfalls der Ratifikation durch Zustimmungsgesetz, Art. 52 Abs. 2 GG. 232 Röder, StuW 2020, S. 35 (42). 233 Die Europäische Kommission hat insoweit erklärt, dass die Union eine Beseitigung des Problems auf internationaler Ebene unterstützt, vgl. EU-Kommission, COM(2018) 147 final, S. 3. 234 Dazu s. o. Kapitel 6: B.III.2. Europäische Grundlagen, S. 275. 235 S. o. Kapitel 4: B.V.3.c) Umsetzungswahrscheinlichkeit, S. 184. 236 Hidien/Versin, DK 2019, S. 245 (250); Becker/van der Ham, DB 2019, S. 502 (508). Dennoch konnte durch eine Verbindung beider Vorschläge ein grundsätzlicher Konsens auf internationaler Ebene erzielt werden, vgl. OECD, Statement on a Two-Pillar Solution.
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der Art und Weise wie das Konzept rechtlich funktioniert. Einerseits genügt es nämlich, wenn sich eine ausreichende Anzahl umsetzungswilliger Staaten an der Einführung von GloBE beteiligen; eine Beteiligung aller Länder, wie beim Nexusansatz, ist nicht erforderlich. Somit ist bereits die erforderliche Anzahl an sich beteiligenden Nationen geringer. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass sämtliche Jurisdiktionen, die sich an der Umsetzung beteiligen wollen, im Wesentlichen gleichgerichtete Interessen hinsichtlich der Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs haben. Sie ergeben damit einen homogeneren Verbund, was ebenfalls der Umsetzungswahrscheinlichkeit zuträglich ist. Andererseits bleibt GloBE auch in seiner Veränderungsintensität und -reichweite hinter den anderen Ansätzen zurück, was sich gleichfalls positiv auf die Wahrscheinlichkeit einer Implementierung auswirkt. So ist die Funktionsweise der Regelungen von bestehenden Normen, wie Hinzurechnungsbesteuerungssystemen, Zins- und Lizenzschranken, GILTI und BEAT, etc. bereits bekannt. Zudem geht mit der Einführung von GloBE keine generelle Änderung national und international anerkannter steuerlicher Verteilungsprinzipien einher; es bleibt vielmehr im Grundsatz beim Betriebsstättenprinzip. Insoweit kann insgesamt eine Umsetzung von GloBE als durchaus realistisch angesehen werden.237 Dass die switch over rule und die subject to tax rule generell Eingang in sämtliche DBA der umsetzenden Staaten findet, erscheint hingegen als unwahrscheinlich. Nicht nur, dass dazu erhebliche diplomatische Anstrengungen erforderlich wären, die gerade gegenüber minderbesteuernden Staaten, die GloBE nicht umsetzen, aussichtslos erscheinen. Zudem müsste für die subject to tax rule ein neues Quellenbesteuerungsrecht geschaffen werden, dass der aktuellen Systematik zuwiderläuft.238 Auf nationaler Ebene ist in denjenigen Ländern, die auf internationaler Ebene einer Umsetzung von GloBE zugestimmt haben, eine Aufnahme der Regelungen ins nationale Recht erwartbar.239 Eine Umsetzung auf Unionsebene erscheint hingegen weniger wahrscheinlich. Aufgrund der erforderlichen Einstimmigkeit im Rat müssten alle Mitgliedstaaten einer Einführung von GloBE per EU-Richtlinie zustimmen. Insofern handelt es sich um eine hohe Zahl an zu beteiligenden Staaten, deren Inhomogenität sich aus den unharmonisierten Ertragsteuersystemen ergibt. Vor dem Hintergrund der niedrigen effektiven Steuerbelastung in manchen EU-Staaten darf deren Zustimmung, je-
237 Zwar besteht mittlerweile ein Grundkonsens auf multilateraler Ebene über die Einführung des Konzeptes, vgl. OECD, Statement on a Two-Pillar Solution. Allerdings bleibt abzuwarten, ob alle beteiligten Staaten an der jetzigen Ausgestaltung des Vorschlags festhalten werden. 238 S. o. Kapitel 6: A.I.2. Undertaxed payment rule und subject to tax rule, S. 246. 239 So enthält der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und der SPD zur 19. Legislaturperiode eine Selbstverpflichtung zur Ergreifung von Maßnahmen zur Sicherstellung der „angemessenen“ Besteuerung der digitalen Wirtschaft, vgl. CDU/CSU/SPD, Koalitionsvertrag, Rz. 3129 ff.
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Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
denfalls dann, wenn sie unterhalb des vereinbarten Mindeststeuersatzes liegt, nicht als wahrscheinlich gelten.240 Das Inclusive Framework der OECD strebt die Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung als zweite Säule in einem Paket mit der Einführung eines Marktnexus an.241 Hierüber konnte bereits ein Grundkonsens erzielt werden.242 Allerdings bleibt abzuwarten, welche Wechselwirkungen die verbundene Einführung beider Konzepte mit sich bringt. 4. Zwischenfazit Insgesamt stellt die globale Mindestbesteuerung durch GloBE im Vergleich zu den beiden anderen besprochenen Regelungsvorschlägen den praktikabelsten Ansatz dar. Zur Anwendung des Tatbestandes liegen den Unternehmen die erforderlichen Informationen grds. vor. Es bedarf dabei allerdings deren Aufbereitung zur Ermittlung ob und in welcher Höhe eine Ergänzungssteuer anfällt. Der dabei entstehende Aufwand wird durch die Anknüpfung an vorhandene CbCR-Regeln und die Anerkennung handelsrechtlicher Rechnungslegungsmethoden abgemildert. Erstere tragen auch der Überprüfbarkeit der Besteuerungsgrundlagen durch die Behörden bei. Zwar sehen sich die Finanzbehörden dabei der Problematik schwerer zu ermittelnder ausländischer Besteuerungstatsachen gegenübergestellt, jedoch existieren hier durch die feste Basis im Inland erhebliche Möglichkeiten zur Sicherstellung. Davon profitiert v. a. auch die Durchsetzbarkeit der festgestellten Besteuerungsansprüche. Durch das Anknüpfen an die herkömmlichen Steuerpflichten, die aus dem Vorhandensein körperlichen Substrats resultieren, kann – wenn nötig – eine Vollstreckung nach den gewöhnlichen Regeln im Inland erfolgen. GloBE ist jedoch durch die Vielzahl an enthaltenen Mechanismen zur Sicherstellung der Mindestbesteuerung in allen Konstellationen und dazutretende Ausnahmetatbestände sehr komplex geraten. Grundsätzlich geht der Ansatz jedoch von einer simplen Ausgangsbasis aus, die eine typisierende Fortentwicklung bereits bestehender Außensteuerregelungen darstellt. Eine Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung erfordert einen Konsens auf internationaler Ebene, bei dem jedoch die Beteiligung einiger zentraler Industriestaaten genügt; dies kann in Form eines völkerrechtlichen Vertrages oder durch „soft law“ erfolgen. Insoweit erscheint eine Realisierung möglich, da sich die umsetzungswilligen Beteiligten nur noch über die Ausgestaltung der Mindestbesteuerungsregeln einigen müssen und nicht darüber, ob diese überhaupt eingeführt werden 240 So beträgt der nominale Körperschaftsteuersatz in den EU-Mitgliedstaaten Ungarn und Irland 9 bzw. 12,5 %, vgl. Röder, StuW 2020, S. 35 (40). 241 OECD, Blueprint for Pillar II, S. 10. 242 OECD, Statement on a Two-Pillar Solution.
B. Anwendung des Prüfprogramms
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sollen. Auf nationaler Ebene müssen die vorhandenen Steuergesetze entsprechend geändert werden, was die Verabschiedung eines formellen Zustimmungsgesetzes bedarf, unabhängig davon in welcher Form sich international geeinigt wurde. Eine Umsetzung auf europäischer Ebene via Richtlinie kommt aufgrund der Normsetzungskompetenz aus Art. 115 AEUV zwar in Betracht, erscheint jedoch aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses und der Inhomogenität der mitgliedstaatlichen Interessen in diesem Bereich als unwahrscheinlich.
VI. Gesamtabwägung Bei der globalen Mindestbesteuerung handelt es sich um einen praxisorientierten Vorschlag. Daher verwundert es nicht, dass die größten Vorteile von GloBE ebenfalls in diesem Bereich liegen. Den Regelungen gelingt es, die festgestellte Problemlage effektiv zu verbessern. Da sie dabei nicht an Eigenschaften digitaler Einkünfte, sondern direkt an die Auswirkung von grenzüberschreitenden Gestaltungen anknüpfen, bedarf es keiner problematischen Abgrenzung in Bezug auf den sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift. Dies trägt auch dem Ausschluss von Umgehungsmöglichkeiten Rechnung. Bei der Anknüpfung von GloBE an das Vorliegen einer Minderbesteuerung handelt es sich um ein eindeutig bestimmbares und wenig auslegungsbedürftiges Merkmal. So ist es Steuerpflichtigen nicht möglich, die Mindestbesteuerung durch Gestaltungen zu umgehen. Das Fundament und damit den größten Vorteil des Reformvorschlages bildet die Praktikabilität. Durch das Beibehalten der bisherigen Besteuerungsstandorte ist das Besteuerungsverfahren in allen Phasen ohne die Mitwirkung ausländischer Behörden unproblematisch durchführbar. Zudem erfordert GloBE nicht die Beteiligung aller Staaten, sondern führt eine weltweite Mindestbesteuerung auch dann herbei, wenn sich nur eine Reihe homogener Industriestaaten auf die Einführung entsprechender Regelungen einigen kann. Während sich der GloBE-Vorschlag in Bezug auf diese Punkte als ordentliche Lösung des Problems darstellt, stehen ihm unter rechtstheoretischen Gesichtspunkten einige Hindernisse entgegen. So erscheint der Vorschlag vor dem Hintergrund international gültiger Besteuerungsprinzipien als noch dogmatisch legitimierbar. Zwar knüpft er dabei – anders als die anderen Reformregelungen – an die subjektive Territorialität an und berücksichtigt die Gesamtleistungsfähigkeit durch Anrechnung bereits bezahlter Steuern. Diese Abkehr von tradierten Regelungsmodellen stellt dabei jedoch noch keinen Verstoß gegen dogmatische Grundprinzipien dar. Anders stellt es sich bei der Kohärenz mit der Rechtsordnung dar. Die Aufweichung von Grundprinzipien des nationalen Rechts (v. a. des Trennungsprinzips und des objektiven Nettoprinzips) stellt rechtfertigungsbedürftige Eingriffe in den allgemeinen Gleichheitssatz und in europäisch-grenzüberschreitenden Konstellationen auch in die unionsrechtlichen Marktfreiheiten dar. Eine Rechtfertigung dieser Eingriffe erscheint vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung, die maß-
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Kap. 6: Globale Mindestbesteuerung
geblich auf der Identifizierung von Missbrauch beruht, nicht erreichbar. An dieser Stelle kommt es auf die Weiterentwicklung der Rechtfertigungsgründe unter Bezugnahme auf den schädlichen internationalen Steuerwettbewerb an. GloBE verfolgt damit einen gänzlichen anderen Ansatz als die anderen Konzepte. Der Regelungsvorschlag knüpft nicht etwa an die Tätigkeit digitaler Geschäftsmodelle oder deren Eigenschaften an, sondern rekurriert direkt auf die entstehenden Wirkungen bei der Besteuerung. So wird die bemängelte Besteuerung zu sehr niedrigen Steuersätzen zum zentralen Tatbestandsmerkmal der Regelung. Dies ähnelt bereits vorhandenen Missbrauchsvermeidungsvorschriften, wie der Hinzurechnungsbesteuerung oder der Zins- und Lizenzschranke. Einerseits erfordern die GloBE-Regelungen dabei keinen typisierten Missbrauch, sondern nehmen direkt die ungewünschte Minderbesteuerung ins Visier. Anderseits unterliegen die allgemeinen Steuersubstratzuweisungsregelungen keiner Änderung. Im Falle einer Minderbesteuerung richtet sich der Ort der Besteuerung daher nicht mehr nach fixen tatbestandlichen Kriterien, sondern danach, wo ein Besteuerungserfolg unter Ausnutzung vorhandener Anknüpfungsmerkmale erzielbar ist. Durch das inkorporierte UltimaRatio-Prinzip, das durch die Mindestbesteuerungsgrenze erreicht wird und die Subsidiarität zu allen anderen steuerlichen Instituten wird eine schonende Auflösung der Problemlage erzielt, die ohne die generelle Neuzuweisung von Besteuerungsrechten auskommt. Damit handelt es sich bei GloBE um einen zukunftsfähigen Vorschlag, der nicht nur den begrenzten Bereich von Einkünften aus digitalen Geschäftsmodellen fokussiert, sondern den dahinterstehenden schädlichen internationalen Steuerwettbewerb in den Blick nimmt. Der maßgebliche Vorteil des Vorschlags liegt dabei darin, dass er ohne die Utopie einer neuen Weltsteuerordnung auskommt und stattdessen versucht, die Verursacher der Problematik durch Entwertung ihrer unsachgemäßen Steuerregime zu Änderungen zu bewegen. Dies wurde mittlerweile auch von der internationalen Politik erkannt, die sich grds. auf die Umsetzung des Konzepts einigen konnte.
Kapitel 7
Ergebnisse der Arbeit Zuletzt werden die Ergebnisse der Untersuchung thesenförmig zusammengefasst. Anschließend findet eine Abwägung von Vor- und Nachteilen der vorgestellten Besteuerungsmodelle statt. In diesem Gesamtfazit wird abschließend die Ausgangsthese überprüft.
A. Zusammenfassung der Ergebnisse I. Besteuerungsprobleme bei digitalen Geschäftsmodellen – Digitale Geschäftsmodelle zeichnen sich durch ihre Vielseitigkeit und Innovationskraft aus, die es für den Gesetzgeber schwierig machen, sie eindeutig und zukunftssicher in Form von Tatbeständen zu erfassen. – Für die vorliegende Untersuchung ist zwischen originär digitalen und digitalisierten Geschäftsmodellen zu unterscheiden. Digitalisierte Konzepte zeichnen sich durch die intensive Nutzung computer- und internetgestützter Technologie sowie den Betrieb ihres Geschäfts über eine Website, App oder sonstige digitale Schnittstelle aus. Für das Vorliegen eines hochdigitalen Modells muss zusätzlich der Einsatz technologischer Möglichkeiten einen originären Teil des Konzeptes darstellen und der Hauptkostenanteil im Unternehmen in der Entwicklung und Unterhaltung immaterieller Wirtschaftsgüter liegen. – Die vorhandenen nationalen und DBA-rechtlichen Regelungen halten nur unzureichende Vorgaben zur Besteuerung originärer Digitalunternehmen bereit. Eine Anknüpfung an den Ort der Geschäftsleitung zur Begründung einer Steuerpflicht bietet aufgrund der Wechselwirkungen mit anderen Anknüpfungsmerkmalen keinen brauchbaren Ausgangspunkt zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle. Das Anknüpfungsmerkmal der Betriebsstätte erfordert zu seiner Begründung körperliches Substrat und unterliegt damit im Kontext hochdigitaler Unternehmen deren Willkür. – Digitalen Geschäftsmodellen ist im Gegensatz zu ihren herkömmlichen Pendants eine Marktteilnahme ohne physische Präsenz möglich. Auch unterscheiden sie sich in der Variabilität ihrer Wertschöpfungsprozesse und der Relevanz immaterieller Wirtschaftsgüter voneinander.
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Kap. 7: Ergebnisse der Arbeit
– Das Grundproblem bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle liegt in den weitreichenden Steuergestaltungsmöglichkeiten, die sich aus der Divergenz zwischen den technischen, finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten dieser Unternehmen und den begrenzt vorhandenen Kompensationsmitteln der Nationalstaaten ergeben. Maßgebliche Praktiken sind dabei die Vermeidung einer Steuerpflicht im Marktstaat, die günstige Verlagerung immaterieller Wirtschaftsgüter und die Zurückhaltung von Gewinnen im niedrigbesteuernden Ausland. – Problematisch sind daneben eintretende Wettbewerbsverzerrungen zwischen MNE und KMU sowie zwischen digitalen und herkömmlichen Geschäftsmodellen und der wachsende Druck auf die Steuersysteme. – Die bisher ergriffenen Maßnahmen der OECD i. R. d. BEPS-Projekts sowie die Vorschläge der Europäischen Kommission konnten die bestehenden Probleme bei der Besteuerung hochdigitaler Geschäftsmodelle nicht auflösen. Die Schaffung neuer Regelungsinstrumente ist zur Sicherstellung einer zukunftsfähigen, gestaltungsunanfälligen und wettbewerbsgerechten Steuerrechtsordnung erforderlich.
II. Kriterien zur Einordnung von Reformvorschlägen – Um die bestmögliche Entscheidung darüber zu treffen, wie und wo Einkünfte aus digitalen Geschäftsmodellen besteuert werden sollen, bedarf es einer Abwägung von Vor- und Nachteilen der unterschiedlichen Vorschläge. Die Bewertung muss dabei systematisiert i. R. eines einheitlichen Prüfprogramms erfolgen und verschiedene theoretische und praktische Belange berücksichtigen.
1. Verbesserung der festgestellten Problemlage – Eine Verbesserung der festgestellten Problemlage wird erzielt, wenn schädliche Gestaltungsoptionen unschädlich gemacht werden, eine Besteuerung von Einkünften aus digitalen Geschäftsmodellen zu einem angemessenen Tarif sichergestellt wird und Ungleichheiten zwischen verschiedenen Besteuerungssubjekten vermieden werden. Wesentliche Faktoren sind dabei die qualitative Effektivität und die quantitative Selektivität der Regelung.
2. Dogmatische Legitimität – Das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip verlangt als fachgesetzliche Ausformung die gesetzliche Bestimmung von Zugriffsmerkmalen (sog. genuine links),
A. Zusammenfassung der Ergebnisse
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die einen hinreichenden Inlandsbezug sicherstellen. Die inhaltlichen Anforderungen an einen genuine link sind umstritten. – Dogmatisch korrekte und gleichzeitig aussagekräftige Anforderungen an einen genuine link können deduktiv aus den vorhandenen Anknüpfungsmerkmalen hergeleitet werden. Demnach liegt eine hinreichend nahe Beziehung vor, wenn Einkünfte aus einem exklusiv im Inland entstandenen oder realisierten Vermögen herrühren. Daneben sind die herkömmlichen Kriterien des Mindestmaßes an Einsichtigkeit, der Rechtfertigung durch nahe, substanzielle, unmittelbare und gewichtige Tatsachen und der erheblichen rechtlich relevanten und mehr als nur flüchtigen Inlandsbeziehung zu berücksichtigen. – Das Wertschöpfungsprinzip kann als wissenschaftliche Basis für eine internationale Zuordnung von Besteuerungsrechten im Kontext digitaler Geschäftsmodelle nicht herangezogen werden. Es ist lediglich in der Lage, realwirtschaftliches Handeln von Geschäften abzugrenzen, die keine reelle Wirtschaftstätigkeit umfassen. – Eine Erweiterung der produktionsorientierten ertragsteuerrelevanten Wertschöpfungsprozesse um marktorientierte Faktoren (sog. supply-demand approach) ist nicht begründbar. Die Wertentstehung durch Daten und Nutzerverhalten bei digitalen Geschäftsmodellen geht zwar über die Wertrealisierung durch bloßen Absatz hinaus und ist daher grds. zur Rechtfertigung einer Änderung des Wertschöpfungsverständnisses geeignet. Allerdings liegen weder unternehmenseigene noch anderweitige zurechenbare Wertschöpfungsbeiträge vor. – Das Leistungsfähigkeitsprinzip stellt im internationalen Kontext ein Schutzprinzip dar. Es fordert die Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen bei der Ermittlung der Einkünfte unabhängig von der Steuerjurisdiktion, den Ausschluss einer Besteuerung fiktiver Einkünfte, die Miteinbeziehung von Verlusten bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage spiegelbildlich zur Berücksichtigung von Einkünften und die Korrelation der weltweit erhobenen Steuern mit der Gesamtleistungsfähigkeit des Steuersubjekts. Einschränkungen sind auf ein Mindestmaß zu reduzieren und erfordern eine Verhältnismäßigkeitsabwägung. – Das Nutzenprinzip ergänzt das Territorialitätsprinzip um gerechtigkeitstheoretische Erwägungen. Es ist nicht individuell, sondern i. S. einer Gruppenäquivalenz zu verstehen und begründet einen staatlichen Teilhabeanspruch an Gewinnen international tätiger Personen durch Betrachtung der bereitgestellten rechtlichen wie tatsächlichen Ausübungs- und Schutzbedingungen. – Eine Besteuerung von Personen ist nach dem Nutzenprinzip gerechtfertigt, wenn die Möglichkeit zur Wahrnehmung staatlicher Leistungen durch finanziellen Aufwand für die Allgemeinheit bereitgehalten wird und diese Angebote über die Bereitstellung eines bloßen Marktzugangs hinausgehen. – Die herausgearbeiteten Prinzipien sind bei der Zuordnung von Besteuerungsrechten zwingend zu berücksichtigen, können aber vor dem Hintergrund anderer
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Kap. 7: Ergebnisse der Arbeit
Anforderungen an die Zuordnungsentscheidung nicht vollends und ohne jede Ausnahme umgesetzt werden. Erforderlich ist eine Gesamtabwägung.
3. Kohärenz mit der Rechtsordnung – Die Gesetzgebungskompetenz im Bundesstaat richtet sich nach der Art des Reformmodells. Sollen bestehende Regelungen des Ertragsteuerrechts geändert werden, so genügt ein Bundestagsbeschluss mit anschließender Zustimmung des Bundesrates. Die Einführung einer zusätzlichen Sonderertragsteuer erfordert hingegen eine Grundgesetzänderung. Soll eine neuartige Sonderumsatzsteuer etabliert werden, so danach ist zu differenzieren, ob eine Verbrauch- oder Verkehrsteuer vorliegt. – Im Hinblick auf die Steuerertragshoheit sind abweichende Zuweisungen des Steueraufkommens aus digitalen Geschäftsmodellen zu beachten, falls eine Handlungsvariante außerhalb des vorhandenen Ertragsteuersystems gewählt wird. – Der Bestimmtheitsgrundsatz aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 19 Abs. 3 GG) verlangt von einem Reformgesetz einerseits, dass der Tatbestand so konkret, verständlich und genau wie möglich formuliert wurde (Grundsatz der Tatbestandsbestimmtheit) und andererseits für den Steuerpflichtigen ermittelbar ist, zu welchen steuerlichen Folgen sein Handeln führt (Grundsatz der Normenklarheit). – Art. 3 Abs. 1 GG enthält das Leistungsfähigkeitsprinzip und das Folgerichtigkeitsgebot, die i. R. d. Gesamtsteuersystems eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung fordern, welche die getroffene Belastungsentscheidungen des Gesetzgebers folgerichtig i. S. d. Belastungsgleichheit durchhält. Eine abweichende Behandlung digitaler Unternehmen im Vergleich zu anderen Gewerbebetrieben bedarf daher eingehender Untersuchung dahingehend, ob diese einen eigenen Steuergegenstand bilden können. Bei der Schaffung einer Sondersteuer ist zu ermitteln, ob das Folgerichtigkeitsgebot nur für den Binnenbereich einer Steuer gilt oder steuerübergreifende Geltung beansprucht. – Den Freiheitsgrundrechten in Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 GG kommt im Ergebnis der gleiche Schutzumfang zu, indem beide eine übermäßige Besteuerung verbieten. Das Prinzip eigentumsschonender Besteuerung bemisst die Obergrenze der steuerlichen Gesamtbelastung anhand des Verhältnismäßigkeitsprinzips; eine eindeutige Schwelle stellt dabei die sog. Erdrosselungssteuer dar. – Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung verpflichtet den Gesetzgeber zur Schaffung eines nicht widersprüchlichen Normsystems. Ein Wert- oder Vorrangverhältnis besteht zwischen den Teilrechtsordnungen nicht. Gleiches gilt innerhalb der Steuerrechtsordnung für sämtliche erhobene Steuern. – Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts sind sämtliche Reformentwürfe unabhängig von der Ebene ihrer Umsetzung auch an den Marktfreiheiten
A. Zusammenfassung der Ergebnisse
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(Art. 26 Abs. 2 AEUV) und dem Beihilfenverbot (Art. 107 Abs. 1 AEUV) zu messen. – Digitale Geschäftsmodelle unterfallen dem Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 ff. AEUV; dieses ist dabei als umfassendes Beschränkungsverbot zu verstehen. Eine Beeinträchtigung kann sich aus Sonderregeln für grenzüberschreitende Sachverhalte bei digitalen Geschäftsmodellen, nicht aber aus der Neuverteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Staaten im Bereich der Digitalbranche ergeben. Konkret ist dies anhand eines steuerlichen Belastungsvergleichs zu ermitteln. Als Rechtfertigungsgründe kommen die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse und die Bekämpfung von Steuerflucht und Steuerumgehung in Betracht. – Das Beihilfeverbot wird von einer bloßen Änderung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse ebenfalls nicht tangiert. Zu überprüfen sind jedoch in den Reformvorschlägen enthaltene Regelungen, die eine steuerliche Entlastung oder Anrechnungsregeln für Ansässige enthalten.
4. Umgehungsmöglichkeiten – Während der Steuervermeidung und dem Steuermissbrauch von der Rechtsordnung ausreichend begegnet wird, muss eine Neuregelung möglichen Steuergestaltungen vorbeugen. Das sind Handlungsweisen, die nicht als unangemessen anzusehen sind und daher nicht von § 42 AO erfasst werden, jedoch trotzdem aus Sicht des Gesetzgebers vermieden werden sollen. – Maßgebliches Ziel beim Ausschluss von Steuergestaltungsmöglichkeiten ist die Unausweichlichkeit der Regelung. Zu deren Erreichung ist auf eine schlüssige Systematik, die eine klare Belastungsentscheidung beinhaltet, zu achten und Kleinteiligkeit zu vermeiden. Daneben kann sich im Tatbestand einer steuerjuristischen oder wirtschaftlichen Betrachtungsweise bedient werden. Eine Umsetzung ist i. R. eines allgemeinen Steuergesetzes oder eines besonderen Missbrauchstatbestands möglich. – Eine Neuregelung ist daran zu messen, ob sie eine sachgerechte Erfassung der Einkünfte aus digitalen Geschäftsmodellen unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung ermöglicht. Dafür ist eine prinzipiengeleitete Gesetzgebung, die sich an klaren Belastungsentscheidungen orientiert, erforderlich. Die Regelung muss zudem so beschaffen sein, dass sich der Zugriff auf das Steuersubstrat klar aus dem Tatbestand ergibt und anderweitige Interpretationen ausgeschlossen werden. Steuergestaltungen i. R. ausländischer Rechtsordnungen müssen bei Bedarf im Inland Berücksichtigung finden können.
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Kap. 7: Ergebnisse der Arbeit
5. Praktikabilität – Um eine tatsächliche Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle nach dem Reformmodell zu gewährleisten, muss die praktische Durchführbarkeit eines entsprechenden Besteuerungsverfahrens gewährleistet sein. Dies ist der Fall, wenn der angestrebte Belastungserfolg tatsächlich eintreten kann, die Regelung nicht zu komplex ist und das Reformvorhaben realisierbar erscheint. – Für den Eintritt eines tatsächlichen Belastungserfolges sind kumulativ die Anwendbarkeit des steuerlichen Tatbestandes, die Überprüfbarkeit der besteuerungsrelevanten Tatsachen und die Durchsetzbarkeit des festgesetzten Steueranspruchs erforderlich. – Die Anwendung des steuerlichen Tatbestandes erfolgt in einem kooperativen Verfahren unter Beteiligung der Steuerverwaltung und des Steuerpflichtigen. Ihr dürfen keine tatsächlichen oder rechtlichen unüberwindbaren Hindernisse und kein unverhältnismäßiger Aufwand entgegenstehen. – Die Anwendung des steuerlichen Tatbestandes muss einer Überprüfung durch die zuständigen Steuerbehörden zugänglich sein. Tatbestände, die an inländische Tatsachen anknüpfen, sind vorzugswürdig. Beim Anknüpfen an ausländische Tatsachen ist eine Informationsbeschaffung über erweiterte Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen oder einen zwischenstaatlichen Informationsaustausch erforderlich. – Für die Durchsetzbarkeit des festgesetzten Besteuerungsanspruchs ist ein Verfahren erforderlich, das flächendeckend eine effiziente Vollstreckung der Ansprüche ermöglicht, ohne gleichzeitig vorhandene Rechtsschutzstandards zu missachten. Die derzeitig vorhandenen Mittel zur Amtshilfe sind hierfür nicht ausreichend, wenn im Wesentlichen im Ausland vollstreckt werden soll. – Die Simplizität eines Regelungskonzeptes stellt ein qualitatives Merkmal dar. Komplexe Regelungen überfordern die begrenzten Ressourcen der Verwaltung, führen zu Vollzugsungleichheit, beinhalten einen schädlichen „Dummensteuereffekt“, senken die Rechtssicherheit und sind daher soweit wie möglich zu vermeiden. Dies kann durch eine prinzipiengebundene Gesetzgebung sowie verhältnismäßige Typisierung innerhalb der Tatbestände erreicht werden. – Die praktische Realisierbarkeit eines Reformmodells hängt wesentlich von der Regelungsebene ab, auf der dieses umgesetzt werden soll. Zu ermitteln ist, welche Vor- und Nachteile einem Handeln auf der jeweiligen Ebene zukommen, was die Voraussetzungen für die Umsetzung des Reformmodells sind und wie wahrscheinlich die Erfüllung dieser Voraussetzungen aus normativer Perspektive erscheint. – Als Umsetzungsebene kommt ein unilaterales Gesetz ohne weitere Absprachen, ein Handeln aufgrund bi- oder multilateraler Vereinbarung oder eine europäische Lösung in Betracht. Dabei bietet eine nationale unabhängige Gesetzgebung den
A. Zusammenfassung der Ergebnisse
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Vorteil, dass auf fremde Regelungsinteressen keine Rücksicht genommen werden muss, jedoch gestaltet sich die Kooperation mit anderen Nationen hier schwierig. Eine Lösung auf höherer Ebene ist hingegen in der Lage, die Wertungen der unterschiedlichen Steuersysteme zu berücksichtigen und der Rechtszersplitterung vorzubeugen. Allerdings ist hierbei die Eingehung weitreichender Kompromisse erforderlich und die dauerhafte Kollegialität unter den Staaten nicht garantiert. Bei einer Umsetzung auf europäischer Ebene kann auf die Errungenschaften europäischer Rechtssetzung zurückgegriffen werden. – Ein nationales Gesetz bedarf des Beschlusses durch den Bundestag und u. U. der Zustimmung durch den Bundesrat. Bei einer bi- oder multilateralen Absprache geht den Gesetzgebungsverfahren in den beteiligten Nationalstaaten eine Abstimmung auf internationaler Ebene voraus. Dem europäischen Gesetzgeber steht die Möglichkeit zum Erlass direkt oder indirekt verbindlicher Vorgaben zu; hierfür ist jedoch die Einstimmigkeit im Rat der Europäischen Union erforderlich. – Die Umsetzungswahrscheinlichkeit ergibt sich unter Berücksichtigung der Umsetzungsebene aus der Anzahl und Homogenität der an der Gesetzgebung beteiligten Staaten sowie der Intensität und der Reichweite der Änderungswirkung der Reform.
6. Gesamtabwägung – Die fünf herausgearbeiteten Prüfungskriterien können nicht vollständig erfüllt werden, da sie sich teilweise konterkarieren. Im Rahmen einer Gesamtabwägung müssen die Vor- und Nachteile des jeweiligen Entwurfs zueinander ins Verhältnis gesetzt und der beste Kompromiss aus den Anforderungen an eine gute Lösung für das identifizierte Problem herausgearbeitet werden.
III. Betrachtung der einzelnen Reformmodelle 1. Marktfaktoren als Anknüpfungspunkt der Ertragsbesteuerung – Die Begründung eines ertragsteuerlichen Anknüpfungspunkts im Marktstaat stellt ein taugliches Instrument zur Reduzierung der steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten digitaler Konzerne dar. Eine angemessene Besteuerung kann so sichergestellt und bestehende Wettbewerbsverzerrungen reduziert werden. Ob der persönliche Anwendungsbereich des Vorschlags nur hochdigitale oder auch digitalisierte und sogar herkömmliche Unternehmen erfasst, hängt maßgeblich von dessen Ausgestaltung ab. – Eine dogmatische Legitimation anhand des Territorialitätsprinzips scheidet für diesen Ansatz weitgehend aus. Der genuine link ist – wenn überhaupt vorhanden – nur sehr schwach ausgeprägt und rechtfertigt demnach nicht die Begründung eines
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Kap. 7: Ergebnisse der Arbeit
steuerlichen Anknüpfungspunktes. Im Hinblick auf eine gesamtleistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung kann der Ansatz allerdings aufgrund seines Rückgriffs auf die Regelungssystematik des allgemeinen Ertragsteuerrechts überzeugen. Eine nutzentheoretische Rechtfertigung ist vor dem Hintergrund geringer staatlicher Teilhabemöglichkeiten bei bloß digitaler Unternehmenstätigkeit im Staat der Besteuerung jedoch nicht möglich. – Für die Kohärenz mit der nationalen Steuerrechtsordnung kommt dem Reformmodell die Implementierung ins vorhandene Ertragsteuersystem zugute. So ergeben sich im Hinblick auf die formelle Verfassungsmäßigkeit keine Probleme. Auch eine materielle Verfassungswidrigkeit ist nicht zu befürchten; das Folgerichtigkeitsprinzip nimmt dem Gesetzgeber nicht die Kompetenz zur Neudefinition der inländischen Anknüpfungsmerkmale. Verstöße gegen die Marktfreiheiten und das Beihilfenverbot liegen nicht vor. – Die Einbettung der Anknüpfungsmerkmale in das vorhandene Ertragsteuerrecht sind der Auslegbarkeit zuträglich. Eine klare Belastungsentscheidung ergibt sich jedoch alleine aus dem Ziel der besseren Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle nicht. Die Ermittelbarkeit eines klaren Belastungsgrundes richtet sich daher nach der Ausgestaltung des Anknüpfungsmerkmals. Allen Gestaltungsvarianten liegt dabei eine steuerjuristische Betrachtungsweise zu Grunde. Dem Regelungsvorschlag kann es daher – je nach Ausgestaltung – gelingen, Umgehungsmöglichkeiten auszuschließen. – Die Sicherstellung eines tatsächlichen Belastungserfolgs erscheint bei den vorgeschlagenen Reformmodellen v. a. im Hinblick auf die Überprüfbarkeit der Besteuerungsgrundlagen und der Durchsetzbarkeit des entstehenden Steueranspruchs schwierig. Mit der Einführung des Besteuerungsmodells müssten Informationsansprüche geschaffen und die Möglichkeiten zur extraterritorialen Rechtsdurchsetzung erheblich erweitert und vereinfacht werden; dies ist vor dem Hintergrund verfassungsrechtlicher und tatsächlicher Hindernisse kaum in effektiver Weise möglich. Die Vorschläge zur Umsetzung knüpfen zumeist an prinzipiengebundene Tatbestände an. Allerdings führen die zu ermittelnden Faktoren für Freigrenzen teils zu einer gesteigerten Komplexität. Zur Erreichung des Ziels einer räumlich umfassenden Geltung des Reformkonzeptes ist eine Umsetzung auf multilateraler Ebene vorzugswürdig. Diese erfordert neben dem breiten Konsens auf internationaler Ebene, der aufgrund der Vielzahl und der Heterogenität der beteiligten Staaten nur schwer zu erzielen erscheint, auch der Ratifikation durch die Gesetzgebungsorgane sämtlicher Nationen. Eine flächendeckende und effektive Realisierung auf multilateraler Ebene ist daher als utopisch zu betrachten, wenngleich auf Ebene des Inclusive Frameworks bereits ein Grundkonsens über die Einführung erzielt wurde. In Folge einer Umsetzung müssten zudem die Einkünftezuordnungsregeln an den neuen Nexus angepasst werden.
A. Zusammenfassung der Ergebnisse
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– I. R. der Gesamtabwägung zeigt sich, dass es sich bei der Einführung eines Marktfaktors als Anknüpfungsmerkmal im allgemeinen Ertragsteuerrecht um einen theoretisch ordentlichen, praktisch aber weniger geeigneten Vorschlag zur Beseitigung der identifizierten Problemlage handelt. Während sich dogmatische Legitimationsdefizite durch die unumgehbare und systemkohärente Verbesserung der Problemlage noch rechtfertigen lassen, erscheint die kaum zu erlangende Realisierung als Ausschlussgrund für diese Art an Reformmodellen.
2. Sondersteuern auf digitale Aktivitäten – Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten digitaler Unternehmen werden durch die Einführung einer Sondersteuer auf digitale Aktivitäten nicht unterbunden, sondern sollen lediglich kompensiert. Da die Steuer an die Bruttoeinnahmen der Unternehmen anknüpft, kann eine angemessene Belastung nicht sichergestellt werden. Daneben entstehen Wettbewerbsverzerrungen gegenüber herkömmlichen Unternehmen, die nicht von der Steuer betroffen sind. Da Sondersteuern auf digitale Dienstleistungen keine „Steuern vom Einkommen“ darstellen, fallen sie nicht in den Anwendungsbereich von DBA und können ihre Wirkung daher effektiv entfalten. Es handelt sich um hochselektive Regelungen, die lediglich originär digitale Geschäftsmodelle erfassen, welche von MNE betrieben werden. – Die Digitalsteuer steht in Konflikt mit sämtlichen dogmatischen Prinzipien. Dem Territorialitätsprinzip wird durch die Besteuerung im Marktstaat keine Rechnung getragen, da die dortigen Nutzerbeziehungen keinen genuine link begründen können. Noch gravierender ist der Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, der aus dem Bruttosteuercharakter des Konzeptes herrührt. Letztlich ist auch eine nutzentheoretische Rechtfertigung mangels ausreichenden staatlichen Leistungsangebots nicht zu begründen. – Für die Einführung einer Digitalsteuer ist eine Grundgesetzänderung erforderlich, da es sich bei ihr um eine Sonderertragsteuer handelt, die bislang in den Art. 105 ff. GG nicht vorgesehen ist. Ihrer materiellen Verfassungsmäßigkeit stehen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 GG entgegen, da ihr Bruttosteuercharakter dem objektiven Nettoprinzip widerspricht und u. U. zu einer erdrosselnden Wirkung führen kann. Verstöße gegen das europäische Primär- oder Sekundärrecht sind nicht erkennbar. – Die Digitalsteuer bedient sich eines abschließenden Katalogs an Tatbeständen, die zur Begründung einer Steuerpflicht führen; ein klarer Belastungsgrund ist neben der Bemühung zur Auflösung der identifizierten Problemlage nicht erkennbar. Für den Moment wäre die Digitalsteuer damit bei ihrer Einführung weitgehend unausweichlich; dies ändert sich aber, sobald sich die vorhandenen digitalen Geschäftsmodelle weiterentwickeln. – Das geringe Informationsbedürfnis der Digitalsteuer ist der Anwendbarkeit und Überprüfbarkeit des Tatbestands zuträglich. Vor einer Einführung sind allerdings
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Kap. 7: Ergebnisse der Arbeit
datenschutzrechtliche Implikationen zu klären. Die Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs begegnet grds. denselben Problemen wie der Nexusansatz. Allerdings bietet die verpflichtende Bestellung eines akkreditierten steuerlichen Vertreters als zusätzlichem Haftungsschuldner eine Möglichkeit zur Verbesserung der Problematik. Maßgeblicher Vorteil des Konzepts ist hingegen die Simplizität, die die Digitalsteuer mittels starker Typisierung erreicht. Das Konzept ist auf eine Einführung auf nationaler oder europäischer Ebene gerichtet, wobei Letztere zwar enorme Vorteile im Hinblick auf die Durchführung der Besteuerung und der Vorbeugung von Rechtszersplitterung mit sich bringt, jedoch auch weitaus höhere Konsenserfordernisse bestehen. Auch eine nationale Einführung bedürfte allerdings einer Grundgesetzänderung. – I. R. d. Gesamtabwägung erscheint der Digitalsteuervorschlag als Schnellschuss. Zwar handelt es sich um eine praktikable Lösung, die in der Lage ist, schnell auf die identifizierte Problemlage zu reagieren und diese zu kompensieren. Jedoch fehlt es an einem dogmatischen Unterbau, der Kohärenz mit der vorhandenen Rechtsordnung und dem nachhaltigen Ausschluss von Umgehungsmöglichkeiten. Vor allem der Widerspruch zum Leistungsfähigkeitsprinzip und die Ausrichtung des Tatbestandes an einer Momentaufnahme digitaler Geschäftstätigkeit beeinträchtigen den Vorschlag schwer.
3. Globale Mindestbesteuerung – Die GloBE-Regeln begrenzen steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten und Wettbewerbsverzerrungen der Höhe nach, indem sie eine Besteuerung zu einem absolut unangemessen niedrigen Tarif durch Erhebung einer Ergänzungssteuer ausschließen. Vorteilhaft ist dabei, dass die Regelung direkt an die Minderbesteuerung anknüpft und daher alle digitalen, digitalisierten und herkömmlichen Unternehmen erfasst, die in Teilen einer Niedrigbesteuerung unterliegen. Durch den Mindeststeuersatz werden die identifizierten Probleme und der Steuersatzwettbewerb unter den Staaten allerdings nicht aufgelöst, sondern nur nach unten hin begrenzt. – Die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung lässt sich dogmatisch legitimieren. Dem Territorialitätsprinzip wird weitgehend durch Anknüpfung an vorhandene Besteuerungskompetenzen Rechnung getragen; die Durchbrechung des Trennungsprinzips berücksichtigt das genuine linke-Erfordernis. Eine Besteuerung ausgerichtet an der Gesamtleistungsfähigkeit ergibt sich aus der Anknüpfung an vorhandene Rechnungslegungsstandards und der Anrechnung bereits bezahlter Steuern auf die Ergänzungssteuer. Die nutzentheoretische Rechtfertigung des Konzepts lässt sich aus einer faktischen Betrachtung der international verteilten Nutzungsmöglichkeiten staatlicher Leistungsangebote herleiten. – Eine Implementierung der GloBE-Regelungen wirft schwierige und grundlegende Fragen des Verfassungs- und Unionsrechts auf. So führen die Folgen der
B. Gesamtfazit und Ausblick
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Durchbrechung des Trennungsprinzips, die allgemeine Betriebsausgabenabzugsbeschränkung und der geringere Ergänzungssteuertarif zu Eingriffen in Art. 3 Abs. 1 GG und die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit. Eine Rechtfertigung mit dem Ziel der Missbrauchsabwehr scheidet aus. Die Begründung der Regelungen mit einem Lenkungszweck und der Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs erscheinen fragil aber gleichzeitig denkbar. – GloBE trifft – anders als die anderen Ansätze – eine rechtsfolgenbezogene anstatt einer sachbezogenen Belastungsentscheidung, sodass Umgehungsgestaltungen, die sich des Begriffs der „digitalen Leistung“ bedienen, ausscheiden. Zudem wohnen dem Konzept stringent durchgehaltene Prinzipien und eine Anknüpfung an klar definierte und leistungsfähige Tatbestandsmerkmale inne. Die Internationalität der Problemlage bildet die Grundlage der Regelungssystematik. GloBE stellt demnach ein Konzept dar, das Umgehungsmöglichkeiten weitgehend ausschließt. – Bei GloBE handelt es sich um den praktikabelsten der vorgestellten Ansätze. Durch die Anknüpfung an die vorhandenen CbCR-Regeln und den Rückgriff auf handelsrechtliche Rechnungslegungsmethoden lassen sich Probleme, die die Anwendbarkeit und die Überprüfbarkeit der Steuererhebung betreffen, weitgehend beseitigen. Die Durchsetzung der Ansprüche kann in den gewohnten Staaten ohne internationale Rechtshilfemaßnahmen erfolgen. Aufgrund seiner Vielzahl an verschiedenen Regelungen und Ausnahmen ist das innere Konzept des Ansatzes jedoch sehr komplex. Der Realisierbarkeit kommt zugute, dass eine Umsetzung durch eine bestimmte Anzahl williger Staaten genügt. – Die Gesamtabwägung ergibt, dass es sich bei der globalen Mindestbesteuerung um einen praxisorientierten Vorschlag handelt, der ohne die generelle Neuzuweisung von Besteuerungsrechten auskommt. Die festgestellte Problemlage wird effektiv und unselektiv beseitigt und Umgehungsmöglichkeiten werden weitgehend ausgeschlossen. Das Konzept einer koordinierten unilateralen Gesetzgebung, die aufgrund der Regelungswirkung auch ohne flächendeckende Umsetzung zu internationaler Geltung führt, sichert die herausragende Praktikabilität des Vorschlags. Zudem erscheint GloBE dogmatisch legitimierbar, wohingegen die Kohärenz mit der bestehenden Rechtsordnung problematisch erscheint. Eingriffe in Art. 3 Abs. 1 GG und die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit bedürfen einer Rechtfertigung, die nicht auf die vorhandene Missbrauchsdogmatik gestützt ist, sondern allenfalls neu entwickelt werden kann.
B. Gesamtfazit und Ausblick Die vorstehende Auseinandersetzung hat gezeigt, dass es sich bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle aufgrund ihres Wachstums, ihrer Vielseitigkeit und ihres Potentials zur Weiterentwicklung um ein zentrales Thema der internationalen Er-
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Kap. 7: Ergebnisse der Arbeit
tragsbesteuerung im 21. Jahrhundert handelt. Die bisherigen Regelungen grenzen die Besteuerungskompetenzen der Länder mit dem Betriebsstättenprinzip und dem körperschaftsteuerrechtlichen Trennungsprinzip lediglich anhand körperlicher bzw. gestaltbarer Merkmale ab. Besonders bei hochdigitalen Unternehmen, denen eine Marktteilnahme ohne physische Präsenz offensteht und bei denen immaterielle Wirtschaftsgüter im Mittelpunkt des Geschäftskonzeptes stehen, führt dies zu erheblichem steuerlichen Gestaltungspotential. Diese Möglichkeiten werden durch die Vermeidung von Steuerpflichten in den Marktstaaten, die Verlagerung immaterieller Wirtschaftsgüter und die Zurückhaltung von Gewinnen im Ausland von entsprechenden Unternehmen erheblich genutzt. So ergibt sich eine Situation, die nicht nur Wettbewerbsverzerrungen zwischen verschiedenen Unternehmenstypen mit sich bringt, sondern insgesamt ein erhebliches Problem für die Gerechtigkeit und Stabilität der nationalen und internationalen Steuersysteme darstellt. Es bedarf daher einer Reform, die die bestehende Problematik beseitigt, dabei aber in Einklang mit den Anforderungen an eine gute Rechtssetzung steht. Der Untersuchung wurde in dieser Hinsicht die folgende These vorangestellt: Die mit dem Hervortreten digitaler Geschäftsmodelle verbundenen Besteuerungsprobleme erfordern eine Reform des Steuerrechts, für die der Vorschlag der globalen Mindestbesteuerung (GloBE) unter Berücksichtigung aller Umstände das überzeugendste Gesamtkonzept darstellt. Diese Ansicht wurde durch die erarbeiteten Ergebnisse belegt. Anhand eines umfassenden und standardisierten Prüfprogrammes mit spezifischen Kriterien zur Bewertung der Reformvorschläge konnten die Eigenschaften der einzelnen Ansätze für die künftige Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle herausgearbeitet werden. Die Prüfsteine behandeln theoretische wie praktische, nationale wie internationale und dogmatische wie effektivitätsorientierte Belange, die allesamt Aspekte guter Gesetzgebung abbilden. Deutlich wurde dabei allerdings auch, dass eine Optimallösung, die sämtliche Ansprüche an eine hochwertige Rechtssetzung berücksichtigt, nicht zu erlangen ist. Vielmehr galt es, den besten Kompromiss aus effektiver und unselektiver Verbesserung der Problemlage, dogmatischer Legitimität, Kohärenz mit der nationalen und europäischen Rechtsordnung, Unausweichlichkeit und Praktikabilität in Bezug auf die Durchführung des Besteuerungsverfahrens und die Realisierung des Rechtssetzungsvorschlags zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund erwies sich das Modell der globalen Mindestbesteuerung als sachgerechteste Lösung. Zwar können auch ihm Einwände, vor allem verfassungs- und europarechtlicher Art, entgegengebracht werden. Diesen und anderen Bedenken begegnet allerdings auch der Digitalsteueransatz. Der in ihm enthaltene Gedanke, negative Besteuerungseffekte mittels einer Ausgleichsabgabe zu kompensieren, erscheint zwar simpel und als einziger Vorschlag schnell auf unilateraler Ebene einführbar, geht jedoch mit schwerwiegenden Folgen einher. Es bleiben sämtliche Gestaltungsmöglichkeiten erhalten. Die pauschale Erhebung einer ausgleichenden Sondersteuer im Marktstaat ist durch die betrachteten dogmatischen
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Rechtfertigungsmodelle nicht begründbar. Auch ist sie viel zu starr an einen abgeschlossenen Kreis von originär digitalen Geschäftsmodellen adressiert und lässt daher keine zukunftssichere und unumgehbare Handhabung zu. Letztlich führt aber v. a. der Bruttosteuercharakter zu erheblichen Verstößen gegen Grundprinzipien des Steuerrechts wie der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dem Folgerichtigkeitsgebot und dem Erdrosselungsverbot. Vor dem Hintergrund dieser erheblichen Nachteile, die nicht durch die Flexibilität und Simplizität dieses Vorschlags ausgeglichen werden können, überzeugt das Konzept der Digitalsteuer nicht. Eine zweite Alternative zur globalen Mindestbesteuerung bietet die Einführung eines Marktnexus als Anknüpfungsmerkmal für eine beschränkte Ertragsteuerpflicht. Im Vergleich unterscheiden sich die Ansätze neben ihren verschiedenen Funktionsweisen auch durch die unterschiedlichen Grade der Eingliederung ins bestehende Ertragsteuerrecht. Der Nexusansatz sieht ein allgemeines Anknüpfungsmerkmal im nationalen Recht und eine allgemeine Verteilungsnorm in den DBA vor. Ihm gelingt es damit direkt, die identifizierten Wahlmöglichkeiten bezüglich des Besteuerungsortes unschädlich zu machen. Durch den systematischen Rückgriff auf die Regeln des EStG und des KStG werden anerkannte Prinzipien des Steuerrechts sowie verfassungs- und europarechtliche Vorgaben bereits im Ausgangspunkt berücksichtigt. Damit handelt es sich aus rein theoretischer Perspektive um einen hervorragenden Vorschlag. Allerdings führt diese Inkorporation in das allgemeine System gleichzeitig zum tiefgreifendsten Eingriff in das internationale Steuersystem. Damit gehen erhebliche praktische Nachteile einher. Einerseits ist das vorhandene Steuererhebungsverfahren nicht darauf ausgerichtet und aufgrund der Gebietsausschließlichkeit auch nur schwerlich darauf ausrichtbar, Steuern dort zu erheben, wo keine körperliche Zugriffsmöglichkeit auf den Steuerpflichtigen besteht. Andererseits erfordern die grundlegende Neuausrichtung in der Verteilung der Besteuerungsrechte und die daran anknüpfenden Folgefragen größtmöglichen Konsens auf internationaler Ebene. Aus praxisorientierter Sicht führt der Nexusvorschlag daher nicht zu brauchbaren Ergebnissen. Die dogmatisch korrekte und umfassende theoretische Auflösung der Problemlage kann aufgrund der zu großen Ein- und Durchführungshindernisse nicht eintreten. Auch das globale Mindestbesteuerungskonzept sieht eine Eingliederung in das Ertragsteuerrecht vor. Anders als der Nexusansatz beinhaltetet es jedoch ein Sondersteuerregime, das lediglich an die Ertragsteuerregeln anknüpft und den Anreiz zur Nutzung der vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten beschränkt. Die vorhandenen unilateralen außensteuerrechtlichen Abwehrregeln werden in international abgestimmter Weise in ein, den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entsprechendes, „Außensteuerrecht 2.0“ überführt, das neben den Steuerpflichtigen selbst auch die niedrigbesteuernden Staaten adressiert. Während sich die betroffenen Konzerne einer Beschränkung der Wirksamkeit ihrer steueroptimierenden Gestaltungen versehen, enthalten die Regelungen auch die Aufforderung zur Einstellung des schädlichen Steuersatzwettbewerbs (sog. race to the bottom) an die praktizierenden Staaten. Dabei ist GloBE so ausgestaltet, dass eine Abgrenzung der Digitalbranche
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(sog. ring fencing) vermieden wird und keine Beteiligung der gesamten Staatengemeinschaft erforderlich ist. Dies macht den Vorschlag zu einem effektiven und praktikablen Vorschlag. Gleichzeitig reagiert das Mindestbesteuerungsregime bedarfsgerecht auf ausländische Minderbesteuerungen und richtet sich an vorhandenen Anknüpfungspunkten zur Besteuerung aus. Dies trägt nicht nur zur Praktikabilität, sondern auch zur dogmatischen Legitimität des Konzeptes bei. Vor dem Hintergrund dieser Vorteile ist die Streitanfälligkeit im Hinblick auf höherrangige Vorgaben, die schon der Hinzurechnungsbesteuerung innewohnen, hinnehmbar. Im Vergleich zu den anderen beiden Vorschlägen vereint GloBE dogmatische und praxisbezogene Vorgaben am besten in einem Kompromiss und kann damit überzeugen. Insofern hat die vorliegende Arbeit die Eingangsthese vollständig verifiziert. Es konnte dargelegt werden, dass im Bereich digitaler Einkünfte erhebliche Probleme im Hinblick auf deren Besteuerung bestehen, die eine Erneuerung bestehender Regelungen erforderlich machen. Anschließend wurden die wesentlichen Reformvorschläge anhand eines umfassenden und standardisieren Prüfprogrammes beleuchtet. Der Vergleich dieser Ansätze zeigte sodann, dass der Vorschlag zur globalen Mindestbesteuerung (GloBE) in Abwägung seiner Vor- und Nachteile das überzeugendste Gesamtkonzept darstellt. Dem hat sich mittlerweile im Grundsatz auch die Staatengemeinschaft angeschlossen. Neben den in dieser Arbeit vorgenommenen juristischen Erwägungen nehmen jedoch auch wirtschaftliche und allen voran politische Belange Einfluss auf die internationale Diskussion. Der gefundene Konsens verbindet dabei GloBE mit der Nexuslösung zu einer Einheit und sieht deren gemeinsame Einführung vor. Ob die wohl tiefgreifendste Reform in der Geschichte des internationalen Steuerrechts durch die Umsetzung von zwei Konzepten gleichzeitig zum Erfolg führen wird, bleibt abzuwarten. Allein juristisch betrachtet wäre die isolierte Einführung von GloBE eindeutig vorzugswürdig. Abzuwarten bleibt ebenfalls, ob auf die abgestimmte Einführung durch die Staaten des Inclusive Frameworks auch die flächendeckende, dauerhafte und effektive Anwendung durch die Finanzverwaltungen, Steuerpflichtigen und Gerichte folgt. Gerade vor dem Hintergrund der kurzfristigen Einführung gleich zweier Konzepte und weiterer komplexer Regelungen, wie etwa der „Unshell“-Richtlinie auf Ebene der Europäischen Union, erscheint eine Überforderung der Akteure als möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich. Die Weiterentwicklung und Ausweitung digitaler Geschäftsmodelle kann und soll als wesentlicher Wohlstandsfaktor unserer Gesellschaft nicht gestoppt werden. Mit der immer stärkeren Durchsetzung der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft mit digitaler Technologie werden die damit verbundenen juristischen Fragen immer dringender. Gelingt in Bezug auf die steuerrechtliche Thematik nicht bald eine tatsächliche Verbesserung, sind die Ausweitung der Problematik, damit einhergehend Gerechtigkeitsverlust, internationale Rechtszersplitterung und letztlich auch eine Gefährdung für Wachstum und Wohlstand im steuerfinanzierten Staat zu erwarten. Wie die Arbeit gezeigt hat, ist ein ausreichendes Instrumentarium zur
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Prävention vor diesen Effekten in der Theorie bereits vorhanden. Nun ist es am Gesetzgeber, das Steuerrecht an die Anforderungen einer digitalisierten und globalisierten Welt anzupassen.
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Stichwortverzeichnis Abgeltungswirkung 190 Abhilfe 67 Abschirmwirkung 68 Aktuelle Rechtslage 34 Amtsermittlungsgrundsatz 123 Analogiebildung 121 Anforderungen an die Besteuerung 22, 74 Anknüpfungspunkt 139 Ansässigkeit 44 Anwendbarkeit des Tatbestandes 123 – GloBE 273 – Nexuslösung 166 – Sondersteuer 220 Anwendungsbereich 135 Äquivalenzprinzip siehe Nutzenprinzip Auslegbarkeit 120 Authorized OECD Approach 176 Automatisierte digitale Dienstleistung 145 Beihilfeverbot 115 Belastungsentscheidung 120 Belastungserfolg 123 – GloBE 273 – Nexuslösung 166 – Sondersteuer 220 BEPS 67 Berufsfreiheit 111 – Sondersteuer 212 Bestimmtheit 110 Betriebsstätte 40, 60, 114 – DBA 49 – Gewinnaufteilung 176 – National 40 – Vermeidung 67 – Virtuelle 140 Betriebsstättenerlass 41 Betriebsstättenprinzip 48 Blending 247 Broader tax challenges 71 Bruttobesteuerung 183, 194, 202 Buchführungspflichten 166
Carve-Outs 248 CbCR-Regeln 239, 251, 275, 276 CFC-Regeln siehe Hinzurechnungsbesteuerung Compliance-Kosten 129, 149, 193, 239, 251 DBA 43, 131 – Wirkung auf Sondersteuer 193 Definition 29 Dienstleistungsfreiheit 113 Digitalisiertes Unternehmen 32 – Originär digitales Unternehmen 32 – Phänomenbasierter Ansatz 31 – Zweckabhängiges Begriffsverständnis 29 Digitale Geschäftsmodelle 25 Digitale Schnittstelle 184 Digitalisierung 18, 25 Digitalsteuer siehe Sondersteuer Dogmatische Legitimität 77 – GloBE 253 – Nexuslösung 152 – Sondersteuer 199 – Zusammenfassung 107 Doppelansässigkeit 39 Doppelbelastung 204 Doppelbesteuerung 39 – GloBE 257 – Nexuslösung 156 – Sondersteuer 193, 204 DSGVO 221 Dummensteuereffekt 129 Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs 126 – GloBE 275 – Nexuslösung 168 – Sondersteuer 222 E-Commerce 26, 28, 32 Effective tax rate 239 Effektivität 76 – GloBE 251 – Nexuslösung 150
Stichwortverzeichnis – Sondersteuer 193 Eigentumsfreiheit 112 – Nexuslösung 161 – Sondersteuer 213 Einheit der Rechtsordnung 112 Einheit der Steuerrechtsordnung 113 Einkommen 94, 194 Einkünftezuordnungsregeln 176 Equalization Levy 182 Ergebnisse der Arbeit 286 EU-Richtlinie 134 Europäische Beitreibungsrichtlinie 127 Europarecht 113 – GloBE 266 – Nexuslösung 161 – Sondersteuer 214, 227 Folgerichtigkeitsgebot 111 – GloBE 262 – Nexuslösung 160 – Sondersteuer 212 Fragmentierung 57 Freiheitsgrundrechte 111 Gang der Untersuchung 22 Gebietsausschließlichkeit 127 siehe Territorialitätsprinzip Gebietshoheit siehe Territorialitätsprinzip Genuine link 81 – Deduktive Herleitung 82 – GloBE 254 – Nexuslösung 153 – Relevanz 86 – Sondersteuer 199 Gesamtabwägung 137 – GloBE 283 – Nexuslösung 179 – Sondersteuer 230 Geschäftsleitung 37, 44 Gesetzgebungshoheit 108, 133 – GloBE 262 – Nexuslösung 159 – Sondersteuer 208 Gestaltungsoptionen 76 – GloBE 249 – Nexuslösung 147 – Sondersteuer 191 Gewohnheitsrecht 83
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GILTI-Regime 234, 244 Gleichmäßigkeit der Besteuerung siehe Leistungsfähigkeitsprinzip Globale Mindestbesteuerung 233 Globalisierung 19 GloBE 233 Grundgesetzänderung 229 Gründungstheorie 36 Hinzurechnungsbesteuerung 68, 242 Hybride Steuer 201, 203 Immaterielle Wirtschaftsgüter 57, 61 Inclusive Framework 69 Income inclusion rule 235, 236, 249, 254, 258, 259 Input suppliers siehe Vorleistungslieferanten Internationaler Informationsaustausch 126 Kategorisierung siehe Systematisierung Kleinteiligkeit 120 Kohärenz mit der Rechtsordnung 108 – Europäische Grundlagen 113 – GloBE 261 – Nationale Grundlagen 108 – Nexuslösung 159 – Sondersteuer 207 Komplexität 129 – GloBE 276 – Nexuslösung 170 – Sondersteuer 223 Kompromiss siehe Gesamtabwägung Konsumentenorientierte Aktivitäten 145 Kooperationsmaxime 123 Legitimität siehe Dogmatische Legitimität Leistungsfähigkeitsprinzip 72, 98, 104, 107, 111, 153, 199, 254 – Durchbrechungen 101 – Gesamtleistungsfähigkeit 99 – GloBE 243, 256, 262, 263 – Internationaler Kontext 99 – Nationaler Kontext 111 – Nexuslösung 155, 160, 164 – Relevanz 101, 156 – Sondersteuer 189, 202, 211 Lenkungszweck 265
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Stichwortverzeichnis
Marketing Intangibles siehe Vermarktungsnexus Marktfaktoren 139 Marktfreiheiten 113 – Beeinträchtigung 114 – GloBE 266 – Nexuslösung 161 – Rechtfertigung 115 – Schutzbereich 113 – Sondersteuer 214 Marktmacht 142, 145 Mehrseitige Plattformen 27 Mehrwertsteuersystemrichtlinie 215 Mindeststeuersatz 246 Missbrauchsabwehr 264 Mitwirkungspflichten 123 – Erweiterte 126 Multi-sided platforms siehe Mehrseitige Plattformen
Problematik 19, 43, 55, 75, 80, 108 Prüfprogramm 74, 138
Nationale Rechtslage 34 Nettoprinzip 100, 111 – GloBE 262 – Nexuslösung 156 – Objektives 100 – Sondersteuer 202 – Subjektives 100 Nexus 139 Nexuslösung 139 Niederlassungsfreiheit 113 Normenklarheit 110, 120 Nutzenprinzip 103 – GloBE 258 – Gruppen-/Generaläquivalenz 104 – Kostenäquivalenz 106 – Nexuslösung 157 – Relevanz 106 – Sondersteuer 205 Nutzerdaten 221 Nutzernexus 141, 143, 163, 165
Selektivität 77 – GloBE 252 – Nexuslösung 151 – Sondersteuer 198 Significant Economic Presence siehe Wirtschaftliche Präsenz Signifikante digitale Präsenz 70 Simplizität siehe Komplexität Sitz 35 Sitztheorie 35 Soft law 278 Sondersteuer 182 Souveränität siehe Territorialitätsprinzip Steuerflucht 118 Steuergestaltung 19, 117 – Steuergestaltungsmöglichkeiten 47, 52, 58, 116, 118, 121, 251 – Verlagerung immaterieller Wirtschaftsgüter 61 – Vermeidung der Steuerpflicht im Marktstaat 60 – Zurückhaltung von Gewinnen 63, 68 Steuerhinterziehung 125 Steuerjuristische Betrachtungsweise 119 Steuermissbrauch 117 Steuermoral 20, 66 Steuerpflicht – Beschränkte 40, 43, 99, 102, 156
Personalstatut 36 Praktikabilität 122 – GloBE 272 – Nexuslösung 166 – Sondersteuer 219 – Zusammenfassung 136 Prinzipien siehe Dogmatische Legitimität
Quellenprinzip 42, 79 Quellensteuerabzug 168, 189, 222 Realisierbarkeit 130 – GloBE 277 – Nexuslösung 171 – Sondersteuer 225 Rechtssicherheit 129 Rechtsstaatsprinzip 110 Rechtszersplitterung 228 Reform 20 Regelungsstandort 122 Reinvermögenszugangstheorie 194 Reseller siehe Wiederverkäufer Richtlinienvorschlag 70 Rosinenpicken 147
Stichwortverzeichnis – Sondersteuer 202 – Unbeschränkte 35, 99, 102, 156 Steuervermeidung 116 Strukturelles Vollzugsdefizit 124, 127 Subject to tax rule 236 Switch over rule 236 Systematik 120, siehe Dogmatische Legitimität Systematisierung 27 Tarif 76 – GloBE 250 – Nexuslösung 148 – Sondersteuer 192 Territorialitätsprinzip 78, 107, 123, 125, 127, 153, 199, 254, 274 – Formelles und Materielles 79 – Genuine link 81 – GloBE 254 – Kriterien 78, 254 – Nexuslösung 153, 200, 201 – Relevanz 86 – Sondersteuer 199 – Subjektives und Objektives 78 These 22, 297 Top-down-approach 240 Treaty-override 131 Trennungsprinzip 235, 255 Typisierung 130 – GloBE 277 – Nexuslösung 171 – Sondersteuer 224 Typusbegriff 33, 209 Überprüfbarkeit der Besteuerungsgrundlagen 125 – GloBE 274
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– Nexuslösung 167 – Sondersteuer 221 Umgehungsmöglichkeiten 116 – GloBE 269 – Nexuslösung 162 – Sondersteuer 216 Umsatzsteuer 92, 196, 201 Umsetzung – Ebene 131 – GloBE 277 – Nexuslösung 172 – Sondersteuer 225 – Voraussetzungen 133 – Wahrscheinlichkeit 134 Unangemessenheit 117 Unausweichlichkeit 119, 137 – GloBE 271 – Nexuslösung 164 – Sondersteuer 218 Undertaxed payment rule 235, 236, 254, 259, 281 Unified Approach 145 Unkörperlichkeit 56 Unternehmenseinkünfte 46 Unternehmensmodelle siehe Digitale Geschäftsmodelle Unternehmenssteuer 210 Untersuchung siehe Gang der Untersuchung Verbesserung der festgestellten Problemlage 75 – GloBE 248 – Nexuslösung 146 – Sondersteuer 191 Verbrauchsteuer 209 Verfassungsmäßigkeit – Formelle 108