Angemessene Vorstandsverträge: Zur Begrenzung der Gestaltungsfreiheit durch AGB-rechtliche Bestimmungen [1 ed.] 9783428582419, 9783428182411

Unter besonderer Fokussierung der Frage nach der Übertragbarkeit arbeitsrechtlicher Maßstäbe auf den Anstellungsvertrag

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German Pages 324 [325] Year 2021

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Angemessene Vorstandsverträge: Zur Begrenzung der Gestaltungsfreiheit durch AGB-rechtliche Bestimmungen [1 ed.]
 9783428582419, 9783428182411

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 174

Angemessene Vorstandsverträge Zur Begrenzung der Gestaltungsfreiheit durch AGB-rechtliche Bestimmungen

Von

Melanie Jänsch

Duncker & Humblot · Berlin

MELANIE JÄNSCH

Angemessene Vorstandsverträge

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 174

Angemessene Vorstandsverträge Zur Begrenzung der Gestaltungsfreiheit durch AGB-rechtliche Bestimmungen

Von

Melanie Jänsch

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-18241-1 (Print) ISBN 978-3-428-58241-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2020 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis Juni 2020 berücksichtigt. Zu Dank verpflichtet bin ich allen Personen, die zum Gelingen meines Promotionsvorhabens beigetragen haben und die ich in diesem Zusammenhang ausdrücklich nennen möchte: An erster Stelle möchte ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M. (Harvard) großen Dank für die Betreuung meiner Arbeit aussprechen. Er war mir Hilfe und Antrieb zugleich: Ich konnte mich jederzeit an ihn wenden, wenn ich Rat suchte, während er mir weitreichenden wissenschaftlichen Freiraum ließ. Die Zeit an seinem Lehrstuhl wird mir für immer in bester Erinnerung bleiben – sie hat nicht nur meinen juristischen Horizont erweitert, sondern auch meine persönliche Entwicklung umfangreich und nachhaltig geprägt. Ganz herzlicher Dank gebührt auch Prof. Dr. Jens Koch für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Den Herausgebern dieser Schriftenreihe, Prof. Dr. Gerald Spindler, Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M. (Chicago) und Prof. Dr. Dr. h.c. Holger Fleischer, LL.M. (Michigan), danke ich für die Aufnahme meiner Dissertation. Besonderer Dank für vielseitigen Austausch und hervorragende Zusammenarbeit gilt meinen Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl, insbesondere Dr. Maike Flink und Dr. Sebastian Rombey, die meine Arbeit durch viele wertvolle Hinweise und meine gesamte Lehrstuhlzeit durch ihre Unterstützung bereichert haben. Für das Korrekturlesen dieser Arbeit danke ich Alexandra Ritter. Von ganzem Herzen danke ich zudem Hauke Krebs. Dafür, dass er diese Arbeit Korrektur gelesen und mir durch konstruktive Kritik und hilfreiche Diskussionen Verbesserungsbedarf vor Augen geführt hat; noch mehr aber für seinen ständigen Beistand und Zuspruch, die mir eine wesentliche Stütze waren und sind. Ohne meine Eltern Ingo und Susanne Jänsch wären mein erfolgreiches Studium und die Erstellung dieser Arbeit jedoch nicht zu denken gewesen. Meine Eltern haben mir nicht nur meine Ausbildung ermöglicht, sondern mich auf meinem gesamten bisherigen Lebensweg vorbehaltlos unterstützt und gefördert, wofür ich ihnen unvergleichlich dankbar bin. Bonn, im Januar 2021

Melanie Jänsch

Inhaltsverzeichnis A. Problemaufriss: Zur Gewährleistung der Angemessenheit des Vorstandsvertrags aus der Perspektive des AGB-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Gebotenheit der Betrachtung des Anstellungsvertrags aus dem Blickwinkel des AGB-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Gang der Darstellung – zu beantwortende Fragen und Problemkreise . . . . . . . . 21 III. Die Rechtsstellung des Vorstandsmitglieds im Gefüge der Aktiengesellschaft 23 1. Der Vorstandsvertrag: Zur Trennung von Anstellungsverhältnis und Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Eine Abgrenzung vom GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3. Eine Abgrenzung vom Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 a) Der Arbeitnehmerbegriff im nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 aa) Arbeitnehmereigenschaft des GmbH-Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . 30 bb) Arbeitnehmereigenschaft des Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 b) Ein kurzer Exkurs: Der Arbeitnehmerbegriff im Unionsrecht . . . . . . . . . . 32 aa) Der GmbH-Geschäftsführer als Arbeitnehmer i.S.d. Unionsrechts . . . 33 bb) Übertragbarkeit der Erwägungen auf die statusrechtliche Einordnung des Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 cc) Maßgeblichkeit des nationalen Arbeitnehmerbegriffs . . . . . . . . . . . . . 35 4. Eine Abgrenzung vom Arbeitnehmerähnlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 IV. Ein erstes Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. Rechtliche Rahmenbedingungen zur Absteckung privatautonomer Grenzen . . . 39 I. Die Schranke der Gesetzes- und Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Einschränkung der Gestaltungsfreiheit durch das AGB-Recht . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Voraussetzungen für das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen . . . . 40 2. Allgemeine Geschäftsbedingungen im Kontext des Vorstandsvertrags . . . . . . 42 3. Keine Modifikation auf der Grundlage des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB . . . . . . . . 43 III. Ein zweites Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 C. Zur AGB-Kontrolle formularvertraglicher Vereinbarungen in Vorstandsverträgen: Der Status quo in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 I. Eine Bestandsaufnahme der Judikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. BGH, Urt. v. 29. 05. 1989: Zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des AGBRechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

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Inhaltsverzeichnis 2. OLG Hamm, Beschl. v. 18. 07. 2007: Der Vorstandsvertrag als Verbrauchervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018: Zur Übertragbarkeit arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4. BGH, Urt. v. 24. 09. 2019: Zur Übertragbarkeit arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung – eine höchstinstanzliche Positionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 5. Zwischenergebnis: Karge Rechtsprechung als erster Anhaltspunkt . . . . . . . . 49 II. Spärliche Äußerungen eines gespaltenen Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

D. Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs im Hinblick auf § 310 Abs. 4 S. 1 BGB und § 305 Abs. 1 S. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Zur Bereichsausnahme nach § 310 Abs. 4 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Der Wille des historischen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. Telos der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3. Zwischenergebnis: Vorstandsverträge sind keine Verträge „auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Die Grenze der Individualvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Begriff des Aushandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 a) Konturierung anhand von Einzelfallrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 b) Strenge Maßstäbe auch im Unternehmerverkehr und bei juristischem Sachverstand des Vertragspartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 c) Erkennbare Abänderungsmöglichkeit der Klausel als wesentliches Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 d) Nachweisschwierigkeiten in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 e) Fazit des Status quo: Hohe Anforderungen und ihre Konsequenzen . . . . . 64 2. Maßstab für die Annahme eines Aushandlungsprozesses beim Vorstandsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Die teleologische Grundlage: Sicherung der Vertragsparität als primärer Schutzzweck des AGB-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Der historische Kontext: Rationalisierungsgedanke als maßgeblicher Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 c) Individuelle Elemente: Regelmäßig gegebene Geschäftserfahrenheit und Verhandlungsstärke des Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 d) Dennoch: Das Damoklesschwert der Rechtsunsicherheit . . . . . . . . . . . . . . 72 e) Der Ausgleich von Informationsdefiziten als Systemkonzept des AGBRechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3. Zwischenergebnis: Eine Absenkung der Anforderungen ist nicht geboten . . . 76 E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen: Vorstandsmitglieder als Verbraucher? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 I. Der Begriff des Verbrauchervertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Gewerbliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2. Selbständige berufliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

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3. Ein kurzer Pendelblick: Die Vorgabe von Minimalschutzstandards durch das Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II. Ein Orientierungspunkt: Der GmbH-Geschäftsführer als Verbraucher . . . . . . . . 84 1. Der Status quo in der höchstinstanzlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Meinungsstand im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3. Eine Wägung der Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Die Gesellschaft als ausschließliches Haftungssubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . 89 b) Trennungstheorie statt Verbundbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4. Zwischenergebnis: Der GmbH-Geschäftsführer ist Verbraucher . . . . . . . . . . . 93 III. Das Vorstandsmitglied als Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Höchstinstanzliche Klärung steht bislang aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Meinungsstand im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3. Eine Wägung der Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Vergleichbarkeit mit dem GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 aa) Weisungsfreiheit des Vorstandsmitglieds als wesentlicher Unterschied 97 (1) Grundsatz: Weisungsfreiheit gemäß § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . 97 (2) Weisungsgebundenheit im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Trennung von Anstellungsverhältnis und Organstellung . . . . . . . . . . . 101 cc) Die Gesellschaft als ausschließliches Haftungssubjekt . . . . . . . . . . . . 101 dd) Paradoxe Ergebnisse bei Berücksichtigung einer Änderung der Beteiligungshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Behandlung steht nicht entgegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4. Eine Ordnung der Zwischenergebnisse: Das Vorstandsmitglied ist Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 IV. Auswirkungen auf die AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Fiktion des Stellens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Kontrolle vorformulierter Individualbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. Berücksichtigung der den Vertragsschluss begleitenden Umstände . . . . . . . . 109 a) Rechtliche Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Situative Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 c) Persönliche Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4. Zwischenergebnis: Die Notwendigkeit der Berücksichtigung verbraucherspezifischer Modifikationen nach § 310 Abs. 3 BGB beim Vorstandsvertrag 114 F. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen: Zur Notwendigkeit der Anpassung des Kontrollmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I. Ermittlung des Modifikationsbedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit gemäß § 309 BGB . . . . . . . . . . . . 117 2. Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit gemäß § 308 BGB . . . . . . . . . . . . . 119

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Inhaltsverzeichnis 3. Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4. Ein Kontrollblick: Die Behandlung des Arbeitnehmerähnlichen im AGBRecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5. Zwischenergebnis: Zur Reichweite des Modifikationsbedarfs . . . . . . . . . . . . 123 II. Vornahme der Modifikation durch Rückgriff auf vorhandene rechtliche Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Methodische Ansätze des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Bildung einer Analogie zu § 310 Abs. 4 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Singularia non sunt extendenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Voraussetzungen einer Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (1) Planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (2) Zwischenergebnis: Keine planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . 133 b) Vorrang des Gesellschaftsrechts gegenüber dem Dienstvertragsrecht . . . . 134 2. Vorzugswürdig: Teleologische Reduktion einzelner Klauselverbote . . . . . . . . 136 a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Ein Pendelblick: Die Möglichkeit der teleologischen Reduktion einzelner Klauselverbote im Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3. Zwischenergebnis: Modifikation einzelner Klauselverbote im Wege teleologischer Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 III. Eine abschließende Ordnung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

G. Zur Möglichkeit der Übertragung arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung . . . . . . . 141 I. Ausgangspunkt: Keine pauschale Übertragung arbeitsrechtlicher Grundsätze 142 II. Anknüpfungspunkte für eine Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Notwendige Bedingung: Elemente, die Arbeits- und Vorstandsvertrag gemein sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Hinreichende Bedingung: Kein Entgegenstehen vorstandsrechtlicher Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 III. Zwischenergebnis: Übertragbarkeit bei gleicher Schutzbedürftigkeit . . . . . . . . . 147 H. Einzelklauseln im ordnenden Zugriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 I. Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Wettbewerbsverbote im Arbeitsrecht: Der Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Wettbewerbsverbote im Vorstandsrecht: Der Status quo in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Inhaltliche Vorgaben zur Gewährleistung der Angemessenheit . . . . . . . . . . . . 159 a) Vertragliche Wettbewerbsverbote und Nebentätigkeitsverbote . . . . . . . . . . 159 aa) Kontrollfähigkeit nach dem AGB-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb) Vereinbarkeit mit § 307 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 cc) Ein erstes Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Nachvertragliche Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 aa) Kontrollfähigkeit nach dem AGB-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

Inhaltsverzeichnis

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bb) Vereinbarkeit mit § 307 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (1) Sachliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (2) Geografische Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (3) Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (4) Erforderlichkeit einer Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 cc) Ein zweites Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 c) Anforderungen des Transparenzgebotes gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB . . 178 4. Entwurf einer angemessenen Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 5. Rechtsfolgen unwirksamer Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Grundsatz: Nichtigkeit der Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Durchbrechung des Grundsatzes angesichts der Prognoseschwierigkeit . . 182 c) Abspaltung des wirksamen Teils nach den Grundsätzen des blue-pencilTests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 d) Die Möglichkeit ergänzender Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 6. Ein drittes Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 II. Vertragsstrafenklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Vertragsstrafenklauseln im Arbeitsrecht: Der Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . 190 2. Vertragsstrafenklauseln im Vorstandsrecht: Der Status quo in der Literatur 195 3. Inhaltliche Vorgaben zur Gewährleistung der Angemessenheit . . . . . . . . . . . . 196 a) Vereinbarkeit mit § 309 Nr. 6 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 aa) Tatbestandlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 bb) Erforderlichkeit der teleologischen Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b) Abgrenzung zu § 309 Nr. 5 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 c) Ein erstes Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 d) Vereinbarkeit mit § 307 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 aa) Begrenzung des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Begrenzung der Höhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (1) Sanktionierung des Vertragsbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (2) Sanktionierung von Wettbewerbsverstößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 cc) Ein zweites Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 e) Anforderungen des Transparenzgebotes gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB . . 218 4. Entwurf einer angemessenen Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 5. Rechtsfolgen unwirksamer Vertragsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 III. Rückzahlungsklauseln am Beispiel sog. Claw-Back-Klauseln . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Rückzahlungsklauseln im Arbeitsrecht: Der Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . 225 a) Rückzahlung von Sonderleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b) Ergänzend: Widerrufsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 c) Ein kurzes Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Rückzahlungsklauseln im Vorstandsrecht: Der Status quo in der Literatur . . 229

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Inhaltsverzeichnis 3. Inhaltliche Vorgaben zur Gewährleistung der Angemessenheit . . . . . . . . . . . . 231 a) Kontrollfähigkeit nach dem AGB-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Vereinbarkeit mit § 309 Nr. 6 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 c) Vereinbarkeit mit § 308 Nr. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 d) Vereinbarkeit mit § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 aa) Begrenzung des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (1) Gesellschaftsbezogene Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (a) „Verdient ist verdient“ als Grundgedanke des Dienstvertrags

240

(b) Konnexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 (c) Zurechenbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (d) Deutliche Prognoseverfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (2) Personenbezogene Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 bb) Begrenzung der Höhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (1) Gesellschafsbezogene Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (2) Personenbezogene Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 cc) Eine zusammenfassende Ordnung der inhaltlichen Anforderungen . . . 252 e) Anforderungen des Transparenzgebotes gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB . . 253 4. Entwurf einer angemessenen Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 5. Rechtsfolgen unwirksamer Rückzahlungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 IV. Freiwilligkeitsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 1. Freiwilligkeitsvorbehalte im Arbeitsrecht: Der Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . 258 2. Freiwilligkeitsvorbehalte im Vorstandsrecht: Der Status quo in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 a) Das Urteil des BGH vom 24. 09. 2019 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Meinungsstand im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 3. Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs: Der Freiwilligkeitsvorbehalt als Vertragsbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 a) Der rechtliche Regelungsgehalt arbeitsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 b) Der rechtliche Regelungsgehalt vorstandsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 aa) Verhinderung der Entstehung einer betrieblichen Übung . . . . . . . . . . . 269 (1) Geltungsgrund des Instituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 (2) Schlussfolgerungen für den Vorstandsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 bb) Abweichung von der Grundauslegungsregel gemäß §§ 133, 157 BGB 274 cc) Abweichung vom Grundsatz pacta sunt servanda . . . . . . . . . . . . . . . . 276 dd) Bestimmung des Umfangs dienstvertraglicher Pflichten bei „freiwillig“ gewährter Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 c) Ein erstes Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 4. Inhaltliche Vorgaben zur Gewährleistung der Angemessenheit . . . . . . . . . . . . 279 a) Kontrollfähigkeit nach dem AGB-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

Inhaltsverzeichnis

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b) Vereinbarkeit mit § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 aa) Übertragbarkeit arbeitsrechtlicher Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 (1) Der Schutz vor dem nachträglichen Eingriff ins Synallagma als dienstvertragliches Charakteristikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 (2) Die Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage als Gemeinsamkeit von Arbeits- und Anstellungsvertrag . . . . . . . . . . . . . 284 bb) Schlussfolgerungen für den Vorstandsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (1) Eingriff in das Entgelt im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (a) Fixvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (b) Variable Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 (2) Kein Widerspruch zu den Claw-Back-Grundsätzen . . . . . . . . . . . . 289 (3) Kein Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 cc) Ein zweites Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 dd) Beschränkungen aus dem Blickwinkel des § 87 Abs. 1 AktG . . . . . . . 291 c) Anforderungen des Transparenzgebotes gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB . . 292 5. Entwurf einer angemessenen Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 6. Rechtsfolgen unwirksamer Freiwilligkeitsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 V. Ein letztes Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 I. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABl. Abs. AcP AEUV a.F. AG AGB AGBG AGG AktG Alt. Anh. AO AP AR ArbG ArbGG ArbR Art. ARUG AuA Aufl. AÜG AuR BAG BAGE BauGB BB BBiG Bd. BeckRS Beschl. BetrVG BGB BGBl. BGH BGHZ BKR BSG

anderer Ansicht Amtsblatt Absatz Archiv für die civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Aktiengesetz Alternative Anhang Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis Aufsichtsrat Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrecht Artikel Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie Arbeit und Arbeitsrecht Auflage Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Arbeit und Recht Bundesarbeitsgericht Entscheidungssammlung des Bundesarbeitsgerichts Baugesetzbuch Betriebs-Berater Berufsbildungsgesetz Band Beck-Rechtsprechung Beschluss Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundessozialgericht

Abkürzungsverzeichnis BT-Drucks. BVerfG BVerfGE bzw. B2B CCZ DAX DB DCGK d. h. DJT DM DNotZ DStR Edt. EFZG EGBGB Einf. Einl. EL EnWZ EU EuGH EuR EUV EuZW EWG f. ff. FS GewO GG ggf. GmbH GmbHG GmbHR GmbH-StB GRUR GVG GWR Hdb. HGB h.M. insb. InsO InstitutsVergV i.R.v. i.S.d.

Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise business-to-business Corporate Compliance Zeitschrift Deutscher Aktienindex Der Betrieb Deutscher Corporate Governance Kodex das heißt Deutscher Juristentag Deutsche Mark Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsches Steuerrecht Edition Entgeltfortzahlungsgesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Einführung Einleitung Ergänzungslieferung Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europarecht Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgende fortfolgende Festschrift Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau GmbH-Steuerberater Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gerichtsverfassungsgesetz Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Handbuch Handelsgesetzbuch herrschende Meinung insbesondere Insolvenzordnung Institutsvergütungsverordnung im Rahmen von im Sinne des/der

15

16 i.S.e. i.S.v. i.V.m. JA JuS JZ Kap. KG KGaA KSzW LAG LG lit. LMK LMRR Ls. LSG M&A MDR MiLoG MittRhNotK m.w.N. NJOZ NJW NJW-RR Nr. NVwZ NZA NZA-RR NZBau NZG NZS OLG RAG RAGE RdA RG RL Rn. Rspr. S. s. SAE SGB Slg. s. o. sog.

Abkürzungsverzeichnis im Sinne eines/einer im Sinne von in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Kammergericht Kommanditgesellschaft auf Aktien Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht Landesarbeitsgericht Landgericht littera Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier Möhring Lebensmittelrecht Rechtsprechung Leitsatz Landessozialgericht Mergers and Acquisitions Monatsschrift für Deutsches Recht Mindestlohngesetz Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport Zivilrecht der Neuen Juristischen Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungsreport der Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Oberlandesgericht Reichsarbeitsgericht Entscheidungssammlung des Reichsarbeitsgerichts Recht der Arbeit Reichsgericht Richtlinie Randnummer Rechtsprechung Satz/Seite siehe Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen Sozialgesetzbuch Entscheidungssammlung des Europäischen Gerichtshofes und des Gerichts Erster Instanz siehe oben sogenannte/sogenannter

Abkürzungsverzeichnis SR st. StGB TVG u. a. Urt. v. Var. VerbrKrG vgl. Vorb. VorstAG VuR WM z. B. ZEuP ZfA ZfPW ZHR ZIP zit. ZPO zust.

Soziales Recht ständig Strafgesetzbuch Tarifvertragsgesetz und andere Urteil vom/von Variante Verbraucherkreditgesetz vergleiche Vorbemerkung Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Verbraucher und Recht Wertpapiermitteilungen; Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zivilprozessordnung zustimmend

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A. Problemaufriss: Zur Gewährleistung der Angemessenheit des Vorstandsvertrags aus der Perspektive des AGB-Rechts Was ist angemessen? Und vor allem: Was ist angemessen in Vorstandsverträgen? Findet sich der Begriff der Angemessenheit in vielen Gesetzen,1 so ist er doch für sich genommen nicht mehr als ein schemenhafter Umriss, der der Präzisierung durch wertende Ausfüllung bedarf. Bei der Angemessenheit handelt sich um ein normatives Element, das nur aufgrund rechtlicher Bewertung als vorhanden oder fehlend festgestellt werden kann. Es bedarf zur Ermittlung, ob etwas angemessen respektive unangemessen ist, stets einer umfassenden Interessenanalyse, -gewichtung und -bewertung.2 Angemessen ist, was sich nach der Interessenabwägung als gerechter Ausgleich, als Balance darstellt. Ausgehend von dem durch Schmidt-Rimpler entwickelten Gedanken der Richtigkeitsgewähr des Vertragsmechanismus wohnt dem übereinstimmend Gewollten im Rahmen frei ausgehandelter Verträge regelmäßig die Vermutung eines Interessenausgleichs und damit eines angemessenen Vertrags inne.3 Dies setzt indes Gleichheit im Sinne einer Verhandlungsparität voraus.4 Wo es an der Gleichheit der Verhandlungskräfte fehlt, da kann der Inhalt eines Vertrags kein Indiz für seine Angemessenheit bilden.5 Und wo naturgemäß kein Gleichgewicht der Vertragsparteien besteht, da bedarf es zur Herstellung angemessener Verträge hinreichender Kontrollinstrumente.6 Hier setzt die AGB-Kontrolle an, die im Falle eines aus situativen Umständen folgenden Ungleichgewichts zwischen den Parteien eingreift, durch besondere Schutzmechanismen auf den schonenden Interessenausgleich

1 S. nur beispielhaft aus dem Aktienrecht § 87 Abs. 1 S. 1 AktG, § 113 Abs. 1 S. 3 AktG, §§ 304 Abs. 1, 305 AktG; aus dem Sozialrecht § 22 Abs. 1, 2, 4, 6, 10 SGB II, § 82 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 4 SGB XI; s. darüber hinaus § 10 AGG; § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB; § 17 BBiG; § 245 und § 295 InsO. 2 Für das AGB-Recht MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 307 Rn. 35; Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rn. 102; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 173 ff. 3 Grundlegend Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 ff., 151 ff.; später fortentwickelt in Schmidt-Rimpler, FS Raiser, 1974, S. 3 ff.; Schmidt-Rimpler, FS Nipperdey, 1955, S. 1 ff. 4 Schmidt-Rimpler, FS Raiser, 1974, S. 3, 13; Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 157 f. 5 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 157 f. 6 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 157 f.

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A. Problemaufriss

hinwirken und auf diese Weise Vertragsgerechtigkeit herstellen soll.7 Das Element der Angemessenheit oder – vice versa – der Unangemessenheit bildet dabei den maßgeblichen Dreh- und Angelpunkt. Nach der zentralen Grundsatznorm § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, „wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.“ Ist das Merkmal der Benachteiligung, die Schlechterstellung des Vertragspartners durch eine vertragliche Abrede im Vergleich zur sich ohne die Regelung ergebenden Rechtslage,8 schon isoliert betrachtet recht griffig, muss der Bestimmung der Unangemessenheit stets durch umfassende Interessenabwägung eine Kontur gegeben werden.9 Die Problematik der Wirksamkeit von Vorstandsverträgen aus dem Blickwinkel AGB-rechtlicher Schranken fristete dabei bislang weitgehend ein wissenschaftliches Schattendasein. Sah Henssler den Vorstandsvertrag schon vor nunmehr fast 30 Jahren als konfliktträchtiges Gefilde zwischen Dienstvertrags- und Gesellschaftsrecht, dessen nähere Ergründung insbesondere durch einen Rückgriff auf arbeitsrechtliche Normen und Wertungen möglich erschien, aber noch größtenteils ungeklärt war,10 so hat sich an dieser Feststellung bis heute kaum etwas geändert. Noch immer fehlen wissenschaftliche Erkenntnisse dahingehend, welche Maßstäbe bei der AGB-Kontrolle vorstandsvertraglicher Regelungen anzulegen sind, insbesondere, ob und inwieweit eine Übertragung der für Arbeitsverträge geltenden Maßstäbe, die sich infolge ausführlicher Diskussionen im Schrifttum und umfangreichen Judikaten herausgebildet haben,11 zulässig und geboten ist. Dies mag verwundern, ist die Problematik angesichts jüngerer höchstrichterlicher Rechtsprechung aktueller denn je.12 Die Konturierung des AGB-rechtlichen Angemessenheitsbegriffs für vor7

BT-Drucks. 7/3919, S. 13. Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 37 f.; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 16 Rn. 467. 9 MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 307 Rn. 35; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rn. 102; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 173 ff. 10 Henssler, RdA 1992, 289. 11 Exemplarisch BAG, Urt. v. 27. 02. 2019 – 10 AZR 341/18, NZA 2019, 914; Urt. v. 26. 10. 2017 – 6 AZR 158/16, NJW 2018, 891; Urt. v. 23. 03. 2017 – 6 AZR 705/15, NZA 2017, 773; Urt. v. 24. 01. 2017 – 1 AZR 772/14, NJW 2017, 931; Urt. v. 17. 03. 2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945; Urt. v. 24. 02. 2016 – 7 AZR 253/14, NZA 2016, 814; Urt. v. 07. 07. 2015 – 10 AZR 260/14, NJW 2015, 3389; Urt. v. 22. 02. 2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861; Urt. v. 01. 09. 2010 – 5 AZR 517/09, CCZ 2011, 78; Urt. v. 13. 04. 2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457; Urt. v. 18. 12. 2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519; Urt. v. 25. 05. 2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 3305; aus dem Schrifttum Annuß, BB 2002, 458 ff.; Bayreuther, ZfA 2011, 45 ff.; Grobys, DStR 2002, 1002 ff.; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73 ff.; Hromadka, NJW 2002, 2523 ff.; Koch, RdA 2006, 28 ff.; Kroeschell, NZA 2008, 1393 ff.; Preis, NZA 2009, 281 ff.; Preis/Lindemann, NZA 2006, 632 ff.; Preis/Roloff, RdA 2005, 144 ff.; Ricken, DB 2006, 1372 ff.; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007; Thüsing/Leder, BB 2005, 1563 ff.; Thüsing/Leder, BB 2004, 42 ff.; Winter, BB 2010, 2757 ff. 12 S. nur BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679. 8

II. Gang der Darstellung – zu beantwortende Fragen und Problemkreise

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standsvertragliche Vereinbarungen soll daher durch diese Arbeit erfolgen – dies nicht l’art pour l’art, sondern, um einen praktisch verwertbaren wesentlichen juristischen Beitrag zur Gewährleistung angemessener Bedingungen in Vorstandsverträgen zu leisten.

I. Gebotenheit der Betrachtung des Anstellungsvertrags aus dem Blickwinkel des AGB-Rechts Insbesondere aus rechtsberatender und -gestaltender Perspektive erscheint es erforderlich, die Angemessenheit von Vorstandsverträgen aus dem Blickwinkel AGB-rechtlicher Bestimmungen näher zu erörtern. Ohne die Aufzeigung klarer Grenzen wird es der Kautelarpraxis schwerfallen, Vorstandsverträge zu entwerfen und gestalten, die den Schranken des AGB-Rechts standhalten. Im Rahmen dieser Arbeit soll daher untersucht werden, inwieweit Anstellungsverträge von AG-Vorstandsmitgliedern der AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterliegen, welcher Kontrollmaßstab in Bezug auf die AGB-rechtliche Wirksamkeit der Vereinbarungen anzulegen ist, insbesondere inwiefern sich hierbei – unter Berücksichtigung der umfangreichen Rechtsprechung und Literatur zur Zulässigkeit bestimmter Vertragsklauseln – ein Rückgriff auf arbeitsrechtliche Wertungen aufgrund eines vergleichbaren Schutzniveaus rechtfertigt. Sollte sich eine Übertragung als geboten herausstellen, hätte dies weitreichende Auswirkungen auf die Gestaltungspraxis; denn dann müsste stets ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab angelegt werden. Sofern die Sicherstellung der Angemessenheit anstellungsvertraglicher Vereinbarungen im Fokus steht, soll dabei der Blick im Rahmen dieser Arbeit speziell auf das Vorstandsmitglied und seine aktienrechtlich festgelegte Position gerichtet werden. Maßstäbe, die im Rahmen dieser Dissertation für das Vorstandsmitglied herausgearbeitet werden, können damit nicht automatisch und pauschal auch für andere Organmitglieder, insbesondere auch nicht für den GmbH-Geschäftsführer, gelten.

II. Gang der Darstellung – zu beantwortende Fragen und Problemkreise Zur Erörterung der Angemessenheit vorstandsvertraglicher Regelungen aus dem Blickwinkel AGB-rechtlicher Begrenzungen ist – wie die folgende grobe roadmap aufzeigen soll – schrittweise vorzugehen: In einem ersten Schritt ist zur Schaffung eines argumentativen Fundaments die Stellung des Vorstandsmitglieds im Gefüge der Aktiengesellschaft darzustellen (A. III.), was neben einer Auseinandersetzung mit der schuldrechtlichen Grundlage, dem Anstellungsvertrag (A. III. 1.), zur Ergründung vorstandsrechtlicher Spezifika eine Abgrenzung zum GmbH-Geschäftsführer (A. III. 2.), zum Arbeitnehmer (A. III. 3.) sowie zum Arbeitnehmerähnlichen (A. III. 4.) erfordert. Weiter bedarf es einer Sichtung der rechtlichen Rahmenbe-

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A. Problemaufriss

dingungen (B.). Denn um den privatautonomen Spielraum optimal ausschöpfen zu können, muss die Kautelarpraxis bei dem Entwurf der Vertragsbedingungen zunächst den rechtlichen Rahmen genau kennen. Schranken ergeben sich zum einen aus den allgemeinen Grenzen der Gesetzes- und Sittenwidrigkeit (B. I.), aber auch – und hier in weitaus größerem Umfang – aus dem AGB-Recht (B. II.). Zunächst gilt es daher aufzuzeigen, welche Voraussetzungen nach § 305 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegen müssen, um das Tor zur AGB-Kontrolle aufzustoßen (B. II. 1.). In einem nächsten Schritt ist sich speziell Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Kontext des Vorstandsvertrags zuzuwenden (B. II. 2.), deren Kontrollmaßstab keiner Modifikation nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB zugänglich ist (B. II. 3.). Sodann erfolgt zur Ermittlung eines allgemeinen Status quo als Ausgangspunkt der Beurteilung formularvertraglicher Vereinbarungen in Vorstandsverträgen eine Bestandsaufnahme der Judikate (C. I.) und Äußerungen in der Literatur (C. II.). Darauffolgend ist herauszustellen, ob und inwieweit der Anwendungsbereich des AGB-Rechts im Hinblick auf § 310 Abs. 4 S. 1 BGB und § 305 Abs. 1 S. 3 BGB eröffnet ist (D.): Zunächst muss dargelegt werden, ob Anstellungsverträge von der Bereichsausnahme „Gebiet des Gesellschaftsrechts“ nach § 310 Abs. 4 S. 1 BGB erfasst werden, was eine Überprüfung anhand AGB-rechtlicher Maßstäbe versagen würde (D. I.). Sodann wird die Grenze der Individualvereinbarung näher definiert, um den Schutzbereich AGBrechtlicher Kontrolle zu bestimmen (D. II.). Hierbei ist zuerst aufzuzeigen, welche Maßstäbe derzeit für ein individuelles Aushandeln i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB gelten, um dann die Frage zu klären, ob diese Maßstäbe auch beim Vorstandsvertrag aufrechterhalten werden können oder einer Anpassung bedürfen. In einem weiteren Schritt wendet sich die Bearbeitung der Frage zu, ob es sich bei dem Organanstellungsvertrag um einen Verbrauchervertrag i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB handelt (E.), womit Modifikationen der AGB-rechtlichen Bestimmungen einhergingen. Hierbei ist insbesondere zu erörtern, ob diesbezüglich zwischen dem GmbH-Geschäftsführer ohne Leitungsmacht, dem Mehrheits- bzw. Alleingesellschafter sowie dem AGVorstandsmitglied differenziert werden muss. Schließlich soll zu prüfen sein, ob und inwieweit der AGB-rechtliche Kontrollmaßstab bei der Prüfung formularvertraglicher Vereinbarungen in Vorstandsverträgen zur Berücksichtigung vorstandsrechtlicher Wertungen im Rahmen des AGB-Rechts angepasst werden muss (F.). Hierzu bedarf es zunächst der Ermittlung des Modifikationsbedarfs (F. II.), um in einem zweiten Schritt im Falle der Bejahung die rechtliche Umsetzung zu erörtern (F. I. und II.). Im weiteren Fortgang der Arbeit soll zu prüfen sein, inwieweit die umfangreiche Rechtsprechung der Arbeitsgerichte im Bereich des AGB-Rechts auf die Beurteilung der Wirksamkeit vorformulierter Bedingungen in Vorstandsverträgen übertragbar ist oder jedenfalls als Leitlinie fungieren kann (G.). Hierbei wird der Schwerpunkt nach der Feststellung, dass angesichts der fehlenden Arbeitnehmereigenschaft des Vorstandsmitglieds kein unbesehener Transfer erfolgen kann (G. I.), darin liegen, abstrakte Anknüpfungspunkte für eine mögliche Übertragung bestimmter Wertungen zu bestimmen (G. II.). Anschließend wird im letzten Kapitel darzulegen sein, inwieweit sich vorzunehmende Modifikationen des AGB-rechtlichen Kontrollmaßstab konkret in typischen Einzelklauseln äußern, und inwieweit arbeitsrechtliche

III. Rechtsstellung des Vorstandsmitglieds im Gefüge der AG

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Grundsätze bei der Bestimmung der Anforderungen an die Wirksamkeit spezifischer Klauseln Orientierung bieten können (H.). Auf diese Weise können dem Gestaltungsspielraum bei der formularvertraglichen Vereinbarung bestimmter Klauseln in Vorstandsverträgen konkrete Grenzen aufgezeigt werden und somit die Angemessenheit ebendieser sichergestellt werden.

III. Die Rechtsstellung des Vorstandsmitglieds im Gefüge der Aktiengesellschaft Den Ausgangspunkt der nachfolgenden Betrachtung bildet die Rechtsstellung des Vorstandsmitglieds im Gefüge der Aktiengesellschaft: Die AG weist als juristische Person gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 AktG eine eigene Rechtspersönlichkeit auf; handlungsfähig ist sie jedoch nur durch ihre Organe.13 Die Verfassung der AG im deutschen Aktienrecht sieht im Rahmen eines dualistischen Systems die Einrichtung der zwei Verwaltungsorgane Vorstand und Aufsichtsrat und des Willensbildungsorgans Hauptversammlung vor.14 Dabei sind die Organstruktur sowie die Aufgabenbereiche vor dem Hintergrund der Satzungsstrenge gemäß § 23 Abs. 5 AktG weitgehend zwingend festgelegt und lassen sich deutlich voneinander abgrenzen.15 Der Vorstand einer AG, der gemäß § 84 Abs. 1 S. 1 AktG durch das Überwachungsorgan Aufsichtsrat bestellt wird, hat die Gesellschaft gemäß § 76 Abs. 1 AktG „unter eigener Verantwortung […] zu leiten“. § 77 Abs. 1 S. 1 AktG überträgt den Vorstandsmitgliedern die Kompetenz zur gemeinschaftlichen Geschäftsführung. Nach zutreffender herrschender Meinung handelt es sich bei der Leitung um einen herausgehobenen Teil der Geschäftsführung, der in Abgrenzung zu allgemeinen tatsächlichen oder rechtsgeschäftlichen Maßnahmen für die Gesellschaft Tätigkeiten mit Lenkungs- bzw. Führungsqualität betrifft.16 Die Befugnis zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft bedeutet – und hierin liegt das wohl herausragendste Charakteristikum des AG-Vorstands –, dass der Vorstand weder den Weisungen anderer Organe noch etwaiger Groß- bzw. Mehrheitsaktionäre unterliegt.17 Im Ge13

GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 11. Hierzu Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, 4. Aufl. 2017, § 76 Rn. 2; GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 2; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 76 Rn. 2; Spindler/Stilz/ Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 76 Rn. 3 m.w.N.; s. auch insbesondere zur historischen Entwicklung Lieder, Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 39 ff. 15 KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, Vorb. § 76 Rn. 1. 16 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 30; Heidel/Oltmanns, AktG, 5. Aufl. 2020, § 76 Rn. 5; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 76 Rn. 8; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 76 Rn. 4; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 76 Rn. 14. 17 Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, 4. Aufl. 2017, § 76 Rn. 18, 22; Heidel/Oltmanns, AktG, 5. Aufl. 2020, § 76 Rn. 7; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 76 Rn. 25; Ausnahmen können jedoch etwa dann bestehen, wenn die Aktionäre im Rahmen eines Beherrschungsvertrags herrschendes Unternehmen sind, § 308 AktG, oder in Eingliederungskonstellationen i.S.v. § 323 AktG. 14

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A. Problemaufriss

genteil zeigt die im AktG strikt geregelte Kompetenzzuweisung etwa in § 111 Abs. 1, Abs. 4 AktG, dass sich die Tätigkeit des Aufsichtsrates auf eine bloße Überwachung beschränkt, und auch der Hauptversammlung gemäß § 119 Abs. 2 AktG grundsätzlich keine Befugnis zur Entscheidung über Geschäftsführungsfragen zustehen soll.18 Insofern soll einmal sichergestellt werden, dass der Vorstand durch die rechtliche Weisungsfreiheit die Interessen der Minderheitsgesellschafter und Stakeholder angemessen wahrnehmen kann;19 insbesondere aber erscheint der typischerweise große Kreis weitgehend anonymer Anteilseigner „in Anbetracht [seiner] inhomogenen, dem Zufall ausgelieferten Zusammensetzung und [seiner] Ferne zu den jeweils zu treffenden Geschäftsführungsmaßnahmen [seiner] ganzen Struktur nach für die Mitwirkung an der Leitung einer Aktiengesellschaft ungeeignet“20. Neben der Leitungs- und Geschäftsführungsbefugnis obliegt dem Vorstand gemäß § 78 Abs. 1 S. 1 AktG die Aufgabe der gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der AG. Die Vertretungsbefugnis kann gemäß § 82 Abs. 1 AktG im Außenverhältnis nicht beschränkt werden. Des Weiteren – und auch hierin zeigt sich die Unabhängigkeit der Stellung – kann das Vorstandsmitglied gemäß § 84 Abs. 3 AktG während seiner Amtszeit nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wieder abberufen werden.21 Deutlich wird mithin eine im Gesetz angelegte starke Position des Vorstands, die aufgrund der Satzungsstrenge gemäß § 23 Abs. 5 AktG nur in geringfügigem Rahmen abgeschwächt werden kann. 1. Der Vorstandsvertrag: Zur Trennung von Anstellungsverhältnis und Organstellung Organmitglieder einer juristischen Person befinden sich „in einer doppelten Beziehung“22 zur Gesellschaft: So steht das Vorstandsmitglied durch die Bestellung i.S.v. § 84 Abs. 1 S. 1 – 4 AktG in einem korporationsrechtlichen Verhältnis zur Gesellschaft; gleichzeitig liegt aber auch ein schuldrechtliches Austauschverhältnis in Form eines – zumeist entgeltlichen23 – Dienstvertrags mit Geschäftsbesor-

18 Heidel/Oltmanns, AktG, 5. Aufl. 2020, § 76 Rn. 7; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, Vorb. § 76 Rn. 2. 19 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 76 Rn. 26. 20 BGH, Urt. v. 26. 04. 2004 – II ZR 155/02, NJW 2004, 1860, 1864. 21 Hierzu Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 34 f.; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 5 Rn. 7 ff. 22 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 16; Ausnahmen ergeben sich in sog. Drittanstellungskonstellationen, deren Zulässigkeit im Einzelnen umstritten ist, s. hierzu ausführlich Fütterer, Der Drittanstellungsvertrag, 2017. 23 Sofern ausnahmsweise ein unentgeltlicher Vertrag geschlossen wird, finden die Regeln über den Auftrag nach §§ 662 ff. BGB Anwendung, s. GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 271a; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 59; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 24; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 233.

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gungscharakter i.S.v. §§ 611, 675 BGB vor.24 Durch den korporationsrechtlichen Bestellungsakt erlangen die Geschäftsführer sowie die Vorstandsmitglieder die Organstellung, durch die Anstellung entsteht eine schuldrechtliche Beziehung zur Gesellschaft. Rechte und Pflichten ergeben sich daher sowohl aus der Organstellung als auch aus dem Anstellungsverhältnis. Zwischen diesen beiden Ebenen muss entsprechend der herrschenden Trennungstheorie25 – die etwa in § 84 Abs. 1 S. 1 und 5, Abs. 3 S. 1 und 5 AktG zum Ausdruck kommt – differenziert werden. Das bedeutet, dass Bestellung und Anstellung unabhängig voneinander bestehen können und kein rechtliches Schicksal teilen, dass also etwa die Abberufung, die den Korporationsakt betrifft, nicht automatisch zur Beendigung des Dienstverhältnisses führt.26 Trotz dogmatischer Trennung besteht oftmals jedoch rein tatsächlich eine enge Verbindung, die sich beispielsweise in der typischerweise zeitlich gleichzeitigen Bestellung und Anstellung äußert.27 Auch fallen sowohl der Abschluss des Anstellungsvertrags als auch der Bestellungsakt bei der AG in den Zuständigkeitsbereich des Aufsichtsrates.28 Aus § 84 Abs. 1 S. 5 i.V.m. S. 1 AktG, der die 24 Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, 4. Aufl. 2017, § 84 Rn. 13; GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 271 ff.; Heidel/Oltmanns, AktG, 5. Aufl. 2020, § 84 Rn. 10; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 14; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 34; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 232; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 53; Seitz, FS Wegen, 2015, S. 518; v. Westphalen, BB 2015, 834, 836. 25 Hierzu BGH, Urt. v. 28. 10. 2002 – II ZR 146/02, NJW 2003, 351; Urt. v. 26. 06. 1995 – II ZR 109/94, DStR 1995, 1639, 1640; Beschl. v. 28. 05. 1990 – II ZR 245/89, GmbHR 1990, 345, 346; Urt. v. 29. 05. 1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683; Urt. v. 14. 07. 1980 – II ZR 161/79, NJW 1980, 2415; Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, 4. Aufl. 2017, § 84 Rn. 1; GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 16 ff., 23; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 4; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 10; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. f.; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 2; Mävers, ArbRAktuell 2018, 591, 592; Seitz, FS Wegen, 2015, S. 517 f.; Werner, NZA 2015, 1234 f.; a.A. Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 1987, S. 3 ff., dessen Einheitstheorie von einem einheitlichen Rechtsverhältnis ausgeht. 26 BGH, Urt. v. 28. 10. 2002 – II ZR 146/02, NJW 2003, 351; Urt. v. 26. 06. 1995 – II ZR 109/ 94, DStR 1995, 1639, 1640; Beschl. v. 28. 05. 1990 – II ZR 245/89, GmbHR 1990, 345, 346; Urt. v. 29. 05. 1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683; Heidel/Oltmanns, AktG, 5. Aufl. 2020, § 84 Rn. 15; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 4; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 4. Ebenso muss der Anstellungsvertrag nicht zwangsläufig mit der Gesellschaft, zu dessen Organ das Vorstandsmitglied bestellt wird, abgeschlossen werden; möglich sind auch Drittanstellungskonstellationen, die sich insbesondere bei konzernverbundenen Gesellschaften finden. Einzelheiten sind hier indes lebhaft umstritten und sollen keinen Einzug in diese Arbeit erhalten, s. zur Problematik nur Heidel/Oltmanns, AktG, 5. Aufl. 2020, § 84 Rn. 13; Spindler/ Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 39; ausführlich Fütterer, Der Drittanstellungsvertrag, 2017. 27 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 25; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 52; s. hierzu auch Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 203 ff.; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 4 ff. 28 St. Rspr., s. beispielhaft BGH, Urt. v. 14. 11. 1983 – II ZR 33/83, NJW 1984, 733; s. auch Heidel/Oltmanns, AktG, 5. Aufl. 2020, § 84 Rn. 12; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 4.

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A. Problemaufriss

Bestellung auf einen Zeitraum von fünf Jahren beschränkt, folgt zudem, dass auch die Höchstdauer des Anstellungsvertrags fünf Jahre beträgt. Wird eine längere oder unbestimmte Dauer vereinbart, endet der Vertrag mit Ablauf der Fünf-Jahres-Frist.29 Den Mittelpunkt der folgenden Betrachtung bildet der schuldrechtliche Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds, der die „Rechte und Pflichten [beinhaltet], die dem Vorstand nicht als Organ, sondern als Dienstverpflichtetem der Gesellschaft zuzuordnen sind“30. Dies betrifft insbesondere Vergütungs- und Versorgungsvereinbarungen sowie Regelungen über die Gewährung von Tantiemen und Nebenleistungen in Form von Entgeltflexibilisierungsregelungen wie Freiwilligkeitsvorbehalten oder Rückzahlungsklauseln, (nach-)vertragliche Wettbewerbsverbote oder die Konkretisierung spezieller Leistungspflichten.31 Dabei ist zu beachten, dass nach Ansicht des BGH „der Organstellung im Hinblick auf ihre wesentliche Bedeutung für die eigenverantwortliche Leitung und gesetzliche Vertretung der AG im Interesse des Unternehmens der Vorrang vor der dienstvertraglichen Regelung“32 gebührt. Das Dienstverhältnis richtet sich mithin inhaltlich nach aktienrechtlichen Vorgaben, die sich etwa in §§ 84 Abs. 1 S. 5, Abs. 3 S. 5, 87, 88 und 89 AktG finden und die die allgemeinen Regeln nach den §§ 611 ff. BGB überlagern, sodass man von einem „Vertrag über Leistung unabhängiger, durch aktienrechtl[iche] Vorgaben geprägter Dienste“33 sprechen mag.34 Wenn also der schuldrechtliche Anstellungsvertrag das zentrale Untersuchungselement bildet, müssen trotz dogmatischer Trennung vom Organverhältnis auch die korporationsrechtlichen Spezifika Eingang in die Betrachtung finden. Die Berücksichtigung aktienrechtlicher Wertungen ist insbesondere relevant, um die Angemessenheit spezifischer Regelungen sicherstellen zu können.

29 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 332; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 20; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 81; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 40. 30 KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 34; s. auch Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 53; ähnlich Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, 4. Aufl. 2017, § 84 Rn. 13; Hümmerich/Lücke/Mauer/Lücke, Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 442; Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 79. 31 Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 53; s. auch Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, 4. Aufl. 2017, § 84 Rn. 17; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 90 ff.; Schmidt/ Lutter/Seibt, AktG, 3. Aufl. 2015, § 84 Rn. 29 ff.; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 43 ff.; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 228; ausführlich zur Wirksamkeit einzelner Klauseln s. Gliederungspunkt H. 32 BGH, Urt. v. 29. 05. 1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683. 33 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 14; s. auch GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 276; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 203 ff. 34 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 271b; ähnlich auch Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2338, die die eigenständige Bedeutung des Dienstvertrags für die Regelung der Rechte und Pflichten des Vorstandsmitglieds betonen.

III. Rechtsstellung des Vorstandsmitglieds im Gefüge der AG

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2. Eine Abgrenzung vom GmbH-Geschäftsführer Der Vorstand einer AG muss dabei vom Geschäftsführer einer GmbH abgegrenzt werden, um basierend auf bestehenden Unterschieden und Gemeinsamkeiten eine auf das Vorstandsmitglied zugeschnittene Erörterung relevanter Probleme vornehmen zu können. Auch die GmbH ist eine juristische Person des deutschen Rechts, die gemäß § 13 Abs. 1 GmbHG rechtsfähig ist und die ihre Handlungsfähigkeit durch Organe erlangt. Gleichwohl bestehen erhebliche Strukturunterschiede zwischen AG und GmbH, die mit der unterschiedlichen gesetzlich vorausgesetzten Zweckbestimmung verbunden sind: Fungiert die AG zumeist als Kapitalsammelstelle eines großen Kreises weitgehend anonymer Gesellschafter, steht bei der GmbH regelmäßig der Zusammenschluss einer kleineren Anzahl persönlich verbundener Gesellschafter im Vordergrund. Dies äußert sich bereits in der gesetzlichen Festlegung des unterschiedlichen Mindestgrund- bzw. Mindeststammkapitals, das sich bei der AG gemäß § 7 AktG auf 50.000 E und bei der GmbH gemäß § 5 GmbHG auf 25.000 E beläuft. Deutlich wird die unterschiedliche Zielsetzung auch an der Ausgestaltung der Organstruktur. Nach der gesetzlichen Konzeption bestehen bei der GmbH nur zwei notwendige Organe: der Geschäftsführer, dessen Erforderlichkeit § 6 Abs. 1 GmbHG normiert, und die Gesellschafterversammlung, der gemäß §§ 48 Abs. 1, 47 Abs. 1, 46 GmbHG die Aufgabe der primären Willensbildung und Entscheidungsfindung zukommt.35 Die Einrichtung eines Aufsichtsrates ist grundsätzlich fakultativ, wie sich aus einem Umkehrschluss zu § 52 Abs. 1 GmbHG ergibt. Gemein ist dem GmbH-Geschäftsführer und dem AG-Vorstand neben dem Abschluss des schuldrechtlichen Dienstvertrags, dass sie als Verwaltungsorgane einer juristischen Person die Handlungsfähigkeit derselben sicherstellen, indem sie zur Wahrnehmung der tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Aufgaben im Innenverhältnis und zur Vertretung im Außenverhältnis berufen sind. Während in § 35 GmbHG umfassend festgelegt ist, dass dem GmbH-Geschäftsführer die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft obliegt, die gemäß § 37 Abs. 2 GmbHG im Außenverhältnis nicht beschränkt werden kann, ist die Kompetenz der Unternehmensleitung sowie die Durchführung aller tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Maßnahmen für die Gesellschaft nur durch die gesetzliche Bezeichnung Geschäftsführer vorausgesetzt. Eine nähere Umschreibung des Inhalts und des Umfangs der Geschäftsführungsbefugnis findet sich anders als in den §§ 76, 77 AktG nicht.36 Das mag insbesondere darin begründet liegen, dass die Geschäftsführungskompetenz des GmbH-Geschäftsführers mangels einer dem § 23 Abs. 5 AktG vergleichbaren Regelung im GmbH-Recht weitgehend frei gestaltet und somit auch beschränkt werden kann. § 37 Abs. 1 GmbHG normiert dabei die Weisungsgebundenheit, den deutlichsten Unterschied zwischen GmbH-Geschäftsführer und AG-Vorstandsmitglied: Die Geschäftsführer müssen diejenigen Beschränkungen einhalten, „welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, 35 36

MüKoGmbHG/Stephan/Tieves/Jaeger/Steinbrück, 3. Aufl. 2019, § 35 Rn. 13 m.w.N. MüKoGmbHG/Stephan/Tieves/Jaeger/Steinbrück, 3. Aufl. 2019, § 35 Rn. 79.

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A. Problemaufriss

durch den Gesellschaftsvertrag und, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind“. Im Gegensatz zur AG, deren Verfassung die ausschließliche Geschäftsführungs- und Leitungskompetenz dem unabhängigen Vorstand zuweist, unterliegen GmbH-Geschäftsführer also den Weisungen der Gesellschafterversammlung, weshalb sich deren Stellung eben nicht durch eigenverantwortliche Leitungsmacht auszeichnet. Diese gegenüber dem Vorstand evident schwächer ausgestaltete Position zeigt sich auch darin, dass der GmbH-Geschäftsführer anders als das Vorstandsmitglied gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich jederzeit abberufen werden kann, ohne dass es eines wichtigen Grundes bedarf.37 Diese Unterschiede gilt es im Hinterkopf zu behalten, um bei der Ermittlung des AGB-rechtlichen Kontrollmaßstabs für Vorstandsverträge differenzierte Wertungen herausbilden zu können. Sofern sich für die Beurteilung der Wirksamkeit bestimmter Klauseln in Geschäftsführerverträgen bereits Wertungen herausgebildet haben, sind diese also nicht zwangsläufig auf das Vorstandsmitglied übertragbar. Im Gegenteil verbietet sich aufgrund der unterschiedlich stark ausgestalteten Stellung der beiden Organe jedenfalls eine pauschale Übernahme. Auf der anderen Seite können Maßstäbe, die im Rahmen dieser Dissertation für das Vorstandsmitglied herausgearbeitet werden, nicht automatisch und pauschal auch für den GmbH-Geschäftsführer gelten. 3. Eine Abgrenzung vom Arbeitnehmer Überdies ist eine Abgrenzung des Vorstandsanstellungsvertrags vom Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers vonnöten, um eine Grundlage für die spätere Diskussion einer möglichen Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Normen und Übertragung arbeitsrechtlicher Wertungen zu schaffen. Die statusrechtliche Qualifikation ist nicht nur theoretischer Natur, sondern hat erhebliche praktische Folgen. Zum einen ist bei der Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft der Anwendungsbereich arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften und von den Arbeitsgerichten entwickelter Rechtsgrundsätze ohne Weiteres eröffnet. Zum anderen wird von der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre der Verbraucherstatus des Arbeitnehmers angenommen,38 sodass die Einordnung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsvertrag zugleich die Anwendung verbraucherschützender Normen bedeuten würde, ohne dass die Verbrauchereigenschaft des Vorstandsmitglieds gesondert diskutiert werden müsste. Im Bereich des AGB-Rechts beträfe dies das Eingreifen der Modifikationen nach § 310 Abs. 3 BGB.39

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Hierzu auch Hümmerich/Lücke/Mauer/Lücke, Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 472. S. BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 2006 – 1 BvR 1909/06, NJW 2007, 286, 287; BAG, Urt. v. 25. 05. 2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 3305, 3308; MüKoBGB/Micklitz, 8. Aufl. 2018, § 13 Rn. 58; Palandt/Ellenberger, 79. Aufl. 2020, § 13 BGB Rn. 3; Däubler, NZA 2001, 1329, 1333 f.; Herbert/Oberrath, NJW 2005, 3745. 39 S. hierzu Gliederungspunkt E. IV. 38

III. Rechtsstellung des Vorstandsmitglieds im Gefüge der AG

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a) Der Arbeitnehmerbegriff im nationalen Recht Es gilt mithin zunächst zu erörtern, ob das Vorstandsmitglied nach nationalem Verständnis als Arbeitnehmer einzuordnen ist. Mit der seit dem Jahre 2017 kodifizierten Definition des Arbeitnehmerbegriffs in § 611a BGB wollte der Gesetzgeber auf die bislang ergangene umfangreiche Kasuistik der Arbeitsgerichte rekurrieren, indem er die Leitsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Zuge der Reform des AÜG in Gesetzesform gegossen hat.40 Gemäß § 611a Abs. 1 S. 1 BGB ist in Abgrenzung zum freien Dienstleister Arbeitnehmer, wer „im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet“ ist. Die folgenden Sätze 2 und 3 konkretisieren die Weisungsgebundenheit: Zunächst legt Satz 2 fest, dass das Weisungsrecht „Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen“ kann. Satz 3 beschreibt als weisungsgebunden, „wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.“ Das ist etwa dann der Fall, wenn ein umfassender Einbezug des Mitarbeiters in Organisations-, Dienst- und Urlaubspläne erfolgt oder ein bestimmter Ort vom Arbeitgeber festgelegt wird, an dem der Mitarbeiter seine Tätigkeit zwingend verrichten muss.41 Maßgeblich ist hierbei nicht die wirtschaftliche, sondern die persönliche Abhängigkeit, die – so sagt es Satz 4 – „auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit“ abhängig ist. Letztlich ist eine wertende Gesamtschau unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, was Satz 5 klarstellt. Auch hierdurch wird lediglich die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgegriffen, nach der eine Abgrenzung des Arbeitsvertrags von anderen Vertragsverhältnissen im Wege einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Einzelfallumstände vorgenommen wird.42 Eine Abbedingung des arbeitsrechtlichen Schutzes kann nicht dadurch erfolgen, dass die Parteien dem Vertrag eine andere Bezeichnung geben.43 Maßgeblich ist stets die tatsächliche Durchführung, wie es jetzt auch § 611a Abs. 1 S. 6 BGB normiert.

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BT-Drucks. 18/9232, S. 31 f.; zur früheren Rechtsprechung vgl. beispielhaft BAG, Urt. v. 11. 08. 2015 – 9 AZR 98/14, NZA-RR 2016, 288, 289, Rn. 16; Beschl. v. 17. 09. 2014 – 10 AZB 43/14, NJW 2015, 572, 574, Rn. 18; Urt. v. 09. 04. 2014 – 10 AZR 590/13, NZA-RR 2014, 522, 523, Rn. 16; Urt. v. 20. 01. 2010 – 5 AZR 99/09, NJOZ 2011, 88, 89, Rn. 13. 41 S. nur BAG, Urt. v. 08. 11. 2006 – 5 AZR 706/05, NZA 2007, 321, 322, Rn. 17; ErfK/ Preis, 20. Aufl. 2020, § 611a BGB Rn. 34 f. 42 S. beispielhaft BAG, Urt. v. 25. 09. 2013 – 10 AZR 282/12, NZA 2013, 1348, 1350, Rn. 17; Urt. v. 15. 02. 2012 – 10 AZR 301/10, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 123, Rn. 13; Urt. v. 20. 05. 2009 – 5 AZR 31/08, NZA-RR 2010, 172, 173, Rn. 19; so schon BAG, Urt. v. 16. 03. 1972 – 5 AZR 460/71, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 10. 43 BAG, Urt. v. 27. 06. 2017 – 9 AZR 851/16, NZA 2017, 1463. 1465, Rn. 17; Urt. v. 11. 08. 2015 – 9 AZR 98/14, NZA-RR 2016, 288, 289, Rn. 16; Urt. v. 15. 02. 2012 @ 10 AZR 301/10, NZA 2012, 731, 732, Rn. 13; Urt. v. 20. 05. 2009 – 5 AZR 31/08, NZA-RR 2010, 172, 173, Rn. 19; Reinfelder, RdA 2016, 87, 88.

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A. Problemaufriss

aa) Arbeitnehmereigenschaft des GmbH-Geschäftsführers Auf dieser Grundlage ist bereits umstritten, ob der weisungsabhängige GmbHGeschäftsführer als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist.44 Die ausführliche Diskussion in Rechtsprechung und Literatur soll hier mangels Relevanz für die Thematik dieser Arbeit nicht en détail nachgezeichnet werden, sodass für die Festlegung eines Ausgangspunktes lediglich die eindeutigen Gegenpositionen aufzuzeigen sind: Der BGH45 und ein großer Teil im Schrifttum46 verneinen die Arbeitnehmereigenschaft des GmbH-Geschäftsführers unter Verweis auf seine arbeitgeberähnliche Funktion: Er habe eine Organstellung inne, nehme insoweit an der Willensbildung der Gesellschaft teil und vertrete diese im Außenverhältnis. Eine Weisungsgebundenheit im Sinne des Arbeitsrechts bestehe dann nicht. Das gelte umso deutlicher, als die in § 37 Abs. 1 GmbHG kodifizierte Weisungsgebundenheit gegenüber der Gesellschafterversammlung streng dogmatisch die korporationsrechtliche Ebene, aber nicht den Anstellungsvertrag betreffe. Es handele sich daher bei dem Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers stets um einen freien Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter. Dennoch sei der Weg zur Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften im Einzelfall nicht gänzlich versperrt: Eine Analogie komme bei gleicher Schutzwürdigkeit in Betracht.47 Eine solche wurde in der Vergangenheit insbesondere beim Fremd- und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer angenommen.48 Nach Ansicht des BAG49 und Teilen des Schrifttums50 sei der GmbH44 Vgl. zur Diskussion Hümmerich/Lücke/Mauer/Lücke, Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 442 f. m.w.N. 45 BGH, Urt. v. 25. 07. 2002 – III ZR 207/01, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 9; Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 120/83, NJW 1984, 2528; Urt. v. 29. 01. 1981 – II ZR 92/80, NJW 1981, 1270; Urt. v. 09. 02. 1978 – II ZR 189/76, NJW 1978, 1435, 1437; Urt. v. 16. 12. 1953 – II ZR 41/53, BGHZ 12, 1, 8; Urt. v. 11. 07. 1953 – II ZR 126/52, NJW 1953, 1465. 46 S. etwa Boemke, ZfA 1998, 209, 213 f.; Holthausen/Steinkraus, NZA-RR 2002, 281, 282; Hümmerich, NJW 1995, 1177 f.; Jaeger, NZA 1998, 961, 963; differenzierend ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 611a BGB Rn. 88. 47 BGH, Urt. v. 09. 03. 1987 – II ZR 132/86, NJW 1987, 2073, 2074; Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 120/83, NJW 1984, 2528, 2528 f.; Urt. v. 29. 01. 1981 – II ZR 92/80, NJW 1981, 1270, 1270 f.; Urt. v. 11. 07. 1953 – II ZR 126/52, NJW 1953, 1465, 1465 f. 48 BGH, Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 120/83, NJW 1984, 2528 f.; Urt. v. 29. 01. 1981 – II ZR 92/80, NJW 1981, 1270 f. Als Beispielsnorm, für die eine Analogie bejaht wurde, ist § 622 BGB zu nennen, s. hierzu BGH, Urt. v. 29. 05. 1989 – II ZR 220/80, NJW 1989, 2683; Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 120/83, NJW 1984, 2528; s. im Übrigen Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 24; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 38; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 174; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 28; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 209; Henssler, RdA 1992, 289, 295 f.; Werner, NZA 2015, 1234, 1235. 49 BAG, Urt. v. 17. 09. 2014 – 10 AZB 43/14, NJW 2015, 572 ff.; Urt. v. 26. 05. 1999 – 5 AZR 664/98, NZA 1999, 987; anders aber BAG, Beschl. v. 21. 01. 2019 – 9 AZB 23/18, NZA 2019, 490, 493, Rn. 24; Urt. v. 24. 11. 2005 – 2 AZR 614/04, NZA 2006, 366, 367, Rn. 18: „Der Geschäftsführer einer GmbH wird für diese in aller Regel auf der Grundlage eines freien Dienstvertrags, nicht eines Arbeitsvertrags tätig.“

III. Rechtsstellung des Vorstandsmitglieds im Gefüge der AG

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Geschäftsführer dagegen im Einzelfall als Arbeitnehmer zu qualifizieren. Eine Abgrenzung zum freien Dienstvertrag erfolge nach allgemeinen Kriterien: Maßgeblich sei, ob der Geschäftsführer unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände im konkreten Fall weisungsgebunden und damit persönlich abhängig sei. Das sei etwa bei einer Mehrpersonen-Geschäftsführung möglich, denn die Repräsentation der Gesellschaft, die unternehmerische Willensbildung und die Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen im Sinne einer Ausübung der Weisungsbefugnis gegenüber den Arbeitnehmern widerspreche nicht einer für die Annahme des Arbeitnehmerstatus erforderlichen Weisungsabhängigkeit einzelner Organmitglieder im Innenverhältnis.51 bb) Arbeitnehmereigenschaft des Vorstandsmitglieds Die Arbeitnehmereigenschaft des Vorstandsmitglieds wird dagegen – und hier besteht deutlich weniger Streit – zu Recht von der ganz herrschenden Ansicht verneint.52 Handelt es sich bei dem Vorstandsanstellungsvertrag um einen „Vertrag über Leistung unabhängiger, durch aktienrechtl[iche] Vorgaben geprägter Dienste“53, so wird deutlich, dass es an der für die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft erforderlichen persönlichen Abhängigkeit fehlt. Im Gegenteil nimmt das Vorstandsmitglied in Anbetracht der in § 76 Abs. 1 AktG kodifizierten eigenverantwortlichen und unabhängigen Leitungsbefugnis und seiner Funktion als Willensbildungsorgan der Gesellschaft eher eine Arbeitgeberfunktion wahr.54 Weder dem Aufsichtsrat noch der Hauptversammlung steht es zu, dem Vorstandsmitglied verbindliche Weisungen zu erteilen.55 Zwar ist auch hier bei streng dogmatischer Betrachtung die Trennung zwischen Anstellungsverhältnis und Organstellung zu beachten. Auch wenn man aber die Charakteristika der §§ 76 ff. AktG für die Beurteilung der Arbeitnehmer50 Groß, DB 1984, 1447, 1453; Köhl, DB 1996, 2597, 2600 ff.; Martens, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 440 f.; Schrader/Schubert, DB 2005, 1457, 1460; Trinkhaus, DB 1968, 1756. 51 BAG, Urt. v. 26. 05. 1999 – 5 AZR 664/98, NZA 1999, 987 f. 52 S. nur BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 26; Urt. v. 16. 12. 1953 – II ZR 41/53, BGHZ 12, 1, 8; Urt. v. 11. 07. 1953 – II ZR 126/52, NJW 1953, 1465; GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 272; Heidel/Oltmanns, AktG, 5. Aufl. 2020, § 84 Rn. 10; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 14; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 35; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 60; Schmidt/Lutter/ Seibt, AktG, 3. Aufl. 2015, § 84 Rn. 23; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 5; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197; Fleischer/ Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 54; Henssler, RdA 1992, 289, 291 f.; Hohenstatt/Naber, ZIP 2012, 1989, 1990; Hümmerich/Lücke/Mauer/Lücke, Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 442, 461; Hümmerich/Reufels/Reufels, Gestaltung, 4. Aufl. 2019, Kap. 3.1 Rn. 28; Kort, NZG 2013, 601, 605 ff.; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 7, 20; Thüsing, NZG 2004, 9; Ziemons, KSzW 2013, 19. 53 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 14; s. auch GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 276; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 203 ff. 54 BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 26. 55 Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2338.

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A. Problemaufriss

eigenschaft gänzlich außer Acht ließe, würden sich im Regelfall keine schuldrechtlichen Bindungen ergeben, die das Maß der persönlichen Abhängigkeit erreichen. Denn es ist kaum anzunehmen, dass ein Weisungsrecht bezüglich Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit oder eine arbeitnehmertypische Eingliederung in den Betrieb, etwa durch den Einbezug in Dienst- oder Urlaubspläne, bestehen können. Im Gegenteil hat das Vorstandsmitglied zwar regelmäßig seine gesamte Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, unterliegt aber keinen Bindungen an festgelegte Arbeitszeiten.56 Ebenso erscheint es fernliegend, dass die Verrichtung der Tätigkeiten an einem bestimmten Ort erfolgen muss, den das Vorstandsmitglied nicht selbst bestimmen darf. Jedenfalls ist die ausschließlich durch den Aufsichtsrat erfolgende Festlegung des Dienstortes nicht möglich.57 Auch die Höhe des Vergütungsanspruchs, der regelmäßig die wirtschaftliche Existenzgrundlage des Vorstandsmitglieds bilden wird, führt nicht zur Abhängigkeit seiner Stellung.58 Faktische Zwänge sind hier freilich nicht auszuschließen. Dennoch überwiegen die Gründe, die gegen eine persönliche Abhängigkeit sprechen. Diese Erwägungen gelten nach richtiger Ansicht auch für Vorstandsmitglieder konzernabhängiger Aktiengesellschaften, denn wirtschaftliche Zwänge allein genügen nicht für die Annahme einer Fremdbestimmung.59 Vorstandsmitglieder sind auch nicht als Handlungsgehilfen oder als leitende Angestellte zu qualifizieren, wie sich aus § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG i.V.m. § 78 Abs. 1 AktG ergibt.60 Vielmehr kommt ihnen die Position eines „konkreten Prinzipals“61 zu, sodass der Anstellungsvertrag nicht als Arbeitsvertrag, sondern als freier Dienstvertrag zu qualifizieren ist.62 b) Ein kurzer Exkurs: Der Arbeitnehmerbegriff im Unionsrecht Dabei ist indes zu beachten, dass sich aus europarechtlicher Perspektive anderes ergeben kann. Ein kurzer Pendelblick erscheint daher zur Orientierung lohnenswert. Der Arbeitnehmerbegriff des Unionsrechts, der sich durch die Rechtsprechung des EuGH herausgebildet hat und der innerhalb der Unionsrechtsordnung grundsätzlich

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Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 50. Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 52. 58 Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2338. 59 KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 35; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 5; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2338; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 54; kritisch Mertens, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 441 f.; Säcker, BB 1979, 1321, 1324. 60 Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 717. 61 MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 62; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 6. 62 Grundlegend BGH, Urt. v. 11. 07. 1953 – II ZR 126/52, NJW 1953, 1465; s. auch jüngst BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 26; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2339; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 101; Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 79; Thüsing/Granetzny, NZG 2010, 449, 453. 57

III. Rechtsstellung des Vorstandsmitglieds im Gefüge der AG

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zugrunde gelegt werden muss, muss autonom und einheitlich ausgelegt werden.63 Unerheblich ist, ob das Rechtsverhältnis nach nationalem Recht als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Bei der Bestimmung des Arbeitnehmerbegriffs geht der EuGH davon aus, dieser richte sich nach dem jeweiligen Regelungsgehalt der betreffenden Richtlinie.64 Gleichwohl vermag er stets den weiten Arbeitnehmerbegriff zugrunde zu legen, der im Rahmen der Auslegung des Art. 45 AEUV entwickelt wurde: Unionsrechtlich wird der Arbeitnehmer definiert als eine Person, die ihre Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines Organs der Gesellschaft ausübt – sich also in einem Unterordnungsverhältnis befindet – und die als Gegenleistung eine Vergütung erhält.65 Damit ergibt sich die Prüfung drei zwingender Kriterien: Gegeben sein müssen ein Unterordnungsverhältnis, das durch Weisungsunterworfenheit des Beschäftigten gekennzeichnet ist, die Ausführung einer Tätigkeit für bestimmte Zeit sowie der Erhalt eines Entgelts. aa) Der GmbH-Geschäftsführer als Arbeitnehmer i.S.d. Unionsrechts Ausgehend von diesen Maßstäben ist der GmbH-Geschäftsführer nach der Rechtsprechung des EuGH unter bestimmten Voraussetzungen Arbeitnehmer. In der Rechtssache Danosa66 hat der EuGH im Jahre 2010 entschieden, dass eine Geschäftsführerin einer lettischen Kapitalgesellschaft dem Arbeitnehmerbegriff im Sinne der Mutterschutzrichtlinie unterfällt. Denn auch ein Mitglied der Unternehmensleitung sei unabhängig von der Rechtsnatur seines Beschäftigungsverhältnisses Arbeitnehmer, soweit dieses der Anstellungsgesellschaft gegenüber Leistungen erbringt und in sie eingegliedert ist, seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs ebendieser Gesellschaft ausübt und als Gegenleistung für die Tätigkeit eine Vergütung erhält.67 Der EuGH stellt bei der Beurteilung eines Unterordnungsverhältnisses auf objektive Kriterien, insbesondere auf den Umfang der Befugnisse des Beschäftigten sowie die Kontrolle und Aufsicht durch die Gesellschaft ab. Deutlich wird, dass bei der Bestimmung der Weisungsgebundenheit jedoch nicht zwischen einer arbeitsrechtlichen Weisungsgebundenheit – mithin persönlicher Abhängigkeit – und unternehmerischer Weisungsgebundenheit durch Weisungsbefugnisse der Gesellschafterversammlung differenziert wird.68 Diese Rechtsprechung hat der EuGH in der Rechtssache Balkaya 63 EuGH, Urt. v. 09. 07. 2015 – C-229/14, NJW 2015, 2481, 2482, Rn. 33 (Balkaya); Urt. v. 11. 11. 2010 – C-232/09, NJW 2011, 2343, 2344, Rn. 40 (Danosa). 64 EuGH Urt. v. 12. 05. 1998 – C-85/96, BeckRS 2004, 77847, Rn. 31 (Martínez Sala). 65 Grundlegend EuGH, Urt. v. 03. 07. 1986 – Rs 66/85, NVwZ 1987, 41 (Lawrie-Blum); s. auch Urt. v. 10. 09. 2015 – C-47/14, NZA 2016, 183, 185, Rn. 41 (Holterman); Urt. v. 11. 11. 2010 – C-232/09, NJW 2011, 2343, 2345, Rn. 51 (Danosa); Urt. v. 13. 01. 2004 – C-256/01, EuZW 2004, 210, 213, Rn. 67 (Allonby). 66 EuGH, Urt. v. 11. 11. 2010 – C-232/09, NJW 2011, 2343 (Danosa). 67 EuGH, Urt. v. 11. 11. 2010 @ C-232/09, NJW 2011, 2343, Ls. 1 (Danosa). 68 Commandeur/Kleinebrink, NZA-RR 2017, 449, 450.

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A. Problemaufriss

bestätigt und erweitert: Bei der Bestimmung, ob ein Unterordnungsverhältnis gegeben ist, ist neben den oben zitierten Voraussetzungen zudem zu berücksichtigen, ob das betreffende Mitglied der Unternehmensleitung jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden kann.69 Dass der GmbH-Geschäftsführer nach nationalem Recht gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG jederzeit abberufen werden kann, bedeutet im Unionsrecht mithin ein Indiz für das Vorliegen einer Arbeitnehmerstellung. In die Prüfung einzubeziehen sei zudem eine etwaige Beteiligung des Geschäftsführers an der Kapitalgesellschaft: Eine fehlende Beteiligung genüge zwar nicht für die Annahme der Arbeitnehmerstellung, jedoch fungiere eine solche als eines von mehreren Kriterien, die im Rahmen einer Gesamtschau abzuwägen seien.70 Dabei scheint der EuGH in Fortführung der Rechtsprechung in der Rechtssache Holterman aus dem Jahre 2015 sogar dazu zu tendieren, selbst bei mehrheitlicher Beteiligung an der Anstellungsgesellschaft den Arbeitnehmerstatus des Mitglieds der Unternehmensleitung nicht von vornherein auszuschließen.71 Zusammenfassend ist zu verzeichnen, dass der EuGH den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff großzügig ausweitet und auch geschäftsführenden Organen einer Kapitalgesellschaft nicht von vornherein den Arbeitnehmerstatus versagt. bb) Übertragbarkeit der Erwägungen auf die statusrechtliche Einordnung des Vorstandsmitglieds Diese Maßstäbe gelten grundsätzlich auch für die statusrechtliche Beurteilung des Vorstandsmitglieds. Gleichwohl hat sich der EuGH, soweit ersichtlich, zur Arbeitnehmereigenschaft eines eigenverantwortlich handelnden Geschäftsführungsorgans noch nicht geäußert. Ob ein Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft allerdings nach der Rechtsprechungslinie des EuGH auch dann Arbeitnehmer sein kann, wenn ihm – wie dem Vorstandsmitglied einer deutschen Aktiengesellschaft – die ausschließliche Geschäftsführungs- und Leitungskompetenz im Rahmen einer weisungsunabhängig ausgestalteten Position zukommt, erscheint fraglich.72 Das gilt umso mehr, als der EuGH zur Beurteilung des Vorliegens eines Unterordnungsverhältnisses auf den Umfang der (unternehmerischen) Weisungsgebundenheit, insbesondere auch auf die Voraussetzungen der Abberufungsmöglichkeit abstellt. Die durch Eigenverantwortlichkeit und Weisungsunabhängigkeit ausgestaltete Rechtsposition des Vorstandsmitglieds nach § 76 Abs. 1 AktG bildet aber den entscheidenden Unterschied zum weisungsgebundenen GmbH-Ge69

EuGH, Urt. v. 09. 07. 2015 – C-229/14, NJW 2015, 2481, 2482 f., Rn. 39 (Balkaya). EuGH, Urt. v. 09. 07. 2015 – C-229/14, NJW 2015, 2481, 2482, Rn. 37 (Balkaya). 71 EuGH, Urt. v. 10. 09. 2015 – C-47/14, NZA 2016, 183, 185 f., Rn. 47 (Holterman). 72 Eine Übertragung der Rechtsprechung ablehnend auch MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 60; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2338; Bauer/v. Medem, NZA 2012, 945, 952; Hümmerich/Reufels/Reufels, Gestaltung, 4. Aufl. 2019, Kap. 3.1 Rn. 28; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 7; Wilsing/Meyer, NJW 2012, 3211, 3212; a.A. Ziemons, KSzW 2013, 19, 20 ff. 70

III. Rechtsstellung des Vorstandsmitglieds im Gefüge der AG

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schäftsführer. Überdies kann ein Vorstandsmitglied gemäß § 84 Abs. 3 S. 1 AktG auch nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden. Nahe liegt, dass diese Charakteristika indiziell gegen den Arbeitnehmerstatus zu sprechen vermögen.73 Ungeachtet dessen wird der EuGH auch hier eine etwaige Beteiligung des Vorstandsmitglieds an seiner Anstellungsgesellschaft berücksichtigen müssen, sodass jedenfalls das mehrheitlich beteiligte Vorstandsmitglied auch dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff nicht unterfallen wird. cc) Maßgeblichkeit des nationalen Arbeitnehmerbegriffs Jedoch ist der europäische Arbeitnehmerbegriff ohnehin nicht stets zugrunde zu legen. Vielmehr erlangt er im nationalen Recht nur dann Relevanz, wenn die betreffende nationale Norm auf europäischen Vorgaben beruht.74 Sofern etwa eine Regelung eine Richtlinie in nationales Recht umsetzt, müssen die nationalen Gerichte die Auslegung und Anwendung der nationalen Norm so weit wie möglich an Wortlaut und Zweck der gegenständlichen Richtlinie ausrichten.75 Im AGB-Recht findet sich lediglich § 310 Abs. 3 BGB, der in Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen europarechtlichen Ursprung hat. Hier ist aber nicht der Arbeitnehmerbegriff entscheidend, sondern angeknüpft wird an den Begriff des Verbrauchers.76 Soweit im AGB-Recht Spezialregelungen für Arbeitsverträge bestehen, beruht dies also nicht auf unionsrechtlichen Vorgaben. Dies bedeutet, dass im Rahmen des AGB-Rechts der nationale Arbeitnehmerbegriff zugrunde gelegt wird, sodass die Frage nach der Arbeitnehmereigenschaft des Vorstandsmitglieds hier ausschließlich eine nationale ist. 4. Eine Abgrenzung vom Arbeitnehmerähnlichen Ist das Vorstandsmitglied nach dem vorstehend Gesagten kein Arbeitnehmer, ist es überdies auch nicht als arbeitnehmerähnliche Person einzuordnen.77 Arbeitnehmerähnliche Personen (§ 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG) sind Selbständige, die sich von

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In diese Richtung auch Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2338; Bauer/v. Medem, NZA 2012, 945, 952; Wilsing/Meyer, NJW 2012, 3211, 3212; a.A. Ziemons, KSzW 2013, 19, 20 ff. 74 Allgemein EuGH, Urt. v. 29. 06. 1993 – C-298/89, Slg. 1993, I-3605, Rn. 16 (Gibraltar/ Rat); Urt. v. 23. 11. 1995 – C-10/95 P, Slg. 1995, I-4149, Rn. 29 (Asocarne/Rat); Streinz/ W. Schroeder, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 288 AEUV Rn. 53, 57 ff.; Hümmerich/Lücke/ Mauer/Lücke, Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 444. 75 EuGH, Urt. v. 14. 05. 2019 – C-55/18, juris, Rn. 69 f.; Urt. v. 29. 06. 1993 – C-298/89, Slg. 1993, I-3605, Rn. 16 (Gibraltar/Rat); Urt. v. 23. 11. 1995 – C-10/95 P, Slg. 1995, I-4149, Rn. 29 (Asocarne/Rat); Streinz/W. Schroeder, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 288 AEUV Rn. 53, 57 ff. 76 Zum Begriff des Verbrauchergeschäfts ausführlich Gliederungspunkt E. 77 Statt aller Lembke, NZA-RR 2019, 65, 68.

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A. Problemaufriss

Arbeitnehmern durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit unterscheiden.78 Auf arbeitnehmerähnliche Personen können aber einzelne arbeitsrechtliche Vorschriften entsprechende Anwendung finden,79 sodass auch insofern eine Abgrenzung erforderlich ist. Anders als Arbeitnehmer unterliegen arbeitnehmerähnliche Personen regelmäßig keiner oder einer geringeren Weisungsabhängigkeit und sind auch oft nicht oder lediglich gering in die betriebliche Organisation ihres Dienstberechtigten eingebunden. Arbeitnehmerähnliche Personen sind damit nicht persönlich, aber wirtschaftlich von ihrem Auftraggeber abhängig.80 Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist die wirtschaftliche Abhängigkeit regelmäßig gegeben, „wenn der Selbständige auf die Verwertung seiner Arbeitskraft und die Einkünfte aus der Tätigkeit für den Vertragspartner zur Sicherung seiner Existenzgrundlage angewiesen ist“81. Das Element der persönlichen Abhängigkeit wird beim Arbeitnehmerähnlichen mithin durch dasjenige der wirtschaftlichen Abhängigkeit ersetzt. Daneben tritt kumulativ das Kriterium der vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit: Die wirtschaftlich abhängige Person muss ihrer gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sein.82 Geprüft wird hierbei, ob „unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls und der Verkehrsanschauung das Maß der Abhängigkeit einen solchen Grad erreicht, wie er im Allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt, und die geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind“83. Dies bestimmt sich regelmäßig nach der Höhe der Einkünfte: Anerkannt ist, dass es an der vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit mangelt, wenn der Dienstverpflichtete hohe Einkünfte erzielt84 und im Wesentlichen Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt.85 78 St. Rspr., s. nur BAG, Beschl. v. 21. 01. 2019 – 9 AZB 23/18, NZA 2019, 490, 494, Rn. 31; Beschl. v. 21. 02. 2007 – 5 AZB 52/06, NJW 2007, 1709, 1710; Urt. v. 17. 01. 2006 – 9 AZR 61/ 05, NJOZ 2006, 3821, 3822, Rn. 14; Beschl. v. 26. 09. 2002 – 5 AZB 19/01, NJW 2003, 161, 163. 79 Hierzu MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 135. 80 BAG, Beschl. v. 09. 04. 2019 – 9 AZB 2/19, BeckRS 2019, 16355, Rn. 19; Beschl. v. 21. 01. 2019 – 9 AZB 23/18, NZA 2019, 490, 493, Rn. 31; Beschl. v. 21. 12. 2010 – 10 AZB 14/ 10, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 68, Rn. 8; Beschl. v. 21. 02. 2007 – 5 AZB 52/06, NJW 2007, 1709, 1710, Rn. 11; Urt. v. 17. 01. 2006 – 9 AZR 61/05, NJOZ 2006, 3821, 3822, Rn. 14; ErfK/ Franzen, 20. Aufl. 2020, § 12a TVG Rn. 4; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 130. 81 BAG, Beschl. v. 21. 01. 2019 – 9 AZB 23/18, NZA 2019, 490, 494, Rn. 34. 82 St. Rspr., s. beispielhaft BAG, Beschl. v. 21. 01. 2019 – 9 AZB 23/18, NZA 2019, 490, 494, Rn. 31; Urt. v. 17. 01. 2006 – 9 AZR 61/05, NJOZ 2006, 3821, 3822, Rn. 14; Beschl. v. 30. 08. 2000 – 5 AZB 12/00, NZA 2000, 1359, 1360; Beschl. v. 22. 02. 1999 – 5 AZB 56/98, NZA 1991, 239. 83 St. Rspr., s. BAG, Beschl. v. 21. 01. 2019 – 9 AZB 23/18, NZA 2019, 490, 494 f., Rn. 36; Urt. v. 17. 01. 2006 – 9 AZR 61/05, NJOZ 2006, 3821, 3822, Rn. 14 m.w.N. 84 Willemsen/Müntefering, NZA 2008, 193, 199 unter Verweis auf BGH, Beschl. v. 04. 11. 1998 – VIII ZB 12/98, NZA 1999, 53; BAG, Urt. v. 02. 10. 1990 – 4 AZR 106/90, NZA 1991, 239; Urt. v. 23. 12. 1961 – 5 AZR 53/61, NJW 1962, 1125; so auch GMP/Müller-Glöge, ArbGG, 9. Aufl. 2017, § 5 Rn. 35. 85 BAG, Beschl. v. 21. 01. 2019 – 9 AZB 23/18, NZA 2019, 490, 495, Rn. 39.

IV. Ein erstes Zwischenergebnis

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Letzteres ist aber etwa in Bezug auf den GmbH-Geschäftsführer der Fall, wie das BAG in ständiger Rechtsprechung feststellt.86 Noch im letzten Jahr hat es in einem Beschluss erneut dargelegt, dass der GmbH-Geschäftsführer unabhängig von einer etwaigen Beteiligung an seiner Anstellungsgesellschaft keine arbeitnehmerähnliche, sondern vielmehr eine arbeitgeberähnliche Person ist. Dass die von einem Geschäftsführer ausgeführten Tätigkeiten ihrer sozialen Typik nicht mit denjenigen eines Arbeitnehmers vergleichbar seien, ergebe sich aus der mit dem Amt verbundenen Rechtsposition. Als gesetzlicher Vertreter der GmbH verkörpere der Geschäftsführer den Arbeitgeber. Aufgrund der unbeschränkten Vertretungsmacht im Außenverhältnis ergebe sich ein grundlegender Unterschied auch zu leitenden Arbeitnehmern.87 Dies muss erst recht für das Vorstandsmitglied gelten, das vor dem Hintergrund der umfassenden Leitungsmacht nach § 76 Abs. 1 AktG mit weitreichenderen Befugnissen ausgestattet ist. Gegen die Einordnung als arbeitnehmerähnliche Person spricht darüber hinaus, dass – und hier ist es oftmals noch deutlicher als beim GmbH-Geschäftsführer – hohe Einkünfte erzielt werden, die der Annahme einer einem Arbeitnehmer vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit entgegenstehen. Festzustellen ist damit, dass das Vorstandsmitglied auch keine arbeitnehmerähnliche Person darstellt, sodass auch diesbezügliche Wertungen nicht direkt herangezogen werden können.

IV. Ein erstes Zwischenergebnis Damit ist im Rahmen eines ersten Zwischenfazits festzuhalten, dass das Vorstandsmitglied einer AG keinen Arbeitsvertrag, sondern einen freien Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter gemäß §§ 611, 675 BGB mit der Gesellschaft abschließt. Es ist mithin nicht als Arbeitnehmer zu qualifizieren, woran im AGBrechtlichen Kontext auch die unionsrechtliche Anerkennung des Arbeitnehmerstatus des (Fremd-)Geschäftsführers nichts ändert. Es gilt der nationale Arbeitnehmerbegriff, der sich an dem Grad der persönlichen Abhängigkeit orientiert, die bei einem Vorstandsmitglied nicht gegeben ist. Dies bedeutet, dass arbeitsrechtliche Regelungen auf den Anstellungsvertrag keine unmittelbare Anwendung finden, sondern allenfalls analog und aufgrund der aufgezeigten erheblichen Unterschiede zwischen

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BAG, Beschl. v. 21. 01. 2019 – 9 AZB 23/18, NZA 2019, 490, 495, Rn. 39; Urt. v. 21. 09. 2017 – 2 AZR 865/16, NZA 2018, 358; Beschl. v. 20. 08. 2003 – 5 AZB 79/02, NZA 2003, 1108, 1110; s. jüngst auch BGH, Urt. v. 01. 10. 2019 – II ZR 386/17, NZA 2020, 120, der die Arbeitnehmerähnlichkeit für einen Gesellschafter-Geschäftsführer, der mehr als 50 % der Anteile hält, verneint hat. 87 BAG, Beschl. v. 21. 01. 2019 – 9 AZB 23/18, NZA 2019, 490, 495, Rn. 39; s. auch BAG, Urt. v. 21. 09. 2017 – 2 AZR 865/16, NZA 2018, 358; Beschl. v. 20. 08. 2003 – 5 AZB 79/02, NZA 2003, 1108, 1110; a.A. Lembke, NZA-RR 2019, 65, 68; anders auch Boemke, RdA 2018, 1, 4 f. für den Fremdgeschäftsführer und den Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer.

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A. Problemaufriss

der Stellung eines Vorstandsmitglieds und eines Arbeitnehmers nur mit Bedacht88 herangezogen werden können, sofern in Bezug auf bestimmte Regelungen die gleiche Schutzbedürftigkeit gegeben ist. Gleiches ist für die Übertragung bestimmter, durch die Arbeitsgerichte entwickelter Wertungen anzunehmen.89 Dies gilt umso deutlicher vor dem Hintergrund der Charakteristika des Arbeitnehmerähnlichen: Mangels einer dem Arbeitnehmer vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit ist das Vorstandsmitglied einer AG nicht als arbeitnehmerähnliche Person einzuordnen. Vielmehr wird es von der höchstinstanzlichen Rechtsprechung zu Recht als arbeitgeberähnliche Person eingeordnet, sodass es einer besonderen Begründung bedarf, Arbeitnehmerschutzvorschriften oder spezifische Rechtsprechungsgrundsätze zum Schutze des Arbeitnehmers auf den Bereich des Vorstandsvertrags zu transmittieren. Ob und inwieweit dies dennoch erforderlich ist, um die Angemessenheit bestimmter Vertragsbedingungen zu gewährleisten, wird im Fortgang dieser Arbeit zu erörtern sein.

88 Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 717; zögernd auch Hümmerich/Lücke/Mauer/Lücke, Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 461. 89 Zur Problematik ausführlich Gliederungspunkt G.

B. Rechtliche Rahmenbedingungen zur Absteckung privatautonomer Grenzen Um die Angemessenheit vorstandsvertraglicher Bedingungen zu gewährleisten, also die Interessen der Gesellschaft und des Vorstandsmitglieds ins Gleichgewicht zu bringen, bedarf es der genauen Kenntnis des rechtlichen Fundaments. Dabei ist zu beachten, dass sich zwar eine Prägung des Anstellungsvertrags durch die Vorschriften des Aktiengesetzes ergibt, hieraus also bereits zwingende Vorgaben resultieren; allerdings bestehen durchaus gestalterische Spielräume.1 Vor diesem Hintergrund ist „[d]ie genaue Kenntnis der Rahmenbedingungen […] erforderlich, um sowohl Grenzen als auch Gestaltungsspielräume in den Vertragsverhandlungen zutreffend einzuschätzen und zu nutzen.“2 Mit anderen Worten: Um den verbleibenden privatautonomen Spielraum optimal ausschöpfen zu können, muss die Kautelarpraxis bei dem Entwurf der Vertragsbedingungen zunächst den rechtlichen Rahmen ermitteln, um diesen dann auch wahren zu können.

I. Die Schranke der Gesetzes- und Sittenwidrigkeit Dies betrifft zum einen die Bestimmung der Grenze der Gesetzes- bzw. Sittenwidrigkeit nach den §§ 134, 138 bzw. 242 BGB, auf die sich die Gerichte im Rahmen der Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, konkretisiert durch eine Auslegung im Lichte der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG, in der Vergangenheit nahezu ausschließlich beschränkt haben.3 Die allgemeine Schranke der guten Sitten wird etwa im Rahmen der Vergütungsbemessung relevant, für deren Ausgestaltung als Ausdruck der Privatautonomie grundsätzlich keine gesetzlichen Vorgaben existieren.4 Das AGB-Recht nimmt bewusst keine Kontrolle des Äquivalenzver1

Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 19. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337. 3 S. bereits BGH, Urt. v. 11. 07. 1953 – II ZR 126/52, NJW 1953, 1465; Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; Urt. v. 04. 03. 2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875; BAG, Urt. v. 09. 02. 2006 – 6 AZR 47/05, NZA 2006, 1046; OLG München, Beschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, BeckRS 2018, 27810, Rn. 7; OLG Stuttgart, Urt. v. 15. 03. 2017 – 14 U 3/14, BeckRS 2017, 105546, Rn. 106; OLG Hamm, Urt. v. 14. 07. 2014 – 8 U 131/12, BeckRS 2016, 13633; OLG Nürnberg, Urt. v. 25. 11. 2009 – 12 U 681/09, BeckRS 2010, 1746; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23. 04. 2008 – 15 Sa 193/08, BeckRS 2008, 53555; OLG Brandenburg, Urt. v. 24. 06. 2008 – 6 U 104/07, BeckRS 2009, 08165; OLG Düsseldorf, Urt. v. 03. 12. 1998 – 6 U 151/98, NZG 1999, 405; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13. 10. 1995 – 10 U 51/95, BeckRS 1995, 7169. 4 MüKoGmbHG/Jaeger/Steinbrück, 3. Aufl. 2019, § 35 Rn. 302. 2

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B. Rechtliche Rahmenbedingungen

hältnisses vor.5 Eine Vergütungsregelung kann aber nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn ein besonders krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt, das auf eine verwerfliche Gesinnung der Vertragspartei hindeutet.6 Die Anforderungen sind freilich unter dem Aspekt der hohen Wertigkeit des Grundsatzes der Vertragsfreiheit hoch;7 ein Verstoß gegen die guten Sitten oder auch gegen Treu und Glauben i.S.v. § 242 BGB wird daher in seltensten Fällen gegeben sein – nämlich nur, wenn bestimmte Vertragsregelungen schlechthin unerträglich erscheinen.

II. Einschränkung der Gestaltungsfreiheit durch das AGB-Recht Umso wichtiger ist vor diesem Hintergrund die Erkenntnis, dass auch das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach den §§ 305 ff. BGB, insbesondere die Vorschriften zur Inhaltskontrolle nach den §§ 307 – 309 BGB, bestimmten Klauseln entgegenstehen und insofern eine Begrenzung der Gestaltungsfreiheit bedeuten kann, soweit – wie es § 305 Abs. 1 S. 1 BGB normiert – „für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte[] Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt“, vorliegen. 1. Voraussetzungen für das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen Das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen erfordert die kumulative Existenz von fünf Voraussetzungen: Es müssen Vertragsbedingungen gegeben sein (1), die für eine Vielzahl von Verträgen (2) vorformuliert sind (3) und von einer Partei, dem Verwender, bei Vertragsabschluss gestellt werden (4). Nach § 305 Abs. 1 S. 3 BGB liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen auch bei Vorhandensein dieser vier Voraussetzungen nicht vor, sofern die Bedingungen im Einzelnen ausgehandelt sind (5). Vertragsbedingungen, also Bedingungen, die den Inhalt eines privaten Rechtsgeschäfts regeln,8 sind dann vorformuliert, wenn sie bereits in einem dem Vertragsschluss zeitlich vorgelagertem Stadium dem Verwender schriftlich oder in 5

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 308. KG, Urt. v. 12. 03. 1996 – 14 U 7775/94, GmbHR 1996, 613; MüKoGmbHG/Jaeger/ Steinbrück, 3. Aufl. 2019, § 35 Rn. 302. 7 BGH, Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366, 2367; Urt. v. 07. 01. 1965 – II ZR 187/763, WM 1965, 310; OLG Nürnberg, Urt. v. 25. 11. 2009 – 12 U 681/09, BeckRS 2010, 1746; OLG Düsseldorf, Urt. v. 03. 12. 1998 – 6 U 151/98, NZG 1999, 405; hierzu auch KG, Urt. v. 12. 03. 1996 – 14 U 7775/94, GmbHR 1996, 613, 614; MüKoGmbHG/Jaeger/Steinbrück, 3. Aufl. 2019, § 35 Rn. 302; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, Einl. Rn. 5 f. 8 Hierzu BT-Drucks. 7/3919, S. 16; BGH, Urt. v. 12. 06. 2001 – XI ZR 274/00, NJW 2001, 2635; Urt. v. 10. 11. 1989 – V ZR 201/88, NJW 1990, 576, 577; Urt. v. 02. 07. 1987 – III ZR 219/ 86, NJW 1987, 2867; MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 305 Rn. 5; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 305 BGB Rn. 7. 6

II. Einschränkung der Gestaltungsfreiheit durch das AGB-Recht

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sonstiger Weise fixiert vorliegen, sodass sie in den künftigen Vertrag einbezogen werden können.9 Unerheblich ist dabei, ob der Verwender selbst oder ein Dritter sie formuliert hat.10 Das Kriterium der Vorformulierung für eine Vielzahl von Verträgen betrifft dem Wortlaut nach die Mehrfachverwendungsabsicht; die tatsächliche Mehrfachverwendung ist nicht erforderlich.11 Eine Mehrfachverwendungsabsicht wird regelmäßig bereits dann angenommen, wenn mindestens die dreimalige Verwendung der Vertragsbedingungen beabsichtigt ist.12 Zudem ist § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB zu beachten, wonach bei Verbraucherverträgen auch die Kontrolle vorformulierter Einzelverträge möglich ist.13 Hinzu kommt als viertes positives Merkmal das Stellen durch den Verwender: Eine Vertragspartei stellt der anderen Vertragspartei die Bedingungen, sofern sie ihr diese einseitig auferlegt, der Einbezug der Bedingungen also ihrer Gestaltungsmacht zuzurechnen sind.14 Im Bereich der Verbraucherverträge entfällt diese Voraussetzung, da nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB das Stellen durch den Unternehmer fingiert wird.15 Als fünftes, negativ formuliertes Erfordernis dürfen die Bedingungen nicht i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB individuell ausgehandelt sein; denn auch vorformulierte Vertragsbedingungen, die einseitig auferlegt werden, können als Individualabreden anzusehen sein.16 Sofern die fünf Voraussetzungen gegeben sind, ist der sachliche Anwendungsbereich des AGBRechts eröffnet, sodass eine umfassende Überprüfung der Vertragsbedingungen anhand der §§ 305 ff. BGB erfolgt. Neben der Grenze der Gesetzes- und Sitten-

9 BT-Drucks. 7/3919, S. 16; BGH, Urt. v. 19. 05. 2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543, 2544; Urt. v. 10. 03. 1999 – VIII ZR 204 – 98, NJW 1999, 2180; Urt. v. 03. 04. 1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600; BAG, Urt. v. 26. 10. 2017 – 6 AZR 158/16, NJW 2018, 891, 892, Rn. 20; Urt. v. 12. 12. 2013 – 8 AZR 829/12, NJW 2014, 2138, 2140, Rn. 29; MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 305 Rn. 13. 10 BT-Drucks. 7/3919, S. 16; BGH, Urt. v. 27. 01. 2017 – V ZR 130/15, NJW 2017, 1540, 1541, Rn. 11; Urt. v. 01. 03. 2013 – V ZR 31/12, NJW-RR 2013, 1028, 1029, Rn. 17; Urt. v. 17. 02. 2010 – VIII ZR 67/09, NJW 2010, 1131, Rn. 10; Urt. v. 22. 07. 2008 – XI ZR 389/07, VuR 2008, 380; Urt. v. 30. 06. 1994 – VII ZR 116/93, NJW 1994, 2825; MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 305 Rn. 14; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 305 BGB Rn. 15. 11 MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 305 Rn. 18; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 305 BGB Rn. 15. 12 BGH, Urt. v. 27. 09. 2001 – VII ZR 388/00, NJW 2002, 138, 139; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 305 BGB Rn. 16. 13 Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, Einl. BGB Rn. 3. 14 BGH, Urt. v. 08. 05. 2018 – VIII ZR 200/17, NJW-RR 2018, 843, 844, Rn. 10; Urt. v. 20. 01. 2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230, 1231, Rn. 24 f.; Urt. v. 13. 05. 2014 – XI ZR 170/ 13, NJW-RR 2014, 1133, 1134, Rn. 24; Urt. v. 17. 02. 2010 – VIII ZR 67/09, NJW 2010, 1131; hierzu auch schon Urt. v. 29. 01. 1982 – V ZR 82/81, NJW 1982, 1035. 15 BGH, Urt. v. 13. 05. 2014 – XI ZR 170/13, NJW-RR 2014, 1133, 1134, Rn. 24; Urt. v. 17. 02. 2010 – VIII ZR 67/09, NJW 2010, 1131, Rn. 11. 16 S. bereits BT-Drucks. 7/3919, S. 15; BGH, Urt. v. 08. 05. 2018 – VIII ZR 200/17, NJWRR 2018, 843, 844, Rn. 14; Urt. v. 20. 01. 2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230, 1231, Rn. 23; ausführlich zur Grenze der Individualabrede s. Gliederungspunkt D. II.

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B. Rechtliche Rahmenbedingungen

widrigkeit kann also auch das AGB-Recht eine Begrenzung des Gestaltungsspielraums bedeuten, die in der Kautelarpraxis bedacht werden muss.

2. Allgemeine Geschäftsbedingungen im Kontext des Vorstandsvertrags Vereinzelt wird es unter Verweis auf die vermeintlich mangelnde Praxisrelevanz als „absurd“17 betitelt, Regelungen in Organanstellungsverträgen als AGB einzuordnen oder diesbezüglich den Schutzbereich des AGB-Rechts zu diskutieren. Denn hat sich seit der Schuldrechtsreform durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. 11. 2001 und dem Einbezug des Arbeitsvertrags in den Anwendungsbereich des AGB-Rechts18 eine umfassende Entscheidungspraxis der Arbeitsgerichte zur Wirksamkeit bestimmter Klauseln in Arbeitsverträgen entwickelt,19 so waren die Judikate zur AGB-Kontrolle anstellungsvertraglicher Vereinbarungen aufgrund der verbreiteten Praxis außergerichtlicher Streitbeilegung bislang überschaubar.20 Die Verwendung von Formularverträgen bei der Vorstandsanstellung ist jedoch kein theoretischer Fall: So ist es insbesondere in Konzernen üblich, für Organmitglieder auf im Gesamtkonzern einheitliche Musterverträge zurückzugreifen oder bereits abgeschlossene Anstellungsverträge späteren Vereinbarungen mit anderen Vorstandsmitgliedern zugrunde zu legen und nur einzelne Aspekte wie die Vergütung individuell zu verhandeln.21 Hinzu kommt – und das wird im Folgenden noch darzustellen sein –, dass die strengen Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an das Vorliegen individueller Abreden bei Vorlage eines vorformulierten Klauselwerks dazu beitragen, dass das Tor zur Überprüfbarkeit anhand AGB-rechtlicher Maßstäbe von den Vertragsparteien regelmäßig unbemerkt aufgestoßen wird.22 Einen aktuellen Impuls erfährt das Thema 17

Grobys, DStR 2002, 1002, 1004; ähnlich Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 19. BT-Drucks. 7/3919, S. 41. 19 S. nur beispielhaft BAG, Urt. v. 26. 10. 2017 – 6 AZR 158/16, NJW 2018, 891; Urt. v. 23. 03. 2017 – 6 AZR 705/15, NZA 2017, 773; Urt. v. 24. 01. 2017 – 1 AZR 772/14, NJW 2017, 931; Urt. v. 17. 03. 2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945; Urt. v. 24. 02. 2016 – 7 AZR 253/14, NZA 2016, 814; Urt. v. 07. 07. 2015 – 10 AZR 260/14, NJW 2015, 3389; Urt. v. 22. 02. 2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861; Urt. v. 01. 09. 2010 – 5 AZR 517/09, CCZ 2011, 78; Urt. v. 25. 05. 2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 3305. 20 S. aber jüngst BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679; ausführlich zu den Judikaten s. Gliederungspunkt C. I. 21 BGH, Urt. v. 29. 05. 1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683 ff.; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2339; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, Rn. 1044; Habersack, FS Köhler, 2014, S. 209 f.; Hümmerich, NZA 2006, 709; Oetker, FS Buchner, 2009, S. 692 f.; Schmitt-Rolfes, FS Hromadka, 2008, S. 393 ff.; Schniepp/Giesecke, NZG 2017, 128, 129; Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, 813, 816; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 21; ähnlich Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, 2. Aufl. 2020, § 11 Rn. 160b. 22 S. hierzu ausführlich Gliederungspunkt D. II. 1.; s. auch zu empirischen Belegen für eine systematische Fehleinschätzung Leuschner, NJW 2016, 1222, 1224 f., der im Rahmen seiner Studie festgestellt hat, dass in der Praxis der Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle erheblich unterschätzt wird; s. auch Preis, SR 2019, 153, 157 f. 18

II. Einschränkung der Gestaltungsfreiheit durch das AGB-Recht

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durch die in jüngerer instanzgerichtlicher Rechtsprechung und Literatur aufgeflammte Diskussion über den Verbraucherstatus des Vorstandsmitglieds,23 bei dessen Bejahung die §§ 305 Abs. 2, 308 Nr. 1, 2 – 8, 309 BGB gemäß § 310 Abs. 1 S. 1 BGB uneingeschränkte Anwendung fänden sowie das AGB-Recht gemäß § 310 Abs. 3 BGB Modifikationen unterläge. Dass der Klärungsbedarf der Problematik aktueller denn je ist, belegt nunmehr auch ein aktuelles Urteil aus dem Jahre 2019, in dem sich der BGH erstmalig mit den Maßstäben der AGB-Kontrolle im Kontext des Vorstandsvertrags und der Übertragbarkeit arbeitsrechtlicher Grundsätze befasst hat.24 3. Keine Modifikation auf der Grundlage des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB Zu beachten ist dabei, dass die Sonderregelung des im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung eingefügten § 310 Abs. 4 S. 2 BGB, bei der Anwendung AGBrechtlicher Bestimmungen „die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen“, dem eindeutigen Wortlaut nach nur bei Arbeitsverträgen greift. Und der Anstellungsvertrag des AG-Vorstandsmitglieds ist – wie eingangs bereits ausführlich dargelegt wurde25 – von dem Arbeitsvertrag eines Arbeitnehmers zu unterscheiden. In Bezug auf das AGB-Recht bedeutet dies, dass eine nichtmodifizierte AGB-Kontrolle anstellungsvertraglicher Regelungen stattfindet, obwohl sich in Arbeitsverträgen und Anstellungsverträgen zumeist die gleichen typischen Klauseln finden. Mangels einer dem § 310 Abs. 4 S. 2 BGB vergleichbaren Regelung, die im Arbeitsrecht nach der Rechtsprechung des BAG zur Zulassung bestimmter Regelungen führt,26 unterliegen Anstellungsverträge insofern teilweise einer strengeren Kontrolle als Arbeitsverträge.27 Exemplarisch: Eine Vertragsstrafe zur Sanktionierung des Vertragsbruchs, die im Arbeitsrecht aufgrund der mangelnden Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung gemäß § 888 Abs. 3 ZPO auf der Basis des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB zugelassen wird, wäre im Rahmen eines Anstellungsvertrags wegen des Klauselverbots gemäß § 309 Nr. 6 BGB nicht möglich, obwohl auch die Dienstleistung im Rahmen des Vorstandsvertrags eine gemäß § 888 Abs. 3 ZPO nicht vollstreckbare Leistung darstellt.28

Dies wird im Hinblick auf die durch die persönliche Abhängigkeit bedingte höhere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers in der überwiegenden Literatur als 23 Offen gelassen in BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679; s. aber die Vorinstanz OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111; exemplarisch aus dem Schrifttum Herresthal, ZIP 2014, 345, 349; Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 719 f.; Poelzig, NZG 2020, 41, 46; Schniepp/Giesecke, NZG 2017, 128, 129; v. Westphalen, BB 2015, 834, 836. 24 BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679. 25 S. Gliederungspunkt A. III. 3. a) bb). 26 Grundlegend BAG, Urt. v. 04. 03. 2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727 ff. 27 Hümmerich, NZA 2006, 709, 712; Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 722. 28 S. hierzu noch ausführlich Gliederungspunkt H. II. 3. a).

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B. Rechtliche Rahmenbedingungen

wertungswidersprüchlich – mehr noch: „befremdlich“29 – wahrgenommen und durch eine Übertragung arbeitsrechtlicher Maßstäbe zu korrigieren versucht.30 Zeigt sich zuweilen auch in der Rechtsprechung die Tendenz, trotz fehlender Arbeitnehmereigenschaft des Vorstandsmitglieds die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zu spezifischen Klauseln zu übertragen,31 drängt sich die Frage auf, ob die uneingeschränkte AGB-Kontrolle des Vorstandsvertrags sachgerecht ist oder ob nicht vielmehr eine Modifikation oder gar eine Übertragung bestimmter arbeitsrechtlicher Wertungen zur Gewährleistung der Angemessenheit geboten erscheint. Damit einher geht die Problematik, wie dies durch rechtliche Instrumente umgesetzt werden kann, handelt es sich beim Vorstandsvertrag eben nicht um einen Arbeitsvertrag.

III. Ein zweites Zwischenergebnis Schranken des privatautonomen Spielraums bei der Gestaltung des Vorstandsdienstvertrages bilden zunächst die allgemeinen Grenzen der Gesetzes- und Sittenwidrigkeit nach §§ 134, 138 und 242 BGB, die jedoch als reine Rechtskontrollinstrumente keinen Raum für umfassende Interessenanalysen und -gewichtungen im Sinne einer Angemessenheitsüberprüfung bieten. Bei formularvertraglichen Vereinbarungen wird die Gestaltungsfreiheit indes durch das AGB-Recht begrenzt, soweit die fünf Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 1, S. 3 BGB gegeben sind. Dies gilt auch für Vorstandsverträge, die in der Praxis häufig – und zumeist sogar von den Parteien unbemerkt – aus AGB bestehen, und die, da eine Modifikation des AGBrechtlichen Kontrollmaßstabs gemäß § 310 Abs. 4 S. 2 BGB mangels Vorliegens eines Arbeitsvertrags nicht stattfindet, der uneingeschränkten Überprüfung unterliegen.

29 Bauer, FS Wank, 2014, S. 1, 2; Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 21. 30 Bauer, FS Wank, 2014, S. 1, 2; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, Rn. 1044; Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1103; Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 55 ff.; Schniepp/Giesecke, NZG 2017, 128, 130 f.; Stagat, NZA-RR 2011, 617, 621 f.; a.A. Hümmerich, NZA 2006, 709, 712. 31 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111; abgelehnt in der Revisionsinstanz, s. BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 26 f.; hierzu kritisch auch Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715 ff.

C. Zur AGB-Kontrolle formularvertraglicher Vereinbarungen in Vorstandsverträgen: Der Status quo in Rechtsprechung und Literatur Erscheint die nähere Befassung mit der Thematik mithin zwingend geboten, so mag es überraschen, dass eine ausführliche Auseinandersetzung in Rechtsprechung und Lehre kaum stattgefunden hat.

I. Eine Bestandsaufnahme der Judikate Die Rechtsprechung zur AGB-Kontrolle von Vorstandsanstellungsverträgen ist überschaubar; eine grundsätzliche Klärung der Weite AGB-rechtlicher Überprüfbarkeit steht noch aus und spezifische Einzelprobleme wurden bislang nur rudimentär angerissen. Um erste Orientierungspunkte zu sammeln, soll im Folgenden eine geordnete Bestandsaufnahme relevanter Judikate in chronologischer Reihenfolge vorgenommen werden. 1. BGH, Urt. v. 29. 05. 1989: Zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des AGB-Rechts So kann zunächst auf das Urteil des BGH vom 29. 05. 1989 verwiesen werden, das erstmals einen Bezug des Vorstandsmitglieds zum vor der Schuldrechtsmodernisierung geltenden AGB-Recht hergestellt hat.1 Inhaltlich ging es um eine vertragliche Vereinbarung zur Beendigung des Dienstvertrags bei Widerruf der Organstellung (sog. Kopplungsklausel). In diesem Zusammenhang berief sich der Kläger, ein Vorstandsmitglied, auf das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, dessen Anwendung das Vorliegen vorformulierter Vertragsbedingungen i.S.d. damals geltenden § 1 Abs. 1 AGBG bedingte. Zwar hat der BGH das Vorliegen von AGB abgelehnt, weil der Kläger die Mehrverwendungsabsicht als „Ausdruck einseitiger Gestaltungsmacht“2 nicht schlüssig darlegen konnte. Gleichwohl kann dem Urteil des BGH entnommen werden, dass auf Vorstandsanstellungsverträge bereits das alte AGB-Recht Anwendung finden sollte – allerdings ohne dass sich der BGH hierbei zu vorgelagerten Fragen wie der Eröffnung des Anwendungsbereichs i.S.d. damals

1 2

BGH, Urt. v. 29. 05. 1989 – II ZR 220/88, NJW 1989. BGH, Urt. v. 29. 05. 1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683, 2685.

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C. AGB-Kontrolle formularvertraglicher Vereinbarungen in Vorstandsverträgen

geltenden § 23 AGBG, der wie der heute geltende § 310 Abs. 4 S. 1 BGB das „Gebiet des Gesellschaftsrechts“ aus der Kontrolle herausnahm, geäußert hat. 2. OLG Hamm, Beschl. v. 18. 07. 2007: Der Vorstandsvertrag als Verbrauchervertrag Relevanter ist der Beschluss des OLG Hamm vom 18. 07. 2007, das sich zu der Frage geäußert hat, ob ein Vorstandsmitglied einer AG bei Abschluss seines Anstellungsvertrags als Verbraucher i.S.v. § 13 BGB einzuordnen ist.3 Dies müsste im Rahmen der AGB-rechtlichen Kontrolle im Hinblick auf den eingeschränkten Anwendungsbereich bei Unternehmerverträgen gemäß § 310 Abs. 1 S. 1 BGB sowie die verbraucherspezifischen Modifikationen gemäß § 310 Abs. 3 BGB diskutiert werden und hat insofern für diese Arbeit Bedeutung.4 Die Verbrauchereigenschaft des Vorstandsmitglieds bei Abschluss des Anstellungsvertrags hat das OLG Hamm bejaht: Offensichtlich – und dies müsse nicht einmal begründet werden – handele es sich nicht um eine gewerbliche Tätigkeit.5 Es liege aber auch keine selbständige berufliche Tätigkeit vor: Wie für den GmbH-Geschäftsführer vom BGH festgestellt, liege vielmehr eine angestellte berufliche Tätigkeit vor. Auch die unterschiedliche Rechtsstellung des AG-Vorstands gegenüber dem GmbH-Geschäftsführer, die durch ein höheres Maß an Eigenverantwortung und Selbständigkeit gekennzeichnet sei, rechtfertige keine andere Beurteilung. Für die Annahme einer selbständigen beruflichen Tätigkeit sei nämlich maßgeblich, dass „die Tätigkeit im eigenen Namen, für eigene Rechnung und im eigenen Verantwortungsbereich ausgeübt wird, so dass das wirtschaftliche Risiko der Tätigkeit unmittelbar selbst getragen wird“6. Dies sei beim Vorstandsmitglied typischerweise nicht gegeben, selbst wenn die Vergütung teilweise vom wirtschaftlichen Erfolg der Vorstandstätigkeit abhängig sei. Mangels Entscheidungsrelevanz im konkreten Fall hat das Gericht jedoch offen gelassen, ob etwas anderes gelten kann, wenn das Vorstandsmitglied in erheblichem Umfang Aktien seiner Anstellungsgesellschaft hält.7 Wann eine solche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein soll – ob hierfür etwa Stimmrechtsmehrheit in der Hauptversammlung erforderlich ist –, hat das OLG Hamm ebenfalls nicht ausgeführt. Aus diesem Judikat lässt sich also nur herauslesen, dass einem Vorstandsmitglied, das nicht „in erheblichem Umfang“ – an dessen Bestimmung es mangels Angabe einer konkreten Grenze fehlt – an seiner Anstellungsgesellschaft beteiligt ist, im Rahmen des Abschlusses seines Anstellungsvertrags die Verbrauchereigenschaft zuzusprechen ist. 3

OLG Hamm, Beschl. v. 18. 07. 2007 – 8 Sch 2/07, juris. Zum Verbraucherstatus des Vorstandsmitglieds ausführlich unter Gliederungspunkt E. III. und IV. 5 OLG Hamm, Beschl. v. 18. 07. 2007 – 8 Sch 2/07, juris, Rn. 38. 6 OLG Hamm, Beschl. v. 18. 07. 2007 – 8 Sch 2/07, juris, Rn. 39. 7 OLG Hamm, Beschl. v. 18. 07. 2007 – 8 Sch 2/07, juris, Rn. 40. 4

I. Eine Bestandsaufnahme der Judikate

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3. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018: Zur Übertragbarkeit arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung Der Rechtsprechung des OLG Hamm hat sich das OLG Frankfurt a. M. mit seinem Urteil vom 18. 04. 2018 angeschlossen; unter Verweis auf den oben genannten Beschluss wird auch hier aufgrund der Fremdnützigkeit der Vorstandstätigkeit die Verbrauchereigenschaft i.S.v. § 13 BGB angenommen.8 Im konkreten Fall stellte die streitgegenständliche Regelung des Anstellungsvertrags nach Ansicht des Gerichts eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB dar. Nach dieser Regelung wurden variable Vergütungsbestandteile unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt; dem Vorstandsmitglied sollte der Auslegung des Gerichts nach weder ein Anspruch auf Bonuszahlung noch auf Ermessensentscheidung des Aufsichtsrats diesbezüglich zustehen, was das OLG Frankfurt a. M. als unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ansah.9 Denn die Bestimmung sei so auszulegen, dass sie sich auf jegliche leistungsabhängige Vergütungsbestandteile erstrecke, die zur Leistung des Vorstandsmitglieds in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stünden. Da diese das festgelegte Jahresbruttogrundgehalt des Vorstandsmitglieds um ein Vielfaches übersteigen könnten und ihnen insoweit eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung beizumessen sei, ergebe sich die Gefahr einer „willkürliche[n] Verschiebung der Größenordnung des Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung“10, sodass die Regelung das Vorstandsmitglied entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Das Gericht stellt diesbezüglich eine Parallele zur Rechtslage im Arbeitsrecht her: Nach der Rechtsprechung des BAG könne ein mit der Dienstleistung im Gegenseitigkeitsverhältnis stehendes Entgelt nicht unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden. In dieser Hinsicht bestehe zwischen Arbeits- und Vorstandsdienstverträgen kein struktureller Unterschied, der eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könne. Daher müsse eine Übertragung der Rechtsprechung insoweit stattfinden, als eine unangemessene Benachteiligung des Dienstverpflichteten jedenfalls dann anzunehmen sei, wenn sich aus der nachträglichen Entscheidung des Dienstberechtigten angesichts der Höhe der möglichen freiwilligen Zahlungen die Gefahr einer willkürlichen Verschiebung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung ergebe.11 Jedoch setzt sich das OLG Frankfurt nicht mit der im Vorfeld zu klärenden Frage auseinander, ob die auf das Arbeitsrecht zugeschnittenen Wertungen sich überhaupt auf das Anstellungsverhältnis des Vorstandsmitglieds übertragen lassen12 – dies wird vielmehr ohne weitere Erörterung 8 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111, Rn. 30; s. hierzu auch Löw, AG 2018, 837, 838 f.; Schiller, GWR 2018, 273. 9 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111, Rn. 36 ff.; hierzu Löw, AG 2018, 837, 839. 10 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111, Rn. 40. 11 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111, Rn. 40. 12 Kritisch auch Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715 ff.; ausführlich s. Gliederungspunkt G. und H. IV.

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C. AGB-Kontrolle formularvertraglicher Vereinbarungen in Vorstandsverträgen

unterstellt, sodass sich hinsichtlich der grundsätzlichen Übertragbarkeit bestimmter Wertungen aus diesem Judikat keine Erkenntnisse herleiten lassen. 4. BGH, Urt. v. 24. 09. 2019: Zur Übertragbarkeit arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung – eine höchstinstanzliche Positionierung Einen bedeutenden Einschnitt hat die Problematik durch das jüngst ergangene Urteil des BGH vom 24. 09. 2019 erfahren, in dem sich der BGH erstmalig mit der AGB-Kontrolle einer Vertragsbedingung eines Vorstandsdienstvertrags – insbesondere der Übertragbarkeit arbeitsgerichtlicher Grundsätze – auseinandergesetzt hat.13 Der BGH hat mit seiner Entscheidung das zuvor genannte Urteil des OLG Frankfurt a. M. in der Revision aufgehoben und die Berufung insgesamt zurückgewiesen. Zwar habe die Vorinstanz rechtsfehlerfrei festgestellt, dass es sich bei der gegenständlichen Klausel, einem Freiwilligkeitsvorbehalt, um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele;14 diese halte indes der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle stand.15 Denn: Die Rechtsprechung des BAG, wonach ein Freiwilligkeitsvorbehalt den Arbeitnehmer unangemessen benachteilige, wenn er dem Arbeitgeber das Recht zubillige, trotz Abschluss einer vergütungsorientierten Zielvereinbarung nach Ablauf der Beurteilungsperiode frei darüber zu entscheiden, ob eine Vergütungszahlung erfolge oder nicht, könne nicht ohne weiteres auf den Vorstandsdienstvertrag übertragen werden.16 Der BGH verweist ausdrücklich auf die zwischen Arbeitnehmer und Vorstandsmitglied bestehenden Unterschiede, insbesondere darauf, dass das Vorstandsmitglied als Organ der Gesellschaft persönlich unabhängig ist, diese gemäß § 76 Abs. 1 AktG unter eigener Verantwortung leitet und damit eben keinem Direktionsrecht unterliegt. Im Unterschied zur Rechtslage im Arbeitsrecht könnten Zielvereinbarungen mit Vorständen nicht uneingeschränkt geschlossen werden, sondern nur insoweit, als sie nicht in unzulässiger Weise auf die Leitungsautonomie des Vorstands Einfluss nehmen würden; dies bedeute, dass eine Ausrichtung an anderen Kriterien stattfinden müsse.17 Als Überdies-Argument führt der BGH an, dass das Vorstandsmitglied im Unterschied zum Arbeitnehmer besonderen Treubindungen unterliege und angesichts dessen sogar unter Umständen nachträgliche Anpassungen seines Gehalts hinnehmen müsse.18 Damit sei eine gegenüber der Rechtslage im Arbeitsrecht abweichende Beurteilung angezeigt. Das Urteil des BGH bildet insofern einen wichtigen Ankerpunkt für die Frage nach den Voraussetzungen der Übertragbarkeit arbeitsrechtlicher Wertungen auf den Vor13

BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679. BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 680, Rn. 13. 15 BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 23 ff. 16 BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 26. 17 BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 26. 18 BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 27 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – II ZR 296/14, BGHZ 207, 190, 209, Rn. 52. 14

II. Spärliche Äußerungen eines gespaltenen Schrifttums

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standsvertrag – freilich lediglich in Bezug auf die spezifische Klausel, ohne ein allgemeines Dogma aufzustellen. 5. Zwischenergebnis: Karge Rechtsprechung als erster Anhaltspunkt Ausgehend von der noch recht kargen Rechtsprechung zu dieser Problematik können die Judikate nur in Ansätzen Anknüpfungspunkte für zielführende Überlegungen bieten. So kann zunächst festgestellt werden, dass die grundsätzliche Eröffnung des Anwendungsbereichs der §§ 305 ff. BGB angenommen wird. Die Rechtsprechung scheint sich überdies für eine Verbrauchereigenschaft beim Abschluss seines Anstellungsvertrags jedenfalls dann auszusprechen, wenn das Vorstandsmitglied nicht in erheblichem Umfang an seiner Gesellschaft Aktien hält. Ob für das AGB-Recht entwickelte arbeitsrechtliche Wertungen auf den Vorstandsvertrag übertragbar sind, wurde jüngst allein in Bezug auf Freiwilligkeitsvorbehalte diskutiert und höchstinstanzlich in Zweifel gezogen. Hieraus mag man ableiten, dass jedenfalls Klauseln, die an die unterschiedlichen Vergütungssysteme von Arbeitnehmer und Vorstandsmitglied anknüpfen, keiner einheitlichen Bewertung unterliegen dürfen. Jedenfalls aber können die im Urteil des BGH aufgeführten Aspekte einen Ausgangspunkt für die Diskussion der grundsätzlichen Übertragbarkeit arbeitsrechtlicher Grundsätze auf den Vorstandsvertrag bilden. Im Übrigen besteht indes ein weites Feld an Fragestellungen, das noch nicht Gegenstand gerichtlicher Diskussion geworden ist, sodass bei der vertieften Auseinandersetzung die Urteile nur als erste Orientierungspunkte herangezogen werden können.

II. Spärliche Äußerungen eines gespaltenen Schrifttums Auch in der Literatur wird der AGB-Kontrolle von Vorstandsverträgen noch wenig Aufmerksamkeit zuteil. So ist zwar weitgehend anerkannt, dass die Schutzbestimmungen der §§ 305 ff. BGB auch auf Organanstellungsverträge Anwendung finden können;19 gleichwohl erschöpft sich die Auseinandersetzung mit relevanten Einzelfragen in Bezug auf das Anstellungsverhältnis des Vorstandsmitglieds in spärlichen Äußerungen eines zumeist gespaltenen Schrifttums. Dies betrifft zum einen die Frage, ob das Vorstandsmitglied beim Anschluss seines Anstellungsvertrags als Verbraucher anzusehen ist, was von einem großen Teil des Schrifttums unter Verweis auf die höchstinstanzliche Rechtsprechung zum 19 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 282; MüKoGmbHG/Jaeger/Steinbrück, 3. Aufl. 2019, § 35 Rn. 273; Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, 3. Aufl. 2015, § 84 Rn. 23; Bauer, FS Wank, 2014, S. 1; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 ff.; Fleischer, NZG 2010, 561, 562; Fleischer/ Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 101; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 19; einschränkend im Hinblick auf die Bereichsausnahme gemäß § 310 Abs. 4 S. 1 BGB Mülbert, FS Goette, 2011, S. 343 f.; kritisch auch Melot de Beauregard/Schwimmbeck/Gleich, DB 2012, 2792, 2794.

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C. AGB-Kontrolle formularvertraglicher Vereinbarungen in Vorstandsverträgen

Verbraucherstatus des GmbH-Geschäftsführer20 bejaht wird.21 Teilweise erfolgt eine Differenzierung zwischen Fremdgeschäftsführer und Gesellschafter-Geschäftsführer; der Grad der Beteiligung des Gesellschafter-Geschäftsführers solle für die Einordnung maßgeblich sein.22 Allerdings finden sich auch starke kritische Stimmen – so etwa Grobys,23 Kort,24 Mertens/Cahn,25 Seyfarth26 und Thüsing27 –, die auf eine aufgrund der Leitungsbefugnis gemäß § 76 Abs. 1 S. 1 BGB bestehende arbeitgeberähnliche Rolle hinweisen, welche generell – unabhängig vom Grad einer Beteiligung – im Widerspruch zur Verbrauchereigenschaft stehe, wenn man den auf der anderen Seite stehenden Arbeitnehmer als Verbraucher28 einordne. Selbst wenn sich die Literatur mit einer schwachen Mehrheit gegen die Anerkennung der Verbrauchereigenschaft jedenfalls dann ausspricht, wenn zugleich eine Mehrheitsbeteiligung gegeben ist, die Leitungsmacht vermittelt, wird die Problematik der Verbrauchereigenschaft des Vorstandsmitglieds, das keine oder nur eine geringe Anzahl an Aktien seiner Anstellungsgesellschaft hält, zumeist offengelassen.29 Aufgrund der Auswirkungen auf den eingeschränkten Anwendungsbereich des AGB-Rechts bei Unternehmerverträgen nach § 310 Abs. 1 S. 1 BGB respektive auf die Anwendung der Modifikationen nach § 310 Abs. 3 BGB existiert aber diesbezüglich erhöhtes Diskussionspotential, das eine ausführliche Erörtertung gebietet. Dass des Weiteren ein Bedürfnis nach der Modifikation AGB-rechtlicher Überprüfbarkeit anstellungsvertraglicher Klauseln insofern besteht, als die strenge Inhaltskontrolle zugunsten eines höheren Maßes an Gestaltungsfreiheit – insbesondere im Hinblick auf (nach-)vertragliche Wettbewerbsverbote und Vertragsstrafenrege-

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S. etwa BGH, Urt. v. 05. 06. 1996 – VIII ZR 151/95, DStR 1996, 1615; BAG, Urt. v. 19. 05. 2010 – 5 AZR 253/09, NJW 2010, 2827, 2829; s. hierzu auch noch Gliederungspunkte E. II. 1. und 2. 21 So etwa MüKoBGB/Micklitz, 8. Aufl. 2018, § 13 Rn. 61; Fleischer, NZG 2010, 561, 562; Wilsing/Meyer, DB 2011, 341, 344; zur ausführlichen Auseinandersetzung s. Gliederungspunkt E. III. 22 Bauer, FS Wank, 2014, S. 2; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2338; Bauer/Arnold/Kramer, AG 2014, 677, 678 f.; Bauer/Baeck/v. Medem, NZG 2010, 721, 723; Mülbert, FS Goette, 2011, S. 342; Schmitt-Rolfes, FS Hromadka, 2008, S. 397. 23 Grobys, DStR 2002, 1002, 1004 f. 24 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 276a. 25 KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 99. 26 Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 17 f. 27 Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 101; s. auch Thüsing/Granetzny, NZG 2010, 449, 453. 28 S. zur Verbrauchereigenschaft des Arbeitnehmers BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 2006 – 1 BvR 1909/06, NJW 2007, 286, 287; BAG, Urt. v. 25. 05. 2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 3305, 3308; MüKoBGB/Micklitz, 8. Aufl. 2018, § 13 Rn. 58; Palandt/Ellenberger, 79. Aufl. 2020, § 13 BGB Rn. 3; Däubler, NZA 2001, 1329, 1333 f.; Herbert/Oberrath, NJW 2005, 3745. 29 So etwa bei Bauer, FS Wank, 2014, S. 2; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2338; Bauer/ Arnold/Kramer, AG 2014, 677, 678 f.; Bauer/Baeck/v. Medem, NZG 2010, 721, 723.

II. Spärliche Äußerungen eines gespaltenen Schrifttums

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lungen – zurückgedrängt werden soll, ist zwar überwiegend anerkannt,30 eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem gesetzlichen Anknüpfungspunkt unter Diskussion verschiedener methodischer Ansätze und Herausarbeitung eines Wertungsmaßstabs ist indes nicht erfolgt.31 Findet sich für das Arbeitsrecht die Regelung in § 310 Abs. 4 S. 2 BGB als Anknüpfungspunkt, die „im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen“, so entbehrt eine angemessene Berücksichtigung der Besonderheiten des Vorstandsvertrags jeglicher legislativer Grundlage. Teilweise wird daher, um das als unbillig empfundene Ergebnis einer uneingeschränkten AGB-Kontrolle zu korrigieren, für eine analoge Anwendung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB plädiert;32 andere verweisen auf die teleologische Reduktion einzelner Regelungen,33 stützen sich auf den Grundsatz des Vorrangs des Gesellschaftsrechts34 oder fordern die Beseitigung von Wertungswidersprüchen, ohne sich auf einen methodischen Ansatz festzulegen.35 Besteht im Ergebnis weitgehender Konsens des Schrifttums, dass eine Modifikation der uneingeschränkten AGBKontrolle anstellungsvertraglicher Regelungen sachgerecht ist, werden jedoch methodisch unterschiedliche Wege gewählt, um die Korrektur zu erreichen.36 Deutlich wird darüber hinaus, dass zumeist ohne hinreichende Begründung eine nicht differenzierende Übertragung der Überlegungen hinsichtlich AGB-rechtlicher Besonderheiten beim Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers, der in Bezug auf AGB-rechtliche Problematiken bereits monografische Beachtung gefunden hat,37 auf den Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds stattfindet.38 So wird teilweise pauschal der „Organanstellungsvertrag“ als Anknüpfungspunkt gewählt, ohne sich dem Spezifikum des Anstellungsvertrags des GmbH-Geschäftsführers bzw. des AG30

Bauer, FS Wank, 2014, S. 2; Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1103; Hümmerich, NZA 2006, 709, 712; Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 55 ff.; Schniepp/Giesecke, NZG 2017, 128, 130 f.; Stagat, NZA-RR 2011, 617, 621 f. 31 Vgl. nur für den GmbH-Geschäftsführer Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008; Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116 ff., der eine analoge Anwendung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB befürwortet. 32 Ulmer/Brandner/Hensen/Habersack, 12. Aufl. 2016, Teil 2 (2) Rn. 3; Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1103; ausführlich Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 55 ff.; Poelzig, NZG 2020, 41, 47; a.A. Hümmerich, NZA 2006, 709, 712; in diese Richtung auch Schniepp/Giesecke, NZG 2017, 128, 130 f. 33 So etwa Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2344 und Niemann, RdA 2013, 92, 96 für Vertragsstrafenklauseln. 34 Stagat, NZA-RR 2011, 617, 621 f. 35 So etwa Bauer, FS Wank, 2014, S. 2, der eine analoge Anwendung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB oder eine teleologische Reduktion der Klauselverbote nennt. 36 Zur Notwendigkeit der Anpassung des Kontrollmaßstabs und diesbezüglichen methodischen Ansätzen s. Gliederungspunkt F. 37 Zur AGB-rechtlichen Überprüfung von Regelungen im Anstellungsvertrag des GmbHGeschäftsführers s. Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008. 38 So Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 276, der die Besonderheiten des Vorstandsvertrags nur anreißt, indem die für den GmbH-Geschäftsführer gefundenen Wertungen als auf den Vorstand übertragbar erachtet werden.

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C. AGB-Kontrolle formularvertraglicher Vereinbarungen in Vorstandsverträgen

Vorstandsmitglieds zu widmen.39 Dass dies aber nicht unproblematisch ist, wurde eingangs schon angedeutet: Beide Organe hinsichtlich AGB-rechtlicher Fragestellungen „über einen Kamm zu scheren“, mag zwar in vielen Fällen zulässig und sinnvoll erscheinen, eine grundsätzliche Gleichstellung der Argumentationsmuster verkennt indes, dass die aufgezeigten unterschiedlichen Charakteristika der Organstellung, die trotz dogmatischer Trennung vom Anstellungsvertrag in tatsächlicher Weise mit diesem verknüpft ist,40 unter Umständen das Anlegen unterschiedlicher Maßstäbe zu erfordern vermögen. All das zugrunde legend können auch die vereinzelten Erwägungen des Schrifttums allenfalls Ausgangspunkte bilden; eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Anforderungen an die Wirksamkeit vorformulierter Bedingungen in Vorstandsverträgen hat indes auch hier noch nicht stattgefunden – sodass letztlich die Ergründung wissenschaftlicher Tiefen dieser Arbeit obliegt.

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Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 276. Hierzu s. etwa MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 10; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 7 f.; Seitz, FS Wegen, 2015, S. 517. 40

D. Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs im Hinblick auf § 310 Abs. 4 S. 1 BGB und § 305 Abs. 1 S. 3 BGB Dies führt zuerst zur Klärung der Frage, ob und inwieweit der Anwendungsbereich des AGB-Rechts bei Vorstandsanstellungsverträgen überhaupt eröffnet ist. Unabhängig vom Vorliegen der Merkmale i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB wäre eine Kontrolle anhand AGB-rechtlicher Maßstäbe bei Einschlägigkeit der Bereichsausnahme nach § 310 Abs. 4 S. 1 BGB nicht möglich. Ebenso kann eine AGB-rechtliche Überprüfung insoweit nicht vorgenommen werden, als sich bestimmte Regelungen als Individualabreden darstellen, also i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB individuell ausgehandelt sind.

I. Zur Bereichsausnahme nach § 310 Abs. 4 S. 1 BGB Der AGB-Kontrolle verschlossen sind gemäß § 310 Abs. 4 S. 1 BGB unter anderem Verträge „auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“. Ob Anstellungsverträge von Vorstandsmitgliedern von dieser Bereichsausnahme erfasst werden, erschließt sich aus dem Wortlaut nicht unmittelbar; gesetzlich definiert wird der Begriff des Gesellschaftsrechts nicht.1 Ob dem Begriff ein enges2 oder weites3 Verständnis zugrunde zu legen ist, wird uneinheitlich beurteilt. So lässt sich dem Wortlaut nur entnehmen, dass Verträge „auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“ nicht ausschließlich Gesellschaftsverträge bedeuten können; vielmehr dürfen auch weitere Verträge, die gesellschaftsrechtliche Prägungen aufweisen, ohne Gesellschaftsverträge zu sein, nicht von vornherein ausgenommen werden. So müssen etwa zumindest vertragsanbahnende Verhältnisse erfasst werden, die mit dem Inhalt des Vertrags „unlösbar verbunden“4 sind. Eine Subsumtion des Anstellungsvertrags fällt indes schwer: Stellt der Anstellungsvertag die schuldrechtliche Beziehung zwischen dem Vorstandsmitglied und der AG her, indem es durch diesen Dienstverpflichteter

1 Hierauf wird auch ausdrücklich bereits in der Gesetzesbegründung zu § 23 Abs. 1 AGBGB a.F. verzichtet, s. BT-Drucks. 7/3919, S. 41. 2 So Grunewald, FS Semler, 1993, S. 179, 181; Heermann, NZG 1999, 325, 328; Oetker, FS Buchner, 2009, S. 693. 3 Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 706; in diese Richtung auch Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 721 f. 4 BGH, Urt. v. 10. 10. 1994 – II ZR 32/94, NJW 1995, 192, 194.

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D. Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs

der Gesellschaft wird,5 offenbart sich jedenfalls insoweit eine gesellschaftsrechtliche Perspektive, als die Organisationsstruktur des Dienstberechtigten aktienrechtlichen Regelungen unterliegt und sich der Inhalt des Dienstvertrags – beispielhaft sei die Festlegung des Aufgabenbereichs zu nennen – daher zwangsläufig nach aktienrechtlichen Vorgaben richtet.6 Insofern zeigt sich eine gesellschaftsrechtliche Prägung des Vertrags. Gleichzeitig ist stets zu beachten, dass die Organstellung des Vorstandsmitglieds sich erst aus dem Bestellungsakt, der vom Anstellungsverhältnis zu trennen ist,7 ergibt, sodass eine Zuordnung des schuldrechtlichen Anstellungsvertrags zum Gebiet des Gesellschaftsrechts i.S.d. Norm vor diesem Hintergrund fraglich erscheint. Mangels Eindeutigkeit bedarf es zur näheren Bestimmung des Begriffs somit einer Auslegung anhand des Gesetzgeberwillens sowie anhand von Sinn und Zweck der Regelung. 1. Der Wille des historischen Gesetzgebers Dass der historische Gesetzgeber Vorstandsanstellungsverträge nicht aus dem Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle herausnehmen wollte, belegt ein Blick auf die Gesetzesmaterialien: Das Gebiet des Gesellschaftsrechts war bereits in § 23 Abs. 1 AGBG a.F. enthalten, woran sich – anders als im Bereich des Arbeitsrechts, in dem durch die Einfügung des § 310 Abs. 4 S. 3 BGB nunmehr nur noch Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen ausgenommen sind8 – durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nichts geändert hat. Daher können auch bereits Erwägungen zu § 23 Abs. 1 AGBG a.F. zur Bestimmung der Weite der Bereichsausnahme herangezogen werden. Zu § 23 Abs. 1 AGBG a.F. führte der Gesetzgeber aus, dass spezifische „Rechtsgebiete pauschal vom Anwendungsbereich des Gesetzes aus[zunehmen sind], weil der Schutz des Gesetzes insoweit nicht erforderlich, nicht angemessen oder nicht systemgerecht“9 erscheint und sie überdies zu „viele Eigenarten [aufweisen], daß die auf schuldrechtliche Austauschverträge zugeschnittenen Bestimmungen des Entwurfs sich zu einer Anwendung hier nicht eignen“10. Eine Definition des Gesellschaftsrechts könne dabei unterbleiben; die Bezeichnung sei ohnehin „weit genug, um das Recht aller Handelsgesellschaften einschließlich des Genossenschaftsrechts sowie das Vereinsrecht zu umfassen. Auch die Abgrenzung zum Schuldrecht – etwa zum Depotstimmrechtsvertrag, der dem 5 Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 53; s. auch Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 721 f.; Oetker, FS Buchner, 2009, S. 694. 6 In diese Richtung auch Goette, FS Wiedemann, 2002, S. 886; Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 721; Mülbert, FS Goette, 2011, S. 339; Oetker, FS Buchner, 2009, S. 694. 7 S. hierzu ausführlich GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 16 ff., 23; MüKoAktG/ Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 10; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 7 f.; Seitz, FS Wegen, 2015, S. 517. 8 BT-Drucks. 14/6040, S. 12. 9 BT-Drucks. 7/3919, S. 41. 10 BT-Drucks. 7/3919, S. 41.

I. Zur Bereichsausnahme nach § 310 Abs. 4 S. 1 BGB

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Gesetz unterfallen soll – erscheint ohne eine detaillierte Regelung vollziehbar“11. Vermag die spärliche Begründung zwar den Anwendungsbereich der Bereichsausnahme nicht allzu deutlich zu konturieren, so lässt sich doch zweierlei herausstellen: Erfasst werden sollen alle Gesellschaftsformen, schuldrechtliche Austauschverträge – wie etwa der beispielhaft genannte Depotstimmenvertrag – sollen der Regelung indes nicht unterfallen.12 Da es sich auch bei dem Anstellungsvertrag um einen Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß §§ 611, 675 BGB, mithin ein schuldrechtliches Austauschverhältnis zwischen Dienstverpflichtetem und Dienstherrn, handelt, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber Organanstellungsverträge aus der Bereichsausnahme herausnehmen wollte. 2. Telos der Regelung Diese Wertung stützt auch ein Blick auf den Sinn und Zweck der Bereichsausnahme: Das AGB-Recht soll dort eingreifen, wo aufgrund einer „unangemessenen, einseitigen Inanspruchnahme des Rechts, den Inhalt von Verträgen durch generelle Regelungen zu gestalten, […] die Grundsätze der Vertragsgerechtigkeit in nicht zu billigender Weise verletzt sind“13. Im Fokus liegen folglich ein Entgegenlaufen der Interessen der Vertragspartner sowie die Schutzbedürftigkeit der Verwendergegenseite, der aus einer situativen Unterlegenheit heraus die individuelle Gestaltung der Vertragsbedingungen nicht möglich ist. Ersteres erscheint aber etwa bei der Gründung einer Personengesellschaft oder einer GmbH, die sich gegenüber der AG typischerweise durch den persönlicheren Zuschnitt und privatautonome Gestaltungsfreiheit auszeichnet, fraglich. Denn bei der Gründung einer Personengesellschaft oder GmbH liegt regelmäßig ein Interessengleichlauf vor, indem die gemeinsame Förderung des Gesellschaftszwecks maßgeblich ist und die Vereinbarungen daher regelmäßig „das ausgewogene Ergebnis eingehender Verhandlungen zwischen den Beteiligten“14 sind. Dann aber ist nicht erforderlich, dass eine über die §§ 134, 138 BGB bzw. § 242 BGB hinausgehende Kontrolle eingreift. Konsequenterweise bedarf es überdies – und das betrifft den zweiten Anknüpfungspunkt – in Bereichen, in denen die Schutzbedürftigkeit des Vertragspartners auf andere Weise als durch Rückgriff auf das AGB-Recht ausgeglichen wird, mit Rücksicht auf die Privatautonomie keiner weiteren Kontrollmechanismen. So wird bei der körperschaftlich strukturierten Rechtsform der AG ein Schutzniveau bereits durch die grundsätzlich zwingende Gestaltung des Aktienrechts in Form der Satzungsstrenge gemäß § 23 Abs. 5 AktG sowie die Gründungsprüfung durch das Registergericht gemäß § 38 AktG erreicht, sodass die Gefahr einer einseitigen unangemessenen 11

BT-Drucks. 7/3919, S. 41. So auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Schmidt, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 4 BGB Rn. 10; Oetker, FS Buchner, 2009, S. 693 f. 13 BGH, Urt. v. 04. 07. 2017 – XI ZR 562/15, NJW 2017, 2986, 2991. 14 Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, 12. Aufl. 2016, § 310 BGB Rn. 119; ähnlich Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Schmidt, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 4 BGB Rn. 10. 12

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D. Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs

Gestaltung zu Lasten beitretender Anleger jedenfalls minimiert wird und das zusätzliche Eingreifen AGB-rechtlicher Bestimmungen den Schutz überdehnen würde.15 Der AGB-Kontrolle nicht unterfallen sollen dementsprechend Verhältnisse, in denen aufgrund einer Vielzahl zwingender Regelungen ein ausreichendes Schutzniveau bereits gewährleistet wird, oder eine Anwendung der AGB-Bestimmungen systemwidrig erschiene, weil keine gegenläufigen Interessen der Vertragspartner bestehen. Legt man diese Überlegungen zugrunde, wird deutlich, dass lediglich Verhältnisse, die die interne korporationsrechtliche Organisation betreffen, mithin „organisations-rechtliche[] Rechtsverhältnisse im engeren Sinne“16 wie „Gesellschaftsverträge, Satzungen und sonstige unmittelbar mitgliedschaftlich geprägte Vertragsgestaltungen“17, ausgeschlossen sein sollen – und nicht Anstellungsverträge, die trotz gesellschaftsrechtlich geprägten Inhalts schuldrechtlicher Natur sind. 3. Zwischenergebnis: Vorstandsverträge sind keine Verträge „auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“ In Bezug auf Anstellungsverträge ist folglich – in Übereinstimmung mit der ganz h.M.18 – festzustellen, dass die Bereichsausnahme gemäß § 310 Abs. 4 S. 1 BGB nicht einschlägig ist. Anstellungsverträge erschöpfen sich – wenngleich sie einen gesellschaftsrechtlichen Charakter insofern aufweisen, als sie eine rechtliche Beziehung zwischen dem Vorstandsmitglied und der Aktiengesellschaft schaffen und der Dienstvertrag inhaltlich eine aktienrechtliche Prägung erhält – in einer schuldrechtlichen Austauschbeziehung, für deren Überprüfung sich die auf schuldrechtliche Austauschverhältnisse zugeschnittene AGB-Kontrolle grundsätzlich eignet.

15 In diese Richtung auch Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, 12. Aufl. 2016, § 310 BGB Rn. 119. 16 Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, 12. Aufl. 2016, § 310 BGB Rn. 122. 17 Schmitt-Rolfes, FS Hromadka, 2008, S. 395; ähnlich Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Schmidt, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 4 BGB Rn. 11; in diese Richtung ebenfalls Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 721. 18 S. schon BGH, Urt. v. 10. 10. 1994 – II ZR 32/94, NJW 1995, 192; vorausgesetzt von BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679; Urt. v. 29. 05. 1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683; BeckOK-BGB/Becker, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 310 Rn. 32; Ulmer/ Brandner/Hensen/Habersack, 12. Aufl. 2016, Klauseln, Vertragstypen, AGB-Werke, (2) Anstellungsverträge, Rn. 1; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Schmidt, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 4 BGB Rn. 14; Bauer, FS Wank, 2014, S. 1; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2338; Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1097; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, 2. Aufl. 2020, § 11 Rn. 160b; Löw, AG 2018, 837, 838; Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116; Oetker, FS Buchner, 2009, S. 693 f.; Schmitt-Rolfes, FS Hromadka, 2008, S. 395; Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, 813, 816; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 19, 20; einschränkend Mülbert, FS Goette, 2011, S. 343 f., der von einer „partiellen Einbeziehung in die Bereichsausnahme“ – wie etwa in Bezug auf Vergütungsregelungen – ausgeht.

II. Die Grenze der Individualvereinbarung

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II. Die Grenze der Individualvereinbarung In einem zweiten Schritt – und das ist weitaus problembehafteter – muss der Anwendungsbereich des AGB-Rechts durch Festlegung der Grenze der Individualvereinbarung umrissen werden: Sofern die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt sind, erfährt die AGB-Definition in § 305 Abs. 1 S. 3 BGB eine Einschränkung, indem trotz Vorliegens der Tatbestandsmerkmale nach § 305 Abs. 1 S. 1 BGB eine AGB-Kontrolle aufgrund eines Aushandelns im Einzelnen nicht stattfindet. Individualabreden können nur darauf überprüft werden, ob die Grenze der Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit nach den §§ 134, 138 BGB bzw. § 242 BGB gewahrt wurde. Die Funktion des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB erschöpft sich dabei nicht in einer bloßen Klarstellung, der gegenüber der Eröffnung des Anwendungsbereichs gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB keine eigenständige Funktion mehr zukommt; vielmehr wird dem Klauselverwender auf diese Weise ermöglicht, im konkreten Fall nachzuweisen, dass einzelne Klauseln ausgehandelt sind und somit nicht der AGB-Kontrolle unterfallen.19 Maßgeblich ist dabei, ob es sich bei einer konkreten Klausel um eine Individualvereinbarung handelt.20 Das heißt, dass die Voraussetzungen eines individuellen Aushandelns für jede einzelne Klausel isoliert geprüft werden müssen. Die Grenze der Individualabrede wurde dabei vom Gesetzgeber nicht rechtssicher gezogen: Zwar weist dieser in eine restriktive Richtung, indem er für das Vorliegen individueller Vereinbarungen verlangt, „daß der Kunde eingehend und unmißverständlich über […] Inhalt [der Klausel] und ihre rechtliche Tragweite aufgeklärt wird“21 – eine nähere Bestimmung überlässt er indes ausdrücklich den Gerichten. Vor diesem Hintergrund muss daher zunächst ermittelt werden, welchen Maßstab die Rechtsprechung bei der Abgrenzung Allgemeiner Geschäftsbedingungen von Individualabreden anlegt, wann mithin von einem „Aushandeln“ in der Judikatur ausgegangen wird. Sodann ist in einem zweiten Schritt die Frage aufzuwerfen, ob sich bezüglich der dargestellten Maßstäbe beim Vorstandsvertrag Besonderheiten ergeben, die sich in einer Grenzverschiebung äußern müssen.

1. Begriff des Aushandelns An das Vorliegen einer Individualvereinbarung sind nach Ansicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung hohe Anforderungen zu stellen: Ein individuelles 19

Grundlegend BGH, Urt. v. 15. 12. 1976 – IV ZR 197/75, NJW 1977, 624 f.; s. auch BeckOK-BGB/Becker, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 305 Rn. 34; Ulmer/Brandner/Hensen/ Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rn. 40 ff.; Habersack, FS Köhler, 2014, S. 211; a.A. MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 305 Rn. 34, der § 305 Abs. 1 S. 3 BGB für „überflüssig“ hält. 20 BT-Drucks. 7/3919, S. 17; BGH, Urt. v. 05. 12. 1995 – X ZR 14/93, NJW-RR 1996, 783; s. auch BeckOK-BGB/Becker, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 310 Rn. 34; Ulmer/Brandner/ Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rn. 45; Fuchs, FS Blaurock, 2013, S. 91, 93. 21 BT-Drucks. 7/3919, S. 17.

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D. Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs

Aushandeln liegt danach nur vor, soweit die gegenständliche Klausel „nicht nur vom Verwender, sondern ebenso vom Kunden in seinen rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen aufgenommen worden ist“22 und sie insoweit „als Ausdruck seiner rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung und Selbstverantwortung gewertet werden“23 kann. Dabei genüge es nicht, wenn der Gegenseite der Vertragsinhalt erläutert worden sei und sie diesen zur Kenntnis genommen habe.24 Entgegen der früher vertretenen großzügigeren Linie des BGH,25 die noch das Bewusstsein des Vertragspartners genügen ließ, der Verwender sei zur Änderung bereit, sei vielmehr nun erforderlich, dass „der Verwender den gesetzesfremden Kerngehalt seiner Allgemeinen Geschäftsbedingung inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen“26. Das wesentliche Element bildet folglich die Dispositionsbereitschaft des Verwenders im Hinblick auf den von der gesetzlichen Regelung abweichenden Grundgehalt einer Vertragsbedingung, die sich nach außen manifestiert hat. Wann aber diese konkret vorliegt, lässt sich vor dem Hintergrund einer nur schwerlich subsumierbaren Definition kaum rechtssicher bestimmen. Es gilt aber: AGB-Recht ist Fallrecht.27 Daher kann eine Betrachtung des zahlreichen zivilgerichtlichen Fallmaterials helfen, um eine handhabbare Eingrenzung des Kriteriums im Allgemeinen vornehmen zu können. a) Konturierung anhand von Einzelfallrechtsprechung So dient die umfangreiche Kasuistik der näheren Bestimmung, die zunächst auf die angemessene Information des Vertragspartners abstellt: Damit von einem individuellen Aushandeln ausgegangen werden kann, genüge nicht das bloße InKenntnis-Setzen des Vertragspartners; wenn die vorformulierten Bedingungen der Gegenseite vom Verwender oder einem Notar vorgelesen würden oder aber auch eine Belehrung28 über Inhalt und Bedeutung der Vertragsbedingungen stattgefunden habe, so könne dies für die Annahme einer Individualvereinbarung ebenfalls noch 22 BGH, Urt. v. 19. 05. 2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543, 2544; kritisch Clemenz/ Kreft/Krause/Clemenz, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 305 Rn. 46 ff.; Gottschalk, NJW 2005, 2493 ff. 23 BGH, Urt. v. 19. 05. 2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543, 2544. 24 BGH, Urt. v. 19. 05. 2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543, 2544; s. auch BeckOK-BGB/ Becker, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 310 Rn. 35. 25 BGH, Urt. v. 15. 12. 1976 – IV ZR 197/75, NJW 1977, 624, 625, Ls. 2. 26 St. Rspr., s. zuletzt BGH, Urt. v. 20. 03. 2018 – X ZR 25/17, NJW 2018, 2039; Urt. v. 22. 10. 2015 – VII ZR 58/14, NZBau 2016, 213, 215; Urt. v. 20. 03. 2014 – VII ZR 248/13, NJW 2014, 1725, 1727; Urt. v. 22. 11. 2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856. 27 Thüsing/Leder, BB 2005, 1563. 28 Grundlegend BGH, Urt. v. 15. 12. 1976 – IV ZR 197/75, NJW 1977, 624; s. auch Ulmer/ Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rn. 48; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 305 BGB Rn. 37.

II. Die Grenze der Individualvereinbarung

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nicht als ausreichend angesehen werden. Indem der Verwender mit der Vorlage vorformulierter Bedingungen objektiv erkläre, von einem bestimmten Vertragsinhalt nicht abweichen zu wollen, könne dieser Erklärungswert vielmehr nur durch die evidente Bereitschaft, eine aktive Einflussnahme der Gegenseite zuzulassen, beseitigt werden.29 Hierzu genüge nicht die Aufnahme von Verhandlungen über die Klausel; die Gewährleistung einer effektiven Einflussmöglichkeit erfordere vielmehr „mehr als [ein] Verhandeln“30. Ein solches sei allerdings noch nicht gegeben, wenn der Verwender lediglich die Bereitschaft äußere, belastende Klauseln abzuändern.31 Ebenso genüge eine unterschriebene Erklärung des Vertragspartners, die Bedingungen seien ausgehandelt, nicht den Anforderungen.32 Es sei überdies nicht als ausreichend anzusehen, wenn die Alternative zur Akzeptanz der AGB lediglich das gänzliche Absehen vom Vertragsschluss sei.33 Gleiches gelte, wenn der Verwendergegenseite die Entscheidung überlassen werde, zwischen verschiedenen Formulartexten auszuwählen, es sei denn, es bestehe die effektive Möglichkeit, alternative eigene Textvorschläge mit der Möglichkeit ihrer Durchzusetzung zu unterbreiten.34 Ein individuelles Aushandeln könne aber gegeben sein, wenn der Verwender die vorformulierte Bedingung als eine von mehreren Varianten offeriere, zwischen denen der Vertragspartner wählen könne und die echte Wahlfreiheit nicht durch Einflussnahme des Verwenders konterkariert werde.35 Selbst bei einer (nachträglichen) textlichen Umformulierung, die nicht mit einer Änderung des materiellen Gehalts einhergehe, könne die Verhandlungsbereitschaft aber noch nicht zwangsläufig angenommen werden.36 Denn eine Änderung müsse dazu führen, dass die Klausel objektiv als Individualabrede zu werten sei,37 was dann nicht sachgerecht sei, sofern die Einigung lediglich zu einer Abmilderung der nachteiligen Folgen der Klausel führe. Die Dispositionsbereitschaft äußere sich letztlich also nahezu ausschließlich in äußerlich erkennbaren materiellen Textänderungen. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände könne eine Klausel als Individualvereinbarung gewertet

29

Miethaner, NJW 2010, 3121, 3122. St. Rspr., s. etwa BGH, Urt. v. 20. 03. 2018 – X ZR 25/17, NJW 2018, 2039; Urt. v. 22. 10. 2015 – VII ZR 58/14, NZBau 2016, 213, 215; Urt. v. 22. 11. 2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856. 31 BGH, Urt. v. 05. 06. 2018 – XI ZR 790/16, NJW 2018, 2950, 2951 f. 32 BGH, Urt. v. 15. 12. 1976 – IV ZR 197/75, NJW 1977, 624, 625. 33 BGH, Urt. v. 27. 03. 1991 – IV ZR 90/90, NJW 1991, 1678 f. 34 BGH, Urt. v. 15. 12. 1976 – IV ZR 197/75, NJW 1977, 624, 625; Urt. v. 13. 03. 2018 – XI ZR 291/16, NJW-RR 2018, 814, 815; Urt. v. 15. 02. 2017 – IV ZR 91/16, NJW 2017, 2346 f. 35 BGH, Urt. v. 20. 03. 2018 – X ZR 25/17, NJW 2018, 2039. 36 BGH, Urt. v. 26. 03. 2015 – VII ZR 92/14, ZIP 2015, 1026; Urt. v. 07. 03. 2013 – VII ZR 162/12, ZIP 2013, 1028; hierzu Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rn. 47. 37 BGH, Urt. v. 26. 03. 2015 – VII ZR 92/14, NJW 2015, 1952, 1953. 30

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D. Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs

werden, wenn es nach gründlicher Erörterung bei der vorformulierten Regelung bleibe.38 b) Strenge Maßstäbe auch im Unternehmerverkehr und bei juristischem Sachverstand des Vertragspartners Lassen sich die strengen Maßstäbe vor dem Hintergrund einer besonderen Schutzwürdigkeit von Verbrauchern ggf. noch rechtfertigen, so mag es zunächst intuitiv verwundern, dass die Rechtsprechung im Unternehmerverkehr ebenso hohe Hürden aufstellt:39 Im sog. GU-Urteil folgt der BGH der dargestellten Linie, indem er im Rahmen eines Unternehmervertrags feststellt, „[d]er allgemeine Hinweis, alle Vertragsbedingungen hätten zur Disposition gestanden, enthält nicht die notwendige Konkretisierung hinsichtlich der Kerngehalte der einzelnen Klauseln“40 ; insofern sei auch ein Verhandlungsprotokoll, in dem der Verwender bestätige, über die Klauseln sei ernsthaft und ausführlich verhandelt worden, unerheblich. Denn „könnte der Verwender allein durch eine solche Klausel die Darlegung eines Aushandelns stützen, bestünde die Gefahr der Manipulation und der Umgehung des Schutzes der §§ 305 ff. BGB“41. Überdies könne auch der Schutz des AGB-Rechts nicht durch die Einigung, der gegenständliche Unternehmervertrag stelle einen Individualvertrag dar, abbedungen werden, da die §§ 305 ff. BGB auch im unternehmerischen Rechtsverkehr nicht dispositiv seien. Eine AGB-Kontrolle finde daher nur unter den Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB nicht statt, im Übrigen bleibe es bei den zwingenden Bestimmungen.42 Diese Anforderungen hat der BGH in den Entscheidungen Bring or Pay I und II nochmals erhöht: Soweit die Wirkung des gesetzesfremden Kerngehaltes lediglich abgeschwächt werde durch eine Abmilderung der nachteiligen Wirkungen der Klausel – etwa durch eine ausgehandelte Reduzierung des durch eine vorformulierte Klausel vorgegebenen Preises –, sei dieser noch nicht ernsthaft zur Disposition gestellt worden. Denn es genüge nicht die bloße Abänderung der Klauseln, wenn der Kerngehalt „gesetzesfremd“ erhalten bleibe.43 Auch wenn eine als nicht verhandelbar eingebrachte Klausel letztlich beibehalten wird, der 38 BGH, Urt. v. 26. 03. 2015 – VII ZR 92/14, NJW 2015, 1952, 1953; Urt. v. 22. 11. 2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856; Urt. v. 23. 01. 2003 – VII ZR 210/01, NJW 2003, 1805, 1807. 39 Die enge Auslegung des Merkmals „Aushandeln“ im unternehmerischen Rechtsverkehr ist in der Literatur weitgehend auf Kritik gestoßen, vgl. nur Berger, NJW 2001, 2152 ff.; Kessel/ Jüttner, BB 2008, 1350 ff.; Maier-Reimer/Niemeyer, NJW 2015, 1713, 1716 f.; der Rechtsprechung zustimmend aber Kappus, NJW 2016, 33, 36 unter Verweis auf den „gesetzesinternen Ausnahmecharakter des Rechtsinstituts“. 40 BGH, Urt. v. 20. 03. 2014 – VII ZR 248/13, NJW 2014, 1725, 1727, Rn 27. 41 BGH, Urt. v. 20. 03. 2014 – VII ZR 248/13, NJW 2014, 1725, 1727, Rn 27. 42 BGH, Urt. v. 20. 03. 2014 – VII ZR 248/13, NJW 2014, 1725, 1727, Rn. 27; zust. Kaufhold, NJW 2014, 3488, 3489. 43 BGH, Urt. v. 22. 10. 2015 – VII ZR 58/14, NZBau 2016, 213 (Bring or Pay II); Urt. v. 22. 11. 2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856 (Bring or Pay I); s. hierzu auch v. Westphalen, NJW 2017, 2237, 2238; kritisch Maier-Riemer, NJW 2017, 1, 2 ff.

II. Die Grenze der Individualvereinbarung

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Vertragspartner diese jedoch einer juristischen Prüfung unterzieht und sie daraufhin billigt, sei für ein Aushandeln kein Raum.44 Die gleichen Maßstäbe gelten nach Ansicht des BGH, wenn der Vertragspartner des Verwenders zwar nicht Unternehmer ist, aber über juristisches Fachwissen verfügt: So hat der BGH in Bezug auf einen Richter als Vertragspartner das Vorbringen des Verwenders, es hätte „von einer selbstverantwortlichen Prüfung, Abwägung und möglichen Einflussnahme […] ausgegangen werden müssen“45, nicht genügen lassen. Auch juristischer Sachverstand vermag daher nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Anpassung der Anforderungen an das Vorliegen individueller Abreden zu begründen. c) Erkennbare Abänderungsmöglichkeit der Klausel als wesentliches Kriterium Zweifelsohne: Die Kasuistik ist vielfältig und lässt sich nicht in jeder Nuance nachzeichnen. Ein gemeinsamer Nenner der Entscheidungen ist aber – prägnant zusammengefasst – darin zu sehen, dass die Anforderungen an ein Aushandeln hoch sind und über das bloße Verhandeln hinaus noch weitere Indikatoren hinzutreten müssen, die auf die reale Änderungsmöglichkeit schließen lassen. Wird das zahlreiche Fallmaterial sowohl in Bezug auf die Grenzziehung bei Verbraucherverträgen als auch im Hinblick auf den unternehmerischen Rechtsverkehr betrachtet, erschließt sich, dass zur näheren Bestimmung eines individuellen Aushandelns gedanklich eine zweistufige Prüfung vorgenommen wird: Wird der Vertragspartner angemessen informiert und, wenn ja, besteht die reale und erkennbare Möglichkeit, die Klausel abzuändern? Erste Stufe: Damit sichergestellt werden kann, dass auch die Verwendergegenseite die Bedingung in ihren „rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen aufgenommen“46 hat, sie sich mithin „als Ausdruck [ihrer] rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung und Selbstverantwortung“47 aus „Einsicht in die Sachgerechtigkeit der Regelung“48 darstellt, ist notwendige Bedingung, dass der Vertragspartner über den Inhalt der Vertragsbedingungen in Kenntnis gesetzt wurde.49 Die In-Kenntnis-Setzung muss dabei in der Art und Weise geschehen, dass der Vertragspartner ausgehend von dieser Informationsbasis einen dem Verwender ebenbürtigen Blick auf die Konsequenzen der Vertragsbedingung hat, sodass ihm auf dieser Grundlage die 44

BGH, Urt. v. 22. 11. 2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856. BGH, Urt. v. 05. 03. 2013 – VIII ZR 137/12, NJW 2013, 1668, 1669. 46 BGH, Urt. v. 19. 05. 2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543, 2544. 47 BGH, Urt. v. 19. 05. 2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543, 2544. 48 Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rn. 48. 49 So auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 305 BGB Rn. 37; ähnlich Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rn. 51, die das Vorliegen von Verhandlungen als notwendige Bedingung nennen. 45

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Entscheidung, ob er sich mit der Bedingung einverstanden erklärt, möglich ist. Konkret bedeutet dies zunächst, dass der Vertragspartner die Bedingungen – akustisch oder visuell – wahrgenommen hat. Weiterhin muss der Inhalt dem Vertragspartner insbesondere bei für juristische Laien schwer verständlichen Klauseln derart präzise erläutert werden, dass er Sinngehalt und Auswirkungen der Vertragsbedingungen nachvollziehen kann, was eine umfassende Beantwortung aufkommender Fragen durch den Verwender bedingt.50 Denn nur, soweit das Informationsbedürfnis der Verwendergegenseite betreffend Inhalt und Tragweite des Abweichens der Klausel vom dispositiven Gesetzesrecht gestillt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass ein Einverständnis mit der Vertragsbedingung auf ihrer rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung und Selbstverantwortung beruht. Gleichwohl ist die angemessene Information für die Annahme, eine Klausel sei ausgehandelt, zwar notwendig, aber nicht ausreichend.51 Vielmehr muss – zweite Stufe – als hinreichende Bedingung hinzukommen, dass die Dispositionsbereitschaft im Hinblick auf den gesetzesfremden Kerngehalt der Klausel tatsächlich gegeben ist und sich überdies derart nach außen manifestiert, dass zumindest die Möglichkeit erkennbar wird, die inhaltliche Ausgestaltung der vorformulierten Bedingung abzuändern. Diese Erkennbarkeit der Änderungsmöglichkeit ergibt sich indes nicht schon aus einem langwierigen Verhandlungsprozess. Auf dieser Grundlage mag man anzweifeln, dass eine Beeinflussbarkeit der Vertragsbedingung sich ohne tatsächliche Einflussnahme hinreichend offenbaren kann. d) Nachweisschwierigkeiten in der Praxis Dies gilt umso deutlicher, blickt man auf die Beweislastverteilung. Die Darlegungs- und Beweislast richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen: Den Nachweis der Voraussetzungen muss derjenige erbringen, für den die Bestimmungen günstig sind. Das heißt zum einen, dass die Verwendergegenseite das Vorliegen von AGB beweisen muss, wenn sie im Individualprozess AGB-rechtlichen Schutz beanspruchen will.52 Indes ist bei Vertragsbestimmungen, die in einer Vielzahl vorgefertigt, allgemein und abstrakt formuliert sind oder sich in einem Vertrag finden, bei dem eine mehrfache Verwendung typischerweise anzunehmen ist, prima facie das Vorliegen vorformulierter und vom Verwender gestellter Bedingungen anzunehmen.53 50

Ähnlich BeckOK-BGB/Becker, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 305 Rn. 35; Kappus, NJW 2016, 33. 51 So auch MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 305 Rn. 40 unter Verweis auf OLG Celle, Urt. v. 19. 12. 1975 – 11 U 79/75, BB 1976, 1287. 52 Clemenz/Kreft/Krause/Clemenz, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 305 Rn. 54; Ulmer/ Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rn. 60; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 305 BGB Rn. 58; Hümmerich, NZA 2006, 709, 710. 53 So ausdrücklich die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 7/3919, S. 17; s. auch BGH, Urt. v. 26. 03. 2015 – VII ZR 92/14, NJW 2015, 1952, 1953; Urt. v. 24. 11. 2005 – VII ZR 87/04, WM 2006, 247, 248 f.; Urt. v. 11. 12. 2003 – VII ZR 31/03, NJW 2004, 1454, 1455; Urt. v. 19. 06. 1996 – VIII ZR 189/95, WM 1996, 2025, 2027; Urt. v. 14. 05. 1992 – VII ZR 204/90, NJW 1992,

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Auch wird der Darlegungslast genügt, wenn der Vertragspartner das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen behauptet und der Verwender dies nicht substantiiert bestreitet.54 Bei Verbraucherverträgen wird das Stellen zudem gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB fingiert, sodass insoweit eine Beweislastumkehr stattfindet.55 In Bezug auf die Beweislast bei Individualabreden gilt, dass – sofern das Vorliegen von AGB und das Stellen des Verwenders festgestellt wurden – der Verwender, der die Vertragsbedingungen einer AGB-rechtlichen Kontrolle entziehen will, nachweisen muss, dass es sich um individuelle Vereinbarungen handelt.56 Dabei vermag jedoch eine einzelne Änderung einer Bedingung noch kein Indiz dahingehend zu begründen, dass es sich bei allen Vertragsbedingungen um Individualvereinbarungen handelt.57 Hat keine Textänderung stattgefunden, obliegt dem Verwender die volle Beweislast, dass er in Bezug auf den gesetzesfremden Kerngehalt dispositionsbereit war und der Vertragspartner dies erkennen konnte.58 Dies bedeutet, dass der Verwender konkret darlegen muss, „wie er Klauseln zur Disposition gestellt hat und aus welchen Umständen darauf geschlossen werden kann, der Verwendungsgegner habe die Klauseln freiwillig akzeptiert“59. Dass dies in der Praxis schwierig ist, liegt auf der Hand: Schon auf der ersten Stufe, auf der der Nachweis erbracht werden muss, dass der Vertragspartner angemessen informiert wurde, werden letztlich „innere Tatsachen […] vorausgesetzt, die einer gerichtlichen Feststellung jedenfalls in der Regel nicht zugänglich sind“60. Zudem erscheint es fraglich, ob die Darlegung und der Nachweis der Beeinflussbarkeit der Vertragsbedingung überhaupt geführt werden können, wenn die Bedingung letztlich nicht durch – und sei es auch nur geringfügige – Modifikation beeinflusst wird.61 Zwar muss der Nachweis des individualvertraglichen Charakters der Bestimmungen erst dann erbracht werden, wenn die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB dargelegt wurden; da sich der Ver2160, 2162; differenzierend OLG Hamm, Urt. v. 26. 07. 2012 @ I-24 U 41/12, NJW 2013, 392; s. auch Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rn. 61; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 305 BGB Rn. 58 f.; kritisch Clemenz/Kreft/ Krause/Clemenz, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 305 Rn. 55. 54 BGH, Urt. v. 19. 06. 1996 – VIII ZR 189/95, WM 1996, 2025, 2027; Ulmer/Brandner/ Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rn. 60. 55 Zur Frage, ob der Vorstandsvertrag einen Verbrauchervertrag darstellt, s. Gliederungspunkt E. III. 56 BT-Drucks. 7/3919, S. 15, 17; BGH, Urt. v. 15. 12. 1976 – IV ZR 197/75, NJW 1977, 624, 625; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 305 BGB Rn. 60; Fuchs, FS Blaurock, 2013, S. 91, 94; Kappus, NJW 2016, 33, 34. 57 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 305 BGB Rn. 60; kritisch Clemenz/ Kreft/Krause/Clemenz, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 305 Rn. 50 ff. 58 BGH, Urt. v. 03. 04. 1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600, 2601; Ulmer/Brandner/Hensen/ Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rn. 64. 59 BAG, Urt. v. 19. 05. 2010 – 5 AZR 253/09, NJW 2010, 2827, 2829. 60 Clemenz/Kreft/Krause/Clemenz, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 305 Rn. 49; zur Schwierigkeit auch Fuchs, FS Blaurock, 2013, S. 91, 94. 61 In diese Richtung auch Kappus, NJW 2016, 33, 35.

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tragspartner aber regelmäßig auf Indizien berufen kann, ist im Prozess insbesondere dem schwierigen Nachweis des Aushandelns Bedeutung beizumessen.62 e) Fazit des Status quo: Hohe Anforderungen und ihre Konsequenzen All das gesagt, wird offenbar, dass ein individuelles Aushandeln nach den strengen Maßstäben der zivilgerichtlichen Rechtsprechung selbst im B2B-Kontext oder bei Vorliegen juristischer Kenntnisse auf Seiten des Vertragspartners nur bei erkennbar aktiver Einflussnahme auf die Vertragsbedingung anzunehmen ist. Das kommt zwar im Hinblick auf den konstitutiven Charakter des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB nicht rechtlich, aber faktisch dem Erfordernis einer inhaltlichen Änderung, die sich in einer textlichen Umformulierung oder Einfügung niederschlägt, gleich. Zwar mag nach den Aussagen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Aushandeln auch dann möglich sein, wenn der Verwender den Inhalt der Klausel ernsthaft zur Disposition stellt, die Bedingung letztlich aber unverändert in den Vertrag aufgenommen wird;63 dies könne aber allenfalls „unter besonderen Umständen“64 angenommen werden. So hat seit der Eröffnung des AGB-Rechts für die Arbeitsgerichte im Jahre 2002 auch das BAG, soweit ersichtlich, in keinem Fall entschieden, eine vorformulierte und vom Arbeitgeber gestellte Vertragsklausel sei ausgehandelt.65 Dazu kommt, dass stets jede Klausel einzeln auf die Abdingbarkeit ihres gesetzesfremden Kerngehalts geprüft werden muss. Das heißt, selbst wenn eine einzelne Klausel ausgehandelt wurde, hat dies grundsätzlich keine Ausstrahlwirkung auf die Beurteilung des Restvertrages. Dass sich aber bei jeglichen Bedingungen eines Anstellungsvertrags die Abänderungsbereitschaft des Verwenders hinreichend manifestiert, erscheint lebensfern – auch vor diesem Hintergrund erscheint jedenfalls eine teilweise Inhaltskontrolle anhand AGB-rechtlicher Bestimmungen regelmäßig unausweichlich. Das ergibt sich überdies auch aus der Verteilung der Beweislast: Der Nachweis der Individualabrede wird dem Verwender praktisch nahezu unmöglich sein, wenn keine Textänderung stattgefunden hat. Das führt dazu, dass die ernstliche und erkennbare Einräumung einer Änderungsmöglichkeit in der Praxis in der Regel mit der schlichten Aufgabe des gesetzesfremden Kerngehaltes einhergehen muss.66 Konkret bedeutet dies einen faktischen Kontrahierungszwang in Bezug auf Änderungswünsche der Verwendergegenseite, um eine Überprüfbarkeit anhand des AGB62

Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rn. 62. BAG, Urt. v. 19. 05. 2010 – 5 AZR 253/09, NJW 2010, 2827; Urt. v. 15. 09. 2009 – 3 AZR 173/08, DB 2010, 170; BGH, Urt. v. 15. 12. 1976 – IV ZR 197/75, NJW 1977, 624; so auch Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rn. 48; Pfeiffer, NJW 2017, 913, 917. 64 BGH, Urt. v. 26. 03. 2015 – VII ZR 92/14, NJW 2015, 1952, 1953; Urt. v. 22. 11. 2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856. 65 Preis, SR 2019, 153, 159. 66 So Maier-Reimer, NJW 2017, 1, 3. 63

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Rechts auszuschließen: Wenn der Verwender in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Angebot formuliert, dann muss er jeden Änderungsvorschlag seines Vertragspartners annehmen, um von vornherein dem Einwand zu begegnen, er habe zwar verhandelt, nicht aber seinem Vertragspartner tatsächlich eine Aushandlungsmöglichkeit eröffnet.67 Angesichts dessen mag man die Zweifel Clemenz‘ teilen, die kritisch hinterfragt: „Führt nicht der tatsächliche Ablauf einer Verhandlung angesichts der vorzitierten Maßstäbe automatisch zur Feststellung, dass einmal eingeführte Vertragsbedingungen nicht ausgehandelt sind, ja gar nicht sein können? Wie verhandelt man seine Position inhaltlich ernsthaft, wenn man rechtlich gezwungen ist, sie mindestens ebenso ,ernsthaft‘ zur Disposition zu stellen?“68

Denn: Wenn eine einzelne Klausel, die die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB erfüllt, unverändert in den Vertrag aufgenommen wird, dann liegt die Einordnung als Individualabrede durch die Gerichte aufgrund der hohen Anforderungen an ein Aushandeln fern – selbst wenn über die Bedingung ausgiebig verhandelt wurde. Mögen individuelle Vereinbarungen mit dem rational apathischen Kunden im Massengeschäft des täglichen Lebens ohnehin regelmäßig abwegig erscheinen, so scheinen sie bei Organanstellungsverträgen wegen der Relevanz des Vertrags und der Verhandlungsposition des regelmäßig auch anwaltlich beratenen Vertragspartners zumeist so naheliegend, dass ein Eingreifen des AGB-Rechts vereinzelt sogar als „absurd“69 betitelt wird. Folgt man aber der Linie der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die einen Verhandlungsprozess für ein Aushandeln nicht genügen lässt, so wird man – etwas kontraintuitiv – folgern müssen, dass Bestimmungen in Anstellungsverträgen selbst mit anwaltlich beratenen Vorstandsmitgliedern in vielen Fällen keine Individualvereinbarungen, sondern AGB darstellen. Das mag im Hinblick auf das Bild des oftmals verhandlungssicheren und geschäftserfahrenen Vorstandsmitglieds verwundern, ist aber letztlich die Konsequenz der hohen Anforderungen des BGH an das Vorliegen individueller Vereinbarungen. Dies berücksichtigend stellt sich die Frage, ob bei Vorstandsverträgen eine Modifikation der strengen Maßstäbe geboten ist – und das unabhängig von der im Schrifttum bereits ausführlich diskutierten Frage, ob unterschiedliche Maßstäbe bei Verbraucher- und Unternehmerverträgen angelegt werden müssen. 2. Maßstab für die Annahme eines Aushandlungsprozesses beim Vorstandsvertrag Ob es sich bei dem Anstellungsvertrag um einen Unternehmervertrag handelt und vor diesem Hintergrund eine Grenzverschiebung geboten erscheint, kann in diesem 67 Clemenz/Kreft/Krause/Clemenz, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 305 Rn. 48; in diese Richtung auch Leuschner, NJW 2016, 1222, 1223; v. Westphalen, BB 2015, 834, 837. 68 Clemenz/Kreft/Krause/Clemenz, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 305 Rn. 47. 69 Grobys, DStR 2002, 1002, 1004.

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D. Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs

Kontext noch dahinstehen.70 Denn: Finden sich für den unternehmerischen Rechtsverkehr zahlreiche Stimmen, die vor dem Hintergrund regelmäßig gegebener Verhandlungen das Absenken der Anforderungen an das Vorliegen individueller Abreden fordern,71 so geschieht es jedenfalls – worauf Habersack hinweist – „auch außerhalb des unternehmerischen Rechtsverkehrs, dass die von einer Seite eingeführten Bedingungen von der anderen Seite – bisweilen sogar unter Hinzuziehung anwaltlichen Rates – hinterfragt und zum Gegenstand von Verhandlung gemacht werden; man denke nur an Anstellungsverträge zwischen einer AG und ihren Vorstandsmitgliedern, die häufig vorformulierte und in die Verträge aller Vorstandsmitglieder der Gesellschaft eingehende Klauseln enthalten“72. Ist der Maßstab, den man bei der Abgrenzung Allgemeiner Geschäftsbedingungen von Individualabreden anlegt, im Hinblick auf die Wirksamkeit von unter Umständen anhand des AGBRechts zu messenden Vereinbarungen von besonderer Wichtigkeit, entscheidet er „mitunter über ,Sein oder Nichtsein‘“73 des AGB-rechtlichen Schutzschildes, so muss diskutiert werden, ob die Anforderungen an ein Aushandeln in bestimmten Fällen angepasst werden müssen. Konkret in Bezug auf den Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds ist daher zu ermitteln, wo die Grenze der Individualvereinbarung zu ziehen ist bzw. ob es hierbei der Anlegung spezifischer Maßstäbe bedarf. a) Die teleologische Grundlage: Sicherung der Vertragsparität als primärer Schutzzweck des AGB-Rechts Für die Auslegung eines individuellen Aushandelns i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB und damit die Konturierung des AGB-rechtlichen Schutzbereichs muss stets die Intention des Gesetzgebers bzw. der Schutzzweck des Gesetzes beachtet werden, der darin besteht, „der durch die Vorformulierung bedingten, typischen Gefährdung des Vertragsgleichgewichts entgegenzuwirken“74. Im Ausgangspunkt der Überlegung steht die verfassungsrechtlich garantierte Privatautonomie, die als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen im Rechtsverkehr gewährleistet.75 Auf der Grundlage der Privatautonomie 70

Zur ausführlichen Einordnung s. Gliederungspunkt E. III. S. nur Berger, NJW 2010, 465, 467 f.; Berger, NJW 2001, 2152 ff.; Dauner-Lieb/Axer, ZIP 2010, 309, 312 ff.; Drygala, JZ 2012, 983 ff.; Kessel/Jüttner, BB 2008, 1350 ff.; Leuschner, JZ 2010, 875 ff.; Maier-Reimer/Niemeyer, NJW 2015, 1713, 1716 f.; ebenso die zivilrechtliche Abteilung des 69. DJT, vgl. Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages, Bd. II/1: Sitzungsberichte (Referate und Beschlüsse), 2013, S. 81; zum Ganzen auch Fuchs, FS Blaurock, 2013, S. 91, 94 ff. 72 Habersack, FS Köhler, 2014, S. 209 f. 73 Habersack, FS Köhler, 2014, S. 209. 74 Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rn. 44; s. auch Fuchs, FS Blaurock, 2013, S. 91. 75 S. etwa BVerfG, Urt. v. 12. 11. 1958 – 2 BvL 4/56 u. a., BVerfGE 8, 274, 328; Urt. v. 13. 05. 1986 – 1 BvR 1542/84, BVerfGE 72, 155, 170; Beschl. v. 07. 09. 2010 – 1 BvR 2160/09, 1 BvR 851/10, NJW 2011, 1339, 1340. 71

II. Die Grenze der Individualvereinbarung

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gestalten die Vertragspartner ihre Rechtsbeziehungen eigenverantwortlich. Der Staat hat die im Rahmen der Privatautonomie getroffenen Regelungen grundsätzlich zu respektieren.76 Anerkannt ist jedoch, dass die Vertragsfreiheit nur im Falle eines annähernd ausgewogenen Kräfteverhältnisses der Partner als Mittel eines angemessenen Interessenausgleichs taugt und dass der Ausgleich gestörter Vertragsparität zu den Hauptaufgaben des geltenden Rechts gehört.77 Da Allgemeine Geschäftsbedingungen bereits – und so sagt es die Gesetzesbegründung zum AGBG – „nach der Art eines einseitigen Zustandekommens nicht dem Leitbild frei ausgehandelter Vertragsvereinbarungen entsprechen, sondern ihre rechtliche Wirksamkeit einer weitgehenden Unterwerfung der einen, regelmäßig schwächeren Seite unter die vorformulierten Bedingungen der anderen Seite verdanken“78, können sie zu einer „oft schwer erträglichen Verdrängung, bisweilen sogar elementaren Mißachtung der Grundsätze der Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit“79 zu Lasten des Vertragspartners führen. Mit anderen Worten: Die Vertragsfreiheit setzt voraus, dass sich die Parteien in einem Machtgleichgewicht befinden, das ihnen erlaubt, durch Aushandeln bestimmter Vertragsbedingungen Vertragsgerechtigkeit herzustellen. Sofern aber eine Partei durch das Einbringen vorformulierter Bedingungen einen „organisatorischen Vorsprung“80 hat, bedeutet das eine situative Überlegenheit, die mit einer Störung der Vertragsparität zu Lasten der Verwendergegenseite verbunden ist.81 Denn der Vertragspartner ist in der konkreten Vertragsabschlusssituation regelmäßig unabhängig von einer wirtschaftlichen oder intellektuellen Unterlegenheit überfordert, die Bedingungen auf ihre Angemessenheit zu überprüfen.82 Hier setzt das AGB-Recht an, das das durch die situative Unterlegenheit der Verwendergegenseite entstandene Ungleichgewicht wieder herzustellen versucht.83 Und dieser Zweck muss auch bei der Auslegung des Merkmals Aushandeln im Einzelnen i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB berücksichtigt werden.84 Ausweislich der Gesetzesbegründung und in Konsequenz zur Schutzrichtung des AGB-Rechts sollen Vereinbarungen dann nicht der Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterliegen, „[w]enn und soweit 76 BVerfG, Beschl. v. 27. 07. 2005 – 1 BvR 2501/04, NJW 2006, 596, 598; Urt. v. 07. 02. 1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, 254. 77 BVerfG, Beschl. v. 27. 07. 2005 – 1 BvR 2501/04, NJW 2006, 596, 598; Urt. v. 06. 02. 2001 – 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957, 958; Beschl. v. 19. 10. 1993 – 1 BvR 567/89 u. a., NJW 1994, 36, 38; s. auch bereits oben unter Gliederungspunkt A. 78 BT-Drucks. 7/3919, S. 9. 79 BT-Drucks. 7/3919, S. 9. 80 BT-Drucks. 7/3919, S. 13. 81 Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, Einl. BGB Rn. 5; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, Einl. Rn. 15 ff.; Fuchs, FS Blaurock, 2013, S. 91; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 495 f. 82 Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 495. 83 Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, Einl. BGB Rn. 5; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, Einl. Rn. 15 ff.; Fuchs, FS Blaurock, 2013, S. 91; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 523. 84 Hierzu Fuchs, FS Blaurock, 2013, S. 91, 95; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 523.

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D. Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs

Vereinbarungen das Ergebnis einer selbstverantwortlichen Prüfung, Abwägung und möglichen Einflußnahme beider Vertragsseiten sind“85. Für die Bestimmung der Grenze der Individualvereinbarung bedeutet das: Eine Individualvereinbarung ist anzunehmen, wenn die typische situative Unterlegenheit des Vertragspartners des Verwenders durch eine selbstverantwortliche Prüfung und mögliche Einwirkung auf die Vertragsbedingungen ausgeglichen werden kann, wenn es also zur Herstellung eines Vertragsgleichgewichts keines Eingreifens des AGB-Rechts bedarf – eben, weil ein solches Vertragsgleichgewicht bereits gegeben ist. Und dann kann – so drückt es Thüsing treffend aus – „das Ja zum Vertrag durchaus ein freies Ja sein“86, sodass es vorbehaltlich der Schranke der Gesetzes- und Sittenwidrigkeit keiner inhaltlichen Überprüfung oder gar Vertragskorrektur braucht. Legt man hiervon ausgehend die strengen Anforderungen, die die Rechtsprechung an ein individuelles Aushandeln selbst im unternehmerischen Rechtsverkehr oder bei juristischem Sachverstand des Vertragspartners stellt, zugrunde, ist die Frage aufzuwerfen, ob bestimmte Faktoren, deren Vorliegen schon auf eine vorhandene Vertragsparität hindeutet, ein Absenken der Anforderungen an das Vorliegen individueller Abreden bedingen. Konkreter: Wenn davon ausgegangen wird, dass durch die Bestimmung der Grenze der Individualabrede der „typischen Gefährdung des Vertragsgleichgewichts“87 entgegengewirkt werden soll – bzw. festgestellt werden soll, ob eine selbstverantwortliche Prüfung, Abwägung und mögliche Einflussnahme gegeben ist – dann könnte erwogen werden, die Grenze bei Verträgen, denen eine selbstverantwortliche Prüfung regelmäßig immanent ist, anzupassen. So führt etwa Pfeiffer in Bezug auf Unternehmerverträge an, die strengen Voraussetzungen seien praktisch nur dann sinnvoll anwendbar, wenn die Geschäftserfahrung, die regelmäßig auf die gleichberechtigte Aushandlung hindeuten würde, angemessen Berücksichtigung fände.88 Konkret wird daher mitunter dafür plädiert, es müsse bei Verträgen zwischen Unternehmern für die Annahme einer Individualabrede genügen, dass Verhandlungsmöglichkeiten in einer Weise eröffnet werden, dass der Vertragspartner des Verwenders seine Rechte mit zumutbarem Aufwand selbst wahrnehmen kann.89 Das aufgrund der regelmäßig gegebenen Geschäftserfahrenheit und -gewandtheit verringerte Schutzniveau im unternehmerischen Rechtsverkehr müsse also durch ein Drehen an der Stellschraube Aushandeln, mithin durch eine Verschiebung der Grenze der Individualvereinbarung, zum Ausdruck kommen.90 Dies zugrunde legend muss herausgestellt werden, ob die Überlegungen auch 85

BT-Drucks. 7/3919, S. 17. Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 17. 87 Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rn. 44. 88 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 305 BGB Rn. 39. 89 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 305 BGB Rn. 39; für ähnliche Ansätze s. Berger, NJW 2001, 2152, 2153 f.; Kessel/Jüttner, BB 2008, 1350; Lischek/Mahnken, ZIP 2007, 158, 162. 90 Ähnlich Fuchs, FS Blaurock, 2013, S. 91, 95 ff., der für eine „normzweckadäquate Konkretisierung der Voraussetzungen für das Vorliegen eines Aushandelns unter Berücksich86

II. Die Grenze der Individualvereinbarung

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bei dem Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds greifen können: Es muss also erörtert werden, ob vor dem Hintergrund einer regelmäßig gegebenen besonderen Branchen- und Geschäftserfahrenheit des (potenziellen) Vorstandsmitglieds, dem durch den Anstellungsvertrag regelmäßig eine sehr hohe Vergütung zugesichert wird, eine großzügige Betrachtungsweise geboten ist, die sich in einer von der Grundformel abweichenden Präzisierung des Merkmals Aushandeln äußert.91 b) Der historische Kontext: Rationalisierungsgedanke als maßgeblicher Ausgangspunkt Dabei müssen die strengen Anforderungen an das Vorliegen einer Individualabrede auch im Kontext der Entstehungsgeschichte des AGB-Rechts betrachtet werden: Stets bedacht werden muss, dass die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen „einem Bedürfnis der Industriegesellschaft [entspringt], die entsprechend den vielfach produzierten gleichartigen Gütern und den gleichartig angebotenen Dienstleistungen eine gleichartige und einheitliche Vertragsabwicklung […] anstrebt“92 ; denn eine einheitliche Vertragsabwicklung bringt Rationalisierungsvorteile mit sich. Der wesentliche Grund für die Entstehung von AGB lag also in der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung, die im späten 19. Jahrhundert zum Aufkommen des industriellen Massenverkehrs führte.93 Zwar lässt sich die Verwendung von AGB rein tatsächlich nicht mehr nur auf den Bereich des Massenverkehrs reduzieren; gleichwohl muss bei der Ermittlung, ob AGB oder Individualabreden vorliegen, auch der ursprüngliche Entstehungsgrund Berücksichtigung finden. Dies bedeutet, dass das Vorliegen individueller Vereinbarungen insbesondere dann fraglich erscheint, wenn der Gebrauch Allgemeiner Geschäftsbedingungen die schnelle Abwicklung des Vertrages bezwecken soll und der Kunde aufgrund der durch Zeitdruck geprägten Abschlusssituation unterlegen ist.94 Im Rahmen von Massengeschäften des täglichen Lebens erscheint das Vorliegen individueller Abreden fernliegend, sodass sich in diesen Situationen die dargestellten strengen Maßstäbe der Rechtsprechung zur Abgrenzung Allgemeiner Geschäftsbedingungen von Individualabreden eignen. Sachgerecht erscheint, dass der Vertigung besonderer Geschäftsgegenstände und typischer Vertragsabschlussmodalitäten“ entweder durch erweiternde Auslegung des Tatbestandsmerkmals oder durch teleologische Reduktion des bislang verfolgten Ansatzes zur Konkretisierung plädiert. 91 In diese Richtung Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2340. 92 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, Einl. Rn. 1; dies hat bereits die Gesetzesbegründung zum AGBG angeführt, s. BT-Drucks. 7/3919, S. 9; s. auch Ulmer/Brandner/ Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, Einl. BGB Rn. 4; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 493. 93 BT-Drucks. 7/3919, S. 9; MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, Vorb. § 305 Rn. 1 f.; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, Einl. BGB Rn. 10; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, Einl. Rn. 1.; hierzu ausführlich Pohlhausen, Zum Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen im 19. Jahrhundert, 1978. 94 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 93 f., 150.

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D. Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs

wender bestimmter Vertragsbedingungen zum Schutze des rational apathischen Kunden, etwa im Rahmen eines alltäglichen Kaufvertrags, darlegen und beweisen muss, dass „mehr als [ein] Verhandeln“95 stattgefunden hat; denn nur dann kann der Schutzzweck des Gesetzes, der Gefährdung der Vertragsparität entgegenzusteuern, durchgreifen. Handelt es sich dagegen um ein Rechtsgeschäft, bei dem der Rationalisierungsgedanke nicht greift, weil die umfassende Befassung mit einzelnen Bedingungen bereits im Vertragsgegenstand angelegt ist, so könnte eine differenzierende Betrachtungsweise geboten sein, die eine erhöhte Selbstverantwortung der Verwendergegenseite berücksichtigt.96 Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen ist zunächst festzustellen, dass der Rationalisierungsgedanke, der ursprünglich die Entstehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen entfacht hat, Anstellungsverträgen von Vorstandsmitgliedern nicht zugrunde liegt. Es handelt sich hierbei um vielschichtige Regelungen, die die Rechte und Pflichten des Vorstandsmitglieds festlegen und die sowohl für die Gesellschaft aufgrund der personalpolitischen Relevanz der Vorstandsposition als auch für das Mitglied selbst aufgrund der näheren Ausgestaltung seiner existenzsichernden Tätigkeit von besonderer Wichtigkeit sind. Daher bedarf es eben nicht der schnellen Abhandlung, sondern einer ausführlichen Auseinandersetzung mit den einzelnen Vertragsbestimmungen. Aufgrund dieser Gegebenheiten erscheint ein Bedürfnis für schnelle und effiziente Vertragsdurchsetzung, die regelmäßig die situative Unterlegenheit bedingt, jedenfalls nicht vordergründig – wichtiger ist vielmehr die detaillierte Auseinandersetzung mit einzelnen Regelungen. So kann hier die Überlegung, der Vertragspartner erkläre sich „aus Gründen der Zeitersparnis, der Rationalisierung, des Fehlens akzeptabler Gegenvorschläge oder aufgrund der Erwägung, dass der Vertragswert außer Verhältnis zur näheren Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Klausel steht“97 mit der unveränderten Übernahme der Vertragsbedingung einverstanden, nicht greifen. Dann aber – soweit eine Beschäftigung mit den Vertragsbedingungen im Rahmen eines zeitlich gestreckten Vorgangs und andauernder Verhandlungen üblich ist – könnte das Vorhandensein einer gesteigerten Selbstverantwortung erwogen werden, die eine Anpassung der Maßstäbe zur Abgrenzung der AGB von Individualabreden erfordert. Denn wenn davon ausgegangen wird, dass das Vorstandsmitglied einen Vertrag abschließt, der ihm geprägt durch die nach § 76 Abs. 1 AktG zugestandene Leitungsmacht ein hohes Maß an Selbstständigkeit einräumt und mit erheblichen wirtschaftlichen Vorteilen verbunden ist, dann liegt es nicht fern, diese gesteigerte Autonomie als eine Verringerung des Schutzniveaus – gegenüber dem Schutzniveau eines rational apathischen Vertragspartners im Massenverkehr – zu begreifen. Und das könnte auf Tatbestandsebene durch die Absenkung der Anforderungen an das Vorliegen individueller Vereinba95

St. Rspr., s. exemplarisch BGH, Urt. v. 20. 03. 2018 – X ZR 25/17, NJW 2018, 2039; Urt. v. 22. 10. 2015 – VII ZR 58/14, NZBau 2016, 213, 215; Urt. v. 22. 11. 2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856. 96 Hierzu tendierend MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 305 Rn. 37. 97 Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rn. 48.

II. Die Grenze der Individualvereinbarung

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rungen ausgedrückt werden.98 In summa ist mithin zu konstatieren, dass sich die Art des Vertrages eher schwerlich mit dem Rationalisierungsgedanken, der unter anderem dem AGB-rechtlichen Schutzkonzept zugrunde liegt, verbinden lässt. Vielmehr ist aufgrund des Inhalts und der Gegebenheiten des Vertragsabschlusses eine ausführliche Verhandlung der Bedingungen bereits im Vertragsgegenstand angelegt. Anders gesagt: Wenn dem Vorstandsmitglied eine so starke Position eingeräumt wird, dann kann man von ihm erwarten, dass es sich mit den Bedingungen seines Anstellungsvertrags kritisch auseinandersetzt und – falls erforderlich – im Rahmen von Verhandlungen auf diese einwirkt. Aus dieser Perspektive vermögen die hohen Anforderungen an das Vorliegen individueller Abreden den Schutzbogen zu überspannen. c) Individuelle Elemente: Regelmäßig gegebene Geschäftserfahrenheit und Verhandlungsstärke des Vorstandsmitglieds Damit einher geht ein zweiter, nicht minder gewichtiger Aspekt: Im Vertrag ist aufgrund seines Gegenstands nicht nur ein erhöhtes Maß an zu erwartender Selbstverantwortung angelegt, sondern man könnte eine Machtgleichheit zwischen Anstellungsgesellschaft und Vorstandsmitglied auch schon deswegen unterstellen, weil (potentielle) Vorstandsmitglieder regelmäßig eine besondere Geschäfts- und Branchenerfahrenheit aufweisen.99 Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Geschäftserfahrenheit vor dem Hintergrund der mit der eigenverantwortlichen Leitungsbefugnis i.S.v. § 76 Abs. 1 AktG korrespondierenden besonderen Verantwortung für die Gesellschaft zumeist als Voraussetzung für die Ausübung der Vorstandstätigkeit angesehen wird. Denn wer die Gepflogenheiten der Branche kennt und im optimalen Fall bereits als Vorstandsmitglied oder als Geschäftsführer einer größeren GmbH tätig geworden ist, dem wird man umso eher zutrauen, dass er die Unternehmensführung zum einen effizient, zum anderen unter Berücksichtigung der Interessen der Minderheitsgesellschafter und Stakeholder vornimmt. Auch das wird man freilich nicht immer annehmen können. Zu Recht weist Fonk darauf hin, dass der Abschluss des Anstellungsvertrags für die AG zwar zumeist Routine, für das Vorstandsmitglied aber in vielen Fällen der einzige Vertrag seines Lebens in dieser Führungsposition sein wird – und dann könne von einer Verhandlungsparität keine Rede sein.100

Ist von einer Geschäftserfahrung auszugehen, liegt es nahe, dass bestimmte, üblicherweise in Verträgen verwendete Klauseln und ihre Auswirkungen dem Vorstandsmitglied in der Regel bekannt sind; und wenn die Kenntnis üblicher Ver-

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In diese Richtung Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2340; ähnlich Seitz, FS Wegen, 2015, S. 522. 99 Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2340; Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1102; Seitz, FS Wegen, 2015, S. 522. 100 Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 79.

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D. Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs

tragsbestimmungen und ihrer Konsequenzen unterstellt werden kann, dann ergibt sich auch eine geringere Schutzbedürftigkeit. Dazu kommt, dass potenzielle Vorstandsmitglieder insbesondere bei börsennotierten AGs im Zuge des Abschlusses ihres Anstellungsvertrags zumeist anwaltlich beraten und insofern in ihrer Verhandlungsposition gestärkt werden – soweit ihnen die starke Verhandlungsposition nicht bereits aufgrund eigener Geschäftserfahrenheit und Qualifikation zukommt. Weiterhin – so wird es jedenfalls im Schrifttum behauptet – seien die Anstellungsunternehmen in der Regel nicht nur vermeintlich, sondern tatsächlich verhandlungsbereit.101 Auch die sich hieraus ergebende starke Verhandlungsposition führt also dazu, dass ein Stellen vorformulierter Vertragsbedingungen ohne Dispositionsbereitschaft des Anstellungsunternehmens mitunter als paradox wahrgenommen wird.102 d) Dennoch: Das Damoklesschwert der Rechtsunsicherheit Deuten die vorstehenden Überlegungen darauf hin, dass die strengen Maßstäbe bei Verträgen, denen ein gesteigertes Maß an Selbstverantwortung typischerweise innewohnt, nicht sachgerecht sind, so darf bei der Ermittlung des gebotenen Maßstabs für die Annahme eines Aushandlungsprozesses die Rechtssicherheit gleichwohl keine ins Gewicht fallenden Einbußen erfahren. Auch wenn sich eine Absenkung des Schutzniveaus aus den oben genannten Gründen teleologisch rechtfertigen ließe, bedarf es der Erörterung, ob vor dem Hintergrund der Rechtssicherheit und -klarheit die Verschiebung der Grenze der Individualvereinbarung überhaupt die richtige Stellschraube ist. Denn – und hier gerät die Rechtssicherheit ins Wanken: Wenn man sagt, dass die Grenze der Individualvereinbarung sich flexibel nach dem Maß an typischerweise zu erwartender Selbstverantwortung bei Abschluss eines bestimmten Vertrags richtet oder zwingend eine besondere Geschäfts- oder Branchenerfahrenheit berücksichtigen muss, dann muss diese konsequenterweise für jeden Vertragstyp neu festgelegt werden. Denn auch Kunden im Massenverkehr oder Arbeitnehmer können im Einzelfall eine besondere Geschäftserfahrung aufweisen – soll sich diese dann auch derart nachteilig für sie auswirken, dass eine erhöhte Schwelle für die Erlangung AGB-rechtlichen Schutzes erwogen wird? Weiter noch: Wenn man beim Vorstandsvertrag eine niedrigere Schwelle für das Vorliegen individueller Abreden fordert, für welche weiteren Verträge verlangt man das ebenso? Fällt der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers auch hierunter? Gilt Gleiches für Arbeitsverträge leitender Angestellter, die eine höhere Vergütung erhalten als die Arbeitnehmer im Betrieb? Und wo will man die Grenze ziehen? Mehr noch: Nicht nur bei jedem Vertragstyp müsste eine abstrakte Schutzbedürftigkeit ermittelt werden, sondern auch innerhalb des Vertragstyps würden sich – 101 Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2340; in diese Richtung auch Seitz, FS Wegen, 2015, S. 522. 102 In diese Richtung Grobys, DStR 2002, 1002, 1004.

II. Die Grenze der Individualvereinbarung

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etwa unter Berücksichtigung der Größe der AG sowie des Umfangs anwaltlicher Beratung – unterschiedliche Maßstäbe im Einzelfall ergeben. Man könnte hierzu an eine Anknüpfung an das Vertragsvolumen denken. Zu weit geht dabei freilich die Forderung Miethaners, Klauseln, die sich in Verträgen mit einem sehr hohen Vertragsvolumen (ab ca. einer Million Euro) wie beispielsweise Unternehmensverträgen finden, gänzlich der AGB-Kontrolle zu entziehen.103 Zu ähnlichen Überlegungen tendiert auch Leuschner, der am Beispiel des M&A-Vertrags aufzeigt, dass durch „schutzzweckkonforme Einschränkung des AGB-Begriffs“104 eine Inhaltskontrolle am Maßstab des AGB-Rechts vermieden werden kann, wenn die „Transaktionskosten-Vertragswert-Relation“105 als maßgeblicher Anknüpfungspunkt gewählt wird.106 Denn es sei „nicht einzusehen, weshalb Parteien, die regelmäßig von einer Vielzahl hochspezialisierter Anwälte beraten werden […], nicht in der Lage sein sollten, ihre Rechtsbeziehungen ohne staatliche Bevormundung privatautonom zu regeln“107. Die dahinter stehende Annahme, der Vertragspartner, der bei einer derart hohen Summe dem Verwender die alleinige inhaltliche Gestaltung des Vertrags gewähre, komme seiner Selbstverantwortung nicht nach, weshalb etwaige nachteilige Bedingungen zu seinen Lasten gehen müssten,108 öffnet jedoch Missbrauch Tür und Tor. Denn dann kann sich derjenige, der bei einem Vertrag mit hohem Volumen seinem Vertragspartner vorformulierte Bedingungen stellt, in Sicherheit wiegen, dass diese nicht der Schranke des AGB-Rechts unterliegen – und die Bedingungen dementsprechend mit einer höheren Gestaltungsflexibilität einseitig zu Lasten seines Vertragspartners entwerfen. Überdies vermögen auch Anknüpfungspunkte wie die vereinzelte eingebrachte „Transaktionskosten-Vertragswert-Relation“109 die Rechtsunsicherheit nicht zu beseitigen, denn auch hier stellt sich die Frage, bei welchem Vertragswert die Grenze zu ziehen ist. Die Schwäche des Konzepts ist evident: Wenn bei einem Vertragswert ab einer Million Euro der AGB-rechtliche Schutz von vornherein zu versagen sei, er jedoch bei einem Vertragswert von 999.999,99 Euro noch greife, ist das reine Willkür, die sich zu Lasten der Verwendergegenseite auswirkt. Gleichwohl basieren diese Überlegungen auf der zutreffenden Annahme, dass derartigen Verträgen ein hohes Maß an Selbstbestimmung bereits immanent ist, sodass ein Aushandlungsprozess zumeist naheliegt. Denn bei Abschluss eines Vertrages, bei dem der mit einem Aushandeln zusammenhängende zeitliche und wirtschaftliche Aufwand die rationale Apathie naturgemäß überwiegt, wird man eher annehmen, dass die Zustimmung zu den formularvertraglichen Bedingungen Aus-

103 104 105 106 107 108 109

Miethaner, NJW 2010, 3121, 3127. Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 515; ähnlich Fuchs, FS Blaurock, 2013, S. 91, 95 ff. Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 524. Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 515 ff. Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 521 f. Miethaner, NJW 2010, 3121, 3127; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 524. Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 524 f.

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D. Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs

druck einer eigenverantwortlichen Abwägung ist.110 Dies jedoch durch die Versagung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs zu lösen, erscheint missbrauchsanfällig und eine uneinheitliche Bestimmung eines Aushandelns vor dem Hintergrund erheblicher Rechtsunsicherheit nicht sachgerecht. Und auch eine Grenzanpassung an das zu erwartende Maß an Selbstverantwortung geht schon aufgrund der Vielgestaltigkeit der jeweiligen Abschlusssituationen mit rechtsunsicheren Ergebnissen einher – eine Typisierung kann hierbei nur schwerlich erreicht werden.111 e) Der Ausgleich von Informationsdefiziten als Systemkonzept des AGB-Rechts Auch unter dem Aspekt der Systemkonformität erscheint eine Anpassung der Grenze der Individualvereinbarung im geltenden AGB-Recht problematisch: So läuft die Bestimmung der Grenze der Individualvereinbarung in Orientierung an der Bedeutung des jeweiligen Vertragsgegenstandes oder einer individuellen Schutzwürdigkeit des Vertragspartners dem Ausgangspunkt der typisierten situativen Schutzbedürftigkeit zuwider. Wie bereits ausgeführt, soll das AGB-Recht dort eingreifen, wo eine Störung der Vertragsparität zu Lasten der Verwendergegenseite wegen einer durch die einseitige Vorformulierung bedingten situativen Überlegenheit des Verwenders eingetreten ist. Auf dieser Grundlage wurde bereits festgestellt, dass als notwendige Bedingung die angemessene Informationsgrundlage der Verwendergegenseite sichergestellt sein muss, um das Tor zur Individualvereinbarung zu öffnen.112 Dies gründet auf dem Schutzzweck des AGB-Rechts, eine Vertragsparität dort herzustellen, wo sie aufgrund einer Informationsasymmetrie nicht vorhanden ist. Um diesem Schutzzweck nachzugehen, ist für eine Versagung des AGBrechtlichen Anwendungsbereichs zwangsläufig erforderlich, dass der Vertragspartner des Verwenders von den Bedingungen derart Kenntnis genommen hat, dass trotz des Formulierungsvorsprungs des Verwenders von einer privatautonomen Entscheidung über das Ob und Wie einer Aufnahme in den Vertrag ausgegangen werden kann. Dies aber kann nicht anhand einer Kosten-Wert-Analyse festgestellt werden. Denn auch „ökonomische Gegebenheiten [können] schwerlich etwas darüber aussagen […], ob und inwieweit die Parteien das Klauselwerk in ihren Geschäftswillen tatsächlich aufgenommen haben“113. Das AGB-Recht stellt eben bewusst nicht auf wirtschaftliche Gegebenheiten ab und lässt „den Schutz des Kunden deshalb entfallen, weil dieser von ihm zur Verfügung stehenden und vielleicht auch zumutbaren Möglichkeiten der Informationsverschaffung und des Aushandelns […] keinen 110 So auch MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 305 Rn. 37; allgemein zum Phänomen der rationalen Apathie aus dem internationalen Schrifttum Stigler, Journal of Political Economy (69), 213 ff.; Wilkinson-Ray, Iowa Law Review 99, 1745 ff. 111 Ähnlich in Bezug auf den unternehmerischen Rechtsverkehr v. Westphalen, ZIP 2007, 149, 152. 112 S. Gliederungspunkt D. II. 1. c). 113 Habersack, FS Köhler, 2014, S. 214.

II. Die Grenze der Individualvereinbarung

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Gebrauch gemacht hat“114. Mit anderen Worten: Das AGB-rechtliche Schutzschild wird nach seiner gesetzlichen Konzeption nicht verwehrt, wenn dem Vertragspartner ein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen ist. Auch wenn aufgrund des Vertragsgegenstands Verhandlungen „lohnend“115 erscheinen, kann nicht unterstellt werden, dass die vorformulierten Klauseln wegen der hohen ökonomischen Bedeutung des Vertrags als Individualabreden anzusehen sind. Würde man so argumentieren, müssten auch Arbeitsverträge regelmäßig als Individualabreden eingeordnet werden. Denn diese sichern die wirtschaftliche Existenzgrundlage des Arbeitnehmers und bei einem derart – insbesondere auch ökonomisch – wichtigen Vertrag, der in seiner Bedeutung einen Kaufvertrag im Rahmen eines Massengeschäfts des täglichen Lebens evident übersteigt, sollte man annehmen, dass eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Bestimmungen durchaus „lohnend“ ist und zu Verhandlungen ermutigt. In einem solchen Fall aber bereits etwa in einem bloßen Zustimmen ein Aushandeln zu sehen, ist nicht nur missbrauchsanfällig, sondern auch im AGBRecht, das auf eine aus Informationsdefiziten resultierenden Unterlegenheit und nicht auf wirtschaftliche Aspekte abstellt, nicht systemstimmig. Dies wird schon deutlich anhand der Struktur der AGB-Definition i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese verzichtet auf Tatbestandsseite bewusst neben wirtschaftlichen Anknüpfungspunkten auch auf die Berücksichtigung einer intellektuellen oder sonstwie gearteten persönlichen Unterlegenheit.116 In der Fassung der AGBDefinition findet sich die Berücksichtigung solcher Differenzierungskriterien nicht. Auch wären etwa bei einem persönlichen Machtgefälle nicht nur vorformulierte Bedingungen problematisch, sondern gleichsam Individualabreden – auch auf diese hätten dann die Schutzregelungen ausgeweitet werden müssen.117 Dann aber darf man konsequenterweise, wenn man von diesem Konzept ausgeht, auch auf der anderen Seite keine persönlichen, wirtschaftlichen oder intellektuellen Differenzierungskriterien wählen, um die AGB-Definition zu formen. Vor diesem Hintergrund wäre es vielmehr nicht systemstimmig, eine besondere Geschäfts- oder Branchenerfahrenheit zur Begründung einer Individualabrede zu berücksichtigen.118 Angesichts dessen wäre eine Anpassung der Grenze der Individualvereinbarung nicht nur rechtsunsicher, sondern auch aus dem Blickwinkel der Systemkonformität verfehlt. Es bietet sich indes an, die genannten Elemente an anderer Stelle, an der das AGBRecht bewusst Spielräume auch für den Einfluss individueller Komponenten zulässt, einfließen zu lassen, um ein geringeres Schutzniveau im Einzelfall zu verdeutlichen.

114

Habersack, FS Köhler, 2014, S. 214. MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 305 Rn. 37. 116 MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, Vorb. § 305 Rn. 4 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/ Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, Einl. BGB Rn. 5; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, Einl. Rn 15; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 494. 117 So Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, Einl. BGB Rn. 47. 118 Ungeachtet dessen wird eine solche in vielen Fällen rein tatsächlich gar nicht gegeben sein, s. hierzu Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 79. 115

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D. Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs

3. Zwischenergebnis: Eine Absenkung der Anforderungen ist nicht geboten Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an ein individuelles Aushandeln stellt, sind hoch. Das gilt auch für den unternehmerischen Rechtsverkehr oder bei juristischem Sachverstand des Vertragspartners – und folglich unabhängig von einer Kategorisierung des Vorstandsvertrags als Verbraucher- bzw. Unternehmervertrag auch für diesen. Im Hinblick auf den Vertragsinhalt, der dem Vorstandsmitglied eine durch Eigenverantwortlichkeit charakterisierte Stellung einräumt, und den Vertragsabschluss, der durch üblicherweise ausgiebige Beschäftigung mit den Vertragsbedingungen zumeist unter Hinzuziehung anwaltlicher Beratung gekennzeichnet ist, mag man das als „überzogen“ erachten. Denn offensichtlich wohnt dem Vorstandsanstellungsvertrag ein gesteigertes Maß an Selbstverantwortung inne, das bereits auf eine Vertragsparität hindeutet – die das AGB-Recht durch seine Regelungen gerade herzustellen versucht. Zudem zeichnen sich potentielle Vorstandsmitglieder oftmals durch eine besondere Branchen- und Geschäftserfahrenheit aus und haben daher regelmäßig eine starke Verhandlungsposition inne. Dennoch: Würde man vor diesem Hintergrund – wie die parallele Diskussion zu Unternehmerverträgen mit ähnlichen Argumenten entflammt ist119 – beim Vorstandsvertrag als solchem ein Absenken der Anforderungen an ein individuelles Aushandeln120 und damit schon die Einschränkung des Anwendungsbereichs verlangen, würde die Rechtssicherheit bei uneinheitlicher Bestimmung dieses Tatbestandsmerkmals aufgrund einer noch stärkeren Ausweitung der ohnehin schon bestehenden Einzelfallkasuistik in erheblichem Maße leiden – ohne dass dies durch den Gewinn sachlich zutreffender Abbildung des geringeren Schutzniveaus aufgewogen werden könnte. Auch durch die Forderung der Berücksichtigung bestimmter Kriterien wie anwaltliche Beratung als Indikatoren121 oder gar als unwiderlegliche Vermutung122 für Individualabreden können keine sachgerechten Ergebnisse erzielt werden. Denn nur weil ein Vorstandsmitglied anwaltlich beraten wird, heißt das nicht, dass die Klauseln auch tatsächlich abänderbar und damit Ausdruck privatautonomer Gestaltung sind. Würde man anders urteilen, ginge damit erhöhtes Missbrauchspotenzial einher, indem Anstellungsunternehmen sichergehen könnten, dem AGB-rechtlichen Anwendungsbereich von vornherein auszuweichen, wenn ihrem Vertragspartner ein 119

S. hierzu nur Berger, NJW 2010, 465 ff.; Berger, NJW 2001, 2152 ff.; Fuchs, FS Blaurock, 2013, S. 91 ff.; Kappus, NJW 2016, 33 ff.; Kessel/Jüttner, BB 2008, 1350 ff.; MaierReimer/Niemeyer, NJW 2015, 1713, 1716 f.; Müller/Griebeler/Pfeil, BB 2009, 2658 ff.; s. auch Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages, Bd. II/1: Sitzungsberichte (Referate und Beschlüsse), 2013, S. 81. 120 Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2340; ähnlich auch Seitz, FS Wegen, 2015, S. 522; für eine generelle „schutzzweckkonforme Reinterpretation“ ohne Anknüpfung an die Kategorien Verbraucher- und Unternehmervertrag Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 523 ff., der die Transaktionskosten-Vertragswert-Relation als Differenzierungsmerkmal vorsieht. 121 In diese Richtung Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1100. 122 Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 524; a.A. Oetker, FS Buchner, 2009, S. 701 f.

II. Die Grenze der Individualvereinbarung

77

Anwalt zur Seite steht. Dann aber bestünde die Gefahr, dass nachteilige Regelungen Bestand hätten, die zwar noch nicht die allgemeinen Grenzen der Sittenwidrigkeit überschreiten, gleichwohl aber bei Eingreifen des AGB-Rechts als unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB anzusehen und damit unwirksam wären. Die Berücksichtigung von Gegebenheiten wie einer vorhandenen Geschäftserfahrenheit bzw. einer starken Verhandlungsposition im Rahmen der AGB-Definition erscheint überdies im Kontext des allgemeinen Konzepts des AGB-Rechts, das seinen Schutz bewusst nicht vom Vorliegen eines persönlichen Machtungleichgewichts abhängig macht, systemwidrig. Um diese Elemente bei der Beurteilung der Angemessenheit bestimmter Regelungen zu berücksichtigen, bieten sich vielmehr andere Anknüpfungspunkte an, die bereits dem Konzept des AGB-Rechts nach ausfüllungsbedürftige Spielräume eröffnen. Eine Modifikation des Maßstabs i.R.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB ist dagegen nicht angezeigt.123 Da es sich beim Vorstandsvertrag zudem ohnehin um einen Verbrauchervertrag handelt – insofern ein Vorgriff zu den nachstehenden Ausführungen124 –, ist eine Erörterung der Problematik, ob bei Unternehmerverträgen abweichende Grundsätze gelten müssen, für diese Arbeit nicht zielführend. Für den Vorstandsvertrag bleibt es bei den hohen Hürden, die die Rechtsprechung aufgestellt hat, mit der Konsequenz, dass vorformulierte Vertragsbedingungen regelmäßig nach den Maßstäben des AGB-Rechts zu beurteilen sind.

123 So auch Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 22; in diese Richtung ebenfalls Oetker, FS Buchner, 2009, S. 701 f.; a.A. Fuchs, FS Blaurock, 2013, S. 91, 95 ff. 124 S. sogleich unter Gliederungspunkt E. III.

E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen: Vorstandsmitglieder als Verbraucher? Indes beanspruchen nicht alle AGB-rechtlichen Bestimmungen in jeder Konstellation Geltung: So nimmt § 310 Abs. 1 S. 1 BGB insofern eine Einschränkung vor, als die Regelungen §§ 305 Abs. 2 und 3, 308 Nr. 1, 2 bis 8 und 309 BGB ausdrücklich keine Anwendung finden sollen auf „Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden“. Sofern sich auf der Verwendergegenseite ein Unternehmer befindet, besteht aufgrund der Schnelllebigkeit unternehmerischen Rechtsverkehrs ein Bedürfnis nach einem höheren Maß an Flexibilität, was einen Ausschluss der Einbeziehungsvorschriften § 305 Abs. 2 und 3 BGB rechtfertigt.1 Auch äußert sich das verringerte Schutzniveau in einer Reduktion der Kontrolldichte, indem keine Überprüfung anhand der Klauselverbote §§ 308 Nr. 1, 2 bis 8, 309 BGB stattfindet. Da dem Unternehmer Schutz durch die Generalklausel des § 307 BGB zukommt und bei dessen Ausfüllung die Wertungen der §§ 308, 309 BGB berücksichtigt werden,2 ergibt sich faktisch jedoch eine ähnliche Schutzebene. Relevant ist zudem die Sonderregelung des § 310 Abs. 3 Nr. 1 – 3 BGB, die Modifikationen für Verbraucherverträge anordnet.3 Der Hintergrund der Vorschrift hat europarechtlichen Bezug: Durch § 310 Abs. 3 BGB wird die Richtlinie 93/13/ EWG des Rates vom 05. 04. 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen umgesetzt, weshalb bei AGB-Vorschriften mit Verbraucherbezug stets die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung besteht.4 Diese Pflicht bezieht sich nicht nur auf § 310 Abs. 3 BGB, sondern auf alle Normen des AGB-Rechts, soweit diese Anwendung auf Verbraucherverträge i.S.v. Art. 1 Abs. 1 RL 93/13/EWG finden; sie hat damit auch im Rahmen der Angemessenheitskontrolle Relevanz.5 Anders als die Richtlinie 93/13/EWG erschöpft sich das im BGB geregelte AGB-Recht zwar nicht 1

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 1 BGB Rn. 3. BGH, Urt. v. 10. 09. 2014 – XII ZR 56/11, NJW 2014, 3722, 3726, Rn. 32; Urt. v. 19. 06. 2013 – VIII ZR 183/12, NZV 2014, 120, 121, Rn. 30; Urt. v. 19. 09. 2007 – VIII ZR 141/06, NJW 2007, 3774, 3775, Rn. 11 ff.; Urt. v. 19. 01. 1984 – VII ZR 220/82, NJW 1984, 1350, 1351; MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 310 Rn. 11 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, 12. Aufl. 2016, § 310 BGB Rn. 27; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 1 BGB Rn. 3; Leuschner, NJW 2016, 1222, 1223. 3 Hierzu ausführlich unter Gliederungspunkt E. IV. 4 MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 310 Rn. 49. 5 EuGH, Urt. v. 13. 11. 1990 – C-106/89, BeckRS 2004, 74075 (Marleasing); s. hierzu auch MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, Vor § 305 Rn. 35. 2

I. Der Begriff des Verbrauchervertrags

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in einem bloßen Verbraucherschutzrecht.6 Aufgrund der Modifikation der AGBKontrolle bei Verbraucherverträgen, auf deren spezifische Auswirkungen noch einzugehen sein wird,7 bedarf der Begriff des Verbrauchervertrags aber zwingend näherer Betrachtung. Konkreter: Herausgestellt werden muss, ob Anstellungsverträge von Vorstandsmitgliedern als Verbraucherverträge zu qualifizieren sind, um die Wirksamkeitsanforderungen präzisieren zu können.

I. Der Begriff des Verbrauchervertrags § 310 Abs. 3 BGB definiert den Verbrauchervertrag als einen Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Der Begriff des Verbrauchers ist in § 13 BGB als „jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können“ legaldefiniert. Das Gegenstück bildet die Unternehmereigenschaft i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB, die dann vorliegt, wenn die natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft „bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt“. Entscheidend für die Annahme eines Verbraucherhandelns ist also die überwiegende private Zweckbestimmung des konkreten Vertrages, wobei auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist. Spätere Änderungen der Zwecksetzung finden keine Berücksichtigung.8 Die Einteilung in Verbraucher und Unternehmer dient dabei „nicht der Kategorisierung von Rechtssubjekten, sondern der Unterscheidung der Verbrauchergeschäfte von den Nicht-Verbrauchergeschäften“9, sodass dasselbe Rechtssubjekt je nach Art des konkreten Vertrages heute als Verbraucher und morgen als Unternehmer erscheinen kann.10 Sofern im Rahmen dieser Arbeit vom Verbraucherstatus oder der Verbrauchereigenschaft gesprochen wird, bedeutet dies mithin keine absolute, personale Zuordnung eines Rechtssubjekts, sondern die Begrifflichkeit bezieht sich stets auf die Rolle des Rechtssubjekts im konkreten Vertrag. Da die AG als Handelsgesellschaft gemäß § 3 Abs. 1 AktG fraglos als Unternehmerin zu qualifizieren ist,11 setzt das Vorliegen eines Verbrauchervertrags voraus, dass Vorstandsmitglieder bei Abschluss ihres Dienstvertrags Verbraucher sind. Die vorzunehmende Prüfung erfordert in einem ersten Schritt eine

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Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 1 BGB Rn. 1. S. hierzu ausführlich Gliederungspunkt E. IV. 8 BGH, Urt. v. 27. 06. 2000 – XI ZR 322/98, NJW 2000, 3496, 3497 f.; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 3 BGB Rn. 7. 9 Schmidt, JuS 2006, 1; zustimmend Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 719; in eine ähnliche Richtung Herresthal, ZIP 2014, 345, 349. 10 Schmidt, JuS 2006, 1; s. hierzu auch Bülow/Artz/Bülow, Verbraucherkreditrecht, 10. Aufl. 2019, Einf. Rn. 42. 11 S. nur Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 1 BGB Rn. 8. 7

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

Definition der entscheidenden Merkmale – der gewerblichen und der selbständigen beruflichen Tätigkeit. 1. Gewerbliche Tätigkeit Für das Merkmal der gewerblichen Tätigkeit ist vom Gewerbebegriff i.S.v. § 1 Abs. 2 HGB auszugehen.12 Danach ist Gewerbe jede planvolle, auf eine gewisse Dauer angelegte, selbständige, auf Gewinnerzielung ausgerichtete, nicht verbotene Tätigkeit.13 Anerkannt ist, dass die Verwaltung eigenen Vermögens grundsätzlich nicht hierunter fällt.14 Ob eine Vermögensverwaltung privat ist oder berufsmäßig betrieben wird, wird anhand des Umfangs der mit ihr zusammenhängenden Geschäfte beurteilt. Ergibt sich aus diesem Umfang, dass ein planmäßiger Geschäftsbetrieb – also etwa die Einrichtung eines Büros – erforderlich ist, ist eine gewerbliche Tätigkeit anzunehmen. Es kommt mithin auf den organisatorischen Aufwand der konkreten Verwaltung an, also ob dieser sich als planmäßiger Geschäftsbetrieb darstellt und daher auf eine gewerbliche Vermögensverwaltung schließen lässt.15 Vor diesem Hintergrund wird die private Vermögensverwaltung regelmäßig auch dann nicht angenommen, wenn es sich um eine „Anlage beträchtlichen Kapitals“16 handelt. Denn selbst wenn bei einer Anlage in Aktien oder festverzinslichen Wertpapieren große Kapitalbeträge verwaltet werden, geht dies regelmäßig nicht mit einem hohen organisatorischen und zeitlichen Aufwand einher.17 Auf dieser Basis wird man auch eine Mehrheits- oder Alleinbeteiligung eines Leitungsorgans oftmals schon nicht als gewerbliche Tätigkeit einordnen dürfen – unabhängig davon, dass bereits mangels planvoller, auf Gewinnerzielung ausgerichteter Tätigkeit bei einem Anstellungsverhältnis kein Gewerbe gegeben sein wird.

12 MüKoBGB/Micklitz, 8. Aufl. 2018, § 14 BGB Rn. 19; a.A. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 1 BGB Rn. 9. 13 BeckOK-BGB/Bamberger, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 14 Rn. 14. 14 BGH, Urt. v. 30. 03. 2017 – VII ZR 269/15, NJW 2017, 2752, 2755, Rn. 33; Urt. v. 25. 03. 2015 – VIII ZR 243/13, DNotZ 2016, 32, 39, Rn. 50; Urt. v. 23. 10. 2001 – XI ZR 63/01, BKR 2002, 26, 28; MüKoBGB/Micklitz, 8. Aufl. 2018, § 14 Rn. 20; Palandt/Ellenberger, 79. Aufl. 2020, § 14 BGB Rn. 2; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 1 BGB Rn. 9; Schmidt, JuS 2006, 1, 3. 15 BGH, Urt. v. 23. 10. 2001 – XI ZR 63/01, BKR 2002, 26, 28; Urt. v. 23. 09. 1992 – IV ZR 196/91, NJW 1992, 3242; OLG Hamm, Urt. v. 11. 11. 2015 – I-12 U 34/15, NZBau 2016, 362, 364, Rn. 56; Palandt/Ellenberger, 79. Aufl. 2020, § 14 BGB Rn. 2. 16 BGH, Urt. v. 23. 10. 2001 – XI ZR 63/01, BKR 2002, 26, 28; s. hierzu auch BGH, Urt. v. 23. 09. 1992 – IV ZR 196/91, NJW 1992, 3242; ähnlich Schmidt, JuS 2006, 1, 3. 17 BGH, Urt. v. 23. 10. 2001 – XI ZR 63/01, BKR 2002, 26, 28; Urt. v. 23. 09. 1992 – IV ZR 196/91, NJW 1992, 3242.

I. Der Begriff des Verbrauchervertrags

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2. Selbständige berufliche Tätigkeit Als zweite Zweckbestimmung, die das Vorliegen eines Verbrauchergeschäfts ausschließt, ist die selbständige berufliche Tätigkeit des Vertragspartners zu nennen. Dieses Kriterium wurde wort- und inhaltsgleich aus § 24 AGBG a.F. übernommen und sollte die Herausnahme der freien Berufe aus dem Verbraucherstatus bezwecken.18 Ist das Merkmal des Berufs, das in Kongruenz zu Art. 12 Abs. 1 GG „jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage“19 erfasst, unzweifelhaft beim Vorstandsdienstvertrag erfüllt, geht es vorwiegend um die Frage, wann denn eine berufliche Tätigkeit selbständig ist. Evident ist zunächst: Das Kriterium der Selbständigkeit bildet jedenfalls einen Kontrast zur Unselbständigkeit des Arbeitnehmers. Während den Arbeitnehmer gemäß § 611a BGB charakterisiert, dass er weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit ausführt, zeichnet sich die Selbständigkeit durch umfassende Weisungsfreiheit aus. In einem Umkehrschluss zu § 611a Abs. 1 S. 2 BGB, wonach das Weisungsrecht in inhaltlicher, zeitlicher und örtlicher Hinsicht sowie die Durchführung betreffend bestehen kann, ist weisungsfrei, wer seine Tätigkeit in Bezug auf Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort im Wesentlichen frei gestalten kann. Damit ist nicht selbständig, wer nach dieser Definition als Arbeitnehmer einzuordnen ist. Dennoch ist Vorsicht bei der Vornahme eines Umkehrschlusses geboten; nur weil der Arbeitnehmer sich durch Unselbständigkeit auszeichnet und daher bei Abschluss seines Arbeitsvertrags als Verbraucher i.S.v. § 13 BGB anzusehen ist,20 ist nicht e contrario zu folgern, dass derjenige Unternehmer ist, der nicht wie ein Arbeitnehmer persönlich abhängig ist.21 Denn die Unselbständigkeit des Arbeitnehmers wird unter dem Aspekt sozialer Schutzbedürftigkeit beurteilt, der § 13 BGB nicht zugrundeliegt. Im Gegenteil richtet sich die Bestimmung der Selbständigkeit hier nach spezifisch verbraucherschutzrechtlichen Gesichtspunkten, sodass auch derjenige Verbraucher sein kann, der nicht als unselbständig i.S.d. Arbeitnehmerbegriffs einzuordnen ist. Weniger relevant – wenngleich als eines von mehreren Indizien heranziehbar – für die Bestimmung des Verbraucherbegriffs ist damit die persönliche Abhängigkeit, die in den meisten Verbrauchergeschäften freilich ohnehin nicht gegeben sein wird. Viel entscheidender für die Annahme unternehmerischen Tätigwerdens i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB ist aber, dass in Bezug auf das konkrete Rechtsgeschäft die unternehmerische Initiative ausgeübt und das unternehmerische Risiko getragen wird. Dies bedeutet, dass es darauf ankommt, ob die berufliche Tätigkeit in eigenem Namen, auf 18

MüKoBGB/Micklitz, 8. Aufl. 2018, § 14 Rn. 31. BVerfG, Beschl. v. 12. 01. 2016 – 1 BvR 3102/13, NJW 2016, 930, 931, Rn. 34; Beschl. v. 08. 06. 2010 – 1 BvR 2011, 2959/07, NVwZ 2010, 1212, 1214, Rn 85. 20 BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 2006 – 1 BvR 1909/06, NJW 2007, 286, 287; BAG, Urt. v. 25. 05. 2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 3305, 3308; MüKoBGB/Micklitz, 8. Aufl. 2018, § 13 Rn. 58; Däubler, NZA 2001, 1329, 1333 f.; Herbert/Oberrath, NJW 2005, 3745. 21 S. hierzu ausführlich Gliederungspunkt E. III. 3. c). 19

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

eigene Rechnung und im eigenen Verantwortungsbereich wahrgenommen wird und die Person das wirtschaftliche Risiko ihres Handelns unmittelbar selbst trifft.22 Dies ergibt sich schon aus einer teleologischen Perspektive: Verbraucher sollen aus dem Gedanken struktureller Unterlegenheit, das heißt, Unterlegenheit infolge geringerer Fachkenntnis oder Erfahrung im Kontext privater Rechtsgeschäfte geschützt werden. Andersherum muss der Schutz entfallen, wenn besondere Fachkenntnis oder Erfahrung und hieraus resultierende Eigenverantwortlichkeit bestehen, die sich in der Fähigkeit, autonom unternehmerisch zu handeln, und dem bewussten Tragen wirtschaftlicher Folgen als Konsequenz des eigenen Handelns äußern. Konsequenterweise muss mithin bei der Bestimmung der selbständigen beruflichen Tätigkeit die Eigenverantwortlichkeit im Vordergrund stehen, sodass der Abschluss von Rechtsgeschäften dann nicht als Verbraucherhandeln einzuordnen ist, wenn kontextual von eigennützigem Handeln im eigenen unternehmerischen Verantwortungsbereich auszugehen ist.23 3. Ein kurzer Pendelblick: Die Vorgabe von Minimalschutzstandards durch das Unionsrecht Zu beachten ist, dass auf europäischer Ebene in Art. 2 Abs. 1 lit. b) RL 93/13/ EWG in teilweise abweichender Definition ebenfalls auf den Begriff des Verbrauchers abgestellt wird. Zwar entfalten Richtlinien keine unmittelbare Wirkung gegenüber dem Bürger, sodass ein direkter Rückgriff auf den unionsrechtlichen Verbraucherbegriff insoweit nicht vorgenommen werden kann. Die Mitgliedstaaten sind aber auf der Grundlage des effet utile verpflichtet, die effektive Durchsetzung unionsrechtlicher Vorgaben zu gewährleisten.24 Dies beinhaltet die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung einer geschaffenen nationalen Regelung.25 Vor diesem Hintergrund kann der europäische Gesetzgeber Mindestvoraussetzungen formulieren, die bei der Auslegung des korrespondierenden nationalen Begriffs zwingend beachtet werden müssen. Konkret bedeutet dies: Sollte dem Verbraucherbegriff i.S.d. Richtlinie 93/13/EWG ein weites Verständnis zugrundeliegen, müsste ein solches auch im nationalen Recht Beachtung finden. Zur Feststellung des europäisch vorgegebenen Mindeststandards bedarf damit es eines kurzen Orientierungsblicks auf den Verbraucherbegriff der Richtlinie.

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BAG, Urt. v. 19. 05. 2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939, 940, Rn. 23; Clemenz/Kreft/ Krause/Kreft, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 310 Rn. 19a; s. auch Mülbert, FS Goette, 2011, S. 338; Mülbert, FS Hadding, 2004, S. 578; Poelzig, NZG 2020, 41, 46. 23 Ähnlich Oetker, FS Buchner, 2009, S. 697. 24 EuGH, Urt. v. 13. 06. 1996 – C-36/94, Slg. 1995, I-3573, Rn. 20 ff. (Siesse); Urt. v. 08. 06. 1994 – C-383/92, Slg. 1994, I-2479, Rn. 40 (Kommission/Großbritannien); MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, Vor § 305 Rn. 34; Streinz/W. Schroeder, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 288 AEUV Rn. 85. 25 MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, Vor § 305 Rn. 34.

I. Der Begriff des Verbrauchervertrags

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Das Unionsrecht legt einen funktionalen Verbraucherbegriff zugrunde, der keine Verankerung im Primärrecht findet.26 Seine europäisch-autonome Bestimmung ist vielmehr von dem spezifischen Schutzniveau sowie dem Schutzzweck des betreffenden Rechtsaktes abhängig und findet sich in zahlreichen Regelungen des europäischen Zivil-, Kollisions- und Wirtschaftsrechts.27 Ausgangspunkt ist aber – und hierin liegen die Gemeinsamkeiten – stets die situativ-typisierte Schutzbedürftigkeit. Abgestellt wird also auf eine typisierte Unterlegenheit, die „nicht an der konkreten Schutzbedürftigkeit ansetzt, sondern an rollenbezogenen typisierten Vorgängen, die die Schutzbedürftigkeit auslösen“28. Dies kommt in der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen insoweit zum Ausdruck, als sich der Verbraucher „gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können“29. Auf Basis dieser Erwägungen – die insofern mit dem Schutzkonzept des AGB-Rechts weitgehend übereinstimmen30 – wurde in Art. 2 Abs. 1 lit. b) RL 93/13/EWG die Definition des Verbraucherbegriffs vorgenommen. Danach ist Verbraucher „eine natürliche Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann“. Als Gegenbegriff ist Gewerbebetreibender gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. c) RL 93/13/EWG „eine natürliche oder juristische Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, auch wenn diese dem öffentlich-rechtlichen Bereich zuzurechnen ist.“ Schon anhand des Wortlautes wird deutlich, dass der Unionsgesetzgeber bei dem Begriff des Gewerbebetreibenden von einem weiten Anwendungsbereich ausgeht.31 Die Fassung des Verbraucherbegriffs ist dagegen eng: Nur natürliche, nicht aber juristische Personen fallen unter den Anwendungsbereich. Überdies differenziert das Merkmal „beruflich“ nicht zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit, sodass alle Tätigkeiten im beruflichen Kontext vom Verbraucherstatus ausgenommen sind. So sind etwa Freiberufler, aber auch Arbeitnehmer nicht als Verbraucher anzusehen.32 Fällt sowohl die selbständige als auch die unselbständige berufliche Tätigkeit nicht unter den 26 EuGH, Urt. v. 17. 05. 2018 – C-147/16, EuZW 2018, 545, 548, Rn. 55 (Karel de GroteHogenschool/Kuijpers); Kellermann, JA 2005, 546. 27 Streinz/Lurger, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 169 AEUV Rn. 12. 28 MüKoBGB/Micklitz, 8. Aufl. 2018, § 13 Rn. 3. 29 S. beispielhaft EuGH, Urt. v. 14. 06. 2012 – C-618/10, NJW 2012, 2257, 2258, Rn. 39 (Banco Espanol); Urt. v. 30. 05. 2013 – C-488/11, EuZW 2013, 596, 597, Rn. 31 (Dirk Frederik Asbeek Brusse u. a./Jahani BV). 30 S. hierzu ausführlich Gliederungspunkt D. II. 2. a) und e). 31 EuGH, Urt. v. 17. 05. 2018 – C-147/16, EuZW 2018, 545, 548, Rn. 48 (Karel de GroteHogenschool/Kuijpers); Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, Art. 2 RL Rn. 7. 32 Clemenz/Kreft/Krause/Kreft, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 310 Rn. 15; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, Art. 2 RL Rn. 7; Schwab/Hromek, JZ 2015, 271, 272; a.A. MüKoBGB/Micklitz, 8. Aufl. 2018, § 14 Rn. 32; Faber, ZEuP 1998, 854, 871 ff.

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

Verbraucherbegriff, so wird deutlich, dass das Vorstandsmitglied bei Abschluss seines Anstellungsvertrags dem bloßen Wortlaut nach nicht unter die enge Definition des Art. 2 Abs. 1 lit. b) RL 93/13/EWG subsumiert werden könnte. Denn der Dienstvertrag, der mit der Gesellschaft abgeschlossen wird, dient zweifelsohne der beruflichen Tätigkeit des Vorstandsmitglieds; unerheblich ist dabei, ob man eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit annimmt. Jedoch kann der nationale Gesetzgeber im Wege sog. „überschießender Umsetzung“ einen höheren Schutzstandard als den von der Richtlinie vorausgesetzten vorsehen.33 Art. 8 RL 93/13/EWG ordnet dies ausdrücklich an; hiernach ist eine Abweichung des nationalen Gesetzgebers zugunsten des Verbrauchers „nach oben“ möglich.34 Das bedeutet, dass der europäische Verbraucherbegriff das zwingende Minimum vorgibt, das durch die Möglichkeit einer Ausweitung auf nationaler Ebene ergänzt wird.35 Hiermit steht § 13 BGB in Einklang, der die unselbständige berufliche Tätigkeit ausweislich und über den europäischen Schutzstandard hinaus als Verbraucherhandeln einstuft.

II. Ein Orientierungspunkt: Der GmbH-Geschäftsführer als Verbraucher Im Rahmen eines ersten Anhaltspunktes zur Feststellung, ob der Vorstandsvertrag einen Verbrauchervertrag darstellt, erscheint zunächst ein Blick auf den GmbHGeschäftsführer lohnend, bei dem die Diskussion der Verbrauchereigenschaft sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur bislang deutlich stärkere Beachtung gefunden hat.36 Zwar mögen Erwägungen zur Einordnung des GmbH-Geschäftsführers als Verbraucher oder Unternehmer schon vor dem Hintergrund evidenter Stukturunterschiede der Organe nicht automatisch auf die Einordnung des Vorstandsmitglieds übertragbar sein.37 Eine Übertragung der Überlegungen kann aber jedenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn die Überlegungen das Anstellungsverhältnis betreffen – und sich nicht als Besonderheiten eines GmbH- bzw. aktienrechtlichen Einschlags darstellen. Dies berücksichtigend ist zuerst die Verbrauchereigenschaft des GmbH-Geschäftsführers bei Abschluss seines Anstellungsvertrags zu diskutieren, um im Anschluss die Frage nach einer Vergleichbarkeit mit der Situation des Vorstandsmitglieds erörtern zu können. 33

Habersack/Mayer, JZ 1999, 913; Kuhn, EuR 2015, 216 ff.; Mittwoch, JuS 2017, 296. Clemenz/Kreft/Krause/Kreft, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 310 Rn. 15; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, Art. 8 RL 93/13/EWG Rn. 8; Mittwoch, JuS 2017, 296; Schwab/Hromek, JZ 2015, 271, 272; v. Westphalen, BB 2015, 834, 836. 35 Sog. mindestharmonisierende Richtlinie, hierzu MüKoBGB/Micklitz, 8. Aufl. 2018, § 13 Rn. 2; Unger, ZEuP 2012, 270, 276. 36 S. hierzu ausführlich Gliederungspunkt E. II. 1. und 2. 37 S. hierzu bereits Gliederungspunkt A. III. 2. 34

II. Orientierungspunkt: Der GmbH-Geschäftsführer als Verbraucher

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1. Der Status quo in der höchstinstanzlichen Rechtsprechung Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist der GmbH-Geschäftsführer bei Maßnahmen für seine GmbH, beispielsweise wenn er im Rahmen eines Schuldbeitritts als Sicherungsgeber für Darlehensverträge seiner Gesellschaft agiert, als Verbraucher tätig: In Bezug auf Kreditgeschäfte i.S.d. ehemals geltenden VerbrKrG, dessen Regelungen nunmehr in den §§ 491 ff. BGB kodifiziert sind, haben zwei Zivilsenate des BGH festgestellt, dass der GmbH-Geschäftsführer, wenn er im Zusammenhang mit seiner Geschäftsführertätigkeit handelt, keine gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit ausübt. Eine gewerbliche Tätigkeit sei offensichtlich nicht gegeben.38 Aber auch eine selbständige berufliche Tätigkeit liege nicht vor; vielmehr handele es sich um eine angestellte berufliche Tätigkeit.39 Das gelte sowohl für Fremdgeschäftsführer als auch für Geschäftsführer, die selbst Gesellschafter seien. Das Halten eigener Anteile falle bei der Einordnung nicht ins Gewicht, denn dies stelle eine bloße Vermögensverwaltung dar.40 Diese Grundsätze gälten auch dann, wenn der GmbH-Geschäftsführer Mehrheitsgesellschafter und Alleingeschäftsführer sei, Hauptgesellschafter und Mitgeschäftsführer41 und selbst dann, wenn der GmbH-Geschäftsführer zugleich Alleingesellschafter sei.42 Eine ausführliche Begründung unterblieb allerdings in den älteren Urteilen zunächst;43 erst in einer Entscheidung aus dem Jahre 2005, in der der BGH feststellte, dass selbst ein geschäftsführender Alleingesellschafter weder Kaufmann i.S.v. § 1 HGB noch Unternehmer i.S.v. § 14 BGB sei, fanden sich ausführlichere Erläuterungen: Der Gerichtshof verwies darauf, dass der Geschäftsführer nicht für den eigenen Betrieb, sondern allein für die GmbH tätig werde. Zwar treffe es zu, dass jedenfalls der geschäftsführende Alleingesellschafter das von der GmbH betriebene Unternehmen in der Regel genauso beherrschen und führen könne wie ein Kaufmann sein Handelsgeschäft; auch orientiere sich die Geschäftsführertätigkeit an kaufmännischen 38 BGH, Urt. v. 24. 07. 2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673, 1675; Urt. v. 08. 11. 2005 – XI ZR 34/05, NJW 2006, 431, 432; Urt. v. 25. 02. 1997 – XI ZR 49/96, NJW 1997, 1443, 1444; Urt. v. 10. 07. 1996 – VIII ZR 213/95, NJW 1996, 2865, 2866; Urt. v. 05. 06. 1996 – VIII ZR 151/ 95, NJW 1996, 2156, 2158. 39 BGH, Urt. v. 15. 07. 2004 – III ZR 315/03, NJW 2004, 3039, 3040; Urt. v. 10. 07. 1996 – VIII ZR 213/95, NJW 1996, 2865, 2866; Urt. v. 05. 06. 1996 – VIII ZR 151/95, NJW 1996, 2156, 2158. 40 BGH, Urt. v. 24. 07. 2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673, 1675; Urt. v. 08. 11. 2005 – XI ZR 34/05, NJW 2006, 431, 432; Urt. v. 25. 02. 1997 – XI ZR 49/96, NJW 1997, 1443, 1444; Urt. v. 10. 07. 1996 – VIII ZR 213/95, NJW 1996, 2865, 2866; Urt. v. 05. 06. 1996 – VIII ZR 151/ 95, NJW 1996, 2156, 2158; hierzu Müller, FS Nobbe, 2009, S. 415 f. 41 BGH, Urt. v. 08. 11. 2005 – XI ZR 34/05, NJW 2006, 431, 432, Rn. 14; Urt. v. 10. 07. 1996 – VIII ZR 213/95, NJW 1996, 2865, 2866. 42 BGH, Urt. v. 24. 07. 2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673, Rn. 18; Urt. v. 08. 11. 2005 – XI ZR 34/05, NJW 2006, 431, 432, Rn. 14. 43 So etwa in BGH, Urt. v. 28. 06. 2000 – VIII ZR 240/99, NJW 2000, 3133; Urt. v. 25. 02. 1997 – XI ZR 49/96, NJW 1997, 1443, 1444; Urt. v. 05. 06. 1996 – VIII ZR 151/95, NJW 1996, 2156, 2158.

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

Gepflogenheiten, sodass der Rechtsverkehr den GmbH-Geschäftsführer und den Kaufmann i.S.d. HGB im Allgemeinen gleich behandele.44 Jedoch sei auch ein Charakteristikum des Kaufmanns, dass „er für die unter seiner Geschäftsleitung begründeten Betriebsschulden persönlich mit seinem ganzen Privatvermögen haftet. Dies ist mit ein Grund dafür, dass das Gesetz den Kaufleuten bei bestimmten Handelsgeschäften mit Nichtkaufleuten rechtliche Vorteile einräumt. Gemäß § 13 GmbHG gilt das Prinzip von Unternehmensleitung und persönlicher Haftung aber nicht einmal für geschäftsführende Alleingesellschafter einer GmbH“45. Ohne es ausdrücklich so zu benennen, stellt der BGH mithin als maßgebliches Kriterium darauf ab, dass ein GmbH-Geschäftsführer das Unternehmerrisiko nicht selbst trägt, da den Gläubigern ausschließlich das Gesellschaftsvermögen als Haftungsmasse zur Verfügung steht und diese nicht auf sein Privatvermögen zugreifen können. Selbständig i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB könne er dann nicht sein. Bestand damit eine höchstrichterliche Linie zweier Zivilsenate des BGH in Bezug auf Geschäftsführungsmaßnahmen des GmbH-Geschäftsführers, so stellte erstmals der 5. Senat des BAG im Jahre 2010 klar, dass der GmbH-Geschäftsführer ohne Leitungsmacht den Verbraucherstatus auch bei Abschluss seines Anstellungsvertrags aufweise.46 Wie der BGH stützt sich das BAG dabei auf das Fehlen persönlicher Haftung: Indem der Geschäftsführer im Dienste der GmbH handele, trage eben nicht er, sondern die Gesellschaft das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit unmittelbar.47 Zudem argumentiert das BAG mit der Organstellung, namentlich, dass der GmbHGeschäftsführer im Innenverhältnis gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG den Weisungen der Gesellschafter unterliege; vor dem Hintergrund der Weisungsgebundenheit könne kein selbständiges Handeln angenommen werden.48 Allerdings beschränkt das BAG seine Äußerungen auf den Geschäftsführer, der nicht gleichzeitig als Gesellschafter mindestens über eine Sperrminorität verfügt. Ob indes derjenige Geschäftsführer, der über eine Sperrminorität verfügt oder sogar Mehrheitsgesellschafter ist und insofern weitreichenden Einfluss auf die Leitung der Gesellschaft nehmen kann, Verbraucher sein kann, hat das BAG damit offengelassen. 2. Meinungsstand im Schrifttum Hat das Urteil des BAG aus dem Jahre 2010 jedenfalls zu höchstinstanzlicher Klärung der Frage geführt, ob der Fremdgeschäftsführer oder der GesellschafterGeschäftsführer ohne Sperrminorität bei Abschluss seines Anstellungsvertrags als Verbraucher anzusehen ist, so bestehen im Schrifttum noch immer differenzierende Ansichten. 44 45 46 47 48

BGH, Urt. v. 08. 11. 2005 – XI ZR 34/05, NJW 2006, 431, 432, Rn. 17. BGH, Urt. v. 08. 11. 2005 – XI ZR 34/05, NJW 2006, 431, 432, Rn. 17. BAG, Urt. v. 19. 05. 2010 – 5 AZR 253/09, NJW 2010, 2827, 2829, Rn. 23. BAG, Urt. v. 19. 05. 2010 – 5 AZR 253/09, NJW 2010, 2827, 2829, Rn. 23. BAG, Urt. v. 19. 05. 2010 – 5 AZR 253/09, NJW 2010, 2827, 2829, Rn. 23.

II. Orientierungspunkt: Der GmbH-Geschäftsführer als Verbraucher

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Eine verbreitete Meinung in der Literatur erachtet den GmbH-Geschäftsführer unter Nennung der von der Rechtsprechung angeführten Argumente zwar unabhängig von seiner Beteiligungshöhe als Verbraucher.49 Der wohl überwiegende Teil des Schrifttums wendet sich jedoch vehement gegen die Annahme eines Verbrauchervertrags beim Minderheitsgesellschafter mit Sperrminorität bzw. jedenfalls beim Mehrheits- oder Alleingesellschafter: So führt etwa Boemke50 an, die Selbständigkeit müsse – genau wie bei der Abgrenzung des Arbeitnehmers zum sonstigen Dienstverpflichteten – danach beurteilt werden, ob derjenige seine Tätigkeit im Wesentlichen frei in Bezug auf Inhalt, Zeit, Ort und Umfang gestalten kann. Sofern der BGH die Arbeitnehmereigenschaft des GmbH-Geschäftsführers ablehne, sondern von einem selbständigen Dienstvertrag ausgehe, sei es nur konsequent, Rechtsgeschäfte, die mit diesem Vertrag in Verbindung stünden, nicht als Verbraucherverträge anzusehen. In die gleiche Richtung gehen die Ausführungen Hümmerichs, der sich bei der Beurteilung an sozialversicherungsrechtlichen Kriterien orientiert und einen Pendelblick in das Betriebsrentenrecht vornimmt, und hierauf basierend ebenso den Fremdgeschäftsführer als Verbraucher, den Gesellschafter-Geschäftsführer, der mindestens über eine Sperrminorität verfügt, dagegen als Unternehmer einordnet.51 Zustimmung erfuhr die differenzierende Betrachtung noch im Jahre 2004 auch von Mülbert, der in früheren Äußerungen vertritt, eine selbständige berufliche Tätigkeit sei jedenfalls beim Fremdgeschäftsführer abzulehnen, da dem GmbH-Geschäftsführer zwar gegenüber dem Arbeitnehmer ein erhöhtes Maß an Eigenverantwortung zukomme; jedoch sei maßgeblich, dass er organschaftlich tätig werde und daher eben nicht er, sondern die Gesellschaft das Risiko seines Handelns trage.52 Das gelte aber eben nicht für den GesellschafterGeschäftsführer, der aufgrund einer „mittelbaren Abhängigkeit von sich selbst“53 aus einer fremdbestimmten unselbständigen Tätigkeit „in die Selbständigkeit entlassen“54 werde. In einer späteren Schrift korrigierte Mülbert seine Ausführungen dahingehend, dass die Organwaltertätigkeit, die rein fremdwirkendes Handeln darstelle, generell nicht dem Anwendungsbereich des § 13 BGB unterfallen könne.55 Bei Kreditgeschäften dagegen müsse nach dem Zweck der Kreditgewährung differenziert werden: Sofern der Geschäftsführer im Rahmen seiner Organwaltertä-

49 BeckOK-BGB/Bamberger, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 13 Rn. 35; MüKoBGB/ Micklitz, 8. Aufl. 2018, § 13 Rn. 61; Palandt/Ellenberger, 79. Aufl. 2020, § 13 BGB Rn. 3; Koehler, NZG 2019, 1406, 1407; v. Westphalen, BB 2015, 834, 836. 50 Boemke, RdA 2018, 1, 12 f. 51 Hümmerich, NZA 2006, 709, 710 ff. 52 Mülbert, FS Hadding, 2004, S. 579. 53 Mülbert, FS Hadding, 2004, S. 580. 54 Mülbert, FS Hadding, 2004, S. 580. 55 Mülbert, FS Goette, 2011, S. 338 ff.

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

tigkeit handele, weise er unabhängig von der Höhe einer etwaigen Beteiligung keinen Verbraucherstatus auf.56 Schürnbrand/Weber teilen diese Überlegungen im Ergebnis, wählen allerdings einen anderen methodischen Ansatz. Es müsse zwischen dem Fremdgeschäftsführer und dem Gesellschafter-Geschäftsführer mit Mehrheits- bzw. Alleinbeteiligung unterschieden werden: Die Auffassung des BGH sei Teil einer „ungewöhnlich formalen und den einheitlichen Lebenssachverhalt ungerechtfertigt aufspaltenden“57 Rechtsprechung, da die Stellung eines Geschäftsführers grundsätzlich mit derjenigen eines Unternehmers zu vergleichen sei. Sofern es sich bei dem Geschäftsführer gleichzeitig um den Mehrheits- oder Alleingesellschafter handele, werde er nicht abhängig tätig noch erschöpfe sich seine Tätigkeit lediglich in der Verwaltung eigenen Vermögens. Ein Verbrauchergeschäft sei dagegen anzunehmen, wenn der Geschäftsführer lediglich als Anlagegesellschafter agiere oder Minderheitsgesellschafter sei; gleiches gelte für den Fremdgeschäftsführer. Sofern sich die Stellung des Geschäftsführers aufgrund seiner Beteiligungshöhe also als unternehmerisch darstelle, müsse – und hierin liegt der neuer Ansatz – § 14 Abs. 1 BGB analog angewendet werden.58 Damit wird indirekt vorausgesetzt, dass der GmbH-Geschäftsführer zwar Verbraucher qua definitionem ist; Schürnbrand/Weber versuchen dieses Ergebnis aber durch die analoge Anwendung des § 14 Abs. 1 BGB wertungsmäßig zu korrigieren. Kurzum: Deutlich wird, dass bereits hinsichtlich der Anerkennung der Verbrauchereigenschaft des GmbH-Geschäftsführers – sei es bei Geschäften im Dienste der GmbH, sei es beim Abschluss seines Anstellungsvertrags mit der Gesellschaft – die Meinungen in Rechtsprechung und Literatur auseinandergehen. Eine Stellungnahme unter Wägung der angeführten Argumente ist mithin geboten, um geordnete Anhaltspunkte für die spätere Prüfung, ob der Vorstandsvertrag einen Verbrauchervertrag darstellt, sammeln zu können. 3. Eine Wägung der Argumente Zuerst das Offensichtliche: Wie der BGH, das BAG und auch die ganz herrschende Literatur annehmen, handelt es sich bei der Geschäftsführung und auch beim Abschluss des Anstellungsvertrags des GmbH-Geschäftsführer nicht um eine gewerbliche Tätigkeit. Denn eine solche liegt, wie es die ganz herrschende Meinung zu Recht vertritt, auch nicht bei der privaten Vermögensverwaltung vor.59 Richtiger-

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Mülbert, FS Goette, 2011, S. 342; ähnlich auch Bülow/Artz/Artz, Verbraucherkreditrecht, 10. Aufl. 2019, § 491 Rn. 54. 57 MüKoBGB/Schürnbrand/Weber, 8. Aufl. 2019, § 491 Rn. 25. 58 MüKoBGB/Schürnbrand/Weber, 8. Aufl. 2019, § 491 Rn. 25. 59 S. nur BGH, Urt. v. 30. 03. 2017 – VII ZR 269/15, NJW 2017, 2752, 2755, Rn. 33; Urt. v. 25. 03. 2015 – VIII ZR 243/13, DNotZ 2016, 32, 39, Rn. 50; Urt. v. 23. 10. 2001 – XI ZR 63/01,

II. Orientierungspunkt: Der GmbH-Geschäftsführer als Verbraucher

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weise ist die Frage, ob eine private oder gewerbliche Vermögensverwaltung vorliegt, anhand des konkreten Aufwands der organisatorischen Verwaltung zu beurteilen. Das Halten eines GmbH-Anteils – und sei es auch eine Mehrheits- oder Alleinbeteiligung – erfordert aber ersichtlich keinen erheblichen organisatorischen Aufwand, der die Annahme einer gewerblichen Vermögensverwaltung rechtfertigt. Hierfür würden vielmehr Räumlichkeiten, Personal oder besondere organisatorische Vorkehrungen benötigt. Des Weiteren wird nicht vordergründig eine unternehmerische Zwecksetzung verfolgt, primär geht es um die bloße Kapitalanlage. Damit ist schwerpunktmäßig zu klären, ob denn eine selbständige berufliche Tätigkeit gegeben ist. Ausgegangen wird von der oben genannten Definition, nach der die Annahme eines selbständigen Handelns erfordert, dass die Tätigkeit in eigenem Namen, auf eigene Rechnung und im eigenen Verantwortungsbereich wahrgenommen wird und die Person das wirtschaftliche Risiko ihres Handelns unmittelbar selbst trifft.60 a) Die Gesellschaft als ausschließliches Haftungssubjekt Legt man diese zugrunde, wird man unabhängig von einer etwaigen Beteiligung die Selbständigkeit ablehnen müssen. Denn: Als ausschließliches Haftungssubjekt fungiert die juristische Person. Das Risiko des Organhandelns tragen der rechtlichen Konstruktion nach nicht der Geschäftsführer oder die Gesellschafter, sondern die GmbH, die nach § 13 Abs. 1 GmbHG eine eigene Rechtspersönlichkeit aufweist. Gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG haftet den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen. Das bedeutet, dass eine persönliche Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft grundsätzlich ausgeschlossen ist.61 Diese Regelung ist charakteristisch für das für juristische Personen des deutschen Privatrechts geltende Trennungsprinzip, das in § 13 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG zum Ausdruck kommt und wonach der juristischen Person zuordnungsrechtlich Selbständigkeit zukommt.62 Danach besteht zwar eine organisatorische Verbindung zwischen GmbH und Gesellschaftern, aber diese stellen keine rechtliche Einheit dar. Dies wird besonders deutlich anhand des Beispiels der Ein-Personen-GmbH.63 Der Geschäftsführer BKR 2002, 26, 28; MüKoBGB/Micklitz, 8. Aufl. 2018, § 14 Rn. 20; Palandt/Ellenberger, 79. Aufl. 2020, § 14 BGB Rn. 2; Müller, FS Nobbe, 2009, S. 414, 421 ff. 60 BAG, Urt. v. 19. 05. 2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939, 940, Rn. 23; s. auch Boemke, RdA 2018, 1, 12; Koehler, NZG 2019, 1406, 1407; Mülbert, FS Hadding, 2004, S. 578; Oetker, FS Buchner, 2009, S. 697; Poelzig, NZG 2020, 41, 46. 61 Zum Ganzen s. BGH, Urt. v. 04. 05. 1981 – II ZR 193/80, NJW 1981, 2810, 2811; Urt. v. 14. 05. 1974 – VI ZR 8/73, NJW 1974, 1371, 1372; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 13 Rn. 5; MüKoGmbHG/Merkt, 3. Aufl. 2018, § 13 Rn. 332. 62 BGH, Urt. v. 04. 05. 1981 – II ZR 193/80, NJW 1981, 2810, 2811; Urt. v. 14. 05. 1974 – VI ZR 8/73, NJW 1974, 1371, 1372; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 13 Rn. 5; MüKoGmbHG/Merkt, 3. Aufl. 2018, § 13 Rn. 332; Müller, FS Nobbe, 2009, S. 414, 421; so auch Oetker, FS Buchner, 2009, S. 698. 63 BGH, Urt. v. 04. 05. 1981 – II ZR 193/80, NJW 1981, 2810, 2811; Urt. v. 14. 05. 1974 – VI ZR 8/73, NJW 1974, 1371, 1372; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 13 Rn. 5.

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

handelt zudem fremdnützig für die und im Namen der Gesellschaft, bei der die unternehmerischen Risiken eintreten, und damit eben nicht im eigenen Verantwortungsbereich. Dies gilt unabhängig davon, ob und in welcher Höhe er Anteile hält. Auch wenn ein Geschäftsführer also über sämtliche Anteile seiner Anstellungsgesellschaft verfügt, treffen allein die Gesellschaft unmittelbare wirtschaftliche Folgen. Zwar ist anerkannt, dass auch Durchbrechungen dieses Grundsatzes möglich sind, wenn gegenläufige Wertungen vorrangig sind. Dies ist der Fall, wenn die Verwendung der Rechtsform nicht ihrem Zweck entspricht oder wenn eine Berufung auf das Trennungsprinzip einen Verstoß gegen Treu und Glauben bedeuten würde.64 Hieran stellt die Rechtsprechung aber zu Recht hohe Anforderungen, da „über die Rechtsfigur einer juristischen Person nicht leichtfertig und schrankenlos hinweggegangen werden“65 dürfe. Um einen Durchgriff anzunehmen, müssten vielmehr „besonders qualifizierende Umstände, vor allem auf Seiten des Alleingesellschafters, vorliegen, die gerade sein Berufen auf die rechtliche Selbständigkeit der GmbH als Verstoß gegen Treu und Glauben kennzeichnen“66. Insbesondere kann dies in Fällen relevant werden, in denen eine Durchbrechung des Prinzips notwendig ist, um einem Dritten, etwa einem Gläubiger, der zu der juristischen Person in Rechtsbeziehung steht, zu einer ihm zustehenden Leistung zu verhelfen.67 Daran wird aber deutlich, dass eine Ausnahme vom Trennungsprinzip regelmäßig dann geboten erscheint, wenn Drittinteressen betroffen sind. Das aber ist beim Abschluss des Anstellungsvertrags zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer gerade nicht der Fall. Wenn nun aber stets bei einer Allein- oder gar bereits Mehrheitsbeteiligung angenommen wird, dass nicht die Gesellschaft Haftungssubjekt ist, sondern vielmehr der GmbH-Geschäftsführer „Angestellter seiner selbst“68, führt dies zu einer Aushöhlung des Trennungsprinzips auf der Basis faktischer Betrachtung, ohne dass dies der sachlichen Richtigkeit wegen vonnöten wäre. Denn man wird einräumen müssen, dass der AGB-rechtliche Schutz – und so deutet es bereits von Westphalen an69 – ohnehin zumeist nicht beansprucht werden wird, da der alleinige Geschäftsführer als Vertreter der GmbH die Vertragsbedingungen seines eigenen Anstellungsvertrags

64 BGH, Urt. v. 14. 05. 1974 – VI ZR 8/73, NJW 1974, 1371, 1372; OLG Hamm, Urt. v. 30. 03. 1984 – 19 U 141/83, BB 1984, 873; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 13 Rn. 10 ff.; MüKoGmbHG/Merkt, 3. Aufl. 2018, § 13 Rn. 343 ff. 65 BGH, Urt. v. 04. 05. 1981 – II ZR 193/80, NJW 1981, 2810, 2811; Urt. v. 14. 05. 1974 – VI ZR 8/73, NJW 1974, 1371, 1372; so auch schon BGH, Urt. v. 08. 07. 1970 – VIII ZR 28/69, NJW 1970, 2015, 2016; Urt. v. 30. 01. 1956 – II ZR 168/54, NJW 1956, 785, 786. 66 BGH, Urt. v. 14. 05. 1974 – VI ZR 8/73, NJW 1974, 1371, 1372; zu den strengen Voraussetzungen auch BGH, Urt. v. 08. 07. 1970 – VIII ZR 28/69, NJW 1970, 2015, 2016; Urt. v. 26. 11. 1957 – VIII ZR 301/56, WM 58, 460; OLG Hamm, Urt. v. 30. 03. 1984 – 19 U 141/83, BB 1984, 873. 67 BGH, Urt. v. 08. 07. 1970 – VIII ZR 28/69, NJW 1970, 2015, 2016. 68 So ausdrücklich Mülbert, FS Hadding, 2004, S. 580. 69 v. Westphalen, BB 2015, 834, 836; so auch Koehler, NZG 2019, 1406, 1407.

II. Orientierungspunkt: Der GmbH-Geschäftsführer als Verbraucher

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entwirft und daher mit sich selbst „in Verhandlung tritt“.70 Vor diesem Hintergrund erscheinen Streitigkeiten über Regelungen des Anstellungsvertrags bei der EinPersonen-GmbH ausgeschlossen; ein praktischer Fall ist nicht denkbar.71 Auch deshalb ist es nicht erforderlich, vom Trennungsprinzip abzuweichen, um die Unternehmereigenschaft des Alleingesellschafter-Geschäftsführers begründen zu können. Vielmehr ist richtigerweise in schlichter Subsumtion unter die verbraucherschutzspezifisch ausgerichtete Definition der Selbständigkeit festzustellen, dass nach dem Prinzip der Trennung von juristischer Person und ihren Gesellschaftern – von dem auch in diesem Fall nicht aufgrund vorrangiger Wertungen abgewichen werden muss – die Gesellschaft das wirtschaftliche Risiko des Handelns ihres Geschäftsführers unmittelbar trägt. Unter diesem Gesichtspunkt kann der Geschäftsführer unabhängig von dem Halten von Anteilen nicht selbständig sein. Das mag in faktischer Hinsicht irritieren, ist aber dogmatisch konsequent. b) Trennungstheorie statt Verbundbetrachtung Dass die Selbständigkeit vom BAG und von Teilen der Literatur zuweilen unter Verweis auf die organschaftliche Weisungsgebundenheit i.S.v. § 37 Abs. 1 GmbHG verneint wird, ist damit zwar im Ergebnis zutreffend, weist in dogmatischer Hinsicht aber erhebliche Schwächen auf. Argumentiert man damit, dass der Geschäftsführer nicht selbständig sein kann, weil er den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegt, so vermengt man den schuldrechtlichen Anstellungsvertrag und die Organstellung.72 Auch die umgekehrte Argumentation, der Geschäftsführer sei dann selbständig, wenn er jedenfalls über eine Sperrminorität verfüge, denn dann sei er aufgrund der Machtverhältnisse als faktisch weisungsunabhängig und damit unternehmerisch zu kategorisieren,73 geht vor diesem Hintergrund fehl. Denn die Weisungsgebundenheit ist ein Charakteristikum der Organstellung, auch wenn diese den Dienstvertrag in inhaltlicher Hinsicht zu prägen vermag und sich insofern de facto weitreichende Überschneidungen ergeben.74 Es geht bei dem Abschluss des Anstellungsvertrags um die Vereinbarung bestimmter dienstvertraglicher Pflichten mit der Anstellungsgesellschaft, wovon die korporationsrechtliche Stellung als Geschäftsführer bei streng dogmatischer Betrachtung unabhängig ist. Das wird insbesondere in Konstellationen deutlich, in denen Bestellungsakt und Abschluss des Anstellungsvertrags nicht zusammenfallen: Möglich ist die Situation, dass der 70 v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Geschäftsführerverträge Rn. 93. 71 So auch Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 34 f.; ähnlich Koehler, NZG 2019, 1406, 1407, der in einem solchen Fall ausgehandelte Bedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB annimmt. 72 Zur Trennungstheorie s. bereits Gliederungspunkt A. III. 1. 73 So etwa Mülbert, FS Hadding, 2004, S. 575, 578 ff. 74 Verfehlt insofern Mülbert, FS Goette, 2011, S. 339 f., der Organwalterhandeln als rein fremdwirkendes Handeln erachtet und daher den Anwendungsbereich des § 13 BGB ablehnt.

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

Anstellungsvertrag wirksam abgeschlossen wird, die Bestellung jedoch an Mängeln leidet und daher unwirksam ist. In einer derartigen Konstellation kann aber eben nicht argumentiert werden, der Geschäftsführer sei bei Abschluss seines Anstellungsvertrags Verbraucher, weil er nach § 37 Abs. 1 GmbHG Weisungen unterliege – denn wenn er nicht wirksam bestellt wird, werden ihm die in den §§ 35 ff. GmbHG normierten Befugnisse und Beschränkungen gar nicht zuteil.75 Jedoch wird man auch ohne Kopplung an die mit der Organstellung verbundenen Rechte und Pflichten annehmen dürfen, dass der Geschäftsführer im Rahmen seines Anstellungsvertrags eben regelmäßig nicht in inhaltlicher, zeitlicher und örtlicher Hinsicht frei „schalten und walten“ kann, sondern oftmals durch schuldrechtliche Regelungen gebunden ist. Zutreffend weist Mirza Khanian in diesem Kontext auf die Möglichkeit eines absoluten Nebentätigkeitsverbotes sowie die Anstellung sog. „Strohmann-Geschäftsführer“ hin, die auf schuldrechtlicher Basis gänzlich an den Willen der Gesellschafter gebunden werden.76 Es ist mithin eine schuldrechtliche Gestaltung möglich, die unabhängig von der organschaftlichen Weisungsgebundenheit für sich genommen eine Weisungsgebundenheit zur Folge hat. Auch deshalb kann eine Argumentation mit § 37 GmbHG nicht verfangen. Darüber hinaus führt eine solche Verbundbetrachtung, die Anstellungsverhältnis und Organstellungscharakteristika als Einheit sieht, zu Unsicherheiten: Pauschale Aussagen über einen beherrschenden Einfluss bei Verfügen über einen bestimmten Gesellschaftsanteil sind oftmals nicht problemlos möglich, da vielfältige gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten offenstehen.77 So ist es etwa möglich, dass im Gesellschaftsvertrag vereinbart wird, dass die Beschlussfassung über Geschäftsführungsmaßnahmen nach einfachem Mehrheitsprinzip erfolgt. Zutreffend weist etwa Müller auch darauf hin, teilweise erschöpfe sich eine Mehrheitsbeteiligung in einem bloßen „Kassieren“ der Dividende, ohne beherrschenden Einfluss ausüben zu wollen.78 Verkompliziert wird dies insbesondere in Konzernsachverhalten: So wird man sich fragen müssen, ob ein GmbH-Mehrheitsgesellschafter, der Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft ist, Unternehmer ist, obwohl er bei konzernweiter Betrachtung freilich keinen relevanten beherrschenden Einfluss ausüben kann;79 auch deshalb verbietet sich eine Verbundbetrachtung. Eine Argumentation, die bei der Klassifizierung des Anstellungsvertrags ausschließlich auf die Charak-

75

Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 111; in eine ähnliche Richtung Wehrmeyer, Arbeitsrechtliche Einordnung der Organe, 1988, S. 37 ff., 87 ff., 214 f. 76 Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 111 f. 77 Ausführlich Müller, FS Nobbe, 2009, S. 414, 428 ff.; hierzu Mülbert, FS Goette, 2011, S. 337. 78 Müller, FS Nobbe, 2009, S. 414, 429. 79 Mülbert, FS Goette, 2011, S. 338; zur Problematik von Konzernsachverhalten in Bezug auf die Einordnung des Vorstandsmitglieds als Verbraucher s. Gliederungspunkt E. III. 3. a) aa) (2).

III. Das Vorstandsmitglied als Verbraucher

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teristika der Organstellung verweist, erschöpft sich mithin in einer de facto-Betrachtung, die rechtliche Feinheiten ausblendet. 4. Zwischenergebnis: Der GmbH-Geschäftsführer ist Verbraucher Der GmbH-Geschäftsführer ist unabhängig von der Höhe einer etwaigen Beteiligung an seiner Anstellungsgesellschaft beim Abschluss seines Anstellungsvertrags Verbraucher i.S.v. § 13 BGB. Da nicht er, sondern die Gesellschaft das wirtschaftliche Risiko seines Handelns unmittelbar trägt, übt er im Kontext seines Anstellungsvertrags keine selbständige berufliche Tätigkeit aus. Hierbei das Argument der Weisungsgebundenheit i.S.v. § 37 Abs. 1 GmbHG ins Feld zu führen, bedeutet einen Verstoß gegen die Trennung von schuldrechtlichem Anstellungsvertrag und Organstellung. Denn die Weisungsgebundenheit ist ein Charakteristikum der Organstellung und ist rechtlich nicht mit dem Anstellungsverhältnis gleichzustellen; dieses ist vielmehr durch das fremdnützige, angestellte Handeln gekennzeichnet. Auch die Differenzierung nach der Höhe einer Beteiligung geht in dogmatischer Hinsicht fehl: Sofern der Fremd- oder Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer als Verbraucher anzusehen sein soll, nicht aber der Mehrheits- oder Alleingesellschafter-Geschäftsführer, basiert die Argumentation auf einer de facto-Betrachtung, die die rechtliche Verselbständigung der juristischen Person gegenüber ihren Gesellschaftern negiert. Zwar kann etwa beim Alleingesellschafter-Geschäftsführer in Bezug auf den Abschluss des Anstellungsvertrags ein Insichgeschäft vorliegen, sodass dieser seine eigenen anstellungsvertraglichen Bedingungen entwirft. Das heißt aber nur, dass für AGB-rechtliche Streitigkeiten in dieser Konstellation kein praktischer Fall denkbar ist oder eine Berufung auf die Unwirksamkeit selbst formulierter Bedingungen jedenfalls nach dem Grundsatz venire contra factum proprium als rechtsmissbräuchlich anzusehen wäre;80 die Verbrauchereigenschaft betrifft dies aber nicht.

III. Das Vorstandsmitglied als Verbraucher Wurde für den GmbH-Geschäftsführer festgestellt, dass er bei Abschluss seines Anstellungsvertrags unabhängig von einer etwaigen Beteiligungshöhe Verbraucher i.S.v. § 13 BGB ist, so rückt nunmehr – und hierauf soll der Schwerpunkt dieses Komplexes liegen – die Frage nach der Verbrauchereigenschaft des Vorstandsmit80 Ähnlich Hümmerich, NZA 2006, 709, 710; Schmitt-Rolfes, FS Hromdka, 2008, S. 396; s. auch Koehler, NZG 2019, 1406, 1407: „Bei einem zu 100 % an der GmbH beteiligten Geschäftsführer liegen trotz der Verbrauchereigenschaft aber dennoch keine AGB vor. Denn er kann wegen des Insichgeschäfts zwischen sich und seiner GmbH auf die rechtliche und tatsächliche Gestaltung der Klauseln Einfluss nehmen, so dass diese iSd § 305 I 3 BGB im Einzelnen ausgehandelt sind.“A.A. Oetker, FS Buchner, 2009, S. 701, der für eine teleologische Reduktion des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB plädiert.

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

glieds in den Fokus der Betrachtung. Hierzu sind wiederum zunächst bestehende Judikate sowie die Äußerungen im Schrifttum zu sichten, um diese zur Grundlage der anschließenden rechtlichen Würdigung machen zu können. 1. Höchstinstanzliche Klärung steht bislang aus Wie bereits dargelegt, steht die höchstinstanzliche Klärung der Problematik bislang aus. Der BGH hat sich zur Frage der Verbrauchereigenschaft noch mit keinem Wort geäußert.81 Lediglich das OLG Hamm, das OLG Frankfurt a. M., die Vorinstanz zur genannten BGH-Entscheidung, und das OLG Düsseldorf82 haben übereinstimmend einen Verbrauchervertrag angenommen.83 Das OLG Hamm führt in seinem Beschluss aus, die unterschiedliche Rechtsstellung des AG-Vorstands gegenüber dem GmbH-Geschäftsführer, die durch ein höheres Maß an Eigenverantwortung und Selbständigkeit gekennzeichnet sei, rechtfertige keine abweichende Beurteilung, denn diese ändere nichts daran, dass für die Annahme einer selbständigen beruflichen Tätigkeit maßgeblich sei, dass die Tätigkeit im eigenen Namen, für eigene Rechnung und im eigenen Verantwortungsbereich ausgeübt werde, so dass die wirtschaftlichen Folgen der Tätigkeit unmittelbar den Handelnden träfen.84 Und das sei auch bei Vorstandsmitgliedern, selbst wenn bestimmte variable Vergütungsbestandteile vom wirtschaftlichen Erfolg der Tätigkeit abhängig seien, nicht der Fall. Gleichwohl ließ das Gericht offen, ob etwas anderes gelten könne, wenn das Vorstandsmitglied in erheblichem Umfang Aktien seiner Anstellungsgesellschaft hält85 – wobei es auf die nähere Bestimmung der Erheblichkeitsgrenze nicht eingeht. Das OLG Frankfurt a. M. stützt sich in seinem Urteil auf diese Erwägungen, indem unter Verweis auf den Beschluss des OLG Hamm aufgrund der Fremdnützigkeit der Vorstandstätigkeit sowie mangels unmittelbaren Tragens eines wirtschaftlichen Risikos ein Verbrauchergeschäft angenommen wird.86 Das OLG Düsseldorf geht ebenso vom Verbraucherstatus aus, mit dem Argument, das Vorstandsmitglied handele im Rahmen des vereinbarten Dienstverhältnisses zu seinem – und hier mag die Wortwahl des Gerichts verwundern – „Arbeitgeber“ und damit unselbständig. Die Organstellung ändere an diesem Ergebnis nichts.87 Soweit ersichtlich, erschöpft sich die gerichtliche Auseinandersetzung in diesen Urteilen, die den Vorstandsvertrag übereinstimmend als Verbrauchergeschäft einordnen. Dabei wurde die Frage, ob dies auch auf das Vorstandsmitglied zu übertragen ist, das in erheblichem Umfang 81

Offen gelassen in BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679. OLG Düsseldorf, Urt. v. 24. 02. 2012 – I-16 U 177/10, BeckRS 2012, 11650. 83 OLG Hamm, Beschl. v. 18. 07. 2007 – 8 Sch 2/07, juris; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111; s. hierzu bereits Gliederungspunkt C. I. 2. und 3. 84 OLG Hamm, Beschl. v. 18. 07. 2007 – 8 Sch 2/07, juris, Rn. 39. 85 OLG Hamm, Beschl. v. 18. 07. 2007 – 8 Sch 2/07, juris, Rn. 40. 86 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111, Rn. 30; offen gelassen in der Revision, s. BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679. 87 OLG Düsseldorf, Urt. v. 24. 02. 2012 – I-16 U 177/10, BeckRS 2012, 11650. 82

III. Das Vorstandsmitglied als Verbraucher

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Aktien seiner Anstellungsgesellschaft hält, mangels Entscheidungsrelevanz stets offen gelassen. 2. Meinungsstand im Schrifttum Scheinen sich die Instanzgerichte einig zu sein, wird im Schrifttum – noch deutlicher als bei der Beurteilung des GmbH-Geschäftsführers – ein durchweg gespaltenes Bild offenbar: Teilweise wird sich auch im Schrifttum für eine uneingeschränkte Anerkennung der Verbrauchereigenschaft ohne Berücksichtigung einer Beteiligung bei Abschluss des Anstellungsvertrags oder auch bei Geschäftsführungstätigkeiten ausgesprochen.88 Andere übertragen die differenzierenden Überlegungen unter Berücksichtigung der Höhe einer etwaigen Beteiligung an der Anstellungsgesellschaft, die bereits in Bezug auf den GmbH-Geschäftsführer dargelegt wurden: So führt etwa Schmitt-Rolfes zunächst die Unterschiede bezüglich der Rechtsstellung von GmbH-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied an, indem er auf die größere Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Vorstandsmitglieds eingeht; diese Unterschiede könnten es aber nicht rechtfertigen, eine selbständige berufliche Tätigkeit i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB anzunehmen. Denn auch das Vorstandsmitglied trage das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit nicht unmittelbar selbst, was selbst dann gelte, wenn die Vergütung teilweise vom wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit abhänge, wie es bei variablen Vergütungsbestandteilen der Fall sei. Anderes ergebe sich nur, wenn das Vorstandsmitglied zugleich Mehrheitsgesellschafter sei.89 Diese Ansicht wird von einigen Literaten geteilt: So wird angenommen, dem Vorstandsmitglied komme dann eine unternehmerische Stellung zu, wenn es zugleich Mehrheitsaktionär sei. Handele es sich dagegen um einen Fremdgeschäftsführer oder um eine Minderheitsbeteiligung, müsse ein Verbrauchervertrag angenommen werden.90 Jedoch verneint auch ein beachtlicher Teil des Schrifttums – wie etwa Grobys91, Kort92, Mertens/Cahn93, Seyfarth94 und Thüsing95 – grundsätzlich den Verbrau88

MüKoBGB/Micklitz, 8. Aufl. 2018, § 13 Rn. 61; in diese Richtung auch BeckOK-BGB/ Bamberger, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 13 Rn. 35; so auch Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, 2. Aufl. 2020, § 11 Rn. 160b; Löw, AG 2018, 837, 838; Oetker, FS Buchner, 2009, S. 697; Poelzig, NZG 2020, 41, 46; Werner, NZA 2020, 155, 157. 89 Schmitt-Rolfes, FS Hromadka, 2008, S. 397. 90 Bauer, FS Wank, 2014, S. 2; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2338; Bauer/Arnold/Kramer, AG 2014, 677, 678 f.; Bauer/Baeck/v. Medem, NZG 2010, 721, 723; Mülbert, FS Goette, 2011, S. 342; in eine ähnliche Richtung auch Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, 3. Aufl. 2015, § 76 Rn. 6, der die Verbrauchereigenschaft annimmt, sofern das Vorstandsmitglied „keine erheblichen Aktienpakete an der Gesellschaft“ hält. 91 Grobys, DStR 2002, 1002, 1004 f. 92 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 276a; Kort, NZG 2020, 121, 122; Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 720. 93 KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 99 ohne Begründung. 94 Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 17.

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

cherstatus des Vorstandsmitglieds bei Abschluss seines Anstellungsvertrags. Dabei wird maßgeblich an die fehlende Weisungsgebundenheit und die „organisatorische Ungebundenheit“96 angeknüpft, die für eine „echte Autonomie im Sinne rechtlicher Handlungsfreiheit“97 spreche, und die mit einer entsprechend hohen Verantwortung und auch Bezahlung98 einhergehe. Das Vorstandsmitglied sei aufgrund der Leitungsmacht gemäß § 76 Abs. 1 AktG im Gegensatz zum GmbH-Geschäftsführer in einer stärkeren Position; die Annahme der Verbrauchereigenschaft stehe hierzu in Widerspruch.99 Das gelte umso deutlicher, als das Vorstandsmitglied offensichtlich nicht als Arbeitnehmer einzuordnen sei, für den der Verbraucherstatus anerkannt sei.100 Im Gegenteil habe es aufgrund seiner unabhängigen Rechtsstellung eher eine arbeitgeberähnliche Rolle inne. Sofern man den Verbraucherstatus des Arbeitnehmers anerkenne, erscheine die Anerkennung der Verbrauchereigenschaft der „Gegenseite“ widersprüchlich.101 Das gelte insbesondere, weil das wirtschaftliche Risiko unter Berücksichtigung variabler Vergütungsbestandteile zumeist faktisch selbst getragen werde.102 Diese Wertung stütze ein Blick auf den Telos der unionsrechtlich geprägten Verbraucherschutznormen: Diese hätten den Zweck, eine „große Menge nicht artikulationsfähiger natürlicher Personen, die ihre Interessen gegenüber überlegenen und organisierten Marktteilnehmern nicht geordnet zur Geltung bringen können und sich zudem vielfach auch in einer strukturellen wirtschaftlichen Unterlegenheit befinden“103, Schutz zu gewähren. Bei dem Vorstandsmitglied handele es sich dagegen um eine Person, die artikulationsfähig sei und ihre Interessen gegenüber der AG durchsetzen könne, sodass es insoweit nicht schutzwürdig erscheine.104 Vor diesem Hintergrund dürfe der Verbraucherbegriff trotz unionsrechtlich geprägter Vorgaben nicht uferlos ausgedehnt werden.105 Angeführt wird überdies, die Annahme der Verbrauchereigenschaft widerspreche der jedenfalls vom herrschenden Schrifttum vorgenommenen sozialversicherungsrechtlichen Einordnung des Vorstandsmitglieds als Selbständiger.106 Damit handele es sich beim Anstellungsvertrag auch in verbraucherschutzrechtlicher Hinsicht um den „Dienst95 Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 101; s. auch Thüsing/Granetzny, NZG 2010, 449, 453. 96 Grobys, DStR 2002, 1002, 1005. 97 Grobys, DStR 2002, 1002, 1005. 98 Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 17. 99 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 276a; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, Rn. 1044; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 101; Fischer, NZA 2009, 835; Grobys, DStR 2002, 1002, 1005. 100 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 276a; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 18. 101 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 276a. 102 Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 18. 103 Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 17. 104 Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 17. 105 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 19a. 106 Hümmerich, NZA 2006, 709, 710 f.

III. Das Vorstandsmitglied als Verbraucher

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vertrag des selbständig Tätigen“107. Indem ein erheblicher Teil in der Literatur ein Verbrauchergeschäft ablehnt oder dem Vorstandsmitglied jedenfalls dann den verbraucherrechtlichen Schutz versagen will, wenn es über die Mehrheit der Aktien oder jedenfalls eine Sperrminorität verfügt, ergibt sich eine Abweichung zur Rechtsprechungslinie der Instanzgerichte, die bislang ein Verbrauchergeschäft unter Offenlassen der Frage nach der Relevanz einer etwaigen Beteiligungshöhe bejaht haben. 3. Eine Wägung der Argumente Ob das Vorstandsmitglied bei Abschluss seines Anstellungsvertrags Verbraucher ist, muss daher einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. a) Vergleichbarkeit mit dem GmbH-Geschäftsführer Dabei steht im Ausgangspunkt die Annahme der Verbrauchereigenschaft des GmbH-Geschäftsführers. Um die obigen Erwägungen auf das Vorstandsmitglied übertragen zu können, muss sich eine hinreichende Ähnlichkeit ergeben, die die gleiche Wertung rechtfertigt. Daher ist noch einmal auf die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede einzugehen,108 um anhand dieser das Maß der diesbezüglichen Vergleichbarkeit ermitteln zu können. aa) Weisungsfreiheit des Vorstandsmitglieds als wesentlicher Unterschied Wie bereits dargelegt, liegt der maßgebliche Unterschied zwischen GmbH-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied darin, dass die Position des GmbH-Geschäftsführers aufgrund des Weisungsrechts der Gesellschafterversammlung schwächer ausgestaltet ist. (1) Grundsatz: Weisungsfreiheit gemäß § 76 Abs. 1 AktG Der GmbH-Geschäftsführer unterliegt gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG den Weisungen der Gesellschafter, wohingegen dem Vorstandsmitglied gemäß § 76 Abs. 1 AktG umfassende Leitungsmacht zukommt. Diese führt dazu, dass der Vorstand Weisungen des Aufsichtsrates über die Geschäftsführung – ausgenommen sei seine Pflicht zur Unterstützung der Aufsichtstätigkeit, etwa durch Kontrollpflichten nach § 90 AktG oder § 111 Abs. 2 AktG – nicht befolgen muss. Gleiches gilt für Weisungen der Hauptversammlung, sofern nicht ein Fall des § 119 Abs. 2 AktG betroffen ist, oder es um Maßnahmen geht, die in den Kompetenzbereich der Hauptver107

Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197; s. auch Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2339; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 101; Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 79; Thüsing/Granetzny, NZG 2010, 449, 453. 108 S. hierzu bereits ausführlich Gliederungspunkt A. III. 2.

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sammlung fallen.109 Das Vorstandsmitglied kann mithin dem Grundsatz nach frei von Weisungen agieren. Allerdings gilt: Kein Grundsatz ohne Ausnahme. In Konzernsachverhalten kann der Fall anders liegen, sodass ein Pendelblick auf das Vorstandsmitglied im Konzern lohnt, um die Problematik auch unter dem Blickwinkel verschieden gestalteter Konstellationen beurteilen zu können. (2) Weisungsgebundenheit im Konzern Sofern man bei der Beurteilung bestimmter Strukturen innerhalb einer Personenoder Kapitalgesellschaft den Blick ausschließlich auf die Gesellschaft als unabhängiges Rechts- und Wirtschaftssubjekt richtet, geht das an der Wirklichkeit vorbei.110 Denn auch wenn ein Unternehmen rechtlich selbständig ist, kann sich – und wird sich in der Praxis häufig – infolge bestimmter gesellschaftsrechtlicher Gestaltungen eine Verbindung zu anderen Unternehmen ergeben, die zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit führt und sich in gesellschaftsrechtlichen Strukturänderungen äußert.111 Kurz dargestellt werden soll daher die Stellung des Vorstandsmitglieds einer abhängigen AG im Vertrags- und Eingliederungskonzern, um Abweichungen von der grundsätzlich weisungsunabhängigen Position aufzuzeigen und auf diese Weise das Argument, angesichts seiner Weisungsfreiheit sei das Vorstandsmitglied nie Verbraucher, entkräften zu können. Die erste Konstellation, in der sich eine Abweichung vom Grundsatz der Weisungsunabhängigkeit des Vorstandsmitglieds ergibt, betrifft die abhängige Gesellschaft im Vertragskonzern. Ein Vertragskonzern liegt vor, wenn ein wirksamer Beherrschungsvertrags i.S.v. § 291 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AktG geschlossen wurde, wenn also eine AG oder KGaA ihre Leitung vertraglich einem anderen Unternehmen unterstellt.112 § 308 Abs. 1 S. 1 AktG normiert auf dieser Grundlage, dass bei Bestehen eines solchen Beherrschungsvertrags das herrschende Unternehmen berechtigt ist, dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen.113 Verkompliziert wird dies, wenn eine mehrstufige Konzernierung im Sinne von hintereinander geschalteten Beherrschungsverträgen vorliegt oder mit mehreren Müttern ein Beherrschungsvertrag geschlossen wird.114 In ersterem Fall ist überdies umstritten, ob ein 109

S. nur KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 76 Rn. 44 m.w.N. Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 291 Rn. 4 m.w.N.; s. auch Hümmerich/ Lücke/Mauer/Lücke, Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 475: „Rechtstheorie und Praxis der Stellung eines Vorstands […] im Rahmen konzernabhängiger Gesellschaften klaffen auseinander.“ 111 S. überblicksartig zu Beherrschungsverträgen bei der AG in den letzten 25 Jahren Lieder/Hoffmann, AG 2020, R172 ff.; zur Beherrschung und Unabhängigkeit börsennotierter Aktiengesellschaften im Jahre 2018 vgl. Bayer/Hoffmann, AG 2018, R116 ff. 112 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 291 Rn. 9; Spindler/Stilz/Veil, AktG, 4. Aufl. 2019, § 291 Rn. 9. 113 Hierzu exemplarisch Spindler/Stilz/Veil, AktG, 4. Aufl. 2019, § 291 Rn. 11. 114 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 308 Rn. 3. 110

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Durchgriffsweisungsrecht der Mutter an die Enkelin besteht115 oder nur der andere Vertragsteil Weisungen erteilen kann und für ein Weisungsrecht der Konzernspitze gegenüber Enkelgesellschaften ein separater Beherrschungsvertrag abgeschlossen werden muss.116

Die Leitung und Geschäftsführung bilden dabei den Weisungsgegenstand; die Weisungen der herrschenden Gesellschaft können unternehmerische Leitentscheidungen betreffen, aber sich auch auf die gesamte Geschäftsführung und sogar innergesellschaftliche Maßnahmen im Kompetenzbereich des Vorstandes erstrecken.117 Das gilt, wie S. 2 explizit festlegt, sogar für nachteilige Weisungen, sofern dies den Belangen des herrschenden Unternehmens oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens dient und die Weisungen nicht die Existenz der abhängigen Gesellschaft gefährden.118 Der Vorstand muss die Weisungen nach § 308 Abs. 2 S. 1 AktG befolgen; etwas anderes gilt nach S. 2 nur dann, wenn die Maßnahme offensichtlich nicht diesen Belangen dient, wobei hieran strenge Anforderungen zu stellen sind.119 Damit wird der Vorstand aufgrund des Beherrschungsvertrags von den Vorgaben nach §§ 76, 77 AktG freigestellt, es kommt insofern zu einer „organisationsrechtlichen Überlagerung“120. Der Vorstand einer abhängigen AG im Vertragskonzern kann mithin nicht unabhängig und weisungsfrei agieren. Gleiches gilt in noch erheblicherem Maße für das Vorstandsmitglied einer abhängigen AG im Eingliederungskonzern i.S.v. §§ 319 ff. AktG. Bei der Eingliederung wird eine AG gänzlich wirtschaftlich in eine andere AG, die Hauptgesellschaft, integriert. Zwar bleibt die rechtliche Selbständigkeit der abhängigen Gesellschaft gewahrt; diese wird aber zu einer Art Betriebsabteilung der Hauptgesellschaft.121 Auch hier steht der Hauptgesellschaft gemäß § 323 Abs. 1 S. 1 AktG die Befugnis zu, „dem Vorstand der eingegliederten Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen“. Das Weisungsrecht geht mangels inhaltlicher Begrenzung noch weiter als beim Vertragskonzern, insbesondere ist nicht erforderlich, dass nachteilige Weisungen den Belangen der Hauptgesellschaft oder mit ihr 115

So etwa MüKoAktG/Altmeppen, 5. Aufl. 2020, § 308 Rn. 29. So die h.M., s. Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 308 Rn. 3; KK-AktG/ Koppensteiner, 3. Aufl. 2004, § 308 Rn. 5 f.; Spindler/Stilz/Veil, AktG, 4. Aufl. 2019, § 308 Rn. 10. 117 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 308 Rn. 12; MüKoAktG/Altmeppen, 5. Aufl. 2020, § 308 Rn. 89 f.; KK-AktG/Koppensteiner, 3. Aufl. 2004, § 308 Rn. 27. 118 H.M., vgl. hierzu Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 308 Rn. 19; KK-AktG/ Koppensteiner, 3. Aufl. 2004, § 308 Rn. 50; Clemm, ZHR 141 (1977), 197, 204 ff.; Geßler, ZHR 140 (1976), 433, 436 ff.; Immenga, ZHR 140 (1976), 301, 305 ff.; a.A. Spindler/Stilz/Veil, AktG, 4. Aufl. 2019, § 308 Rn. 31. 119 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 308 Rn. 22; Spindler/Stilz/Veil, AktG, 4. Aufl. 2019, § 308 Rn. 35. 120 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 308 Rn. 7; ähnlich GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 179. 121 Heidel/Plumeyer/Jaursch, AktG, 5. Aufl. 2020, § 323 Rn. 1; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 323 Rn. 1. 116

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

konzernverbundenen Gesellschaften dienen.122 Da § 323 Abs. 1 S. 2 AktG auf § 308 Abs. 1 AktG nicht Bezug nimmt, finden sich die Grenzen allein in § 138 BGB und § 134 BGB; nach wohl herrschender Meinung sind damit sogar existenzgefährdende Weisungen möglich.123 Der Vorstand der eingegliederten Gesellschaft muss den Weisungen gemäß § 323 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 308 Abs. 2 S. 1 AktG Folge leisten, sofern es sich nicht um gesetzeswidrige Weisungen handelt.124 Die Eingliederung einer Gesellschaft ist mithin die zweite Konstellation, in der der Vorstand in Abweichung zum Grundsatz des § 76 Abs. 1 AktG Weisungen unterliegt. Bildet die Weisungsunabhängigkeit des Vorstandsmitglieds im Grundsatz den wesentlichen Unterschied zur Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers, so gilt im Vertrags- und Eingliederungskonzern also anderes – und die Betrachtung der AG als wirtschaftlich selbständiges Rechtssubjekt mag man vor dem Hintergrund einer umfassenden Konzernlandschaft wohl eher als Lehrbuchkonstruktion einordnen. Auch wenn die faktische Konzernierung deutlich überwiegt,125 befanden sich im Jahre 2019 in Deutschland 113 Gesellschaften, deren Abhängigkeit auf einem Beherrschungsvertrag beruhte,126 in denen § 76 Abs. 1 AktG mithin nicht gilt. In Bezug auf die Weisungsgebundenheit besteht in diesen Fällen eine Ähnlichkeit des Vorstandsmitglieds zum GmbH-Geschäftsführer. Vor diesem Hintergrund steht eine Argumentation, die die Weisungsunabhängigkeit des Vorstands als maßgebliches Kriterium für seine Unternehmerstellung nennt, auf wackligem Terrain. Sofern man auf dieser Basis eine Differenzierung zwischen dem Vorstand einer abhängigen und einer unabhängigen Gesellschaft vornähme, wie es jedoch, soweit ersichtlich, noch nicht im Schrifttum vorgeschlagen wurde, wäre dies zwar konsequent, würde aber in mehrstufigen Konzernkonstellationen eine erhebliche Verkomplizierung des Beurteilungsprozesses bedeuten. So mag schon die Beurteilung, ob bzw. in welchem Ausmaß das Vorstandsmitglied einer abhängigen Tochtergesellschaft, die mit einer oder gar mehreren von der Tochtergesellschaft abhängigen Enkelgesellschaften verbunden ist, als weisungsgebunden zu bezeichnen ist, auf praktische Schwierigkeiten stoßen.

Unbestritten: Das Aktiengesetz sieht in der Weisungsfreiheit gemäß § 76 Abs. 1 AktG den Regelfall, der regelmäßig die inhaltliche Prägung des Dienstvertrages bewirken wird und damit die Festlegung spezifischer Maßstäbe mitzubestimmen 122

KK-AktG/Koppensteiner, 3. Aufl. 2004, § 323 Rn. 2. Heidel/Plumeyer/Jaursch, AktG, 5. Aufl. 2020, § 323 Rn. 2; MüKoAktG/Grunewald, 5. Aufl. 2020, § 323 Rn. 3; KK-AktG/Koppensteiner, 3. Aufl. 2004, § 323 Rn. 4; a.A. Hüffer/ Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 323 Rn. 3. 124 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 179; Heidel/Plumeyer/Jaursch, AktG, 5. Aufl. 2020, § 323 Rn. 2; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 323 Rn. 4; KK-AktG/Koppensteiner, 3. Aufl. 2004, § 323 Rn. 7. 125 Zu börsennotierten Gesellschaften s. einen umfassenden Überblick bei Bayer/Hoffmann, AG 2018, R116 ff.; die Betrachtung des faktischen Konzerns wird im Rahmen dieser Arbeit bewusst ausgespart. 126 Davon bestand bei 19 Gesellschaften ein isolierter Beherrschungsvertrag und bei 94 Gesellschaften ein kombinierter Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, s. Lieder/ Hoffmann, AG 2020, R172, R175. 123

III. Das Vorstandsmitglied als Verbraucher

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vermag. Die Weisungsgebundenheit infolge Konzernierung soll der gesetzlichen Konzeption nach die Ausnahme bilden. Mit Hilfe dieses Pendelblicks ins Konzernrecht soll daher nur aufgezeigt werden, dass die pauschale Aussage, das Vorstandsmitglied sei stets weisungsfrei und könne angesichts dessen per se nicht unselbständig sein, in dieser Simplifizierung nicht verfangen kann. bb) Trennung von Anstellungsverhältnis und Organstellung Ist die oftmals als maßgeblicher Unterschied zwischen GmbH-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied bezeichnete Weisungsgebundenheit bzw. -freiheit mithin schon nicht in jeder Konstellation als wesentliches Unterscheidungsmerkmal geeignet, so ist zudem die bereits erläuterte Trennungstheorie – die eine wesentliche Gemeinsamkeit ausmacht – zu beachten: Wie dargelegt, ist auch beim Vorstand einer Aktiengesellschaft zwischen der Ebene des Anstellungsvertrags und der Ebene der Organstellung zu differenzieren.127 Soweit aber diese beiden Ebenen nicht zwangsläufig dasselbe rechtliche Schicksal teilen, kann nicht auf der Grundlage faktischer Betrachtung eine Gleichstellung erfolgen. Konkreter: Die Weisungsfreiheit, die von einigen Literaten zur Begründung der Unternehmereigenschaft des Vorstandsmitglieds ins Feld geführt wird, ist ein Charakteristikum der Organstellung. Eine unbesehene Berücksichtigung dieses Charakteristikums zur Beurteilung des Anstellungsvertrags würde eine Aushöhlung der Trennungstheorie bedeuten. Die Ausführungen, die diesbezüglich zum GmbH-Geschäftsführer getroffen wurden,128 können damit entsprechend greifen. cc) Die Gesellschaft als ausschließliches Haftungssubjekt Hinzukommt – und dies mag das gewichtigste Argument sein –, dass auch im Aktienrecht das Prinzip der Trennung der juristischen Person von ihren Gesellschaftern gilt: Das wirtschaftliche Risiko des Vorstandshandelns trägt der rechtlichen Konstruktion nach die Gesellschaft, die nach § 1 Abs. 1 S. 1 AktG eine eigene Rechtspersönlichkeit aufweist.129 Wie in der GmbH haftet gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 AktG den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen, sodass eine persönliche Haftung der Aktionäre für Verbindlichkeiten der Gesellschaft oder eine persönliche 127 Hierzu BGH, Urt. v. 28. 10. 2002 – II ZR 146/02, NJW 2003, 351; Urt. v. 26. 06. 1995 – II ZR 109/94, DStR 1995, 1639, 1640; Beschl. v. 28. 05. 1990 – II ZR 245/89, GmbHR 1990, 345, 346; Urt. v. 29. 05. 1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683; Urt. v. 14. 07. 1980 – II ZR 161/79, NJW 1980, 2415; Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, 4. Aufl. 2017, § 84 Rn. 1; GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 16 ff., 23; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 4; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 10; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 7 f.; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 2; Seitz, FS Wegen, 2015, S. 517 f.; Werner, NZA 2015, 1234 f., s. oben unter Gliederungspunkt A. III. 1. 128 S. Gliederungspunkt E. II. 3. b). 129 Exemplarisch zur Rechtsfähigkeit Hölters/Solveen, AktG, 3. Aufl. 2017, § 1 Rn. 4; Spindler/Stilz/Fock, AktG, 4. Aufl. 2019, § 1 Rn. 12 f.

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

Haftung des Vorstandes vorbehaltlich spezieller Vorschriften grundsätzlich ausgeschlossen ist.130 Auch der AG kommt mithin zuordnungsrechtlich Selbständigkeit zu, was unabhängig von der jeweiligen Höhe der Beteiligung der Gesellschafter gilt. Damit ist das zum GmbH-Geschäftsführer Gesagte übertragbar: Das Vorstandsmitglied trägt, selbst wenn es zugleich Mehrheitsaktionär ist, rechtlich nicht das wirtschaftliche Risiko unmittelbar selbst – und das unabhängig davon, ob und in welcher Höhe es Aktien an seiner Anstellungsgesellschaft hält. Es übt seine Tätigkeit nicht für sich selbst, sondern fremdnützig im Verantwortungsbereich der AG aus.131 Auch wenn sich seine Vergütung teilweise aus variablen Vergütungsbestandteilen zusammensetzt, die von der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft abhängig sind, ergeben sich insoweit nur mittelbare Auswirkungen. Angesichts dessen ist von einer unselbständigen beruflichen Tätigkeit auszugehen. dd) Paradoxe Ergebnisse bei Berücksichtigung einer Änderung der Beteiligungshöhe Dass die Annahme der Verbraucherstellung unabhängig von der Beteiligungshöhe richtig ist, zeigt sich auch anhand eines weiteren Aspekts: Wie bereits dargelegt, ist für die Beurteilung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Spätere Änderungen der Zwecksetzung bleiben unberücksichtigt.132 Wenn man nun nach der Höhe der Beteiligung differenziert, können sich bei der Änderung der Beteiligungshöhe, die jederzeit möglich ist, paradoxe Ergebnisse ergeben.133 Ein Beispiel verdeutlicht dies: Nimmt man – wie ein großer Teil der Stimmen im Schrifttum sowohl für den GmbH-Geschäftsführer als auch für das Vorstandsmitglied – an, der Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer sei als Verbraucher anzusehen, der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer aber nicht, dann muss man konsequenterweise sagen, dass der Geschäftsführer bzw. das Vorstandsmitglied, das bei Abschluss seines Anstellungsvertrags über eine 50 %-ige Beteiligung verfügt, Verbraucher ist. Erwirbt der GesellschafterGeschäftsführer dann aber unmittelbar nach Abschluss des Anstellungsvertrags weitere Mitgliedschaftsrechte, sodass er eine 51 %-ige Beteiligung – nunmehr also eine Mehrheitsbeteiligung – aufweist, ist er immer noch Verbraucher, da es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt.

Führt man das Beispiel ins Extrem, so erscheint es möglich, dass der Vorstand, der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses über keine Anteile seiner Anstellungsgesellschaft verfügt, zeitnah Großaktionär wird. Dieses Vorstandsmitglied dann als Ver130 Hölters/Solveen, AktG, 3. Aufl. 2017, § 1 Rn. 7; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 1 Rn. 8; Spindler/Stilz/Fock, AktG, 4. Aufl. 2019, § 1 Rn. 35 f. 131 So auch Oetker, FS Buchner, 2009, S. 697; Poelzig, NZG 2020, 41, 46; in diese Richtung auch Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, 2. Aufl. 2020, § 11 Rn. 160b. 132 BGH, Urt. v. 27. 06. 2000 – XI ZR 322/98, NJW 2000, 3496, 3497 f.; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 3 BGB Rn. 7; s. zur allgemeinen Definition des Verbrauchervertrags Gliederungspunkt E. I. 133 Ähnlich zum GmbH-Geschäftsführer Koehler, NZG 2019, 1406, 1407.

III. Das Vorstandsmitglied als Verbraucher

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braucher einzuordnen, dasjenige, das bereits bei Abschluss Mehrheitsgesellschafter ist, dagegen nicht, erscheint nicht sachgerecht. Zwar könnte man einwenden, letzteres könne infolge seiner Leitungsmacht im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Regelungen seines Anstellungsvertrages selbst beeinflussen; das ist aber richtigerweise keine Frage der Verbrauchereigenschaft, sondern kann nur im Einzelfall zu einer Versagung AGB-rechtlichen Schutzes führen. Denn, wie bereits dargelegt,134 erscheint etwa bei einem Alleingesellschafter-Geschäftsführer oder auch bei einem Vorstandsmitglied, das eine große Mehrheitsbeteiligung innehat, ein „Verhandeln“ mit sich selbst lebensfern. Wenn also tatsächlich der Fall des Entwurfs eigener anstellungsvertraglicher Bedingungen vorliegt, ist praktisch kein Raum für AGBrechtliche Streitigkeiten. Jedenfalls dürfte aber in einem solchen Fall die Berufung auf die Unwirksamkeit einer selbst entworfenen Klausel nach dem Grundsatz venire contra factum proprium missbräuchlich sein. Eine Frage der Verbrauchereigenschaft ist das aber nicht. b) Zwischenergebnis Zwar unterscheidet sich die Rechtsstellung des Vorstandsmitglieds in erheblicher Weise von der Position des GmbH-Geschäftsführers. Indes ist beiden Personen gemein, dass zum einen nach der Trennungstheorie Anstellungsverhältnis und Organstellung zu trennen sind, sodass die Berücksichtigung organschaftlicher Elemente für die Einordnung des Verbraucherstatus bei Abschluss des Anstellungsvertrags dogmatisch problembehaftet ist. Zum anderen gilt sowohl für die GmbH als auch für die AG die zuordnungsrechtliche Selbständigkeit der juristischen Person des deutschen Privatrechts. Unter diesem Aspekt treffen unmittelbare wirtschaftliche Folgen des Vorstandshandelns ausschließlich die juristische Person. Das Handeln des Vorstandsmitglieds zeichnet sich zudem durch Fremdnützigkeit aus; sieht man die verbraucherschutzrechtliche Definition der Selbständigkeit darin, autonom unternehmerisch zu handeln, mit dem Bewusstsein, durch das eigene Handeln unmittelbare wirtschaftliche Verluste erleiden oder Vorteile generieren zu können, kann das Vorstandsmitglied bei Abschluss seines Dienstvertrags nicht als Unternehmer eingeordnet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob sich der Großteil der Vergütung aus variablen Bestandteilen ergibt, und damit eine proportionale Entwicklung der maßgeblichen Vergütung zur wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft besteht – denn hierbei handelt es sich nur um mittelbaren Einfluss. Noch deutlicher wird die Notwendigkeit der Beachtung der Grundsätze in Konzernkonstellationen, die in der Rechtswirklichkeit eine breite Fläche einnehmen: Wenn das Vorstandsmitglied in einer aufgrund eines Beherrschungsvertrags abhängigen AG oder in einer eingegliederten AG tätig ist, agiert es nicht weisungsfrei. Dann aber müsste man in Aushebelung der Trennungstheorie konsequenterweise sagen, dass dann ein Verbrauchervertrag vorliegt – bei Unabhängigkeit einer AG oder 134

S. oben unter Gliederungspunkt E. II. 4.

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

Abhängigkeit im Rahmen eines faktischen Konzerns aber nicht. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Konzernstrukturen und der Möglichkeit ihrer jederzeitigen Änderung birgt diese Betrachtung weitreichende Verkomplizierungen und damit einhergehende Rechtsunsicherheiten. Überdies drängt sich der Vorwurf der Willkür auf: Das gleiche Vorstandsmitglied wäre bei identischem Kenntnis- und Erfahrungsstand bei Abschluss seines Anstellungsvertrags mit einer aufgrund eines Beherrschungsvertrags abhängigen AG sowie mit einer unabhängigen AG nach dieser Argumentation einmal als Verbraucher und einmal als Unternehmer zu kategorisieren – das kann nicht überzeugen. c) Arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Behandlung steht nicht entgegen Dieser Beurteilung steht auch die arbeitsrechtliche Behandlung nicht entgegen. Zwar ist das Vorstandsmitglied mangels persönlicher Abhängigkeit kein Arbeitnehmer. Jedoch erfordert die Unselbständigkeit bei Abschluss des Dienstvertrags vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des Verbraucherbegriffs – wie bereits dargelegt135 – keine persönliche Abhängigkeit i.S.d. Arbeitnehmerbegriffs. Wenn man den Arbeitnehmer bei Abschluss seines Arbeitsvertrags zutreffend als Verbraucher einordnet, bedeutet dies nicht, dass im Umkehrschluss jeder Nicht-Arbeitnehmer bei Abschluss eines Dienstvertrags im Rahmen einer selbständigen beruflichen Tätigkeit i.S.d. § 14 Abs. 1 BGB tätig wird.136 Vielmehr ist im Rahmen der Bestimmung des Verbrauchergeschäfts von gewichtigerer Bedeutung, ob die Person kontextual selbstbestimmt und in eigener Verantwortung handelt. Zwar eint das Arbeitsrecht und das Verbraucherschutzrecht das Ziel, Paritätsdefizite durch kompensatorische Regelungen zu beseitigen.137 Es geht jedoch im Verbraucherschutzrecht nicht um den Aspekt der sozialen Schutzbedürftigkeit, der im Arbeitsrecht Relevanz erlangt.138 Dann aber erscheint es nicht systemkonform, für die Bestimmung der Selbständigkeit im Verbraucherschutzrecht dieselben Maßstäbe anzulegen wie im Arbeitsrecht.139 Angesichts der Erforderlichkeit einer autonomen Auslegung des Begriffs widerspricht mithin die Versagung der Arbeitnehmereigenschaft nicht der Annahme einer Unselbständigkeit i.S.v. § 13 BGB. 135

S. Gliederungspunkt E. I. 2. So zutreffend ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 611a BGB Rn. 182; a.A. Wank, RdA 2011, 178 f. mit der Argumentation, sowohl das Verbraucherschutzrecht als auch das Arbeitsrecht seien „Schutzsysteme zugunsten Schwächerer“, die keine abweichende Beurteilung rechtfertigen würden. 137 Preis, SR 2019, 153, 155; allgemein zum Schutzzweck des Verbraucherrechts Bülow/ Artz/Bülow, Verbraucherkreditrecht, 10. Aufl. 2019, Einf. Rn. 44; Lederer, NJOZ 2011, 1833, 1837; Pfeiffer, NJW 2011, 1, 2. 138 Bülow/Artz/Bülow, Verbraucherkreditrecht, 10. Aufl. 2019, Einf. Rn. 43 f. 139 A.A. Wank, RdA 2011, 178 ff., der eine Kongruenz zwischen den Gegensatzpaaren Unternehmer/Verbraucher und Arbeitnehmer/Arbeitgeber annimmt. 136

III. Das Vorstandsmitglied als Verbraucher

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Ähnliche Erwägungen gelten für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung. In den Zweigen der Renten- und Arbeitslosenversicherung sind Vorstandsmitglieder gemäß § 1 S. 3 SGB VI bzw. § 27 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 SGB III ausdrücklich versicherungsfrei in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören.140 Das Motiv des Gesetzgebers für die Schaffung der Versicherungsfreiheit war die Annahme der fehlenden sozialen Schutzwürdigkeit von Vorstandsmitgliedern, die angesichts ihrer herausragenden und ökonomisch starken Position hier keines Schutzes bedürften.141 Für die anderen Versicherungszweige, namentlich die Kranken-, Pflege und Unfallversicherungen fehlen explizite Vorschriften, sodass zur Bestimmung der Versicherungspflicht auf die allgemeinen Regeln zurückzugreifen ist. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 SGB IV sind für die einzelnen Versicherungszweige unter anderem solche Personen versichert, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Der Begriff des Arbeitsentgelts wird in § 14 Abs. 1 SGB IV legaldefiniert und umfasst danach grundsätzlich alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung. Unter Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere aus einem Arbeitsverhältnis zu verstehen, die gemäß S. 2 insbesondere durch Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers charakterisiert wird. Maßgeblich ist mithin, ob sich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung eine persönliche Abhängigkeit – und insoweit zeigt sich eine weitreichende Parallele zum Arbeitsrecht – vom Auftraggeber ergibt.142 Nach diesen Maßstäben fällt die Beurteilung des Vorstandsmitglieds unterschiedlich aus: Während in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung überwiegend angenommen wird, dass Vorstände von Aktiengesellschaften trotz ihrer Leitungsmacht abhängig beschäftigt seien,143 lehnt etwa der zweite Senat des BSG unter breiter Zustimmung in der Literatur eine Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV ab.144 Ob Vorstandsmitglieder einer AG als unselbständig Beschäftigte i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV anzusehen sind, mit der Folge, dass sie der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung unterfallen, kann jedoch hier dahinstehen. Der sozialversicherungsrechtliche Beschäftigtenbegriff ist ein „zweiseitig zwingender, öffentlich140 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 471; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 40; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 30; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 11 Rn. 4, 6. 141 BSG, Urt. v. 02. 03. 2010 – B 12 AL 1/09 R, NZS 2011, 75, 77, Rn. 18; Urt. v. 09. 08. 2006 – B 12 KR 3/06 R, NZG 2007, 32, 33, Rn. 16; LSG Baden-Württemberg, LSG Baden-Württemberg Urt. v. 21. 11. 2018 – L 2 BA 1487/18, BeckRS 2018, 35201, Rn. 15; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 11 Rn. 4. 142 BT-Drs. 7/4122, S. 31; BeckOK-Sozialrecht/Rittweger, 56. Edt., Stand: 01. 03. 2020, § 7 SGB IV Rn. 4; Grambow, AG 2010, 477; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 11 Rn. 7. 143 BSG, Urt. v. 27. 02. 2008 – B 12 KR 23/06 R, BeckRS 2008, 54574, Rn. 16; Urt. v. 19. 06. 2001 – B 12 KR 44/00 R, NZA-RR 2002, 494, 496; Urt. v. 31. 05. 1989 – 4 RA 22/88, NZA 1990, 668, 669; differenzierend nach Anteilshöhe LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 07. 08. 2013 – L 9 KR 269/11, DStR 2013, 2779. 144 BSG, Urt. v. 14. 12. 1999 – B 2 U 38/98 R, NZA-RR 2000, 434; GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 470; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 40; Spindler/Stilz/ Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 30; Grambow, AG 2010, 477, 478.

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

rechtlicher Statusbegriff“145 ; während dies die Kategorisierung eines Rechtssubjekts aufgrund bestimmter, dieses Rechtssubjekt betreffende Eigenschaften bedingt, geht es bei der Unterscheidung zwischen Unternehmer und Verbraucher um die Rolle des Rechtssubjekts im Kontext des konkreten Vertrags.146 Die Kriterien zur Bestimmung der Selbständigkeit im Sozialrecht sind zudem unter Berücksichtigung des Gedankens der sozialen Absicherung147 nicht auf die Bestimmung der selbständigen beruflichen Tätigkeit i.S.d. § 14 Abs. 1 BGB übertragbar.148 Im Gegenteil kommt es im Sozialrecht angesichts seines Schutzzwecks auf das Vorliegen einer wirtschaftlich schwächeren Position und einer daraus resultierenden sozialen Schutzbedürftigkeit an,149 die bei der Bestimmung, ob ein Verbrauchergeschäft vorliegt, zu Recht gänzlich ausgeblendet wird. Auch wenn man das Vorstandsmitglied daher als selbständig i.S.d. Sozialversicherungsrechts begreift, steht dies mangels einheitlicher Auslegung des Begriffs der Selbständigkeit der Annahme der Verbrauchereigenschaft bei Abschluss seines Anstellungsvertrags jedenfalls nicht entgegen. Und Gleiches gilt für die Vorschriften zum Verbraucherinsolvenzverfahren gemäß den §§ 304 ff. InsO: Bei der Bestimmung der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.v. § 304 Abs. 1 InsO kommt es allein auf die insolvenzrechtliche Perspektive an. Danach sollen die §§ 304 ff. InsO zur Anwendung gelangen, wenn die Vermögens- und Verschuldensstruktur des Schuldners diejenige eines typischen Verbrauchers ist – ein Rückgriff auf die arbeitsrechtliche Selbständigkeitsdefinition ist hierbei ebenso wenig möglich wie die Anwendung von § 13 BGB.150 Ob eine bestimmte Tätigkeit selbständig ist, bedarf also stets autonomer Bestimmung.

4. Eine Ordnung der Zwischenergebnisse: Das Vorstandsmitglied ist Verbraucher Das Vorstandsmitglied einer AG ist bei Abschluss seines Anstellungsvertrags Verbraucher i.S.d. § 13 BGB, denn es schließt den Vertrag zu einem Zweck ab, der weder seiner gewerblichen noch seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Unmittelbar trägt die AG das wirtschaftliche Risiko seines Handelns, was die Selbständigkeit des Vorstandsmitglieds qua definitionem ausschließt. Dies gilt wie beim GmbH-Geschäftsführer unabhängig davon, ob es Anteile an seiner Anstellungsgesellschaft hält, da sich durch eine etwaige Beteiligung al145

Greiner, NZS 2009, 657, 659. Schmidt, JuS 2006, 1. 147 Hierzu BSG, Urt. v. 04. 06. 2019 – B 12 R 11/18 R, DStR 2019, 2429, 2431, Rn. 19; Ruland, NZS 2019, 681, 693. 148 Insofern bedenklich Hümmerich, NZA 2006, 709, 710 f.; a.A. auch Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2339. 149 BSG, Urt. v. 02. 03. 2010 – B 12 AL 1/09 R, NZS 2011, 75, 77, Rn. 18; Urt. v. 09. 08. 2006 – B 12 KR 3/06 R, NZG 2007, 32, 33, Rn. 16; LSG Baden-Württemberg, LSG Baden-Württemberg Urt. v. 21. 11. 2018 – L 2 BA 1487/18, BeckRS 2018, 35201, Rn. 15; BeckOK-Sozialrecht/Rittweger, 56. Edt., Stand: 01. 03. 2020, § 7 SGB IV Rn. 4. 150 Andres/Leithaus/Andres, InsO, 4. Aufl. 2018, § 304 Rn. 6 m.w.N. 146

IV. Auswirkungen auf die AGB-Kontrolle

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lenfalls mittelbar ökonomische Auswirkungen ergeben können. Zur Begründung der Unternehmereigenschaft kann vor dem Hintergrund der Trennung von Organstellung und Anstellungsverhältnis auch nicht ausschließlich auf die aufgrund der Leitungsmacht gemäß § 76 Abs. 1 AktG gewährleistete Weisungsfreiheit verwiesen werden. Diese stellt zum einen – in dogmatisch strenger Trennung – ein Charakteristikum der Organstellung und nicht des Dienstvertrags dar. Zum anderen finden sich in Konzernkonstellationen oftmals Ausnahmen vom Grundsatz der Weisungsfreiheit, sodass der pauschale Verweis auf die Weisungsfreiheit zur Begründung der Unselbständigkeit nicht verfangen kann. Dass das Vorstandsmitglied nach zutreffender herrschender Meinung weder als Arbeitnehmer noch als Beschäftigter i.S.d. Sozialversicherungsrechts einzuordnen ist, steht der Beurteilung nicht entgegen, denn die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Bestimmung der Unselbständigkeit durch das Kriterium der persönlichen Abhängigkeit bzw. der sozialen Schutzbedürftigkeit kann vor dem Hintergrund eines abweichenden Schutzzwecks des Verbraucherschutzrechts nicht übertragen werden; vielmehr bedarf es einer autonomen Bestimmung.

IV. Auswirkungen auf die AGB-Kontrolle Da der Vorstandsvertrag einen Verbrauchervertrag darstellt, wird gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 – 3 BGB der AGB-rechtliche Kontrollmaßstab angepasst, was den Vorgaben der Richtlinie 93/13/EWG Rechnung trägt. 1. Fiktion des Stellens Zunächst stellt § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB fest, dass AGB als vom Unternehmer gestellt gelten, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden. Durch diese Fiktion wird der Nachweis des Merkmals Stellen obsolet. Etwas anderes kann sich nach der ausdrücklichen Fassung der Norm nur ergeben, wenn der Verbraucher sie eingeführt hat, etwa wenn er einen Rechtsanwalt mit dem Entwurf der Vertragsbedingung beauftragt hat oder selbst einen vorformulierten Standardvertrag vorlegt.151 Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Richtlinie 93/13/ EWG kann eine spontane Übereinkunft der Parteien im Hinblick auf ein bestimmtes Formular nicht genügen. Im Gegenteil bedarf es eines Drängens des Verbrauchers auf den Einbezug einer bestimmten Klausel,152 was ohnehin lediglich bei für ihn günstigen Bedingungen denkbar erscheint. Als Rechtsfolge beschränkt sich § 310 151

BeckOK-BGB/Becker, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 310 Rn. 16; MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 310 Rn. 96; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, 12. Aufl. 2016, § 310 BGB Rn. 75; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 3 BGB Rn. 16. 152 BeckOK-BGB/Becker, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 310 Rn. 16; ähnlich MüKoBGB/ Basedow, 8. Aufl. 2019, § 310 Rn. 96; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 3 BGB Rn. 16.

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

Abs. 3 Nr. 1 BGB auf die Fiktion des Stellens und führt, soweit eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbestimmung gegeben ist, zur vollen Anwendbarkeit des AGB-Rechts. Jedoch dürfte das Vorlegen eines Vertrags durch das Vorstandsmitglied selbst oder auch durch seinen Rechtsanwalt in der Praxis sehr selten der Fall sein. Im Regelfall dürfte es dem Vorstandsmitglied daher auch ohne die Fiktion des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB keine Schwierigkeiten bereiten, nachzuweisen, dass die Vertragsbedingungen durch die AG eingeführt wurden, sodass der Norm eher geringe praktische Bedeutung beizumessen ist. 2. Kontrolle vorformulierter Individualbestimmungen Gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB sind § 305c Abs. 2 BGB und die §§ 306 und 307 bis 309 BGB sowie Art. 46b EGBGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann anwendbar, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Durch diese „europäisch inspirierte, deutliche Ausweitung“153 des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs sind auch vorformulierte Individualbestimmungen überprüfbar. Entbehrlich ist damit das von § 305 Abs. 1 BGB genannte Kriterium, dass die Bestimmung für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sein muss. Die Individualklauseln müssen nicht zwangsläufig vom Unternehmer vorformuliert sein; sie können auch von einem Dritten stammen.154 Jedoch muss schon vor Vertragsschluss eine von dem Unternehmer oder einem Dritten entworfene Textfassung bestehen, die nicht auf Vorverhandlungen mit dem Verbraucher basiert.155 Vorausgesetzt wird zudem, dass der Verbraucher wegen der Vorformulierung auf die inhaltliche Bestimmung keinen Einfluss nehmen konnte. Es gelten dabei die zu § 305 Abs. 1 S. 3 BGB dargestellten Maßstäbe:156 Maßgeblich ist, ob der Unternehmer „den gesetzesfremden Kerngehalt seiner Allgemeinen Geschäftsbedingung inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zu153

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 3 BGB Rn. 18; ähnlich Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, 12. Aufl. 2016, § 310 BGB Rn. 79. 154 BeckOK-BGB/Becker, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 310 Rn. 18; differenzierend MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 310 Rn. 101; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 3 BGB Rn. 22; strenger auch Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, 12. Aufl. 2016, § 310 BGB Rn. 81: „dem Unternehmer zurechenbar“. 155 Clemenz/Kreft/Krause/Kreft, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 310 Rn. 28. 156 BAG, Urt. v. 26. 10. 2017 – 6 AZR 158/16, AP BGB § 622 Nr. 74, Rn. 23; Urt. v. 12. 12. 2013 – 8 AZR 829/12, NJW 2014, 2138, 2140, Rn. 31; Urt. v. 19. 05. 2010 – 5 AZR 253/09, NJW 2010, 2827, 2829, Rn. 25; Urt. v. 25. 05. 2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111, 1116; Clemenz/Kreft/Krause/Kreft, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 310 Rn. 29 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 3 BGB Rn. 21; Schmitt-Rolfes, FS Hromadka, 2008, S. 398; a.A. Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, 12. Aufl. 2016, § 310 BGB Rn. 85, wonach die ernsthaft gemeinte Bereitschaft des Verwenders, auf Änderungswünsche einzugehen, genügt; ähnlich auch Coester-Waltjen, FS Medicus, 1999, S. 63, 69; Kaufhold, DNotZ 1998, 254, 263; Wolf, FS Brandner, 1996, S. 304.

IV. Auswirkungen auf die AGB-Kontrolle

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mindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen“157. Die Anforderungen sind, wie bereits ausführlich erläutert, zu Recht streng und regelmäßig nur bei der Umgestaltung der betreffenden Klausel gewahrt. Somit wird sich in vielen Fällen die Eröffnung des AGB-rechtlichen Geltungsbereichs bereits dann ergeben, wenn dem Verbraucher ein für die einmalige Verwendung vorgesehenes vorformuliertes Klauselwerk vorgelegt wird. Auf diese Weise wird die Überprüfung vorformulierter Individualbestimmungen anhand AGBrechtlicher Maßstäbe ermöglicht. Freilich ergibt sich damit oftmals kein deutlicher Unterschied zu den allgemeinen Regeln, die eine Vorformulierung für eine Vielzahl von Verträgen verlangen. Denn eine Mehrfachverwendung wird bereits dann angenommen, wenn mindestens die dreimalige Verwendung der Vertragsbedingungen beabsichtigt ist.158 Da eine mehrmalige Verwendung eines vorformulierten Vorstandsanstellungsvertrags jedenfalls bei börsennotierten AGs regelmäßig nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint – vielmehr insbesondere in Konzernen gängiger Praxis entspricht – dürfte § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB den Anwendungsbereich des AGB-Rechts insofern kaum merklich erweitern.159 Die Vorschrift erlangt aber Relevanz für kleinere, nicht börsennotierte AGs, die auch bei Formularverträgen zur einmaligen Verwendung die Schranken des AGB-Rechts wahren müssen. 3. Berücksichtigung der den Vertragsschluss begleitenden Umstände Auswirkungen auf den Maßstab der Inhaltskontrolle hat die Berücksichtigung der vertragsschlussbegleitenden Umstände gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB. Die Norm setzt Art. 4 Abs. 1 RL 93/13/EWG um, wonach die Missbräuchlichkeit einer Klausel anhand „aller den Vertragsabschluß begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt“ wird. Erwägungsgrund 16 führt diesbezüglich beispielhaft auf, es sei „besonders zu berücksichtigen, welches Kräfteverhältnis zwischen den Verhandlungspositionen der Parteien bestand, ob auf den Verbraucher in irgendeiner Weise eingewirkt wurde, seine Zustimmung zu der Klausel zu geben, und ob die Güter oder Dienstleistungen auf eine Sonderbestellung des Verbrauchers hin verkauft bzw. erbracht wurden“. In Umsetzung der Richtlinie normiert § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, dass „bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 […] auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen“ sind. Ausgangspunkt der Bestimmung ist, dass der Kontrollmaßstab der §§ 307 – 309 BGB grundsätzlich eine 157 St. Rspr., s. zuletzt BGH, Urt. v. 20. 03. 2018 – X ZR 25/17, NJW 2018, 2039; Urt. v. 22. 10. 2015 – VII ZR 58/14, NZBau 2016, 213, 215; Urt. v. 20. 03. 2014 – VII ZR 248/13, NJW 2014, 1725, 1727; Urt. v. 22. 11. 2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856; ausführlich unter Gliederungspunkt D. II. 1 a). 158 BGH, Urt. v. 27. 09. 2001 – VII ZR 388/00, NJW 2002, 138, 139; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 305 BGB Rn. 16; s. auch Gliederungspunkt B. II. 1. 159 So auch MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 310 Rn. 99.

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

abstrakt-generelle Überprüfung der gegenständlichen Klausel verlangt. Dies bedeutet, dass eine Beurteilung der Missbräuchlichkeit zunächst unabhängig von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls erfolgt. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB modifiziert dies für Verbraucherverträge nun dahingehend, dass darüber hinaus konkret-individuelle Umstände einzubeziehen sind.160 Dies betrifft die Berücksichtigung sämtlicher Umstände, die den Vertragsschluss geprägt haben oder mit dem Vertrag in sonstiger Weise in Verbindung stehen. Umstritten ist dabei, ob sich die konkret-individuellen Umstände in beide Richtungen, also nicht nur zu Gunsten, sondern auch zu Lasten des Verbrauchers auswirken können; konkreter, ob eine anhand abstrakt-genereller Maßstäbe missbräuchliche Klausel sich im Einzelfall als wirksam darstellen kann, wenn entsprechende individuell-konkrete Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass eine rollenspezifische Unterlegenheit des Verbrauchers nicht gegeben ist.161 Dagegen wird das Grundanliegen des Verbraucherschutzes angeführt, die Rechtsstellung des Verbrauchers zu verbessern.162 Der Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 RL 93/13/EWG sowie des § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB sehen jedoch keine Einschränkungen vor. Vielmehr spricht die Fassung der beiden Normen für eine Berücksichtigung in beide Richtungen: Indem die Fassung keine Beschränkung der Berücksichtigung auf lediglich für den Verbraucher günstige Umstände vornimmt, vermögen sowohl vor- als auch nachteilige Umstände erfasst zu sein.163 So scheint es auch das BAG zu sehen: Sofern die Umstände des Einzelfalls Einzug in die Überprüfung finden, kann nach Ansicht des BAG „die Berücksichtigung dieser Umstände […] sowohl zur Unwirksamkeit einer nach generell-abstrakter Betrachtung wirksamen Klausel als auch zur Wirksamkeit einer nach typisierter Inhaltskontrolle unwirksamen Klausel führen“164. Aus 160 Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, 12. Aufl. 2016, § 310 BGB Rn. 93; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 3 BGB Rn. 30; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2193; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 16 Rn. 477; v. Westphalen, VuR 2019, 93, 97. 161 Zum Streitstand Clemenz/Kreft/Krause/Kreft, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 310 Rn. 39; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 3 BGB Rn. 35; s. hierzu auch Bunte, DB 1996, 1389, 1390; Michalski, DB 1999, 677, 678 f. 162 Clemenz/Kreft/Krause/Kreft, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 310 Rn. 39; in diese Richtung auch Michalski, DB 1999, 677, 679 f. 163 OLG Jena, Urt. v. 04. 06. 2014 – 2 U 1014/13, BeckRS 2014, 11854, Ls. 2; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 17. 11. 2000 – 25 U 226/99, NJW-RR 2001, 780; MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 310 Rn. 114; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 49; Brandner, MDR 1997, 312, 314; Bunte, DB 1996, 1389, 1390; Heinrichs, NJW 1993, 1817, 1820; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 16 Rn. 481; a.A. BeckOK-BGB/ Becker, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 310 Rn. 21; Clemenz/Kreft/Krause/Kreft, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 310 Rn. 39; Michalski, DB 1999, 677, 679; zweifelnd auch Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 3 BGB Rn. 35. 164 BAG, Urt. v. 28. 09. 2017 – 8 AZR 67/15, NZA 2018, 589, 592, Rn. 28; Urt. v. 15. 11. 2016 – 3 AZR 582/15, NZA 2017, 1058, 1066 f., Rn. 71; Urt. v. 21. 04. 2016 – 8 AZR 474/14; NZA 2016, 1409, 1416, Rn. 69; Urt. v. 21. 08. 2012 – 3 AZR 698/10, NZA 2012, 1428, 1430, Rn. 27; Urt. v. 18. 12. 2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519, 524, Rn. 49; Urt. v. 31. 08. 2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324, 328, Rn. 46.

IV. Auswirkungen auf die AGB-Kontrolle

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der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich nichts Abweichendes: Zwar hat der EuGH, soweit ersichtlich, in einschlägigen Entscheidungen lediglich solche Umstände thematisiert, die sich – wie eine besondere Expertise des Gewerbebetreibenden – zu Gunsten des Verbrauchers ausgewirkt haben.165 Dies bedeutet aber nicht, dass im Umkehrschluss Einzelfallumstände zu Lasten des Verbrauchers den Vorgaben der Richtlinie widersprechen. Im Gegenteil: Indem ausdrücklich die gesamten Umstände für die Bestimmung der Wirksamkeit einer Vertragsbedingung herangezogen werden müssen, ist offensichtlich, dass dies auch für den Verbraucher nachteilige Umstände erfasst. Damit können sich die konkret-individuellen Umstände sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Verbrauchers auswirken. Zur näheren Betrachtung solcher Umstände, die typischerweise berücksichtigungsfähig erscheinen, bietet sich eine Dreiteilung in rechtliche, situative und persönliche Umstände an.166 a) Rechtliche Umstände Unter die rechtlichen Umstände fallen etwa die Gestaltung des Vertrags, insbesondere verschiedene vor- und nachteilige Regelungen, die im Zusammenspiel kompensierend wirken können.167 Dies betrifft zunächst die formale Gestaltung des Vertragswerks. Sofern dieses insgesamt unübersichtlich ist, kann dies in Bezug auf eine konkrete Vertragsbedingung für einen Verstoß gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sprechen.168 Ebenso betroffen sind aber auch die inhaltliche Gestaltung verschiedener Klauseln und deren Verhältnis zueinander. Auf der einen Seite kann daher im Einzelfall ein Summierungseffekt vorliegen. Dies bedeutet, dass zusammengehörende, jeweils für sich angemessene Klauseln in ihrer Gesamtwirkung eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers verursachen können und auf dieser Grundlage regelmäßig beide unwirksam sind.169 Auf der anderen Seite kann sich ein sog. kompensatorischer Effekt ergeben, wenn eine isoliert betrachtete unangemessene Klausel durch sonstige vorteilhafte Vertragsbedingungen in ihrer Wirkung aufgehoben oder jeweils abgemildert werden kann.170 Erforderlich ist, dass es sich bei der kompensatorischen Regelung um eine gleichwertige handelt. Dies ist dann der Fall, wenn der durch die Regelung verursachte 165

Exemplarisch EuGH, Urt. v. 20. 09. 2017 – C-186/16, BeckRS 2017, 12524 (Andriciuc). Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 3 BGB Rn. 38 ff.; ähnlich Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rn. 406 ff.; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 16 Rn. 478; s. auch Michalski, DB 1999, 677. 167 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 17. 11. 2000 – 25 U 226/99, NJW-RR 2001, 780, 781; Ulmer/Brandner/Hensen/Habersack, 12. Aufl. 2016, Klauseln, Vertragstypen, AGB-Werke, (2) Anstellungsverträge, Rn. 2; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 3 BGB Rn. 39; s. auch Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 16 Rn. 485 ff. 168 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 3 BGB Rn. 39. 169 Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 18. Aufl. 2019, § 35 Rn. 49; Stoffels, AGBRecht, 3. Aufl. 2015, § 16 Rn. 486. 170 Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 18. Aufl. 2019, § 35 Rn. 49; Stoffels, AGBRecht, 3. Aufl. 2015, § 16 Rn. 487. 166

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

Nachteil annähernd gleichwertig mit einem durch eine andere Klausel eingeräumten Vorteil für den Verbraucher ist.171 Hierbei ist allerdings anerkannt, dass eine nachteilige Regelung nur durch eine solche vorteilhafte Klausel kompensiert werden kann, wenn zwischen den beiden Regelungen ein sachlicher Zusammenhang besteht. Erforderlich ist stets eine Wechselbeziehung zwischen den beiden Klauseln.172 Darauf hinzuweisen ist, dass auch bei der Beurteilung von Vertragsbedingungen in einem Vorstandsvertrag das Preisargument nicht greifen kann.173 Danach kann eine bestimmte Preisvereinbarung keinen Einfluss auf die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Klausel haben, da Allgemeine Geschäftsbedingungen unabhängig von einem bestimmten wirtschaftlichen Vorteil keine unangemessene Benachteiligung darstellen dürfen.174 Dies ergibt sich schon daraus, dass bei entsprechend erheblichen ökonomischen Vorteilen dann nahezu jede nachteilige Regelung durchgesetzt werden könnte.175 Das aber steht weder mit dem Schutzgedanken des AGBRechts noch mit dem Verbraucherschutz in Einklang. Vertragsbedingungen, die eine unangemessene Benachteiligung für den Vertragspartner darstellen, können daher grundsätzlich nicht mit Vorteilen auf wirtschaftlicher Ebene gerechtfertigt werden. Konkret in Bezug auf den Anstellungsvertrag heißt das, dass die Gesellschaft sich nicht darauf berufen kann, eine unangemessene Benachteiligung sei aufgrund einer bestimmten Klausel deshalb nicht gegeben, weil eine Kompensation auf der Ebene der Vergütung stattfinde.176 b) Situative Umstände Als situative Umstände können solche berücksichtigt werden, die sich in besonderer Weise auf die Entschließungsfreiheit des Verbrauchers ausgewirkt haben.177 Beispielhaft sind diesbezüglich das Vorliegen einer extremen Überrumpelungssituation178 oder – auf der gegensätzlichen Seite – langwierige und intensive Ver171

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 215 f. BGH, Urt. v. 21. 09. 2016 – VIII ZR 27/16, EnWZ 2017, 126, 127, Rn. 20; Urt. v. 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, NJW 2003, 888, 890 f.; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 18. Aufl. 2019, § 35 Rn. 49; hierzu auch Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1102; Stoffels, AGBRecht, 3. Aufl. 2015, § 16 Rn. 487. 173 Ulmer/Brandner/Hensen/Habersack, 12. Aufl. 2016, Klauseln, Vertragstypen, AGBWerke, (2) Anstellungsverträge, Rn. 2; Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1102. 174 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rn. 145; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 224; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 16 Rn. 493. 175 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rn. 145. 176 Ulmer/Brandner/Hensen/Habersack, 12. Aufl. 2016, Klauseln, Vertragstypen, AGBWerke, (2) Anstellungsverträge, Rn. 2; Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1102; ausführlich zum Ganzen Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 224 f. 177 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rn. 408; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 3 BGB Rn. 40. 178 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 Rn. 49. 172

IV. Auswirkungen auf die AGB-Kontrolle

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handlungen,179 durch die der Verbraucher umfassende Kenntnisse bezüglich der Folgen bestimmter Klauseln erlangt hat, zu nennen. Dies dürfte insbesondere bei Vorstandsanstellungsverträgen häufig zum Tragen kommen. Denn dem Vertragsschluss gehen oftmals Gespräche oder Verhandlungen voraus, die dem Vorstandsmitglied erlauben, sich ausführlich mit den jeweiligen Bedingungen auseinanderzusetzen. Dies kann dann im Einzelfall aufgrund der sich hieraus ergebenden geringeren Schutzbedürftigkeit zum Nachteil des Vorstandsmitglieds berücksichtigt werden. c) Persönliche Umstände Als dritte Kategorie können persönliche Umstände berücksichtigungsfähig sein, die die Verhandlungsstärke des Verbrauchers und sonstige Möglichkeiten, den Inhalt des Vertrags zu beeinflussen, betreffen. Hierunter fallen eine im Einzelfall vorliegende besondere Geschäftsgewandt- oder -erfahrenheit, besondere Qualifikationen oder Fähigkeiten wie beispielsweise juristische Fachkenntnisse.180 Dies kann bei Vorstandsverträgen in besonderem Maße relevant werden: Wie bereits im Kontext der Individualvereinbarung erörtert, weisen (potentielle) Vorstandsmitglieder oftmals – und dies ergibt sich bereits aus den Befugnissen, die ihnen zuteilwerden, und den damit korrespondierenden beruflichen Anforderungen – eine besondere Geschäfts- und Branchenerfahrenheit auf.181 Umso deutlicher wird dies, wenn das Vorstandsmitglied bereits zuvor in einer anderen AG oder als GmbH-Geschäftsführer tätig geworden ist. Dann kann angenommen werden, dass ihm nicht nur die Charakteristika der Tätigkeit, sondern auch typischerweise in Anstellungsverträgen verwendete Vertragsbedingungen hinsichtlich ihres Inhaltes und ihrer Auswirkungen bereits bekannt sind. Aber auch juristische Fachkenntnisse sind bei Vorstandsmitgliedern keine Seltenheit: Zwar ist – zu diesem Ergebnis kam eine Analyse der Personalberatung Odgers Berndtson – nicht mehr wie in den frühen neunziger Jahren jedes dritte Vorstandsmitglied der größten deutschen Unternehmen Jurist. Gleichwohl haben heute noch ca. 8 % der männlichen und 14 % der weiblichen DAXVorstände ein rechtswissenschaftliches Studium absolviert.182 In einem solchen Fall

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Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rn. 408. Clemenz/Kreft/Krause/Kreft, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 310 Rn. 40; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 49; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 310 Abs. 3 BGB Rn. 41; Bauer, FS Wank, 2014, S. 2; Bauer/ Baeck/v. Medem, NZG 2010, 721, 723; Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1102; Preis, SR 2019, 153, 156; ähnlich auch Bunte, DB 1996, 1389, 1392. 181 Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2340; Bauer/Baeck/v. Medem, NZG 2010, 721, 723; Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1102; Seitz, FS Wegen, 2015, S. 522; s. o. unter Gliederungspunkt D. II. 2. c). 182 DAX-Vorstands-Report vom 07. 10. 2019, abrufbar unter https://www.odgersberndtson.com/media/8702/8-dax-vorstands-report-2019-version3.pdf, S. 6 f. (zuletzt abgerufen am 19. 06. 2020). 180

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E. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

dürfte zum Beispiel eine Berücksichtigung der juristischen Kenntnisse angezeigt sein. Sofern hinsichtlich der Berücksichtigung einer besonderen Geschäftsgewandtoder -erfahrenheit oder sonstiger Kenntnisse ein Drehen an der Stellschraube des individuellen Aushandelns i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB eben nicht geboten ist,183 eignet sich jedoch diesbezüglich die Anknüpfung an § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB. Denn die Berücksichtigung der vertragsbegleitenden – und damit auch persönlichen – Umstände ist hier eindeutig gesetzlich verankert und kann durch die einzelfallbezogene Korrektur einer anhand des abstrakt-generellen Maßstabs gefundenen Lösung sachgerechte Ergebnisse erzielen. Und das, ohne dass an der Grenze der Individualvereinbarung unter dem Risiko der Herstellung von Rechtsunsicherheiten und systemkonzeptionellen Bedenken „herumgedoktert“ werden muss. 4. Zwischenergebnis: Die Notwendigkeit der Berücksichtigung verbraucherspezifischer Modifikationen nach § 310 Abs. 3 BGB beim Vorstandsvertrag Die Einordnung des Vorstandvertrags als Verbrauchervertrag führt zu den Modifikationen des AGB-rechtlichen Kontrollmaßstabs nach § 310 Abs. 3 BGB. Damit erübrigt sich nach Nr. 1 der Nachweis eines Stellens durch das Vorstandsmitglied. Nach Nr. 2 unterfallen auch vorformulierte Individualverträge der AGB-Kontrolle, wobei der Verbraucher die Vorformulierung und seine mangelnde Einflussnahme darlegen und beweisen muss. Dies ist insbesondere insofern bedeutend, als die Mehrverwendungsabsicht i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB nicht vorliegen muss – und daher in der Praxis eine große Anzahl an Anstellungsverträgen der AGB-rechtlichen Überprüfung unterliegen wird. Hohe Relevanz kommt auch der Berücksichtigung der vertragsschlussbegleitenden Umstände nach Nr. 3 zu, indem dies die Stellschraube für den Einbezug individuell-konkreter rechtlicher, situativer und persönlicher Umstände – wie einer oftmals gegebenen besonderen Geschäftsgewandtoder -erfahrenheit oder besonderen Qualifikationen – darstellt. Indem unionsrechtlich eine Einzelfallprüfung vorgegeben wird, muss die zunächst vorzunehmende abstrakt-generelle Beurteilung der Wirksamkeit einer Klausel zwingend durch den Einfluss individuell-konkreter Umstände ergänzt werden. Dabei kommt die Berücksichtigung solcher Umstände auch unter Berücksichtigung der Vorgaben der Richtlinie 93/13/EWG nicht nur zu Gunsten, sondern auch zu Lasten des Verbrauchers in Betracht. Dies bedeutet, dass sich eine nach abstrakt-genereller Betrachtung unangemessene Vertragsbedingung im Einzelfall aufgrund der Besonderheit der Vertragsabschlusssituation oder bestimmter Qualifikationen oder Fähigkeiten des jeweiligen Vorstandsmitglieds sich letztlich doch als angemessen darstellen kann. Im Hinblick auf eine typischerweise vorhandene Geschäftserfahrenund -gewandtheit oder teilweise auch juristische Qualifikation vermag dies bei 183

S. Gliederungspunkt D. II. 3.

IV. Auswirkungen auf die AGB-Kontrolle

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Vorstandsanstellungsverträgen regelmäßig zu greifen. Damit kann – auf den ersten Blick paradox – „die Einordnung des Dienstvertrags als Verbrauchervertrag dazu führen, dass die Inhaltskontrolle seltener eine Unwirksamkeit der Klausel nach sich zieht als bei einem gewöhnlichen Dienstvertrag und bei „normalen“ Verbrauchern.“184 Hieraus ergibt sich jedoch kein Widerspruch: Dass das Vorstandsmitglied bei Abschluss seines Anstellungsvertrags als Verbraucher einzuordnen ist, ergibt sich aus seiner fremdnützigen, angestellten Tätigkeit – sagt aber noch nichts über seine persönliche Unter- bzw. Überlegenheit aus, die jedoch durchaus ausschlaggebend für die Beurteilung der Wirksamkeit einer bestimmten Vertragsbedingung sein kann. Die Ausblendung individueller Vorteile würde dagegen den Schutz überdehnen und ginge mit unbilligen Ergebnissen einher.

184 Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 23; insofern die Sinnhaftigkeit der Anwendung anzweifelnd auch Bauer/Baeck/v. Medem, NZG 2010, 721, 723.

F. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen: Zur Notwendigkeit der Anpassung des Kontrollmaßstabs Beim Vorstandsvertrag handelt es um einen Verbrauchervertrag, dem die Besonderheiten des § 310 Abs. 3 BGB zuteilwerden. Im Übrigen gilt jedoch: Da es sich um einen bloßen Dienstvertrag handelt, unterliegt der Anstellungsvertrag der uneingeschränkten AGB-Kontrolle. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB, der bei der Anwendung des AGB-Rechts auf Arbeitsverträge zur angemessenen Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts auffordert und den Rechtsanwender insoweit zu einer Anpassung des Prüfungsmaßstabs selbst im Rahmen der Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit nach § 309 BGB zwingt, kann nicht direkt herangezogen werden.1 Die bloße Auslegung der Vorschrift, die einer rechtsimmanenten Fortbildung stets vorzuziehen ist,2 kann nichts anderes ergeben: § 310 Abs. 4 S. 2 BGB erfasst seinem eindeutigen Wortlaut nach ausschließlich Arbeitsverträge, worunter der Vorstandsvertrag nicht subsumiert werden kann. In der Literatur wird auf dieser Grundlage von einer „AGB-rechtliche[n] Privilegierung des Organmitglieds im Verhältnis zum Arbeitnehmer“3 gesprochen – die im Hinblick auf die geringere Schutzbedürftigkeit des Vorstandsmitglieds als „befremdlich“4 wahrgenommen wird. Auf der anderen Seite könne aber auch die gänzliche Herausnahme aus der AGB-rechtlichen Überprüfbarkeit nicht sachgerecht sein, da dies ein erhebliches Missbrauchspotential berge.5 Insofern bedürfe der Inhaltskontrollmaßstab einer Modifikation, die die Privilegierung gegenüber dem Arbeitnehmer aufhebe.

I. Ermittlung des Modifikationsbedarfs Zuerst stellt sich indes die Frage nach dem Ob eines Modifikationsbedarfs. In der Literatur wird vielfach angeführt, eine Anpassung des AGB-rechtlichen Kontrollmaßstabs bei Organanstellungsverträgen sei vor dem Hintergrund einer Kontra1

BeckOK-ArbR/Jacobs, 55. Edt., Stand: 01. 03. 2020, § 309 BGB Rn. 21; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, Rn. 1044; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, Einf. Rn. 114; Oetker, FS Buchner, 2009, S. 702; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 20; s. bereits Gliederungspunkt B. II. 3. 2 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 24 ff. 3 Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116. 4 Bauer, FS Wank, 2014, S. 2; ähnlich Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, Rn. 1044: „absurd“; Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1102: „freilich irritierend und in der Sache kaum nachvollziehbar“. 5 So zu Recht Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116, 117.

I. Ermittlung des Modifikationsbedarfs

117

diktion zwischen derzeitiger Rechtslage und dringendem Gestaltungsbedürfnis in der Praxis erforderlich.6 Aber wie tief ist die Kluft tatsächlich? Zur Beantwortung muss ein vergleichender Blick auf typischerweise in Anstellungsverträgen enthaltene Regelungen und die einzelnen in den §§ 307 ff. BGB normierten Schutzbestimmungen, insbesondere ihre tatbestandliche Reichweite, geworfen werden. Nur auf diese Weise kann festgestellt werden, wie weit die vermeintliche Privilegierung von Organmitgliedern gegenüber Arbeitnehmern durch uneingeschränkte Geltung des AGB-Rechts besteht und als nicht mehr sachgerecht beurteilt werden kann. Als klärungsbedürftige Problematik verbleibt damit in einem ersten Schritt die Frage, inwieweit die uneingeschränkte AGB-Kontrolle denn tatsächlich unangemessen erscheint und damit der Modifikation bedarf, um dann unter Umständen in einem zweiten Schritt zu erörtern, mit Hilfe welchen rechtlichen Instruments Wertungswidersprüche beseitigt werden können. Konkreter: Es gilt herauszustellen, welche AGB-rechtlichen Normen bei uneingeschränkter Anwendung nicht auf Vorstandsverträge „passen“, weil sie die Besonderheiten des Vorstandsvertrags ihrer Art nach außer Acht lassen. Diesbezüglich ist zunächst abstrakt die Modifikationsbedürftigkeit der Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit gemäß § 309 BGB zu bewerten, um sich in einem weiteren Schritt den Klauselverboten mit Wertungsmöglichkeit nach § 308 BGB sowie den Regelungen gemäß § 307 BGB zuzuwenden. 1. Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit gemäß § 309 BGB Die in den §§ 309, 308 BGB normierten Klauselverbote konkretisieren den allgemeinen Unwirksamkeitsgrund in § 307 BGB durch katalogisierte Aufzählung verschiedener Tatbestände und greifen ausschließlich bei Verträgen gegenüber Verbrauchern ein, § 310 Abs. 1 S. 1 BGB. Der entscheidende Unterschied zwischen § 309 BGB und § 308 BGB besteht dabei darin, dass die Verbote in § 309 BGB keine unbestimmten Rechtsbegriffe enthalten, die Spielraum für richterliche Wertungen lassen.7 Es ist nicht zulässig, die in § 309 BGB genannten Tatbestände durch eine Interessenabwägung im Einzelfall zu ersetzen.8 § 309 BGB bildet also eine Erweiterung zum Katalog des § 308 BGB, indem nach den dort aufgeführten Verboten typische Klauseln aufgrund ihrer besonders benachteiligenden Wirkung nach der gesetzgeberischen Wertung für den Vertragspartner des Verwenders „ohne Wertungsmöglichkeit“ unwirksam sind.9 Angesichts dieser starren Rechtsfolge ist die

6 S. beispielhaft Bauer, FS Wank, 2014, S. 2; Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1103; Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 55 ff.; Schniepp/Giesecke, NZG 2017, 128, 130 f.; Stagat, NZA-RR 2011, 617, 621 f. 7 MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 309 Rn. 2, der jedoch darauf hinweist, dass dieses Prinzip zum Teil – beispielsweise in Nr. 5 lit. b – durchbrochen wird. 8 BT-Drucks. 7/3919, S. 24; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 6. Aufl. 2013, Vor §§ 308, 309 BGB Rn. 4. 9 BT-Drucks. 7/3919, S. 24.

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F. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

Überprüfung der Klauselverbote in § 309 BGB auf ihre Vereinbarkeit mit den Wertungen des Vorstandsvertrags von besonderer Wichtigkeit. Ein erster Blick auf die Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit offenbart indes, dass einige Klauselverbote bei Anstellungsverträgen ohnehin nicht von Relevanz sind, da sie sich bereits tatbestandlich nicht eignen. Das betrifft beispielsweise § 309 Nr. 1, 8a und b, 9, 11, 13 und 15 BGB, die bereits ihrer Art nach auf Kauf-, Miet- oder Darlehensverträge zugeschnitten sind und denen im Kontext des Vorstandsanstellungsvertrags als freiem Dienstvertrag kein Anwendungsbereich zukommt.10 Auch § 309 Nr. 4 BGB, durch den eine Bestimmung, durch die der Verwender von der gesetzlichen Obliegenheit freigestellt wird, den anderen Vertragsteil zu mahnen oder ihm eine Frist für die Leistung oder Nacherfüllung zu setzen, unwirksam ist, vermag im Kontext des Anstellungsvertrags keine erkennbare praktische Bedeutung aufzuweisen. Denn die Dienstleistungspflicht im Rahmen des Anstellungsvertrags hat wie die Arbeitspflicht grundsätzlich Fixschuldcharakter,11 sodass eine Nachholung regelmäßig ausscheiden wird. Ebenso ist die Bedeutung des § 309 Nr. 5 BGB, welcher die Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen in bestimmten Konstellationen verbietet, als gering einzuschätzen. Das liegt daran, dass in der Praxis – wie im Arbeitsrecht – die Vereinbarung von Vertragsstrafen üblicher ist.12 Da sich in Bezug auf die § 309 Nr. 1, 4, 5, 8, 9, 11, 13 und 15 BGB mithin mangels praktischer Anwendbarkeit ohnehin keine Einschränkung anstellungsvertraglicher Gestaltungsfreiheit im Sinne einer Kontradiktion zwischen gesetzlichem Verbot und Gestaltungsbedürfnis ergeben wird, ist diesbezüglich auch keine Anpassung des AGB-rechtlichen Kontrollmaßstabs erforderlich. Anders gesagt: Wenn die Regelungen ihrer Art nach nicht auf Anstellungsverträge passen, dann muss ihre Geltung auch nicht aus teleologischen Erwägungen eingeschränkt werden. Im Fortgang der Arbeit wird sich daher den Klauselverboten des § 309 BGB zugewendet, deren Anwendbarkeit auf Anstellungsverträge möglich und praxisrelevant erscheint. Diese sind jeweils darauf zu untersuchen, ob sich die uneingeschränkte Anwendung aufgrund anstellungsvertraglicher Besonderheiten als unangemessen darstellt und die betreffende Norm deswegen unangewendet bleiben oder sonstwie modifiziert werden muss. Dies kann allerdings nicht abstrakt, sondern nur anhand typischer Klauseln, die sich in Anstellungsverträgen finden, geprüft werden. Konstatiert werden kann an dieser Stelle ausschließlich, dass bestimmte Klauselverbote des § 309 BGB sich mangels praktischen Anwendungsbereichs bereits tatbestandlich nicht zur Einschränkung anstellungsvertraglicher Regelungen eignen und daher keiner Modifikation bedürfen. Einzelnen Klauselverboten nach § 309 BGB, die tatbestandlich bei vorformulierten Vorstandsverträgen greifen können, wie beispielsweise § 309 Nr. 6 BGB, steht aber – sofern ein Rückgriff auf entsprechende 10

Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 30. Ganz h.M., beispielhaft BeckOK-BGB/Baumgärtner, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 611 Rn. 50 m.w.N. 12 Zur Zulässigkeit formularvertraglicher Vertragsstrafen ausführlich unter Gliederungspunkt H. II. 11

I. Ermittlung des Modifikationsbedarfs

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rechtliche Instrumente möglich ist – die Modifikation dem Grunde nach offen. Welche dies betrifft und ob bzw. inwieweit hier der Maßstab der Inhaltskontrolle modifiziert werden muss, kann jedoch erst bei der Prüfung der Angemessenheit der verschiedenen Einzelklauseln präzise festgestellt werden. 2. Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit gemäß § 308 BGB In einem nächsten Schritt ist die Frage zu beantworten, ob es auch im Rahmen der Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit nach § 308 BGB zulässig und geboten ist, zur Berücksichtigung etwaiger vorstandsrechtlicher Besonderheiten eine Änderung des AGB-rechtlichen Kontrollmaßstabs vorzunehmen. Befürworter einer Modifikation auch im Rahmen des § 308 BGB stützen ihre Argumentation mitunter auf ein konkretes Beispiel: Im Schrifttum wird vorgebracht, ein aufzuschlüsselnder Wertungswiderspruch zwischen Anstellungs- und Arbeitsvertrag ergebe sich insbesondere bei Widerrufsvorbehalten, die aufgrund des Flexibilisierungsinteresses der Anstellungsgesellschaft regelmäßig Einzug fänden.13 Hinsichtlich dieser bestehe zwar kein zwingendes Verbot i.S.v. § 309 BGB, jedoch würden derartige Gestaltungen vom Verbot mit Wertungsmöglichkeit gemäß § 308 Nr. 4 BGB erfasst. Damit sei eine Anpassung zwar möglich, „wenn […] die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist“. Dies solle aufgrund der Negativformulierung aber stets der Ausnahmefall, mithin das Verbot der Regelfall bleiben. Das gelte zwar grundsätzlich auch bei Arbeitsverträgen. Das BAG berufe sich hier auf die Besonderheiten des Arbeitsrechts i.S.v. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB, indem beispielsweise sog. Anrechnungsvorbehalte zugelassen würden.14 Bei Vorstandsverträgen würden dem Flexibilisierungsinteresse der Gesellschaft dagegen Hindernisse auferlegt; die Aufnahme von Widerrufsvorbehalten könne somit erschwert werden und daher bedürfe es auch im Rahmen des § 308 BGB einer Anpassung des Prüfungsmaßstabs, um einen Gleichlauf mit dem Arbeitsrecht herzustellen.15

Zwar ist zutreffend, dass nach der gesetzlichen Konzeption des § 308 BGB das Verbot der Regelfall bleiben soll und den Verwender die Darlegungslast für das Eingreifen des Ausnahmetatbestandes trifft.16 Damit sind beispielsweise Klauseln, die zu Gunsten des Verwenders einen Widerrufs- oder Änderungsvorbehalt vorsehen, in der Regel nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Hinsichtlich der Zumutbarkeit muss der Verwender ein Interesse an der Änderungsmöglichkeit darlegen, das an beson-

13

Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116, 117. S. exemplarisch BAG, Urt. v. 01. 03. 2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746, 749, Rn. 33. 15 Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116, 117. 16 Hierzu BT-Drucks. 7/3919, S. 24; s. auch BAG, Urt. v. 21. 03. 2012 @ 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, 617, Rn. 17; Urt. v. 12. 01. 2005 – 5 AZR 364/04, NJW 2005, 1820, 1821; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, 12. Aufl. 2016, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 9; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Dammann, 6. Aufl. 2013, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 61; s. auch MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 308 Rn. 4. 14

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F. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

dere Leistungsumstände gekoppelt ist.17 Dennoch gilt: § 308 BGB enthält ausdrücklich Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit. Das heißt, alle Verbotstatbestände (mit Ausnahme des § 308 Nr. 8 BGB) weisen einen oder mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe auf, die der Konkretisierung durch die Gerichte bedürfen.18 So findet sich neben dem Kriterium der Zumutbarkeit in § 308 Nr. 4 BGB vielfach das Element der (Un-)Angemessenheit (in § 308 Nr. 1 lit. a) und lit. b), 2, 5 lit. a), 7 lit. a) und b) BGB). § 308 Nr. 3 BGB fordert einen „sachlich gerechtfertigten“ Grund. § 308 Nr. 6 BGB stellt auf die „besondere Bedeutung“ einer Erklärung für die Vorformulierung von Zugangsfiktionen ab. Bereits in den Tatbeständen angelegt ist damit die wertende Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe, die nicht nur zulässig, sondern zur Konkretisierung der Tatbestände zwingend erforderlich ist.19 Indem hierdurch weitreichende Wertungsspielräume eröffnet werden, wird dem Rechtsanwender ermöglicht, die Besonderheiten eines bestimmten Vertragstyps einfließen zu lassen, ohne dass eine dem § 310 Abs. 4 S. 2 BGB vergleichbare Regelung vonnöten wäre. Dies wird selbst für das Arbeitsrecht angenommen: Auch im Rahmen der AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsverträge ist anerkannt, dass es zur Ausfüllung der Wertungsspielräume des § 308 BGB keines Rückgriffs auf § 310 Abs. 4 S. 2 BGB bedarf.20 Konsequent ist das, denn es ist – so hat es Stoffels treffend herausgestellt – „im AGB-Recht seit jeher eine Selbstverständlichkeit, die in den jeweiligen Rechtsgebieten geltenden Besonderheiten im Rahmen der vom AGBRecht eröffneten Wertungsspielräume angemessen zur Geltung zu bringen“21. Dann aber wird deutlich, dass bei Vorstandsverträgen insoweit keine Anpassung der Inhaltskontrolle benötigt wird: Zwingende Besonderheiten des Vorstandsvertragsrechts können im Rahmen der Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 308 BGB Einzug nehmen und auf diese Weise den Maßstab der Angemessenheit bestimmen. Eine darüber hinausgehende Anpassung im Sinne eines Rückgriffs auf ein rechtliches Instrument zur Nichtanwendung oder veränderten Anwendung einzelner Vorschriften wäre dann weder notwendig noch sinnvoll: Wenn durch die unbestimmten Rechtsbegriffe bereits vorstandsrechtliche Wertungen einfließen und einer im Regelfall nach § 308 BGB unwirksamen Klausel zur Wirksamkeit verhelfen können, ist die Nichtanwendung des betreffenden Klauselverbots nicht vonnöten. 17 S. hierzu BGH, Urt. v. 30. 06. 2009 – XI ZR 364/08, NJW-RR 2009, 1641, 1642 f., Rn. 24; Urt. v. 15. 11. 2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360, 362, Rn. 21; MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 308 Nr. 4 Rn. 8; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 31 Rn. 796 f.; strenger Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, 12. Aufl. 2016, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 9. 18 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 6. Aufl. 2013, Vor §§ 308, 309 BGB Rn. 6. 19 MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 308 Rn. 2; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, Vor § 307 BGB Rn. 7; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 6. Aufl. 2013, Vor §§ 308, 309 BGB Rn. 6; Winter, BB 2010, 2757, 2759. 20 MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 310 Rn. 135; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 21; in diese Richtung auch Birnbaum, NZA 2003, 944, 949; Winter, BB 2010, 2757, 2759; so für § 307 BGB auch Joost, FS Ulmer, 2003, S. 1199, 1203; a.A. Hromadka, NJW 2002, 2528. 21 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 21.

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Auch wenn also etwa – als konkretes Beispiel – § 308 Nr. 4 BGB auf den ersten Blick problembehaftet erscheint, weil dieser Änderungsvorbehalte für den Regelfall verbietet, muss deswegen nicht der Prüfungsmaßstab angepasst werden. Denn auch in diesem Fall könnte das hohe Flexibilisierungsinteresse der AG bei der Interessenabwägung im Rahmen des Zumutbarkeitselementes Berücksichtigung finden und auf diese Weise trotz der gesetzlichen Vorgabe zur Wirksamkeit der Klausel führen.

Festzuhalten ist damit, dass bei der Überprüfung vorformulierter Klauseln in Vorstandsverträgen auf ihre Vereinbarkeit mit den Klauselverboten des § 308 BGB kein rechtsfortbildendes Instrument benötigt wird, um die Angemessenheit des Prüfungsmaßstabs sicherzustellen.22 Auf welche Weise die unbestimmten Rechtsbegriffe konkret ausgefüllt werden müssen, ist bezogen auf die typischen Einzelklauseln zu erörtern. 3. Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB Durch konkretisierungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe geprägt ist auch die Grundnorm der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Die Generalklausel des § 307 BGB fungiert bei Verbraucherverträgen als Auffangtatbestand, soweit die speziellen Klauselverbote nach §§ 309, 308 BGB tatbestandlich nicht einschlägig sind.23 § 307 Abs. 1 S. 1 BGB normiert, dass AGB unwirksam sind, „wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen“. Eine unangemessene Benachteiligung durch eine Vertragsbestimmung liegt nach ständiger höchstinstanzlicher Rechtsprechung vor, „wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen“24. Ob dies der Fall ist, wird anhand einer umfassenden, abstrakt-generellen Interessenabwägung ermittelt, was die Berücksichtigung des Gegenstands, Zwecks und der Eigenart des gegenständlichen Vertrags einschließt.25 Dabei stellen die Regelbeispiele des § 307 Abs. 2 BGB die widerlegbare Vermutung der Unangemessenheit auf, wenn – so Nr. 1 – die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der ab-

22

So im Ergebnis auch Oetker, FS Buchner, 2009, S. 702 f. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, Vor § 307 BGB Rn. 8; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 5 f., 9. 24 St. Rspr., beispielhaft BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 24; Urt. v. 04. 04. 2018 – IV ZR 104/17, NJW 2018, 1544, 1546, Rn. 18; Urt. v. 30. 03. 2017 – VII ZR 170/16, NZBau 2017, 275, Rn. 17; Urt. v. 14. 07. 2016 – III ZR 387/15, NJW 2016, 2800, 2801, Rn. 9; Urt. v. 04. 07. 2013 – VII ZR 249/12, NJW 2013, 2502, 2503, Rn. 23. 25 BGH, Urt. v. 14. 07. 2016 – III ZR 387/15, NJW 2016, 2800, 2801, Rn. 9; Urt. v. 19. 12. 2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818 f., Rn. 17; MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 307 Rn. 35. 23

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gewichen wird, nicht zu vereinbaren ist26 oder wenn sie – so Nr. 2 – wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.27 Als besondere Form der unangemessenen Benachteiligung findet sich zudem in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB das sog. Transparenzgebot, wonach eine unangemessene Benachteiligung darin liegen kann, dass die gegenständliche Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Die wertungsoffenen Rechtsbegriffe im Rahmen des § 307 BGB müssen durch den Rechtsanwender ausgefüllt werden. Konkret geht es vor allem um die Bestimmung der Unangemessenheit der Benachteiligung. Das Merkmal der Benachteiligung bereitet dabei definiert als Schlechterstellung des Vertragspartners durch eine vertragliche Abrede im Vergleich zur sich ohne die Regelung ergebenden Rechtslage28 auf der Subsumtionsebene keine Probleme. Ob eine Benachteiligung aber unangemessen ist, kann nur im Wege umfassender Interessenanalyse und -gewichtung beurteilt werden.29 Aber auch bei Rückgriff auf die Regelbeispiele in § 307 Abs. 2 BGB müssen der wesentliche Grundgedanke der gesetzlichen Regelungen respektive die wesentlichen Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, ermittelt werden. Auf diese Weise wird ein Spielraum für die Berücksichtigung der Umstände des konkreten Vertrags geradezu vorausgesetzt.30 Zwar verbietet sich hierbei grundsätzlich eine individualisierende Betrachtungsweise.31 Da es sich beim Vorstandsanstellungsvertrag aber um einen Verbrauchervertrag handelt,32 sind gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei der Beurteilung die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen – sodass letztlich doch individuelle Umstände in die Interessenabwägung Einzug erhalten. Daran wird deutlich: Auch im Rahmen der Prüfung einer Klausel anhand des § 307 BGB muss keine Anpassung des Prüfungsmaßstabs erfolgen, da die diesbezüglichen Besonderheiten nicht nur in die Prüfung einfließen können, sondern vielmehr zur Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe einfließen müssen. Dass § 307 BGB uneingeschränkt Anwendung finden kann, ohne dass zwingende Wertungen unterlaufen werden, verdeutlicht ein Erst-Recht-Schluss zu den Ausführungen zu § 308 BGB: Benötigt man keine Modifikation des Prüfungsmaßstabs bei der AGB-Kontrolle vorformulierter Vorstandsverträge im Rahmen des § 308 BGB, nach dessen gesetzlicher Konzeption das Verbot der Regelfall bleiben soll und den Verwender die Darlegungslast für das Eingreifen des Ausnahmetatbestandes trifft, so ist erst recht 26

Hierzu exemplarisch BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 24. 27 Hierzu Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 74. 28 Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 37 f.; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 16 Rn. 467. 29 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 2, 86; so auch schon Joost, FS Ulmer, 2003, S. 1199, 1203. 30 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 2. 31 MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 307 Rn. 35. 32 S. o. unter Gliederungspunkt E. III.

I. Ermittlung des Modifikationsbedarfs

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keine Anpassung im Rahmen des § 307 BGB erforderlich, der als Generalklausel noch weitreichendere Wertungsspielräume einräumt, indem es stets der umfassenden Interessenabwägung bedarf. Es gilt damit das zu § 308 BGB Gesagte dahingehend, dass eine normative Korrektur bestimmter Unbilligkeiten auch ohne Anpassung des Prüfungsmaßstabs möglich ist, weil der Prüfungsmaßstab bereits Einfallstore für spezifische Wertungen bereitstellt.33 4. Ein Kontrollblick: Die Behandlung des Arbeitnehmerähnlichen im AGB-Recht Dass diese Bewertung konsequent ist, zeigt auch ein Pendelblick auf die Behandlung des Arbeitnehmerähnlichen im AGB-Recht:34 Bezüglich vorformulierter Klauseln im Dienstvertrag des Arbeitnehmerähnlichen ist anerkannt, dass diese einer nicht modifizierten AGB-Kontrolle unterliegen, da § 310 Abs. 4 S. 2 BGB nur Arbeitsverhältnisse, nicht aber Beschäftigungsverhältnisse mit arbeitnehmerähnlichen Personen erfasst. Hinzu kommt, dass arbeitnehmerähnliche Personen als Unternehmer i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB unter den Anwendungsbereich des § 310 Abs. 1 S. 1 BGB fallen, sodass Klauseln lediglich anhand von § 307 BGB, nicht aber anhand der speziellen Klauselverbote nach §§ 308, 309 BGB überprüfbar sind. Zwar werden auch hier Stimmen laut, die die mit der Anerkennung der Unternehmereigenschaft einhergehende eingeschränkte AGB-Kontrolle unter dem Aspekt der sozialen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmerähnlichen problematisieren.35 Indes wird auch hier keine Modifikation des Kontrollmaßstabs, etwa in Form einer analogen Anwendung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB erwogen, sondern vielmehr eine Berücksichtigung der spezifischen Besonderheiten im Rahmen der allgemeinen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB als ausreichend erachtet.36 Wenn dies aber selbst für den Arbeitnehmerähnlichen angenommen wird, der aufgrund der vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit eine größere Nähe zum Arbeitnehmer aufweist als das Vorstandsmitglied, muss die Berücksichtigung vorstandsrechtlicher Besonderheiten im Rahmen der wertungsoffenen Tatbestände erst recht genügen, um etwaige Unbilligkeiten zu vermeiden. 5. Zwischenergebnis: Zur Reichweite des Modifikationsbedarfs Bei der Generalklausel nach § 307 BGB und den Klauselverboten mit Wertungsmöglichkeit nach § 308 BGB besteht von vornherein kein Bedürfnis nach einer 33 In diese Richtung auch Oetker, FS Buchner, 2009, S. 702 f.; Schniepp/Giesecke, NZG 2017, 128, 131; anders Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1103. 34 Ausführlich zur Definition des Arbeitnehmerähnlichen s. Gliederungspunkt A. III. 4. 35 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 7. 36 BeckOK-BGB/Becker, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 310 Rn. 38; Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 7; v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Arbeitsverträge Rn. 56.

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Anpassung des Kontrollmaßstabs. Denn hier ist bereits in den Tatbeständen eine wertende Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe angelegt, die nicht nur zulässig, sondern zur Konkretisierung der Tatbestände zwingend erforderlich ist.37 Indem mit Hilfe der unbestimmten Rechtsbegriffe weitreichende Wertungsspielräume eröffnet werden, wird dem Rechtsanwender ermöglicht, die Besonderheiten eines bestimmten Vertragstyps – und so auch Besonderheiten des Vorstandsvertrags – einfließen zu lassen, ohne dass eine Modifikation des Prüfungsmaßstabs vonnöten wäre. Die Notwendigkeit, den AGB-rechtlichen Kontrollmaßstab anzupassen, ist mithin grundsätzlich allenfalls in Bezug auf die Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit nach § 309 BGB zu diskutieren, da diese einer Interessenabwägung im Einzelfall nicht zugänglich sind, sondern bei tatbestandlicher Einschlägigkeit zur strikten Unwirksamkeit der Regelung führen. Dabei bedeutet die uneingeschränkte Geltung der § 309 Nr. 1, 4, 5, 8, 9, 11, 13 und 15 BGB mangels praktischer Anwendbarkeit auf den Vorstandsvertrag ohnehin keine Einschränkung anstellungsvertraglicher Gestaltungsfreiheit im Sinne einer Kontradiktion zwischen gesetzlichem Verbot und Gestaltungsbedürfnis, weshalb diesbezüglich auch keine Anpassung des Kontrollmaßstabs erforderlich ist. Im Übrigen besteht aber, so etwa in Bezug auf § 309 Nr. 6 BGB, dem Grunde nach die Möglichkeit der Modifikationsnotwendigkeit. Inwieweit bezüglich bei bestimmten Vereinbarungen tatbestandlich einschlägiger Klauselverbote der Maßstab der Inhaltskontrolle modifiziert werden muss, kann allerdings erst bei der Prüfung der Angemessenheit der verschiedenen Einzelklauseln festgestellt werden.

II. Vornahme der Modifikation durch Rückgriff auf vorhandene rechtliche Instrumente Dies leitet über zur Frage nach der rechtlichen Umsetzung einer etwaigen Anpassung. Denn selbst wenn in Bezug auf ein bestimmtes Klauselverbot nach § 309 BGB ein Modifikationsbedarf anzuerkennen wäre, könnte eine eingeschränkte Anwendung der betreffenden Norm nur dann vorgenommen werden, soweit entsprechende rechtliche Mechanismen dies ermöglichen. Findet sich für das Arbeitsrecht die Regelung in § 310 Abs. 4 S. 2 BGB, die „im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen“, die ein eingeschränktes Eingreifen insbesondere der Klauselverbote nach § 309 BGB auf ein dogmatisches Fundament stellt, entbehrt eine angemessene Berücksichtigung der Besonderheiten des Vorstandsvertrags oder eine diesbezügliche Einschränkung des AGB-rechtlichen Kontrollmaßstabs einer expliziten legislativen Grundlage, die der Vorschrift des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB gleichkommt. Wurde also festgestellt, dass allenfalls im Rahmen der Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit nach § 309 BGB eine Anpassung des 37 MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 308 Rn. 2; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, Vor § 307 BGB Rn. 7; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 6. Aufl. 2013, Vor §§ 308, 309 BGB Rn. 6; Winter, BB 2010, 2757, 2759.

II. Modifikation durch Rückgriff auf vorhandene rechtliche Instrumente

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Prüfungsmaßstabs überhaupt geboten sein kann, so führt dies zur Folgefrage des „Wie“ der rechtlichen Umsetzung. Hierzu sind zunächst die im Schrifttum vertretenen Ansätze geordnet zu sichten, um diese sodann einer rechtlichen Bewertung zu unterziehen. 1. Methodische Ansätze des Schrifttums In der Literatur wird teilweise eine analoge Anwendung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB herangezogen;38 andere plädieren ohne weitere Abgrenzung zum gesetzesimmanenten Rechtsfortbildungsinstrument der Analogie für eine teleologische Reduktion einzelner Klauselverbote,39 verweisen auf den Grundsatz des Vorrangs des Gesellschaftsrechts,40 oder fordern die Beseitigung von Wertungswidersprüchen, ohne sich auf einen methodischen Ansatz festzulegen.41 Eine klare Linie hat sich jedoch diesbezüglich noch nicht herausgebildet, sodass die einzelnen methodischen Vorgehen zu betrachten und kritisch zu würdigen sind. a) Bildung einer Analogie zu § 310 Abs. 4 S. 2 BGB Einige Literaten sprechen sich für eine analoge Anwendung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB auf Organanstellungsverträge aus, die insbesondere zur modifizierten Anwendung der Klauselverbote nach § 309 BGB führen soll.42 Die besondere Sachnähe von Arbeitsverträgen und Geschäftsführer- bzw. Vorstandsanstellungsverträgen erfordere die sinngemäße Erstreckung der Vorschrift.43 Denn es handele sich auch beim Organanstellungsvertrag um ein „höchstpersönliches Rechtsverhältnis mit personenrechtlichem Einschlag“44, sodass sich bei Arbeits- und Anstellungsvertrag zumeist die gleichen Fragen stellen würden. Das führe dazu, dass auch in Bezug auf die Einschränkung des AGB-rechtlichen Kontrollmaßstabs eine Gleichbehandlung er38

Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1103; Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 722; ausführlich Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 55 ff.; Poelzig, NZG 2020, 41, 47; in diese Richtung auch Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, Rn. 1044. 39 So Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2344; s. auch Clemenz/Kreft/Krause/Krause, AGBArbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, Einf. Rn. 114; Niemann, RdA 2013, 92, 96. 40 Stagat, NZA-RR 2011, 617, 621 f. 41 So etwa Bauer, FS Wank, 2014, S. 2, der eine analoge Anwendung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB oder eine teleologische Reduktion der Klauselverbote nennt; nicht eindeutig auch Fischer, NZA 2009, 835. 42 Ulmer/Brandner/Hensen/Habersack, 12. Aufl. 2016, Klauseln, Vertragstypen, AGBWerke, (2) Anstellungsverträge, Rn. 3; Bauer/Baeck/v. Medem, NZG 2010, 721, 723; Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1103; Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 722; ausführlich Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116, 117 ff.; Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 55 ff.; Poelzig, NZG 2020, 41, 47. 43 Ausführlich Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116, 117 ff. 44 Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116, 120.

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folgen müsse.45 Konkret heiße das unter anderem: Da auch bei Vorstandsanstellungsverträgen die Nichtvollstreckbarkeit gemäß § 888 Abs. 3 ZPO gelte, stehe der Anstellungsgesellschaft im Falle des Vertragsbruchs mangels Anwendung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB kein Instrument zur Durchsetzung ihres Erfüllungsanspruchs zur Hand. Denn eine Besonderheit des Arbeitsrechts sei unter anderem die Nichtvollstreckbarkeit der Dienstleistung gemäß § 888 Abs. 3 ZPO, die nach dieser Sondervorschrift zu berücksichtigen sei. Damit werde in Arbeitsverträgen – so sieht es das BAG46 – die Vereinbarung von Vertragsstrafen entgegen dem Klauselverbot des § 309 Nr. 6 BGB ermöglicht. Dass dem Arbeitgeber ein solches Sanktionsmittel gegen den schutzwürdigeren Arbeitnehmer zustehe, nicht aber der AG gegenüber ihrem Vorstandsmitglied, sei wertungswidersprüchlich und nur über eine analoge Anwendung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB zu lösen,47 die zur Nichtanwendung des § 309 Nr. 6 BGB auf Anstellungsverträge führe. aa) Singularia non sunt extendenda Im Ergebnis mag man auf den ersten Blick intuitiv zustimmen, die Gangbarkeit des dogmatischen Weges erscheint jedoch von vornherein problematisch. Dies gilt bereits aufgrund der Tatsache, dass § 310 Abs. 4 S. 2 BGB als Ausnahmevorschrift eine enge Auslegung gebietet.48 In diesem Kontext vermag sich der prominente Grundsatz singularia non sunt extendenda aufzudrängen: Ausnahmevorschriften sind nicht analogiefähig.49 Dennoch kann man freilich unter Berufung auf diesen Grundsatz nicht die Möglichkeit eines Rückgriffs auf das Rechtsinstitut der Analogie in jedweder Konstellation versagen. Denn man mag bereits darüber streiten, wann eine Norm überhaupt eine Ausnahmevorschrift darstellt.50 Es müsse sich dafür nämlich – so mahnen Larenz/Canaris zu Recht – um eine Ausnahme „nicht nur der Formulierung, sondern auch der Sache nach“51 handeln, bei der der Gesetzgeber eine Regelung, die für möglichst viele Fälle Anwendung finden solle, in Bezug auf einen zumeist eng umgrenzten Bereich ausgeschlossen habe, weil er die Geltung in diesem Bereich als impraktikabel oder unangebracht erachtet habe. Denn es müsse „vermieden werden, daß durch eine allzu weite Auslegung der Ausnahmebestimmungen oder durch deren analoge Anwendung die Regelungsabsicht des Gesetzgebers 45

Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116, 120. Grundlegend BAG, Urt. v. 04. 03. 2004 – 8 AZR 344/03, BeckRS 2004, 30801473. 47 Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1103; Poelzig, NZG 2020, 41, 47. 48 BGH, Urt. v. 04. 05. 2000 – I ZR 256/97, NJW 2000, 3783, 3784; Urt. v. 04. 12. 1986 – I ZR 189/84, NJW 1987, 1408; Urt. v. 03. 04. 1968 – I ZR 83/66, NJW 1968, 1875, 1877. 49 Ähnlich schon RG, Urt. v. 14. 11. 1936 – I 124/36, RGZ 153, 1, 23: „Ausnahmevorschriften sind eng auszulegen.“ Dies zugestehend auch Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116, 118; kritisch in Bezug auf die grundsätzliche Anerkennung des Grundsatzes Müller/Christensen, Juristische Methodik, 11. Aufl. 2013, Rn. 373. 50 Hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 176. 51 Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 176. 46

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schließlich in ihr Gegenteil verkehrt wird“52. Das bedeute allerdings nicht, dass eine Analogie der betreffenden Norm für jede denkbare Konstellation ausgeschlossen sei. Im Gegenteil sei eine solche dann möglich, wenn ansonsten „das Prinzip der Gleichbehandlung der Gleichsinnigen […] verletzt“53 würde. Mit anderen Worten: Sofern eine bestimmte Regelung einen Ausnahmefall betrifft, kann sie nicht analog auf solche Fälle angewendet werden, in denen der Grundgedanke dieses Ausnahmefalls nicht greift. Eine Analogie ist aber dann möglich, wenn sich der nicht vom ausdrücklichen Geltungsbereich der Norm erfasste Fall in den Grenzen des Grundgedankens des Ausnahmefalls bewegt.54 Die analoge Anwendung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB auf Vorstandsverträge kann daher nicht bereits mit dem Argument abgelehnt werden, dass die Norm als Ausnahmevorschrift nicht analogiefähig ist. Vielmehr muss festgestellt werden, ob sich der Fall des Vorstandsvertrags noch in den Grenzen des Grundgedankens des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB bewegt. bb) Voraussetzungen einer Analogie Dies kann aber dahinstehen, wenn eine Analogie schon aus anderen Gründen nicht möglich ist. Bei der Analogie handelt es sich um ein Instrument der rechtsimmanenten Fortbildung, das die Anwendung eines ausdrücklich im Gesetz geregelten Falls auf einen ähnlichen, ungeregelten Fall ermöglicht, soweit dieser ungeregelte Fall nach dem Regelungsplan des Gesetzgebers hätte erfasst werden müssen.55 Die Anwendung des Rechtsinstituts setzt damit voraus, dass „das Gesetz eine Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen“56. Erforderlich ist also eine Ähnlichkeit des ausdrücklich im Gesetz geregelten Falls und des vorliegenden, ungeregelten Sachverhalts. Damit eine Analogie aber vorgenommen werden kann, bedarf es zunächst einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes,57 deren Vorliegen hier bereits fraglich erscheint.

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Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 176. Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 176. 54 Engisch, Einführung in das juristische Denken, 12. Aufl. 2018, S. 211. 55 Zum Ganzen Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 202 ff. 56 BGH, Urt. v. 14. 12. 2006 – IX ZR 92/05, NJW 2007, 992, 993, Rn. 15; Urt. v. 13. 03. 2003 – I ZR 290/00, NJW 2003, 1932, 1933; Urt. v. 13. 07. 1988 – IVa ZR 55/87, NJW 1988, 2734. 57 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 1991, S. 473; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 39; Elze, Lücken im Gesetz, 1916, S. 37 ff.; Larenz/ Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 194. 53

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(1) Planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes Eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes ist anzunehmen, wenn der Gesetzgeber einen regelungsbedürftigen Fall übersehen und ungeregelt belassen hat, obwohl der Fall dem Regelungsplan des Gesetzgebers entgegensteht und zu Brüchen auf Rechtsfolgenseite führt.58 Das Vorliegen einer Regelungslücke erfordert dabei mehr als ein bloßes Schweigen des Gesetzgebers. Eine solche liegt nicht bereits dann vor, wenn für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regel ins Gesetz aufgenommen wurde. Vielmehr darf kein „beredtes Schweigen“ in dem Sinne vorliegen, dass der Gesetzgeber sich der Unvollständigkeit bewusst gegen eine entsprechende Regelung entschieden hat.59 Dass der Gesetzgeber bei der Fassung des AGB-Rechts die Regelung von Anstellungsverträgen übersehen hat und die uneingeschränkte AGB-Kontrolle damit keine bewusste Entscheidung darstellt, liegt zunächst unter verschiedenen Gesichtspunkten nahe: Zum einen finden Anstellungsverträge in den Gesetzesmaterialien sowohl zum AGBG als auch zum im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung eingeführten, derzeit geltenden AGB-Rechts in den §§ 305 ff. BGB keine Erwähnung.60 Dies wird auch darauf zurückzuführen sein, dass die Frage nach der AGBKontrolle von Geschäftsführer- oder Vorstandsanstellungsverträgen in der Vergangenheit in Rechtsprechung und Lehre wenig Beachtung gefunden hat.61 Das insofern geführte „Schattendasein[]“62 der Problematik deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber die Regelung der Materie unbewusst versäumt hat. Vereinzelt wird hierbei als stützendes Argument vorgebracht, dass in § 310 Abs. 4 S. 1 BGB Bezug auf das Gebiet des Gesellschaftsrechts genommen wird und sich in S. 2 eine spezielle Regelung für das Arbeitsrecht findet. Der Geschäftsführer – und auch das Vorstandsmitglied – befinde sich aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Prägung des Vertrags in einer Grauzone. Insbesondere aufgrund dieser „Zwitterstellung“ sei sich der Gesetzgeber der Regelungsbedürftigkeit nicht bewusst gewesen.63 Dies vermag aber wenig zu überzeugen. Denn wie bereits dargestellt, wollte der historische Gesetzgeber mit der Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 S. 1 BGB Rechtsgebiete der AGBKontrolle entziehen, die „viele Eigenarten [aufweisen], daß die auf schuldrechtliche Austauschverträge zugeschnittenen Bestimmungen des Entwurfs sich zu einer Anwendung hier nicht eignen“64. Das betrifft vorwiegend Gesellschaftsverträge, bei denen eine Überprüfung anhand AGB-rechtlicher Maßstäbe schon ihrer Art nach 58

Ausführlich Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 40 ff. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 39 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 194. 60 Vgl. BT-Drucks. 7/3919; BT-Drucks. 14/6040. 61 Hierzu Schmitt-Rolfes, FS Hromadka, 2008, S. 395; s. auch Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116, 118 m.w.N. 62 Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116, 118. 63 Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116, 118. 64 BT-Drucks. 7/3919, S. 41; ausführlich unter Gliederungspunkt D. I. 1. 59

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nicht sachgerecht erscheint. Nicht erfasst werden sollten ungeachtet dessen schuldrechtliche Austauschverhältnisse, denen auch der Vorstandsvertrag unterfällt.65 Soweit sich also § 310 Abs. 4 S. 1 BGB auf das Gesellschaftsrecht bezieht, ist hiermit eben nicht die gesellschaftsrechtliche Prägung, die der Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds enthält, gemeint, sondern die besondere Struktur gesellschaftsrechtlicher Verträge, für deren Angemessenheitskontrolle der Maßstab der §§ 307 ff. BGB verfehlt wäre. Auf dieser Grundlage kann nicht angenommen werden, der Anstellungsvertrag befinde sich in einer Grauzone zwischen dem Gesellschafts- und dem Arbeitsrecht, da er dem Gesellschaftsrecht – wie es in § 310 Abs. 4 S. 1 verstanden wird – eben nicht verbunden ist. Eine Argumentation, die auf den Anstellungsvertrag als „Zwischending“ zwischen der Bereichsausnahme nach S. 1 und der arbeitsrechtlichen Spezialvorschrift in S. 2 abstellt, stößt daher auf dogmatische Bedenken. Jedoch vermag ein Pendelblick auf die Behandlung des Arbeitnehmerähnlichen die oben genannte These zu stützen: Für arbeitnehmerähnliche Personen ist anerkannt, dass in Bezug auf § 310 Abs. 4 S. 2 BGB eine Regelungslücke gegeben ist. Die Beurteilung der Rechtsverhältnisse arbeitnehmerähnlicher Personen hat deutlich größere Aufmerksamkeit erfahren als Organanstellungsverträge,66 sodass auf dieser Basis die Annahme, der Gesetzgeber habe sich bezüglich letzterer bewusst für eine uneingeschränkte Anwendung der §§ 305 ff. BGB entschieden, wenig überzeugend ist. Angesichts dessen muss angenommen werden, dass das Fehlen der Regelung nicht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers beruht. Vielmehr liegt eine dem Gesetzgeber nicht bewusste Unvollständigkeit vor. Damit die Norm der Analogie zugänglich ist, müsste die Regelungslücke aber auch planwidrig sein.67 Das heißt, das Außerachtlassen der ungeregelten Materie müsste dem Regelungsplan des Gesetzgebers insofern zuwiderlaufen, als eine Erfassung der Regelung aus teleologischer Sichtweise zur Erreichung des Regelungsziels notwendig wäre. Anders gesagt: Die Rechtsfolge einer Norm muss auf einen vom Wortlaut nicht erfassten Fall deshalb erstreckt werden, weil der Telos der Norm in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz eine solche Erstreckung fordert.68 Daraus ergibt sich, dass bereits zur Feststellung der planwidrigen Unvollständigkeit die ratio legis der betreffenden Norm ermittelt werden muss.69 Eine Analogie kann daher nicht schon mit dem Argument vollzogen werden, dass für bestimmte arbeitsrechtliche Normen die analoge Anwendung auf den Organanstellungsvertrag anerkannt ist. So sind etwa in der gerichtlichen Praxis bereits die in § 622 BGB normierten Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse analog auf

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S. o. unter Gliederungspunkt D. I. 1. und 2. Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 71 f. m.w.N. 67 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 28, 31 ff. 68 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 1991, S. 474; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 71. 69 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 72. 66

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Organanstellungsverträge angewandt worden.70 Hierbei ist aber zu beachten, dass bei jeder auf den Arbeitsvertrag zugeschnittenen Norm gesondert die Möglichkeit eines Analogieschlusses geprüft werden muss. Denn eine bloße Ähnlichkeit der Sachverhalte hilft nicht über das Fehlen der planwidrigen Regelungslücke hinweg. Vielmehr muss in Bezug auf die gegenständliche Norm erörtert werden, ob der Telos ebendieser Norm in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz eine Erstreckung der Rechtsfolge auf einen vom Wortlaut nicht erfassten Fall verlangt. Die Argumentation, § 310 Abs. 4 S. 2 BGB müsse analog auf den Organanstellungsvertrag angewandt werden, weil bereits andere Regelungslücken, die sich im Anstellungsrecht aufgetan haben, mittels analoger Anwendung arbeitsrechtlicher Normen geschlossen wurden,71 kann daher nicht überzeugen. Zur Ermittlung der Analogiefähigkeit ist im Ausgangspunkt auf den Willen des Gesetzgebers abzustellen. Der Blick ist also zunächst auf die Entstehungsgeschichte der Norm zu lenken. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB wurde im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung eingefügt. Die Norm ist als Reaktion auf den nunmehr geltenden Einbezug von Arbeitsverträgen in die AGB-Kontrolle zu sehen. Denn nach altem Recht erfasste die damals in § 23 Abs. 1 AGBG geregelte Bereichsausnahme auch Arbeitsverträge. Dies wurde damit begründet, dass der Schutz des Arbeitnehmers bereits durch ein vielschichtiges System zwingender Vorschriften und durch kollektivrechtliche Vereinbarungen erreicht wurde. Die Herstellung eines erhöhten Schutzstandards durch das AGB-Recht sei daher weder notwendig noch sachgerecht.72 Dass der Gesetzgeber des AGBG insoweit irrte, entspricht nunmehr weitgehendem Konsens;73 in der Rechtswirklichkeit fand auch schon vor der Schuldrechtsmodernisierung eine den AGB-rechtlichen Standards angenäherte Inhaltskontrolle von Individualarbeitsverträgen durch die Gerichte statt. Einfallstor für eine Überprüfung der Angemessenheit bildeten insbesondere Instrumente der Rechtsbzw. Billigkeitskontrolle wie § 138 BGB, § 242 BGB oder § 315 BGB.74 Ver70 Beispielhaft BGH, Urt. v. 29. 01. 1981 – II ZR 92/80, NJW 1981, 1270, 1271; im Schrifttum entspricht dies ebenfalls der h.M., s. Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 24; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 38; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 174; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 28; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 209; Henssler, RdA 1992, 289, 295 f.; Werner, NZA 2015, 1234, 1235. 71 So aber Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116, 118. 72 BT-Drucks. 7/3919, S. 41. 73 MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 310 Rn. 130; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 2; Pauly, NZA 1997, 1030, 1031; Preis, AuR 1979, 97, 100 f., die darauf hinweisen, dass die bereits vor der Schuldrechtsreform vorgenommene Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen durch die Gerichte dafür spricht, dass der erforderliche Schutz des Arbeitnehmers eben nicht durch bereits existierende Normen und Tarifparteien ausreichend gewährleistet werden konnte. 74 BAG, Urt. v. 22. 11. 1973 – 2 AZR 580/72, AP BGB § 626 Nr. 67; Urt. v. 04. 07. 1972 – 3 AZR 477/71, AP HGB § 65 Nr. 6; Urt. v. 19. 06. 1970 – 3 AZR 402/69, AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 144; Urt. v. 31. 10. 1969 – 3 AZR 119/69, NJW 1970, 1145; BT-Drucks. 14/6857, S. 53 f.; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, Einf. Rn. 14; Ulmer/

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schiedene Regeln des AGB-Rechts wie die Prinzipien, Unklarheiten zu Lasten des Verwenders zu berücksichtigen, oder überraschende Klauseln nicht als Vertragsbestandteil anzusehen, wurden als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken übertragen.75 Da sich in der Folgezeit ein dringendes Bedürfnis nach einem rechtssicheren Maßstab der Inhaltskontrolle einseitig festgelegter Vertragsbedingungen durch den Arbeitgeber offenbarte, der hinter dem Schutzniveau des allgemeinen Zivilrechts nicht zurückbleiben sollte, wurde das Arbeitsrecht mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz aus der Bereichsausnahme herausgenommen.76 Gleichzeitig enthielt die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats die Forderung, dass insbesondere die besonderen Klauselverbote bei der Überprüfung vorformulierter Arbeitsverträge nicht uneingeschränkt zur Geltung kommen sollten; vielmehr müssten die besonderen Bedürfnisse des Arbeitsverhältnisses in die Kontrolle einfließen.77 Hieran wird deutlich, dass der historische Gesetzgeber die Norm als Kompensationsvorschrift verstand: § 310 Abs. 4 S. 2 BGB soll die Aufhebung der Bereichsausnahme insofern kompensieren, als nach alter Rechtslage Arbeitsverträge von der Bereichsausnahme erfasst wurden und insoweit eine uneingeschränkte Anwendung der AGB-rechtlichen Maßstäbe nicht sachgerecht wäre.78 Durch die Vorschrift solle – so ausdrücklich der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses zufolge – insbesondere die Möglichkeit der hinreichenden Berücksichtigung der Besonderheiten spezifischer Bereiche des Arbeitsrechts, beispielsweise des kirchlichen Arbeitsrechts, geschaffen werden.79 So müsse etwa Eingang in die Prüfung finden, dass kirchliche Arbeitsvertragsregelungen nur daraufhin zu überprüfen seien, ob sie gegen die Verfassung, anderes höherrangiges Recht oder die guten Sitten verstoßen; ansonsten würden die Wertungen des Verfahrens des Dritten Weges unterlaufen.80 Zusammenfassend gilt damit: Den Ausgangspunkt der ratio legis des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB bildet die Tatsache, dass vor der Schuldrechtsmodernisierung Arbeitsverträge aus dem Anwendungsbereich des AGB-Rechts ausgenommen waren, weil für sie – so der Gedanke des historischen Gesetzgebers – bereits ein dichtes Netz zwingender Schutzvorschriften und die Möglichkeit tariflicher EiniBrandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 1; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 2. 75 BAG, Urt. v. 16. 10. 1991 – 5 AZR 35/91, NZA 1992, 793; Urt. v. 12. 02. 1985 – 3 AZR 183/83, NZA 1986, 64; s. hierzu auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 3. 76 BT-Drucks. 14/6857, S. 53 f.; kritisch in Bezug auf diese Begründung Annuß, BB 2002, 458, 459. 77 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 14/ 6857, S. 54 f. 78 BT-Drucks. 14/6857, S. 53 f.; s. auch ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 310 BGB Rn. 1 f.: „Reintegration des Arbeitsvertragsrechts in das BGB“; Boemke, RdA 2018, 1, 15; s. hierzu auch Schubert, Der Schutz der arbeitnehmerähnlichen Personen, 2004, S. 235 f. 79 BT-Drucks. 14/7052, S. 189; s. hierzu auch Lingemann, NZA 2002, 181, 183. 80 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 12.

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gung bestanden. Dass dies jedoch zur Herstellung eines ausreichenden Schutzniveaus offensichtlich nicht genügte, zeigte sich daran, dass schon früher die gerichtliche Praxis eine dem Maßstab der AGB-Kontrolle angenäherte Billigkeitskontrolle einzelner Klauseln vornahm. Im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung wurde daher die Bereichsausnahme gestrichen mit der Konsequenz der Öffnung der AGB-Kontrolle für Formulararbeitsverträge. Indes würde eine uneingeschränkte AGB-Kontrolle den Besonderheiten nicht gerecht, die dem Arbeitsrecht innewohnen – wie beispielsweise die ausdrücklich in Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses genannten Spezifika des kirchlichen Arbeitsrechts. Dies rechtfertigte nach Ansicht des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzgebers die Aufnahme des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB, der die Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs für Arbeitsverträge insoweit abmilderte, als er im Einzelfall eine Anpassung des Kontrollmaßstabs ermöglicht. Die ratio legis, aufgrund der Besonderheiten des Arbeitsrechts den Maßstab zu modifizieren, muss daher zwingend auch vor ihrem historischen Hintergrund und ihrer aufgrund dessen zugewiesenen Funktion als Kompensationsvorschrift verstanden werden. Die ratio legis ist der Feststellung, ob eine planwidrige Regelungslücke in Bezug auf Vorstandsdienstverträge gegeben ist, zugrunde zu legen. Das heißt, das Außerachtlassen der ungeregelten Materie des Vorstandsanstellungsvertrags müsste dem Regelungsplan des Gesetzgebers insoweit zuwiderlaufen, als eine Erfassung der Regelung aus historischer und teleologischer Sichtweise zur Erreichung des Regelungsziels notwendig wäre. Unter Berücksichtigung der historischen Komponente liegt dies indes fern: Organanstellungsverträge unterlagen bereits vor der Schuldrechtsmodernisierung der AGB-Kontrolle.81 Dass die Bereichsausnahme des Gesellschaftsrechts keine schuldrechtlichen Austauschverhältnisse wie den Anstellungsvertrag erfasst, wurde schon damals vorausgesetzt.82 Dennoch ließ sich vor der Schuldrechtsmodernisierung weder in Rechtsprechung noch im Schrifttum eine Tendenz dahingehend ausmachen, dass die uneingeschränkte Anwendung der AGBVorschriften als den besonderen Spezifika des Anstellungsvertrags zuwiderlaufend empfunden wurde. Insofern müssen die Charakteristika, die der historische Gesetzgeber bei der Schaffung des § 23 Abs. 1 AGBG vor Augen hatte, ungeachtet bestimmter Ähnlichkeiten des Arbeitsvertrags und des Vorstandsanstellungsvertrags solche sein, die ausschließlich für das Arbeitsrecht greifen und die eine Herausnahme 81

Zur AGB-Kontrolle von Dienstverträgen vor der Schuldrechtsreform allgemein BGH, Urt. v. 29. 05. 1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683 ff.; Urt. v. 22. 09. 1983 – I ZR 40/81, GRUR 1984, 119, 120; Urt. v. 18. 02. 1982 – I ZR 81/80, GRUR 1984, 45, 47; OLG Nürnberg, Urt. v. 29. 01. 1986 – 4 U 3370/85, NJW-RR 1986, 782, 783; Kempermann, NJW-Spezial 2012, 15; s. zur AGB-Kontrolle von Anstellungsverträgen insbesondere Grobys, DStR 2002, 1002, 1004; Oetker, FS Buchner, 2009, S. 702; Schmitt-Rolfes, FS Hromadka, 2008, S. 395; insofern missverständlich Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 79, nach dem die in das BGB integrierten AGB-Bestimmungen „in der Regel“ für Vorstandsverträge anwendbar seien. 82 S. schon BGH, Urt. v. 10. 10. 1994 – II ZR 32/94, NJW 1995, 192; vorausgesetzt bereits von BGH, Urt. v. 29. 05. 1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683.

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aus dem AGB-rechtlichen Anwendungsbereich zu rechtfertigen vermochten. Dies betrifft etwa ausweislich der Gesetzesbegründung die Möglichkeit tarifvertraglicher Einigung83 oder auch die Besonderheiten kirchlichen Arbeitsrechts, die in Bezug auf Vorstandsdienstverträge freilich nicht bestehen. Der Telos des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB muss stets vor dem Hintergrund des § 23 Abs. 1 AGBG gesehen werden. So formuliert auch Boemke treffend: „Da die Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG nicht für sonstige Dienstverhältnisse galt, sondern nur für Arbeitsverträge, kann dementsprechend auch § 310 Abs. 4 S. 2 BGB nur für Arbeitsverträge und nicht für sonstige Dienstverträge gelten.“84 Soweit man vor diesem Hintergrund § 310 Abs. 4 S. 2 BGB als eine notwendige Kompensationsvorschrift zum nunmehr eröffneten Anwendungsbereich verstehen muss, kann die gleichsame Erfassung von Vorstandsverträgen nicht als zur Erreichung des Regelungsziels notwendig erachtet werden. Denn das Regelungsziel ist die erst nach der späteren Aufnahme der Arbeitsverträge in den AGB-rechtlichen Kontrollbereich notwendig gewordene Modifikation des Maßstabs – einer gleichsamen Aufnahme von Vorstandsverträgen bedarf es hierfür unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung nicht. Im Gegenteil: Dass der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes durch die Rückführung des AGB-Rechts ins BGB zugleich die bislang geltende Rechtslage bezüglich des Kontrollmaßstabs von Anstellungsverträgen modifizieren wollte, erscheint fernliegend.85 Es fehlt damit bereits die für einen Analogieschluss zwingend erforderliche Planwidrigkeit der Regelungslücke.86 Auf das Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage kommt es damit nicht mehr an. (2) Zwischenergebnis: Keine planwidrige Regelungslücke Die Voraussetzungen für einen Analogieschluss liegen nicht vor; eine Analogie zu § 310 Abs. 4 S. 2 BGB scheitert bereits am Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke. Denn § 310 Abs. 4 S. 2 BGB ist als Reaktion auf die Streichung des § 23 Abs. 1 AGBGB und den Einbezug des Arbeitsvertrags in die AGB-Kontrolle und damit als Kompensationsnorm zu sehen. Nicht aber sollte die Rechtslage für den Anstellungsvertrag, der bereits vor der Schuldrechtsmodernisierung der AGBKontrolle unterfiel, geändert werden. Das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke kann auch nicht mit der rechtspolitischen Forderung übergangen werden, § 310 Abs. 4 S. 2 BGB müsse zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen analog gelten.87 Denn eine vermeintlich bestehende Privilegierung gegenüber dem Arbeitnehmer kann zum einen nicht Maßstab für die Prüfung sein, ob die Besonderheiten 83

BT-Drucks. 7/3919, S. 41. Boemke, RdA 2018, 1, 15. 85 Oetker, FS Buchner, 2009, S. 702; ähnliche Erwägungen für den Arbeitnehmerähnlichen Schubert, Der Schutz der arbeitnehmerähnlichen Personen, 2004, S. 235 f. 86 So im Ergebnis auch Boemke, RdA 2018, 1, 15; gegen eine generelle Analogie auch Clemenz/Kreft/Krause/Krause, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, Einf. Rn. 114; Oetker, FS Buchner, 2009, S. 702 f.; a.A. Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116, 118 f. 87 So aber Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1103. 84

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des Vorstandsvertrags angemessen Berücksichtigung finden;88 zum anderen erscheint es bedenklich, wenn die für einen Analogieschluss notwendigen Voraussetzungen ausgeblendet werden, um ein bestimmtes Wertungsergebnis zu erzielen. Damit kann § 310 Abs. 4 S. 2 BGB nicht analog herangezogen werden, um den AGB-rechtlichen Prüfungsmaßstab bei der Überprüfung vorformulierter Bedingungen in Vorstandsanstellungsverträgen anzupassen. b) Vorrang des Gesellschaftsrechts gegenüber dem Dienstvertragsrecht Eine andere Vorgehensweise wählt Stagat, der eine im Einzelfall erforderliche Anpassung des Kontrollmaßstabs über einen Vorrang des Gesellschaftsrechts gegenüber dem Dienstvertragsrecht lösen will.89 Sein Ausganspunkt ist, dass es eines Korrektivs beim Organmitglied nur insoweit bedürfe, als den Besonderheiten der Doppelrolle als Dienstverpflichteter und Organ Rechnung getragen werden müsse. Die Doppelrolle sei dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem Arbeits- bzw. Dienstvertragsrecht und dem Gesellschaftsrecht, das die Organstellung betreffe, ein Spannungsverhältnis bestehe, das der BGH in verschiedenen Entscheidungen zu Gunsten des Gesellschaftsrechts aufgelöst habe. Damit die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft gewährleistet werden könne, sei ihren Belangen im Zweifel der Vorrang zu gewähren, sodass als Konsequenz das Dienstvertragsrecht zurücktreten müsse. Ausdrücklich formuliert der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 2010: „Der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einer GmbH ist ein auf die Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramtes gerichteter freier Dienstvertrag […], der nachrangig zum gesellschaftsrechtlichen Organverhältnis […] diejenigen Rechtsbeziehungen zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft regelt, welche nicht bereits durch die organschaftliche Stellung des Geschäftsführers vorgegeben sind. […] Wegen der Nachrangigkeit des Anstellungsverhältnisses gegenüber der Organstellung dürfen [bestimmte] dienstvertragliche[] Abreden allerdings nicht in die gesetzliche oder statutarische Ausgestaltung des Organverhältnisses eingreifen. Der vertragliche Gestaltungsspielraum der Parteien wird daher durch die zwingenden Anforderungen begrenzt, welche sich im Interesse einer Gewährleistung der Funktionstüchtigkeit der Gesellschaft aus dem Organverhältnis ergeben.“90

Soweit im Anstellungsvertrag also Vereinbarungen getroffen werden, müssen diese den zwingenden gesellschaftsrechtlichen Vorgaben genügen. Stagat beruft sich überdies auf ein weiteres Urteil des BGH, in dem sich der Gerichtshof mit einem Weiterbeschäftigungsanspruch des GmbH-Geschäftsführers nach Bestellungswiderruf auseinandergesetzt hat. Entschieden wurde, dass grundsätzlich kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung in einer der früheren Tätigkeit vergleichbaren leitenden Funktion besteht, soweit sich nicht dem Anstellungsvertrag eine dahingehende 88 89 90

In diese Richtung auch Stagat, NZA-RR 2011, 617, 622. Stagat, NZA-RR 2011, 617, 622. BGH, Urt. v. 10. 05. 2010 – II ZR 70/09, NJW 2010, 2343 f., Rn. 7 f.

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Vereinbarung entnehmen lässt.91 Denn aufgrund des Anstellungsvertrags i.V.m. § 615 BGB bestehe ein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung und ein ausschließliches Interesse des Geschäftsführers an einer Weiterbeschäftigung aus Gründen des Ansehens oder der Lebensfreude könne das Interesse der Gesellschaft an einer weitgehenden Organisationsfreiheit im Bereich der Geschäftsführung nicht überwiegen.92 Hieraus leitet Stagat ab, dass der Geschäftsführer jederzeit von seiner Organtätigkeit freigestellt werden könne, auch wenn sich hinsichtlich der Voraussetzungen der Freistellung im Anstellungsvertrag keine „AGB-festen“ Regelungen fänden. In der Konsequenz bedeute dies, dass die Besonderheiten, die bei der Anwendung AGB-rechtlicher Normen auf Organanstellungsverträge angemessen zu berücksichtigen seien, deckungsgleich seien mit denjenigen, die den Vorrang des Gesellschaftsrechts vor dem Arbeitsrecht bei der Prüfung der Zulässigkeit der Vereinbarung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften begründeten. Hiervon ausgehend benötige man zur Berücksichtigung der Besonderheiten des Organanstellungsvertrags keine Analogie zu § 310 Abs. 4 S. 2 BGB, sondern könne im Einzelfall bestehende Wertungswidersprüche durch einen grundsätzlichen Vorrang des Gesellschaftsrechts auflösen.93 Jedoch erscheint auch diese Methode nicht geeignet, etwaige Besonderheiten des Vorstandsdienstvertrags bei der AGB-Kontrolle berücksichtigen und damit eine sachgerechte Anpassung des Kontrollmaßstabs erreichen zu können. Vielmehr erweist sie sich zunächst aus dem Blickwinkel der Trennungstheorie als nicht unproblematisch. Denn die Ebene der Organstellung ist stets vom schuldrechtlichen Anstellungsvertrag zu trennen, mag dieser auch inhaltlich durch sie geprägt sein.94 Grundsätzlich gilt, dass der Anstellungsvertrag nicht die organschaftlichen Rechte und Pflichten enthält, sondern diejenigen, die dem Vorstandsmitglied als Dienstverpflichtetem der AG zuzuordnen sind.95 Zwar sagt der BGH, dass „der Organstellung im Hinblick auf ihre wesentliche Bedeutung für die eigenverantwortliche Leitung und gesetzliche Vertretung der AG im Interesse des Unternehmens der Vorrang vor der dienstvertraglichen Regelung“96 gebühre. Indes erschöpft sich der teleologische Gehalt der Aussage darin, dass die Ausgestaltung des Dienstverhältnisses inhaltlich keinen Widerspruch zu zwingenden aktienrechtlichen Vorgaben bilden darf bzw. die korporationsrechtlichen Spezifika den Inhalt des Dienstvertrags zu konkretisieren vermögen und die allgemeinen dienstvertraglichen Grundsätze insoweit verdrängen. Dennoch ist – so sagt es der BGH auch in ständiger Recht-

91

BGH, Urt. v. 11. 10. 2010 – II ZR 266/08, NZG 2011, 112, 113, Rn. 9. BGH, Urt. v. 11. 10. 2010 – II ZR 266/08, NZG 2011, 112, 113, Rn. 10. 93 Stagat, NZA-RR 2011, 617, 622. 94 S. o. unter Gliederungspunkt A. III. 1. 95 KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 34; ähnlich Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, 4. Aufl. 2017, § 84 Rn. 13; s. auch Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 53. 96 BGH, Urt. v. 29. 05. 1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683. 92

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sprechung97 – von einem selbständigen Nebeneinander von Anstellungsvertrag und Organstellung auszugehen, weshalb die Annahme eines generellen Vorrangs des Gesellschaftsrechts zur Problemlösung auf anstellungsvertraglicher Ebene einen systematischen Bruch bedeutet. Aber auch auf praktischer Ebene bestehen Bedenken: So könnte die Anerkennung eines Rangverhältnisses zwischen schuldrechtlichem Vertrag und Organstellung die im Bereich der AGB-Kontrolle anstellungsvertraglicher Regelungen diskutierten Probleme regelmäßig keiner sachgerechten Lösung zuführen. Ein Beispiel macht es plastisch: Als Paradefall für die vermeintlich ungerechtfertigte Privilegierung des Organmitglieds gegenüber dem Arbeitnehmer im Rahmen der AGBKontrolle wird vor allem das Verbot der Vertragsstrafe gemäß § 309 Nr. 6 BGB ins Feld geführt,98 das bei uneingeschränkter Anwendbarkeit auf den Anstellungsvertrag der Gesellschaft ein Sanktionsmittel nehmen würde. Über die Geltung des § 309 Nr. 6 BGB könnte jedoch auch die vorrangige Berücksichtigung korporationsrechtlicher Spezifika nicht hinweghelfen.99 Denn ein etwaig bestehendes Bedürfnis nach der Regelung einer Vertragsstrafe entspringt der mangelnden Vollstreckbarkeit der Dienstleistung gemäß § 888 Abs. 3 ZPO – die aber keinen Zusammenhang zu aktienrechtlichen Charakteristika der Organstellung aufweist. Dass die Dienstleistung nicht vollstreckt werden kann und man auf dieser Grundlage die Erforderlichkeit der formularvertraglichen Regelung von Vertragsstrafen erwägen könnte, ist eben keine Problematik, die aus der Doppelrolle des Vorstandsmitglieds als Dienstverpflichtetem und Organ resultiert.

Soweit man also die Modifikation der Inhaltskontrolle ausschließlich über einen Vorrang des Gesellschaftsrechts lösen will, geht dies praktisch an im Bereich der AGB-Kontrolle bestehenden Problemen des Organanstellungsvertrags vorbei. Die bloße Anerkennung eines Vorrangs des Gesellschaftsrechts taugt damit nicht zur Anpassung des Kontrollmaßstabs. 2. Vorzugswürdig: Teleologische Reduktion einzelner Klauselverbote Mitunter im Schrifttum erwähnt,100 aber – soweit ersichtlich – noch nicht im Rahmen einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung erörtert, könnte zur teilweisen Anpassung des AGB-rechtlichen Kontrollmaßstabs bei Vorstandsverträgen jedoch auf eine teleologische Reduktion einzelner Klauselverbote zurückgegriffen werden. Insofern könnte der Prüfungsmaßstab der AGB-Kontrolle von Vorstandsverträgen dadurch modifiziert werden, dass bestimmte Klauselverbote, deren An97 BGH, Urt. v. 11. 10. 2010 – II ZR 266/08, NJW 2011, 920, Rn. 7; Urt. v. 10. 05. 2010 – II ZR 70/09, NJW 2010, 2343, 2344, Rn. 9; Urt. v. 28. 10. 2002 – II ZR 146/02, NJW 2003, 351; Urt. v. 26. 6. 1995 – II ZR 109/94, NJW 1995, 2850. 98 S. o. unter Gliederungspunkt B. II. 2. 99 Hierauf zu Recht hinweisend Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1103. 100 Clemenz/Kreft/Krause/Krause, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, Einf. Rn. 114; Bauer/ Arnold, ZIP 2006, 2337, 2344; Niemann, RdA 2013, 92, 96.

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wendung auf Vorstandsverträge nicht dem Sinn der jeweiligen Norm entspricht, reduziert werden, also aus teleologischen Gründen unangewendet bleiben. a) Voraussetzungen Das Rechtsinstitut der teleologischen Reduktion ermöglicht die Einschränkung einer zu weit gefassten Norm zur Durchsetzung ihres Regelungsziels.101 Das heißt konkret, dass die ratio legis die Nichtanwendung der Norm auf einen bestimmten Fall gebietet, der vom Wortlaut erfasst wäre. Vorausgesetzt wird damit: Der Gesetzgeber hat die Regelung versehentlich zu weit geschaffen. Der Wortlaut ist also anders als bei der Analogie nicht zu eng, sondern zu weit, sodass die Norm ihrem strengen Wortlaut nach auch Fälle erfasst, auf die sie ihrem Telos nach nicht erstreckt werden sollte. Analogie und teleologische Reduktion stellen zwar beide auf den Sinn und Zweck ab, haben aber gegensätzliche Ausgangspunkte. Larenz/Canaris formulieren: „Liegt die Rechtfertigung der Analogie in dem Gebot der Gerechtigkeit, dem maßgeblichen Wertungsgesichtspunkt nach gleichartige Fälle gleich zu behandeln, so die der teleologischen Reduktion in dem Gebot der Gerechtigkeit, Ungleiches ungleich zu behandeln“102. Angesichts dessen ist auch die Vorgehensweise bei der teleologischen Reduktion gänzlich umgekehrt zur Analogie, sodass trotz gleichen Ziels – der Beseitigung teleologischer Widersprüche – hinsichtlich der beiden Rechtsfortbildungsinstrumente auch kein Rangverhältnis ausgemacht werden kann.103 Vielmehr muss zur Vornahme normativer Korrekturen stets geprüft werden, ob die Voraussetzungen des jeweiligen Instruments vorliegen. Voraussetzung der teleologischen Reduktion ist eine (verdeckte) Regelungslücke, die durch Hinzufügung der sinngemäß erforderlichen Einschränkung geschlossen werden muss.104 Dabei ist stets erforderlich, dass – und hierin liegt die Grenze – nicht ein vorrangiges Interesse an Rechtssicherheit die strikte Einhaltung des Wortlautes gebietet.105 Im Einzelfall kann im Interesse der Rechtssicherheit oder aufgrund gesetzlicher Prinzipien die Einhaltung starrer Vorschriften gefordert sein, wenn auch die Billigkeit im Einzelfall hierunter leiden mag.106 Ob dies geboten ist, muss bei jeder in Frage kommenden Norm individuell im Wege der Auslegung ermittelt werden.107 Dass die Möglichkeit der teleologischen Reduktion im AGB-Recht besteht, ist von Rechtsprechung und Lehre seit jeher anerkannt: So wurde eine teleologische Reduktion beispielsweise zur Einschränkung des Anwendungsbereichs 101

Bydlinski, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 1991, S. 480. Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 211. 103 A.A. Danwerth, ZfPW 2017, 230, 242 ff. 104 Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 210. 105 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 192 f.; s. auch Danwerth, ZfPW 2017, 230, 242. 106 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 192 f. 107 Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 211; zum Ganzen ausführlich Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 192 f. 102

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des alten § 11 Nr. 8 lit. b AGBG erwogen, der nach seinem Wortlaut auch den Ausschluss des Schadensersatzes für Verzug erfasste.108 Auch die einschränkende Auslegung des alten § 23 AGBG, die die Rechtsprechung in verschiedenen Entscheidungen vorgenommen hat, um die Inhaltskontrolle auszudehnen,109 deutet darauf hin, dass die teleologische Korrektur AGB-rechtlicher Normen in bestimmten Konstellationen als zulässig und sinnvoll erachtet wird. So hat der BGH bereits im Jahre 1994 in Bezug auf die Erstreckung der Bereichsausnahme auf die stille Gesellschaft ausgeführt: „Ob und ggf. in welchem Umfang die stille Gesellschaft der Bereichsausnahme des § 23 I AGBG entzogen und – im Wege der teleologischen Reduktion – den Vorschriften des AGB zu unterstellen ist, kann daher nur danach beantwortet werden, ob die Strukturen der stillen Gesellschaft eine Anwendung der Vorschriften des AGB-Gesetzes, insb. seiner §§ 9 bis 11, zulassen bzw. – wie das Problem häufig umschrieben wird – ob die Klauselverbote dieses Gesetzes auf den Vertrag über die stille Gesellschaft ,passen‘“.110

Sofern sich also bestimmte AGB-rechtliche Normen ihrem Sinn und Zweck nach für die Einschränkung der Vertragsfreiheit bei einem Vertragstyp nicht eignen, kann also grundsätzlich auf das Instrument der teleologischen Reduktion zurückgegriffen werden. Einer dem § 310 Abs. 4 S. 2 BGB vergleichbaren Regelung bedarf es hierfür nicht.111 Konkret bedeutet das, dass auch bei der AGB-Kontrolle von Vorstandsverträgen eine teleologische Reduktion spezifischer Klauselverbote nach § 309 BGB geboten sein kann, soweit die uneingeschränkte Anwendung den Besonderheiten des Anstellungsvertrags zuwiderliefe. b) Ein Pendelblick: Die Möglichkeit der teleologischen Reduktion einzelner Klauselverbote im Arbeitsrecht Dies muss erst recht gelten, wenn die Möglichkeit der teleologischen Reduktion einzelner Klauselverbote bei Arbeitsverträgen besteht, obwohl bei diesen Modifikationen bereits im Wege der Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB vorgenommen werden können. Zu Recht weist Thüsing darauf hin: „Das in § 310 Abs. 4 S. 2 BGB niedergelegte Gebot der angemessenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten schließt nicht aus, in eng umgrenzten Sonderfällen eine teleologische Reduktion der in §§ 308, 309 BGB niedergelegten besonderen Klauselverbote vorzunehmen. Sie entspricht allgemeinem juristischem Handwerk: Eine Norm ist dann in ihrem Anwendungsbereich zu reduzieren, wenn ihr Wortlaut auch Fälle 108 Ulmer/Brandner/Hensen/Hensen, AGBG, 9. Aufl. 2000, § 11 Nr. 8 Rn. 12 f.; ähnlich Creutzig, DB 1979, 151, 152; Reuter, DB 1978, 193 f. 109 BGH, Urt. v. 10. 10. 1994 – II ZR 32/94, NJW 1995, 192 ff.; LAG Berlin, Urt. v. 27. 02. 1998 – 6 Sa 153/97, BeckRS 1998, 30893284. 110 BGH, Urt. v. 10. 10. 1994 – II ZR 32/94, NJW 1995, 192, 193. 111 Ähnlich für arbeitnehmerähnliche Personen Schubert, Der Schutz der arbeitnehmerähnlichen Personen, 2004, S. 235 f.

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erfasst, die er seinem Sinn nach nicht erfassen sollte. Eines Rückgriffs auf arbeitsrechtliche Besonderheiten bedarf es dann nicht, für Arbeitsverträge gilt insoweit nicht anderes als für andere Vertragswerke. Dass eine teleologische Reduktion durchaus auch im AGB-Recht zulässig sein kann, hat die Rechtsprechung durch eine einschränkende Auslegung des alten § 23 AGBG bestätigt. Eine Reduktion der besonderen Klauselverbote findet sich zuweilen in der Literatur; für den Arbeitsvertrag kann nicht anderes gelten.“112

Trotz der Sonderregelung in § 310 Abs. 4 S. 2 BGB für Arbeitsverträge verbleibt mithin nach allgemeinen Regeln die Möglichkeit, in Einzelfällen ein spezifisches Klauselverbot teleologisch zu reduzieren. Damit gilt: „Die angemessene Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Besonderheiten tritt neben, nicht an die Stelle althergebrachter Auslegungsgrundsätze, die eine teleologische Reduktion des Wortlauts rechtfertigen können.“113 Wenn aber sogar im Arbeitsrecht, für das eine Sonderregelung besteht, die die Berücksichtigung spezifischer Besonderheiten erlaubt, das Instrument der teleologischen Reduktion zugelassen wird, muss dies erst recht für die übrigen Verträge gelten, für die keine derartige Norm existiert. Da für den Anstellungsvertrag auf keine gesetzliche Regelung zurückgegriffen werden kann, aufgrund derer die Besonderheiten des Vorstandsrechts in die AGB-Prüfung einfließen könnten, wird umso deutlicher, dass die Möglichkeit der teleologischen Reduktion bestehen muss, um im Einzelfall eine normative Korrektur vornehmen zu können. 3. Zwischenergebnis: Modifikation einzelner Klauselverbote im Wege teleologischer Reduktion Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass weder die analoge Anwendung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB noch das Postulat des Vorrangs des Gesellschaftsrechts gegenüber dem Dienstvertragsrecht eine sachgerechte Modifikation des AGB-rechtlichen Prüfungsmaßstabs bei Vorstandsverträgen bewirken kann. Allgemeinem juristischen Handwerk entsprechend verbleibt aber die Möglichkeit der teleologischen Reduktion einzelner tatbestandlich einschlägiger Klauselverbote des § 309 BGB, um das uneingeschränkte Eingreifen des AGB-Rechts zu verhindern – sollte dies im Einzelfall geboten sein, um zwingende Wertungen nicht zu unterlaufen. Welches konkrete Klauselverbot nach § 309 BGB betroffen ist, muss aber dort erörtert werden, wo typischerweise in Anstellungsverträgen vorhandene Klauseln an ebendiesem Klauselverbot zu scheitern vermögen. Hinsichtlich der konkreten Prüfung ist aufgrund dessen auf die Erörterung der Angemessenheit verschiedener Einzelklauseln im weiteren Fortgang dieser Arbeit zu verweisen. An der jeweiligen Stelle 112 v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Arbeitsverträge Rn. 122; s. auch Thüsing, NZA 2002, 591, 593. 113 Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 46, Hervorhebung durch die Verfasserin; ähnlich Niemann, RdA 2013, 92, 96, der darauf hinweist, dass die teleologische Reduktion und die angemessene Berücksichtigung im Arbeitsrecht geltender Besonderheiten „nicht in einem Exklusivitäts-, sondern in einem Prioritätsverhältnis“ stehen; a.A. Joost, ZIP 2004, 1981, 1982; Winter, BB 2010, 2757, 2759.

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F. Modifikationen AGB-rechtlicher Bestimmungen

ist zu erörtern, ob ein Rückgriff auf das Instrument der teleologischen Reduktion zur Anpassung des AGB-rechtlichen Prüfungsmaßstabs i.S.e. Nichtanwendung des betreffenden Klauselverbotes notwendig und zulässig ist.

III. Eine abschließende Ordnung der Ergebnisse Damit gilt, dass eine unter Umständen erforderliche Modifikation des AGBrechtlichen Prüfungsmaßstabs bei der Kontrolle vorformulierter Bedingungen in Vorstandsverträgen, die entsprechend allgemeinen Regeln lediglich mit Hilfe des Instruments der teleologischen Reduktion vorgenommen werden kann, nur im Rahmen der Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit gemäß § 309 BGB überhaupt in Betracht kommt. Denn bei diesen handelt es sich ihrer Konzeption nach um zwingende Verbotsnormen, die nicht durch eine Interessenabwägung im Einzelfall ersetzt werden können. Insofern ist es hier auch grundsätzlich nicht möglich, Besonderheiten eines bestimmten Vertragstyps bei der Prüfung zu berücksichtigen. Sollte sich im Fortgang der Arbeit herausstellen, dass bestimmte Klauselverbote des § 309 BGB bei ihrer uneingeschränkten Anwendung auf Vorstandsverträge zu Unbilligkeiten insofern führen, als nach strenger Anwendung des AGB-Rechts typische Einzelklauseln keinen Einzug mehr finden könnten, ist an jener Stelle zu prüfen, ob eine teleologische Reduktion der Vorschrift zulässig und geboten ist – mit der Konsequenz, dass die betreffende Vorschrift keine Anwendung findet. Im Rahmen der §§ 308, 307 BGB bedarf es dagegen keiner Modifikation des Prüfungsmaßstabs. Denn hier eröffnet das AGB-Recht weitreichende Wertungsspielräume durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die anhand der in den jeweiligen Rechtsgebieten geltenden Besonderheiten konkretisiert werden müssen. Daraus ergibt sich, dass es hier zum einen keines Rückgriffs auf eine spezifische Norm, die die Berücksichtigung der Besonderheiten eines bestimmten Vertragstyps anordnet, bedarf; zum anderen muss auch nicht auf das Instrument der teleologischen Reduktion zurückgegriffen werden, da die Wirksamkeit einer Klausel trotz der grundsätzlichen Unwirksamkeitsanordnung nach dem AGB-Recht wegen der Wertungsoffenheit der Tatbestände erreicht werden kann. Zusammenfassend bedeutet dies für den Modifikationsbedarf des AGB-Kontrollmaßstabs für vorformulierte Klauseln in Vorstandsverträgen: Grundsätzlich ist nur die teleologische Reduktion einzelner Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit möglich, wobei erst im Kontext spezieller Einzelklauseln der konkrete Modifikationsbedarf ermittelt werden kann.

G. Zur Möglichkeit der Übertragung arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung Nicht beantwortet ist damit die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die umfangreiche Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zum AGB-Recht als Maßstab oder jedenfalls als Wertungsindiz für die AGB-rechtliche Beurteilung vorformulierter Vorstandsverträge fungieren kann oder sogar geboten ist, um den erforderlichen Schutzstandard des Vorstandsmitglieds im AGB-Recht zu erreichen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund zu klären, dass für Vorstandsverträge orientierungsgebende Rechtsprechung im Bereich des AGB-Rechts weitgehend fehlt. Zwar bedarf es bei der Überprüfung einer konkreten Klausel stets einer einzelfallbezogenen Güter- und Interessenabwägung. Indes hat das BVerfG bereits im Jahre 1984 betont, dass der Rechtsprechung die entscheidende Rolle zukommt, unter Berücksichtigung der Besonderheiten des zu beurteilenden Sachverhaltes Grundsätze zu entwickeln, welche die Rechtsfindung normativ zu leiten vermögen, um hierdurch den rechtsstaatlichen Geboten der Berechenbarkeit des Rechts, der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit genüge zu tun.1 Hiervon ausgehend ist im Folgenden zu klären, inwiefern der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte Wertungsgesichtspunkte entnommen werden können, die der Klauselkontrolle von Vorstandsverträgen Leitlinien vermitteln. Dies betrifft insbesondere die Anforderungen an die Wirksamkeit solcher Klauseln, die typischerweise Teil beider Verträge sind, und daher in besonderem Maße die Frage nach einheitlicher Bewertung aufwerfen. Anhand eines konkreten Beispiels wird die Problematik deutlicher: Das OLG Frankfurt a. M. hat in seiner Entscheidung die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zu Freiwilligkeitsvorbehalten auf die AGB-rechtliche Behandlung der freiwilligen Gewährung variabler Vergütung in Vorstandsverträgen übertragen, ohne sich mit der im Vorfeld zu klärenden Frage auseinanderzusetzen, ob die auf das Arbeitsrecht zugeschnittenen Wertungen sich überhaupt auf das Anstellungsverhältnis des Vorstandsmitglieds übertragen lassen.2 Hieran hat der BGH in der Revision deutliche Kritik geübt: Zwischen Arbeitsverträgen und Vorstandsdienstverträgen seien erhebliche Unterschiede auszumachen, was zur Folge habe, dass hinsichtlich der unbesehenen Übertragung der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung auf Anstellungsverträge von Vorständen einer Aktiengesellschaft Bedenken bestünden.3 1

BVerfG, Beschl. v. 25. 01. 1984 – 1 BvR 272/81, NJW 1984, 1741, 1743. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111; kritisch auch Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 717. 3 BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 26; ausführlich s. Gliederungspunkt H. IV. 2. a). 2

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G. Möglichkeit der Übertragung arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung

Die Bedenken des BGH sind berechtigt; die Möglichkeit der Übertragung arbeitsgerichtlicher Grundsätze auf den Vorstandsvertrag bedarf näherer Klärung. Aber nicht nur in Bezug auf Freiwilligkeitsvorbehalte, sondern auch hinsichtlich anderer typischer Klauseln stellt sich die Frage nach den Voraussetzungen der Übertragbarkeit. Dass sowohl in Arbeits- als auch in Anstellungsverträgen bestimmte Klauseln üblicher Bestandteil sind, bedeutet nicht, dass einheitliche Anforderungen an deren AGB-rechtliche Zulässigkeit zu stellen sind. Im Gegenteil: Eine pauschale Übertragung arbeitsrechtlicher Wertungen erscheint problematisch.

I. Ausgangspunkt: Keine pauschale Übertragung arbeitsrechtlicher Grundsätze Denn: Sofern ein Rückgriff auf durch die Arbeitsgerichte aufgestellte Wertungen erwogen wird, muss im Ausgangspunkt stets bedacht werden, dass das Vorstandsmitglied nicht als Arbeitnehmer zu kategorisieren ist.4 Dass im Schrifttum hieraus bereits gefolgert wird, dass „gegen die[] Übertragung arbeitsrechtlicher Überlegungen […] auf den Vorstands-Anstellungsvertrag spricht, […] dass das Vorstandsmitglied nicht Arbeitnehmer ist“5, greift jedoch offensichtlich zu kurz. Der Problematik ist sich indes mit besonderer Vorsicht zu nähern. Richtig ist, dass sich jedenfalls eine pauschale Übernahme bestimmter Grundsätze, die die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung mit Blick auf die AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen entwickelt hat, aufgrund der zwischen Vorstandsmitglied und Arbeitnehmer aufgezeigten Unterschiede verbietet.6 So hat der BGH etwa explizit eine Anwendung des richterrechtlich entwickelten und gewohnheitsrechtlich anerkannten Instituts des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Vorstandsmitglieder einer AG abgelehnt.7 Jedoch ergibt sich auch im Übrigen: Eine Übertragung der von den Arbeitsgerichten angelegten Maßstäbe auf den Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds, ohne eine im betreffenden Fall vorliegende Vergleichbarkeit der Interessenbzw. Schutzlagen zu diskutieren, läuft Gefahr, in Ausblendung ebendieser Unterschiede unbillige Wertungen vorzunehmen. Das birgt nicht nur die Gefahr, den Schutz des Vorstandsmitglieds im AGB-Recht zu überdehnen, sondern könnte auch dazu führen, im Einzelfall zwingende Wertungen des Vorstandsrechts, die den Anstellungsvertrag prägen, – wie etwa die durch gesellschaftsrechtliche Struktur4

S. o. unter Gliederungspunkt A. III. 3. a) bb). Kort, NZG 2020, 121, 124. 6 So ausdrücklich BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 26; so auch BeckOK-BGB/Baumgärtner, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 611 Rn. 42; Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 716 ff., insb. 718: Eine Übertragung ohne nähere Prüfung der Vergleichbarkeit sei ein „Sündenfall“. 7 BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 683, Rn. 37; zust. Kort, NZG 2020, 121, 125; Winzer/Launer/Schaaf, NZG 2020, 376, 378 f. 5

II. Anknüpfungspunkte für eine Übertragung

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prinzipien geprägte Vorstandsvergütung nach § 87 AktG im Unterschied zu den Bestimmungen zum Arbeitsentgelt8 – zu unterlaufen. Die fehlende Arbeitnehmereigenschaft des Vorstandsmitglieds hat also im AGB-Recht die Konsequenz, dass von den Arbeitsgerichten entwickelte Grundsätze zur AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen jedenfalls nicht unbesehen auf die Beurteilung vorstandsvertraglicher Bedingungen übertragen werden können.9

II. Anknüpfungspunkte für eine Übertragung Das heißt aber umgekehrt nicht automatisch, dass ein Transfer arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung in keinem Fall stattfinden kann. Im Gegenteil erscheint ein solcher dann zulässig und geboten, wenn die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung nicht an ausschließlich arbeitnehmerspezifische Charakteristika wie die persönliche Abhängigkeit anknüpft, sondern bestimmte Bewertungen aufgrund solcher Elemente vornimmt, die dem Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds ebenfalls immanent sind. Mit anderen Worten: Bei der Beurteilung der AGB-rechtlichen Angemessenheit der Regelungen eines vorformulierten Vorstandsvertrags kann dann – und nur dann – auf die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte rekurriert werden, wenn die für diese Rechtsprechung maßgeblichen Anknüpfungspunkte sich nicht nur in Arbeitsverträgen, sondern auch in Anstellungsverträgen finden. 1. Notwendige Bedingung: Elemente, die Arbeits- und Vorstandsvertrag gemein sind Voraussetzung für eine Übertragung ist damit, dass in Bezug auf die spezifische Problematik eine hinreichende Ähnlichkeit von Arbeits- und Anstellungsvertrag anzuerkennen ist. Doch wann ist dies der Fall? Hierzu sind die Gemeinsamkeiten von Arbeits- und Anstellungsvertrag zu betrachten: Bei beiden Schuldverhältnissen handelt es sich um Dienstverträge mit höchstpersönlichem Charakter.10 Zudem befindet sich das Vorstandsmitglied wie der Arbeitnehmer in einem längerfristigen entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis, in dem es hauptberuflich seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellt und mit dem es im Regelfall seine wirtschaftliche

8 BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 682, Rn. 33; s. auch ausführlich Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 718 f.; hierzu ebenfalls BeckOK-BGB/Baumgärtner, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 611 Rn. 42; Winzer/Launer/Schaaf, NZG 2020, 376, 378 f. 9 BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 26; so aber noch – wenngleich ohne Begründung – die Vorinstanz, s. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111; wie hier BeckOK-BGB/Baumgärtner, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 611 Rn. 42; Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715 ff.; Winzer/Launer/Schaaf, NZG 2020, 376, 379. 10 Ausführlich Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 206 f.

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G. Möglichkeit der Übertragung arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung

Existenzgrundlage absichert.11 Insofern kann regelmäßig von einer wirtschaftlichen Abhängigkeit ausgegangen werden kann, die der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers zwar nahesteht, aber ihr nicht gleichkommt.12 Zwischen AG und Vorstandsmitglied besteht überdies ein besonderes Treueverhältnis mit gegenseitigen Schutz- und Rücksichtnahmepflichten, wie ein ähnliches zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer angenommen wird.13 Dieses äußert sich zwar zumeist in besonderen Treubindungen insbesondere des Vorstandsmitglieds gegenüber der Gesellschaft.14 Jedoch sind Treupflichten des Vorstandsmitglieds „keine Einbahnstraße“15; im Gegenteil unterliegt auch die Gesellschaft rechtlichen Bindungen in Form bestimmter Schutzpflichten.16 Ausgehend von diesen Ähnlichkeiten wird in der Literatur auch die analoge Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften – wie beispielsweise der Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB17 – diskutiert und zu Recht umso eher bejaht, als die Vorschriften „nicht spezifisch auf die persönliche Abhängigkeit des Dienstverpflichteten abstellen, sondern Ausdruck einer Minimalsicherung der wirtschaftlichen Existenz im Rahmen eines langfristigen entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses sind“18 oder „durch besondere Vertrauens-

11 MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 60; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 206; Henssler, RdA 1992, 289, 294 f.; Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 79. 12 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 278; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 60; Henssler, RdA 1992, 289, 294 f. 13 S. zum Fürsorgeverhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied BGH, Urt. v. 18. 12. 1954 – II ZR 281/53, NJW 1955, 501; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 41; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 70; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 31, 76; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 249 f.; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 199 ff., 207; für das Arbeitsrecht BAG, Urt. v. 24. 10. 2018 – 10 AZR 69/18, NZA 2019, 161, 164, Rn. 25 f.; Urt. v. 20. 06. 2017 – 3 AZR 179/16, BeckRS 2017, 116757, Rn. 86 f.; Urt. v. 24. 09. 2009 – 8 AZR 444/08, NZA 2010, 337, 338, Rn. 14; Urt. v. 12. 05. 1958 – 2 AZR 539/56, NJW 1958, 1747, 1748; hierzu ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 611a Rn. 615 f., 707 ff.; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611 Rn. 895 ff. 14 Hierzu BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 682, Rn. 27; Urt. v. 27. 10. 2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236, 1241, Rn. 52. 15 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 11. 16 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 11; s. auch GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 280; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 31. 17 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 24; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 38; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 174; Spindler/Stilz/ Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 28; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 209; Henssler, RdA 1992, 289, 295 f.; Werner, NZA 2015, 1234, 1235. 18 Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 56; Hümmerich/Reufels/Reufels, Gestaltung, 4. Aufl. 2019, Kap. 3.1 Rn. 28; ähnlich KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 37; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 27; Henssler, RdA 1992, 289, 297; insbesondere auch Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 210: „[…] wenn vorrangig die Sicherung der persönlichen und wirtschaftlichen Existenz als Ergebnis von Dienstleistungen und ein darauf beruhendes Schutzbedürfnis im Spiele sind.“

II. Anknüpfungspunkte für eine Übertragung

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erwartungen (,hidden handshake‘) geprägt sind“19. Denn insofern ergibt sich eine hinreichende Vergleichbarkeit von Arbeits- und Anstellungsvertrag. Die gleichen Erwägungen müssen konsequenter Weise zur Herstellung eines angemessenen Schutzniveaus auch bei der Diskussion der Übertragbarkeit arbeitsgerichtlicher Rechtsprechungsgrundsätze zugrunde gelegt werden. Das heißt: Wenn die Arbeitsgerichte bestimmte Wertungen vornehmen oder Grundsätze aufstellen, kommt eine Übertragung ebendieser auf die AGB-rechtliche Beurteilung vorstandsvertraglicher Bedingungen in Betracht, wenn sich die Rechtsprechung nicht als Ausdruck der besonderen Schutzwürdigkeit des persönlich Abhängigen darstellt.20 Andersherum formuliert: Erforderlich ist, dass sie an die höchstpersönliche dienstvertragliche Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, die Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage oder das besondere Fürsorgeverhältnis zwischen Parteien eines längerfristigen Dienstvertrags anknüpft.21 Im Einzelnen: Die bloße Anknüpfung an den Dienstvertrag kann nicht genügen, da ansonsten auch punktuelle Leistungsaustausche erfasst würden. Vielmehr muss es sich um eine Wertung handeln, die Ausdruck des höchstpersönlichen Dauerschuldverhältnisses ist. Ebenso kann eine Übertragung stattfinden, wenn der betreffende Grundsatz auf die Minimalabsicherung der wirtschaftlichen Existenz abzielt, ohne die soziale Schutzwürdigkeit in den Fokus zu stellen. Indem das Vorstandsmitglied auf die im Rahmen seiner Vorstandstätigkeit erworbene Vergütung zur Bestreitung seines Lebensunterhalts angewiesen ist, liegt diesbezüglich eine partielle Vergleichbarkeit mit dem Arbeitnehmer vor. Wurde hieraus im Schrifttum bereits gefolgert, dann müssten all jene arbeitsrechtlichen Normen entsprechende Anwendung finden, „die dem Ausgleich dieser wirtschaftlichen Abhängigkeit dienen“22, so muss Gleiches für Rechtsprechungsgrundsätze und -wertungen gelten. Ein Transfer arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung kommt des Weiteren dann in Betracht, wenn die Rechtsprechung Ausdruck des besonderen Fürsorgeverhältnisses ist, das zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aber eben auch in ähnlicher Weise zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied besteht.23

19 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 27; ähnlich auch KK-AktG/ Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 37. 20 Ähnlich Poelzig, NZG 2020, 41, 47. 21 Ähnlich für im Arbeitsrecht entwickelte Rechtsinstitute wie beispielsweise die Grundsätze zur Haftungsbeschränkung MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 67; in diese Richtung auch Poelzig, NZG 2020, 41, 47. 22 Henssler, RdA 1992, 289, 295. 23 So für eine analoge Anwendung arbeitnehmerschützender Vorschriften Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 56; ähnlich KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 37; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 27; Henssler, RdA 1992, 289, 297; insbesondere auch Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 210.

146

G. Möglichkeit der Übertragung arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung

2. Hinreichende Bedingung: Kein Entgegenstehen vorstandsrechtlicher Wertungen Dennoch – so formuliert es Reufels treffend – darf die „tatsächliche und teilweise auch rechtliche Nähe zum Arbeitsvertragsrecht nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der konkrete Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds deutlich von dem Arbeitsvertrag eines Arbeitnehmers unterscheidet“24. Angesichts dessen muss die Möglichkeit der Übertragung arbeitsrechtlicher Grundsätze eine Einschränkung durch zwingende vorstandsrechtliche Bestimmungen erfahren. Wenn also ein durch die Arbeitsgerichte entwickelter Grundsatz an ein Element anknüpft, das Arbeitsund Anstellungsvertrag gemein ist, dann handelt es sich hierbei hinsichtlich der Übertragung dieses Grundsatzes auf den Vorstandsvertrag nur um die notwendige Bedingung. Mit anderen Worten: Allein eine insofern bestehende Vergleichbarkeit kann noch keine Übertragbarkeit begründen. Hinzutreten muss vielmehr als hinreichende Bedingung die Voraussetzung, dass nicht zwingende vorstandsrechtliche Wertungen einer Übertragung entgegenstehen. Denn stets zu berücksichtigen ist, dass es sich beim Anstellungsvertrag um einen besonderen Dienstvertrag insofern handelt, als die allgemeinen dienstvertraglichen Regeln trotz der zu beachtenden Trennungstheorie mitunter von vorstandsrechtlichen Spezifika verdrängt werden.25 Daher können diese korporationsrechtlichen Vorgaben konsequenterweise auch die dienstvertraglichen Besonderheiten überlagern, die dem Arbeitsvertrag gemein sind. In diese Richtung scheint auch der BGH in seiner Entscheidung vom 24. 09. 2019 zu tendieren, in der er exemplarisch eine Vergleichbarkeit der Interessenlagen und damit eine Übertragung der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zu formularvertraglich vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalten mit dem Argument organschaftlicher Spezifika wie der Leitungsmacht nach § 76 AktG sowie den nach § 87 AktG bestehenden besonderen Treubindungen des Vorstandsmitglieds hinsichtlich seiner Vergütung verneint hat,26 ohne jedoch positiv festzustellen, unter welchen Voraussetzungen denn eine Übertragung der Rechtsprechung in Betracht käme. Damit kann nach den vorstehenden Ausführungen eine arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, die auf schuldrechtlichen Charakteristika fußt, die sowohl Arbeitsals auch Anstellungsvertrag aufweisen, nur dann übertragen werden, wenn vorstandsrechtliche Vorgaben nicht entgegenstehen. Nur mit dieser Einschränkung kann sichergestellt werden, dass nicht die Anerkennung bestimmter Ähnlichkeiten der beiden besonderen Dienstverträge dazu führt, dass zwingende Wertungen des Aktienrechts, das dem Anstellungsvertrag seine inhaltliche Kontur gibt, unterlaufen werden – und es letztlich zur Unangemessenheit des Prüfungsmaßstabs kommt.

24

Hümmerich/Reufels/Reufels, Gestaltung, 4. Aufl. 2019, Kap. 3.1 Rn. 44. S. o. unter Gliederungspunkt A. III. 1. 26 BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 26 f.; anders noch die Vorinstanz, s. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111, Rn. 40. 25

III. Zwischenergebnis

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III. Zwischenergebnis: Übertragbarkeit bei gleicher Schutzbedürftigkeit Bezüglich der Frage, inwieweit auf die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zum AGB-Recht für die AGB-rechtliche Beurteilung vorformulierter Regelungen in Vorstandsanstellungsverträgen zurückgegriffen werden kann oder sogar muss, ist festzustellen: Angesichts der dargelegten Unterschiede zwischen Arbeitnehmer und Vorstandsmitglied darf keine pauschale Übertragung arbeitsgerichtlicher Rechtsprechungsgrundsätze erfolgen. Eine Anwendung kann – und muss zur Herstellung eines sachgerechten Schutzniveaus zuweilen – aber dann stattfinden, wenn in Bezug auf die spezifische AGB-rechtliche Problematik eine hinreichende Ähnlichkeit von Arbeits- und Anstellungsvertrag besteht. Für die Annahme einer solchen ist notwendige Bedingung, dass der betreffende Grundsatz an die Arbeits- und Vorstandsvertrag verbindenden Elemente anknüpft, konkret an die höchstpersönliche dienstvertragliche Tätigkeit im Rahmen eines längerfristigen Beschäftigungsverhältnisses, die Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage oder das besondere Fürsorgeverhältnis zwischen den Parteien. Als hinreichende Bedingung dürfen der Übertragung keine zwingenden vorstandsrechtlichen Wertungen entgegenstehen. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass das Schutzniveau des Vorstandsmitglieds im AGB-Recht demjenigen des Arbeitnehmers so weit wie erforderlich angeglichen wird, ohne dabei spezifische Eigenheiten des Vorstandsrechts zu unterlaufen. Da für jede Wertung, die die Arbeitsgerichte vornehmen, eine gesonderte Beurteilung vorzunehmen ist, können erst im Kontext der Erörterung der Zulässigkeit spezifischer Einzelklauseln Aussagen dazu getroffen werden, welche konkreten Wertungen einer Übertragung zugänglich sind und zur Gewährleistung eines angemessenen Schutzniveaus auf den Vorstandsvertrag – freilich als Leitlinie und nicht als starres Korsett – übertragen werden müssen.

H. Einzelklauseln im ordnenden Zugriff Auf der Grundlage der obigen Ergebnisse ist nunmehr die Zulässigkeit einzelner, typischerweise in Vorstandsverträgen vorhandener Klauseln zu prüfen. Freilich kann nicht die AGB-Festigkeit jeder denkbaren Vertragsbestimmung, die Einzug in Vorstandsverträge finden kann, untersucht werden. Vielmehr soll im Rahmen dieser Arbeit eine Beschränkung auf exemplarische Klauseln stattfinden, deren Üblichkeit in der Praxis anzunehmen ist und die sich typischerweise sowohl in Anstellungs- als auch in Arbeitsverträgen finden – um eine mögliche Übertragung der für Arbeitnehmer entwickelten Wertungen anhand der konkreten Klausel diskutieren zu können. Diesbezüglich soll zunächst eine Auseinandersetzung mit den AGBrechtlichen Schranken von Wettbewerbsverboten (H. I.) und Vertragsstrafen (H. II.) erfolgen, um sich sodann der AGB-rechtlichen Zulässigkeit von Entgeltflexibilisierungsinstrumenten wie Rückzahlungsklauseln am Beispiel von Claw-BackKlauseln (H. III.) und Freiwilligkeitsvorbehalten (H. IV.) zuzuwenden. Die Prüfung der AGB-rechtlichen Zulässigkeit von in der Praxis weit verbreiteten Kopplungsklauseln soll im Rahmen dieser Arbeit bewusst ausgespart werden; zum einen kennen Kopplungsklauseln mangels Anwendungsbereichs des Trennungsprinzips im Arbeitsrecht kein arbeitsvertragliches Pendant, sodass die Diskussion einer Übertragung arbeitsgerichtlicher Grundsätze insofern von vornherein ausscheidet – was dem Kernanliegen dieser Arbeit entspricht. Zum anderen erscheint die Problematik weitgehend ausgeleuchtet: Bereits in seinem Grundsatzurteil vom 29. 05. 1989 hat der BGH die grundsätzliche Zulässigkeit von Kopplungsklauseln in Vorstandsverträgen entgegen der in § 84 Abs. 3 S. 5 AktG verankerten Trennungstheorie festgestellt.1 Die Instanzgerichte sind dem weitgehend gefolgt.2 In der Folgezeit hat auch eine ausführliche Auseinandersetzung in der Literatur aus dem Blickwinkel des AGB-Rechts stattgefunden;3 weiterführender Klärung bedarf es damit nicht.

1 BGH, Urt. v. 29. 05. 1989 – II ZR 220/88, AP BGB § 622 Nr. 26; hierzu v. Westphalen, NZG 2020, 321. 2 S. nur OLG München, Urt. v. 24. 03. 2016 – 23 U 1884/15, BeckRS 2016, 6453; OLG Saarbrücken, Urt. v. 08. 05. 2013 – 1 U 154/12 – 43, NZG 2013, 784; LG Frankfurt a. M., Urt. v. 11. 12. 2013 – 3 – 03 O 156/12, BeckRS 2016, 12480; LG Mosbach, Urt. v. 08. 07. 2015 – 4 O 5/ 15 KfH, BeckRS 2015, 116479; LG Düsseldorf, Urt. v. 20. 02. 1992 – 6 U 118/9, DStR 1992, 1139. 3 S. nur exemplarisch Bauer, FS Wank, 2014, S. 3 ff.; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 ff.; Bauer/Diller, GmbHR 1998, 809 ff.; Bauer/v. Medem, NZA 2014, 238, 239 f.; Hümmerich, NZA 2006, 709 ff.; Koehler, NZG 2019, 1406 ff.; Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 85 ff.; Werner, NZA 2015, 1234 ff.; v. Westphalen, NZG 2020, 321 ff.; v. Westphalen, BB 2015, 834 ff.

I. Wettbewerbsverbote

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I. Wettbewerbsverbote Typischerweise werden in Vorstandsverträgen Wettbewerbsverbote vereinbart. Denn: In seiner Position erlangt das Vorstandsmitglied umfassende Kenntnisse über die Gesellschaft beispielsweise in Bezug auf Unternehmensstrategien oder Kundenbeziehungen, deren Verwertung oder Weitergabe an Dritte bei der Gesellschaft erhebliche Schäden verursachen kann.4 Zum Schutze der Gesellschaft besteht im Aktienrecht für den Vorstand als Ausfluss seiner Treupflicht zwar bereits das gesetzliche Wettbewerbsverbot nach § 88 AktG, wonach Vorstandsmitgliedern für die Dauer ihres Amtes grundsätzlich der Betrieb eines Handelsgewerbes, das Geschäftemachen im Geschäftszweig der Gesellschaft sowie die Tätigkeit als Vorstandsmitglied, Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft untersagt wird.5 Dieses Verbot kann aber durch vertragliche Vereinbarungen ergänzt, intensiviert oder präzisiert werden.6 Dies betrifft zum einen Konkretisierungen oder Erweiterungen bestimmter Wettbewerbsverstöße.7 Üblich erscheint es beispielsweise, den Erwerb von Anteilen an konkurrierenden Gesellschaften einem Wettbewerbsverbot zu unterwerfen,8 oder auch sämtliche Nebentätigkeiten von der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängig zu machen.9 Mit der Beendigung der Bestellung zum Vorstandsmitglied endet das Wettbewerbsverbot allerdings unabhängig vom Grund der Beendigung.10 In der Praxis weit verbreitet 4

Sina, DB 1985, 902; für den GmbH-Geschäftsführer Hümmerich/Reufels/Borgmann, Gestaltung, 4. Aufl. 2019, Kap. 2.18 Rn. 1132. 5 Dies entspricht auch den Vorgaben des DCGK, s. Grundsatz 19 DCGK in der Fassung vom 16. 12. 2019: „Die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat sind dem Unternehmensinteresse verpflichtet. Sie dürfen bei ihren Entscheidungen weder persönliche Interessen verfolgen noch Geschäftschancen für sich nutzen, die dem Unternehmen zustehen. Vorstandsmitglieder unterliegen während ihrer Tätigkeit einem umfassenden Wettbewerbsverbot.“, abrufbar unter https://www.dcgk.de//files/dcgk/usercontent/de/download/kodex/191216_Deutscher_Corpora te_Governance_Kodex.pdf, S. 13 (zuletzt abgerufen am 19. 06. 2020). 6 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 116, 119; Hölters/Weber, AktG, 3. Aufl. 2017, § 88 Rn. 23; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 88 Rn. 10; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 9, 33; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 88 Rn. 48; Spindler/Stilz/ Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 88 Rn. 42. 7 S. hierzu etwa OLG Brandenburg, Urt. v. 24. 06. 2008 – 6 U 104/07, BeckRS 2009, 8165; GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 116, 119; Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 90; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 28 f. 8 Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 90. 9 Binnewies, in: Formularbuch Recht und Steuern, 9. Aufl. 2019, Stand: 01. 04. 2019, A. 1.10 Anstellungsvertrag für Vorstandsmitglieder, § 1 Abs. 3; Schelling, in: Beck’sche Online-Formulare Vertrag, 52. Edt., Stand: 01. 03. 2020, 2.3.4 Vorstandsdienstvertrag (ausführlich, mit Pensionszusage), § 4 Abs. 2; dies wird auch im DCGK empfohlen, s. E.3 DCGK in der Fassung vom 16. 12. 2019, abrufbar unter https://www.dcgk.de//files/dcgk/usercontent/de/down load/kodex/191216_Deutscher_Corporate_Governance_Kodex.pdf, S. 13 (zuletzt abgerufen am 19. 06. 2020). 10 MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 88 Rn. 10; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 88 Rn. 9; Veltins, BB 2013, 1077, 1080. Sofern der Anstellungsvertrag nicht zeitgleich mit der Bestellung endet, so gilt das Wettbewerbsverbot nach umstrittener, aber

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– wenngleich nicht ausdrücklich im DCGK empfohlen, sondern nur nach der Empfehlung G.13 DCGK in der Fassung vom 16. 12. 2019 vorausgesetzt – sind daher vertragliche Regelungen, die die Pflicht zur Wettbewerbsunterlassung für die Zeit nach Ausscheiden des Vorstandsmitglieds statuieren, sog. nachvertragliche Wettbewerbsverbote.11 Ohne die vertragliche Erstreckung auf die nachfolgende Zeit würde die Gesellschaft nicht davor bewahrt, dass das Vorstandsmitglied die während seiner Amtszeit erworbenen Kenntnisse und Verbindungen in illoyaler Weise zum Nachteil der Gesellschaft zumeist sanktionslos verwerten könnte.12 Angesichts dessen erscheint es hier umso wichtiger, konkrete Wirksamkeitsanforderungen herauszuarbeiten. 1. Wettbewerbsverbote im Arbeitsrecht: Der Ausgangspunkt Als Orientierungspunkt ist ein erster Blick auf das Arbeitsrecht zu werfen, in dem sich ein überwiegend klares Bild etabliert hat: Das BAG hat ein an den Arbeitnehmer gerichtetes Verbot, mit dem Arbeitgeber während Bestehens des Arbeitsverhältnisses in Wettbewerb zu treten, aus der aus dem Arbeitsvertrag folgenden Nebenbzw. der Treupflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB hergeleitet – einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf es damit im laufenden Arbeitsverhältnis nicht.13 Zudem sieht es das gesetzliche Wettbewerbsverbot in §§ 60, 61 HGB, das sich unmittelbar nur auf den Handlungsgehilfen bezieht, als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens an, der für Arbeitnehmer gleichermaßen gilt und die Treupflicht näher ausgestaltet.14 Gleichwohl sind auch im Arbeitsrecht vertragliche Verankerungen dieser Treupflicht zutreffender Ansicht jedoch nicht mehr so lange, wie das abberufene Vorstandsmitglied noch Bezüge von der Gesellschaft erhält, s. Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 88 Rn. 2; so auch Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 88 Rn. 10; a.A. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 05. 11. 1999 – 10 U 257/98, NZG 2000, 738; Veltins, BB 2013, 1077, 1080. 11 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 136 ff.; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 9, 33 ff.; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 88 Rn. 42; Bauer/Medem, GWR 2011, 435 ff.; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 3, 34 ff.; Thüsing, NZG 2004, 9; Veltins, BB 2013, 1077, 1080. 12 KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 33; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, § 24 Rn. 1031 f.; Bauer/Medem, GWR 2011, 435, 436; Veltins, BB 2013, 1077, 1080; a.A. Semler, EWiR 1985, 299, der davon ausgeht, dass die gesetzliche Geheimhaltungspflicht gemäß § 404 AktG auch nach Beendigung der Tätigkeit das Vorstandsmitglied daran hindert, Geschäftsgeheimnisse oder erworbenes Know-how zu verwerten; differenzierend Jäger, DStR 1995, 724. 13 BAG, Urt. v. 24. 03. 2010 – 10 AZR 66/09, AP GG Art. 12 Nr. 141; Urt. v. 20. 09. 2006 – 10 AZR 439/05, BAGE 119, 294; grundlegend Beschl. v. 17. 10. 1969 – 3 AZR 442/68, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 7; Laskawy, NZA 2012, 1011; freilich schadet die ausdrückliche Aufnahme einer dahingehenden Vereinbarung in den Vertrag grundsätzlich nicht, eine entsprechende – in der Praxis eher unübliche – Klausel wäre dann deklaratorisch. 14 BAG, Urt. v. 30. 05. 2018 – 10 AZR 780/16, AP HGB § 61 Nr. 5, Rn. 33; Urt. v. 17. 10. 2012 – 10 AZR 809/11, NZA 2013, 207, 208, Rn. 15; Urt. v. 26. 09. 2007 – 10 AZR 511/06, DStR 2007, 2178.

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bzw. vertraglich ausgestaltete Verbote (konkurrierender) Nebentätigkeit nicht unüblich.15 Bezüglich ihrer AGB-rechtlichen Wirksamkeit gilt jedoch ein strenger Maßstab: So sind arbeitsvertragliche Klauseln, die dem Arbeitnehmer generell die Ausübung sämtlicher Nebentätigkeiten untersagen, nach der höchstinstanzlichen Rechtsprechung als unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 BGB unwirksam.16 Vielmehr sind weitere – auch konkurrierende – Dienstleistungen im Einzelfall zuzulassen, „wenn es sich lediglich um einfache Tätigkeiten handelt, die allenfalls zu einer untergeordneten wirtschaftlichen Unterstützung des Konkurrenzunternehmens führen können, und im Übrigen schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers nicht berührt werden.“17 Bei der Bestimmung der Reichweite des Wettbewerbsverbot muss also die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers berücksichtigt werden; in Abwägung mit dem Interesse des Arbeitgebers an der Verhinderung von Konkurrenztätigkeiten ist festzustellen, ob nach Art der Haupt- und Nebentätigkeit und der beteiligten Unternehmen eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen zu besorgen ist. Insofern bedarf es auch einer verfassungskonformen einengenden Auslegung des § 60 Abs. 1 HGB: Nach Auffassung des BGH darf der in § 60 Abs. 1 HGB verbotene Betrieb eines Handelsgewerbes ohne Einwilligung des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer nur dann verwehrt sein, wenn dadurch eine Schädigung des Arbeitgebers zu besorgen ist; wenn also das „Handelsgewerbe für den Arbeitgeber wettbewerbsmäßig eine Gefahr bedeutet.“18 Ausgehend hiervon werden zumeist lediglich Wettbewerbsabreden, die sich im Verbot unmittelbarer Konkurrenztätigkeiten erschöpfen, und keine bloßen Hilfstätigkeiten ohne Wettbewerbsbezug erfassen, als wirksam angesehen.19 Eine Regelung, die die generelle Ausübung einer Nebentätigkeit etwa von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig macht, läuft dagegen Gefahr, gegen die Schranken des § 307 BGB zu verstoßen. Denn verpflichtet ist der Arbeitnehmer grundsätzlich nur zur Anzeige einer Nebentätigkeit, und zwar auch nur so weit, als durch die Nebentätigkeit die Interessen des Arbeitgebers bedroht sind. Dies kann dann angenommen werden, wenn sich eine Unvereinbarkeit der Nebentätigkeit mit der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung ergibt und sich die Ausübung der Nebentätigkeit angesichts dessen als Arbeitspflichtverletzung darstellen würde.20 Dass auch ohne vertragliche Abrede aus der Treupflicht ein Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses folgt, bedeutet jedoch auch, dass dieses Wettbe15 Ausführlich hierzu Preis/Stoffels, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II W 10 Rn. 2 ff.; s. auch Gaul/Mirza Khanian, MDR 2006, 68, 69; Kittner, BB 2011, 1013. 16 BAG, Urt. v. 18. 11. 1988 – 8 AZR 12/86, NZA 1989, 389 ff.; s. hierzu auch Gaul/Mirza Khanian, MDR 2006, 68. 17 BAG, Urt. v. 24. 03. 2010 – 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693, 694, Rn. 17 m.w.N. aus dem Schrifttum. 18 Grundlegend BAG, Urt. v. 25. 05. 1970 – 3 AZR 384/69, NJW 1970, 1941, 1942. 19 BAG, Urt. v. 24. 03. 2010 – 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693, 694, Rn. 17 m.w.N. 20 BAG, Urt. v. 18. 01. 1996 – 6 AZR 314/95, NZA 1997, 41, 42; s. auch Kittner, BB 2011, 1013; Preis/Stoffels, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II N 10 Rn. 5.

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werbsverbot mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet.21 Soweit man eine nachvertragliche Verschwiegenheits- respektive Treupflicht des Arbeitnehmers anerkennt, begründet auch diese regelmäßig keinen Anspruch des Arbeitgebers gegen seinen ehemaligen Arbeitnehmer auf die Unterlassung von Wettbewerbshandlungen.22 Vielmehr unterliegt der Arbeitnehmer hinsichtlich der Verwertung seiner im Rahmen seiner Tätigkeit erworbenen Kenntnisse ohne entsprechende Vereinbarung grundsätzlich keinen Schranken.23 Will der Arbeitgeber also sicherstellen, dass der Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Wettbewerbshandlungen unterlässt, muss er dies gesondert vereinbaren. Das ist vor dem Hintergrund der Privatautonomie grundsätzlich möglich, wird allerdings unter Berücksichtigung der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers gemäß Art. 12 Abs. 1 GG eingeschränkt.24 Ausdrücklich wird auch in § 110 S. 1 GewO klargestellt, dass die berufliche Tätigkeit des Arbeitnehmers für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Vereinbarung beschränkt werden kann. Doch unter welchen Voraussetzungen sind solche Vereinbarungen in Formularverträgen wirksam? Spezialgesetzlich greifen über den Verweis in § 110 S. 2 GewO die §§ 74 ff. HGB. Zwar gelten daneben als Vorschriften des AGB-Rechts uneingeschränkt das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sowie das Verbot überraschender Klauseln nach § 305c Abs. 1 BGB.25 Eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, 2 BGB findet nach ganz herrschender Meinung26 jedoch nicht statt, wobei die Begründungen in Rechtsprechung und Lehre variieren. 21 Dies voraussetzend BAG, Urt. v. 30. 05. 2018 – 10 AZR 780/16, AP HGB § 61 Nr. 5, Rn. 36 ff.; Urt. v. 16. 01. 2013 – 10 AZR 560/11, NZA 2013, 748 f., Rn. 14 ff.; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 211; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 449. 22 BAG, Urt. v. 19. 05. 1998 – 9 AZR 394/97, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 11; Urt. v. 15. 06. 1993 – 9 AZR 558/91, AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 40; Urt. v. 11. 12. 1967 – 3 AZR 22/67, GRUR 1968, 390, 391; Laskawy, NZA 2012, 1011. 23 BAG, Urt. v. 22. 03. 2017 – 10 AZR 448/15, NJW 2017, 2363, 2364; Urt. v. 11. 12. 1967 – 3 AZR 22/67, GRUR 1968, 390, 391; Laskawy, NZA 2012, 1011. 24 Laskawy, NZA 2012, 1011, 1012; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 449; zur Zulässigkeit von auf ein nachträgliches Wettbewerbsverbot gerichteten Vorverträgen s. BAG, Urt. v. 19. 12. 2018 – 10 AZR 130/18, NJW 2019, 1394. 25 LAG Hamm, Urt. v. 14. 04. 2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 513, 515; Hunold, NZARR 2013, 174, 175 f.; Kock, NJW 2015, 3389, 3392; Laskawy, NZA 2012, 1011, 1014; Lumper, Kontrollmaßstäbe für nachvertragliche Wettbewerbsverbote, 2013, S. 60; Preis/Stoffels, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II W 10 Rn. 32. 26 LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 03. 08. 2012 – 9 SaGa 6/12, NZA-RR 2013, 15, 16; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 30. 01. 2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 212; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, § 24 Rn. 541; Diller, NZA 2005, 250, 251; Hümmerich/Reufels/Borgmann, Gestaltung, 4. Aufl. 2019, Kap. 2.18 Rn. 1170; Hunold, NZA-RR 2013, 174, 175; Kock, NJW 2015, 3389, 3392; Laskawy, NZA 2012, 1011, 1014; Lumper, Kontrollmaßstäbe für nachvertragliche Wettbewerbsverbote, 2013, S. 58 ff.; Preis/Stoffels, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II W 10 Rn. 32; a.A. Growe, Nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen, 2010, S. 83 f.; Kamanabrou, ZfA 2018, 92, 99 ff.; ähnlich schon Koch, RdA 2006, 28, 32, der die Kontrollfähigkeit

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En détail: Nach einer Ansicht sei § 307 Abs. 3 S. 1 BGB in sinngemäßer Anwendung insofern einschlägig, als eine Wettbewerbsvereinbarung für die Zeit nach Ausscheiden des Arbeitnehmers lediglich die gesetzlichen Regelungen zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot umsetze.27 Mit anderen Worten: Vor dem Hintergrund der Funktion des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB, angesichts des Grundsatzes der Gewaltenteilung solche Vereinbarungen aus der Inhaltskontrolle herauszunehmen, die mit gesetzlichen Vorschriften übereinstimmen,28 seien Wettbewerbsverbote kontrollfrei, denn diese würden nach den §§ 74 ff. HGB ausdrücklich ermöglicht. Andere gehen ebenfalls von der Kontrollfreiheit nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB aus, argumentieren aber mit der anderen Funktion des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB, die Festlegung der vertraglichen Hauptleistungspflichten einer Inhaltskontrolle zu entziehen. Denn bei Wettbewerbsverboten handele es sich, auch wenn sie Teil des Arbeitsvertrages seien und nicht im Rahmen einer isolierten Abrede vereinbart würden, um synallagmatische Pflichten, mithin einen gegenseitigen Vertrag i.S.v. §§ 320 ff. BGB. Soweit man im Rahmen der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes dessen sachlichen, geografischen und zeitlichen Umfang festlege, definiere man die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers.29 Und bei Festlegungen der essentialia negotii handele es sich nicht um Abweichungen oder Ergänzungen von Rechtsvorschriften i.S.v. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Stoffels und Thüsing/Leder und andere Stimmen im Schrifttum stimmen zwar im Ergebnis zu, wählen aber einen anderen dogmatischen Anknüpfungspunkt: Sie begreifen die §§ 74 ff. HGB als leges speciales gegenüber den § 307 Abs. 1, 2 BGB und auch gegenüber der Rechtsfolgenregelung des § 306 BGB. Soweit die §§ 74 ff. HGB Anwendung fänden, würde die allgemeine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB verdrängt. Insbesondere aber bestehe nach § 74a Abs. 1 HGB die Möglichkeit der geltungserhaltenden Reduktion zu weit gefasster Wettbewerbsverbote. Das im AGB-Recht bestehende Verbot der geltungserhaltenden Reduktion gemäß § 306 Abs. 1, 2 BGB werde von der spezielleren Regelung verdrängt.30

bejaht, einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB aber nur dann annimmt, wenn sich das Wettbewerbsverbot bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt; ansonsten soll weiterhin die Rechtsfolge des § 74a Abs. 1 HGB gelten. 27 So etwa LAG Hamm, Urt. v. 14. 04. 2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 513, 515; kritisch in Bezug auf die Begründung Koch, RdA 2006, 28, 29; Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 47; a.A. Kamanabrou, ZfA 2018, 92, 99. 28 BT-Drucks. 7/3919, S. 22; MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 307 Rn. 1; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 275 f. 29 LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 03. 08. 2012 – 9 SaGa 6/12, NZA-RR 2013, 15, 16; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 30. 01. 2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, § 24 Rn. 353 ff., 541, 1045; Diller, NZA 2005, 250, 251; Hunold, NZA-RR 2013, 174, 175; hiervon geht offenbar auch das BAG aus, das dies zwar nicht ausdrücklich feststellt, aber betont, dass es sich bei Wettbewerbsverboten um gegenseitige Verträge i.S.v. §§ 320 ff. BGB handelt, s. BAG, Urt. v. 07. 07. 2015 – 10 AZR 260/14, AP HGB § 74 Nr. 87, Rn. 29; Urt. v. 21. 04. 2010 – 10 AZR 288/09, NZA 2010, 1175, 1176, Rn. 11; Urt. v. 23. 11. 2004 – 9 AZR 595/03, NZA 2005, 411, 412; a.A. Kamanabrou, ZfA 2018, 92, 100. 30 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 213; Preis/Stoffels, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II W 10 Rn. 32; Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 46 f.; so auch Hümmerich/ Reufels/Borgmann, Gestaltung, 4. Aufl. 2019, Kap. 2.18 Rn. 1170; Kock, NJW 2015, 3389, 3392; Lembke, BB 2020, 52, 56; Niklas, ArbRAktuell 2019, 459, 460.

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Vereinzelt wird zwar grundsätzlich ebenfalls ein Spezialitätsverhältnis angenommen.31 Die Stütze sollen aber teleologische Erwägungen bilden: Da die §§ 74 ff. HGB dem Arbeitnehmer den größeren Schutz böten, seien diese den Vorschriften des AGB-Rechts grundsätzlich vorzuziehen.32 Ein letzter Ansatz gelangt zur Unanwendbarkeit der allgemeinen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB über § 310 Abs. 4 S. 2 BGB: Als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit sei die Schwierigkeit der Prognose der künftigen wettbewerblichen Situation zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses anzusehen, die eine geltungserhaltende Reduktion – wie sie in § 74a Abs. 1 HGB angeordnet ist – erfordere.33

Unterscheiden sich die dogmatischen Herangehensweisen, so besteht gleichwohl ein Minimalkonsens dahingehend, dass sich der Inhalt auch vorformulierter nachvertraglicher Wettbewerbsverbote grundsätzlich am Maßstab der §§ 74 ff. HGB messen lassen muss und die allgemeinen AGB-Vorschriften zur Inhaltskontrolle der Klausel nicht zur Anwendung gelangen.34 § 74a Abs. 1 HGB (i.V.m. § 110 S. 2 GewO) formuliert also die inhaltlichen Anforderungen auch bei Formularverträgen. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit einem Arbeitnehmer kann nach § 74a Abs. 1 S. 1 HGB nur dann vereinbart werden, soweit ein berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers besteht. Die Hürden sind hierfür nicht niedrig: So kann ein solches nicht schon in dem allgemeinen Wunsch, die Konkurrenz einzuschränken, liegen.35 Verlangt wird vielmehr ein höherrangiges Interesse wie der Schutz von Betriebsgeheimnissen, damit sich § 74a Abs. 1 HGB nicht in einem bloßen Willkürverbot erschöpft.36 Dies erfordert eine Gesamtbetrachtung der sachlichen, örtlichen und zeitlichen Reichweite des Verbotes, die mit dem Schutzinteresse des Arbeitgebers abzuwägen ist.37 Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist zudem nach § 74a Abs. 1 S. 2 HGB unverbindlich, soweit es unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers enthält. Gemäß § 74a Abs. 1 S. 3 HGB darf es überdies höchstens für einen Zeitraum von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden. Zudem besteht eine weitere Einschränkung: Gemäß § 74 Abs. 2 HGB ist die Vereinbarung nur verbindlich, wenn der Arbeitgeber zugleich eine Karenzentschädigung in Höhe der Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zusagt. 31 Lumper, Kontrollmaßstäbe für nachvertragliche Wettbewerbsverbote, 2013, S. 58 ff., aber nicht in Bezug auf die Rechtsfolge. 32 Lumper, Kontrollmaßstäbe für nachvertragliche Wettbewerbsverbote, 2013, S. 58 f. 33 ArbG Halle, Urt. v. 22. 05. 2006 – 7 Ca 1812/04, BeckRS 2009, 68497; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, § 24 Rn. 355; Diller, NZA 2005, 250, 251. 34 Statt aller Kamanabrou, ZfA 2018, 92, 99 ff. 35 BAG, Urt. v. 07. 07. 2015 – 10 AZR 260/14, NZA 2015, 1253; Urt. v. 21. 04. 2010 – 10 AZR 288/09, NZA 2010, 1175; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 212; Laskawy, NZA 2012, 1011, 1013; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 449. 36 BAG, Urt. v. 01. 08. 1995 – 9 AZR 884/93, AP HGB § 74a Nr. 5; v. Westphalen/Thüsing/ Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Arbeitsverträge Rn. 489. 37 v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Arbeitsverträge Rn. 490.

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Bezüglich der Rechtsfolgen bei Fehlen einer der genannten Voraussetzungen ist zum einen nach der Schwere des Mangels zu differenzieren. Nach der Rechtsprechung des BAG ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot bei Verstößen gegen die §§ 74 ff. HGB mit Ausnahme schwerwiegender Verletzungen grundsätzlich nicht nichtig, sondern nur unverbindlich.38 Als Beispiel kann hierfür die Vereinbarung einer zu niedrigen Karenzentschädigung angeführt werden.39 Der Arbeitnehmer kann in einem solchen Fall wählen, ob er sich an das nachvertragliche Wettbewerbsverbot hält – und dann auch die Karenzentschädigung erhält – oder eben nicht.40 Wenn aber ein schwerwiegender Mangel vorliegt, wenn also beispielsweise gar keine Karenzentschädigung i.S.v. § 74 Abs. 2 HGB vorgesehen wurde, ist das Wettbewerbsverbot nichtig.41 Eine Besonderheit besteht in der bereits angesprochenen Möglichkeit der geltungserhaltenden Reduktion, die in § 74a Abs. 1 HGB vorausgesetzt wird. Aus der Formulierung „insoweit“ respektive „soweit“ ergibt sich, dass einige Verstöße gegen die §§ 74 ff. HGB nur zur teilweisen Unverbindlichkeit bzw. Nichtigkeit in dem Maße führen, in dem die Vereinbarung die von den §§ 74 ff. HGB festgelegte Grenze überschreitet. Mit anderen Worten: Der überschießende Teil gilt dann nicht, die Reichweite des Wettbewerbsverbotes wird auf das zulässige Maß reduziert.42 In dieser Hinsicht ergibt sich eine Abweichung zur AGB-rechtlichen Unwirksamkeitsfolge nach § 306 Abs. 1, 2 BGB, die keine geltungserhaltende Reduktion erlaubt. 2. Wettbewerbsverbote im Vorstandsrecht: Der Status quo in Rechtsprechung und Literatur Ausgehend von den Maßstäben im Arbeitsrecht ist sich nunmehr den Zulässigkeitskriterien vorformulierter Wettbewerbsverbote in Vorstandsverträgen zuzuwenden. Zunächst ist hierzu allgemein der Status quo in Rechtsprechung und Literatur zu ermitteln, um im Folgenden in kritischer Auseinandersetzung mit diesen Erwägungen Zulässigkeitskriterien herauszuarbeiten.

38 BAG, Urt. v. 15. 01. 2014 – 10 AZR 243/13, NZA 2014, 536; Urt. v. 18. 01. 2000 – 9 AZR 929/98, BeckRS 2010, 71640; s. hierzu auch Laskawy, NZA 2012, 1011, 1013. 39 BAG, Urt. v. 15. 01. 2014 – 10 AZR 243/13, NZA 2014, 536; Urt. v. 18. 01. 2000 – 9 AZR 929/98, BeckRS 2010, 71640. 40 BAG, Urt. v. 15. 01. 2014 – 10 AZR 243/13, NZA 2014, 536; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, § 5 Rn. 155; Hoffmann-Becking, FS Quack, 1991, S. 273, 276; Naber, NZA 2013, 870. 41 BAG, Urt. v. 22. 03. 2017 – 10 AZR 448/15, NJW 2017, 2363, 2365; Urt. v. 15. 01. 2014 – 10 AZR 243/13, NZA 2014, 536; Urt. v. 28. 06. 2006 – 10 AZR 407/05, NZA 2006, 1157; Urt. v. 18. 01. 2000 – 9 AZR 929/98, BeckRS 2010, 71640; zur Übersicht der schwerwiegenden Verstöße, die zur Nichtigkeit führen s. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, § 5 Rn. 152. 42 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 213; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, § 5 Rn. 177 f.

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Einigkeit in Judikatur und Schrifttum besteht insoweit, als das gesetzliche Wettbewerbsverbot nach § 88 AktG, das für die Amtszeit des Vorstandsmitglieds gilt, durch vertragliche Vereinbarungen ergänzt, intensiviert, präzisiert oder auch abgeschwächt werden kann.43 Die Satzungsstrenge steht nach § 23 Abs. 5 AktG selbst einer Lockerung des Verbotes nach herrschender Meinung nicht entgegen.44 Zur Problematik der Zulässigkeit vorformulierter Regelungen finden sich indes nur spärliche Äußerungen: So weist etwa Seyfarth darauf hin, dass formularvertragliche Verschärfungen des gesetzlichen Verbotes den Schranken der §§ 307 ff. BGB unterlägen,45 betont aber gleichzeitig, dass es während der Amtszeit des Vorstandsmitglieds ohnehin nur selten zu Konfliktsituationen komme.46 Weitaus praxisrelevanter und zugleich problembehafteter ist die Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote. Eines aber entspricht weitgehender Einigkeit: Dass die für den Arbeitnehmer über § 110 S. 2 GewO geltenden §§ 74 ff. HGB auf den Vorstandsvertrag nicht direkt angewendet werden können, soweit ihre Geltung nicht vereinbart wurde,47 ist vor dem Hintergrund der fehlenden Arbeitnehmereigenschaft des Vorstandsmitglieds unbestritten. Aber auch gegen eine analoge Anwendung – etwa bei Fremdorganschaft oder wirtschaftlicher oder sozialer Abhängigkeit48 – spricht sich die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur zu Recht aus.49 Der BGH argumentiert in seiner Grundsatzentscheidung 43

OLG Brandenburg, Urt. v. 24. 06. 2008 – 6 U 104/07, BeckRS 2009, 8165; GK-AktG/ Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 116, 119; Hölters/Weber, AktG, 3. Aufl. 2017, § 88 Rn. 23; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 88 Rn. 10; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 9, 33; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 88 Rn. 48; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 88 Rn. 42; Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 90; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 29. 44 MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 88 AktG Rn. 28; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 104; Hümmerich/Reufels/Reufels, Gestaltung, 4. Aufl. 2019, Kap. 3.2 Rn. 89. 45 Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 28. 46 Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 3. 47 Dies ist unproblematisch möglich, s. zu der Möglichkeit auch GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 124, 143; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 37; MüKoAktG/ Spindler, 5. Aufl. 2019, § 88 AktG Rn. 48; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, § 24 Rn. 1039; Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1135; Bauer/v. Medem, GWR 2011, 435, 436; Hümmerich/Reufels/Reufels, Gestaltung, 4. Aufl. 2019, Kap. 3.2 Rn. 95; Jäger, DStR 1995, 724, 725 f.; Niklas, ArbRAktuell 2019, 459, 460; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 36; Thüsing, NZG 2004, 9; Veltins, BB 2013, 1077, 1080. 48 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, § 24 Rn. 1038 m.w.N. 49 BGH, Beschl. v. 07. 07. 2008 – II ZR 81/07, DStR 2008, 1842, 1843; OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82, Rn. 7 (für den GmbH-Geschäftsführer); OLG Nürnberg, Urt. v. 25. 11. 2009 – 12 U 681/09, BeckRS 2010, 1746; GKAktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 123, 140; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 37; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 88 AktG Rn. 48; Hümmerich/Reufels/Reufels, Gestaltung, 4. Aufl. 2019, Kap. 3.2 Rn. 95; Rudersdorf, RNotZ 2011, 509, 525; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 35; Thüsing, NZG 2004, 9; Veltins, BB 2013, 1077, 1080; für den GmbH-Geschäftsführer BGH, Hinweisbeschl. v. 07. 07. 2008 – II ZR 81/07, DStR 2008,

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vom 26. 03. 1984 im Hinblick auf den GmbH-Geschäftsführer, Organmitglieder würden im Geschäftsverkehr im weitaus stärkeren Ausmaß als etwa leitende Angestellte mit den von ihnen geleiteten Gesellschaften gleichgesetzt, die Tätigkeiten und Leistungen seien ihnen im Wesentlichen zuzuschreiben. Sie schlössen zwar gleichsam einen Dienstvertrag mit ihrer Gesellschaft ab, aufgrund dessen sie verpflichtet seien, der Gesellschaft ihre Arbeitskraft hauptberuflich zur Verfügung zu stellen. Jedoch seien sie Repräsentanten des Unternehmens und damit begründe eine Konkurrenztätigkeit, die nach dem Ausscheiden des Geschäftsführers aufgenommen werde, auch in viel stärkerem Maße die Gefahr, dass die Gesellschaft hierdurch Schäden erleide. Denn im Allgemeinen seien sie leichter in der Lage, in den Kundenkreis des Unternehmens einzudringen, dessen Geschäftspartner an sich zu binden sowie Bezugsquellen des Unternehmens auszunutzen. Nach diesen Maßstäben würden auch die nachwirkenden Treupflichten weiter gehen als bei einem Arbeitnehmer oder auch leitendem Angestellten.50 Überdies habe der Gesetzgeber durch die Einführung der Geheimhaltungsvorschriften nach § 85 GmbHG und § 404 AktG zum Ausdruck gebracht, dass Organmitglieder einen wesentlichen Unterschied zu normalen Angestellten aufwiesen, soweit es um die Verwertung von Kenntnissen und Beziehungen gehe.51 Kurz zusammengefasst wird eine Analogie also aus Gründen einer aus der Stellung des Organmitglieds resultierenden erhöhten Gefährdung der Gesellschaftsinteressen – und damit einer fehlenden Vergleichbarkeit der Interessenlagen – abgelehnt.52 Auch wenn der BGH in einem späteren Urteil betont hat, die §§ 74 ff. HGB seien nicht generell unanwendbar auf Wettbewerbsverbote zwischen Gesellschaften und ihren Organmitgliedern, sondern könnten vielmehr soweit Anwendung finden, als die Vorschriften eben den Schutz der besonderen Interessen des Unternehmens bezwecken,53 so ist diese Tendenz, soweit ersichtlich, vereinzelt geblieben und wurde auch nicht intensiviert. Im Gegenteil misst die zivilgerichtliche Rechtsprechung auch in der Folgezeit die Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote zwischen Gesellschaften und ihren Organmitgliedern ausschließlich an der Schranke des § 138 BGB i.V.m. Art. 2 und 12 GG.54 Zwar ist der dogmatische Aufhänger damit ein anderer, der Prüfungsmaßstab gleicht jedoch demjenigen des 1842; Urt. v. 28. 04. 2008 – II ZR 11/07, DStR 2008, 1394, 1395; Urt. v. 17. 02. 1992 – II ZR 140/ 91, DStR 1992, 512, 513, jeweils m.w.N.; Weitnauer/Grob, GWR 2014, 185, 189; a.A. aber Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1135; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 628: entsprechende Anwendung solcher Regelungen, die dem Schutz der Gesellschaftsinteressen dienen; Lembke, BB 2020, 52, 59. 50 BGH, Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366 f. 51 BGH, Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366, 2367. 52 KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 37. 53 BGH, Urt. v. 17. 02. 1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892, 1893; zust. Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 628 f. 54 Exemplarisch BGH, Beschl. v. 07. 07. 2008 – II ZR 81/07, DStR 2008, 1842, 1843; Urt. v. 04. 03. 2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875, 1876; OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82, Rn. 7; OLG Nürnberg, Urt. v. 25. 11. 2009 – 12 U 681/ 09, BeckRS 2010, 1746.

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§ 74a Abs. 1 HGB: Vereinbarungen seien als zulässig zu erachten, „wenn sie dem Schutze eines berechtigten Interesses des Gesellschaftsunternehmens dienen und nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht unbillig erschweren“55. Wiederum vorzunehmen ist also eine Abwägung zwischen dem Interesse der AG an der Unterlassung von Wettbewerbshandlungen und dem beruflichen Interesse des Vorstandsmitglieds. Indes vermag die Vereinbarung einer Karenzentschädigung anders als bei Arbeitnehmern keine Zulässigkeitsvoraussetzung zu sein.56 Im Gegenteil hat der BGH betont, dass eine Karenzentschädigung Organmitgliedern nicht kraft Gesetzes, sondern nur kraft Vereinbarung gewährt werden kann und auch ein aus § 75d HGB folgendes Wahlrecht eines Handlungsgehilfen, an einem gemäß § 74 Abs. 2 HGB „unverbindlichen“ Wettbewerbsverbot festzuhalten und eine Karenzentschädigung zu verlangen, keine Anwendung findet.57 Vor diesem Hintergrund wurden auch entschädigungslose Mandanten- bzw. Kundenschutzklauseln in einigen Entscheidungen als zulässig eingestuft.58 Ein Unterschied besteht überdies in der Rechtsfolge: Nach herrschender Meinung kann ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das zu weit gefasst wurde, grundsätzlich nicht auf das noch zulässige Maß reduziert werden.59 Anders als in § 74a Abs. 1 HGB ist die Rechtsfolge grundsätzlich die Nichtigkeit nach § 138 BGB.60 Anderes soll nur dann gelten, wenn das Wettbewerbsverbot allein in zeitlicher Hinsicht das zulässige Maß überschreitet.61 In einem solchen Fall bleibe die Vereinbarung – soweit der ausdrückliche oder vermutete Parteiwillen nicht entgegensteht – gemäß § 139 BGB mit einer kürzeren und insoweit zulässigen Laufzeit wirksam.62

55 BGH, Beschl. v. 07. 07. 2008 – II ZR 81/07, DStR 2008, 1842, 1843; Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366, 2367 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 09. 05. 1968 – II ZR 158/ 66, NJW 1968, 1717. 56 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 153 f.; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 38; Bauer/v. Medem, GWR 2011, 435, 437. 57 BGH, Beschl. v. 07. 07. 2008 – II ZR 81/07, DStR 2008, 1842, 1843. 58 BGH, Beschl. v. 07. 07. 2008 – II ZR 81/07, DStR 2008, 1842, 1843; Urt. v. 04. 03. 2002 – II ZR 77/00, NZG 2002, 475, 476; Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366, 2367. 59 BGH, Urt. v. 18. 07. 2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061, 3062; OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82, 83, Rn. 14; a.A. Hümmerich/ Reufels/Reufels, Gestaltung, 4. Aufl. 2019, Kap. 3.2 Rn. 95. 60 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 165. 61 BGH, Urt. v. 18. 07. 2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061, 3062; OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82, 83, Rn. 14; GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 142, 165; Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 203. 62 BGH, Urt. v. 18. 07. 2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061, 3062; GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 165.

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3. Inhaltliche Vorgaben zur Gewährleistung der Angemessenheit Ist eine Wettbewerbsklausel wirksam einbezogen,63 stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit mit den AGB-rechtlichen Inhaltsvorgaben. Hierzu ist – basierend auf den Darlegungen zur Rechtslage im Arbeitsrecht sowie den Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur bezogen auf den Vorstandsvertrag – zwischen Wettbewerbsverboten während der Vertragslaufzeit sowie nachvertraglichen Wettbewerbsverboten zu unterscheiden. a) Vertragliche Wettbewerbsverbote und Nebentätigkeitsverbote Üblich, wenngleich nicht in gleichem Maße wie nachvertragliche Wettbewerbsverbote Gegenstand der Aufmerksamkeit von Rechtsprechung und Schrifttum, sind vertragliche Regelungen, die das in § 88 AktG normierte gesetzliche Wettbewerbsverbot für die Amtszeit des Vorstandsmitglieds ergänzen oder präzisieren.64 So findet sich zuweilen der folgende Formulierungsvorschlag: „[Das Vorstandsmitglied] wird während der Dauer des Anstellungsvertrags nicht für ein Unternehmen tätig werden oder an einem Unternehmen beteiligt sein, das mit der Gesellschaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen im Wettbewerb steht oder in wesentlichem Umfang Geschäftsbeziehungen zu der Gesellschaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen unterhält. Unzulässig ist auch eine freiberufliche oder beratende Tätigkeit für ein solches Unternehmen. [Das Vorstandsmitglied] wird den Aufsichtsratsvorsitzenden unterrichten, falls ein Mitglied seiner/ihrer Familie (Angehöriger iSv § 15 AO) eine Beteiligung an einem solchen Unternehmen hält. Anteilsbesitz im Rahmen der privaten

63

Insbesondere zu beachten sind die Vorgaben nach § 305c Abs. 1 BGB: § 305c Abs. 1 BGB legt fest, dass formularvertraglich vereinbarte Regelungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil werden. Dabei kann der Überraschungseffekt in materieller oder formeller Hinsicht bestehen. Wettbewerbsklauseln in Anstellungsverträgen sind in inhaltlicher Hinsicht nicht als überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB anzusehen. Denn sowohl im Arbeits- als auch allgemein im Wirtschaftsleben sind Wettbewerbsverbote sowohl während der Vertragslaufzeit als auch im nachvertraglichen Bereich derart verbreitet, dass ihnen im Allgemeinen kein Überraschungsmoment innewohnt. Aber auch in formaler Hinsicht bedarf es keiner drucktechnischen Hervorhebung oder Kennzeichnung durch eine gesonderte Überschrift; im Gegenteil ist die Verortung in einem umfassenden Dienstvertrag derart üblich, dass eine diesbezügliche Irreführung ausgeschlossen erscheint – es sei denn, die Klausel findet sich in einem systematischen Kontext, mit dem der Vertragspartner vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Damit vermögen die wenigsten Wettbewerbsverbote an der Schwelle des § 305c Abs. 1 BGB zu scheitern; zur Problematik s. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 211; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, § 12 Rn. 539; Diller, NZA 2005, 250, 251. 64 Zu dieser Möglichkeit GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 116, 119; Hölters/Weber, AktG, 3. Aufl. 2017, § 88 Rn. 23; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 88 Rn. 10; KKAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 9, 33; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 88 Rn. 48; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 88 Rn. 42.

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Vermögensverwaltung, der keinen Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens ermöglicht, gilt nicht als Beteiligung im Sinne dieser Bestimmungen.“65

Allgemeiner gefasst werden exemplarisch auch Klauseln in Dienstverträge aufgenommen, die die grundsätzliche Ausübung von Nebentätigkeiten von der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängig machen: „Dem Vorstand ist während der Dauer dieses Dienstvertrags jede entgeltliche oder unentgeltliche Nebentätigkeit für sich oder Dritte untersagt, soweit diese nicht im Auftrag oder mit schriftlicher Genehmigung der Gesellschaft erfolgt. Veröffentlichungen und Vorträge, welche den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft betreffen, sowie die Übernahme von Ämtern in Aufsichtsgremien anderer Unternehmen und Ehrenämtern in Organisationen, soweit die Gesellschaft dort nicht selbst Mitglied ist, bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung durch die Gesellschaft.“66

Vertragliche Verbote, die § 88 AktG seinem Telos nach ergänzen, haben also vielerlei Erscheinungsformen. Sie können zum einen als Verbote weiterer Handlungen mit Wettbewerbsbezug, beispielsweise den Anteilserwerb an konkurrierenden Unternehmen, Erweiterungen darstellen, zum anderen aber auch als Nebentätigkeitsverbote vorbehaltlich der Zustimmung des Aufsichtsrates auftreten. Denn das Wettbewerbsverbot während der Vertragslaufzeit hat eine doppelte Zielsetzung, die es bei seiner Auslegung zu berücksichtigen gilt: Zum einen sollen Vorstandsmitglieder der Gesellschaft ihre gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellen, zum anderen soll es in Konkretisierung der Treupflicht die Gesellschaft vor Wettbewerbshandlungen schützen.67 Infolge dieser Zwecksetzung beinhaltet § 88 AktG einerseits in den genannten Fällen ein Verbot unternehmerischer Betätigung im Geschäftsbereich der Gesellschaft, um Konkurrenzhandlungen zu verhindern, setzt aber andererseits auch ein allgemeines Nebentätigkeitsverbot auch außerhalb dieses Geschäftsbereichs voraus, um sicherzustellen, dass die gesamte Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wird.68 Eine klare Differenzierung zwischen allgemeinem Nebentätigkeitsverbot und dem Verbot konkurrierender Nebentätigkeit ist vor diesem Hintergrund nur schwerlich vorzunehmen; als Abgrenzungskriterium wird zuweilen der Konkurrenzbezug genannt, der etwa bei dem Verbot der Beteiligung an solchen Unternehmen, die nicht mit der Anstellungsgesellschaft im

65 Hoffmann-Becking/Gebele/Hoffmann-Becking/Berger, Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, 13. Aufl 2019, 13. Anstellungsvertrag, § 1 Abs. 4. 66 Schelling, in: Beck’sche Online-Formulare Vertrag, 52. Edt., Stand: 01. 03. 2020, 2.3.4 Vorstandsdienstvertrag (ausführlich, mit Pensionszusage), § 4 Abs. 2. 67 BGH, Urt. v. 16. 03. 2017 – IX ZR 253/15, NZG 2017, 627, 629, Rn. 20; Hüffer/Koch/ Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 88 Rn. 1; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 88 AktG Rn. 1; Mertens/Cahn, FS Heinsius, 1991, S. 545, 554; Raiser, FS Stimpel, 1985, S. 855, 856; Salfeld, Wettbewerbsverbote, 1987, S. 135 ff.; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 5. 68 Mertens/Cahn, FS Heinsius, 1991, S. 545, 554; Raiser, FS Stimpel, 1985, S. 855, 856; Salfeld, Wettbewerbsverbote, 1987, S. 135 ff.

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Wettbewerb stehen, nicht gegeben ist.69 Indes handelt es sich auf der Grundlage der doppelten Zwecksetzung des gesetzlichen Wettbewerbsverbotes bei einem Nebentätigkeitsverbot bereits dann um ein vertragliches Verbot, das sich als Konkretisierung oder Erweiterung des § 88 AktG darstellt, wenn es sicherstellen soll, dass das Vorstandsmitglied der Gesellschaft seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellt, und nicht nur, wenn es darauf abzielt, die Gesellschaft vor Wettbewerbshandlungen zu schützen. Daher sind beide Erscheinungsformen als vertragliche Intensivierungen des § 88 AktG im Folgenden auf ihre AGB-rechtliche Zulässigkeit zu untersuchen. aa) Kontrollfähigkeit nach dem AGB-Recht In einem ersten Schritt stellt sich die Frage nach der Reichweite der AGBrechtlichen Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Die Inhaltskontrolle ist auf solche Klauseln beschränkt, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Durch diese Einschränkungen werden Regelungen einer Inhaltskontrolle entzogen, die lediglich Gesetzesrecht wiederholen. Denn als Ausdruck der Gewaltenteilung darf der einfache Richter nicht die Interessenbewertung des Gesetzgebers untergraben.70 Für den Vorstandsvertrag heißt das: Da in § 88 AktG ein gesetzliches Wettbewerbsverbot für die Dauer der Amtszeit besteht, sind solche Klauseln, die wort- oder inhaltsgleich § 88 AktG entsprechen, von der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht ausgenommen. Freilich müsste die Klausel auch im Fall formulierungstechnischer Abweichung vom Wortlaut des § 88 AktG den formellen Anforderungen nach den §§ 305a ff. BGB sowie dem Transparenzgebot genügen, wie § 307 Abs. 3 S. 2 BGB ausdrücklich klarstellt.71 Der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterfallen dagegen solche Regelungen, die das gesetzliche Verbot intensivieren, präzisieren oder abschwächen.72 Wie aufgezeigt, fallen hierunter nicht nur solche Regelungen, die offensichtlichen Wettbewerbsbezug aufweisen, indem sie etwa die freiberufliche oder beratende Tätigkeit in einem Konkurrenzunternehmen untersagen, sondern auch allgemeine Nebentätigkeitsverbote, die sicherstellen sollen, dass das Vorstandsmitglied der Gesellschaft seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Bei solchen Klauseln handelt es sich stets um Regelungen, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen, und damit kontrollfähig i.S.v. 69

Rn. 8.

Für den Arbeitsvertrag Preis/Stoffels, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II N 10 Rn. 7, II W 10

70 Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 17 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rn. 6. 71 MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 307 Rn. 21 f. 72 OLG Brandenburg, Urt. v. 24. 06. 2008 – 6 U 104/07, BeckRS 2009, 8165; GK-AktG/ Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 116, 119; Hölters/Weber, AktG, 3. Aufl. 2017, § 88 Rn. 23; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 88 Rn. 10; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 9, 33; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 88 Rn. 48; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 88 Rn. 42; Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 90; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 29.

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H. Einzelklauseln im ordnenden Zugriff

§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB sind. Und würde man strikt zwischen allgemeinem Nebentätigkeitsverbot und Konkurrenzverbot unterscheiden,73 ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Denn: Eine Ergänzung ist bereits dem natürlichen Wortsinne nach nicht nur dann gegeben, wenn eine Klausel eine positive Rechtsvorschrift erweitert, sondern auch dann, wenn zur betreffenden Problematik gar keine gesetzliche Regelung existiert und die Vertragsbestimmung ein rechtliches Fundament schafft. Soweit die Klausel ein „normatives Vakuum“74 ausfüllt, ist sie als ergänzende Rechtsvorschrift ebenfalls der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht unterworfen. Damit erweisen sich nur solche Klauseln als kontrollfrei, die lediglich das Verbot in § 88 AktG wiedergeben; im Übrigen bestehen AGB-rechtliche Inhaltsvorgaben. bb) Vereinbarkeit mit § 307 Abs. 1 S. 1 BGB Mangels Einschlägigkeit eines Klauselverbotes ohne (§ 309 BGB) bzw. mit Wertungsmöglichkeit (§ 308 BGB) bei vertraglichen Wettbewerbsverboten ist zu klären, welche Gestaltungsmöglichkeiten vorgesehen werden können, ohne den Vertragspartner i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen zu benachteiligen. Erforderlich ist zwar stets eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen. Schon angesichts der Notwendigkeit der Einbeziehung vertragsbegleitender Umstände gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB verbieten sich daher allgemeingültige Aussagen. Gleichwohl steht die Frage im Fokus, inwieweit die von den Arbeitsgerichten entwickelten Grundsätze zu Nebentätigkeitsverboten bzw. Wettbewerbsverboten während der Vertragslaufzeit jedenfalls als Wertungsmodell dienlich sind, sodass eine Orientierung an diesen zur Bestimmung des angemessenen Interessenausgleichs stattfinden kann. Nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung sind weitere, auch konkurrierende Dienstleistungen im Einzelfall zuzulassen, „wenn es sich lediglich um einfache Tätigkeiten handelt, die allenfalls zu einer untergeordneten wirtschaftlichen Unterstützung des Konkurrenzunternehmens führen können, und im Übrigen schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers nicht berührt werden.“75 Auf dieser Basis werden zumeist lediglich Wettbewerbsabreden, die sich im Verbot unmittelbarer Konkurrenztätigkeiten erschöpfen, und keine bloßen Hilfstätigkeiten ohne Wettbewerbsbezug erfassen, als wirksam angesehen.76 Enger wird man die Grenze im Arbeitsrecht nicht ziehen dürfen. Doch kann dies auch auf den Vorstandsvertrag entsprechend übertragen werden? Zur Erinnerung: Eine Übertragung der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung kommt nur in Betracht, wenn der betreffende Grundsatz nicht auf den Schutz des persönlich Abhängigen abzielt, sondern – not73

Rn. 8. 74

So für das Arbeitsrecht Preis/Stoffels, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II N 10 Rn. 7, II W 10

Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 15 Rn. 432. BAG, Urt. v. 24. 03. 2010 – 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693, 694, Rn. 17 m.w.N. aus dem Schrifttum. 76 BAG, Urt. v. 24. 03. 2010 – 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693, 694, Rn. 17 m.w.N. 75

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wendige Bedingung – an die Gemeinsamkeiten von Arbeits- und Anstellungsvertrag anknüpft und zudem – hinreichende Bedingung – keine zwingenden Wertungen des Vorstandsrechts entgegenstehen.77 Die Bestimmung der Grenze, die das BAG für die Vereinbarung von vertraglichen Wettbewerbsverboten gezogen hat, hat ihren Ausgangspunkt in der höchstpersönlichen beruflichen Tätigkeit im Rahmen eines längerfristigen Beschäftigungsverhältnisses, das durch gegenseitige Treupflichten geprägt ist. Das BAG formuliert: „Die Verpflichtung des Angestellten, sich einer Konkurrenztätigkeit zu enthalten, ist eine Folge der freiwillig übernommenen vertraglichen Bindung gegenüber dem Arbeitgeber.“78 Plastisch formulierten Kemper/ Kreuder schon vor über 25 Jahren: „Das […] Wettbewerbsverbot findet seine Rechtfertigung im Interesse des Arbeitg[ebers], nicht noch zusätzlich durch seine Arb[eitnehmer] Konkurrenz zu erfahren, die häufig erst durch die Beschäftigung bei ihm dazu befähigt wurden.“79 Auf der anderen Seite wird zur Verhinderung einer zu starken Ausweitung des Konkurrenzverbotes – und auch in dieser Hinsicht wird an Charakteristika sowohl des Arbeits- als auch des Vorstandsvertrags angeknüpft – berücksichtigt, dass die wirtschaftliche Abhängigkeit des Dienstverpflichteten durch die besondere Gewichtung der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG auszugleichen ist. Deutlicher: Die Kenntnisse und Fähigkeiten sind Teil des „Kapitals“ des Arbeitnehmers, dessen ertragreiche Verwertung ihm angesichts der Berufsfreiheit offenstehen muss.80 Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht ein wirtschaftliches Kräfteungleichgewicht. Während der Arbeitgeber nur das Risiko der Umsatzeinbuße trägt, trägt der Arbeitnehmer das weitaus größere Risiko, seine Beschäftigung zur Verwertung seiner Arbeitskraft einzubüßen.81 Dies zugrunde legend basiert die Tendenz der Judikatur, Nebentätigkeiten grundsätzlich sogar dann zuzulassen, wenn sie einen – wenn auch geringen – Konkurrenzbezug aufweisen, auch auf der Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage des Arbeitnehmers. Insofern fußt die Rechtsprechung auf Besonderheiten, die Arbeits- und Anstellungsvertrag zuteilwerden, denn auch das Vorstandsmitglied befindet sich in einem längerfristigen entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis, mit dem es seine wirtschaftliche Existenzgrundlage absichert.82 Die Wertung ist damit nicht Ausdruck der persönlichen Abhängigkeit,83 sodass eine Übertragung grundsätzlich in Betracht kommt. 77

Ausführlich unter Gliederungspunkt G. II. BAG, Urt. v. 25. 05. 1970 – 3 AZR 384/69, NJW 1970, 1941, 1942. 79 Kempen/Kreuder, AuR 1994, 214, 216. 80 Kempen/Kreuder, AuR 1994, 214, 216 f. 81 Kempen/Kreuder, AuR 1994, 214, 218 indes mit dem fehlgehenden Schluss, gerade die persönlich-soziale Abhängigkeit des Arbeitnehmers führe zum wirtschaftlichen Übergewicht des Arbeitgebers. 82 MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 60; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 206; Henssler, RdA 1992, 289, 294 f.; Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 79. 83 A.A. Kempen/Kreuder, AuR 1994, 214, 218. 78

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H. Einzelklauseln im ordnenden Zugriff

Dennoch ist aufgrund vorstandsrechtlicher Besonderheiten, die den Dienstvertrag prägen, eine einheitliche Bewertung zu versagen. Denn: Das Vorstandsmitglied hat eine umfassende Vertrauensstellung inne, die mit einer besonderen Treupflicht gegenüber der Gesellschaft einhergeht.84 Diese Treupflicht geht nicht nur über die allgemeine Schutzpflicht gegenüber dem Vertragspartner weit hinaus, sondern verlangt auch ein Mehr an Rücksichtnahme, als sie vom Arbeitnehmer zu fordern ist: Die vorstandsrechtliche Treupflicht beansprucht den „vollen Einsatz“85 für das Wohl der Gesellschaft, dem gegenüber persönliche Interessen des Vorstandsmitglieds der Vorrang gebührt.86 Gesetzlichen Niederschlag findet die Treupflicht zum einen in der ihm für vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft auferlegten Schweigepflicht nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, zum anderen in § 88 AktG, der gegenüber § 60 HGB verschärfte Voraussetzungen enthält.87 Für das Vorstandsmitglied wurden also gesetzliche Wertungen dahingehend getroffen, dass die Gesellschaft vor Wettbewerbshandlungen ihres Führungsorgans, das weitgehende Einblicke in die gesellschaftsinternen Vorgänge hat und deswegen ein erhöhtes Schädigungspotential aufweist, in erheblichem Umfang geschützt werden muss. Derart umfangreiche Kenntnisse über gesellschaftsbezogene Umstände wird ein Arbeitnehmer regelmäßig nicht aufweisen. Als einem indiziellen Rückgriff auf arbeitsgerichtliche Rechtsprechung entgegenstehend ist also die gesetzlich verankerte Wertung, die Gesellschaft in besonderem Maße vor Wettbewerbshandlungen ihres Vorstandsmitglieds zu schützen sowie die Notwendigkeit der ausschließlichen Aufwendung der Arbeitskraft für die Gesellschaft als Ausdruck einer besonderen Vertrauensstellung zu nennen. Insoweit kann die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung keine Orientierung bieten. Denn anders als das Vorstandsmitglied trifft den Arbeitnehmer keine Verpflichtung, dem Arbeitgeber seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Im Gegenteil ist er nur zur Erbringung der Arbeitsleistung innerhalb des bestimmten Zeitrahmens verpflichtet; im Übrigen ist er hinsichtlich der Verwendung seiner Arbeitskraft frei.88 Die aus der Treupflicht resultierende organschaftliche Verpflichtung, gänzlich im Dienste der Gesellschaft tätig zu werden, ist mithin als vorstandsrechtliche Besonderheit zu erachten, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigt. Konkret heißt das, dass die arbeitsrechtlichen Grundsätze nicht als Wertungsmaßstab übertragen werden können; vielmehr muss die Bewertung wegen der besonderen Position des Vorstandsmitglieds einige Pegelstriche strenger ausfallen. Anders als im Arbeitsrecht können damit auch solche Klauseln angemessen sein, die Tätigkeiten verbieten, welche bei der Konkurrenz zu einer untergeordneten wirtschaftlichen Unterstützung führen. Die besondere Vertrauensposition, die mit der Notwendigkeit einer besonderen „Aufopferung“ für die Gesellschaft korre84

MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 76 Rn. 13 m.w.N. MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 76 Rn. 13. 86 MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 76 Rn. 13. 87 MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 76 Rn. 13. 88 BAG, Urt. v. 18. 01. 1996 – 6 AZR 314/95, NZA 1997, 41, 42; Gaul/Mirza Khanian, MDR 2006, 68; Woerz/Klinkhammer, ArbRAktuell 2012, 183. 85

I. Wettbewerbsverbote

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spondiert, rechtfertigt erhebliche Einschränkungen in Bezug auf die Ausübung – insbesondere konkurrierender – Nebentätigkeit. Angemessen dürfte damit ein Verbot sämtlicher Tätigkeiten mit Konkurrenzbezug sein, soweit sich diese nicht in rein privater Vermögensverwaltung, etwa durch Beteiligungen ohne Einflussmöglichkeit auf die Organe der betreffenden Gesellschaft, erschöpfen. Auch hinsichtlich der Zulässigkeit allgemeiner Nebentätigkeitsverbote wird man auf dieser Grundlage milder werten müssen. So wird man statt der im Arbeitsrecht geforderten Anzeige der Nebentätigkeit die Ausübung auch unentgeltlicher oder karitativer Nebentätigkeiten von der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängig machen dürfen, damit sichergestellt werden kann, dass der Vorstand seine Arbeitskraft vollumfänglich der Gesellschaft zur Verfügung stellt. Tiefergehende Einzelheiten sollen an dieser Stelle bewusst den wegen der erhöhten Praxisrelevanz erforderlichen ausführlicheren Darlegungen zur AGB-rechtlichen Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverboten weichen. cc) Ein erstes Zwischenergebnis Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass Klauseln, die das gesetzliche Wettbewerbsverbot in § 88 AktG intensivieren, als Regelungen, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen, gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterfallen. In welcher Gestaltungsvariante eine Klausel als angemessen zu qualifizieren ist, beurteilt sich einzelfallabhängig. Die arbeitsrechtlichen Grundsätze können nicht als Leitlinien für die Reichweite der formularvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten in Vorstandsverträgen fungieren. Zwar hat die Rechtsprechung des BAG zu vertraglichen Nebentätigkeits- und Wettbewerbsverboten ihren Ausgangspunkt in der höchstpersönlichen dienstvertraglichen Tätigkeit im Rahmen eines längerfristigen Beschäftigungsverhältnisses, das durch gegenseitige Treupflichten geprägt ist, sowie der Entgegenwirkung des wirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, also Merkmalen, die auch der Vorstandsdienstvertrag aufweist. Einer unspezifischen Gleichsetzung steht aber die aktiengesetzliche Wertung entgegen, dass das Vorstandsmitglied eine besondere Vertrauensposition innehat, aus der sich eine gesteigerte Treupflicht gegenüber der Gesellschaft ergibt, die über die Treupflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber weit hinausgeht. Dies bedeutet zum einen, dass die AG vor Wettbewerbshandlungen ihres Führungsorgans in größerem Umfang geschützt werden muss, das Vorstandsmitglied zum anderen zur Gewährleistung einer effektiven Leitung seine gesamte Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft zu stellen hat. Angesichts dieser vorstandsrechtlichen Besonderheit ist das Interesse der AG auch bei vorformulierten vertraglichen Wettbewerbsregelungen höher zu gewichten, sodass in Vorstandsverträgen Klauseln, die die Berufsfreiheit des Vorstandsmitglieds stärker beschneiden, als es gegenüber einem Arbeitnehmer möglich wäre, indem sie etwa sämtliche Tätigkeiten mit noch so geringem Konkurrenzbezug untersagen, dem Angemessenheitserfordernis des § 307 BGB genügen

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H. Einzelklauseln im ordnenden Zugriff

werden. Dies kann die Kautelarpraxis als indikativen Faktor heranziehen – freilich mit dem Zusatz, dass keine auf jeden Einzelfall passende Aussage getroffen werden kann. b) Nachvertragliche Wettbewerbsverbote Nunmehr ist sich ausführlich der AGB-rechtlichen Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote zu widmen. Hierfür muss zunächst festgestellt werden, ob und inwieweit diese überhaupt dem Kontrollmaßstab des AGB-Rechts unterfallen, um in einem zweiten Schritt spezifische Zulässigkeitsanforderungen, die zur Gewährleistung der Angemessenheit erforderlich sind, formulieren zu können. aa) Kontrollfähigkeit nach dem AGB-Recht In Parallelität zum Arbeitsrecht stellt sich die Frage, ob nachvertragliche Wettbewerbsverbote nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB als Vorschriften, die lediglich Gesetzesrecht wiedergeben, kontrollfrei sind – was dazu führen würde, dass ihr Inhalt lediglich anhand des § 138 BGB zu überprüfen wäre. Ein deutlicher Unterschied zum Arbeitsrecht tritt indes recht offensichtlich zu Tage: Da auf Vorstandsverträge die §§ 74 ff. HGB weder direkt noch analog anwendbar sind, bestehen hinsichtlich der Anforderungen an die Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote eben keine Normen, deren Wiedergabe im vorformulierten Vertrag deklaratorisch wäre. Deutlicher: Selbst wenn man wie das LAG Hamm89 eine Wettbewerbsvereinbarung für die Zeit nach Ausscheiden des Arbeitnehmers lediglich als Umsetzung der gesetzlichen Regelungen zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot und damit als deklaratorische Klausel begreift, so kann dies nicht für Vorstandsverträge greifen, die gar nicht dem Anwendungsbereich der §§ 74 ff. HGB unterfallen. Denn: Damit eine Klausel mit einer gesetzlichen Regelung übereinstimmt, muss auch zwangsläufig eine gesetzliche Regelung als Kontrollmaßstab bestehen.90 Da gar keine gesetzlichen Regelungen für nachvertragliche Wettbewerbsverbote in Vorstandsverträgen existieren, können entsprechende Vereinbarungen mithin auch keine bloße Umsetzung oder Wiedergabe von Gesetzesrecht sein. Insofern können die zum Arbeitsrecht angeführten Überlegungen nicht übertragen werden. Im Gegenteil würde es sich bei einer (nach-)vertraglichen Wettbewerbsabrede um eine Ergänzung von Rechtsvorschriften handeln, die dem ausdrücklichen Wortlaut des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nach der Inhaltskontrolle unterfällt. Denn: Soweit die Klausel ein „normatives Vakuum“91 ausfüllt, ist sie als ergänzende Rechtsvorschrift grundsätzlich der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht unterworfen.

89 90 91

LAG Hamm, Urt. v. 14. 04. 2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 513, 515. Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 15 Rn. 432. Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 15 Rn. 432.

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Es könnte sich aber die Kontrollfreiheit nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB dann ergeben, wenn es sich bei der Bestimmung des Inhalts nachvertraglicher Wettbewerbsabreden um die Festlegung von Hauptleistungspflichten handeln würde.92 Wie der BGH in ständiger Rechtsprechung feststellt, unterliegen Regelungen des unmittelbaren Gegenstands der Hauptleistung (Leistungsbeschreibungen) sowie Vereinbarungen über das zu erbringende Entgelt (Preisvereinbarungen) nicht der AGBrechtlichen Inhaltskontrolle.93 Unter den Begriff der Leistungsbeschreibung fallen dabei solche Klauseln, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung betreffen.94 Dieser ist eng auszulegen: Ausgenommen sind lediglich Regelungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts von einem wirksamen Vertrag nicht mehr ausgegangen werden kann, sodass Klauseln, die die Leistungspflicht des Verwenders lediglich einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, der Inhaltskontrolle unterfallen.95 In Bezug auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote im Arbeitsrecht wird überwiegend davon ausgegangen, dass es sich um gegenseitige Verträge i.S.d. §§ 320 ff. BGB handele.96 Die Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerbshandlungen und der Erhalt der Karenzentschädigung stünden im Synallagma.97 Soweit man dann die inhaltliche Reichweite des Verbotes festlege, definiere man die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers.98 Dies erscheint schon unter teleologischen Gesichtspunkten frag92

So ausdrücklich für Organverträge Bauer, FS Wank, 2014, S. 7. BGH, Urt. v. 11. 07. 2019 – VII ZR 266/17, NJW 2019, 2997, 2998, Rn. 19; Urt. v. 14. 11. 2018 – VIII ZR 109/18, NZM 2019, 209, 211, Rn. 33; Urt. v. 05. 10. 2017 – III ZR 56/17, NJW 2018, 534, 535, Rn. 15; Urt. v. 06. 07. 2011 @ VIII ZR 293/10, NJW 2011, 3510, 3511, Rn. 10; Urt. v. 15. 11. 2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360, 362, Rn. 18; Urt. v. 24. 03. 1999 – IV ZR 90/98, NJW 1999, 2279, 2280. 94 BGH, Urt. v. 11. 07. 2019 – VII ZR 266/17, NJW 2019, 2997, 2998, Rn. 19; Urt. v. 05. 10. 2017 – III ZR 56/17, NJW 2018, 534, 535, Rn. 15; Urt. v. 15. 11. 2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360, 362, Rn. 18. 95 BGH, Urt. v. 11. 07. 2019 – VII ZR 266/17, NJW 2019, 2997, 2998, Rn. 19; Urt. v. 14. 11. 2018 – VIII ZR 109/18, NZM 2019, 209, 211, Rn. 33; Urt. v. 05. 10. 2017 – III ZR 56/17, NJW 2018, 534, 535, Rn. 15; Urt. v. 06. 07. 2011 @ VIII ZR 293/10, NJW 2011, 3510, 3511, Rn. 10; Urt. v. 15. 11. 2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360, 362, Rn. 18; Urt. v. 24. 03. 1999 – IV ZR 90/98, NJW 1999, 2279, 2280. 96 BAG, Urt. v. 07. 07. 2015 – 10 AZR 260/14, AP HGB § 74 Nr. 87, Rn. 29; Urt. v. 21. 04. 2010 – 10 AZR 288/09, NZA 2010, 1175, 1176, Rn. 11; Urt. v. 23. 11. 2004 – 9 AZR 595/03, NZA 2005, 411, 412; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 03. 08. 2012 – 9 SaGa 6/12, NZA-RR 2013, 15, 16; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 30. 01. 2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508. 97 BAG, Urt. v. 22. 03. 2017 – 10 AZR 448/15, NJW 2017, 2363, Rn. 17; Urt. v. 07. 07. 2015 – 10 AZR 260/14, NJW 2015, 3389, 3391, Rn. 29. 98 LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 03. 08. 2012 – 9 SaGa 6/12, NZA-RR 2013, 15, 16; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 30. 01. 2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, § 24 Rn. 353 ff., 541, 1045; Diller, NZA 2005, 250, 251; Hunold, NZA-RR 2013, 174, 175; hiervon geht offenbar auch das BAG aus, das dies zwar nicht ausdrücklich feststellt, aber betont, dass es sich bei Wettbewerbsverboten um gegenseitige Verträge i.S.v. §§ 320 ff. BGB handelt, s. BAG, Urt. v. 07. 07. 2015 – 10 AZR 260/14, AP HGB § 74 Nr. 87, Rn. 29; Urt. v. 21. 04. 2010 – 10 AZR 288/09, NZA 2010, 1175, 1176, Rn. 11; Urt. v. 23. 11. 2004 – 9 AZR 595/03, NZA 2005, 411, 412; a.A. Kamanabrou, ZfA 2018, 92, 100. 93

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würdig: Der Schutzzweck des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB geht dahin, solche Vertragsabreden einer richterlichen Kontrolle zu unterziehen, die nicht schon angesichts ihrer besonderen Bedeutung Gegenstand der Aufmerksamkeit beider Vertragsparteien sind.99 Das mag man aber bei einem Wettbewerbsverbot, das regelmäßig Gegenstand eines umfassenden Dienstvertrags ist und damit nur einen Aspekt neben einer Vielzahl anderer Regelungen darstellt, anzweifeln.100 Dass eine Wettbewerbsabrede in einem mehrseitigen Anstellungsvertrag eine derart besondere Aufmerksamkeit beider Vertragsparteien erhält, dass sie die Herausnahme aus der AGB-rechtlichen Kontrolle rechtfertigt, erscheint fernliegend. Jedenfalls aber ist eine Übertragung des Gedankens auf den Vorstandsvertrag auch aus anderem Grund nicht geboten: Anders als im Arbeitsrecht, in dem nach § 110 S. 2 GewO i.V.m. § 74 Abs. 2 HGB zwingend eine Karenzentschädigung festzulegen ist, ist für den Organanstellungsvertrag anerkannt, dass das Fehlen einer solchen die Wirksamkeit von Wettbewerbsabreden grundsätzlich nicht hindert.101 Dann aber fehlt es an einem – für die Annahme einer vertraglichen Hauptleistungspflicht i.S.d. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB erforderlichen – Gegenseitigkeitsverhältnis. Denn wenn man Wettbewerbsverbote nur deswegen als gegenseitige Verträge i.S.d. §§ 320 ff. BGB einordnet, weil der Pflicht zur Unterlassung bestimmter Wettbewerbshandlungen der Erhalt der Karenzentschädigung gegenübersteht, kann dies nicht für solche Wettbewerbsverbote gelten, die auch ohne Festlegung einer Entschädigung wirksam sind. Besteht für die Unterlassung bestimmter Wettbewerbshandlungen gar keine unmittelbare Gegenleistung, kann eine Festlegung der inhaltlichen Reichweite des Verbotes auch nicht als Konkretisierung der Hauptleistungspflicht angesehen werden. Damit ist auch insoweit keine Kontrollfreiheit nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB gegeben. Nimmt man ein Spezialitätsverhältnis der §§ 74 ff. HGB gegenüber den §§ 307 ff. BGB bei der Überprüfung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote in Arbeitsverträgen an,102 so vermag auch dies für Vorstandsverträge kein anderes Ergebnis zu bewirken. Denn wenn man Vorschriften als leges speciales erachtet, dann verdrängen diese allgemeine Vorschriften freilich nur soweit, als sie auch auf den betreffenden Fall anwendbar sind. Wie angesprochen, finden die §§ 74 ff. HGB auf Vorstands99

30.

MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 307 BGB Rn. 13; ähnlich Koch, RdA 2006, 28,

100 In diese Richtung auch Koch, RdA 2006, 28, 30, der verlangt, dass es sich um „typusprägende Pflichten“ handeln muss. 101 BGH, Beschl. v. 07. 07. 2008 – II ZR 81/07, DStR 2008, 1842, 1843; Urt. v. 04. 03. 2002 – II ZR 77/00, NZG 2002, 475, 476; Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366, 2367; GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 153 f.; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 38. 102 So Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 213; Preis/Stoffels, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II W 10 Rn. 32; Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 46 f.; v. Westphalen/ Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Arbeitsverträge Rn. 502; s. auch Hümmerich/Reufels/Borgmann, Gestaltung, 4. Aufl. 2019, Kap. 2.18 Rn. 1170; Kock, NJW 2015, 3389, 3392; Niklas, ArbRAktuell 2019, 459, 460.

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verträge aber nach zutreffender herrschender Meinung weder direkt noch analog Anwendung.103 Selbst wenn man also ein Spezialitätsverhältnis annimmt, so gilt dies nur für den Bereich des Handlungsgehilfen- bzw. Arbeitsrechts. In anderen Bereichen wie dem Organanstellungsrecht sind die allgemeinen Grundsätze, konkret die §§ 307 ff. BGB, dagegen uneingeschränkt anwendbar. Vorformulierte nachvertragliche Wettbewerbsverbote in Vorstandsverträgen unterliegen also, da sich weder die Kontrollfreiheit nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB ergibt noch speziellere Normen eingreifen, den Schranken des AGB-Rechts und sind nicht lediglich an § 138 BGB zu messen. Der Unterschied ist nicht nur theoretischer Natur, sondern hat rechtliche Konsequenzen: Unabhängig davon, ob man § 138 BGB und die §§ 307 ff. BGB für nebeneinander anwendbar hält104 oder die §§ 307 ff. BGB als leges speciales begreift,105 werden durch die Anwendbarkeit der AGB-rechtlichen Normen die Anforderungen an die Zulässigkeit eines vorformulierten Wettbewerbsverbotes verschärft. Denn § 138 BGB, der ohne spezifischen Bezug zu den Schutzzwecken des AGB-Rechts allgemeine Verstöße gegen die Rechtsordnung sanktioniert, verlangt eine „grobe Interessenbeeinträchtigung von erheblicher Stärke sowie subjektive Vorwerfbarkeit“106 – die Schwelle liegt damit deutlich höher als bei § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, der nur die unangemessene Benachteiligung fordert.107 Eine unangemessene Benachteiligung kann aber auch dann gegeben sein, wenn noch keine Interessenbeeinträchtigung von enormer Intensität oder eine entsprechende subjektive Komponente vorliegt. Während es bei individualvertraglich vereinbarten Wettbewerbsverboten zwischen Vorstandsmitgliedern und Gesellschaft also bei den hohen Hürden des § 138 BGB bleibt – anders gesagt: Wettbewerbsverbote großzügiger formuliert werden dürfen –, sind Wettbewerbsregelungen in AGB an den §§ 307 ff. BGB zu messen. bb) Vereinbarkeit mit § 307 Abs. 1 S. 1 BGB Dies führt zur Klärung der Frage, welcher sachliche, geografische und zeitliche Umfang bei berechtigtem Interesse der Gesellschaft festgelegt werden kann, um das Vorstandsmitglied nicht i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen zu benachteiligen. Dies erfordert – wie auch im Rahmen der § 74a Abs. 1 S. 1 HGB und § 138 103

S. dazu Gliederungspunkt H. I. 2. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 24. 105 Zur Problematik allgemein Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, Vor § 307 BGB Rn. 58 ff. 106 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, Vor § 307 BGB Rn. 58; ähnlich Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 17. 107 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 17 f.; so auch Lembke, NZA-RR 2019, 65, 70: „Zwar sind sowohl § 138 BGB als auch § 307 I 1 BGB Generalklauseln, die Wertungsentscheidungen ermöglichen, so dass man über beide Wege zu gleichen Ergebnissen kommen kann. Allerdings liegt die Latte der Unwirksamkeit bei § 138 BGB höher als bei §§ 307 ff. BGB.“; s. auch Thüsing/Bodenstedt, AuR 2004, 369, 373: „engere Schranken als de[r] Maßstab der guten Sitten nach § 138 Abs. 1“. 104

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BGB – eine umfassende Interessenabwägung. Notwendig ist dabei die Berücksichtigung zweier Aspekte: Stets muss der Schutzzweck des AGB-Rechts Berücksichtigung finden, die Nachteile auszugleichen, die gerade aus der Vorformulierung der Vertragsbedingungen entstanden sind. Insofern müssen die Hürden höher sein als bei individualvertraglich vereinbarten Wettbewerbsverboten, die lediglich an den §§ 138, 242 BGB zu messen sind. Anders gesagt: Aufgrund der Vorformulierung besteht bereits – anders als im Rahmen des § 138 BGB – ein Ungleichgewicht zu Lasten des Vorstandsmitglieds, das in die Interessenabwägung einfließen muss. Damit sind zum einen engere Grenzen für den Gestaltungsspielraum der Anstellungsgesellschaft gesteckt; die zu § 138 BGB von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe bezogen auf die Wirksamkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote können damit nicht unbesehen übernommen werden. Gleichzeitig wäre es aber wertungswidersprüchlich, wenn die Anforderungen an die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes mit einem Arbeitnehmer geringer wären als mit einem Vorstandsmitglied.108 Vielmehr muss das oben Gesagte auch hier gelten: Arbeitsrechtliche Maßstäbe, die auf Charakteristika fußen, die sowohl Arbeits- als auch Anstellungsvertrag aufweisen, können nur dann wertend übertragen werden, wenn vorstandsrechtliche Vorgaben nicht eine abweichende Beurteilung erfordern. Konkret heißt das: Das berechtigte Interesse des Arbeitgebers respektive der Gesellschaft, in bestimmtem Umfang für eine bestimmte Zeit die Unterlassung von Wettbewerbshandlungen von dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer respektive Vorstandsmitglied zu verlangen, hat zwar seine Grundlage in dem auf längere Dauer angelegten höchstpersönlichen Dienstverhältnis zwischen den Parteien, das durch gegenseitige Treupflichten geprägt ist. Diesbezüglich ergibt sich eine hinreichende Vergleichbarkeit von Arbeitnehmer und Vorstandsmitglied. Indes muss die Grenzziehung eine Korrektur durch vorstandsrechtliche Besonderheiten insofern erfahren, als einige Normen des Aktienrechts belegen, dass bei Vorstandsmitgliedern die Verwertung erworbener Kenntnisse oder gesammelter Informationen zu höheren Schäden bei der Gesellschaft führen kann. Denn Vorstandsmitglieder haben als Repräsentanten des Unternehmens regelmäßig umfangreiche Kenntnisse über Geschäftspartner und Bezugsquellen und angesichts dessen begründet eine Konkurrenztätigkeit nach Beendigung der Tätigkeit in viel stärkerem Maße die Gefahr, dass die Gesellschaft hierdurch Schäden erleidet.109 Daher muss den arbeitsrechtlichen Grundsätzen zwar insofern Indizwirkung zukommen, als Wettbewerbsregelungen, die den §§ 74 ff. HGB standhalten, jedenfalls auch gegenüber Vorstandsmitgliedern angemessen sein müssen. Mit anderen Worten: Regelt die Gesellschaft ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das selbst den Anfor-

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Ähnlich Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, § 24 Rn. 1054. Grundlegend BGH, Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366 f.; s. auch Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 109. 109

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derungen nach den §§ 74 ff. HGB genügen würde, ist sie auch AGB-rechtlich auf der sicheren Seite.110 Dennoch wird sie auch – wie bei vertraglichen Wettbewerbsverboten111 – weitergehen dürfen. Denn: Wenn aus der Stellung des Vorstandsmitglieds eine erhöhte Gefährdung der Unternehmensinteressen resultiert, dann muss es auch möglich sein, diesem – gegenüber einem Arbeitnehmer – strengere Wettbewerbspflichten aufzuerlegen. Die Schwierigkeit der Festlegung konkreter Maßstäbe ist freilich nicht von der Hand zu weisen. Bei der Präzisierung kommt die Erschwernis hinzu, dass die Kriterien Gegenstand, Ort und Zeit zueinander in Wechselwirkung stehen, die eine isolierte Betrachtung verbietet.112 Eine den Anforderungen des AGB-Rechts genügende Gestaltung kann daher kaum allgemein gefasst werden, sondern ist stets einzelfallabhängig unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände zu fassen. Man mag sich hierbei an verschiedenen Kriterien orientieren: Hierzu gehören insbesondere das unter gewöhnlichen Umständen zu erwartende Ausmaß eines Schadens bei Missachtung des Verbots, das Alter des Vorstandsmitglieds im Zeitpunkt seines Ausscheidens, die Dauer des Anstellungsverhältnisses, die auch die Reichweite der Treupflicht mitbestimmt, die Höhe der Gesamtbezüge während der Vertragszeit sowie ein etwaiger Erwerb von Ruhegeld und Versorgungsanwartschaften.113 Im Folgenden soll sich auf dieser Basis vorsichtig der Bestimmung allgemeiner Orientierungswerte genähert werden, an die bei der Vorformulierung angeknüpft werden kann – wobei schon vorab darauf hinzuweisen ist, dass sich die Nennung absoluter Schranken schon vor dem Hintergrund des § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB verbietet. (1) Sachliche Grenzen Hinsichtlich des sachlichen Umfangs ergibt sich zunächst aus teleologischer Perspektive: Die Bestimmung des Gegenstands muss in enger Orientierung am Aufgabenbereich des Vorstandsmitglieds stattfinden.114 Denn nur, wenn zwischen den Wettbewerbshandlungen, die nach Beendigung der Vorstandstätigkeit unterlassen werden sollen, und den im Rahmen der Amtszeit erworbenen Fähigkeiten und 110 Ähnlich Bauer/v. Medem, GWR 2011, 435, 437; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 109; so auch Reinfeld, Nachvertragliches Wettbewerbsverbot, 1992, S. 120: „Wenn […] Vertragsklauseln vorgeschlagen werden, die materiell den Anforderungen der §§ 74 ff. HGB genügen, ist hierin aber weniger ein Bekenntnis zu einer entsprechenden Rechtsauffassung denn ein Hinweis auf die – auch höchstrichterlich nicht aus dem Weg geräumte – verbreitete Rechtsunsicherheit zu erblicken.“ 111 S. hierzu Gliederungspunkt H. I. 3. a) bb). 112 KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 35; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 633; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 114; Thüsing, AGBKontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 449. 113 Zu den Kriterien Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 111; s. auch Sina, DB 1985, 902, 903 f. 114 Hölters/Weber, AktG, 3. Aufl. 2017, § 88 Rn. 24; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 88 Rn. 10; Hoffmann-Becking, FS Quack, 1991, S. 273, 275 f.

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Kenntnissen ein „unmittelbarer Zusammenhang“115 besteht, kann überhaupt ein berechtigtes Interesse der Gesellschaft anerkannt werden, die Verwertung des Erworbenen zu unterbinden. Doch bis zu welcher Grenze kann ein unmittelbarer Zusammenhang noch angenommen werden? Probleme stellen sich insbesondere, wenn es dem Vorstandsmitglied gänzlich untersagt wird, für konkurrierende Unternehmen in einer bestimmten Branche tätig zu werden. Zwar mag man einräumen, dass sich das Schutzinteresse der AG regelmäßig auf eine ganze Branche erstrecken wird;116 zu weit würde unter Berücksichtigung der Berufsfreiheit des Vorstandsmitglieds aber eine Regelung gehen, nach der dem Vorstandsmitglied – auch für eine noch so kurze Dauer – die Aufnahme jeglicher Konkurrenztätigkeit untersagt wird. So hat der BGH bereits im Jahre 1984 entscheiden, dass eine Klausel, die dem Vorstandsmitglied verbietet, „weder selbständig noch unselbständig noch beratend, auch nicht gelegentlich oder mittelbar, auf Gebieten tätig zu werden, die zum Aufgabenbereich der Gesellschaft gehören“, nichtig ist.117 Dies ist für Individualvereinbarungen anerkannt;118 für AGB muss es damit erst recht gelten. Jüngere instanzgerichtliche Entscheidungen gehen in die gleiche Richtung: Das OLG Hamm erachtet eine Vereinbarung, die ein Tätigwerden „gleich aus welchem Grund, in selbstständiger, unselbstständiger oder sonstiger Weise“ untersagt, für sachlich zu weitgehend. Ein schutzwürdiges Interesse der Gesellschaft daran, dass das ehemalige Vorstandsmitglied nicht für ein Wettbewerbsunternehmen in einer Weise tätig wird, das keinen Bezug zum Tätigkeitsbereich des Vorstandsmitglieds, seiner dort relevanten Fachkompetenz oder zum Kundenstamm der Gesellschaft aufweist, könne nicht anerkannt werden.119 Auch das OLG München hat jüngst eine Regelung als unwirksam eingestuft, nach der jedes selbständige und unselbständige Tätigwerden sowie jedes Tätigwerden in sonstiger Weise in einer bestimmten Branche verboten sein soll. Denn hierunter fällt dem Wortlaut nach beispielsweise auch eine Tätigkeit als Hausmeister, die freilich keinen Bezug zur Vorstandstätigkeit hätte und die Interessen der Gesellschaft nicht beeinträchtigen würde.120 Empfehlenswert erscheint daher eine Regelung, die das Verbot auf den Unternehmensgegenstand sowie die konkreten Aufgabenbereiche bzw. das fachlich wahrgenommene Ressort des

115 Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 635; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 41; ähnlich OLG Düsseldorf, Urt. v. 03. 12. 1998 – 6 U 151/98, MittRhNotK 1999, 63. 116 Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 113. 117 BGH, Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366, 2367. 118 OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82, Ls. 1 (für den GmbH-Geschäftsführer); OLG Düsseldorf, Urt. v. 10. 03. 2000 – 17 U 133/99, NZG 2000, 737, 738; GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 142; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 88 Rn. 50; a.A. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, § 24 Rn. 1054; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 113. 119 OLG Hamm, Urt. v. 14. 07. 2014 – 8 U 131/12, BeckRS 2016, 13633. 120 OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82, 83, Rn. 9.

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Vorstandsmitglieds beschränkt.121 Dabei ist auch ein konzernweites Wettbewerbsverbot möglich, soweit es dem Vorstandsmitglied möglich war, innerhalb seiner Amtszeit auf die Leitung des verbundenen Unternehmens Einfluss zu nehmen oder jedenfalls auf gesellschaftsinterne Informationen zuzugreifen.122 Wird dem Vorstandsmitglied nicht nur die selbständige und unselbständige Tätigkeit verboten, sondern auch jede beratende Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen, die Errichtung, der Erwerb sowie die mittelbare oder unmittelbare Beteiligung,123 so bedarf es zur Wahrung der Interessen des Vorstandsmitglieds des Zusatzes, dass dies nicht solche Beteiligungen im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung betrifft, die keinen direkten oder indirekten Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens ermöglichen.124 Denn insoweit fehlt es an einer möglichen Gefährdung der Gesellschaftsinteressen. Als problematisch erweisen sich in diesem Zusammenhang insbesondere Klauseln, die der Gefahr des Eindringens in Kundenbeziehungen begegnen sollen. Die Arbeitsgerichte gehen davon aus, dass eine Klausel, die dem Arbeitnehmer die Pflicht auferlegt, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei ehemaligen Auftraggebern bzw. Kunden seines Arbeitgebers nur mit dessen Zustimmung tätig zu werden, den Anforderungen der §§ 74 ff. HGB genügt.125 Daraus folgt für die Vorformulierung derartiger Klauseln in Vorstandsverträgen der äußere Rahmen: Eine Klausel, die für bestimmte Zeit das Tätigwerden für ehemalige Auftraggeber der Gesellschaft von deren Zustimmung abhängig macht, kann nicht unangemessen sein. Auf der anderen Seite muss bei der Beurteilung formularvertraglich vereinbarter nachvertraglicher Wettbewerbsverbote beachtet werden, dass solche Regelungen, die den Schranken des § 138 BGB genügen, vor dem Hintergrund des angesichts der Vorformulierung bestehenden Ungleichgewichts zu Lasten des Vorstandsmitglieds nicht automatisch auch als angemessen i.S.d. AGB-Rechts einzustufen sind. Exemplarisch hat der BGH die Klausel: „[Der Geschäftsführer] verpflichtet sich, nach der Beendigung des Dienstverhältnisses ohne die ausdrückliche schriftliche Zustimmung der Gesellschaft für die Dauer von 2 Jahren keine Mandate von solchen Auftraggebern zu übernehmen, die während der letzten 3 Jahre vor seinem Ausscheiden zur Klientel der Gesellschaft […] gehörten.“ als mit § 138 BGB vereinbar 121

Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 635; ähnlich Hoffmann-Becking, FS Quack, 1991, S. 273, 275; ähnlich auch Binnewies, in: Formularbuch Recht und Steuern, 9. Aufl. 2019, Stand: 01. 04. 2019, A. 1.10 Anstellungsvertrag für Vorstandsmitglieder, § 5 Abs. 1: „im Geschäftszweig der Gesellschaft“, Rn. 25. 122 Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 632. 123 S. Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, B. Muster zum Anstellungsvertrag, S. 411 f. 124 Ähnlich Schelling, in: Beck’sche Online-Formulare Vertrag, 52. Edt, Stand: 01. 03. 2020, 2.3.4 Vorstandsdienstvertrag (ausführlich, mit Pensionszusage), § 12 Abs. 2; dies indes unberücksichtigt lassend Binnewies, in: Formularbuch Recht und Steuern, 9. Aufl. 2019, Stand: 01. 04. 2019, A. 1.10 Anstellungsvertrag für Vorstandsmitglieder, § 5 Abs. 2. 125 BAG, Urt. v. 27. 09. 1988 – 3 AZR 59/87, NZA 1989, 467 f.

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angesehen.126 Ist der Maßstab des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB demgegenüber strenger, so mag man empfehlen, das Verbot bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf solche Auftraggeber zu beschränken, die überhaupt eine Verbindung zum jeweiligen Vorstandsmitglied aufweisen, indem sie etwa mit ihm in Kontakt standen oder es jedenfalls auf Informationen, die die Geschäftsbeziehung betreffen, zugreifen konnte. Dies entspricht dem Sinn und Zweck des Verbotes, die Verwertung im Zuge der Vorstandstätigkeit erhaltener Informationen gegenüber dem Kunden zu verhindern. Auch das OLG Düsseldorf hat für einen GmbH-Geschäftsführer entschieden, dass solche Schutzklauseln nur dann berechtigt sein können, „wenn mit ihnen unter angemessenen Bedingungen verhindert werden soll, daß ein vorübergehend tätig gewesener Geschäftsführer nach seinem Ausscheiden Kunden abzieht, zu denen er nur aufgrund seiner Tätigkeit für die GmbH Verbindung gewinnen konnte, oder daß er sich sonstige interne Informationen zunutze macht, zu denen er sich nur durch seine zeitweilige Geschäftsführertätigkeit Zugang hat verschaffen können“127. Bei einem mehrköpfigen Vorstand eines großen Unternehmens, der in verschiedene Ressorts aufgeteilt ist, erscheint es durchaus nicht ausgeschlossen, dass ein spezifisches Vorstandsmitglied in den Geschäftsaustausch mit einem bestimmten Kunden nicht involviert war. Dann mag es überzogen sein, auch eine Tätigkeit bei diesem Geschäftspartner von vornherein zu versperren. Anderes kann jedoch für das alleinige Vorstandsmitglied einer kleineren AG gelten. (2) Geografische Grenzen Die geografischen Grenzen ergeben sich aus dem tatsächlichen Tätigkeitsbereich der Gesellschaft. Ein berechtigtes Interesse der Gesellschaft, das Vorstandsmitglied zur Unterlassung künftiger Wettbewerbshandlungen in einer Region, in der sie nicht operiert, zu verpflichten, kann schon nach den Maßstäben des § 138 BGB nicht anerkannt werden.128 Dann muss dies erst recht für Formularverträge gelten. Probleme bestehen indes, wenn es sich bei der Gesellschaft um ein staatenübergreifendes oder weltweit agierendes Unternehmen handelt. Wettbewerbsverbote, die über einzelne Regionen, Länder oder Kontinente hinausgehen, werden im Schrifttum teilweise generell für unzulässig gehalten.129 Thüsing dagegen erachtet weltweit geltende Verbote als zulässig, soweit die Gesellschaft weltweit agiert und auch 126

BGH, Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366. OLG Düsseldorf, Urt. v. 03. 12. 1998 – 6 U 151/98, MittRhNotK 1999, 63. 128 Hölters/Weber, AktG, 3. Aufl. 2017, § 88 Rn. 24; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 88 Rn. 10; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 114; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 40; Thüsing, NZG 2004, 9, 11; zur Unwirksamkeit eines Wettbewerbsverbotes wegen fehlender örtlicher Beschränkung s. BGH, Urt. 14. 07. 1986 – II ZR 296/85, BeckRS 1986, 31366531. 129 Hölters/Weber, AktG, 3. Aufl. 2017, § 88 Rn. 24: „nur ganz ausnahmsweise“; Hüffer/ Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 88 Rn. 10: „Sehr weit definierte Schutzräume („in Europa“; „weltweit“) sind meistens unzulässige Übertreibung.“; a.A. Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 114; Thüsing, NZG 2004, 9, 11; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 40. 127

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weltweit im Wettbewerb steht; zur Vermeidung von Unklarheiten sei aber vor Übertreibung gewarnt.130 Richtigerweise muss es auch hier auf die Umstände des Einzelfalls und die konkrete Wettbewerbssituation ankommen. Soweit im Schrifttum davon ausgegangen wird, dass regelmäßig nur regionale nachvertragliche Wettbewerbsverbote die Anforderungen des § 138 BGB wahren können,131 ist bei der Vereinbarung formularvertraglicher Regelungen aber besondere Vorsicht geboten. Zur Austarierung der beiderseitigen Interessen muss die örtliche Grenze jedenfalls so weit wie möglich anhand des Tätigkeitsbereichs der Gesellschaft konkretisiert werden.132 Probleme stellen sich dabei, wenn das Wettbewerbsverbot auf solche Regionen ausgeweitet werden soll, in denen die Gesellschaft künftig operieren will. Hierfür muss die Planung jedenfalls derart konkretisiert sein, dass etwa ein konkreter Termin der Aufnahme der Tätigkeit feststeht, indem beispielsweise bereits Verträge mit in den betreffenden Ländern ansässigen Unternehmen abgeschlossen wurden. Bloß abstrakte Absichten, die Geschäftstätigkeit in der Zukunft auf bestimmte Länder auszuweiten, können noch nicht für die Annahme eines berechtigten Interesses der Gesellschaft genügen. Inwieweit sich die Planung verfestigt haben muss, damit die unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB zu verneinen ist, ist freilich mit erheblichen Rechtsunsicherheiten belastet; daher ist von einem solchen Zusatz im Zweifel abzuraten. (3) Zeitliche Grenzen In zeitlicher Hinsicht entspricht es allgemeiner Meinung, dass das Wettbewerbsverbot befristet sein muss.133 Denn – so hat es der BGH schon vor fast 50 Jahren gesagt – das schutzwürdige Interesse der Gesellschaft an „der Fernhaltung des Verpflichteten [ist] im allgemeinen nur für einen Zeitraum anzuerkennen, in dem die in der Vertragszeit geschaffenen geschäftlichen Beziehungen noch fortwirken. Die Erfahrung zeigt, dass diese Beziehungen sich nach einer gewissen Zeit so verflüchtigen, dass das geschützte Unternehmen durch die Eröffnung eines Konkurrenzunternehmens des Verpflichteten keine wesentliche Einbuße mehr erfahren kann. Hier muss dann auch die Ausschaltung des Verpflichteten aus dem Tätigkeitsbereich des begünstigten Unternehmens grundsätzlich ihre zeitliche Grenze 130 Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 114; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 449; Thüsing, NZG 2004, 9, 11; für die Zulässigkeit weltweiter Wettbewerbsverbote auch Hoffmann-Becking, FS Quack, 1991, S. 273, 276; Manger, GmbHR 2001, 89, 91. 131 Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 114; Thüsing, NZG 2004, 9, 11; ähnlich auch Hölters/Weber, AktG, 3. Aufl. 2017, § 88 Rn. 24. 132 So Schelling, in: Beck’sche Online-Formulare Vertrag, 52. Edt., Stand: 01. 03. 2020, 2.3.4 Vorstandsdienstvertrag (ausführlich, mit Pensionszusage), § 12 Abs. 3; Hoffmann-Becking, FS Quack, 1991, S. 273, 276; Manger, GmbHR 2001, 89, 91. 133 Grundlegend BGH, Urt. v. 19. 11. 1973 – II ZR 52/72, WM 1974, 74, 76; exemplarisch aus dem Schrifttum Bauer/v. Medem, GWR 2011, 435, 437; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 634.

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finden.“134 Doch wie ist diese gewisse Zeit zu bestimmen? Hinsichtlich der Festlegung einer konkreten Grenze erfolgt in Schrifttum und Rechtsprechung zumeist eine – zumindest faktische – Orientierung an der Vorgabe des § 74a Abs. 1 S. 3 HGB, wonach das Verbot nicht auf einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren von der Beendigung des Dienstverhältnisses an erstreckt werden kann.135 Freilich kann auch dies nicht mehr als eine „Richtschnur“ bilden; zu Recht weist Thüsing darauf hin, dass eine schematische Übernahme der Konzeption der Norm, die nicht dem Unternehmensinteresse, sondern dem Interesse des ehemals Dienstverpflichteten dient, schon nicht entsprechen dürfe.136 Positiv formuliert wird aber ein Verbot von bis zu zwei Jahren regelmäßig nicht zu beanstanden sein137 – denn orientiert man sich an den für Arbeitnehmer geltenden Maßstäben, so können diese nach den vorstehenden Erwägungen für das weniger schutzbedürftige Vorstandsmitglied nicht unangemessen sein. Demgegenüber ist aber auch die Regelung längerer Fristen nicht von vornherein ausgeschlossen.138 Wird zuweilen jedoch darauf hingewiesen, dass bei Wettbewerbsverboten mit einer längeren zeitlichen Bindung als zwei Jahre eine „größere Argumentationslast gegen eine mögliche Sittenwidrigkeit“139 bestehe, so erscheint eine zeitliche Bindung, die über die an § 74a Abs. 1 S. 3 HGB orientierten zwei Jahre hinausgeht, bei vorformulierten Wettbewerbsregelungen nicht empfehlenswert – mag sie im Einzelfall noch als angemessen einzustufen sein. (4) Erforderlichkeit einer Karenzentschädigung Weiterhin stellt sich die Frage der Erforderlichkeit der Gewährung einer Karenzentschädigung, wie sie gegenüber Arbeitnehmern gemäß § 74 Abs. 2 HGB zwingende Voraussetzung ist. Diesbezüglich besteht, wie bereits dargelegt, weitgehende Einigkeit in Rechtsprechung und Literatur, dass das Fehlen einer solchen die 134 BGH, Urt. v. 19. 11. 1973 – II ZR 52/72, WM 1974, 74, 76 (Hervorhebung durch die Verfasserin). 135 Bauer/v. Medem, GWR 2011, 435, 437; Binnewies, in: Formularbuch Recht und Steuern, 9. Aufl. 2019, Stand: 01. 04. 2019, A. 1.10 Anstellungsvertrag für Vorstandsmitglieder, Rn. 25; Hoffmann-Becking, FS Quack, 1991, S. 273, 276 f.; Jäger, DStR 1995, 724, 726; Manger, GmbHR 2001, 89, 90; Reinfeld, Nachvertragliches Wettbewerbsverbot, 1992, S. 143. 136 Thüsing, NZG 2004, 9, 10. 137 So auch BGH, Urt. v. 19. 10. 1993 – KZR 3/92, NJW 1994, 384, 385; Urt. v. 19. 11. 1973 – II ZR 52/72, WM 1974, 74, 76; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10. 03. 2000 – 17 U 133/99, NZG 2000, 737, 738; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 88 Rn. 10; Bauer/v. Medem, GWR 2011, 435, 437; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 634; Binnewies, in: Formularbuch Recht und Steuern, 9. Aufl. 2019, Stand: 01. 04. 2019, A. 1.10 Anstellungsvertrag für Vorstandsmitglieder, Rn. 25; Manger, GmbHR 2001, 89, 90; Reinfeld, Nachvertragliches Wettbewerbsverbot, 1992, S. 142 ff. 138 S. aber BGH, Urt. 14. 07. 1986 – II ZR 296/85, BeckRS 1986, 31366531, in dem der BGH ein Wettbewerbsverbot mit einer zeitlichen Bindung von drei Jahren als nichtig einordnet; s. auch Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 634; Reinfeld, Nachvertragliches Wettbewerbsverbot, 1992, S. 143 f.; Hoffmann-Becking, FS Quack, 1991, S. 273, 277; a.A. Hölters/Weber, AktG, 3. Aufl. 2017, § 88 Rn. 24. 139 Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 115; Thüsing, NZG 2004, 9, 10.

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Wirksamkeit von Wettbewerbsabreden grundsätzlich nicht hindert.140 Hieran ist auch aus Wertungsgründen nicht zu rütteln; vielmehr gilt das Gesagte: Wie Normen des Aktienrechts zeigen, ist bei Vorstandsmitgliedern hinsichtlich der Verwertung erworbener Kenntnisse oder gesammelter Informationen zu besorgen, dass diese angesichts ihrer umfangreichen Kenntnisse über Geschäftspartner und Bezugsquellen zu höheren Schäden bei der Gesellschaft führen kann.141 Ihre besondere Stellung im Gefüge der Aktiengesellschaft hat zur Konsequenz, dass auch die nachwirkenden Treupflichten weiter gehen als bei einem Arbeitnehmer oder auch leitenden Angestellten.142 Dann aber müssen Vorstandsmitglieder auch – einschränkungstechnisch – mehr „hinnehmen“. Deutlicher: Besteht bei einem Arbeitnehmer in erheblich geringerem Umfang die Gefahr, dass dem Arbeitgeber durch einen Verstoß gegen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot hohe Schäden entstehen, so ist die Wettbewerbseinschränkung des Arbeitnehmers jedenfalls durch die Gewährung einer Karenzentschädigung abzufedern. Dies kann wertungsmäßig bei einem per se weniger schutzwürdigeren Personenkreis nicht gelten, bei dem die Gefahr der Entstehung höherer Schäden durch die Verwertung erworbener Kenntnisse vorhanden ist. Wiederum ist zu konstatieren, dass die Vereinbarung einer solchen freilich nicht schadet. In den Worten Thüsings: „Ausreichend ist daher jedenfalls eine Entschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB, wenngleich sie nicht in jedem Fall erforderlich sein wird.“143 So scheint es sogar üblich, in Organverträge Regelungen aufzunehmen, die auf § 74 Abs. 2 HGB verweisen oder sich jedenfalls an die Vorschrift anlehnen.144 Dies erscheint umso empfehlenswerter, als die oben genannten Entscheidungen sich allesamt auf Individualvereinbarungen – die am Maßstab des § 138 BGB zu messen sind – beziehen. Ein individualvertraglich vereinbartes Wettbewerbsverbot wird gegenüber einem Vorstandsmitglied ohne die Regelung einer Karenzentschädigung also noch nicht als sittenwidrig einzustufen sein. Bei formularvertraglich vereinbarten Wettbewerbsabreden sind engere Grenzen für den Gestaltungsspielraum der Anstellungsgesellschaft gesteckt.145 Vor diesem Hintergrund wird zwar daran festgehalten, dass es grundsätzlich keiner Gewährung einer Karenzentschädigung bedarf; die Regelung einer solchen erscheint aber – in Orientierung an den Maßstäben des § 74 Abs. 2 HGB – im Zuge einer besonders vorsichtigen Formulierung sinnvoll. 140 BGH, Beschl. v. 07. 07. 2008 – II ZR 81/07, DStR 2008, 1842, 1843; Urt. v. 04. 03. 2002 – II ZR 77/00, NZG 2002, 475, 476; Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366, 2367; GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 153 f.; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 38; Bauer/v. Medem, GWR 2011, 435, 437. 141 Grundlegend BGH, Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366 f.; s. auch Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 109. 142 BGH, Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366 f. 143 Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 117. 144 Schelling, in: Beck’sche Online-Formulare Vertrag, 52. Edt., Stand: 01. 03. 2020, 2.3.4 Vorstandsdienstvertrag (ausführlich, mit Pensionszusage), § 12 Abs. 5; Binnewies, in: Formularbuch Recht und Steuern, 9. Aufl. 2019, Stand: 01. 04. 2019, A. 1.10 Anstellungsvertrag für Vorstandsmitglieder, § 5 Abs. 4; s. auch Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 44. 145 So auch Lembke, NZA-RR 2019, 65, 70.

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Eine Überkompensation kann etwa dadurch vermieden werden, dass die Karenzentschädigung auf laufende Leistungen aus einer Versorgungszusage sowie auf mögliche Übergangsgelder und Abfindungen angerechnet wird.146 cc) Ein zweites Zwischenergebnis Damit gilt: Was gegenüber einem Arbeitnehmer möglich ist, kann gegenüber einem Vorstandsmitglied zwar nicht unangemessen sein. Indes belegen einige Normen des Aktienrechts wie § 93 Abs. 1 S. 3 AktG und § 404 AktG, dass bei Vorstandsmitgliedern die Verwertung erworbener Kenntnisse oder gesammelter Informationen zu erheblich höheren Schäden bei der Gesellschaft führen kann; insoweit wird man großzügiger verfahren dürfen. Gleichzeitig besteht bei formularvertraglich vereinbarten Wettbewerbsabreden bereits – anders als bei ausgehandelten Individualabreden, zu denen vereinzelte Judikate existieren – ein Ungleichgewicht zu Lasten des Vorstandsmitglieds, das ebenfalls in die Interessenabwägung einfließen muss – wodurch wiederum engere Grenzen für den Gestaltungsspielraum der Anstellungsgesellschaft gesteckt sind.147 Die Schwierigkeit der konkreten Grenzziehung liegt damit auf der Hand; die Formulierung absoluter Schranken ist schon vor dem Hintergrund der Notwendigkeit der Berücksichtigung der den Vertragsschluss begleitenden Umstände gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB weder zulässig noch sachgerecht. Dennoch ergibt sich schon aus teleologischer Perspektive: Sachlich hat sich das Wettbewerbsverbot eng am Aufgabenbereich des Vorstandsmitglieds zu orientieren; örtlich darf es nicht weitergehen als der tatsächliche Tätigkeitsbereich der Gesellschaft; zeitlich muss es befristet sein. Darüber hinaus ist die Angemessenheit im Einzelfall zu bestimmen, wobei als relevante Umstände das unter gewöhnlichen Umständen zu erwartende Ausmaß eines Schadens bei Missachtung des Verbots, das Alter des Vorstandsmitglieds im Zeitpunkt seines Ausscheidens, die Dauer des Anstellungsverhältnisses, die auch die Reichweite der Treupflicht mitbestimmt, die Höhe der Gesamtbezüge während der Vertragszeit sowie ein etwaiger Erwerb von Ruhegeld und Versorgungsanwartschaften148 in die Abwägung einzubeziehen sind. c) Anforderungen des Transparenzgebotes gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB Sind die inhaltlichen Vorgaben abgesteckt, muss die Klausel zudem das in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB niedergelegte Transparenzgebot wahren. Nach § 307 Abs. 1 S. 2 146 So etwa Schelling, in: Beck’sche Online-Formulare Vertrag, 52. Edt., Stand: 01. 03. 2020, 2.3.4 Vorstandsdienstvertrag (ausführlich, mit Pensionszusage), § 12 Abs. 5; ausführlich zur Anrechnung anderweitigen Erwerbs Kukat, BB 2001, 951, 952 ff. 147 So auch Lembke, NZA-RR 2019, 65, 70. 148 Zu den Kriterien Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 111; s. auch Sina, DB 1985, 902, 903 f.

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BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Nach ständiger höchstinstanzlicher Rechtsprechung ist das Transparenzgebot gewahrt, wenn eine Bestimmung im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren nach den Grundsätzen von Treu und Glauben die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreibt.149 Dies beinhaltet zum einen die genaue Beschreibung der Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, sodass für den Vertragspartner keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen können. Zum anderen muss es dem Vertragspartner ermöglicht werden, ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte ermitteln zu können, sodass er diese auch durchsetzen kann.150 Hierfür ist nicht nur erforderlich, dass die isoliert betrachtete Regelung hinreichend klar formuliert ist, sondern sie muss auch im Zusammenhang mit den übrigen Vertragsbestimmungen verständlich sein. Dazu gehört, dass Regelungen, die zusammengehören, auch im Zusammenhang aufgeführt werden oder sich der Kontext jedenfalls auf sonstige Weise, zum Beispiel durch Verweisung, ergibt.151 Einfach formuliert: Es gehört zusammengeschrieben, was zusammengehört. Maßstab bei der Beurteilung ist der Verständnis- und Erkenntnishorizont des typischen Durchschnittskunden bei Vertragsschluss.152 Konkret ergeben sich hieraus die folgenden Anforderungen: Die zu unterlassenden Wettbewerbshandlungen sind präzise zu umschreiben. So ist etwa aufzuführen, dass selbständige sowie unselbständige Tätigkeiten erfasst sind sowie der Erwerb und die Errichtung eines konkurrierenden Unternehmens oder auch die mittelbare oder unmittelbare Beteiligung hieran – ein bloßer Verweis auf „sämtliche“ Tätigkeiten vermag dem Transparenzgebot dagegen nicht zu genügen. Es empfiehlt sich überdies in sachlicher Hinsicht, die Konkurrenzunternehmen und ihre verbundenen Unternehmen, für die das Vorstandsmitglied für bestimmte Zeit nicht tätig werden darf, namentlich aufzulisten.153 Die Prognoseschwierigkeit bei nachver149 BGH, Urt. v. 17. 07. 2018 – VI ZR 274/17, NJW 2019, 51, Rn. 9; Urt. v. 22. 03. 2018 – IX ZR 99/17, NJW 2018, 2193, 2196, Rn. 34; Urt. v. 25. 02. 2016 – VII ZR 156/13, NJW 2016, 1575, 1576, Rn. 31; Urt. v. 29. 04. 2015 – VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244, 2245, Rn. 16; Urt. v. 26. 10. 2005 – VIII ZR 48/05, NJW 2006, 996, 998, Rn. 23. 150 BGH, Urt. v. 17. 07. 2018 – VI ZR 274/17, NJW 2019, 51, Rn. 9; Urt. v. 22. 03. 2018 – IX ZR 99/17, NJW 2018, 2193, 2196, Rn. 34; Urt. v. 25. 02. 2016 – VII ZR 156/13, NJW 2016, 1575, 1576, Rn. 31; Urt. v. 29. 04. 2015 – VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244, 2245, Rn. 16. 151 BGH, Urt. v. 25. 02. 2016 – VII ZR 156/13, NJW 2016, 1575, 1576, Rn. 31. 152 BGH, Urt. v. 22. 03. 2018 – IX ZR 99/17, NJW 2018, 2193, 2196, Rn. 35; Urt. v. 25. 02. 2016 – VII ZR 156/13, NJW 2016, 1575, 1576, Rn. 31; Urt. v. 29. 04. 2015 – VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244, 2245, Rn. 17; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 244. 153 In diese Richtung Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 41; ähnlich für das Arbeitsrecht Preis/Stoffels, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II W 10 Rn. 15: „Eine solche Klausel hat große Chancen, im Streitfall zu bestehen, da sie den konkreten Bezug zum Tätigkeitsfeld des Mitarbeiters herstellt und die betroffenen Konkurrenzunternehmen namentlich aufführt.“

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traglichen Wettbewerbsverboten, die Konkurrenzsituation bei Ausscheiden des Vorstandsmitglieds im Zeitpunkt des Dienstvertragsabschlusses zu beurteilen, ist dabei nicht zu leugnen. Sie könnte beispielsweise durch den Zusatz abgefedert werden, dass die aufgezählten Unternehmen auch deren Rechtsnachfolger oder etwa vorgenommene Namensänderungen umfassen, es sei denn, es erfolgt damit zugleich auch eine Änderung des Unternehmensgegenstandes. Ähnliche Erwägungen gelten in Bezug auf die örtliche Reichweite: Zur besonders präzisen und klaren Bestimmung sind örtliche Einschränkungen, soweit möglich, namentlich in Form bestimmter Regionen bzw. Staaten zu nennen.154 Um der Gefahr zu begegnen, dass im Zeitpunkt des Ausscheidens des Vorstandsmitglieds bestimmte Staaten nicht mehr vom Tätigkeitsbereich des Unternehmens umfasst sind und das Wettbewerbsverbot daher aufgrund der Überschreitung der örtlichen Reichweite mit der Gefahr der Unwirksamkeit behaftet ist, erscheint ebenfalls die Aufnahme der Einschränkung empfehlenswert, „es sei denn, das Unternehmen ist im Zeitpunkt des Ausscheidens des Vorstandsmitglieds nicht mehr in den genannten Regionen tätig.“ Empfehlenswert erscheint alternativ sowohl zur näheren Bestimmung der sachlichen als auch der örtlichen Reichweite eine Präzisierung des Begriffs des Konkurrenzunternehmens anhand bestimmter Kriterien: So könnte man zur hinreichend präzisen Fassung solche Unternehmen als Konkurrenten erfassen, die bei Vertragsende basierend auf ihrem sachlichen Geschäftsbereich und ihrem örtlichen Tätigkeitsbereich mit der Gesellschaft in Wettstreit stehen. 4. Entwurf einer angemessenen Klausel Vor dem Hintergrund der vorstehenden allgemeinen Ausführungen könnte eine Klausel – vorbehaltlich weiterer Ergänzungen155 – wie folgt gefasst werden: (1) Dem Vorstandsmitglied ist es untersagt, für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Anstellungsvertrags für ein Unternehmen selbständig oder unselbständig tätig zu werden, das im Wettbewerb zur Gesellschaft oder mit ihr verbundenen Unternehmen steht. Konkret trifft dies auf Unternehmen zu, die im Bereich X operieren [ggf. namentliche Nennung der Konkurrenzunternehmen, soweit möglich, oder auch die Aufnahme etwaiger Rechtsnachfolger, soweit keine Änderung des Unternehmensgegenstandes erfolgt]. In gleicher Weise ist es dem Vorstandsmitglied untersagt, während der Dauer des Wettbewerbsverbots eine beratende Tätigkeit für ein solches Unternehmen auszuüben, ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen, soweit eine Beteiligung nicht im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung, die keinen direkten oder indirekten Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens ermöglicht, erfolgt.

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In diese Richtung für den Geschäftsführer Kukat, BB 2001, 951, 952. So wurde beispielsweise die Diskussion einer Verzichtsregelung aus Gründen der Schwerpunktsetzung bewusst ausgespart. 155

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(2) Das Wettbewerbsverbot erstreckt sich sachlich auf Tätigkeiten im Bereich X [möglichst präzise Bezeichnung des Unternehmensgegenstands sowie der konkreten Aufgabenbereiche bzw. des fachlich wahrgenommenen Ressorts des Vorstandsmitglieds]. (3) Das Wettbewerbsverbot erstreckt sich räumlich auf das Gebiet, in dem die Gesellschaft bzw. mit ihr verbundene Unternehmen im Zeitpunkt des Ausscheidens des Vorstandsmitglieds ihre Geschäftstätigkeit unterhalten hat. Dies betrifft die folgenden Regionen/Staaten: […], es sei denn, das Unternehmen ist im Zeitpunkt des Ausscheidens des Vorstandsmitglieds nicht mehr in den genannten Regionen tätig. (4) [Optional:] Die Gesellschaft verpflichtet sich, dem Vorstandsmitglied für die Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots eine monatliche Karenzentschädigung zu zahlen, die für jeden Monat des Verbotes die Hälfte der vom Vorstand zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Bruttofixvergütung beträgt. Die Karenzentschädigung wird auf laufende Leistungen aus einer Versorgungszusage sowie auf mögliche Übergangsgelder und Abfindungen angerechnet.

5. Rechtsfolgen unwirksamer Wettbewerbsverbote Auch bei aller Vorsicht der Formulierung besteht das Risiko, dass eine Klausel im Einzelfall zumindest teilweise als gegen AGB-Recht verstoßend bewertet wird. Dies führt zur Erörterung der Problematik, welche Rechtsfolgen Wettbewerbsverbote auslösen, die den Anforderungen nicht genügen. a) Grundsatz: Nichtigkeit der Klausel Im Grundsatz sind die Rechtsfolgen klar: Wie es § 306 Abs. 1 BGB vorsieht, führt ein Verstoß gegen die Vorgaben des AGB-Rechts zur Unwirksamkeit der jeweiligen Klausel, im Übrigen bleibt der Vertrag wirksam. Hieraus folgt, dass eine geltungserhaltende Reduktion nicht möglich ist. Werden vorformulierte Wettbewerbsverbote also zu weit gefasst, sind sie grundsätzlich „unrettbar“ unwirksam.156 Damit steht – in den Worten Lembkes – „das Wettbewerbsverbot […] unter dem Damoklesschwert des Unwirksamkeitsverdikts“157. Dies stellt bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten eine Abweichung von der Rechtslage im Arbeitsrecht dar, in dem § 74a Abs. 1 HGB eine Reduzierung auf das zulässige Maß erlaubt. Gemäß § 306 Abs. 2 BGB greift an Stelle der unwirksamen Klausel dispositives Gesetzesrecht ein. Für vertragliche Verbote während der Vertragslaufzeit bedeutet das, dass das gesetzliche Verbot nach § 88 AktG greift. Mangels entsprechender Vorschriften im Fall eines unwirksamen nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes wird die Gesellschaft indes nicht davor bewahrt, dass das Vorstandsmitglied die während seiner Amtszeit er-

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Speziell für Wettbewerbsverbote OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82, 83, Rn. 18; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 88 Rn. 10; Lembke, NZA-RR 2019, 65, 66. 157 Lembke, NZA-RR 2019, 65, 70.

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worbenen Kenntnisse und Verbindungen zukünftig in illoyaler Weise zum Nachteil der Gesellschaft verwerten kann. b) Durchbrechung des Grundsatzes angesichts der Prognoseschwierigkeit Anders als zuweilen geäußert,158 bestehen jedoch nicht nur im Arbeitsrecht, sondern auch bei der Gestaltung von Wettbewerbsabreden in Vorstandsverträgen Schwierigkeiten bezogen auf die Prognose der künftigen wettbewerblichen Situation zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Dies sieht auch der BGH, der – in Abweichung von der Nichtigkeitsfolge des § 138 BGB – eine geltungserhaltende Reduktion zulässt, soweit es lediglich um die Abkürzung der zeitlichen Bindung geht.159 Rechtstechnisch greift der BGH hierbei auf § 139 BGB zurück. Derartige Dauerschuldverhältnisse seien in Zeitabschnitte derart zu zerlegen, dass diese sich als Teile eines ganzen Vertrages darstellen würden. Hieraus folge, dass sie bei einem entsprechend bestehenden oder zu vermutenden Parteiwillen mit einer kürzeren, angemessenen Laufzeit aufrechterhalten blieben.160 Auf § 139 BGB kann jedoch nur bei Individualverträgen, nicht jedoch bei AGB zurückgegriffen werden. Bei § 306 Abs. 1 BGB handelt es sich vielmehr um eine „kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB“161; insofern ist § 306 Abs. 1 BGB im Anwendungsbereich des AGB-Rechts lex specialis gegenüber § 139 BGB.162 Gleichwohl könnte man auch im Geltungsbereich des § 306 Abs. 1 BGB erwägen, ob eine Zerlegung einer Zeitspanne in Abschnitte dazu führen könnte, dass ein zeitlich abtrennbarer Teil der Wettbewerbsabrede – wie der übrige Vertrag – wirksam bleibt. Judikate fehlen diesbezüglich; es ist also unsicher, ob die Rechtsprechung auch bei vorformulierten zeitlich zu weitgehenden Wettbewerbsregelungen zur geltungserhaltenden Reduktion neigen wird. Eine zeitliche „Zerstückelung“ der unwirksamen Wettbewerbsabrede mit dem Ziel der Aufrechterhaltung mit gerade noch zulässigem Inhalt, also eine geltungserhaltende Reduktion, widerspräche indes dem Sinn und Zweck des AGB-Rechts: Wie bereits im Kontext der Grenzziehung zur Individualvereinbarung ausführlich dargelegt,163 versucht das AGB-Recht, das durch die situative Unterlegenheit der Verwendergegenseite ent-

158 So ArbG Halle, Urt. v. 22. 05. 2006 – 7 Ca 1812/04, BeckRS 2009, 68497; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, § 24 Rn. 355; Diller, NZA 2005, 250, 251. 159 BGH, Urt. v. 18. 07. 2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061, 3062; Urt. v. 14. 07. 1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089, 3090; Urt. v. 29. 10. 1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699, 700. 160 BGH, Urt. v. 14. 07. 1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089, 3090; Urt. v. 29. 10. 1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699, 700. 161 BAG, Urt. v. 21. 06. 2011 – 9 AZR 238/10, AP BGB § 307 Nr. 54; Urt. v. 12. 03. 2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699, 701, Rn. 27. 162 Erman/Roloff, BGB, 15. Aufl. 2017, § 306 Rn. 1. 163 S. o. unter Gliederungspunkt D. II. 2.

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standene Ungleichgewicht der Vertragsparität zu beseitigen.164 Das heißt: Aufgrund der Vorformulierung ist von einer Störung des Vertragsgleichgewichts zu Lasten des Vertragspartners des Verwenders auszugehen, die durch AGB-rechtliche Bestimmungen behoben werden soll. Der Vertragspartner, der aufgrund der Abschlusssituation oftmals eingeschränkte Möglichkeiten hat, die Angemessenheit der ihm vorgelegten Bedingungen zu prüfen, soll besonderen Schutz erfahren. Überdies versteht sich das AGB-Recht – wenngleich es nicht auf diesen Anwendungsbereich beschränkt ist – durch die Sonderregeln in § 310 Abs. 3 BGB als Verbraucherschutzrecht. Diesen Gedanken würde es widersprechen, wenn der Verwender inhaltlich „übers Ziel hinausschießen“ könnte – mit der einzigen Konsequenz, dass die Klausel ggf. zu seinen Gunsten mit gerade noch zulässigem Inhalt aufrechterhalten bliebe.165 Würde man dies zulassen, ergäbe sich als höchst problematische praktische Folge, dass der schutzwürdige Vertragspartner regelmäßig mit zu weit gefassten Klauseln konfrontiert würde.166 Erst in einem Prozess würde er dann die Möglichkeit erhalten, sich Informationen über die Rechte und Pflichten, die ihm aus dem Vertrag erwachsen, zu verschaffen, was auch ein weitgehendes Leerlaufen des Transparenzgebotes mit sich brächte.167 Angesichts dessen kann im AGB-Recht eine quantitative Zerlegung der Abrede insoweit, als ein unwirksamer Teil abgespalten und durch eine wirksame Regelung ersetzt wird, nicht anerkannt werden.168 Sie ist vielmehr vor dem Hintergrund des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion als tragendem Prinzip des AGB-Rechts dogmatisch und teleologisch höchst problematisch und daher abzulehnen. c) Abspaltung des wirksamen Teils nach den Grundsätzen des blue-pencil-Tests Die Grundregel der Unwirksamkeit der Klausel wird aber jedenfalls – so macht es die zivil- und arbeitsgerichtliche Rechtsprechung169 – durch den sog. blue-pencil164

Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, 12. Aufl. 2016, Einl. BGB Rn. 5; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, Einl. Rn. 15 ff.; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 523. 165 So auch BAG, Urt. v. 14. 01. 2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, 668, Rn. 22; Straube, NZA-RR 2012, 505, 506. 166 BAG, Urt. v. 14. 01. 2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, 668, Rn. 22; Straube, NZARR 2012, 505, 506; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 358. 167 BAG, Urt. v. 14. 01. 2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, 668, Rn. 22; Straube, NZARR 2012, 505, 506. 168 In diese Richtung auch Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 356 f. 169 S. exemplarisch BGH, Urt. v. 18. 02. 2016 – III ZR 126/15, NJW 2016, 1578, 1581, Rn. 27; Urt. v. 14. 01. 2015 – XII ZR 176/13, NJW 2015, 928, 930, Rn. 23; Urt. v. 10. 10. 2013 – III ZR 325/12, NJW 2014, 141, 142, Rn. 14; BAG, Urt. v. 13. 11. 2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368, 370, Rn. 24 ff.; Urt. v. 14. 09. 2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 83, Rn. 27; Urt. v. 11. 04. 2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042, 1045, Rn. 42; OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82, 83, Rn. 18.

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Test konterkariert. Hierbei erfolgt eine „geltungserhaltende Klauselabgrenzung“170 insofern, als bei hinreichender Teilbarkeit auch eine einheitliche Klausel nur teilweise unwirksam sein kann. Die Rechtsprechung stellt dabei darauf ab, ob sich die Klausel als „inhaltlich teilbar“ erweist171 – bzw. sprachlich gewendet: Es darf sich nicht um eine „einzige homogene Regelung“172 handeln. Dies soll vor allem dann der Fall sein, wenn der unwirksame Teil – wie mit einem blue pencil – gestrichen werden kann und immer noch eine lesbare und verständliche Rest-Klausel übrig bleibt.173 Die sprachliche Teilbarkeit einer Klausel hat eine Indizfunktion, indem die Teilbarkeit einer Klausel durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln ist.174 Als „Ausnahme“ der Grundregel nach § 306 Abs. 1, 2 BGB ist die von der gerichtlichen Praxis entwickelte Abspaltung des unwirksamen Klauselteils bei hinreichender Teilbarkeit anerkannt – mögen Literaten auch zu Recht die Kritik üben, dass „beträchtlich am eigenen Dogma vom Verbot der geltungserhaltenden Reduktion gekratzt“175 wird. Die anerkannte Abweichung kann damit nach der Rechtsprechung auch zu weit gefasste vorformulierte nachvertragliche Wettbewerbsverbote „retten“ – soweit auch nach Streichung des unwirksamen Teils eine inhaltlich sinnvolle und sprachlich verständliche Regelung verbleibt.176 Denkbar erscheint dies bei vertraglichen Wettbewerbsverboten, die verschiedene zu unterlassende Wettbewerbshandlungen konkret benennen; dann können im Falle der Unangemessenheit einer Variante andere gleichwohl Bestand haben. Bei den meisten nachvertraglichen Wettbewerbsverboten wird dies freilich nur selten der Fall sein. Denn die Kriterien Gegenstand, Ort und Zeit stehen in Wechselwirkung; so kann etwa ein geografisch weites Wettbewerbsverbot durch eine kurze Dauer kompensiert werden.177 Ist etwa die sachliche Grenze überschritten, erscheint es ausgeschlossen, das Verbot auch ohne Bestimmung der sachlichen Reichweite aufrechterhalten zu können.178 Gleiches gilt für eine Überschreitung der räumlichen und zeitlichen Grenze, da diese – 170

Willemsen/Grau, RdA 2003, 321, 324. BGH, Urt. v. 18. 02. 2016 – III ZR 126/15, NJW 2016, 1578, 1581, Rn. 27; Urt. v. 14. 01. 2015 – XII ZR 176/13, NJW 2015, 928, 930, Rn. 23; Urt. v. 10. 10. 2013 – III ZR 325/12, NJW 2014, 141, 142, Rn. 14; BAG, Urt. v. 13. 11. 2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368, 370, Rn. 24 ff.; Urt. v. 14. 09. 2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 83, Rn. 27; Urt. v. 11. 04. 2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042, 1045, Rn. 42; OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82, 83, Rn. 18. 172 BGH, Urt. v. 15. 11. 2006 – VIII ZR 3/06, NJW 2007, 674, 675, Rn. 21. 173 BAG, Urt. v. 13. 11. 2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368, 370, Rn. 24 ff.; OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82, 83, Rn. 18. 174 BAG, Urt. v. 13. 11. 2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368, 370, Rn. 27; MüKoBGB/ Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a BGB Rn. 69. 175 Willemsen/Grau, RdA 2003, 321, 324. 176 OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82, 83, Rn. 18; Erman/Roloff, BGB, 15. Aufl. 2017, § 306 Rn. 6, 11; Lembke, NZA-RR 2019, 65, 66. 177 KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 35. 178 S. hierzu beispielhaft OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82, 84, Rn. 18, das bei Überschreitung der sachlichen Grenzen eine Teilbarkeit verneint. 171

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eng miteinander verzahnt – nur kumulativ die inhaltliche Reichweite festlegen können. Festzuhalten bleibt damit, dass entgegen der Grundregel nach § 306 Abs. 1 BGB unter Anwendung der Grundsätze des blue-pencil-Tests eine nur teilweise Unwirksamkeit eines sachlich, räumlich oder zeitlich zu weit gefassten Wettbewerbsverbots theoretisch in Betracht kommt – zumeist wird die Aufrechterhaltung in der Praxis aber an der mangelnden inhaltlichen Teilbarkeit scheitern. d) Die Möglichkeit ergänzender Vertragsauslegung Eine höhere Bedeutung kommt angesichts dessen der Möglichkeit ergänzender Vertragsauslegung zu.179 Soweit eine Teilaufrechterhaltung einer unangemessenen Vertragsbedingung nach den Grundsätzen des blue-pencil-Tests ausscheidet, treten an die Stelle der unwirksamen Klausel – so ordnet es § 306 Abs. 2 BGB an – die gesetzlichen Vorschriften. Hierunter fällt nicht nur das geschriebene Recht, sondern auch alle richterrechtlich entwickelten ungeschriebenen Rechtssätze und allgemeinen Rechtsregeln.180 Dass die Lücke, die sich durch den Wegfall einer unwirksamen Klausel ergeben kann, auch im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden kann, ist anerkannt.181 Während der Gesetzesentwurf zum AGBG noch vorsah, dass sich der Vertragsinhalt in Ermangelung gesetzlicher Vorschriften nach der „Natur des Vertrages“ richte,182 wandte sich der Rechtsausschuss des Bundestages hiergegen mit der Begründung, bei Fehlen gesetzlicher Vorschriften komme bereits eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB in Betracht.183 Der im Gesetzesentwurf noch vorhandene Zusatz wurde entsprechend gestrichen. Dem kann entnommen werden, dass bereits der Gesetzgeber des AGBG von der grundsätzlichen Zulässigkeit ergänzender Vertragsauslegung im AGB-Recht ausging.184 Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BGH, der den Rückgriff auf das Rechtsinstitut aber an zwei Bedingungen knüpft: Voraussetzung ist zum einen, dass konkrete gesetzliche Regelungen zur Schließung der Lücke fehlen. An einer gesetzlichen Regelung zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten, die die Schließung der Lücke bewirken könnte, fehlt es im Aktienrecht, sodass ein Rückgriff auf die ergänzende Vertragsauslegung in Betracht kommt. Anders liegt der Fall bei Ergänzungen des gesetzlichen Wettbewerbsverbotes nach § 88 AktG; hier liegt bereits 179

So Lembke, NZA-RR 2019, 65, 66. Erman/Roloff, BGB, 15. Aufl. 2017, § 306 Rn. 6 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/ Hau, 6. Aufl. 2013, § 306 BGB Rn. 14; Willemsen/Grau, RdA 2003, 321, 324. 181 BGH, Urt. v. 03. 12. 2015 – VII ZR 100/15, NJW 2016, 401, 402 f., Rn. 29; Urt. v. 01. 02. 1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177 ff.; Erman/Roloff, BGB, 15. Aufl. 2017, § 306 Rn. 6 f., 13; MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 306 Rn. 19; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/ Hau, 6. Aufl. 2013, § 306 BGB Rn. 15 ff.; Willemsen/Grau, RdA 2003, 321, 324; ausführlich Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, 2010, S. 175 ff. 182 BT-Drucks. 7/3919, S. 4. 183 BT-Drucks. 7/5422, S. 5. 184 MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 306 Rn. 19. 180

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eine hinreichend konkrete Vorschrift zur Schließung der Lücke vor, sodass das Mittel der ergänzenden Vertragsauslegung hier von vornherein verschlossen ist. Als zweite Voraussetzung darf der ersatzlose Wegfall der unwirksamen Klausel nicht zu einer angemessenen, den typischen Interessen des Klauselverwenders und der Verwendergegenseite Rechnung tragenden Lösung führen.185 Zudem müssen Anhaltspunkte vorliegen, die darauf schließen lassen, wie die Parteien den Vertrag gestaltet hätten, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel gekannt hätten. Wenn dagegen unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht kommen, ohne dass erkennbar wird, welche Gestaltung die Vertragsparteien vorgenommen hätten, ist den Gerichten die Möglichkeit der ergänzenden Vertragsauslegung verwehrt.186 Dies wird in der Praxis keine niedrige Hürde darstellen; denn dass ein hypothetischer Parteiwille der Verwendergegenseite hinsichtlich ihrer Unterwerfung unter ein Wettbewerbsverbot gebildet wurde, verbleibt praktisch eher atypischen Sonderkonstellationen.187 In den Fällen, in denen der Vertrag oder sonstige vertragsbegleitende Umstände aber Anhaltspunkte für den Willen der Vertragsparteien enthalten, kann die Konstruktion eines angemessenen Wettbewerbsverbotes durch ergänzende Vertragsauslegung erfolgen. Der ergänzenden Vertragsauslegung steht auch das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion nicht entgegen. Im Gegenteil unterscheiden sich die beiden Instrumente bereits in Bezug auf ihr methodisches Vorgehen: So zielt die geltungserhaltende Reduktion darauf ab, eine unangemessene Regelung durch Reduktion auf ein gerade noch angemessenes Maß zu erhalten. Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist die Klausel dagegen insgesamt unwirksam, woraus erst die vertragliche Regelungslücke folgt, die durch Anknüpfung an den Regelungsplan der beiden Vertragsparteien zu schließen ist.188 Mit anderen Worten: Bei der geltungserhaltenden Reduktion soll die Klausel durch Reduktion als wirksam erhalten bleiben; die ergänzende Vertragsauslegung lässt dagegen die – sich aus § 306 Abs. 1 BGB ergebende – Unwirksamkeit der Klausel unberührt und ergänzt den Inhalt des Vertrags auf Rechtsfolgenseite um eine Regelung, die angesichts der entstandenen Lücke im Vertrag notwendig ist, um dem Regelungsplan der Vertragsparteien zu entspre185 BGH, Urt. v. 15. 02. 2019 – V ZR 77/18, NJW 2019, 2602, 2603 f., Rn. 18; Urt. v. 03. 12. 2015 – VII ZR 100/15, NJW 2016, 401, 402 f., Rn. 29; Urt. v. 26. 03. 2015 – VII ZR 92/14, NJW 2015, 1952, 1954, Rn. 46; Urt. v. 28. 10. 2009 – VIII ZR 320/07, NJW 2010, 993, 997, Rn. 44; Urt. v. 01. 02. 1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177, Ls. 1; hierzu Erman/Roloff, BGB, 15. Aufl. 2017, § 306 Rn. 13; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 370. 186 BGH, Urt. v. 03. 12. 2015 – VII ZR 100/15, NJW 2016, 401, 402 f., Rn. 29; Erman/ Roloff, BGB, 15. Aufl. 2017, § 306 Rn. 13. 187 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 371. 188 BGH, Urt. v. 23. 01. 2013 – VIII ZR 52/12, BeckRS 2013, 2809, Rn. 24 ff.; zum Ganzen auch Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 369 ff.; v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Arbeitsverträge Rn. 134; dogmatisch fragwürdig daher Manger, GmbHR 2001, 89, 92: „geltungserhaltende Reduktion in Übereinstimmung mit dem Parteiwillen“.

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chen.189 Des Weiteren berücksichtigen die Instrumente unterschiedliche Interessen: Während es bei der geltungserhaltenden Reduktion um eine einseitige Berücksichtigung der Verwenderinteressen geht, die aus dem Blickwinkel des Verbraucherschutzes verfehlt erscheint, erfolgt bei der ergänzenden Vertragsauslegung die Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen. Eine Auslegung kann daher etwa dazu führen, dass ein aufgrund zu langer zeitlicher Bindung unwirksames Wettbewerbsverbot durch eine Abrede ersetzt wird, die einem angemessenen Maß in zeitlicher Hinsicht entspricht – freilich nur, soweit Anhaltspunkte auf eine entsprechende Interessenlage hinweisen und die Verwendergegenseite hierdurch nicht unzumutbar belastet wird. Wie Preis treffend ausführt, muss eine Lückenschließung durch ergänzende Vertragsauslegung daher „sehr sorgfältig erwogen werden“190, denn – in den Worten Thüsings/Leders – „[e]in […] Allheilmittel zur Bewahrung der geltungserhaltenden Billigkeitsjudikatur bei zu weitreichenden Klauseln bietet [sie] nicht.“191 Dass ein Rückgriff auf dieses Instrument insbesondere zur Erreichung einer angemessenen zeitlichen Reichweite bestimmter Klauseln auch von der Rechtsprechung als sachgerecht erachtet wird, zeigt ein Pendelblick auf die Rechtsprechung des BAG zu Rückzahlungsklauseln in Bezug auf Ausbildungskosten: Das BAG geht davon aus, dass im Falle der Vereinbarung einer zu langen Regelungsdauer eine geltungserhaltende Reduktion zwar nicht in Betracht kommt; jedoch wäre es „unangemessen und würde den Interessen beider Parteien nicht gerecht, das sich aus der notwendigen Einzelfallbewertung ergebende Prognoserisiko dem Arbeitgeber aufzuerlegen, wenn es für ihn objektiv schwierig war, die zulässige Bindungsdauer zu bestimmen.“192 Die Verwirklichung dieses Prognoserisikos stelle für den Arbeitgeber regelmäßig eine unzumutbare Härte dar, an seiner Verpflichtung zur Tragung der Ausbildungskosten festgehalten zu werden, ohne dass es ihm ermöglicht werde, den Arbeitnehmer angemessen zu binden. Daher sei eine ergänzende Vertragsauslegung gerichtet auf einen beiden Seiten gerecht werdenden Ausgleich nötig, die in den konkreten Fällen ergebe, dass das von der Rechtsprechung als zulässig Erachtete als angemessener Ausgleich anzusehen sei.193 Auch in anderen Konstellationen wird also ein Rückgriff auf das Instrument zur Festlegung einer angemessenen zeitlichen Dauer als zulässig und sachgerecht eingeschätzt.

189 BGH, Urt. v. 23. 01. 2013 – VIII ZR 52/12, BeckRS 2013, 2809, Rn. 29; s. aber Uffmann, NJW 2011, 1313, 1315: „funktional äquivalent“. 190 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 369. 191 Thüsing/Leder, BB 2005, 938, 944 f. 192 BAG, Urt.v. 14. 01. 2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, 669, Rn. 29. 193 BAG, Urt.v. 14. 01. 2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, 669, Rn. 30; anders aber BAG, Urt. v. 10. 05. 2016 – 9 AZR 434/15, BeckRS 2016, 73355, Rn. 37; kritisch zur Rechtsprechung Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 171.

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6. Ein drittes Zwischenergebnis Hinsichtlich der Rechtsfolgen unwirksamer Wettbewerbsverbote in AGB ist zusammenfassend festzustellen, dass ein zu weit gefasstes oder intransparentes Wettbewerbsverbot nach der Grundregel des § 306 Abs. 1 BGB unwirksam ist. Hiervon ist auch bei Überschreitung der zeitlichen Reichweite eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes – anders, als es der BGH bei zeitlich unangemessenen Individualabreden unter Rückgriff auf § 139 BGB macht – keine Ausnahme insofern zu machen, als eine Zerstückelung in Zeitabschnitte zur teilweisen Aufrechterhaltung führen könnte. Indes ist als Stand der zivil- und arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung hinzunehmen, dass zu weit gefasste vorformulierte Wettbewerbsverbote im Wege des sog. blue-pencil-Tests „gerettet“ werden können, indem die Abspaltung eines unwirksamen Klauselteils vorgenommen werden kann, soweit auch nach Streichung dieses Teils eine inhaltlich sinnvolle und sprachlich verständliche Regelung verbleibt.194 Dies wird bei den meisten nachvertraglichen Wettbewerbsverboten jedoch nur eine theoretische Möglichkeit bleiben, denn angesichts der zwischen den Kriterien Gegenstand, Ort und Zeit bestehenden Wechselwirkung vermag eine inhaltliche Teilbarkeit der Regelung regelmäßig zu scheitern. In Betracht kommt jedoch eine Schließung der durch die insgesamt unwirksame Regelung entstandenen Lücke im Vertrag durch ergänzende Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB. Voraussetzung ist hierfür nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch zum einen, dass konkrete gesetzliche Regelungen zur Schließung der Lücke fehlen. Daher kann auf dieses Instrument nicht bei vertraglichen Wettbewerbsabreden während der Amtszeit zurückgegriffen werden, denn hierzu findet sich in § 88 AktG eine gesetzliche Regelung, die anstelle einer unwirksamen ergänzenden Abrede Geltung beansprucht. Für nachvertragliche Wettbewerbsverbote existiert im Aktienrecht aber keine Vorschrift, sodass diesbezüglich eine ergänzende Vertragsauslegung dem Grunde nach möglich ist. Weitere Voraussetzungen sind, dass der ersatzlose Wegfall der unwirksamen Klausel nicht zu einer angemessenen, den typischen Interessen des Klauselverwenders und der Verwendergegenseite Rechnung tragenden Lösung führt sowie dass Anhaltspunkte vorliegen, die darauf schließen lassen, wie die Parteien den Vertrag gestaltet hätten, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel gekannt hätten. Liegen diese Voraussetzungen im jeweiligen Fall vor, kann also an die Stelle eines unwirksamen nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes bei entsprechender Interessenlage eine wirksame nachvertragliche Wettbewerbsabrede treten. Jedoch bestehen erhebliche Rechtsunsicherheiten. Bei der Vertragsgestaltung ist daher mit äußerster Vorsicht und eher mit Zurückhaltung vorzugehen.

194 OLG München, Hinweisbeschl. v. 02. 08. 2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82, 83, Rn. 18; Lembke, NZA-RR 2019, 65, 66.

II. Vertragsstrafenklauseln

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II. Vertragsstrafenklauseln Insbesondere für ihre weite Verbreitung in Arbeitsverträgen sind Vertragsstrafeversprechen prominent und Gegenstand großer Aufmerksamkeit in Rechtsprechung und Literatur.195 Unter „Vertragsstrafe“ ist eine in der Regel in Geld ausgedrückte Leistung zu verstehen, zu deren Erbringung sich der Schuldner für den Fall der Nichterfüllung oder der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung einer Verbindlichkeit vertraglich verpflichtet.196 Der Zweck einer Vertragsstrafe besteht darin, die Erfüllung einer Verbindlichkeit durch ein „Druckmittel“ zu sichern. Sie ist damit ein Instrument, das den Schuldner zu vertragstreuem Verhalten anhält, sog. Erfüllungssicherungsfunktion.197 Überdies soll sie durch die Anordnung der Zahlung eines pauschalen Geldbetrags dem Gläubiger ersparen, den zumeist schwierigen Nachweis eines eingetretenen Schadens als Folge der Nichterfüllung oder der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung zu führen.198 Eine Regelung ist danach als Vertragsstrafe anzusehen, wenn die festgesetzte Zahlung den Umständen nach primär eine „präventive Funktion als Druckmittel zur Sicherung vertragskonformen Verhaltens entfalten soll“199. Vertragsstrafenklauseln für den Fall vertragswidriger Nichtaufnahme bzw. Beendigung des Dienstverhältnisses sowie insbesondere in Kombination mit Wettbewerbsverboten oder Verschwiegenheitsvereinbarungen finden sich jedoch auch regelmäßig in Organanstellungsverträgen – und das, ohne dass eine ausführliche Auseinandersetzung mit ihrer Zulässigkeit stattfindet.200 Dabei fällt auf, 195

S. hierzu nur BAG, Urt. v. 24. 08. 2017 – 8 AZR 378/16, NJW 2018, 418 ff.; Urt. v. 17. 03. 2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945 ff.; Urt. v. 23. 01. 2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777 ff.; Urt. v. 23. 09. 2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89 ff.; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 09. 05. 2018 – 2 Sa 453/17, BeckRS 2018, 19193; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 80 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 201; Haas/Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1 ff.; Lakies, ArbRAktuell 2014, 313 ff.; Preis/ Rolfs, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II V 30 Rn. 1 ff.; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1195 ff.; Winter, BB 2010, 2757 ff. 196 BGH, Urt. v. 14. 10. 2009 – VIII ZR 272/08, NJW 2010, 859, 860, Rn. 11; MüKoBGB/ Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 958; Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 339 Rn 1. 197 BGH, Urt. v. 20. 01. 2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230, 1233, Rn. 36; Urt. v. 20. 01. 2000 – VII ZR 46/98, NJW 2000, 2106, 2107; Urt. v. 03. 04. 1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600, 2602; Urt. v. 03. 11. 1960 – VII ZR 150/59, NJW 1961, 115, 116; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 958; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 6. Aufl. 2013, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 12; Heinze, NZA 1994, 244, 249; Preis/Rolfs, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II V 30 Rn. 4; Winter, BB 2010, 2757, 2758. 198 BGH, Urt. v. 20. 01. 2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230, 1233, Rn. 36; Urt. v. 20. 01. 2000 – VII ZR 46/98, NJW 2000, 2106, 2107; Urt. v. 03. 04. 1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600, 2602; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 962; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 6. Aufl. 2013, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 12; Heinze, NZA 1994, 244, 249; Preis/Rolfs, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II V 30 Rn. 4; Winter, BB 2010, 2757, 2758. 199 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 11. 200 So etwa in Schelling, in: Beck’sche Online-Formulare Vertrag, 52. Edt., Stand: 01. 03. 2020, 2.3.4 Vorstandsdienstvertrag (ausführlich, mit Pensionszusage), § 12 Abs. 9; Binnewies, in: Formularbuch Recht und Steuern, 9. Auflage 2019, Stand: 01. 04. 2019, A. 1.10 Anstellungsvertrag für Vorstandsmitglieder; s. auch Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014,

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dass seltener die Sanktionierung des Vertragsbruchs,201 regelmäßig aber die Absicherung vertraglicher oder nachvertraglicher Wettbewerbsverbote oder Geheimhaltungspflichten mit einer Vertragsstrafe für den Fall der Zuwiderhandlung empfohlen wird.202 Beispielhaft ist auf die folgende Fassung zu verweisen: „Verstößt der Vorstand schuldhaft gegen das vertragliche oder nachvertragliche Wettbewerbsverbot, ist er verpflichtet, eine Vertragsstrafe in Höhe des letzten Bruttomonatsgehalts zu zahlen. Besteht die Verletzungshandlung in der kapitalmäßigen Beteiligung an einem Wettbewerbsunternehmen oder der Eingehung eines Dauerschuldverhältnisses (zB Arbeits-, Dienst-, Handelsvertreter- oder Beraterverhältnis), wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem die kapitalmäßige Beteiligung oder das Dauerschuldverhältnis besteht, neu verwirkt (Dauerverletzung). Mehrere Verletzungshandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, ggf auch mehrfach innerhalb eines Monats. Erfolgen dagegen einzelne Verletzungshandlungen im Rahmen einer Dauerverletzung, sind sie von der für die Dauerverletzung verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst. Bei Verwirkung mehrerer Vertragsstrafen ist der Gesamtbetrag der zu zahlenden Vertragsstrafen auf das Sechsfache des letzten Bruttomonatsgehalts begrenzt.“203

Die formularvertragliche Vereinbarung von Vertragsstrafen erscheint jedoch auf den ersten Blick, wie bereits an verschiedener Stelle angesprochen, wegen des Klauselverbots nach § 309 Nr. 6 BGB problematisch, denn dieses erklärt eine Bestimmung, durch die dem Verwender für bestimmte näher benannte Fälle die Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird, für unwirksam. Im Folgenden wird daher zu klären sein, inwieweit vorformulierte Vertragsstrafenklauseln in Vorstandsverträgen Bestand haben können, inwiefern sie also mit den §§ 307 ff. BGB vereinbar sind. 1. Vertragsstrafenklauseln im Arbeitsrecht: Der Ausgangspunkt Die Behandlung von Vertragsstrafenklauseln im Arbeitsrecht, die den Ausgangspunkt der folgenden Betrachtung bilden soll, wurde in ihren groben Zügen Rn. 653; für den GmbH-Geschäftsführer Jaeger, Anstellungsvertrag, 6. Aufl. 2016, S. 149 f., 165 f.; die Üblichkeit voraussetzend auch Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, Rn. 1112; allgemein Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2343. 201 S. aber Lohr, DStR 2002, 2173, 2180 für den GmbH-Geschäftsführer; hierauf hinweisend auch Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2343; generell zur Möglichkeit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe für die schuldhafte Verletzung der Vorstandspflichten KK-AktG/Mertens/ Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 97. 202 So in Schelling, in: Beck’sche Online-Formulare Vertrag, 52. Edt., Stand: 01. 03. 2020, 2.3.4 Vorstandsdienstvertrag (ausführlich, mit Pensionszusage), § 12 Abs. 9; Binnewies, in: Formularbuch Recht und Steuern, 9. Auflage 2019, Stand: 01. 04. 2019, A. 1.10 Anstellungsvertrag für Vorstandsmitglieder; s. auch Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2343; Bauer/Diller, NJW 2002, 1609, 1614; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 653; Jäger, DStR 1995, 724, 730; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 62. 203 Schelling, in: Beck’sche Online-Formulare Vertrag, 52. Edt., Stand: 01. 03. 2020, 2.3.4 Vorstandsdienstvertrag (ausführlich, mit Pensionszusage), § 12 Abs. 9.

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bereits an verschiedener Stelle angerissen204 und soll an dieser Stelle ausführlich nachgezeichnet werden: Vertragsstrafenklauseln finden sich in jedem vierten Arbeitsvertrag und sind angesichts ihrer praktischen Prominenz in Rechtsprechung und arbeitsrechtlicher Literatur vielfältig aufgegriffen worden.205 Als Besonderheit des Arbeitsrechts i.S.v. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB gilt nach Ansicht des BAG und des ganz überwiegenden Teils in der Literatur die Nichtvollstreckbarkeit der Arbeitsleistung gemäß § 888 Abs. 3 ZPO, mit der Konsequenz, dass § 309 Nr. 6 BGB nicht auf Arbeitsverträge Anwendung findet.206 Gleichwohl müssen sich Vertragsstrafenklauseln in Arbeitsverträgen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stellen. Dabei ist in der generellen Vereinbarung nach ganz herrschender Meinung noch keine unangemessene Benachteiligung zu erblicken. Denn der Arbeitnehmer hat regelmäßig kein schützenswertes Interesse daran, seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht nicht nachzukommen.207 Dies gilt ebenso für die Absicherung vertraglicher oder nachvertraglicher Nebenpflichten. Jedoch darf die Vertragsstrafe nicht der Schöpfung neuer, vom Sachinteresse losgelöster Geldforderungen des Arbeitgebers dienen.208 Dies wurde von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung exemplarisch für den Fall angenommen, dass die Vertragsstrafe lediglich an ein schuldhaftes, ver204

S. etwa Gliederungspunkte B. II. 3; C. II. S. hierzu nur BAG, Urt. v. 24. 08. 2017 – 8 AZR 378/16, NJW 2018, 418 ff.; Urt. v. 17. 03. 2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945 ff.; Urt. v. 23. 01. 2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777 ff.; Urt. v. 23. 09. 2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89 ff.; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 09. 05. 2018 – 2 Sa 453/17, BeckRS 2018, 19193; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 80 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 201; Haas/Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1 ff.; Lakies, ArbRAktuell 2014, 313 ff.; Preis/ Rolfs, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II V 30 Rn. 1 ff.; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1195 ff.; Winter, BB 2010, 2757 ff. 206 Grundlegend BAG, Urt. v. 04. 03. 2004 – 8 AZR 344/03, BeckRS 2004, 30801473; s. im Folgenden Urt. v. 18. 12. 2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519, 522, Rn. 38; Urt. v. 23. 01. 2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777, 779, Rn. 21; Urt. v. 17. 03. 2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945, 947, Rn. 11; zust. aus der Literatur BeckOK-BGB/Becker, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 310 Rn. 40; MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 309 Abs. 6 Vertragsstrafe Rn. 18; Bauer/Krieger, SAE 2006, 11; Günther/Nolde, NZA 2012, 62, 63; Schaub/Linck, Arbeitsrechthandbuch, 18. Aufl. 2019, § 57 Rn. 7; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1195; a.A. Niemann, RdA 2013, 93, 95. 207 Hierzu beispielhaft BAG, Urt. v. 19. 08. 2010 @ 8 AZR 645/09, NJOZ 2011, 565, 569, Rn. 42; Urt. v. 25. 09. 2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370, 375, Rn. 51; LAG Köln, Urt. v. 17. 11. 2015 – 12 Sa 707/15, BeckRS 2016, 66110, Rn. 50; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 270; Günther/Nolde, NZA 2012, 62, 63 f.; Niemann, RdA 2013, 92, 97; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 430; Thüsing/ Bodenstedt, AuR 2004, 369, 370. 208 BAG, Urt. v. 19. 08. 2010 @ 8 AZR 645/09, NJOZ 2011, 565, 569, Rn. 42; Urt. v. 25. 09. 2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370, 375, Rn. 51; Urt. v. 18. 08. 2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34, 37, Rn. 24; LAG Köln, Urt. v. 17. 11. 2015 – 12 Sa 707/15, BeckRS 2016, 66110, Rn. 50; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18. 08. 2015 – 2 Sa 68/14, BeckRS 2015, 71723, Rn. 73; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 268; Günther/Nolde, NZA 2012, 62, 64; Krause, FS Reuter, 2010, S. 627, 639; Leder/ Morgenroth, NZA 2002, 952, 956; Niemann, RdA 2013, 92, 97; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 477; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 431. 205

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H. Einzelklauseln im ordnenden Zugriff

tragswidriges Verhalten anknüpft, das eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. In einem solchen Fall werde der Interessenausgleich primär durch die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber bewirkt, sodass eine darüber hinausgehende Sanktion durch eine Vertragsstrafe nur dann nicht als unangemessene Übersicherung zu qualifizieren sei, wenn die Bestrafung durch eine Verletzung weiterer schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sei, etwa durch bestimmte Eigentums- oder Vermögensverletzungen durch den Arbeitnehmer. Sofern die Regelung die Absicherung aller vertraglichen Pflichten bezwecke, sei sie nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.209 Die Unwirksamkeit kann sich auch aus der Höhe der Vertragsstrafe ergeben.210 Als Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit der Höhe einer Vertragsstrafe, die den Vertragsbruch sanktioniert, wird der Bruttomonatsverdienst des Arbeitnehmers gewählt, und zwar aus dem Grund, dass dieser nach Ansicht der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung Aussagen sowohl über die finanzielle Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers als auch seinen Stellenwert im Betrieb zulässt.211 Das Bruttomonatsentgelt wird im Falle des Vertragsbruchs mit der Kündigungsfrist als zweitem Kriterium kombiniert.212 Bei Nichtantritt der Tätigkeit sowie Nichteinhaltung der Kündigungsfrist legt das BAG die Arbeitnehmerbezüge bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer als – wenngleich nicht starre213 – Obergrenze zugrunde.214 Denn an der Länge der Kündigungsfrist sei 209

BAG, Urt. v. 21. 04. 2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053, 1055. BAG, Urt. v. 24. 08. 2017 – 8 AZR 378/16, NJW 2018, 418, 421, Rn. 27; Urt. v. 17. 03. 2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945, 948, Rn. 23; Urt. v. 23. 09. 2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89, 91, Rn. 29; Urt. v. 19. 08. 2010 @ 8 AZR 645/09, NJOZ 2011, 565, 569, Rn. 43 f.; Urt. v. 04. 03. 2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 737, 733; LAG Köln, Urt. v. 17. 11. 2015 – 12 Sa 707/15, BeckRS 2016, 66110, Rn. 54; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 273; Schaub/Vogelsang, Arbeitsrechtshandbuch, 18. Aufl. 2019, § 55 Rn. 104; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 430 ff.; Thüsing/Bodenstedt, AuR 2004, 369, 373. 211 BAG, Urt. v. 24. 08. 2017 – 8 AZR 378/16, NJW 2018, 418, 421, Rn. 27; Urt. v. 17. 03. 2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945, 948, Rn. 23; Urt. v. 23. 09. 2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89, 91, Rn. 29; Urt. v. 19. 08. 2010 @ 8 AZR 645/09, NJOZ 2011, 565, 569, Rn. 44; Urt. v. 04. 03. 2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 737, 733; hierzu Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 273; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 208; Niemann, RdA 2013, 92, 97 f.; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1201. 212 BAG, Urt. v. 24. 08. 2017 – 8 AZR 378/16, NJW 2018, 418, 421, Rn. 27; Urt. v. 17. 03. 2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945, 948, Rn. 23; Urt. v. 23. 09. 2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89, 91, Rn. 29; Urt. v. 19. 08. 2010 @ 8 AZR 645/09, NJOZ 2011, 565, 569, Rn. 43 f.; Urt. v. 04. 03. 2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 737, 733; LAG Köln, Urt. v. 17. 11. 2015 – 12 Sa 707/15, BeckRS 2016, 66110, Rn. 54. 213 So ausdrücklich BAG, Urt. v. 25. 09. 2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370, 375 f., Rn. 51 ff. 214 BAG, Urt. v. 24. 08. 2017 – 8 AZR 378/16, NJW 2018, 418, 421, Rn. 27; Urt. v. 17. 03. 2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945, 948, Rn. 23; Urt. v. 23. 09. 2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89, 91, Rn. 29; Urt. v. 19. 08. 2010 @ 8 AZR 645/09, NJOZ 2011, 565, 569, Rn. 45; Urt. v. 210

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erkennbar, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer ein Tätigwerden fordern könne und wie hoch sein wirtschaftliches Interesse an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers sei.215 Das BAG sieht also eine Vertragsstrafe bis zu einer Höhe von demjenigen Gehalt, das der Arbeitnehmer für den Zeitraum zwischen einer vorzeitigen tatsächlichen Beendigung und dem rechtlich zulässigen Beendigungszeitpunkt erhalten würde, grundsätzlich als angemessen an. Vor diesem Hintergrund wäre eine Vertragsstrafe von einem Bruttomonatsgehalt jedoch dann zu hoch, wenn diese auch für einen Fall gelten soll, in dem sich der Arbeitnehmer auch mit einer kürzeren Frist – von beispielsweise zwei Wochen während einer vereinbarten Probezeit – vom Vertrag lösen kann.216 Bei Geltung der Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB von vier Wochen würde sich eine pauschalierte Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts indes als noch angemessen darstellen.217 Auch im Schrifttum scheint sich die Obergrenze von einem Bruttomonatsgehalt des Arbeitnehmers bei Geltung der Regelkündigungsfrist als Richtwert zu manifestieren.218 Jedoch ist zu beachten, dass die Höhe eines Bruttomonatsgehaltes auch nach der Auffassung des BAG nicht als absolute Grenze verstanden werden darf.219 Im Gegenteil weist es darauf hin, dass das Sanktionsinteresse des Arbeitgebers in Ausnahmekonstellationen höher beziffert werden kann als der Wert der Arbeitsleistung im gegenständlichen Zeitraum.220 Bezüglich der Vertragsstrafenhöhe bei Wettbewerbsverboten oder anderen Nebenpflichten wie Geheimhaltungspflichten dient die Grenze von einem Bruttomonatsentgelt dagegen nicht als Orientierungspunkt.221 Im Gegenteil hat sich hier, 04. 03. 2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 737, 733; zum alten Recht bereits Urt. v. 27. 04. 2000 – 8 AZR 301/99, BeckRS 2009, 56447. 215 BAG, Urt. v. 24. 08. 2017 – 8 AZR 378/16, NJW 2018, 418, 421, Rn. 27; Urt. v. 17. 03. 2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945, 948, Rn. 23; Urt. v. 19. 08. 2010 @ 8 AZR 645/09, NJOZ 2011, 565, 569, Rn. 43 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 208; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1201. 216 BAG, Urt. v. 23. 09. 2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89, 91, Rn. 30. 217 BAG, Urt. v. 19. 08. 2010 @ 8 AZR 645/09, NJOZ 2011, 565, 569, Rn. 45; Urt. v. 04. 03. 2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 737, 733; zum alten Recht bereits Urt. v. 27. 04. 2000 – 8 AZR 301/99, BeckRS 2009, 56447; s. hierzu auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 84; Krause, FS Reuter, 2010, S. 627, 640; Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 45 f. 218 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 84; Günther/Nolde, NZA 2012, 62, 64; Leder/Morgenroth, NZA 2002, 952, 957; Reichenbach, NZA 2003, 309, 313; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1201. 219 BAG, Urt. v. 25. 09. 2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370, 375 f., Rn. 51 ff.; hierzu Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 84; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 208. 220 BAG, Urt. v. 23. 09. 2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89, 91, Rn. 29; Urt. v. 19. 08. 2010 @ 8 AZR 645/09, NJOZ 2011, 565, 569, Rn. 44; Urt. v. 18. 12. 2008 – 8 AZR 81/08, NZARR 2009, 519, 524, Rn. 54. 221 Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 275; Günther/Nolde, NZA 2012, 62, 68.

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H. Einzelklauseln im ordnenden Zugriff

soweit ersichtlich, noch keine Regelobergrenze etabliert. Der kasuistisch geprägten arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich nur entnehmen, dass es weder einen Rechtssatz gibt, der ein angemessenes Verhältnis zwischen Vertragsstrafe und Karenzentschädigung verlangt,222 noch eine höhenmäßige Begrenzung auf das für die Kündigungsfrist zu zahlende Entgelt zu fordern ist.223 Vielmehr ist auch eine Vertragsstrafe von zwei durchschnittlichen Bruttomonatsgehältern bei einer Wettbewerbsverletzung nicht per se unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.224 Dagegen ist eine Festsetzung auf ein halbes Netto-Jahresgehalt bei einem einmaligen Verstoß als unangemessene Übersicherung des Arbeitgebers zu erachten.225 Die Unangemessenheit der Höhe kann sich auch aus der Kumulation bei wiederholtem Verstoß ergeben. Zulässig ist aber die Vorformulierung eines bestimmten Rahmens, innerhalb dessen der Arbeitgeber die Vertragsstrafe von der konkreten Schwere des Verstoßes abhängig im jeweiligen Einzelfall nach billigem Ermessen festsetzen kann.226 Freilich darf die Festlegung eines solchen Rahmens nicht die Möglichkeit eröffnen, eine im Einzelfall unangemessene Höhe festzulegen. Insofern muss dann bereits der Rahmen das Angemessenheitserfordernis wahren. Nicht gebilligt wurde beispielsweise eine Klausel, nach der eine Vertragsstrafe in Höhe des ein- bis dreifachen Betrages des jeweiligen Monatsgehaltes bzw. nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers des letzten Monatsgehaltes in Abhängigkeit von der konkreten Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber festgelegt werden konnte. Hier fehle es bereits an einem angemessenen Rahmen, eine Vertragsstrafe für jeden Einzelfall eines Wettbewerbsverstoßes in Höhe von ein bis drei Monatsgehältern führe zu einer Übersicherung des Arbeitgebers.227 Eine klare Linie der Rechtsprechung fehlt jedoch bislang. Auch das Schrifttum ist sich uneinig: Vereinzelt findet sich der Vorschlag, die Höhe in Orientierung an § 12 Abs. 3 S. 3 des Entwurfs der AGB-Kommission von 1977 auf ein Jahresbruttogehalt zu beschränken.228 Andere sehen bereits in drei Bruttomonatsgehältern die Obergrenze.229 Als gemeinsamen Nenner kann man hierbei also allenfalls herausstellen, dass bei der Festlegung einer angemessenen Vertragsstrafenhöhe zur Absicherung eines Wettbewerbsverbots eine strenge einzelfallbezogene Orientierung an der Schwere des Verstoßes stattzufinden hat – wobei eine Höhe, die ein Jahresbruttogehalt übersteigt, selbst bei schweren Dauerverstößen kaum zu rechtfertigen sein wird. 222

BAG, Urt. v. 21. 05. 1971 – 3 AZR 359/70, NJW 1971, 2007. BAG, Urt. v. 25. 10. 1994 – 9 AZR 265/93, BeckRS 2009, 56449. 224 BAG, Urt. v. 14. 08. 2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170 ff.; indes ist darauf hinzuweisen, dass in dem betreffenden Urteil die Klausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot „gekippt“ wurde. 225 LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18. 08. 2015 – 2 Sa 68/14, BeckRS 2015, 71723, Rn. 78. 226 BAG, Urt. v. 18. 08. 2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34, 37, Rn. 23. 227 BAG, Urt. v. 18. 08. 2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34, 37, Rn. 24. 228 Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1202; so auch Clemenz/Kreft/Krause/ Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 275. 229 Krause, FS Reuter, 2010, S. 627, 641. 223

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2. Vertragsstrafenklauseln im Vorstandsrecht: Der Status quo in der Literatur Im Vorstandsrecht fehlen Judikate zur Bestimmung AGB-fester Vertragsstrafenbestimmungen; auch die Literatur zeigt sich verhalten. Dass die Vereinbarung regelmäßig empfohlen oder jedenfalls vorausgesetzt wird,230 verdeutlicht aber, dass grundsätzlich von ihrer Zulässigkeit ausgegangen wird. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob die AG ein berechtigtes Interesse hat, hat hingegen bislang nicht stattgefunden. Gleiches ergibt die Betrachtung in Bezug auf die Höhe der Vertragsstrafe: Das spärliche Schrifttum, das sich, soweit erkennbar, nur zur höhenmäßigen Begrenzung in Bezug auf Wettbewerbsverbote äußert, tendiert zu einer gegenüber Arbeitnehmern großzügigeren Betrachtungsweise: Thüsing spricht sich dafür aus, bei der Ermittlung des Beurteilungsmaßstabs zu berücksichtigen, dass Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften weniger schutzwürdig seien als Arbeitnehmer in vergleichbaren Positionen. Des Weiteren müsse auch die Höhe des Gehalts Berücksichtigung finden: Je umfangreicher die Bezahlung ausfalle, desto niedriger seien die Anforderungen an die Zulässigkeit der Vertragsstrafe.231 Ähnlich sind die Ausführungen Bauers, der ebenfalls meint, es dürfe bei Organmitgliedern hinsichtlich der Höhe der Vertragsstrafe nicht so „kleinlich“ verfahren werden wie bei Arbeitnehmern. Denn Organmitglieder seien regelmäßig ihren Anstellungsgesellschaften ebenbürtig und daher könnten Vertragsstrafen noch bis zu einer Höhe als angemessen erachtet werden, die dem Betrag entspreche, den die Gesellschaft bei der Einhaltung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes als Karenzentschädigung zahlen müsste.232 Seyfarth hält einen Betrag vom Dreifachen der zuletzt bezogenen Fixvergütung für jeden Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot jedenfalls für nicht unüblich,233 betont jedoch, dass bei „exorbitanten Höhen“234 ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB gegeben sein kann. Insgesamt wird also wiederum für eine von den arbeitsrechtlichen Grundsätzen abweichende Beurteilung insofern plädiert, als angesichts der geringeren Schutzwürdigkeit des Organmitglieds diesem auch eine höhere Strafzahlung zuzumuten ist. 230 So etwa in Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 653; Binnewies, in: Formularbuch Recht und Steuern, 9. Auflage 2019, Stand: 01. 04. 2019, A. 1.10 Anstellungsvertrag für Vorstandsmitglieder; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, 2. Aufl. 2020, § 11 Rn. 169; Schelling, in: Beck’sche Online-Formulare Vertrag, 52. Edt., Stand: 01. 03. 2020, 2.3.4 Vorstandsdienstvertrag (ausführlich, mit Pensionszusage), § 12 Abs. 9; für den GmbH-Geschäftsführer Jaeger, Anstellungsvertrag, 6. Aufl. 2016, S. 149 f., 165 f.; die Üblichkeit voraussetzend auch Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, Rn. 1112; zur allgemeinen Problematik s. auch Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2343. 231 v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Geschäftsführerverträge Rn. 228. 232 Bauer, FS Wank, 2014, S. 1, 9. 233 Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 62 m.w.N. 234 Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 24.

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3. Inhaltliche Vorgaben zur Gewährleistung der Angemessenheit Den Meinungsstand zugrunde legend sowie den wirksamen Einbezug der Vertragsstrafenklausel unterstellend235 ist sich nunmehr der Frage zuzuwenden, welche inhaltlichen Erfordernisse die §§ 307 ff. BGB für formularvertraglich vereinbarte Regelungen aufstellen. a) Vereinbarkeit mit § 309 Nr. 6 BGB Handelt es sich um AGB, erklärt § 309 Nr. 6 BGB Bestimmungen für unwirksam, durch die sich der Verwender für den Fall bestimmter, gesetzlich abschließend normierter Leistungsstörungen von seinem Vertragspartner die Zahlung einer solchen Vertragsstrafe versprechen lässt. Das Verbot der Vertragsstrafe gemäß § 309 Nr. 6 BGB bildet dem Schrifttum zufolge den wohl offensichtlichsten „Problemfall“ der uneingeschränkten AGB-Kontrolle anstellungsvertraglicher Bestimmungen.236 Denn anders als in Arbeitsverträgen, in denen bestimmte Regelungen nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung als „Besonderheiten des Arbeitsrechts“ entgegen spezifischer Klauselverbote möglich bleiben, besteht für Vorstandsverträge das in § 309 Nr. 6 BGB normierte Verbot der Vertragsstrafe ohne weiteres.237 Gleichwohl kann auch die Leistung von Diensten aus Anstellungsverträgen gemäß § 888 Abs. 3 ZPO nicht vollstreckt werden,238 sodass ein Instrument der Sanktionierung bestimmter Pflichtverletzungen insoweit fehlt. Da § 310 Abs. 4 S. 2 BGB aber auf Vorstandsverträge auch keine analoge Anwendung findet,239 kann hierauf nicht zurückgegriffen werden – mit der Konsequenz der uneingeschränkten Geltung des Verbots. Doch bildet dies tatsächlich einen Widerspruch zum gestalterischen Be235 Vertragsstrafen in Vorstandsverträgen sind generell üblich und können aufgrund dessen ihrer Art nach nicht per se überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB sein. Dies gilt sowohl für die Sanktionierung des Vertragsbruchs als auch für die Absicherung eines vertraglichen oder nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes. Ein Überraschungsmoment, der zur Nichteinbeziehung der Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB führt, kann sich daher regelmäßig nur aus formalen Aspekten ergeben – etwa wenn sich die Regelung an einer unüblichen Stelle im Vertrag befindet. Die Regelung einer Vertragsstrafe in einem Vorstandsvertrag ist aber derart üblich, dass auch ohne besondere Markierung mit ihrem Vorhandensein zu rechnen ist. Abgesehen vom Falle einer gänzlich systemwidrigen Verortung erscheint ein Verstoß einer Vertragsstrafenklausel gegen § 305c Abs. 1 BGB daher fernliegend; zur Problematik s. Günther/Nolde, NZA 2012, 62, 63; Lingemann/Gottschalk, DStR 2011, 774; für den GmbH-Geschäftsführer Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 164. 236 Hierzu Bauer, FS Wank, 2014, S. 2; Habersack, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 1103; Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 55 ff.; Schniepp/ Giesecke, NZG 2017, 128, 130 f.; Stagat, NZA-RR 2011, 617, 621 f.; s. auch Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 24; a.A. Hümmerich, NZA 2006, 709, 712. 237 v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Geschäftsführerverträge Rn. 228. 238 MüKoZPO/Gruber, 5. Aufl. 2016, § 888 Rn. 2, 20; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2344. 239 Ausführlich unter Gliederungspunkt F. II. 1. a).

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dürfnis in der Praxis? Um zu ermitteln, inwieweit die uneingeschränkte Geltung des § 309 Nr. 6 BGB Wertungswidersprüche verursacht oder zwingende Wertungen des Vorstandsrechts unterläuft, ist in einem ersten Schritt der Anwendungsbereich der Vorschrift zu ermitteln, um in einem zweiten Schritt zu erörtern, ob und unter welchen Voraussetzungen ein modifizierter Prüfungsmaßstab angezeigt ist. aa) Tatbestandlicher Anwendungsbereich Tatbestandlich beinhaltet § 309 Nr. 6 BGB vier Verbote: Vertragsstrafenklauseln sind danach ohne die Vornahme einer Interessenabwägung unwirksam, wenn sie für den Fall der Nichtabnahme oder der verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzuges oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, die Zahlung einer Vertragsstrafe vorsehen. Relevanz für Vorstandsverträge hat allein die vierte Variante: So erscheint denkbar, dass in den Anstellungsvertrag eine Klausel aufgenommen wird, nach der das Vorstandsmitglied eine bestimmte Geldsumme zu zahlen hat für den Fall, dass es sich vom Vertrag löst. Unter Vertragslösung ist dem Wortlaut der Vorschrift nach jedes Verhalten zu verstehen, durch das der Vertragspartner kundtut, er fühle sich nicht mehr an den Vertrag gebunden.240 Erfasst ist davon sowohl die unberechtigte als auch die berechtigte Abstandnahme von vertraglichen Hauptleistungspflichten, die ausdrücklich, aber auch konkludent geschehen kann.241 Nur, wenn die Vertragsstrafenbestimmung einen dieser genannten Fälle betrifft, greift das Klauselverbot des § 309 Nr. 6 BGB ein mit der Konsequenz der Unwirksamkeit unabhängig von einer richterlichen Wertung – was e contrario heißt, dass der Gesetzgeber im Übrigen grundsätzlich von der Zulässigkeit von Vertragsstrafenklauseln ausgeht.242 Konkret in Bezug auf die Vorstandstätigkeit muss also danach differenziert werden, welches Verhalten durch die Aufnahme einer Vertragsstrafenklausel sanktioniert bzw. abgesichert werden soll. Vom Klauselverbot des § 309 Nr. 6 BGB betroffen sind seinem tatbestandlichen Anwendungsbereich nach ausschließlich Klauseln, die das Unterlassen des Antritts bzw. die vertragswidrige Niederlegung der 240 BeckOK-BGB/Becker, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 309 Nr. 6 Rn. 12; Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 309 BGB Rn. 36; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 24; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 6. Aufl. 2013, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 42; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, Rn. 925; Winter, BB 2010, 2757, 2759; einschränkend MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 309 Abs. 6 Vertragsstrafe Rn. 12 (nur die unberechtigte Erfüllungsverweigerung). 241 Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 309 BGB Rn. 36; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 24; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 6. Aufl. 2013, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 42. 242 S. hierzu BAG, Urt. v. 23. 01. 2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777, 779, Rn. 23; Bauer/ Arnold, ZIP 2006, 2337, 2343; Bauer/Diller, NJW 2002, 1609, 1614; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, Rn. 1112; Leder/Morgenroth, NZA 2002, 952, 953; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 429; Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 47; Winter, BB 2010, 2757, 2759.

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Tätigkeit sanktionieren, die also die vertragliche Hauptleistungspflicht absichern. Dem ausdrücklichen Wortlaut des § 309 Nr. 6 BGB nach nicht erfasst sind damit Bestimmungen, die der Absicherung (nach-)vertraglicher Nebenpflichten wie etwa einer Verschwiegenheitsvereinbarung oder eines Wettbewerbsverbotes dienen.243 Solche Vertragsstrafenbestimmungen, die in einigen Formularbüchern empfohlen werden,244 unterliegen damit von vornherein nicht dem pauschalen Unwirksamkeitsverdikt nach § 309 Nr. 6 BGB, sondern können allenfalls eine Unwirksamkeit nach § 307 BGB nach sich ziehen.245 Da diesbezüglich § 309 Nr. 6 BGB bereits tatbestandlich nicht einschlägig ist, bedarf es insoweit keiner weiteren Erörterung der Frage, inwieweit auf dieser Basis § 309 Nr. 6 BGB bei Vorstandsverträgen in seiner Anwendbarkeit eingeschränkt werden muss. Indes ist zu konstatieren, dass Vertragsstrafen, die an die vertragliche Hauptleistungspflicht anknüpfen, grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 6 Var. 4 BGB fallen. Angesichts dessen muss ausschließlich bezüglich solcher Vertragsstrafenklauseln geprüft werden, ob eine Modifikation des AGB-rechtlichen Prüfungsmaßstabs geboten ist. bb) Erforderlichkeit der teleologischen Reduktion Eine Anpassung des Prüfungsmaßstabs kann nach allgemeinen Regeln durch teleologische Reduktion der Vorschrift erfolgen. Dies setzt voraus, dass die ratio legis des § 309 Nr. 6 BGB die Nichtanwendung der Norm auf vorformulierte Vorstandsanstellungsverträge gebietet, obwohl diese vom Wortlaut eindeutig erfasst sind. AGB-Vereinbarungen in Vorstandsverträgen unterfallen grundsätzlich dem uneingeschränkten Anwendungsbereich des § 309 Nr. 6 BGB. Der Gesetzgeber müsste die Regelung insofern versehentlich zu weit geschaffen haben. Es müsste also eine sog. verdeckte Regelungslücke vorliegen, die dann durch Hinzufügung der

243 So zu Recht BAG, Urt. v. 23. 01. 2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777, 779, Rn. 23; Urt. v. 14. 08. 2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170, 171, Rn. 23; Urt. v. 18. 08. 2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34, 36, Rn. 15; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 81; Bauer, FS Wank, 2014, S. 8; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2343; Bauer/Diller, NJW 2002, 1609, 1614; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, Rn. 1112; Leder/ Morgenroth, NZA 2002, 952, 953; Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 47; v. Westphalen/Thüsing/ Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Geschäftsführerverträge Rn. 228; in diese Richtung auch Jaeger, Anstellungsvertrag, 6. Aufl. 2016, S. 165 f.; a.A. Hümmerich, NZA 2006, 709, 712; v. Koppenfels, NZA 2002, 598, 602. 244 Schelling, in: Beck’sche Online-Formulare Vertrag, 52. Edt., Stand: 01. 03. 2020, 2.3.4 Vorstandsdienstvertrag (ausführlich, mit Pensionszusage), § 12 Abs. 9; Binnewies, in: Formularbuch Recht und Steuern, 9. Aufl. 2019, Stand: 01. 04. 2019, A. 1.10 Anstellungsvertrag für Vorstandsmitglieder. 245 BAG, Urt. v. 14. 08. 2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170, 171, Rn. 23; Urt. v. 18. 08. 2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34, 36, Rn. 15; Bauer, FS Wank, 2014, S. 8; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2343; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, Rn. 1112; Bauer/ Diller, NJW 2002, 1609, 1614; Leder/Morgenroth, NZA 2002, 952, 953; Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 47.

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sinngemäß erforderlichen Einschränkung zu schließen ist.246 Dabei darf jedoch nicht aus Gründen der Rechtssicherheit die strikte Einhaltung des Wortlautes geboten sein.247 Ob dies der Fall ist, muss konkret in Bezug auf § 309 Nr. 6 Var. 4 BGB im Wege der Auslegung ermittelt werden. Das Verbot der Vertragsstrafe in bestimmten Fällen wurde vom Gesetzgeber in den Katalog der Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit vor allem mit dem Argument aufgenommen, dass „Vertragsstrafeklauseln erhebliche Gefahren für den Versprechenden bergen und in den geregelten Fällen ein anerkennenswertes Interesse für ihre formularmäßige Vereinbarung nicht ersichtlich ist“248. Insbesondere bestehe die Gefahr, dass sich der Verwender durch die Vorformulierung einer solchen Bestimmung ungerechtfertigte Gewinne verschaffen könne.249 Denn angesichts der Tatsache, dass die Klausel schon aufgrund der Vorformulierung im einseitigen Interesse des Verwenders gestaltet wurde, liege es nahe, dass Strafzahlungen in unangemessener Höhe festgesetzt würden sowie ausschließlich an Vertragsverletzungen der Verwendergegenseite anknüpfen und Vertragsverletzungen der Verwenderseite außer Acht ließen.250 Bei der Variante der Lösung vom Vertrag bestehe diese Gefahr vor allem bei Klauseln, nach denen die Verwendergegenseite nur gegen Zahlung einer „Abstandssumme“ oder ähnlichem aus dem Vertrag entlassen werde.251 Diesen Telos zugrunde legend richtet sich das Klauselverbot gegen solche Sachverhalte, in denen die Gefahr besteht, dass sich der Verwender ungerechtfertigt bereichert – etwa weil ihm der Nachweis eines Schadens in der Regel gar nicht schwer fiele und ihm auf dieser Basis bereits ein Schadensersatzanspruch zustünde, der zur Kompensation genügen würde.252 Denn dann bieten Schadensersatzansprüche in der Regel einen ausreichenden Anreiz, den Vertragspartner zu vertragstreuem Verhalten anzuhalten und insofern wäre die Festsetzung einer Vertragsstrafe nicht mehr vonnöten und würde vielmehr regelmäßig eine unbillige Besserstellung des Verwenders bedeuten.253 Anders liegt der Fall aber, wenn – wie im Arbeitsrecht – aufgrund der Eigenart des Vertragsverhältnisses zum einen kein alternatives Druckmittel zur Durchsetzung der vertraglichen Hauptleistungspflicht, zum anderen 246 Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 210; s. bereits oben Gliederungspunkt F. II. 1. a) bb) (1). 247 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 192 f.; s. auch Danwerth, ZfPW 2017, 230, 242. 248 BT-Drucks. 7/3919, S. 30. 249 BT-Drucks. 7/3919, S. 30; MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 309 Nr. 6 BGB Vertragsstrafe Rn. 1; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 6. Aufl. 2013, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 1 – 9. 250 BT-Drucks. 7/3919, S. 30; MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 309 Nr. 6 BGB Vertragsstrafe Rn. 1; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 2; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 6. Aufl. 2013, § 309 Nr. 6 Rn. 1 – 9. 251 BT-Drucks. 7/3919, S. 30. 252 So auch Gotthardt, ZIP 2002, 277, 283; hierzu auch Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 428. 253 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 6. Aufl. 2013, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 1 – 9.

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erhebliche Beweisschwierigkeiten in Bezug auf den Schaden bestehen, sodass der Verwender auch beim Vertragsbruch seines Vertragspartners regelmäßig keinen Schadensersatzanspruch geltend machen kann. Denn im Arbeitsrecht stellt die Vertragsstrafe in den meisten Fällen das einzig wirksame Instrument dar, mit Hilfe dessen die Erfüllung der Arbeitsleistung gesichert werden kann.254 Des Weiteren scheitert die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen oftmals daran, dass, auch wenn beispielsweise durch den Nichtantritt der Tätigkeit regelmäßig hohe Schäden entstehen, kein Nachweis für die Kausalität für den Schaden oder dessen Höhe erbracht werden kann.255 Hieran vermögen auch die schadensersatzrechtlichen und zivilprozessualen Erleichterungen nach § 252 S. 2 BGB und § 287 ZPO kaum etwas zu ändern.256 In solchen Konstellationen bestehen jedoch keine Bedenken dahingehend, dass sich der Verwender ungerechtfertigte Vorteile durch die Vorformulierung überhöhter Strafzahlungen verschafft. Im Gegenteil wird die Gefahr offenbar, dass bei uneingeschränktem Eingreifen des Klauselverbots auch schwerwiegende Vertragsverletzungen des Vertragspartners wie die unberechtigte Abstandnahme vom Vertrag wegen Schadensbezifferungsschwierigkeiten nicht durch die Zahlung eines Geldbetrags kompensiert werden können. Dann aber erscheint es sachgerecht, § 309 Nr. 6 BGB seinem Sinn und Zweck nach unangewendet zu lassen. Auf dieser Grundlage bedarf es der Erörterung der Frage, ob – parallel zum Arbeitsrecht – auch im Anstellungsrecht weniger die Gefahr der ungerechtfertigten Bereicherung der AG durch Vorformulierung überhöhter Strafen besteht, mehr die Besorgnis, dass es der Gesellschaft an einem Instrument zur effektiven Durchsetzung des Erfüllungsanspruchs mangelt und sich der Schadensnachweis im Falle der Pflichtverletzung regelmäßig als schwierig darstellt. Die erste Problematik stellt sich in gleicher Weise beim Vorstandsvertrag: So gilt auch für Leistungen im Rahmen des Vorstandsvertrags die Grundregel des § 613 S. 1 BGB, wonach der Dienstverpflichtete die Dienste im Zweifel in Person zu leisten hat.257 Geschuldet ist die höchstpersönliche Erbringung, was auf zivilprozessualer Ebene dazu führt, dass es sich bei den Leistungen des Vorstandsmitglieds um nicht vertretbare Handlungen handelt, die gemäß § 888 Abs. 3 ZPO nicht vollstreckt 254

Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 81; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 203; Günther/Nolde, NZA 2012, 62, 63; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 428. 255 BAG, Urt. v. 25. 09. 2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370, 375, Rn. 51; Urt. v. 04. 03. 2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727, 732; LAG Köln, Urt. v. 17. 11. 2015 – 12 Sa 707/15, BeckRS 2016, 66110, Rn. 49; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 34; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 81; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 6. Aufl. 2013, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 96; Gotthardt, ZIP 2002, 277, 283; Günther/Nolde, NZA 2012, 62, 63; Lingemann, NZA 2002, 181, 191. 256 BAG, Urt. v. 19. 08. 2010 @ 8 AZR 645/09, NJOZ 2011, 565, 569, Rn. 42; Urt. v. 25. 09. 2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370, 375, Rn. 51; LAG Köln, Urt. v. 17. 11. 2015 – 12 Sa 707/ 15, BeckRS 2016, 66110, Rn. 49. 257 Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 206, der allerdings darauf hinweist, dass sich die Unvertretbarkeit der Geschäftsleiterdienste auch aus der Organstellung ergibt.

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werden können. § 888 Abs. 3 ZPO, auf dessen Grundlage das BAG gegen ein generelles Verbot von Vertragsstrafen im Arbeitsrecht argumentiert, gilt also ebenso für den Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds.258 Aufgrund der mangelnden Vollstreckbarkeit der Dienstleistung fehlt es der AG genau wie einem Arbeitgeber an einem Instrument zur wirksamen Durchsetzung ihres hauptvertraglichen Anspruchs, sodass auch hier weniger die Besorgnis einer ungerechtfertigten Bereicherung durch eine Vertragsstrafe besteht. Auch der zweite Aspekt – die Schwierigkeit des Schadensnachweises – findet sich ebenfalls im Vorstandsrecht. Zweifelsohne: Ein Verschulden mag man leichter nachweisen können. Anders als im Arbeitsrecht, in dem für den Arbeitnehmer eine von § 280 Abs. 1 S. 2 BGB abweichende Beweislastverteilung in § 619a BGB angeordnet wird, sind Vorstandsmitglieder gemäß § 93 Abs. 2 AktG der AG zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sie, wie sich aus § 93 Abs. 2 S. 2 AktG ergibt, den entsprechenden Entlastungsbeweis nicht führen können.259 Einen typisierten Verschuldensmaßstab liefert dabei § 93 Abs. 1 S. 1 AktG, wonach Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden haben. Die Vorstandsmitglieder trifft die Beweislast, soweit streitig ist, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben.260 Infolge der in § 93 Abs. 2 S. 2 AktG normierten Beweislastumkehr sowie des objektiven Verschuldensmaßstabs ist die Haftung des Vorstandsmitglieds nach § 93 Abs. 2 AktG – und des korrespondierenden § 280 Abs. 1 BGB – scharf. Damit ergibt sich ein evidenter Unterschied zur Haftung des Arbeitnehmers: Aufgrund der Beweislastumkehr obliegt es dem Vorstandsmitglied, sich sowohl hinsichtlich des Verschuldens als auch hinsichtlich der Pflichtverletzung zu exkulpieren. Überdies ist zu beachten, dass die von den Arbeitsgerichten vorgenommenen Haftungsmilderungen nach § 254 BGB bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten des Arbeitnehmers auf Fälle der Vorstandshaftung nach herrschender Meinung keine Anwendung finden.261 Während also nach den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung die Haftung des Arbeitnehmers bei leichter 258

Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2344. GK-AktG/Hopt/Roth, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 45; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 93 Rn. 36; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 11. 260 MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 204; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 93 Rn. 220. Zwar normiert § 93 Abs. 2 AktG bei dogmatisch sauberer Betrachtung eine auf der Organstellung beruhende gesetzliche Haftung, die richtigerweise neben einem Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Anstellungsvertrag in Betracht kommt. Gleichwohl fließen die Sonderregeln des § 93 Abs. 2 AktG auch in den Prüfungsmaßstab eines Schadensersatzanspruchs aus dem Anstellungsvertrag ein, um zwingende Wertungen – wie die Beweislastumkehr in § 93 Abs. 2 S. 2 AktG – nicht zu unterlaufen, s. hierzu GK-AktG/Hopt/ Roth, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 46; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 93 Rn. 36; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 11; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 23 Rn. 1. 261 GK-AktG/Hopt/Roth, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 395 ff.; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 93 Rn. 51; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 37; MüKoAktG/ Spindler, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 199; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 23 Rn. 38; differenzierend Fritz, NZA 2017, 673, 678 f.; kritisch auch Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1397. 259

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Fahrlässigkeit ausscheidet, bei mittlerer Fahrlässigkeit eine Quotelung vorgenommen wird und den Arbeitnehmer lediglich bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit die volle Haftung trifft,262 ist das Vorstandsmitglied dem Grundsatz nach stets der vollen Haftung ausgesetzt.263 Dennoch gilt: Der Nachweis des Schadenseintrittes und der Höhe des Schadens verbleibt der Gesellschaft.264 Genauer: Die AG hat, vertreten durch den Aufsichtsrat gemäß § 112 AktG, die schädigende Handlung oder Unterlassung, die ziffernmäßige Höhe des entstandenen Schadens sowie den kausalen Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden darzulegen und zu beweisen, wohingegen dem Vorstandsmitglied lediglich die Darlegungs- und Beweislast obliegt, dass es die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gewahrt hat.265 Dann aber erfährt auch die AG bei der Durchsetzung eines entsprechenden Schadensersatzanspruchs Erschwernisse. Die Bezifferung der konkreten Schadenshöhe bei einem Vertragsbruch eines spezifischen Vorstandsmitglieds dürfte in vielen Fällen – insbesondere vor dem Hintergrund der Gesamtverantwortung aller Vorstandsmitglieder – schwierig sein. Ob und inwieweit etwa der Nichtantritt der Tätigkeit eines konkreten Vorstandsmitglieds bei einem mehrköpfigen Vorstand kausal eine Vermögenseinbuße der AG verursacht, ist oftmals kaum nachzuweisen. Insofern ist letztlich eine Ähnlichkeit der Situationen der Gesellschaft und des Arbeitgebers gegeben: In beiden Fällen vermag die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Schadens und seiner konkreten Höhe die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs zu verkomplizieren, sodass die bloße Möglichkeit der Geltendmachung in vielen Fällen nicht zur Schadenskompensation ausreichen wird. Sowohl die Nichtvollstreckbarkeit der Dienstleistung im Rahmen des Vorstandsvertrags als auch die erschwerten Beweisverhältnisse in Bezug auf Kausalität und konkrete Höhe des Schadens weisen aus teleologischen Gründen einen Widerspruch zur uneingeschränkten Geltung des § 309 Nr. 6 BGB auf. Wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass „Vertragsstrafeklauseln erhebliche Gefahren für den Versprechenden bergen und in den geregelten Fällen ein anerkennenswertes Interesse für ihre formularmäßige Vereinbarung nicht ersichtlich ist“266, so kann dies nicht für den Vorstandsvertrag gelten, bei dem die Gesellschaft mangels wirksamen 262 St. Rspr., s. exemplarisch BAG, Urt. v. 22. 03. 2018 – 8 AZR 779/16, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 145, Rn. 59 ff.; Urt. v. 21. 05. 2015 – 8 AZR 116/14, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 141, Rn. 25; Urt. v. 28. 10. 2010 @ 8 AZR 418/09, NJW 2011, 1096, 1097, Rn. 17; grundlegend BAG, Beschl. v. 27. 09. 1994 – 1/89, NZA 1994, 1083 ff. 263 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 93 Rn. 51; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 37; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 199; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 23 Rn. 38. 264 BGH, Urt. v. 22. 02. 2011 @ II ZR 146/09, NZG 2011, 549, 550; Urt. v. 16. 03. 2009 – II ZR 280/07, NJW 2009, 2454, 2455 f.; GK-AktG/Hopt/Roth, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 431; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 93 Rn. 53; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 208; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 93 Rn. 221. 265 MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 208. 266 BT-Drucks. 7/3919, S. 30.

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Erfüllungssicherungsinstruments sowie angesichts der Schadensnachweisschwierigkeiten sehr wohl ein anerkennenswertes Interesse an der Aufnahme der Klausel hat. Die ratio legis der Norm, die Übervorteilung des Verwenders im Sinne einer unverhältnismäßigen Bereicherung zu vermeiden, gebietet vielmehr eine Nichtanwendung auf Anstellungsverträge; die strikte Einhaltung des Wortlautes ist auch nicht aus Gründen der Rechtssicherheit geboten. § 309 Nr. 6 BGB ist im Anstellungsrecht teleologisch zu reduzieren.267 Dass sich das BAG in seinem Grundsatzurteil vom 04. 03. 2004 ausdrücklich gegen eine teleologische Reduktion des § 309 Nr. 6 BGB bei Arbeitsverträgen gewendet hat, steht dem aus zweierlei Gründen nicht entgegen: Zum einen mag man trotz richtigen Ergebnisses an der dogmatischen Vorgehensweise des BAG, § 309 Nr. 6 BGB nicht anzuwenden, weil es sich bei der Nichtvollstreckbarkeit der Arbeitsleistung gemäß § 888 Abs. 3 ZPO um eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit i.S.d. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB handele, Zweifel haben.268 Setzt man am Wortlaut an, so sprechen die besseren Gründe dafür, dass „aus der Gesamtheit der auf einen Arbeitsvertrag anwendbaren Rechtsnormen von vornherein nur jene in Betracht [kommen], die nur für Arbeitsverträge, nicht aber auch für andere Vertragstypen gelten; [denn] [l]etztere sind keine Besonderheiten gerade des Arbeitsrechts“269. Die Nichtvollstreckbarkeit der Dienstleistung gemäß § 888 Abs. 3 ZPO, die zwar auch beim Arbeitsvertrag gegeben ist, aber auch bei Dienstverträgen aller Art auftritt, könnte dann nicht über § 310 Abs. 4 S. 2 BGB berücksichtigt werden.270 Zum anderen – und das ist der wichtigere Aspekt – ist die Argumentation des BAG ohnehin nicht auf Anstellungsverträge übertragbar: Das BAG konstatiert, § 309 Nr. 6 BGB könne aus dem Grund nicht einschränkend ausgelegt werden, dass der Gesetzgeber sich durch die Streichung der Bereichsausnahme in § 23 Abs. 1 AGBG sowie die Aufnahme des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB zur Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Besonderheiten ausdrücklich für eine generelle Überprüfung vorformulierter Arbeitsverträge anhand AGB-rechtlicher Maßstäbe ausgesprochen habe; deswegen komme eine einschränkende Auslegung des § 309 Nr. 6 BGB nicht in Betracht.271 Bereits dies kann aber nicht gleichermaßen für Vorstandsanstellungsverträge gelten, die bereits vor der Schuldrechtsmodernisierung der uneingeschränkten AGB-Kontrolle unterlagen. Mangels einer dem Arbeitsrecht ver267

So im Ergebnis auch Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2344. Zu Recht statt vieler Niemann, RdA 2013, 92, 96; s. auch bereits unmittelbar nach der Schuldrechtsmodernisierung Thüsing, NZA 2002, 591, 592; Thüsing, BB 2002, 2666, 2673; Richardi, NZA 2002, 1057, 1063; ähnlich Herbert/Oberrath, NZA 2004, 121, 126. 269 Thüsing, BB 2002, 2666, 2673; in diese Richtung auch Joost, FS Ulmer, 2003, S. 1199, 1204; anders aber dann Joost, ZIP 2004, 1981, 1983. 270 Thüsing, NZA 2002, 591, 592; Thüsing, BB 2002, 2666, 2673; ähnlich Herbert/ Oberrath, NZA 2004, 121, 126; Joost, FS Ulmer, 2003, S. 1199, 1204; aus jüngerer Zeit Niemann, RdA 2013, 92, 95 f.; a.A. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 81. 271 BAG, Urt. v. 04. 03. 2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727, 729; kritisch hinsichtlich der Begründung Joost, ZIP 2004, 1981, 1982; Winter, BB 2010, 2757, 2759. 268

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gleichbaren geschichtlichen Entwicklung im AGB-Recht sowie mangels einer dem § 310 Abs. 4 S. 2 BGB vergleichbaren Regelung kann daher die Überlegung, der Gesetzgeber habe sich positiv für die Anwendbarkeit des AGB-Rechts ausgesprochen, nicht auf das Anstellungsrecht übertragen werden. Auch wenn man also – entgegen der hier vertretenen Ansicht – die Anwendbarkeit des § 309 Nr. 6 BGB auf Arbeitsverträge unter Heranziehung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB ausschließen will, bedeutet dies nicht, dass nicht die Anwendbarkeit des § 309 Nr. 6 BGB auf Vorstandsverträge aufgrund teleologischer Reduktion ausgeschlossen sein kann.

b) Abgrenzung zu § 309 Nr. 5 BGB Bei der Überprüfung vorformulierter Vertragsstrafenbestimmungen muss überdies stets auch an die Vorschrift des § 309 Nr. 5 BGB gedacht werden. Nach dieser ist die Pauschalierung eines Anspruchs auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung in den in § 309 Nr. 5 lit. a) und b) BGB näher bezeichneten Fällen unwirksam. Gemein ist den § 309 Nr. 5 und 6 BGB, dass beide unter anderem auf eine erleichterte Schadloshaltung bei Vertragsverletzungen der Verwendergegenseite abzielen.272 Indes ist bei der Vertragsstrafe, die unter § 309 Nr. 6 BGB fällt, auch maßgeblich, dass der Vertragspartner zu vertragstreuem Verhalten angehalten werden soll.273 Diese Erfüllungssicherungsfunktion ist der Schadenspauschalierung nicht immanent; vielmehr erschöpft sich diese in einer bloßen Vereinfachung der Geltendmachung von Schäden.274 Abzugrenzen sind die Institute der Schadenspauschale und der Vertragsstrafe also danach, ob die Zahlungsbestimmung primär als Druckinstrument fungieren soll, oder ob die vereinfachte Schadensregulierung im Vordergrund steht.275 Damit schließen sich § 309 Nr. 5 und 6 BGB bereits tatbe272

Zu § 309 Nr. 5 BGB s. BT-Drucks. 7/3919, S. 29 f.; BGH, Urt. v. 06. 11. 1967 – VIII ZR 81/65, NJW 1968, 149, 150; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 309 Nr. 5 BGB Rn. 11; zu § 309 Nr. 6 BGB s. BT-Drucks. 7/3919, S. 30; BGH, Urt. v. 20. 01. 2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230, 1233, Rn. 36; Urt. v. 20. 01. 2000 – VII ZR 46/98, NJW 2000, 2106, 2107; Urt. v. 03. 04. 1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600, 2602; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 962, 970; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 6. Aufl. 2013, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 12. 273 BGH, Urt. v. 20. 01. 2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230, 1233, Rn. 36; Urt. v. 20. 01. 2000 – VII ZR 46/98, NJW 2000, 2106, 2107; Urt. v. 03. 04. 1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600, 2602; Urt. v. 03. 11. 1960 – VII ZR 150/59, NJW 1961, 115, 116; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 958, 962; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 6. Aufl. 2013, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 12; s. o. unter Gliederungspunkt H. II. 274 BT-Drucks. 7/3919, S. 29 f.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 309 Nr. 5 BGB Rn. 11. 275 BGH, Urt. v. 27. 11. 1974 – VIII ZR 9/73, NJW 1975, 163, 164; Urt. v. 06. 11. 1967 – VIII ZR 81/65, NJW 1968, 149, 150; MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, § 309 Abs. 5 BGB Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen Rn. 5; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 309 Nr. 5 BGB Rn. 11; Bauer/Diller, NJW 2002, 1609, 1614 f.; Niemann, RdA 2013, 92, 93.

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standlich aus. Soweit eine Bestimmung der Auslegung nach als Vertragsstrafe anzusehen ist, kann sie nicht an dem Klauselverbot des § 309 Nr. 5 BGB scheitern. Folglich ist bei Klauseln, die zur Durchsetzung anstellungsvertraglicher Hauptpflichten, aber auch beispielsweise eines Wettbewerbsverbots Zahlungen festsetzen, § 309 Nr. 5 BGB nicht einschlägig. c) Ein erstes Zwischenergebnis Als erstes Zwischenfazit ist zunächst festzuhalten: Nach strengem Gesetzeswortlaut entfaltet § 309 Nr. 6 BGB, welcher für bestimmte, näher benannte Fälle die formularvertragliche Vereinbarung von Vertragsstrafen untersagt, grundsätzlich uneingeschränkte Geltung, denn § 310 Abs. 4 S. 2 BGB, der im Arbeitsrecht zur Nichtanwendung der Norm führt, findet keine – auch keine analoge – Anwendung. Die Nichtvollstreckbarkeit der Dienstleistung im Rahmen des Vorstandsvertrags gemäß § 888 Abs. 3 ZPO sowie die erschwerten Beweisverhältnisse in Bezug auf Kausalität und konkrete Höhe eines Schadens weisen jedoch einen wertungsmäßigen Widerspruch zur uneingeschränkten Geltung des § 309 Nr. 6 Var. 4 BGB auf. Anders als in den Konstellationen, die der Gesetzgeber bei der Einführung des Klauselverbotes vor Augen hatte, hat die Gesellschaft ein anerkennenswertes Interesse an der Aufnahme einer Vertragsstrafenklausel, sodass die ratio legis der Norm, die Übervorteilung des Verwenders im Sinne einer unverhältnismäßigen Bereicherung zu vermeiden, eine teleologische Reduktion der Vorschrift mit der Konsequenz ihrer Nichtgeltung im Anstellungsrecht gebietet. Der Anwendungsbereich der Norm erstreckt sich ihrem eindeutigen Wortlaut nach jedoch ohnehin nur auf solche Vertragsstrafen, die den Nichtantritt der Tätigkeit oder die vertragswidrige Abstandnahme sanktionieren, sodass nur in diesem Bereich eine teleologische Reduktion vorgenommen werden muss. Bestimmungen, die der Absicherung (nach-)vertraglicher Nebenpflichten wie Wettbewerbsverboten dienen, unterfallen dagegen schon nicht dem Tatbestand des § 309 Nr. 6 Var. 4 BGB. d) Vereinbarkeit mit § 307 Abs. 1 S. 1 BGB Da Vertragsstrafen, die vertragliche Nebenpflichten oder nachvertragliche Wettbewerbsverbote absichern, nicht dem Anwendungsbereich des § 309 Nr. 6 BGB unterfallen und Vertragsstrafen, die für ein „Lösen vom Vertrag“ i.S.v. Var. 4 vorgesehen werden, infolge teleologischer Reduktion ebenfalls nicht an dem Klauselverbot scheitern, ist die Zulässigkeit sämtlicher Vertragsstrafenklauseln an § 307 BGB zu messen. Dies bedeutet zunächst, dass inhaltlich die Schranke der AGBrechtlichen Generalklausel nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB gewahrt werden muss. Es ist also in Bezug auf Vertragsstrafen festzustellen, ob die Interessen der Gesellschaft am Einbezug der Bestimmung nach umfassender Interessenanalyse und -gewichtung die Belastung des Vorstandsmitglieds überwiegen.

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aa) Begrenzung des Tatbestandes Hinsichtlich der Aufnahme einer – auch vorformulierten – Vertragsstrafe zur Absicherung der vertraglichen Hauptleistungspflicht in einen Vorstandsvertrag bestehen grundsätzlich keine Bedenken. Insofern ist auf die detaillierten Ausführungen zum Telos des § 309 Nr. 6 BGB zu verweisen:276 Indem es der Gesellschaft mangels Vollstreckbarkeit der Dienstleistung nach § 888 Abs. 3 ZPO an einem Sanktionsinstrument fehlt und Schadensersatzansprüche aufgrund von Beweisschwierigkeiten regelmäßig nicht zur Kompensation genügen, ist ein berechtigtes Interesse der AG dem Grunde nach anzuerkennen. Die Argumentation der Arbeitsgerichte ist hier übertragbar, weil sie ihren Ausgangspunkt in der höchstpersönlichen Erbringung der Dienstleistung mit der zivilprozessualen Konsequenz der Nichtvollstreckbarkeit gemäß § 888 Abs. 3 ZPO – und damit einer Gemeinsamkeit von Arbeits- und Vorstandsvertrag – hat. Das Vorstandsmitglied hat wie der Arbeitnehmer277 regelmäßig kein schützenswertes Interesse daran, seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht nicht nachzukommen. Einschränkungen ergeben sich auf der Basis der Teleologie indes in Bezug auf den sanktionierten Tatbestand. So entspricht es bereits dem Wesen des Instituts, dass die Vertragsstrafe nicht der Schöpfung neuer, vom Sachinteresse des Verwenders losgelöster Geldforderungen des Klauselverwenders dienen darf.278 Man wird für die grundsätzliche Annahme eines berechtigten Interesses der Gesellschaft unter teleologischen Gesichtspunkten verlangen müssen, dass die Klausel an ein schuldhaftes Verhalten des Vorstandsmitglieds anknüpft, das bei der AG regelmäßig zu nicht unerheblichen Schäden führt.279 An die Erheblichkeit dürfen hierbei freilich nicht derart hohe Anforderungen gestellt werden, dass der Gesellschaft die Regelung der Klausel in unbilliger Weise erschwert würde. Hier können keine pauschalen 276

Ausführlich unter Gliederungspunkt H. II. 3. a). Hierzu beispielhaft BAG, Urt. v. 19. 08. 2010 @ 8 AZR 645/09, NJOZ 2011, 565, 569, Rn. 42; Urt. v. 25. 09. 2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370, 375, Rn. 51; LAG Köln, Urt. v. 17. 11. 2015 – 12 Sa 707/15, BeckRS 2016, 66110, Rn. 50; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 270; Günther/Nolde, NZA 2012, 62, 63 f.; Niemann, RdA 2013, 92, 97; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 430; Thüsing/ Bodenstedt, AuR 2004, 369, 370. 278 So für das Arbeitsrecht BAG, Urt. v. 19. 08. 2010 @ 8 AZR 645/09, NJOZ 2011, 565, 569, Rn. 42; Urt. v. 25. 09. 2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370, 375, Rn. 51; Urt. v. 18. 08. 2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34, 37, Rn. 24; LAG Köln, Urt. v. 17. 11. 2015 – 12 Sa 707/15, BeckRS 2016, 66110, Rn. 50; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18. 08. 2015 – 2 Sa 68/14, BeckRS 2015, 71723, Rn. 73; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 268; Günther/Nolde, NZA 2012, 62, 64; Krause, FS Reuter, 2010, S. 627, 639; Leder/Morgenroth, NZA 2002, 952, 956; Niemann, RdA 2013, 92, 97; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 477; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 431. 279 So für das Arbeitsrecht Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 205; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 431; ähnlich Clemenz/Kreft/Krause/ Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 269, der eine „schadensträchtige Pflichtverletzung“ fordert; in diese Richtung auch Leder/Morgenroth, NZA 2002, 952, 956. 277

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Richtwerte ausgemacht werden; maßgeblich sind der Zuschnitt und die wirtschaftliche Aufstellung der konkreten Gesellschaft. Kumulativ muss sich der Nachweis der Schadensentstehung oder der konkreten Höhe typischerweise schwierig gestalten.280 Denn nur auf diese Weise bleibt die Vertragsstrafe als schadensersatzähnliches Institut erhalten.281 Hinsichtlich einer „Lösung vom Vertrag“ im Sinne eines Nichtantritts oder einer unberechtigten Niederlegung der Tätigkeit wurde dies bereits bejaht.282 Aber auch im praktisch relevanteren Fall der Kombination eines Wettbewerbsverbotes mit einer Vertragsstrafe ist davon auszugehen, dass die beiden Voraussetzungen typischerweise vorliegen. Dies betrifft zum einen die regelmäßig zu erwartende Schadenshöhe bei Verstößen eines Vorstandsmitglieds gegen ein Wettbewerbsverbot: Wenn – worauf Bauer/von Medem hinweisen – Vorstandsmitglieder „nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt oder gar während der bestehenden Organverhältnisse ihrem Unternehmen Konkurrenz machen, kann dies schwerwiegende wirtschaftliche Folgen haben“283. Zudem besteht auch hierbei die erhöhte Gefahr, dass Schadensersatzprozesse einzig an Beweisschwierigkeiten bezüglich Schadenseintritt und -höhe, die auf das wettbewerbswidrige Verhalten zurückzuführen sind, scheitern.284 Dies ist auch daran zu erkennen, dass im Rahmen des gesetzlichen Wettbewerbsverbotes nach § 88 AktG der Gesellschaft aus Gründen der Beweisproblematik in § 88 Abs. 2 S. 2 AktG ein Eintrittsrecht eingeräumt wird, das sie alternativ zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs ausüben kann.285 Mithin fehlt es der Gesellschaft ohne Aufnahme einer Vertragsstrafenregelung typischerweise an einem wirksamen Durchsetzungsinstrument eines Wettbewerbsverbotes. In anderen Fällen kann ein berechtigtes Interesse an der grundsätzlichen Regelung einer Vertragsstrafe jedoch auch zu verneinen sein – mit der Konsequenz des strikten Unwirksamkeitsverdikts nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Veranschaulichung dient 280 So für den Arbeitsvertrag Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 268 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 205; Leder/ Morgenroth, NZA 2002, 952, 956; ähnlich Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 431. 281 Für den Arbeitsvertrag Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 268 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 204. 282 S. o. unter Gliederungspunkt H. II. 3. a) bb). 283 Bauer/v. Medem, GWR 2011, 435. 284 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 124; Bauer, FS Wank, 2014, S. 7 f.; Bauer/ Diller, NJW 2002, 1609, 1614; Jaeger, Anstellungsvertrag, 6. Aufl. 2016, S. 165 f.; Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 202; s. für den Arbeitnehmer auch Bauer/ Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, Rn. 921; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 477 f.; auf die Beweisschwierigkeiten bei Wettbewerbsverstößen wird auch insbesondere bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach § 88 Abs. 2 S. 1 AktG hingewiesen, weshalb § 88 Abs. 2 S. 2 AktG alternativ ein Eintrittsrecht der Gesellschaft einräumt, s. hierzu BGH, Urt. v. 22. 01. 1988 – 2 StR 133/87, NStZ 1988, 217 f.; MüKoAktG/ Spindler, 5. Aufl. 2019, § 88 Rn. 31; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 88 Rn. 35. 285 BGH, Urt. v. 22. 01. 1988 – 2 StR 133/87, NStZ 1988, 217 f.; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 88 Rn. 31; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 88 Rn. 35.

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ein Beispiel: An den Voraussetzungen für die Anerkennung eines berechtigten Interesses an der Vorformulierung einer Vertragsstrafe fehlen würde es beispielsweise, wenn die Vertragsstrafe etwa an eine in § 93 Abs. 3 AktG aufgeführte Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds anknüpft. In diesen Fällen vermag zwar oftmals die Gefahr des Eintritts nicht unerheblich hoher Schäden für die Gesellschaft zu bestehen; jedoch ist hierbei der Schadensersatzanspruch nach § 93 Abs. 3 AktG respektive § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Anstellungsvertrag als zur Schadenskompensation genügend zu erachten. Denn: Die Business Judgement Rule nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann in den als besonders gravierende Pflichtverletzungen ausdrücklich hervorgehobenen Fällen des § 93 Abs. 3 AktG keine Anwendung finden, da es sich bei der Vornahme der genannten Tätigkeiten nicht um unternehmerische Entscheidungen handeln kann.286 Zudem nimmt Abs. 3 eine Modifikation des allgemeinen Schadensbegriffs vor: Soweit dem Vorstandsmitglied eine in § 93 Abs. 3 AktG normierte Pflichtverletzung anzulasten ist, ist der Schaden nicht nach der Differenzhypothese i.S.d. §§ 249 ff. BGB zu bestimmen, sondern besteht schon im Abfluss (so § 93 Abs. 3 Nr. 1 – 3 sowie 5 – 9 AktG) oder in der Vorenthaltung von Mitteln (so § 93 Abs. 3 Nr. 4 AktG).287 Indem der Mittelabfluss respektive die -vorenthaltung ohne weitere Voraussetzungen als ursächlich für den Schadenseintritt angesehen werden, kommt der Gesellschaft eine Schadensvermutung zugute.288 Es besteht zwar für das betreffende Vorstandsmitglied die Möglichkeit, diese Schadensvermutung zu widerlegen. Hierfür ist allerdings der Nachweis erforderlich, dass eine Schädigung der Gesellschaft als Folge ebendieser Pflichtverletzung überhaupt nicht mehr möglich ist. Nicht ausreichend ist dagegen der bloße Hinweis darauf, dass die AG bislang keinen Schaden erlitten hat.289 Daher wird es der Gesellschaft regelmäßig leicht fallen, bei Vorliegen einer in § 93 Abs. 3 AktG genannten Pflichtverletzungen einen entsprechenden Schadensersatzanspruch durchzusetzen – womit sie bereits über ein scharfes Schwert verfügt. Einer darüber hinausgehenden Sanktionierung dieser Pflichtverletzungen durch die Aufnahme einer Vertragsstrafenklausel bedarf es dann nicht. Im Gegenteil läge der Verdacht einer unangemessenen Übersicherung nahe. Aufgrund dessen ist ein berechtigtes Interesse an der Sanktionierung eines in § 93 Abs. 3 AktG aufgeführten Falls mit Hilfe einer Vertragsstrafe nicht anzuerkennen; eine solche Klausel würde bereits ihrer Art nach einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB bedeuten. In summa ist zu verzeichnen, dass in der bloßen Vereinbarung einer Vertragsstrafe wie im Arbeitsrecht grundsätzlich noch keine unangemessene Benachteiligung des 286

Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 93 Rn. 68 m.w.N. Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 93 Rn. 68; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 252; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 93 Rn. 258. 288 MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 252; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 93 Rn. 258 f. 289 So schon RG, Urt. v. 30. 11. 1938 – II 39/38, RGZ 159, 211, 230; aus dem Schrifttum Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 93 Rn. 68; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 222; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 93 Rn. 258. 287

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Vorstandsmitglieds zu erblicken ist290 – soweit sie an die schuldhafte Verwirklichung eines Tatbestandes anknüpft, der mit einem nicht unerheblichen Schadensrisiko für die Gesellschaft sowie sich typischerweise ergebenden Beweisschwierigkeiten in Bezug auf Schadenseintritt und/oder -höhe verbunden ist. Darauf hinzuweisen ist freilich, dass gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen sind. Bei entsprechenden konkret-individuellen Begleitumständen erscheint es jedenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen, dass – auch wenn die genannten Voraussetzungen vorliegen – im Einzelfall die Abwägung zu Ungunsten der AG ausfallen kann. bb) Begrenzung der Höhe Während eine Vertragsstrafe per se regelmäßig noch keine unangemessene Benachteiligung des Vorstandsmitglieds darstellt, wird sich die Unangemessenheit jedoch des Öfteren aus ihrer Höhe ergeben.291 Dass sich auch die festgelegte Höhe der Angemessenheitsprüfung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB stellen muss, ist allgemein anerkannt.292 Bei der Festsetzung der Höhe sind nach Rechtsprechung des BGH der Sanktionscharakter der Vertragsstrafe sowie deren Funktion, weitere Zuwiderhandlungen zu unterbinden, maßgeblich; weiterhin sei auf die Schwere und das Ausmaß der Zuwiderhandlung und ihre Gefährlichkeit für die Gläubiger, gleichzeitig aber auch auf den Grad des Verschuldens des Handelnden sowie unter Umständen auch auf die Funktion der Vertragsstrafe als pauschaliertem Schadensersatz abzustellen.293 Die Grenze der Angemessenheit ist also wiederum an das berechtigte Interesse des Klauselverwenders gekoppelt. Sie ist dort überschritten, wo die Höhe der Vertragsstrafe nicht mehr nur eine effektive Absicherung des Verwenders be290

Dies nimmt das BAG für den Arbeitsvertrag in ständiger Rechtsprechung an, s. BAG, Urt. v. 23. 09. 2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89, 91, Rn. 29; Urt. v. 19. 08. 2010 @ 8 AZR 645/09, NJOZ 2011, 565, 569, Rn. 42; Urt. v. 25. 09. 2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370, 375, Rn. 51; Urt. v. 04. 03. 2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 737, 733; so auch das Schrifttum, s. Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 268 f.; Günther/Nolde, NZA 2012, 62, 63 f.; Schaub/Vogelsang, Arbeitsrechtshandbuch, 18. Aufl. 2019, § 55 Rn. 104; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 428 ff. 291 Bauer, FS Wank, 2014, S. 8; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2344; Kamanabrou, ZfA 2018, 92, 93; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 24; s. für das Arbeitsrecht BAG, Urt. v. 24. 08. 2017 – 8 AZR 378/16, NJW 2018, 418, 421, Rn. 27; Urt. v. 17. 03. 2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945, 948, Rn. 23; Urt. v. 23. 09. 2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89, 91, Rn. 29; Urt. v. 25. 09. 2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370, 375, Rn. 51; Urt. v. 04. 03. 2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 737, 733; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 273; Schaub/Vogelsang, Arbeitsrechtshandbuch, 18. Aufl. 2019, § 55 Rn. 104; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 430 ff.; Thüsing/Bodenstedt, AuR 2004, 369, 373. 292 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 84; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 208; Krause, FS Reuter, 2010, S. 627, 638; Niemann, RdA 2013, 92, 97; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 4 Rn. 24. 293 BGH, Urt. v. 17. 07. 2008 – I ZR 168/05, NJW 2009, 1882, 1885, Rn. 42; Urt. v. 30. 09. 1993 – I ZR 54/91, NJW 1994, 45, Ls. 1.

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deutet, sondern zu einer unbilligen Übersicherung führt.294 Doch wann ist dies der Fall? In den Worten des BGH: „Von einer unangemessenen hoch angesetzten Strafe, die die Unwirksamkeit zur Folge hat, ist auszugehen, wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und zu dessen Folgen für den Vertragspartner steht“295. Etwas deutlicher formuliert Stoffels: „Eine fühlbare, gleichwohl aber den zu erwartenden typischen Schaden nicht aus den Augen verlierende Sanktion muss gewährleistet sein.“296 Das heißt: Die Höhe kann zwar danach bemessen werden, dass die Sanktion derart spürbar ist, dass sie das Vorstandsmitglied effektiv zur Einhaltung der auferlegten Pflicht anhält – und nur dann entfaltet die Vertragsstrafe ihren Sinn. Sie muss sich aber gleichzeitig im Rahmen eines typischerweise zu erwartenden Schadens bewegen. Unter Zugrundelegung des Gesagten ist gleichwohl evident, dass die konkrete Grenzziehung zwar eine Frage des Einzelfalls ist; im Folgenden ist dennoch zu versuchen, Richtwerte herauszustellen, um die schwammigen Konturen einer Präzisierung zuzuführen, die für die Kautelarpraxis wegweisend sein kann. Richtigerweise muss bei der Ermittlung von Richtwerten zunächst – wie beim Arbeitnehmer – zwischen der Vertragsstrafe im weniger praxisrelevanten Fall des Vertragsbruchs und zur Absicherung von Neben- oder Unterlassenspflichten am Beispiel des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes unterschieden und gesondert ermittelt werden, ob eine Übertragung der arbeitsrechtlichen Grundsätze zulässig und sinnvoll ist. (1) Sanktionierung des Vertragsbruchs Um die Grundsätze, die die höchstinstanzliche arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zur Angemessenheit der Höhe einer Vertragsstrafe, die den Vertragsbruch sanktioniert, aufgestellt hat,297 wertungsmäßig auch auf die Beurteilung der Angemessenheit ebensolcher Vertragsstrafen in Vorstandsverträgen übertragen zu können, müssen diese ihren Ursprung zunächst in den benannten dienstvertraglichen Gemeinsamkeiten zwischen Arbeits- und Vorstandsvertrag haben. Dies ist zunächst, betrachtet man die Argumentation des BAG, der Fall: Wie bereits angesprochen, legt das BAG die Bruttovergütung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist deshalb zugrunde, weil an der Länge der Kündigungsfrist erkennbar wird, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer ein Tätigwerden fordern kann und wie hoch sein Interesse an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ist.298 Angeknüpft wird damit – abstrakter formuliert – an das höchstpersönliche 294 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 208; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1201. 295 So schon BGH, Urt. v. 03. 04. 1998 – V ZR 6 – 97, NJW 1998, 2600, 2602 m.w.N. 296 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 208; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1201; ähnlich Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 84. 297 Hierzu ausführlich Gliederungspunkt H. II. 1. 298 BAG, Urt. v. 24. 08. 2017 – 8 AZR 378/16, NJW 2018, 418, 421, Rn. 27; Urt. v. 17. 03. 2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945, 948, Rn. 23; Urt. v. 19. 08. 2010 @ 8 AZR 645/09, NJOZ

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Tätigwerden im Rahmen eines längerfristigen Dienstverhältnisses sowie an den wirtschaftlichen Wert des Dienstverpflichteten ohne Berücksichtigung einer etwaigen persönlichen Abhängigkeit. Dies findet insofern Entsprechung im Vorstandsvertrag, als sich auch das Vorstandsmitglied in einem längerfristigen Dienstvertrag befindet, anhand dessen Kündigungsfrist – abstrakt betrachtet – deutlich werden kann, in welchem zeitlichen Umfang die Gesellschaft ein Tätigwerden verlangen kann. Problematisch ist hierbei aber zunächst, dass je nach Vertragsgestaltung unterschiedliche Kündigungsfristen gelten können. Aus § 84 Abs. 1 S. 5, Hs. 1 i.V.m. S. 1 AktG folgt, dass die Höchstdauer des Anstellungsvertrags fünf Jahre beträgt. Wird eine längere oder unbestimmte Dauer vereinbart, endet der Vertrag mit Ablauf der Fünf-Jahres-Frist.299 Eine Mindestlaufzeit ist zwar gesetzlich nicht festgelegt; überwiegend verlangt wird gleichwohl eine Mindestdauer von einem Jahr.300 Schon nach allgemeinen Grundsätzen kommt eine ordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags nach diesen Grundsätzen nur in Betracht, wenn der Vertrag entweder unbefristet ist oder ausdrücklich ein Recht zur vorzeitigen ordentlichen Kündigung einräumt.301 Ist zweiteres der Fall, gelten nach herrschender Meinung die Fristen analog § 622 Abs. 1, 2 BGB,302 soweit nicht eine längere Frist vertraglich bestimmt ist.303 Der Abschluss eines Anstellungsvertrags auf Probe ist nicht möglich,304 sodass die analoge Anwendung des § 622 Abs. 3 BGB ausscheidet. Die Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts des Vorstandsmitglieds wird jedoch ohnehin regel-

2011, 565, 569, Rn. 43 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 208; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1201. 299 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 332; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 20; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 81; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 40; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 272; Fleischer/ Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 73. 300 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 334; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 40; Bauer/v. Medem, NZA 2014, 238, 239; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 273; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 73. 301 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 546; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 167; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 734; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 5 Rn. 55; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 20 Rn. 51. 302 Beispielhaft BGH, Urt. v. 29. 01. 1981 – II ZR 92/80, NJW 1981, 1270, 1271; im Schrifttum entspricht dies ebenfalls der h.M., s. Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 24; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 38; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 174; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 28; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 209; Henssler, RdA 1992, 289, 295 f.; Werner, NZA 2015, 1234, 1235; a.A. GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 546; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 20 Rn. 51: § 621 BGB. 303 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 167; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 5 Rn. 55. 304 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 335; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 40.

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mäßig als „unpraktikabel“305 empfunden und ist daher selten anzutreffen. Der Normalfall ist vielmehr der befristete Vertrag ohne ordentliches Kündigungsrecht.306 Denn in Vorstandsverträgen ist die langfristige Bindung gewollt, die nicht durch die einseitige Lösungsmöglichkeit des Vorstandsmitglieds konterkariert werden soll. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Vorstandsmitglied nach ganz herrschender Meinung sein Amt jederzeit ohne wichtigen Grund – vorbehaltlich der Grenze des Rechtsmissbrauchs – niederlegen kann.307 Denn wenn ein wichtiger Grund nicht vorliegt, bedeutet dies den Bruch des Dienstvertrags, der Schadensersatzansprüche der Gesellschaft auslösen und eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigen kann.308

Dies hat zur Konsequenz, dass die Kündigung durch das Vorstandsmitglied in den weit überwiegenden Fällen nur als außerordentliche Kündigung möglich ist, für die ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 BGB erforderlich ist.309 Dann aber kann nicht auf die Maßstäbe des BAG, das die Geltung der Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB als Regelfall voraussetzt und dies zugrunde legend auf ein Bruttomonatsgehalt abstellt, zurückgegriffen werden.310 Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Bruttovergütung des Arbeitnehmers regelmäßig ein Festgehalt betrifft, wohingegen die Vergütung des Vorstandsmitglieds sich in der Regel aus der Festvergütung und der – sogar oftmals den überwiegenden Teil ausmachenden311 – variablen Vergütung zusammensetzt.312 Dies setzt auch § 87 Abs. 1 S. 1 AktG voraus, der Kriterien für die Festlegung der Vorstandsvergütung formuliert und unter die Gesamtbezüge neben dem Grundgehalt auch „Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, 305

Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 5 Rn. 55. Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 5 Rn. 55; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 20 Rn. 51. 307 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 44 ff.; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 160; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 19 Rn. 70 ff., jeweils m.w.N. 308 BGH, Urt. v. 08. 02. 1993 – II ZR 58/92, NJW 1993, 1198, 1200; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 45, 52; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 160; Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2019, 719, 720; Lohr, DStR 2002, 2173, 2179 f.; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 19 Rn. 73. 309 Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 5 Rn. 55; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 20 Rn. 52 ff. 310 So auch für den GmbH-Geschäftsführer Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 151 ff.; anders für das Arbeitsrecht Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 480, der in Befristungen ein Eigeninteresse des Verwenders sieht, welches bei der Bemessung außer Betracht bleiben müsse. 311 In großen börsennotierten Gesellschaften kann sogar ein Verhältnis von ca. 65 % zu 35 % der variablen und fixen Vergütung angenommen werden, s. Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 5 Rn. 2 m.w.N; s. auch Crass, Vergütung von Vorstandsmitgliedern, 2012, S. 167. 312 Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2344; allgemein zur Vergütungsstruktur GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 343; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 289 f.; Crass, Vergütung von Vorstandsmitgliedern, 2012, S. 165 ff.; Lindemann/Heim, JuS 2018, 1121, 1125; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 5 Rn. 2, 95 ff.; Stenzel, Vorstandsvergütung, 2012, S. 51 ff. 306

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Provisionen, anreizorientierte Vergütungszusagen wie zum Beispiel Aktienbezugsrechte und Nebenleistungen jeder Art“ fasst. Damit fungiert die Festvergütung in den meisten Fällen nur in Kombination mit der variablen Vergütung als Indikator für den wirtschaftlichen Wert des Vorstandsmitglieds. Das wiederum bedeutet für die gegenständliche Problematik: Sofern der wirtschaftliche Wert des Dienstverpflichteten den Orientierungspunkt bilden soll, erscheint eine bloße Anknüpfung an ein Bruttomonatsgrundgehalt verfehlt. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Vertragsstrafe dann angesichts des hohen Gehaltes ohnehin entsprechend höher ausfallen würde als bei einem Arbeitnehmer.313 Allerdings tritt die für die Praxis relevante Schwierigkeit hinzu, dass die Höhe der variablen Vergütung erst am Ende des Bezugszeitraums feststeht und eine Bezifferung im Voraus nicht vorgenommen werden kann.314 Angesichts dessen wird im Schrifttum teilweise dennoch für eine Anknüpfung an die Festvergütung plädiert.315 Rechtssicher ist das. Bei einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB können zudem zunächst nur solche Maßstäbe herangezogen werden, die einer generalisierenden Betrachtungsweise zugänglich sind – wie das für die Bruttomonatsfestvergütung der Fall ist.316 Jedoch muss Berücksichtigung finden, dass die Festlegung der Vertragsstrafenhöhe im Falle des Vertragsbruchs ihrem Sinn und Zweck nach anreizorientiert erfolgen muss. Konkreter: Wegen der Funktion und der daraus resultierenden starken Position des Vorstandsmitglieds317 hat ein Vertragsbruch seitens des Vorstandsmitglieds typischerweise und generell erhebliche wirtschaftliche Folgen für die Gesellschaft – führt man sich vor Augen, dass etwa eine vertragswidrige Abstandnahme von Hauptleistungspflichten einen plötzlichen Stillstand im Bereich der Geschäftsführung bedeuten kann. Dies voraussetzend wird man annehmen müssen, dass eine Anknüpfung der Vertragsstrafenhöhe an ein Bruttomonatsfestgehalt, das die regelmäßig einen Großteil der Gesamtvergütung ausmachenden variablen Vergütungselemente außer Acht lässt, eine zu geringe Steuerungswirkung innehat. Zugleich wird der wirtschaftliche Wert des Vorstandsmitglieds, der das Interesse der AG an einem Tätigwerden abbildet, hierdurch unzureichend erfasst – auch unter dem Gesichtspunkt, dass eine Orientierung an der Regelkündigungsfrist analog § 622 Abs. 1 BGB in den weit überwiegenden Fällen verfehlt ist, weil der Vorstandsvertag regelmäßig befristet ohne Einräumung einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit vereinbart wird. Sachgerecht erscheint daher eine teleologische Betrachtung, die das 313

So aber Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 148. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2344, die aufgrund der Schwierigkeit der Prognose auf § 343 BGB zurückgreifen wollen; s. auch KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 251, indes zum Selbstbehalt; dies offenbar verkennend Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 148. 315 Zum Selbstbehalt KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 251; Fleischer, NZG 2009, 801, 806. 316 LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14. 06. 2007 – 18 Sa 506/07, BeckRS 2008, 54701, Rn. 44; Thüsing/Bodenstedt, AuR 2004, 369, 373. 317 Hierzu ausführlich unter Gliederungspunkt A. III. 314

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hohe Interesse der Gesellschaft an der Unterlassung des Vertragsbruchs, das sich auch regelmäßig in der Vereinbarung einer langfristigen Bindung ohne ordentliches Kündigungsrecht ausdrückt, mit der finanziellen Belastung des Vorstandsmitglieds in Abwägung bringt. Rechtssichere und AGB-rechtskonforme, weil generalisierende Abwägungsparameter sind also zwar auch der Bruttoverdienst des Vorstandsmitglieds, aber auch seine Position im Gefüge der AG und das wirtschaftliche Risiko der AG aus der Eingehung des Dienstvertrags.318 Als angemessen wird man vor diesem Hintergrund auch Vertragsstrafen, die Zahlungen von zwei Bruttomonatsfestvergütungen für den Fall des Vertragsbruchs anordnen, erachten müssen. Eine starre Unter- oder Obergrenze kann dieser Wert freilich nicht bilden; dem steht schon § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB entgegen, der die Berücksichtigung aller Einzelfallumstände verlangt. Gleichwohl mag er als grobe Richtschnur dienen, die die gegenüber einem Arbeitnehmer in dieser Hinsicht bestehende geringere Schutzwürdigkeit des Vorstandsmitglieds respektive das höhere Interesse der Gesellschaft an der Unterlassung des Vertragsbruchs ausdrückt. Dies bildet bei präziser Betrachtung auch keinen Widerspruch zur Rechtsprechung des BAG, sondern deckt sich mit dessen Wertungen: Wenn das BAG eine Orientierung der Vertragsstrafenhöhe an der Bruttomonatsvergütung vornimmt, so beschränkt es sich hierbei ausweislich auf die Fälle, in denen das Sanktionsinteresse den Wert der Arbeitsleistung, der sich in dem Bruttoentgelt bis zur vertraglich zulässigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausdrückt, nicht übersteigt. Andersherum formuliert kann das Sanktionsinteresse des Arbeitgebers höher als die Bruttomonatsvergütung zu beziffern sein, wenn und soweit spezifische Umstände vorliegen, die eine schärfere Sanktion rechtfertigen.319 So wurde exemplarisch eine Vertragsstrafe in Höhe von 100.000 DM bei einem vereinbarten Gehalt von etwa 25.000 DM für den Fall des Vertragsbruchs eines Profisportlers vom BAG gebilligt – wenngleich hierbei zu berücksichtigen ist, dass die betreffende Vereinbarung nicht am Maßstab des AGB-Rechts zu messen war.320 Bei vorsichtiger Übertragung dieser Wertung auf den Vorstandsvertrag ergibt sich ein die obigen Erwägungen stützendes Bild: Solche spezifischen Umstände, die eine höhere Vertragsstrafe als die sich regelmäßig nur aus einem Festgehalt ergebende Bruttomonatsvergütung rechtfertigen, sind zum einen in der aktienrechtlichen Vergütungsstruktur zu sehen, nach der sich das Entgelt des Vorstandsmitglieds regelmäßig aus fixen und variablen Bestandteilen zusammensetzt und nur in ihrer Kombination eine Aussage über seinen wirtschaftlichen Wert getroffen werden kann. Zum anderen ergeben sie sich aus der besonderen Position des Vorstandsmitglieds, das mit umfassender Leitungsmacht ausgestattet ist und als Schlüsselfigur der AG agiert, und der sich hieraus ergebenden Gefahr des Eintritts erheblicher Schäden im Falle eines Nichtantritts oder einer 318

Für das Arbeitsrecht Thüsing/Bodenstedt, AuR 2004, 369, 373. BAG, Urt. v. 23. 09. 2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89, 91, Rn. 29; Urt. v. 19. 08. 2010 @ 8 AZR 645/09, NJOZ 2011, 565, 569, Rn. 44; Urt. v. 18. 12. 2008 – 8 AZR 81/08, NZARR 2009, 519, 524, Rn. 54. 320 BAG, Urt. v. 05. 02. 1986 – 5 AZR 564/84, NZA 1986, 782. 319

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Abstandnahme von der Tätigkeit. Angesichts dessen ist das Sanktionsinteresse der Gesellschaft schon dem Grunde nach höher zu beziffern als ein Bruttomonatsentgelt. (2) Sanktionierung von Wettbewerbsverstößen Schwieriger gestaltet sich die Festlegung rechtssicherer Maßstäbe bei Vertragsstrafen, die Neben- oder nachvertragliche Pflichten wie Wettbewerbsverbote absichern sollen. Ein Blick auf das Arbeitsrecht erweist sich als wenig ergiebig, besteht hier weder ein Rechtssatz, der etwa ein angemessenes Verhältnis zwischen Vertragsstrafe und Karenzentschädigung fordert, noch eine Regeloberbegrenzung auf das für die Kündigungsfrist zu zahlende Entgelt.321 Im Gegenteil scheint sich die Grenze – nimmt man die arbeitsgerichtlichen Judikate zum Ausgangspunkt – je nach Schwere des Verstoßes irgendwo zwischen zwei Bruttomonatsgehältern322 und einem halben Bruttojahresgehalt323 für einen einmaligen Wettbewerbsverstoß einzupendeln. Dies lässt die Wertung erkennen, dass ein einmaliger Wettbewerbsverstoß härter sanktioniert werden kann als ein Vertragsbruch, für den bei regulärer Kündigungsfrist ein Bruttomonatsgehalt als Regelobergrenze zu verzeichnen ist. Eine klare Linie der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ist dennoch zu vermissen; die einzelnen Judikate haben daher allenfalls punktuell, aber nicht als lineare Richtschnur Aussagekraft für den Vorstandsvertrag. Eine Orientierung an dem Betrag, den die Gesellschaft bei der Einhaltung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes als Karenzentschädigung zahlen müsste, wie sie zuweilen in der Literatur vorgeschlagen wird,324 kann ohnehin schon deswegen nicht erfolgen, weil nachvertragliche Wettbewerbsklauseln in Vorstandsverträgen grundsätzlich keine Karenzentschädigung enthalten müssen.325 Angesichts dessen wird man wiederum auf teleologische Erwägungen abstellen müssen: Zum einen beeinflusst die Funktion der Vertragsstrafe, die Durchsetzung (nach-)vertraglicher Pflichten sicherzustellen, auch die Höhe der Vertragsstrafe.326 Es gilt insofern das zum Vertragsbruch Gesagte, dass bei Vorstandsmitgliedern wegen ihrer besonderen Stellung ein erhöhtes Interesse der Gesellschaft an einer Sanktionierung anzuerkennen ist, das über das Interesse an der Einhaltung (nach-) vertraglicher Pflichten durch – auch in höherer Position tätige – Arbeitnehmer deutlich hinausgeht. In Anknüpfung an die Äußerungen zur Höhe der Vertragsstrafe im Falle des Vertragsbruchs ist hierbei ebenfalls zu berücksichtigen, dass das 321

S. Gliederungspunkt H. II. 1. BAG, Urt. v. 14. 08. 2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170 ff. 323 LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18. 08. 2015 – 2 Sa 68/14, BeckRS 2015, 71723, Rn. 78. 324 Bauer, FS Wank, 2014, S. 1, 9. 325 Ausführlich unter Gliederungspunkt H. I. 3. b) bb) (4). 326 Ähnlich Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen, 2008, S. 153: „Abwägung zwischen den […] Funktionen einer Vertragsstrafe und den widerstreitenden Interessen des Geschäftsführers.“ 322

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Festgehalt in den weit überwiegenden Fällen nur einen Teil der sich auch aus variablen Elementen ergebenden Vergütung ausmacht. Greift man zusätzlich auf die Wertung der Arbeitsgerichte zurück, gegenüber dem Fall des Vertragsbruchs höhere Vertragsstrafen für einmalige Wettbewerbsverstöße zuzulassen, so wird man Vertragsstrafen, die die Zahlung des Dreifachen der vertraglich vereinbarten Bruttomonatsfixvergütung für eine einmalige Zuwiderhandlung gegen ein Wettbewerbsverbot statuieren, nicht beanstanden dürfen.327 Zu empfehlen ist aber, die Verwirkung mehrerer Vertragsstrafen zur Vermeidung einer unangemessenen finanziellen Belastung des Vorstandsmitglieds in der Höhe zu „deckeln“. So wird zuweilen vorgeschlagen, den Gesamtbetrag der zu zahlenden Vertragsstrafen auf das Sechsfache des letzten Bruttomonatsgehalts zu begrenzen.328 Angesichts des hohen Interesses der Gesellschaft an der Unterlassung der Wettbewerbsverstöße und der regelmäßig erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen im Falle mehrerer selbständiger Verstöße mag man die Latte sogar noch höher legen. Findet sich teilweise sogar für das Arbeitsrecht der Vorschlag, die Höhe in Orientierung an § 12 Abs. 3 S. 3 des Entwurfs der AGB-Kommission von 1977 auf ein Jahresbruttogehalt zu beschränken,329 so wird man ein solches als Obergrenze im Falle mehrerer Verstöße für das Vorstandsmitglied erst recht noch als angemessen ansehen müssen. Jedoch muss auch Einzug finden, dass die Höhe der Funktion einer Vertragsstrafe nach einem typischerweise zu erwartenden Schaden entsprechen muss.330 Hier werden konkrete Einzelfallumstände wie die Schwere des Verstoßes relevant, die eine Korrektur der Grenze in beide Richtungen bewirken können. Der Richtwert vom Dreifachen des Bruttomonatsfixgehalts für einen einmaligen Verstoß bzw. eines Jahresbruttogrundgehalts im Falle mehrerer selbständiger Verstöße ist damit nicht statisch, sondern dynamisch an die Gegebenheiten des konkreten Falls anzupassen. Möglich muss es dabei wie im Arbeitsrecht331 auch sein, einen bestimmten Rahmen festzulegen, innerhalb dessen die Vertragsstrafe in Abhängigkeit von der konkreten Schwere des Verstoßes im jeweiligen Einzelfall nach billigem Ermessen festgesetzt werden kann. In Parallelität zur arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung wird man aber fordern müssen, dass dann bereits der Rahmen das Angemessenheitserfordernis wahrt.

327 In diese Richtung auch Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 10 Rn. 62; für den GmbHGeschäftsführer Hoffmann-Becking/Gebele/Wentrup, Beck’sches Formularbuch, 13. Aufl. 2019, Formular IX. 48, § 7 Abs. 4. 328 Schelling, in: Beck’sche Online-Formulare Vertrag, 52. Edt., Stand: 01. 03. 2020, 2.3.4 Vorstandsdienstvertrag (ausführlich, mit Pensionszusage), § 12 Abs. 9. 329 Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1202; so auch Clemenz/Kreft/Krause/ Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 275. 330 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 479. 331 Exemplarisch BAG, Urt. v. 18. 08. 2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34, 37, Rn. 23.

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cc) Ein zweites Zwischenergebnis Sämtliche vorformulierte Vertragsstrafen in Vorstandsverträgen sind an § 307 BGB zu messen. Eine unangemessene Benachteiligung ist aber noch nicht in der grundsätzlichen Regelung einer Vertragsstrafe zu erblicken, soweit das die Vertragsstrafe auslösende schuldhafte Verhalten mit einem nicht unerheblichen Schadensrisiko für die Gesellschaft belastet sowie mit sich typischerweise ergebenden Beweisschwierigkeiten in Bezug auf Schadenseintritt- und konkrete -höhe verbunden ist. Die Unangemessenheit kann sich aber aus der Höhe der Vertragsstrafe ergeben, die dem Sinn und Zweck einer Vertragsstrafe nach eine effektive Absicherung der betreffenden Pflichten bewirken, sich aber gleichzeitig im Rahmen des typischerweise zu erwartenden Schadens halten muss. Hierbei ist zwischen der Sanktionierung des Vertragsbruchs und der Absicherung (nach-)vertraglicher Nebenoder Unterlassenspflichten wie Wettbewerbsverboten zu differenzieren. Ausgehend von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung, die die Bruttovergütung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist als aussagekräftigen Anknüpfungspunkt zur Bestimmung des wirtschaftlichen Wertes des Arbeitnehmers und damit als dynamische Obergrenze im Falle des Vertragsbruchs begreift, wird man bei einem Vorstandsmitglied auch Klauseln, die die Zahlung des Zweifachen der Bruttomonatsfestvergütung statuieren, als angemessen erachten müssen. Denn zum einen wird der Vorstandsvertrag im Regelfall auf bestimmte Zeit ohne Einräumung eines ordentlichen Kündigungsrechts geschlossen, sodass die Regelkündigungsfrist analog § 622 Abs. 1 BGB in den weit überwiegenden Fällen keine Aussage darüber entfalten kann, wie lange die Gesellschaft ein Tätigwerden vertraglich verlangen kann. Des Weiteren fungiert die Festvergütung des Vorstandsmitglieds regelmäßig nur in Kombination mit der variablen Vergütung, deren Bezifferung im Voraus erhebliche Schwierigkeiten aufweist, als Indikator für seinen wirtschaftlichen Wert. Schließlich hat ein Vertragsbruch seitens des Vorstandsmitglieds typischerweise erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen für die Gesellschaft, sodass ein erhöhtes Interesse an der Vertragseinhaltung anzuerkennen ist. In Bezug auf die Vertragssstrafenhöhe bei der Sicherstellung von Wettbewerbsverboten kann der kasuistisch geprägten arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung nur die Tendenz entnommen werden, dass ein einmaliger Wettbewerbsverstoß härter sanktioniert werden kann als ein Vertragsbruch. Angesichts dessen erlaubt ein Rückgriff auf teleologische Erwägungen die Aussage, dass Vertragsstrafen, die die Zahlung des Dreifachen der vertraglich vereinbarten Bruttomonatsfixvergütung für eine einmalige Zuwiderhandlung gegen ein Wettbewerbsverbot statuieren, nicht zu beanstanden sein dürften. Empfehlenswert erscheint zudem, die Verwirkung mehrerer Vertragsstrafen zur Vermeidung einer unangemessenen finanziellen Belastung des Vorstandsmitglieds auf ein Jahresgrundgehalt zu „deckeln“. Starre Orientierungspunkte können diese Werte freilich schon allein wegen § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, der die Berücksichtigung aller Einzelfallumstände verlangt, nicht bilden. Gleichwohl sind sie als dynamische Richtlinien zu begreifen, die das im Vergleich zum Arbeitnehmer höhere Interesse der

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Gesellschaft an der Sanktionierung der die Vertragsstrafe auslösenden Handlungen ausdrücken. e) Anforderungen des Transparenzgebotes gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB Des Weiteren muss eine Vertragsstrafenklausel aber auch das in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB niedergelegte Transparenzgebot wahren. Damit eine Vertragsstrafenbestimmung hinreichend klar und verständlich i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist, muss sie zunächst den sanktionierten Tatbestand, also die Verhaltens- oder Unterlassenspflicht, genau bezeichnen.332 Die umfangreiche arbeitsgerichtliche Judikatur mag hier zur weiteren Konkretisierung vorsichtig heranzuziehen sein: So formuliert das BAG in ständiger Rechtsprechung, dass es für die Wahrung des Transparenzgebotes erforderlich ist, dass die Tatbestandsvoraussetzungen so klar und präzise sind, dass sich der Verwendergegner darauf einstellen kann, sowie dass sich auch die zu leistende Strafe ihrer Höhe nach als hinreichend klar und bestimmt erweisen muss.333 Globale Strafversprechen, die auf die Absicherung aller vertraglichen Pflichten zielen, sind wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam.334 Die Regelung muss vielmehr erkennen lassen, welche konkreten Pflichten durch sie tatsächlich gesichert werden sollen und in welcher Höhe Zahlung verlangt werden kann. Mit anderen Worten: Der Vertragspartner muss in beiderlei Hinsicht wissen, was „auf ihn zukommt“.335 Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam ist nach der Rechtsprechung des BAG etwa eine Regelung, die eine Vertragsstrafe für den Fall eines „schuldhaft vertragswidrige[n] Verhalten[s] des Arbeitnehmers, das den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst“, anordnet, weil sie nicht erkennen lässt, durch welche konkrete Pflichtverletzung die Vertragsstrafe verwirkt wird.336 Auch eine Klausel, die die Zahlung einer Vertragsstrafe „im Falle eines gravierenden Vertragsverstoßes“ statuiert, kann diesen Anforderungen nicht genügen, es sei denn, der „gravierende Vertragsverstoß“ wird durch die beispielhafte Aufzählung verschiedener Handlungen näher konkretisiert.337 Als hinreichend 332

Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2344. BAG, Urt. v. 14. 08. 2007 – 8 AZR 973/06, NJW 2008, 458, 460, Rn. 27; Urt. v. 21. 04. 2005 @ 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053, 1055; s. hierzu Preis/Rolfs, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II V 30 Rn. 21; Thüsing/Bodenstedt, AuR 2004, 369, 373 f. 334 BAG, Urt. v. 18. 08. 2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34, 37, Rn. 20; Urt. v. 21. 04. 2005 @ 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053, 1055; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1200. 335 BAG, Urt. v. 18. 08. 2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34, 37, Rn. 20; Urt. v. 21. 04. 2005 @ 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053, 1055. 336 BAG, Urt. v. 21. 04. 2005 @ 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053, Ls. 4; hierzu Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1200; kritisch Bauer/Krieger, SAE 2006, 11 ff.; Bayreuther, NZA 2005, 1337, 1338. 337 BAG, Urt. v. 18. 08. 2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34, 36 f., Rn. 20. 333

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transparent wurde hingegen eine Klausel eingeordnet, bei der eine Vertragsstrafe für den Fall vereinbart wurde, dass der Arbeitnehmer das Dienstverhältnis vertragswidrig löst oder die Tätigkeit schuldhaft gar nicht antritt.338 Hinsichtlich der Wirksamkeit einer Vertragsstrafe zur Absicherung eines Wettbewerbsverbotes hat das BAG exemplarisch eine Klausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot für unwirksam erklärt, die für jeden Fall der Zuwiderhandlung des Arbeitnehmers gegen ein Wettbewerbsverbot eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen vorsieht und gleichzeitig bestimmt, dass im Falle einer dauerhaften Verletzung des Wettbewerbsverbots jeder angebrochene Monat als eine erneute Verletzungshandlung gilt.339 Diese Präzisierung des Transparenzgebotes lässt sich auf den Vorstandsvertrag übertragen.340 Eine Klausel, die ausweislich ein vertragswidriges Lösen oder einen Nichtantritt der Tätigkeit sanktioniert, vermag nach diesen Maßstäben dem Transparenzgebot zu genügen. Bei einer Vertragsstrafe, die ein Wettbewerbsverbot absichert, kommt es im Tatbestand – soweit die Klausel lediglich auf den schuldhaften Verstoß gegen das Verbot abstellt – auf die Transparenz des Wettbewerbsverbotes an.341 Gleichwohl erfordert das Transparenzgebot, dass nicht nur der Tatbestand, sondern auch die Höhe der zu leistenden Zahlung klar benannt wird. Für das Arbeitsrecht wird auf dieser Grundlage teilweise das „durchschnittliche Bruttomonatseinkommen“ als Bezugspunkt als nicht hinreichend transparent erachtet, soweit der zur Berechnung maßgebliche Bezugszeitraum nicht feststeht. Deutlicher sei eine Verweisung auf das vertraglich vereinbarte Bruttomonatsentgelt.342 Dies ist daher auch für den Vorstandsvertrag zu empfehlen. Schon aufgrund der Prognoseschwierigkeit ist eine Anknüpfung der Vertragsstrafenhöhe an variable Vergütungselemente nicht unproblematisch, sind diese bereits ihrer Art nach im Voraus kaum bezifferbar.343 Auch aus dem Blickwinkel des Transparenzgebotes erscheint eine Orientierung an der Bruttofixvergütung des Vorstandsmitglieds zur Bestimmung einer angemessenen Vertragsstrafenhöhe mithin geboten. Besondere Probleme stellen sich in Bezug auf sog. Dauerverstöße, die beispielsweise dann vorliegen, wenn die Verletzungshandlung in der kapitalmäßigen Beteiligung an einem Wettbewerbsunternehmen oder der Eingehung eines Dauerschuldverhältnisses besteht; in einem solchen Fall ist es üblich, dass die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem die Verletzungshandlung andauert, neu verwirkt wird.344 Auch insofern lässt sich die Rechtsprechung des BAG anführen: Als 338

BAG, Urt. v. 18. 12. 2008 @ 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519, 520. BAG, Urt. v. 14. 08. 2007 – 8 AZR 973/06, NJW 2008, 458, Ls. 340 A.A. Bauer/Diller, ZIP 2006, 2337, 2344, die die Anforderungen des BAG als „im Ergebnis überzogen“ erachten. 341 S. hierzu Gliederungspunkt H. I. 3. c). 342 Schramm, NJW 2008, 1494, 1496. 343 So auch Bauer/Diller, ZIP 2006, 2337, 2344, die allerdings eine Lösung über § 343 BGB vornehmen wollen. 344 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 167; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2343; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 653; Binnewies, in: Formularbuch Recht 339

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intransparent ist eine Klausel zu werten, die keine exakte Abgrenzung eines einzelnen oder mehrerer isoliert zu betrachtender Verstöße von der Behandlung von Dauerverstößen vornimmt.345 Es gilt also zur Wahrung des Transparenzgebotes klarzustellen, dass einzelne Verletzungshandlungen im Rahmen der Dauerverletzung von der für die Dauerverletzung verwirkten Vertragsstrafe konsumiert werden; mehrere isoliert zu betrachtende Verletzungshandlungen können freilich selbständige Vertragsstrafen auslösen.346 4. Entwurf einer angemessenen Klausel Vor dem Hintergrund der vorstehenden allgemeinen Ausführungen könnte eine Klausel, die den Vertragsbruch sanktioniert, wie folgt gefasst werden: Löst das Vorstandsmitglied das Dienstverhältnis vertragswidrig oder tritt es die Tätigkeit gar nicht an, ist es, sofern ihm Verschulden anzulasten ist, zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe des Zweifachen der vertraglich vereinbarten Bruttomonatsfestvergütung an die Gesellschaft verpflichtet. Weitergehende Ansprüche der Gesellschaft, insbesondere auf Schadensersatz, bleiben unberührt.

Hinsichtlich der Gestaltung einer Beispielsklausel, die der Absicherung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes347 dient, bietet sich die folgende Fassung an: Für jeden schuldhaften Verstoß gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot zahlt das Vorstandsmitglied der Gesellschaft eine Vertragsstrafe in Höhe des Dreifachen des vertraglich vereinbarten Bruttomonatsfestgehaltes. Im Falle einer Dauerverletzung wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem die Verletzung fortwirkt, neu verwirkt. Erfolgen im Rahmen einer Dauerverletzung einzelne Verletzungshandlungen, sind sie von der für die Dauerverletzung verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst. Im Übrigen lösen mehrere Verletzungshandlungen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus. Bei der Verwirkung mehrerer Vertragsstrafen ist der Gesamtbetrag der zu zahlenden Vertragsstrafen auf ein vertraglich vereinbartes Bruttojahresfestgehalt begrenzt. Für die Dauer eines Verstoßes ist die Gesellschaft nicht verpflichtet, die nach diesem Dienstvertrag vereinbarte Karenzentschädigung zu zahlen. Weitergehende Ansprüche der Gesellschaft, insbesondere auf Schadensersatz, bleiben unberührt.

und Steuern, 9. Aufl. 2019, Stand: 01. 04. 2019, A. 1.10 Anstellungsvertrag für Vorstandsmitglieder, § 5 Abs. 5; Schelling, in: Beck’sche Online-Formulare Vertrag, 52. Edt., Stand: 01. 03. 2020, 2.3.4 Vorstandsdienstvertrag (ausführlich, mit Pensionszusage), § 12 Abs. 9. 345 BAG, Urt. v. 14. 08. 2007 – 8 AZR 973/06, NJW 2008, 458, Ls. 346 So auch in Schelling, in: Beck’sche Online-Formulare Vertrag, 52. Edt., Stand: 01. 03. 2020, 2.3.4 Vorstandsdienstvertrag (ausführlich, mit Pensionszusage), § 12 Abs. 9. 347 S. dies auch in Kombination mit dem Klauselvorschlag zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unter Gliederungspunkt H. I. 4.

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5. Rechtsfolgen unwirksamer Vertragsstrafen Unsicherheiten verbleiben gleichwohl, sodass es einer Auseinandersetzung mit den Rechtsfolgen unwirksamer Vertragsstrafen bedarf. Verstößt eine Vertragsstrafenklausel gegen das AGB-Recht, so ist sie gemäß § 306 Abs. 1 BGB unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt.348 Dies gilt auch für Vertragsstrafen, die allein aufgrund ihrer unverhältnismäßigen Höhe unwirksam sind. Die Herabsetzung durch Urteil gemäß § 343 Abs. 1 BGB bleibt Individualabreden vorbehalten. Richtigerweise gebührt im AGB-Recht der Inhaltskontrolle der Vorrang vor der Anwendung des § 343 BGB, da die Möglichkeit der Herabsetzung voraussetzt, dass die Vertragsstrafe wirksam vereinbart wurde.349 An der strikten Unwirksamkeitsfolge ändert auch § 75c Abs. 1 S. 2 HGB nichts, der bezüglich unverhältnismäßig hoher Vertragsstrafen zur Absicherung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote im Handlungsgehilfenrecht auf die Herabsetzungsvorschriften des allgemeinen Schuldrechts verweist. Wie dargelegt, finden die für Handlungsgehilfen und für Arbeitnehmer über den Verweis in § 110 S. 2 GewO geltenden §§ 74 ff. HGB auf den Vorstandsvertrag weder direkt noch analog Anwendung.350 Bei hinreichender inhaltlicher Teilbarkeit verbleibt freilich in der Praxis der Gerichte eine geltungserhaltende Klauselabgrenzung nach dem blue-pencil-Test.351 Konkret bei Vertragsstrafenklauseln kann dies Bedeutung erlangen, soweit nur einzelne Tatbestände unangemessen benachteiligend sind. In einem solchen Fall erscheint eine Abspaltung dieser unwirksamen Teile nach dem blue-pencil-Test möglich.352 Insofern gilt das zu unwirksamen Wettbewerbsverboten Gesagte entsprechend.353 Zudem erscheint ein Rückgriff auf das Institut der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB denkbar.354 Freilich ist auch hier Voraussetzung, dass der ersatzlose Wegfall der unwirksamen Klausel nicht zu einer angemessenen, den typischen Interessen des Klauselverwenders und der Verwendergegenseite Rech348 BGH, Urt. v. 23. 01. 2003 – VII ZR 210/01, NJW 2003, 1805, 1808; Urt. v. 18. 11. 1982 – VII ZR 305/81, NJW 1983, 385, 387; Urt. v. 12. 03. 1981 – VII ZR 293/79, NJW 1981, 1509, 1510; Thüsing/Leder, BB 2005, 1563, 1570. 349 So schon BGH, Urt. v. 18. 11. 1982 – VII ZR 305/81, NJW 1983, 385, 387; Urt. v. 12. 03. 1981 – VII ZR 293/79, NJW 1981, 1509, 1510; Bauer, FS Wank, 2014, S. 9; Kamanabrou, ZfA 2018, 92, 93; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 433; Thüsing/Leder, BB 2005, 1563, 1570; Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 45; a.A. Chasapis, Die Herabsetzung der unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe, 2014, S. 403 ff., der dafür plädiert, die Herabsetzungsmöglichkeit nach § 343 BGB im Rahmen der Inhaltskontrolle zu berücksichtigen. 350 Ausführlich oben unter Gliederungspunkt H. I. 2. 351 Exemplarisch aus der zivilgerichtlichen Entscheidungspraxis BGH, Urt. v. 18. 02. 2016 – III ZR 126/15, NJW 2016, 1578, 1581, Rn. 27; Urt. v. 14. 01. 2015 – XII ZR 176/13, NJW 2015, 928, 930, Rn. 23; Urt. v. 10. 10. 2013 – III ZR 325/12, NJW 2014, 141, 142, Rn. 14. 352 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 120. 353 Ausführlich oben unter Gliederungspunkt H. I. 5. c). 354 Zu den Grundsätzen s. Gliederungspunkt H. I. 5. d).

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nung tragenden Lösung führt sowie dass Anhaltspunkte vorliegen, die darauf schließen lassen, wie die Parteien den Vertrag gestaltet hätten, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel gekannt hätten.355 Einzuräumen ist, dass dies aber eine eher theoretische Möglichkeit zur Rettung der Klausel bleiben wird; die Bildung eines hypothetischen Parteiwillens, schlechter gestellt zu werden als nach dispositivem Recht, nach dem keine Vertragsstrafe bestünde, kann wohl in den seltensten Fällen unterstellt werden.356 Im Übrigen bleibt es bei der Grundregel des § 306 Abs. 1 BGB, dass eine – gleich aus welchem Grund – unwirksame Vertragsstrafenklausel ersatzlos wegfällt.

III. Rückzahlungsklauseln am Beispiel sog. Claw-Back-Klauseln In vielen Arbeits- und Vorstandsverträgen finden sich Klauseln, die der Entgeltflexibilisierung dienen, indem sie unter bestimmten Voraussetzungen die Rückzahlung bestimmter geldwerter Vorteile nach ihrer Auszahlung normieren. Während in Arbeitsverträgen oftmals die Übernahme von Ausbildungs- oder Fortbildungskosten mit einer Rückzahlungsklausel verbunden357 oder eine Rückzahlungspflicht von Gratifikationen im Falle des Ausscheidens des Arbeitnehmers vor dem Bezugszeitraum statuiert wird,358 bestehen Rückzahlungsklauseln in Vorstandsverträgen zumeist in Gestalt sogenannter Claw-Back-Klauseln359 – auf die angesichts ihrer Praxisrelevanz im Folgenden der Fokus gelegt wird. Der Begriff der Claw-Back-Klausel kursiert zwar schon seit nunmehr über zehn Jahren in der aktienund arbeitsrechtlichen Literatur,360 die Diskussion ihrer Zulässigkeit sowie der 355 BGH, Urt. v. 15. 02. 2019 – V ZR 77/18, NJW 2019, 2602, 2603 f., Rn. 18; Urt. v. 03. 12. 2015 – VII ZR 100/15, NJW 2016, 401, 402 f., Rn. 29; Urt. v. 26. 03. 2015 – VII ZR 92/14, NJW 2015, 1952, 1954, Rn. 46; Urt. v. 28. 10. 2009 – VIII ZR 320/07, NJW 2010, 993, 997, Rn. 44; Urt. v. 01. 02. 1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177, Ls. 1; s. schon oben unter Gliederungspunkt H. I. 5. d). 356 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 371. 357 Hierzu Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 109 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 163 ff.; Bettinghausen, NZA-RR 2017, 573 ff.; Hoffmann, NZA-RR 2015, 337 ff.; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1174 ff.; Straube, NZA-RR 2012, 505 ff. 358 Hierzu Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 113 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 172 ff.; Stoffels, AGBRecht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1182 ff. 359 S. beispielhaft Allianz Konzern Geschäftsbericht 2019, S. 26; BASF Geschäftsbericht 2019, S. 168; Deutsche Post DHL Group Geschäftsbericht 2019, S. 23; Evonik Finanzbericht 2019, S. 89; Henkel Geschäftsbericht 2019, S. 57; Lanxess Geschäftsbericht 2019, S. 105; Lufthansa Group Geschäftsbericht 2019, S. 129; Uniper Geschäftsbericht 2019, S. 92. 360 Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 723; Crass, Vergütung von Vorstandsmitgliedern, 2012, S. 336 f.; Dzida/Naber, BB 2011, 2613, 2616 f.; Hohenstatt/Kuhnke, ZIP 2009, 1981, 1985;

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konkreten Anforderungen an ihre Gestaltung hat aber insbesondere in den letzten Jahren unter dem Gesichtspunkt der immer noch anhaltenden Diskussion über die Vorstandsvergütung,361 des Inkrafttretens der neuen Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV) zum 04. 08. 2017 sowie des Inkrafttretens des § 87a AktG zum 01. 01. 2020 durch das ARUG II, welcher im Rahmen des vom Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft zu beschließenden Vergütungssystems in Abs. 1 S. 2 Nr. 6 auch die Rückforderungsmöglichkeit variabler Vergütung vorsieht, an besonderer Aktualität gewonnen.362 Auch der DCGK empfiehlt in Abschnitt G.11, Regelungen vorzusehen, die die Rückforderung variabler Vergütungsbestandteile „in begründeten Fällen“ ermöglichen,363 wenngleich angesichts des „comply or explain“-Mechanismus gemäß § 161 AktG freilich keine Verbindlichkeit besteht. Claw-Back-Klauseln sind in den USA seit langem verbreitet und haben in Deutschland erst in jüngerer Zeit erhöhte Aufmerksamkeit erfahren.364 In der Praxis haben sich dabei – soweit ersichtlich – vier Gestaltungsvarianten etabliert, die die Rückforderung an verschiedene Voraussetzungen knüpfen: Zum einen kann ein Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds in Form schwerwiegender Pflichtverletzungen mit Hilfe der Rückzahlungsklausel sanktioniert werden.365 Zum Teil wird die Rückzahlung aber auch an eine fehlerhafte Berechnung der variablen Vergütung geknüpft366 oder an die nachträgliche Verschlechterung der Lage des UnternehSchuster, FS Bauer, 2010, S. 973 ff.; Thüsing, AG 2009, 517, 521; Weber-Rey, WM 2009, 2255, 2260. 361 S. hierzu nur beispielhaft aus den letzten zwei Jahren Habersack, NZG 2018, 127 ff.; Lindemann/Heim, JuS 2018, 1121 ff.; Löbbe/Fischbach, AG 2019, 373 ff.; Oehlrich, NZG 2019, 1049 ff.; Poelzig, NZG 2020, 41 ff.; Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145; Thüsing/Jänsch, FS Vetter, 2019, S. 803 ff.; Velte, NZG 2020, 12 ff.; Velte/Obermann, IRZ 2019, 295 ff. 362 Dörrwächter/Wolff, AG 2020, 233 ff.; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, 2. Aufl. 2020, § 12 Rn. 193b; Johnson, CCZ 2018, 9 ff.; Löw, NZA 2017, 1365 ff.; Krumey/ Merkelbach, CCZ 2019, 266 ff.; Poelzig, NZG 2020, 41 ff.; Raitzsch, ZIP 2019, 104 ff.; Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145 ff.; Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, 813 ff.; Seyfarth, WM 2019, 521 ff.; Seyfarth, WM 2019, 569 ff.; Spindler, AG 2020, 61, 66 f.; Thum, NZA 2017, 1577 ff.; Werner, NZA 2020, 155 ff. 363 Empfehlung G.11 DCGK in der Fassung vom 16. 12. 2019, abrufbar unter https://www. dcgk.de//files/dcgk/usercontent/de/download/kodex/191216_Deutscher_Corporate_Govern ance_Kodex.pdf, S. 17 (zuletzt abgerufen am 19. 06. 2020); hierzu Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 149 f. 364 Johnson, CCZ 2018, 9 ff.; Löw, NZA 2017, 1365 ff.; Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145; Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, 813 ff.; Thum, NZA 2017, 1577 ff.; Wettich, AG 2013, 374 ff. 365 S. etwa Allianz Konzern Geschäftsbericht 2019, S. 26; BASF Geschäftsbericht 2019, S. 168; Evonik Finanzbericht 2019, S. 89; Henkel Geschäftsbericht 2019, S. 57; Lanxess Geschäftsbericht 2019, S. 105; Lufthansa Group Geschäftsbericht 2019, S. 129; s. auch Dörrwächter/Wolff, AG 2020, 233, 235; Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145; Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, 813. 366 Lufthansa Group Geschäftsbericht 2019, S. 129; so auch Uniper Geschäftsbericht 2019, S. 92; ähnlich Henkel Geschäftsbericht 2019, S. 57: „wesentliche Fehldarstellungen in der Finanzberichterstattung“; hierzu auch Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 150.

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mens.367 In eine ähnliche Richtung gehen Klauseln, die die Rückforderung bereits ausgezahlter Boni ermöglichen, soweit nach Ablauf der Referenzperiode die Nichterreichung bestimmter Ziele offenbar wurde.368 Auf dieser Grundlage zeigt sich, dass Claw-Back-Regelungen unterschiedliche Ziele verfolgen können: zum einen die Verlängerung der Anreizwirkung im Hinblick auf die Parameter, die der variablen Vergütung zugrunde liegen, zum anderen die Sanktionierung persönlichen Fehlverhaltens nach Auszahlung der Boni. Letztlich bietet sich daher eine Grobeinteilung in zwei Gruppen an: Rückforderungsklauseln, die gesellschaftsbezogen sind, weil sie im Zusammenhang mit der (wirtschaftlichen) Unternehmensentwicklung stehen, und Rückforderungsklauseln, die personenbezogen sind, indem sie ein bestimmtes Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds sanktionieren sollen.369 Dogmatisch werden Claw-Back-Klauseln entweder – praktisch seltener370 – durch einen Widerrufsvorbehalt oder durch eine auflösende Bedingung gemäß § 158 Abs. 2 BGB ausgestaltet.371 Im Grundsatz ist die Zulässigkeit von Claw-Back-Klauseln weitgehend anerkannt, sofern nicht im Einzelfall gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen.372 Dabei fehlen – außerhalb des Kreditsektors, in dem gemäß § 20 Abs. 6 S. 1 InstitutsVergV unter bestimmten Voraussetzungen Rückforderungsklauseln zwingend vorzusehen sind373 und dessen Betrachtung in dieser Arbeit bewusst unterbleiben soll – spezifische Vorgaben, die konkrete Anforderungen an die Zulässigkeit formulieren. In dem im Zuge der Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie durch das ARUG II eingeführten § 87a AktG ist zwar nunmehr ausdrücklich für börsennotierte Gesellschaften geregelt, dass der Aufsichtsrat ein allgemein verständliches System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder beschließen muss, welches nach § 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AktG auch „Möglichkeiten der Gesellschaft, variable Vergütungsbestandteile zurückzufordern“ zu enthalten hat, soweit diese tat-

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Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145; Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, 813. Deutsche Post DHL Group Geschäftsbericht 2019, S. 23; s. auch Redenius-Hövermann/ Siemens, ZIP 2020, 145, 151; Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, 813; ähnlich Schuster, FS Bauer, 2010, S. 973, 974. 369 Ähnlich Seyfarth, WM 2019, 569, 570 ff., der eine Einteilung in „Performance-Clawback-Klauseln“ und „Compliance-Clawback-Klauseln“ vornimmt; so auch Dörrwächter/Wolff, AG 2020, 233, 234 ff.; Werner, NZA 2020, 155, 157 und Lufthansa Group Geschäftsbericht 2019, S. 129. 370 Schuster, FS Bauer, 2010, S. 973, 984; Werner, NZA 2020, 155, 158. 371 Lindemann/Heim, JuS 2018, 1121, 1127; Poelzig, NZG 2020, 41, 45; Schuster, FS Bauer, 2010, S. 973, 975; Werner, NZA 2020, 155, 158. 372 Habersack, NZG 2018, 127, 133; Löbbe/Fischbach, AG 2019, 373, 377; RedeniusHövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 147; Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, 813; Schuster, FS Bauer, 2010, S. 973, 985; Spindler, AG 2020, 61, 66; Werner, NZA 2020, 155 ff. 373 S. hierzu ausführlich Fischbach, WM 2018, 1491, 1498 ff.; Krumey/Merkelbach, CCZ 2019, 266 ff.; Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 146 f.; Spindler, AG 2020, 61, 67; Thum, NZA 2017, 1577 ff. 368

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sächlich vorgesehen sind.374 Die Norm erschöpft sich gleichwohl in der Verpflichtung zur Nennung solcher Vereinbarungen, ohne inhaltliche Vorgaben zu machen.375 Dies führt zu erheblichen Unsicherheiten in Bezug auf die rechtlichen Grenzen der Gestaltung – insbesondere, wenn die Klausel den Schranken des AGB-Rechts genügen muss. Angesichts dessen sollen im Folgenden die AGB-rechtlichen Schranken aufgezeigt werden, wobei Unternehmen innerhalb des Kreditsektors, für die aufgrund der Vorgaben der InstitutsVergV andere Maßstäbe gelten können, nicht Gegenstand der Betrachtung sein werden. 1. Rückzahlungsklauseln im Arbeitsrecht: Der Ausgangspunkt Ein erster Blick zur Ermittlung des Status quo ist wiederum auf die Rechtslage im Arbeitsrecht zu werfen: Unterschieden werden muss hierbei zwischen Rückzahlungsklauseln, die Ausbildungskosten oder reine Gratifikationen betreffen, und solchen, die – wie Claw-Back-Klauseln – einen Entzug bereits verdienter Vergütungsbestandteile regeln. In einem zweiten Schritt ist darzulegen, inwieweit die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte sich überhaupt eignet, auf Vorstandsverträge übertragen zu werden. a) Rückzahlung von Sonderleistungen Neben der Überwälzung bestimmter Aus- und Fortbildungskosten auf den Arbeitnehmer376 ist auch die Begründung von Klauseln, die eine Rückzahlung von Gratifikationen im Falle seines Ausscheidens vor einem festgelegten Zeitpunkt regeln, in Arbeitsverträgen üblich.377 Unter den Begriff der Gratifikation ist die Gewährung einer Sonderleistung in Addition zum regulären Arbeitsentgelt zu verstehen, die zu einem bestimmten Anlass erfolgt.378 Handelt es sich bei der Sonder374 Hierzu Bungert/Wansleben, BB 2019, 1026 ff.; Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 148 f.; Spindler, AG 2020, 61, 67; Zipperle/Lingen, BB 2020, 131 ff. 375 Bungert/Wansleben, BB 2019, 1026; Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 148 f. 376 Mangels Relevanz für diese Arbeit werden die hierzu ergangenen Grundsätze bewusst ausgespart, s. aber exemplarisch BAG, Urt. v. 19. 01. 2011 @ 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, 90, Rn. 39; Urt. v. 14. 01. 2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, 667 f., Rn. 17; Urt. v. 05. 06. 2007 – 9 AZR 604/06, NZA-RR 2008, 107, 108, Rn. 18; Urt. v. 11. 04. 2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042, 1044, Rn. 24; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 111; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 163; Bettinghausen, NZA-RR 2017, 573; Dimsic, RdA 2016, 106, 107 f.; Hoffmann, NZA-RR 2015, 337, 338; Straube, NZA-RR 2012, 505. 377 Hierzu Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 113 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 172. 378 MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 683; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 172.

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leistung um eine solche, die ausschließlich vergangene oder künftige Betriebstreue des Arbeitnehmers honorieren soll, wird die Möglichkeit der Regelung einer Rückzahlungsklausel unter bestimmten Voraussetzungen auch als formulargemäße Vereinbarung anerkannt.379 Erforderlich ist aber zur Wahrung des Transparenzgebotes auch hierfür eine ausdrückliche und klare Vereinbarung, die die konkreten Rückforderungsvoraussetzungen sowie den Zeitraum für die Dauer der Bindung des Arbeitnehmers deutlich benennt.380 Streng urteilen Rechtsprechung und Literatur, wenn sich die Rückzahlungsklausel auf Gratifikationen mit Entgeltcharakter oder reine variable Vergütungsbestandteile bezieht und sich damit als Entziehung bereits verdienter Entgeltbestandteile darstellt.381 Dies wird dann angenommen, wenn die Gewährung der Sonderleistung vom Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele abhängig gemacht wird. Ein Indiz für den Vergütungscharakter liegt zudem vor, wenn die Leistung einen wesentlichen Teil der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers ausmacht.382 In einem solchen Fall stellt sich die Sonderzahlung als eine mit der Leistung des Arbeitnehmers im Synallagma stehende Gegenleistung des Arbeitgebers dar, die der (formularvertraglichen) Abbedingung nach dem Grundsatz „Verdient ist verdient“ nicht zugänglich ist.383 Rückzahlungsklauseln, die an Vergütungsbestandteile anknüpfen, können in Arbeitsverträgen nach wohl überwiegender Meinung schon ihrer Art nach nicht als Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart werden. Auch das BAG erachtet in gefestigter Rechtsprechung zu Stichtagsklauseln bezüglich variabler Vergütungsbestandteile Vertragsbestimmungen, die einen nachträglichen Entzug des Arbeitnehmerlohns statuieren, als mit dem Grundgedanken des § 611 BGB unvereinbar und damit gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB unwirk-

379 BAG, Urt. v. 18. 01. 2012 @ 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561, 562, Rn. 21; Urt. v. 21. 05. 2003 – 10 AZR 390/02, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 250; Urt. v. 14. 06. 1995 – 10 AZR 25/ 94, NZA 1995, 1034; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 112; Preis/Preis, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II S 40 Rn. 93. 380 BAG, Urt. v. 14. 06. 1995 – 10 AZR 25/94, NZA 1995, 1034; ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 611a BGB Rn. 547; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 112. 381 BAG, Urt. v. 13. 05. 2015 – 10 AZR 266/14, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 304, Rn. 15; Urt. v. 14. 11. 2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150, 1155, Rn. 41; Urt. v. 18. 01. 2012 @ 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620, 621, Rn. 23 ff.; Urt. v. 18. 01. 2012 @ 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561, 562, Rn. 21; Urt. v. 21. 05. 2003 – 10 AZR 390/02, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 250; ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 611a BGB Rn. 548; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/ Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 112; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 172; Preis/Preis, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II S 40 Rn. 92. 382 BAG, Urt. v. 13. 05. 2015 – 10 AZR 266/14, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 304, Rn. 13; Urt. v. 18. 01. 2012 @ 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620, 621, Rn. 15; Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 112. 383 BAG, Urt. v. 13. 05. 2015 – 10 AZR 266/14, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 304, Rn. 13; Krumey/Merkelbach, CCZ 2019, 266, 268.

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sam.384 Ausdrücklich führt es aus, ein schützenswertes Interesse des Arbeitgebers an der nachträglichen Veränderung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung könne nicht anerkannt werden.385 Jüngst hat auch das LAG Köln noch einmal betont, dass Boni, die zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Unternehmenserfolg gewährt werden, Entgeltcharakter aufweisen und angesichts dessen nicht nachträglich entzogen werden können.386 b) Ergänzend: Widerrufsvorbehalte Da Claw-Back-Klauseln als Widerrufsvorbehalte ausgestaltet sein können, ist als Ergänzung zudem die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zur Zulässigkeit formularvertraglich vereinbarter Widerrufsvorbehalte zu betrachten, die im Schrifttum zuweilen als geeigneter Maßstab für Vorstandsverträge erachtet wird.387 Ein Widerrufsvorbehalt ist in Abgrenzung zum Freiwilligkeitsvorbehalt dadurch gekennzeichnet, dass der Dienstverpflichtete zunächst einen Rechtsanspruch auf die Leistung erwirbt, der Dienstberechtigte sich aber das Recht vorbehält, sich von dieser Zusage mit Wirkung für die Zukunft zu lösen, sofern bestimmte Voraussetzungen vorliegen.388 Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung geht von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Widerrufsvorbehalten aus.389 Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der flexiblen Lossagung von Teilen seiner Leistungsverpflichtung sei wegen der unsicheren Entwicklung des Arbeitsverhältnisses sowie des Unternehmens dem Grunde nach anzuerkennen.390 Als Instrument der Anpassung muss der Widerrufsvorbehalt gemäß §§ 308 Nr. 4, 307 BGB aber auch dem Arbeitnehmer zumutbar sein. Ob dies der Fall ist, ist nach Art und Höhe der Leistung, der Höhe des 384 BAG, Urt. v. 13. 11. 2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368, 370 f., Rn. 29; Urt. v. 18. 01. 2012 @ 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561, 562, Rn. 18 ff.; hierzu auch Bartholomä, BB 2012, 2251; Johnson, CCZ 2018, 9, 11 f.; Schmitt-Rolfes, AuA 2012, 455; Reinecke, BB 2013, 437, 438. 385 BAG, Urt. v. 18. 01. 2012 @ 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561, 563, Rn. 28. 386 LAG Köln, Urt. v. 23. 08. 2018 – 7 Sa 470/17, BeckRS 2018, 42411, Rn. 32. 387 Dzida/Naber, BB 2011, 2613, 2616; Lindemann/Heim, JuS 2018, 1121, 1127; Schuster, FS Bauer, 2010, S. 973, 984 f.; Thum, NZA 2017, 1577, 1579. 388 BAG, Urt. v. 14. 09. 2011 – 10 AZR 526/10, AP BGB § 307 Nr. 56, Rn. 24; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 71; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73; Kaul, ArbRAktuell 2017, 505; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1147; Thum, NZA 2017, 1577, 1597; v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Arbeitsverträge Rn. 295. 389 Exemplarisch BAG, Urt. v. 24. 01. 2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; Urt. v. 20. 04. 2011 @ 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796, Rn. 10; Urt. v. 21. 03. 2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616; Urt. v. 11. 10. 2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; Urt. v. 12. 01. 2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. 390 BAG, Urt. v. 24. 01. 2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931, 932, Rn. 18; Urt. v. 20. 04. 2011 @ 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796, Rn. 10; Urt. v. 11. 10. 2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87, 89, Rn. 20; Urt. v. 12. 01. 2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465, 467; hierzu Kaul, ArbRAktuell 2017, 505, 506.

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verbleibenden Verdienstes sowie der Position des Arbeitnehmers im Unternehmen zu bestimmen.391 Zunächst bedarf es eines Grundes, der die flexible Handhabung des betreffenden Vergütungsteils aufgrund unsicherer Verhältnisse rechtfertigt.392 Zudem darf der widerrufliche Teil der Vergütung, um den Arbeitnehmer nicht unangemessen zu benachteiligen, höchstens 25 % der im Synallagma stehenden Gesamtvergütung ausmachen und einen etwaigen Tariflohn nicht unterschreiten.393 Handelt es sich um Leistungen, die nicht im Synallagma stehen, kann der widerrufliche Anteil bis zu 30 % betragen.394 Bei Übertreten dieser Schwelle ist ein unzulässiger Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses gegeben, der zur Unwirksamkeit des Widerrufsvorbehaltes führt.395 In formeller Hinsicht wird verlangt, dass die Gründe für den Widerrufsvorbehalt insofern im Klauseltext zum Ausdruck kommen, als jedenfalls die Richtung angegeben werden muss, aus der der Widerruf möglich sein soll.396 Hiermit geht einher, dass die widerrufliche Leistung ihrer Art und Höhe nach konkret bezeichnet werden muss. Das BAG nennt exemplarisch wirtschaftliche Gründe und die Leistung oder das Verhalten des Arbeitnehmers,397 die aber weiterer Präzisierung bedürfen. So können ausweislich der Entscheidung konkretisierende Gründe beispielsweise in der wirtschaftlichen Notlage des Unternehmens, einem negativen wirtschaftlichen Ergebnis der Betriebsabteilung, nicht ausreichendem Gewinn, einem Rückgang der bzw. Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung, unterdurchschnittlichen Leistungen des Arbeitnehmers oder schwerwiegenden Pflichtverletzungen liegen.398

391 BAG, Urt. v. 24. 01. 2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931, 932, Rn. 18; Urt. v. 12. 01. 2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465, 467. 392 BAG, Urt. v. 21. 03. 2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, 617, Rn. 17; Urt. v. 20. 04. 2011 @ 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796, Rn. 10; Urt. v. 12. 01. 2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465, 467. 393 BAG, Urt. v. 24. 01. 2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931, 933, Rn. 20; Urt. v. 07. 07. 2011 @ 6 AZR 151/10, NJOZ 2012, 413, 415, Rn. 21; Urt. v. 11. 10. 2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87, 89, Rn. 23; Urt. v. 12. 01. 2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465, 467. 394 BAG, Urt. v. 11. 10. 2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87, 89, Rn. 23. 395 BAG, Urt. v. 24. 01. 2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931, 933, Rn. 18; Urt. v. 12. 01. 2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465, 467. 396 BAG, Urt. v. 24. 01. 2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777, 778, Rn. 19; Urt. v. 21. 03. 2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, 617, Rn. 16; hierzu Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/ Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 72; Gaul/Kaul, BB 2011, 181, 182; v. Westphalen/ Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Arbeitsverträge Rn. 299. 397 BAG, Urt. v. 24. 01. 2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777, 778, Rn. 19. 398 BAG, Urt. v. 12. 01. 2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465, 468; hierzu Gaul/Kaul, BB 2011, 181, 182; Kaul, ArbRAktuell 2017, 505, 507; v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Arbeitsverträge Rn. 299.

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c) Ein kurzes Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass Rückzahlungsklauseln in vorformulierten Arbeitsverträgen also nur – und auch dann nur unter bestimmten Voraussetzungen – zugelassen werden, wenn sie sich nicht auf Entgeltbestandteile beziehen, die zur Dienstleistung des Arbeitnehmers im Synallagma stehen. Denn dann widerspräche der nachträgliche Entzug dem Grundprinzip „Verdient ist verdient“ und würde eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers bedeuten. Widerrufsvorbehalte betreffend noch nicht ausgezahlter Entgeltbestandteile werden dagegen zugelassen, wenn ein in der Klausel erkennbarer Grund besteht, der die flexible Handhabung des jeweiligen Vergütungsteils aufgrund unsicherer Verhältnisse rechtfertigt und der widerrufliche Teil der Vergütung höchstens 25 % der im Synallagma stehenden Gesamtvergütung umfasst. 2. Rückzahlungsklauseln im Vorstandsrecht: Der Status quo in der Literatur Bevor auf die Anforderungen an Claw-Back-Klauseln in Vorstandsverträgen einzugehen ist, bedarf es für eine erste Orientierung zudem einer Sichtung der Äußerungen des gesellschaftsrechtlichen Schrifttums: Im Grundsatz ist in der Literatur die Zulässigkeit von Claw-Back-Klauseln anerkannt, sofern nicht im Einzelfall gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen.399 Hinsichtlich des Einbezugs bestehen – sichtet man die Beiträge im Schrifttum – regelmäßig keine Probleme: In Bezug auf § 305c Abs. 1 BGB sprechen sich nur wenige dafür aus, dass es sich bei Claw-Back-Vereinbarungen bereits inhaltlich um überraschende Klauseln handeln kann. Angeführt wird zuweilen, Claw-Back-Klauseln seien im nicht-regulierten Bereich zwar zulässig, aber nicht zwingend erforderlich und bislang bestehe in Deutschland auch (noch) keine entsprechende Praxis.400 Darauf hingewiesen wird aber, dass es stets auf die Umstände des Einzelfalls ankomme.401 Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen sind die Äußerungen im Schrifttum gespalten. Dies betrifft insbesondere die Problematik, inwieweit sich eine Beschränkung aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ergibt:402 Nicht ausgeschlossen erscheine es nach teilweise im Schrifttum vertretener Ansicht, dass ein Vergütungssystem an den wesentlichen Grundgedanken des Dienstvertrages rüttle, wenn es die Entlohnung 399

Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, 813; Seyfarth, WM 2019, 569, 571; Spindler, AG 2020, 61, 66; Thum, NZA 2017, 1577, 1579; s. aber Dzida/Naber, BB 2011, 2613, 2616, die Claw-Back-Klauseln nur dann als zulässig erachten, wenn sie für den Fall vereinbart werden, dass sich die Berechnungsgrundlage nachträglich als falsch herausstellt. 400 Seyfarth, WM 2019, 569, 573; Spindler, AG 2020, 61, 67; ähnlich Lindemann/Heim, JuS 2018, 1121, 1127; a.A. Poelzig, NZG 2020, 41, 47; Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 147. 401 Seyfarth, WM 2019, 569, 573. 402 Hierzu Raitzsch, ZIP 2019, 104, 108 f.; Seyfarth, WM 2019, 569, 574.

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mehr an Erfolge des Vorstandsmitglieds, weniger an ein bloßes Tätigwerden knüpft.403 Auch als wesentlicher Grundgedanke erachtet werden die Voraussetzungen, unter denen die Gesellschaft Schadensersatz gemäß § 93 Abs. 2 AktG verlangen kann, unter anderem also das Vorliegen eines Schadens – hieraus wird teilweise gefolgert, „Compliance-Klauseln“, die auf das Schadenserfordernis verzichten, würden der Inhaltskontrolle nicht standhalten.404 Dem wird in jüngerer Zeit aber entgegengehalten, nunmehr stelle der neu eingefügte § 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AktG ein gesetzliches Leitbild auf, aufgrund dessen eine inhaltliche Unangemessenheit von Claw-Back-Klauseln per se nicht mehr angenommen werden könne.405 Vor allem aber wird vor dem Hintergrund des Transparenzgebotes – insbesondere bei Klauseln, die persönliches Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds sanktionieren406 – zur besonderen Vorsicht bei der Formulierung geraten:407 So betont etwa Raitzsch in diesem Zusammenhang, es müsse beachtet werden, dass der Grad der Bestimmtheit vom konkreten Einzelfall und den Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vorstandsmitglieds abhänge, wobei dieser bei wirtschaftlichen Nachteilen tendenziell höher zu veranschlagen sei. Konkret heiße das, jedenfalls die Voraussetzungen einer Rückforderung sowie die zu erstattenden Vergütungsbestandteile müssten konkret benannt werden.408 Als problematisch wird dabei zuweilen jedoch die Orientierung an europarechtlich vorgezeichneten Formulierungen gemäß § 18 Abs. 5 S. 3 InstitutsVergV erachtet; Kriterien wie „erhebliche“ Verluste oder „wesentliche“ Sanktionen ließen der Gesellschaft einen zu großen Bewertungsspielraum und seien daher als intransparent einzuordnen.409 Gleiches gelte für die Anknüpfung an „schwerwiegende“ Verstöße gegen Compliance-Vorschriften.410 Vereinzelt wird sogar angezweifelt, dass eine hinreichend transparente Fassung von Klauseln, die an Pflichtverletzungen des Vorstandsmitglieds anknüpfen, möglich ist; anders möge es jedoch bei Klauseln zu beurteilen sein, die an die Nichterreichung bestimmter Ziele anknüpften, denn diesbezüglich bestünden wirtschaftliche oder bilanzielle Daten als objektiver Tatbestand.411 Zuweilen wird auch für eine Orientierung an den von den Arbeitsgerichten entwickelten Grundsätzen zu Widerrufs403

Raitzsch, ZIP 2019, 104, 108 f. Seyfarth, WM 2019, 569, 574; Werner, NZA 2020, 155, 157. 405 Spindler, AG 2020, 61, 67; anders noch Seyfarth, WM 2019, 569, 574 zur Rechtslage vor der Einfügung des § 87a AktG. 406 Seyfarth, WM 2019, 569, 573: „Die entscheidende Frage ist daher, ob es überhaupt gelingen kann, Clawbacks zu formulieren, die dem Transparenzgebot in Form des Bestimmtheitsgebots genügen. Das erscheint – im Ergebnis – zumindest mit Blick auf Compliance-Clawbacks äußerst fraglich.“ 407 Löw, NZA 2017, 1365, 1370; Poelzig, NZG 2020, 41, 48 f.; Raitzsch, ZIP 2019, 104, 108; Seyfarth, WM 2019, 569, 573; für das Arbeitsrecht Dzida/Naber, BB 2011, 2613, 2616. 408 Raitzsch, ZIP 2019, 104, 108; für das Arbeitsrecht Dzida/Naber, BB 2011, 2613, 2616. 409 Seyfarth, WM 2019, 569, 573; in diese Richtung auch Löw, NZA 2017, 1365, 1370. 410 Seyfarth, WM 2019, 569, 573. 411 Seyfarth, WM 2019, 569, 573 f.; Spindler, AG 2020, 61, 67. 404

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vorbehalten plädiert.412 Als Minimalkonsens lässt sich festhalten, dass jedenfalls eine exakte Bezeichnung von Tatbestand und Rechtsfolge zwingend erforderlich ist, wobei stets die Schwierigkeit der Formulierung eines konkreten Tatbestandes bei Klauseln zur Sanktionierung persönlichen Fehlverhaltens betont wird. 3. Inhaltliche Vorgaben zur Gewährleistung der Angemessenheit Auf der Grundlage des Gesagten stellt sich die Frage nach der AGB-festen Gestaltung von Rückforderungsklauseln in Gestalt von Claw-Back-Klauseln in Vorstandsverträgen außerhalb des Geltungsbereichs der InstitutsVergV. a) Kontrollfähigkeit nach dem AGB-Recht Ist die Klausel wirksam Vertragsbestandteil geworden,413 muss sie sich der AGBrechtlichen Inhaltskontrolle stellen, soweit sie von ihrer Reichweite erfasst wird. Gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB ist die Inhaltskontrolle auf solche vorformulierten Klauseln beschränkt, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen.414 Kontrollfrei nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB sind also Klauseln, die lediglich vertragliche Hauptleistungspflichten beschreiben. Hierunter fallen solche Klauseln, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung betreffen.415 Es bedarf hierbei einer engen Auslegung: Ausgenommen sind lediglich Regelungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts von einem wirksamen Vertrag nicht mehr ausgegangen werden kann, sodass Klauseln, die die Leistungspflicht des Verwenders lediglich einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, der Inhaltskontrolle unterfallen.416 Die vereinzelt geäu412

Lindemann/Heim, JuS 2018, 1121, 1127; Thum, NZA 2017, 1577, 1579. Spätestens seit der Einführung des § 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AktG, der Claw-BackKlauseln seit dem 1. 1. 2020 ausdrücklich – wenn auch nur für börsennotierte Gesellschaften – im Aktiengesetz verankert, kann die Annahme, Claw-Back-Klauseln seien inhaltlich überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB, nicht mehr überzeugen, s. hierzu Seyfarth, WM 2019, 569, 573. Im Gegenteil führt die fortschreitende Verbreitung auch in Deutschland dazu, dass von einem Überrumpelungseffekt auch in Dienstverträgen von Vorstandsmitgliedern nicht börsennotierter Gesellschaften nicht mehr gesprochen werden kann, so auch Poelzig, NZG 2020, 41, 47; Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 147; Spindler, AG 2020, 61, 67. Ein Überraschungseffekt kann sich daher allenfalls aus irreführender Verortung der Klausel ergeben. 414 Ausführlich s. Gliederungspunkt H. I. 3. b) aa). 415 BGH, Urt. v. 11. 07. 2019 – VII ZR 266/17, NJW 2019, 2997, 2998, Rn. 19; Urt. v. 05. 10. 2017 – III ZR 56/17, NJW 2018, 534, 535, Rn. 15; Urt. v. 15. 11. 2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360, 362, Rn. 18. 416 BGH, Urt. v. 11. 07. 2019 – VII ZR 266/17, NJW 2019, 2997, 2998, Rn. 19; Urt. v. 14. 11. 2018 – VIII ZR 109/18, NZM 2019, 209, 211, Rn. 33; Urt. v. 05. 10. 2017 – III ZR 56/17, NJW 2018, 534, 535, Rn. 15; Urt. v. 06. 07. 2011 @ VIII ZR 293/10, NJW 2011, 3510, 3511, Rn. 10; Urt. v. 15. 11. 2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360, 362, Rn. 18; Urt. v. 24. 03. 1999 – IV ZR 90/98, NJW 1999, 2279, 2280. 413

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ßerte Ansicht, dass, ausgehend davon, dass die Claw-Back-Klausel das Entgelt für die Vorstandsleistung und damit die vertragliche Gegenleistung betrifft, diese gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB von der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle ausgenommen ist,417 kann vor dem Hintergrund der restriktiven Handhabe der Vorschrift nicht überzeugen. Zudem handelt es sich bei derartigen Rückzahlungsklauseln um solche Regelungen, die die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten – und damit unterfallen sie zweifelsohne der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle.418 Dies deckt sich mit der ständigen Rechtsprechung des BAG zu Rückzahlungsverpflichtungen bei Arbeitnehmern, die einer behutsamen Übertragung auf das Vorstandsrecht zugänglich erscheint. Das BAG lässt die Inhaltskontrolle von Rückzahlungsklauseln nicht an § 307 Abs. 3 S. 1 BGB scheitern mit der überzeugenden Begründung, dass solche Klauseln festlegen, unter welchen Bedingungen und in welcher Höhe Leistungen zurückzuerstatten sind und sich auf diese Weise als Ausgestaltung des Hauptleistungsversprechens darstellen.419 Relevanter ist damit die Erörterung der Frage, ob es sich bei Claw-Back-Klauseln um Regelungen handelt, die von Rechtsvorschriften abweichen oder solche ergänzen. Vor diesem Hintergrund ist in einem ersten Schritt die Differenzierung zwischen deklaratorischen und konstitutiven Klauseln bei den verschiedenen Gestaltungsvarianten erforderlich. Denn deklaratorische Klauseln wiederholen lediglich Gesetzesrecht, weichen also nicht von Rechtsvorschriften ab, und unterliegen daher gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht der AGB-Kontrolle. Angesichts dessen gilt es zunächst herauszustellen, welche Regelungen deklaratorisch sind – mit der Konsequenz, dass diese nicht am Maßstab der §§ 307 ff. BGB zu messen sind, wenngleich die Aufnahme in den Dienstvertrag aus Gründen der Streitvermeidung zu empfehlen ist. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen gesellschafts- und personenbezogenen Rückforderungsklauseln, wobei sich in einem ersten Schritt der Kontrollfähigkeit bestimmter gesellschaftsbezogener Claw-Back-Klauseln zuzuwenden ist. Deklaratorisch – und damit nicht kontrollfähig und -bedürftig nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB – sind Klauseln, die die Rückforderung ausschließlich auf eine formal fehlerhafte Berechnungsgrundlage stützen. Erfasst ist damit beispielsweise eine Regelung, die lediglich den Fall beschreibt, dass es zu einer fehlerhaften Berechnung

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So Raitzsch, ZIP 2019, 103, 108. BAG, Urt. v. 11. 12. 2018 – 9 AZR 383/18, NZA 2019, 781, 782, Rn. 17; Urt. v. 18. 03. 2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957, 958, Rn. 15; Urt. v. 13. 12. 2011 @ 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738, 739, Rn. 14; Urt. v. 15. 09. 2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342, 344, Rn. 35. 419 St. Rspr., s. exemplarisch BAG, Urt. v. 11. 12. 2018 – 9 AZR 383/18, NZA 2019, 781, 782, Rn. 17 f.; Urt. v. 18. 03. 2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957, 958, Rn. 15; Urt. v. 13. 12. 2011 @ 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738, 739, Rn. 14; Urt. v. 15. 09. 2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342, 344, Rn. 35: „Dazu gehören auch Regelungen, die die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten. Darunter fallen auch Rückzahlungsklauseln für Fortbildungskosten, weil sie festlegen, unter welchen Umständen die erbrachten Leistungen beim Arbeitnehmer verbleiben sollen.“ 418

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der Tantieme gekommen ist und diese aufgrund dessen zurückgefordert werden kann.420 Exemplarisch formulieren Schockenhoff/Nußbaum: „Wurden variable Vergütungsbestandteile […] auf der Grundlage falscher Daten zu Unrecht ausbezahlt, ist die Gesellschaft berechtigt, den sich aus der Neuberechnung der Höhe der variablen Vergütung im Vergleich zur erfolgten Auszahlung ergebenden Unterschiedsbetrag zurückzufordern. Die Gesellschaft hat darzulegen, dass die der Vergütungsberechnung zugrunde liegenden Daten falsch waren und deshalb die variable Vergütung des Vorstandsmitglieds zu hoch war. […]“421

Hierin liegt freilich schon keine „klassische“ Claw-Back-Konstellation, in der trotz unsicherer Geschäftsentwicklung vor Ablauf des Bemessungszeitraums ausgezahlt wird; vielmehr wird die Vergütung in einem solchen Fall für vermeintlich erzielte wirtschaftliche Erfolge gewährt, bei deren Ermittlung ein Irrtum unterlaufen ist.422 Wenn es aber zu einer fehlerhaften Berechnung gekommen ist, dann kann bereits eine Rückforderung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB stattfinden; einer zusätzlichen vertraglichen Abrede bedarf es hierzu nicht.423 Sie schadet freilich aber auch nicht. Gleiches gilt für Klauseln, die die Rückforderung von der objektiven Fehlerhaftigkeit des Konzernabschlusses abhängig machen; in einem solchen Fall kann ebenfalls nach allgemeinen Grundsätzen, also nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, zurückgefordert werden. Die Höhe des rückzufordernden Anteils liegt dann nach allgemeinen Grundsätzen in dem Unterschiedsbetrag, der sich aus der fehlerfreien Neuberechnung im Vergleich zum erfolgten Auszahlungsbetrag ergibt.424 Eine solche Regelung muss mithin nicht in den Vertrag aufgenommen werden, auch wenn dies zulässig und zur Streitvermeidung sinnvoll sein dürfte.425 Indes finden sich auch Klauselgestaltungen, die zwar an gesellschaftsbezogene Parameter anknüpfen, die sich aber als konstitutiv und damit kontrollfähig und -bedürftig darstellen. Dies betrifft Klauseln, die die Rückforderung bereits ausgezahlter Boni ermöglichen, soweit nach Ablauf der Referenzperiode die Nichterreichung bestimmter Ziele offenbar wurde.426 Gleiches gilt für Regelungen, die eine Rückforderung im Falle des Eintritts bestimmter unternehmensspezifischer Ereig420 Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 150; so auch Lufthansa Group Geschäftsbericht 2019, S. 129: „Wurden variable Vergütungsbestandteile […] auf der Grundlage falscher Daten zu Unrecht ausgezahlt […]“. 421 Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, 813, 819. 422 Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 150; Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, 813, 819. 423 Dzida/Naber, BB 2011, 2613, 2616; Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 150; in eine ähnliche Richtung Dörrwächter/Wolff, AG 2020, 233, 235; so auch für das Arbeitsrecht Clemenz/Kreft/Krause/Hoefs, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, Anh. Vergü Rn. 30. 424 So auch die deklaratorische Klausel im Lufthansa Group Geschäftsbericht 2019, S. 129. 425 Anders liegt der Fall, wenn ausdrücklich der Einwand der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sein soll. In einem solchen Fall handelt es sich bei der Klausel um eine von Rechtsvorschriften abweichende und damit kontrollfähige Regelung. 426 So Deutsche Post DHL Group Geschäftsbericht 2019, S. 23.

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nisse, die die nachhaltige Unternehmensentwicklung nicht unerheblich und nicht nur vorübergehend belasten, abhängig machen. So wird zuweilen eine Rückforderung für den Fall festgelegt, dass sich die Lage des Unternehmens dem Vorstandsmitglied zurechenbar nachträglich verschlechtert.427 Derartige Regelungen blicken nicht in erster Linie auf das Vorstandsmitglied und sein Verhalten, sondern primär auf die Gesellschaft und ihre Geschäftsentwicklung. Sie erschöpfen sich – auch wenn sie an die nachträgliche Verschlechterung der Lage des Unternehmens anknüpfen und sich damit auf den Tatbestand des § 87 Abs. 2 AktG beziehen – zudem nicht in der bloßen Herabsetzungsmöglichkeit. Solchen Klauseln ist gemein, dass sie die Bindungswirkung der Anreizgestaltung verlängern: Ein Verhalten, was nach Ablauf des Bezugszeitraums und damit nach Auszahlung zu einer ungewollten Geschäftsentwicklung führt, soll finanzielle Konsequenzen haben. Auch hierbei handelt es sich mangels bestehender entsprechender Vorschriften um Regelungen, die Rechtsvorschriften ergänzen. Daher müssen sie sich am Maßstab der §§ 307 ff. BGB messen lassen. Ein eindeutiges Bild ergibt sich bei personenbezogenen Claw-Back-Klauseln: Als stets konstitutiv – und damit kontrollfähig und -bedürftig nach dem AGB-Recht – stellt sich eine Regelung dar, die die Rückforderung der variablen Vergütung an persönliches Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds knüpft. Beispielhaft ist die folgende Fassung anzuführen: „Bei schwerwiegenden Verstößen des Vorstandsmitglieds gegen seine gesetzlichen Pflichten oder gegen unternehmensinterne Verhaltensrichtlinien ist die Gesellschaft berechtigt, von dem Vorstandsmitglied die für den jeweiligen Bemessungszeitraum ausgezahlten variablen Vergütungsbestandteile ganz oder teilweise zurückzufordern. Die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs steht im pflichtgemäßen Ermessen des Aufsichtsrats. Der Nachweis eines durch das pflichtwidrige Handeln des Vorstandsmitglieds entstandenen Schadens ist nicht erforderlich. […]“428

Wenn aufgrund einer solchen Regelung eine teilweise oder vollständige Rückzahlung der in Bezug auf den Bemessungszeitraum ausgezahlten Beiträge verlangt werden kann, wenn etwa schwerwiegende Verstöße des Vorstandsmitglieds gegen seine gesetzlichen Pflichten vorliegen, betrifft eine solche Regelung schon nicht den gesetzlich geregelten Fall der Herabsetzungsmöglichkeit nach § 87 Abs. 2 AktG. Denn sie geht nicht nur über die Herabsetzungsmöglichkeit hinaus, indem sie die Rückforderung bereits ausgezahlter Vergütungsbestandteile ermöglicht, sondern auch insoweit, als eben nicht auf gesellschaftsbezogene Parameter abgestellt wird. Angeknüpft wird vielmehr an ein Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds. Dann aber stellt sich die Rückforderungsklausel nicht als bloße Wiedergabe ohnehin bestehender gesetzlicher Vorschriften dar, sondern weicht vielmehr von solchen ab. Überdies geht sie auch über die Wirkungen des Schadensersatzanspruchs nach § 93 Abs. 2 AktG hinaus, indem sie auf das Vorliegen eines Schadens bei der Gesellschaft 427 428

Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, 813. Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, 813, 817 in Anlehnung an Regelungen aus der Praxis.

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und mitunter auch des Verschuldens verzichtet. In einem solchen Fall stellt die Klausel eine Erweiterung gesetzlicher Vorschriften dar und muss daher den Anforderungen der §§ 307 ff. BGB genügen. Zusammenfassend ist damit anzunehmen, dass nur deklaratorische Claw-BackRegelungen gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB kontrollfrei sind, also solche, die die ohnehin bestehende Rechtslage wiedergeben. Dies ist der Fall, wenn die Rückforderung von einer formal fehlerhaften Bemessungsgrundlage abhängig gemacht wird; in einem solchen Fall kann schon nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückgefordert werden. Im Übrigen müssen sich vorformulierte Claw-Back-Klauseln der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle stellen. b) Vereinbarkeit mit § 309 Nr. 6 BGB Dabei gilt es zunächst die Vereinbarkeit mit dem Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit nach § 309 Nr. 6 BGB zu klären. Die Vorschrift erklärt Bestimmungen, durch die dem Verwender für die genannten Fälle die Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird, für unwirksam.429 Allein denkbar erscheint hier ein Verstoß gegen den Tatbestand der vierten Variante; denn die Vertragslösung erfasst jeden Fall der vertragswidrigen Abstandnahme, die auch durch personenbezogene Claw-Back-Klauseln sanktioniert werden kann. Dies führt zunächst zur Problematik, ob eine Claw-Back-Klausel unter den Begriff der Vertragsstrafe subsumiert werden kann. Eine Vertragsstrafe bedeutet eine in der Regel in Geld ausgedrückte Leistung, zu deren Erbringung sich der Schuldner für den Fall der Nichterfüllung oder der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung einer Verbindlichkeit vertraglich verpflichtet.430 Zwecksetzung ist dabei zum einen die Sicherung der Erfüllung vertraglicher Pflichten; insofern fungiert die Vertragsstrafe als präventives Druckinstrument. Zum anderen soll sie dem Gläubiger durch die Auferlegung einer pauschalen Zahlungsverpflichtung den zumeist schwierigen Nachweis des im Einzelfall bestehenden Schadens erleichtern.431 Gesellschaftsbezogene Claw-Back-Klauseln, die im Tatbestand die Nichterreichung vereinbarter unternehmerischer Ziele vorsehen, oder – und hier wird es noch deutlicher – personenbezogene Claw-Back-Klauseln funktionieren auf den ersten Blick ähnlich: Auch hier zielt die Klausel auf eine Verhaltenssteuerung des Vorstandsmitglieds ab, indem sie auf den Eintritt bestimmter nonkonformer Ereignisse mit einer Zahlungsverpflichtung reagiert.432 Gleichwohl ist einzuräumen, dass nicht jede verhaltenssteuernde Klausel, die auf die Auszahlung respektive den Entzug bestimmter Geldleistungen 429

Ausführlich zum Anwendungsbereich der Vorschrift s. Gliederungspunkt H. II. 3. a) aa). MüKoBGB/Gottwald, 8. Aufl. 2019, Vor § 339 Rn. 1; v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Vertragsstrafe Rn. 1; s. Gliederungspunkt H. II. 431 S. bereits oben unter Gliederungspunkt H. II. 432 Poelzig, NZG 2020, 41, 45; Seyfarth, WM 2019, 569, 572 f. 430

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gerichtet ist, als Vertragsstrafe einzuordnen ist.433 Zur Abgrenzung ist vielmehr darauf abzustellen, ob die Klausel nach dem Willen der Vertragsparteien nach §§ 133, 157 BGB ihrer primären Funktion nach den Vertragspartner zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten anhalten soll, indem sie die Vernachlässigung mit einer Strafzahlung sanktioniert.434 Bei näherer Betrachtung ist dies in Bezug auf gesellschaftsbezogene Klauseln aber offensichtlich nicht gegeben: Diese verlangen zum Schutze des Gesellschaftsvermögens Rückzahlung solcher variablen Vergütung, die beispielsweise das Erreichen bestimmter unternehmerischer Ziele honorieren oder auf eine nachträgliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage reagieren soll, vor dem Hintergrund, dass die betreffenden Vergütungsbestandteile bei Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen zu Unrecht ausgezahlt wurden.435 Insofern besteht die Anreizwirkung nicht in der Claw-Back-Klausel, die Ausgezahltes wieder zurückverlangt. Sie setzt schon in einem früheren Stadium an. Der Erhalt der variablen Vergütung als Belohnung erfolgt bereits anreizorientiert im Wege positiver Verstärkung.436 Anders formuliert: Die Rückzahlungsverpflichtung bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Claw-Back-Klausel ist lediglich Konsequenz einer zu Unrecht ausgezahlten variablen Vergütung, durch deren Erhalt das Vorstandsmitglied in seinem Verhalten positiv gesteuert werden sollte. Der Rückruf einer zu Unrecht erfolgten Belohnung ist aber keine Strafe.437 Vielmehr handelt es sich hierbei um eine „ausgleichende Entgeltregelung, die die bereicherungsrechtlichen Ansprüche verstärkt“438. Eine gesellschaftsbezogene Claw-Back-Klausel stellt daher keine Vertragsstrafe dar und unterfällt somit nicht dem Tatbestand des § 309 Nr. 6 BGB. Schwieriger gestaltet sich die Einordnung personenbezogener Claw-BackKlauseln, die bereits ihrer Art nach individuelles Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds teilweise unabhängig von einer Verbindung zur konkret erhaltenen variablen Vergütung bzw. einem eingetretenen Schaden sanktionieren sollen und damit Sanktionscharakter aufweisen. Indes können die obigen Überlegungen jedenfalls im Ansatz auch hier fruchten. Anzunehmen ist, dass die Auszahlung bestimmter Boni auch eine Honorierung pflichtgemäßen Verhaltens sein kann, die durch schwerwiegende Pflichtverletzungen widerrufen wird. Soweit diese Ausgleichsfunktion in der Literatur mit dem Argument negiert wird, dass die Rückforderung in solchen Fällen unabhängig davon erfolgt, ob die Leistung des Vorstandsmitglieds aufgrund 433

Poelzig, NZG 2020, 41, 45. BGH, Urt. v. 24. 04. 1992 – V ZR 13/91, NJW 1992, 2625; Poelzig, NZG 2020, 41, 45 f. 435 Poelzig, NZG 2020, 41, 46; Seyfarth, WM 2019, 569, 575. 436 Allgemein GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 87 Rn. 130; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 22; Schüller, Vorstandsvergütung, 2002, S. 46 ff.; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 5 Rn. 97. 437 Ähnlich Staudinger/Rieble, BGB, Neubearbeitung 2015, Vor § 339 Rn. 32 ff., insb. 36; a.A. MüKoBGB/Gottwald, 8. Aufl. 2019, Vor § 339 Rn. 8. 438 Poelzig, NZG 2020, 41, 46; ähnlich Seyfarth, WM 2019, 569, 575. 434

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der Pflichtverletzung als weniger wert einzustufen ist,439 so kann dem entgegengehalten werden, dass durch jedes schwerwiegende Fehlverhalten ihres Vorstandsmitglieds der Gesellschaft bereits insofern Nachteile erwachsen, als sich schwere Konflikte mit ihrem Führungsorgan regelmäßig auf die Unternehmensentwicklung auswirken. Schon unter diesem Gesichtspunkt ist eine Einordnung als Vertragsstrafe nicht zwingend. Aber auch wenn man den Sanktionscharakter in den Vordergrund stellt und die personenbezogene Claw-Back-Klausel letztlich als Grundlage für eine Zahlungspflicht zur Bestrafung vertragswidrigen Verhaltens und damit als der Vertragsstrafe sehr ähnlich begreift, kommt ein stärkeres Argument hinzu: Vertragsstrafen- und Rückzahlungsklausel unterscheiden sich deutlich auf Rechtsfolgenseite. Während die Rückzahlungsklausel – so sagt es schon der Name – lediglich auf das Entgelt zugreifen kann, was ausgezahlt wurde, statuiert die Vertragsstrafe unabhängig von der Art oder Höhe bereits ausgezahlter Bezüge eine der Abschreckung dienende Zahlungsverpflichtung.440 Die Vertragsstrafe kann beispielsweise auch für den Nichtantritt der Tätigkeit vereinbart werden. In diesem Fall wurde aber noch keine Vergütung ausgezahlt, sodass ein Zugriff auf das sonstige Vermögen des Vertragspartners erlaubt wird. Dies stellt einen besonders schweren Eingriff dar und geht daher mit einer intensiveren Druckwirkung einher. Die Claw-Back-Klausel dagegen kann nur auf das zugreifen, was als variable Vergütung einst ausgezahlt wurde. Sie schöpft nur ab und tastet das übrige Schuldnervermögen nicht an. Dann aber kann § 309 Nr. 6 BGB bereits seinem Sinn und Zweck nach, eine Übervorteilung durch unverhältnismäßige Bereicherung des Verwenders zu verhindern, nicht greifen. Denn wenn nur auf das zugegriffen wird, was als variable Vergütung ausgezahlt wurde, ist dies nicht zu befürchten.441 Aufgrund dessen ist auch die personenbezogene Claw-Back-Klausel nicht als Vertragsstrafe anzusehen,442 wenngleich einzuräumen ist, dass sie der Vertragsstrafe nähersteht als die gesellschaftsbezogene ClawBack-Klausel. Geht man hilfsweise von der tatbestandlichen Einschlägigkeit aus, so scheitert eine personenbezogene Claw-Back-Klausel zwar nicht bereits ihrer Art nach an § 309 Nr. 6 BGB. Vom Klauselverbot des § 309 Nr. 6 BGB erfasst werden seinem tatbestandlichen Anwendungsbereich nach ausschließlich Klauseln, die das Unterlassen des Antritts bzw. die für Claw-Back-Klauseln ausschließlich relevante vertragswidrige Niederlegung der Tätigkeit sanktionieren, die also die vertragliche Hauptleistungspflicht absichern.443 Personenbezogene Claw-Back-Klauseln, die an übriges Fehlverhalten – also etwa den Verstoß gegen vertragliche Schutzpflichten – anknüpfen, unterfallen daher wie Vertragsstrafen zur Absi-

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So Poelzig, NZG 2020, 41, 46. So auch Seyfarth, WM 2019, 569, 572 f.; Werner, NZA 2020, 155, 157. 441 Seyfarth, WM 2019, 569, 573; Werner, NZA 2020, 155, 157. 442 Seyfarth, WM 2019, 569, 572 f.; a.A. Dörrwächter/Wolff, AG 2020, 233, 235; Poelzig, NZG 2020, 41, 46. 443 Ausführlich s. Gliederungspunkt H. II. 3. a) aa). 440

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H. Einzelklauseln im ordnenden Zugriff

cherung vertraglicher Nebenpflichten schon nicht dem Tatbestand.444 Liegen dagegen im Einzelfall Klauseln vor, die die vertragswidrige Niederlegung der Tätigkeit sanktionieren, fallen diese in den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 6 Var. 4 BGB. Freilich wird man in einem solchen Fall die zur Vertragsstrafe angestrengten Überlegungen übertragen und eine teleologische Reduktion der Norm für erforderlich halten müssen.445 Selbst wenn man also personenbezogene Claw-Back-Klauseln, die sich ausschließlich auf die pflichtwidrige Abstandnahme von der vertraglichen Hauptleistungspflicht beziehen, als Vertragsstrafen ansieht, scheitern diese aufgrund der gebotenen teleologischen Reduktion der Vorschrift nicht am Klauselverbot des § 309 Nr. 6 BGB.

c) Vereinbarkeit mit § 308 Nr. 4 BGB Soweit Claw-Back-Klauseln als Widerrufsvorbehalte ausgestaltet sind, sind sie an der Schranke des § 308 Nr. 4 BGB zu messen. Danach ist die „Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, [unwirksam,] wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist“. Dass Widerrufsvorbehalte von dem Klauselverbot tatbestandlich erfasst werden, entspricht allgemeiner Meinung.446 Nach ständiger höchstinstanzlicher Rechtsprechung sind sie zumutbar, „wenn der Widerruf nicht grundlos erfolgen soll, sondern wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig ist“447. Es bedarf zur Beurteilung der Zumutbarkeit einer Interessenabwägung, wobei wegen des unbestimmten Rechtsbegriffs Wertungsspielräume eröffnet werden, die dem Rechtsanwender die Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Vertragstyps ermöglichen.448 Nach Ansicht des BAG sind hierzu auch die Wertungen des § 307 BGB heranzuziehen,449 was bedeutet, dass die Klausel insbesondere auch hinreichend transparent sein muss. Angesichts dieses Prüfungsmaßstabs findet bei Claw-Back-Klauseln, die als Widerrufsvorbehalte ausgestaltet sind, so gesehen eine „vorgezogene“ Interessenabwägung bereits im Rahmen des § 308 Nr. 4 BGB statt.450 Diese entspricht wer444

So auch Poelzig, NZG 2020, 41, 48. Ausführlich s. Gliederungspunkt H. II. 3. a) bb). 446 Exemplarisch BGH, Urt. v. 19. 10. 1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651; BAG, Urt. v. 21. 03. 2012 @ 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, 617, Rn. 16 f.; Urt. v. 12. 01. 2005 – 5 AZR 364/ 04, NZA 2005, 465, 467; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 71; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1148. 447 BAG, Urt. v. 24. 01. 2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931, 932, Rn. 18; Urt. v. 21. 03. 2012 @ 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, 617, Rn. 17; Urt. v. 11. 10. 2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87, 89, Rn. 20; Urt. v. 12. 01. 2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465, 467; s. auch BGH, Urt. v. 19. 10. 1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651. 448 Ausführlich unter Gliederungspunkt F. I. 2. und 3. 449 BAG, Urt. v. 24. 01. 2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931, 932, Rn. 18; Urt. v. 11. 10. 2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87, 89, Rn. 19. 450 Poelzig, NZG 2020, 41, 47. 445

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tungsmäßig der allgemeinen Prüfung nach § 307 BGB, sodass bezüglich der Anforderungen auf die sogleich folgenden Ausführungen zu verweisen ist. d) Vereinbarkeit mit § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB Claw-Back-Klauseln müssen die Vorgaben der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB wahren. Bei der hier vorzunehmenden Abwägung fällt auf der einen Seite das Interesse der Gesellschaft am Entzug bestimmter variabler Vergütungsbestandteile beim Eintritt bestimmter Ereignisse, die eine Rückforderung zu erlauben vermögen, ins Gewicht. Auf der anderen Seite steht das Interesse des Vorstandsmitglieds am Behaltendürfen eines ausgezahlten variablen Entgelts. Diese beiderseitigen Interessenlagen sind in Orientierung an Sinn und Zweck einer solchen Klausel in schonenden Ausgleich zu bringen. Ob sich eine Klausel als unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB erweist, hängt dabei von der konkreten Gestaltung im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher für den Vertrag relevanter Umstände ab. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB enthält dabei als zuerst zu prüfender Tatbestand die widerlegbare Vermutung der Unangemessenheit, wenn die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.451 Damit soll die Inhaltskontrolle durch Anführung typischer rechtlicher Kriterien erleichtert werden, die regelmäßig auf eine gestörte Vertragsparität hindeuten.452 Eine Aufstellung pauschaler Anforderungen im Sinne eines one size fits all ist dabei weder möglich noch sinnvoll. Dennoch können dynamische Kriterien ermittelt werden, anhand derer eine Interessenabwägung im Einzelfall vorgenommen werden kann. aa) Begrenzung des Tatbestandes Zunächst stellt sich die Frage, inwieweit die Unangemessenheit bereits aus dem Tatbestand der Claw-Back-Klausel herrühren kann; anders gesagt: inwiefern sich eine Claw-Back-Klausel schon ihrer Art nach als unangemessen darstellen kann. Bei der Beurteilung ist zwischen gesellschafts- und personenbezogenen Klauseln zu unterscheiden. (1) Gesellschaftsbezogene Klauseln Als kontrollfähige gesellschaftsbezogene Klauseln verbleiben zum einen solche Klauseln, die die Rückforderung an den Eintritt respektive Nichteintritt bestimmter unternehmerischer Ereignisse knüpfen, beispielsweise das Nichterreichen eines zuvor festgelegten Umsatzziels; zum anderen sind solche Klauseln zu betrachten, die

451 Hierzu exemplarisch BGH, Urteil vom 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 24. 452 Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 16 Rn. 497.

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eine Rückzahlung von der nachträglichen Verschlechterung der Lage des Unternehmens abhängig machen. (a) „Verdient ist verdient“ als Grundgedanke des Dienstvertrags Zu prüfen ist in einem ersten Schritt, ob man solche Rückforderungsklauseln – in Parallelität zur arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zur Rückzahlung von Sonderleistungen – aufgrund des Grundsatzes „verdient ist verdient“, der als wesentlicher Grundgedanke des § 611 BGB anzusehen ist, als unwirksam i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB einstufen muss. Wie bereits allgemein dargelegt, kommt eine Übertragung in Betracht, wenn sich der betreffende Grundsatz nicht als Ausdruck der besonderen Schutzwürdigkeit des persönlich Abhängigen darstellt und durch eine Übertragung keine zwingenden Wertungen des Vorstandsrechts unterlaufen werden.453 Des Weiteren müssen sich freilich auch die jeweiligen Sachverhalte – also die Art der betreffenden Klauseln – hinreichend gleichen. Hieraus ergibt sich, dass die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zu Rückzahlungsklauseln, die Aus- oder Fortbildungskosten betreffen, nicht übertragbar ist. Denn: Die Risikosteuerung durch variable Vergütung betrifft einen ganz anderen Fall; sie soll keinen Ausgleich für die vorgestreckten Aufwendungen des Arbeitgebers darstellen, sondern die Rückforderung dann ermöglichen, wenn sich nach einem längeren Zeitraum herausgestellt hat, dass eine zusätzlich zu vergütende Leistung, etwa mangels Erreichung eines bestimmten unternehmerischen Ziels, gar nicht vorgelegen hat.454 Damit kommt ein Rückgriff auf diese Grundsätze von vornherein nicht in Betracht. Anders ist in Bezug auf die Rechtsprechung zu Sonderleistungen zu urteilen: Wie Rückzahlungsklauseln in Arbeitsverträgen, die sich auf Gratifikationen mit Entgeltcharakter oder reine variable Vergütungsbestandteile beziehen, stellen sich auch Claw-Back-Klauseln in Vorstandsverträgen als Entziehung bereits ausgezahlter Entgeltbestandteile unter bestimmten Voraussetzungen dar, sodass von einer Vergleichbarkeit der Klauseln auszugehen ist. Eine Übertragung der Grundsätze kann aber nur dann erwogen werden, wenn die Rechtsprechung auf Gemeinsamkeiten zwischen Arbeits- und Anstellungsvertrag basiert. Zu ermitteln ist also konkret, ob die Begründung des BAG, die Möglichkeit der formularvertraglichen Vereinbarung der Rückzahlung bestimmter Entgeltbestandteile zu versagen, weil ein nachträglicher Entzug des Gehalts mit dem Grundgedanken des § 611 BGB unvereinbar ist, auf solchen Charakteristika fußt, die auch dem Vorstandsvertrag immanent sind. Auf den ersten Blick scheint das gegeben: Auch bei dem Vorstandsvertrag handelt es sich um einen Dienstvertrag; „verdient ist verdient“ gilt also auch hier.455 Indem die Wertung also an die dienstvertragliche Komponente des Arbeitsvertrags anknüpft, ist die erste Hürde zur Übertragbarkeit genommen.

453 454 455

S. Gliederungspunkt G. II. Dzida/Naber, BB 2011, 2613, 2616; Lindemann/Heim, JuS 2018, 1121, 1127. Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 148; Werner, NZA 2020, 155, 157.

III. Rückzahlungsklauseln am Beispiel sog. Claw-Back-Klauseln

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Dennoch: Es dürfen keine vorstandsrechtlichen Besonderheiten entgegenstehen, die eine abweichende Bewertung erfordern bzw. die in § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB aufgestellte Vermutung widerlegen. Als vorstandsrechtliche Besonderheit ist das in § 87 AktG niedergelegte Vergütungssystem zu erachten, das die Grundlage für die Bestimmung der Primärpflicht der Gesellschaft im Rahmen des Anstellungsvertrags bildet.456 Bei der Festsetzung der Vergütung ist der Aufsichtsrat an die Bestimmungen in § 87 Abs. 1 und 2 AktG gebunden,457 was insbesondere die Gewährleistung der Angemessenheit der Gesamtbezüge einschließt. Dabei sollen Vorstandsmitglieder – so setzt es schon § 87 Abs. 1 S. 1 AktG durch die Nennung der verschiedenen variablen Vergütungsparameter voraus – in einem deutlich größeren Ausmaß an dem wirtschaftlichen Misserfolg des von ihnen geleiteten Unternehmens beteiligt werden können als Arbeitnehmer. Deutlicher wird dies in § 87 Abs. 1 S. 2 AktG, der hinsichtlich der Vergütungsstruktur in börsennotierten Gesellschaften eine Ausrichtung auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft verlangt. Dies deckt sich auch mit der Vorgabe in § 87 Abs. 1 S. 3, 1. Hs. AktG, wonach variable Vergütungsbestandteile eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben sollen.458 Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen durch die Anknüpfung an langfristige Parameter durch entsprechende variable Vergütungsinstrumente Anreize zur nachhaltigen Unternehmensleitung gesetzt werden; das Vorstandsmitglied soll also durch den Erhalt einer variablen Vergütung am langfristigen Erfolg der Gesellschaft teilhaben bzw. bei Misserfolg entsprechende Gehaltskürzungen hinnehmen müssen.459 Der Nachhaltigkeitsgedanke ist zwar gesetzlich nur für börsennotierte AGs festgeschrieben; ausweislich der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum VorstAG soll er aber auch für nichtbörsennotierte Gesellschaften richtungsweisend sein.460 Die Vergütung des Vorstands darf und soll zur Förderung einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung also zu einem erheblichen Anteil von seinen Leistungen und der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens abhängig gemacht werden. Das Vorstandsmitglied trifft die unternehmerischen Entscheidungen, die sich auf den Erfolg des Unternehmens auswirken und soll in der Konsequenz auch am wirtschaftlichen Erfolg respektive Misserfolg ebendieser Entscheidungen teilhaben. Die Vergütungsstruktur im Vorstandsrecht, die einen Einfluss unternehmerischer Entscheidungen auf das Gehalt des Vorstandes verlangt, stellt mithin eine aktienrechtliche Besonderheit dar, aufgrund derer eine Übertragung der arbeitsrechtlichen Grundsätze verschlossen ist. Dass im Dienstvertragsrecht grundsätzlich „verdient ist verdient“ gilt, hindert angesichts dessen nicht die 456 Crass, Vergütung von Vorstandsmitgliedern, 2012, S. 8, 30 ff.; Lindemann/Heim, JuS 2018, 1121 ff.; Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 146. 457 Berger, Vorstandsvergütung, 2013, S. 78; Lindemann/Heim, JuS 2018, 1121 ff.; Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 146. 458 Crass, Vergütung von Vorstandsmitgliedern, 2012, S. 336; Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 147; Schuster, FS Bauer, 2010, S. 973, 985. 459 BT-Drucks. 16/12278, S. 5; hierzu GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 87 Rn. 16. 460 BT-Drucks. 16/13433, S. 10.

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grundsätzliche Möglichkeit der Rückforderung bereits ausgezahlter Entgeltbestandteile. Im Gegenteil erscheinen Claw-Back-Klauseln gerade geeignet, Anreize für eine nachhaltige Unternehmensstruktur zu schaffen, soweit das Behaltendürfen einer ausgezahlten variablen Vergütung von gesellschaftlichen Entwicklungen, die das Vorstandsmitglied beeinflussen kann, abhängig gemacht wird.461 Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Wie bereits angesprochen, ist die Rückzahlungsverpflichtung bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einer gesellschaftsbezogenen Claw-Back-Klausel lediglich als Konsequenz einer zu Unrecht ausgezahlten variablen Vergütung zu begreifen, durch deren Erhalt das Vorstandsmitglied in seinem Verhalten positiv gesteuert werden sollte. Es handelt sich insoweit um eine „ausgleichende Entgeltregelung, die die bereicherungsrechtlichen Ansprüche verstärkt“462 und damit eben nicht um die Rückforderung dessen, was das Vorstandsmitglied rechtmäßig erhalten hat. Mit anderen Worten: Das, was zurückverlangt wird, ist eben nicht „verdient“, wenn bestimmte unternehmensspezifische Ereignisse dem Vorstandsmitglied zurechenbar (nicht) eingetreten sind. Dann aber kann nicht unter Anführung des Grundsatzes „verdient ist verdient“ die Rückforderung versagt werden. Im Gegenteil ist in dieser Hinsicht in der generellen Aufnahme einer Klausel, die die Rückforderung bereits ausgezahlter Vergütungsbestandteile erlaubt, noch keine unangemessene Benachteiligung zu erblicken. Bei ihrer Gestaltung sind jedoch verschiedene Aspekte zur Gewährleistung der Vertragsparität zu berücksichtigen. (b) Konnexität Unter abstrakt-genereller Abwägung der beiderseitigen Interessenlagen ist zunächst eine Konnexität zu wahren. Das heißt: Der Tatbestand und die zurückzuerstattenden Vergütungsbestandteile müssen entsprechend dem Sinn und Zweck einer Claw-Back-Klausel derart miteinander verbunden sein, dass sich eine Rückforderung des jeweiligen Anteils bei Eintritt der jeweiligen Voraussetzung als Ausdruck des berechtigten Flexibilisierungsinteresses der Gesellschaft darstellt. Konkret bedeutet das: Die Parameter, die für die Rückforderung relevant sind, sollten keine anderen sein, als diejenigen, die für die Festlegung der Höhe der variablen Vergütung maßgeblich sind. Sie können zwar anders gewichtet werden und zusätzliche Kriterien können hineingenommen werden, aber es muss sich gleichsam um eine modifizierte Fortsetzung der Regelungen zur Bemessung der variablen Vergütung handeln.463 Anders gesagt: Wenn die Gewährung eines bestimmten Vergütungsbestandteils von der wirtschaftlichen Unternehmensentwicklung abhängig ist, dann kann dieser Anteil dann zurückgefordert werden, wenn die Rückforderung auch an – jedenfalls unter anderem – ebendiese anknüpft. Handelt es sich dagegen um Kri461 Seyfarth, WM 2019, 569, 571; in diese Richtung auch Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 146 f. 462 Poelzig, NZG 2020, 41, 46; ähnlich Seyfarth, WM 2019, 569, 575. 463 Zu diesem Verständnis s. auch Raitzsch, ZIP 2019, 104.

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terien, die keine Bemessungsgrundlage für die variable Vergütung bilden, liegt mangels teleologischen Zusammenhangs der Verdacht der unangemessenen Benachteiligung nahe. (c) Zurechenbarkeit Ebenfalls auf teleologischer Grundlage gründen Zurechenbarkeitserwägungen. Eine Rückforderung variabler Entgeltbestandteile bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses erscheint nur dann nicht unangemessen benachteiligend, wenn dieses Ereignis dem Vorstandsmitglied jedenfalls zurechenbar ist. Dies entspricht schon allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen, die im Aktienrecht bereits Niederschlag gefunden haben. Das Zurechenbarkeitskriterium ist dem Aktienrecht nicht fremd. Im Gegenteil: Bei der Herabsetzung der Bezüge nach § 87 Abs. 2 S. 1 AktG ist die erforderliche Unbilligkeit der Weitergewährung nach den Gesetzesmaterialien zum VorstAG insbesondere dann gegeben, wenn dem Vorstandsmitglied pflichtwidriges Handeln vorzuwerfen oder ihm die Verschlechterung als Bereich seiner Vorstandsverantwortung jedenfalls zurechenbar ist.464 In der Literatur stößt das Kriterium der Zurechenbarkeit, durch das ein Verantwortungselement Einzug findet,465 weitgehend auf Zustimmung.466 Die Prüfung der Unbilligkeit wird dabei dahingehend konkretisiert, dass eine Würdigung der Gesamtumstände des konkreten Einzelfalls erfolgen müsse, die zugleich die persönlichen Verhältnisse des jeweiligen Vorstandsmitglieds berücksichtigen müsse. Hierbei sei maßgeblich, inwiefern die Geschäftsführungstätigkeit des Vorstandsmitglieds ursächlich für die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft sei. Das bedeute – so führen Mertens/Cahn aus –, je gravierender die Fehlleistung des Vorstandsmitglieds sei, desto eher könne man die Fortgewährung der festgesetzten Bezüge als Unbilligkeit für die Gesellschaft einordnen.467 Dabei sei indes nicht zwingend erforderlich, dass das Vorstandsmitglied pflichtwidrig handele; vielmehr wird es als ausreichend erachtet, wenn die Verschlechterung der Lage in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Vorstandsverantwortung des Mitglieds steht und daher ihm zurechenbar ist.468 In diese Richtung dürfte auch der BGH tendieren, der unter Verweis auf die aufgrund der eigenverantwortlichen Leitungsmacht des Vorstandsmitglieds gemäß § 76 Abs. 1 AktG bestehenden Treupflicht darlegt, bei einer zurechenbaren Verschlechterung könne „in besonderem Maße aus 464

BT-Drucks. 16/12278, S. 6; s. auch BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – II ZR 196/14, NJW 2016, 1236, 1240, Rn. 39; hierzu auch Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 87 Rn. 64; Thüsing/Jänsch, FS Vetter, 2019, S. 803, 808. 465 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 87 Rn. 53. 466 So etwa Heidel/Oltmanns, AktG, 5. Aufl. 2020, § 87 Rn. 10; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 95. 467 KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 95. 468 Heidel/Oltmanns, AktG, 5. Aufl. 2020, § 87 Rn. 10; Hölters/Weber, AktG, 3. Aufl. 2017, § 87 Rn. 49; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 87 Rn. 53; MüKoAktG/ Spindler, 5. Aufl. 2019, § 87 Rn. 179.

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Billigkeitsgründen eine Herabsetzung der Vergütung“469 geboten sein. Denn bei der Billigkeit sind sämtliche Umstände des Einzelfalls in die Abwägung einzubeziehen, insbesondere auch, „in welchem Grad die Verschlechterung dem Vorstandsmitglied zurechenbar ist und ob er sie gegebenenfalls sogar pflichtwidrig herbeigeführt hat“470. Die Befugnis zur Kürzung der Bezüge sei daher „ersichtlich an die Bedingung geknüpft, dass deren Weitergewährung für die Gesellschaft angesichts der dem Vorstand zurechenbaren Verschlechterung der Lage der Gesellschaft unbillig“471 sei. Dies kann auf die Anforderungen an gesellschaftsbezogene Claw-Back-Klauseln übertragen werden: Wenn selbst eine Herabsetzung nach § 87 Abs. 2 S. 1 AktG auf Zurechenbarkeitsgesichtspunkte abstellt, muss dies erst recht für die Rückforderung bereits ausgezahlter Vergütungsbestandteile gelten, denn hierin liegt ein schärferer Einschnitt. Dabei steht die Frage im Fokus, wie diese Zurechenbarkeit denn zu konkretisieren sein soll. Eine stufenweise Annäherung ist möglich: Zurechenbarkeit kann sicherlich nicht dahingehend verstanden werden, dass eine Pflichtverletzung des Vorstands erforderlich wäre, die etwa für eine nachträglich verschlechterte Lage kausal ist. Es geht nicht um Schadensersatzansprüche, sondern um die Kürzungsmöglichkeit einer Vergütung. Verschulden kann hier nicht Voraussetzung der Verantwortlichkeit sein. Zweitens dürfte für eine Zurechenbarkeit auch nicht notwendig eine Kausalität des Tuns oder Unterlassens des jeweiligen Vorstands für die eingetretene Verschlechterung erfordern. Dies dürfte ohnehin regelmäßig schwer nachzuweisen sein. Damit bleibt: Es bedarf der Verantwortung des Vorstands in irgendeiner noch greifbaren Art, etwa zumindest im Sinne seiner Leitungsverantwortung. Die Verschlechterung oder Nichterreichung eines Ziels muss seinen Grund im Unternehmen haben und darf damit nicht allein auf ggf. unvorhersehbaren, rein externen Einflüssen beruhen – und darf auch nicht allein durch solche Umstände bedingt sein, die zu einem Zeitpunkt eintraten, als der Vorstand noch nicht oder nicht mehr Vorstand war. Zurechenbarkeit ist bei Klauseln, die an die Nichterreichung bestimmter Ziele anknüpfen, vor diesem Hintergrund dann anzunehmen, wenn ebendiese Ziele zuvor mit dem Vorstand vereinbart oder von diesem jeweils im Rahmen der unternehmerischen Planung vorgelegt wurden. Würde man die Zurechenbarkeit weiter fassen, verlöre sie jegliche Kontur. Festzuhalten bleibt damit, dass die Zurechenbarkeit als Teil der Leitungsverantwortung des Vorstands zwar nicht als allzu starres Kriterium zu begreifen ist, jedoch bei der Gestaltung gesellschaftsbezogener Claw-Back-Klauseln Einzug finden kann und muss.472 Dies wird bei unternehmensspezifischen Ereignissen aber bereits durch einen Zusatz wie „gemessen an der vom Vorstand vorgelegten Planung“ hinreichend präzise gefasst – eine engere Formulierung liefe Gefahr, die Klausel zum „zahnlosen Tiger“ zu machen. 469

BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236, 1240, Rn. 45. BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236, 1241, Rn. 47. 471 BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236, 1240, Rn. 45. 472 Ausführlich zur parallelen Problematik der Herabsetzung nach § 87 Abs. 2 S. 1 AktG Thüsing/Jänsch, FS Vetter, 2019, S. 803, 813 ff. 470

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(d) Deutliche Prognoseverfehlung Darüber hinaus: Claw-Back-Klauseln stellen schon ihrer Art nach Klauseln mit belastendem Inhalt dar, die gegenüber der Alternative der Streckung des Bemessungszeitraums durch spätere Auszahlung473 als intensiverer Eingriff eingestuft werden.474 Vor diesem Hintergrund wird man die Rückforderung als Alternative erst dann zulassen dürfen, wenn sich eine deutliche und nicht nur geringfügige Abweichung von der zuvor aufgestellten Prognose ergibt.475 Wird an die Unternehmensentwicklung angeknüpft, so empfiehlt sich zur Vermeidung des strikten Unwirksamkeitsverdikts nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB die Aufnahme des Zusatzes, dass die nachhaltige Unternehmensentwicklung auch „nicht nur vorübergehend“ sowie „erheblich“ oder jedenfalls „nicht unerheblich“ belastet sein muss. Soweit die nachhaltige Unternehmensentwicklung zwar nicht nur vorübergehend, aber unerheblich belastet wird, rechtfertigt dies ggf. unter Berücksichtigung der Interessen des Vorstandsmitglieds keine Rückforderung ausgezahlter Vergütungsbestandteile. Auch wird daran deutlich, warum eben nicht die Bindungsdauer einfach durch spätere Auszahlung – als Alternative zur performancebezogenen Claw-BackKlausel – verlängert wurde. Es wird vielmehr ein Stufenverhältnis gewählt: Zurückgezahlt werden muss nur, wenn die Prognose deutlich verfehlt wurde. Die Bindung ist auf diese Weise eine lockerere als die Konditionen des Bindungszeitraums, der der Auszahlung vorangeht; das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung liegt auf dieser Basis ferner. Gleiches muss für Klauseln, die eine Rückforderung im Falle der nachträglichen Verschlechterung der Lage der Gesellschaft statuieren, gelten. Auch hier ist es zur Vermeidung unbilliger Härten angezeigt, die Rückzahlungsverpflichtung an eine „nicht nur vorübergehende“ sowie „erhebliche“ nachträgliche Verschlechterung der Lage der Gesellschaft zu koppeln. Auf diese Weise wird deutlich, dass das Vorstandsmitglied zwar auch aufgrund seiner Treupflicht gehalten ist, wirtschaftliche Negativentwicklungen der Gesellschaft mitzutragen. Dies kann aber nur so weit gehen, als nicht eine vorübergehende oder nur geringfügige wirtschaftliche Schieflage – beurteilt nach den Gegebenheiten der konkreten Gesellschaft – eine Rückforderung unbillig erscheinen ließe. Wann eine Prognoseverfehlung konkret als „erheblich“ einzustufen ist, ist wiederum abhängig vom Zuschnitt und der wirtschaftlichen Situation der konkreten Gesellschaft; eine Konkretisierung des Erheblichkeitsbegriffs in der Klausel ist geboten.

473 Hierzu GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 87 Rn. 135; Löw, NZA 2017, 1365, 1367; Poelzig, NZG 2020, 41, 49; Rieble/Schmittlein, Vergütung von Vorständen, 2011, Rn. 237; Seyfarth, WM 2019, 569, 575. 474 MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 87 Rn. 94; Lindemann/Heim, JuS 2018, 1121, 1126; Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 151; a.A. Löw, NZA 2017, 1365, 1367. 475 Ähnlich auch Schuster, FS Bauer, 2010, S. 973, 987: „signifikante finanzielle Einbußen des Unternehmens oder auch der jeweiligen Abteilung, ein substantieller Vertragsbruch oder andere signifikante Änderungen der jeweiligen der Bonusgewährung zugrunde gelegten Umstände“.

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(2) Personenbezogene Klauseln Als problematischer erweisen sich personenbezogene Claw-Back-Klauseln. Als wesentlicher Grundgedanke i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB erachtet werden im Schrifttum teilweise die Voraussetzungen, unter denen die Gesellschaft Schadensersatz gemäß § 93 Abs. 2 AktG verlangen kann, insbesondere das Vorliegen eines Schadens. Hieraus wird gefolgert, „Compliance-Klauseln“, die auf das Schadenserfordernis verzichten, würden der Inhaltskontrolle nicht standhalten.476 Das kann allerdings nicht überzeugen. Zu Recht wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der zum 01. 01. 2020 eingefügte § 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AktG nunmehr ein gesetzliches Leitbild aufstellt, das die grundsätzliche Zulässigkeit von Claw-Back-Klauseln ausdrücklich – und damit gegenüber § 93 Abs. 2 AktG spezieller – anerkennt.477 Dies kann zwar nur für börsennotierte Gesellschaften gelten; auch im Übrigen ist eine personenbezogene Claw-Back-Klausel, die keinen Schaden verlangt, aber nicht als Verstoß gegen den wesentlichen Grundgedanken des § 93 Abs. 2 AktG zu erachten.478 Denn: Würde man so argumentieren, wäre auch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe nicht möglich. Eine Vertragsstrafenklausel verzichtet bereits ihrem Sinn und Zweck nach auf das Vorliegen eines konkret bezifferbaren Schadens – was dann stets einen Widerspruch zu den „wesentlichen Grundgedanken“ eines Schadensersatzanspruchs nach § 280 Abs. 1 BGB bilden und damit zu einer Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB führen würde. Dass dies nicht der Fall ist, ist allgemein anerkannt. Ein anderes Ergebnis könnte sich in Bezug auf § 93 Abs. 2 AktG nur ergeben, wenn die Voraussetzungen strenger wären als diejenigen des allgemeinen Schadensersatzanspruchs nach § 280 Abs. 1 BGB. Denn dann würde der wesentliche Grundgedanke des § 93 Abs. 2 AktG darin liegen, dass die allgemeine Haftung für Pflichtverletzungen gegenüber dem Vorstandsmitglied abgemildert werden soll. Diese Wertung würde durch eine Klausel, die eine Zahlungsverpflichtung zwecks Sanktionierung unabhängig vom Vorliegen eines Schadens festlegt, unterlaufen. Indes ist Gegenteiliges der Fall: Dadurch, dass dem Vorstandsmitglied § 93 Abs. 2 S. 2 AktG die Beweislast nicht nur für fehlendes Verschulden, sondern auch für die fehlende Pflichtverletzung auflegt,479 was Ausdruck einer erhöhten Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit als Gegengewicht zur umfassenden Leitungsmacht ist, wird der AG die Durchsetzung des Anspruchs erleichtert. Damit erweist sich die Haftung als strenger. Wenn aber bereits für Vertragsstrafen, beispielsweise in Arbeitsverträgen, gilt, dass diese nicht dem gesetzlichen Grundgedanken des § 280 Abs. 1 BGB widersprechen, muss dies erst recht für die Aufbürdung von Zahlungspflichten gegenüber Vorstandsmit476

41, 46.

Seyfarth, WM 2019, 569, 574; Werner, NZA 2020, 155, 157; a.A. Poelzig, NZG 2020,

477 Spindler, AG 2020, 61, 67; anders noch Seyfarth, WM 2019, 569, 574 zur Rechtslage vor der Einfügung des § 87a AktG. 478 So im Ergebnis auch Poelzig, NZG 2020, 41, 46. 479 BGH, Urt. v. 22. 02. 2011 @ II ZR 146/09, NZG 2011, 549, 550, Rn. 17; Urt. v. 16. 03. 2009 – II ZR 280/07, NJW 2009, 2454, 2456, Rn. 16; Urt. v. 04. 11. 2002 – II ZR 224/00, NJW 2003, 358, 359; Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 93 Rn. 53; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 203.

III. Rückzahlungsklauseln am Beispiel sog. Claw-Back-Klauseln

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gliedern gelten, da der Schadensersatzanspruch nach § 93 Abs. 2 AktG eine verschärfte Haftung statuiert.

Und würde man anderes annehmen, ergäbe sich letztlich kein abweichendes Ergebnis: Denn § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB stellt eine widerlegbare Vermutung auf. Das heißt, dem Klauselverwender soll auch bei Vorliegen des Tatbestandes des § 307 Abs. 2 BGB die Möglichkeit offenbleiben, besondere Umstände anzuführen, die die Wirksamkeit der betreffenden Regelung begründen.480 Solche besonderen Umstände aber liegen in dem System der Vorstandsvergütung,481 sodass selbst, wenn man personenbezogene Claw-Back-Klauseln für als mit den Grundgedanken des § 93 Abs. 2 AktG unvereinbar hält, die Unwirksamkeit je nach Anreizgestaltung im konkreten Fall widerlegt werden könnte. Personenbezogene Claw-Back-Klauseln, die auf das Schadenserfordernis verzichten, sind also nicht per se unwirksam nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB. Anders wird man aber urteilen müssen, wenn sie auf jedwedes Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds Bezug nehmen. Soweit dieses nicht zwangsläufig mit der Vergütung in Zusammenhang steht, sondern auch solche Parameter in den Blick nimmt, die durch das Fehlverhalten gar nicht tangiert werden, liegt der Verdacht der unangemessenen Benachteiligung nahe. Ein konkretes Beispiel macht es plastisch: Zerstört das Vorstandsmitglied mutwillig Betriebsmittel und macht sich damit einer Sachbeschädigung i.S.v. § 303 StGB schuldig, so stellt dies zweifelsohne eine auf persönlichem Fehlverhalten basierende Vertragsverletzung dar, die neben einer Sanktionierung nach strafrechtlichen Maßstäben auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche der Gesellschaft auslösen kann. Gleiches gilt, wenn sich das Vorstandsmitglied beispielsweise einer Beleidigung i.S.v. § 185 StGB gegenüber einem Arbeitnehmer oder Auftraggeber schuldig macht.

Die sich an verschiedenen Parametern orientierende variable Vergütung bzw. die Verpflichtung zu ihrer Rückzahlung durch eine entsprechende Claw-Back-Klausel weist in derartigen Fällen keinen Bezug zu den genannten Handlungen auf. Im Gegenteil wird in solchen Fällen an die Kriterien, die der Bemessung der variablen Vergütung zugrunde liegen (beispielsweise die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft), im Regelfall nicht angeknüpft. Diese bereits bei der Festlegung der Kriterien für gesellschaftsbezogene Klauseln angesprochene Konnexität zwischen variabler Vergütung und Verletzungshandlung fehlt also bei Klauseln, die ausschließlich der Sanktionierung dienen, indem sie Fehlverhalten mit einer Zahlungsverpflichtung belasten. Dies führt zwar noch nicht zur grundsätzlichen Unzulässigkeit derartiger Klauseln. Gleichwohl mag der im Vordergrund stehende Sanktionscharakter einer solchen Klausel die Zugrundelegung der für die Beurteilung der Angemessenheit einer Vertragsstrafe geltenden strengen Maßstäbe gebieten. Auch wenn die Claw-Back480 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 96, 100 ff.; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 16 Rn. 497. 481 S. hierzu schon Gliederungspunkt III. 3. d) aa) (1) (a).

248

H. Einzelklauseln im ordnenden Zugriff

Klausel, wie oben dargelegt, nicht unter den Begriff der Vertragsstrafe subsumiert werden kann, kann eine Orientierung an den hohen Hürden aufgrund der Ähnlichkeit der Konstruktionen sachgerechte Maßstäbe liefern. Auch Verfallklauseln482 werden im Hinblick auf die Rechtskontrolle in der Wertung einer Vertragsstrafe weitgehend gleichbehandelt.483 Das dürfte erst recht für eine Rückzahlungsklausel gelten, die in der Ausgestaltung als Unterbindung persönlichen Fehlverhaltens – wie eine Vertragsstrafe, die eine „präventive Funktion als Druckmittel zur Sicherung vertragskonformen Verhaltens entfalten soll“484 – Sanktionscharakter hat. Mit anderen Worten: Sofern der sanktionierte Tatbestand eine auf persönlichem Fehlverhalten basierende Vertragsverletzung ist, so muss auch bei Rückzahlungsklauseln ermittelt werden, ob die verlangte Rückzahlung als Bestrafung unabhängig vom Einfluss auf die der variablen Vergütung zugrunde liegenden Parameter fungieren soll oder nicht.485 Ist dies der Fall, stellen sich bezüglich der Beurteilung der Zulässigkeit der Klausel die gleichen Anforderungen wie an diejenigen einer Vertragsstrafe.486 Denn dann geht es letztlich auch nur um die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zur Sanktionierung vertragswidrigen Verhaltens – ohne dass ein bezifferbarer Schaden vorliegt. Was heißt dies nun konkret? Zur Erinnerung: Vertragsstrafen können nur dann wirksam als AGB vereinbart werden, wenn das schuldhafte Verhalten des Vorstandsmitglieds ein solches ist, das regelmäßig zu nicht unerheblichen Schäden bei der AG führt; zugleich müssen Schadensnachweisschwierigkeiten bestehen, die es rechtfertigen, die AG nicht ausschließlich auf die Geltendmachung ihres Schadensersatzanspruchs zu verweisen.487 Insofern ergeben sich auch einschränkende Vorgaben für eine Claw-Back-Klausel mit Sanktionscharakter. Bleibt man bei dem oben genannten Beispiel, dass das Vorstandsmitglied mutwillig Betriebsmittel zerstört, so sind hier regelmäßig beide Voraussetzungen nicht gegeben – mit der Folge, dass der Gesellschaft lediglich der Schadensersatzanspruch verbleibt, nicht aber ein solches Fehlverhalten mit einer Claw-Back-Klausel sanktioniert werden kann. Schwieriger stellt sich die Lage bei der Beleidigung dar: Beleidigt das Vorstandsmitglied einen wichtigen Auftraggeber, kann dies durchaus zu hohen Schäden bei der Gesellschaft führen, deren Nachweis im Einzelnen – soweit etwa die Informationen an die Öffentlichkeit geraten und weitere Auftraggeber daraufhin abspringen – nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Hier wird es für die Beurteilung der Wirksamkeit der Klausel maßgeblich auf den Zuschnitt der konkreten Situation ankommen.

482

S. MüKoBGB/Gottwald, 8. Aufl. 2019, Vor § 339 BGB Rn. 36. Allgemein BGH, Urt. v. 08. 10. 1992 – IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243, 246 m.w.N.: „Bei der Abrede […] handelt es sich um eine sogenannte Verfallklausel. Sie ist dem Versprechen einer Vertragsstrafe gleichzusetzen.“ Ausdrücklich im Kontext der AGB-Kontrolle s. BGH, Urt. v. 24. 04. 1991 – VIII ZR 180/90, NJW-RR 1991, 1013. 484 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 11. 485 Rechtsvergleichend Löw, NZA 2017, 1365, 1369. 486 S. ausführlich zur AGB-rechtlichen Zulässigkeit von Vertragsstrafenklauseln Gliederungspunkt H. II. 487 Hierzu ausführlich Gliederungspunkt H. II. 3. a) bb). 483

III. Rückzahlungsklauseln am Beispiel sog. Claw-Back-Klauseln

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Auf dieser Grundlage ist besondere Vorsicht bei der Formulierung einer ClawBack-Klausel, die an persönliches Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds anknüpft, geboten.488 bb) Begrenzung der Höhe Begrenzungen können sich aber nicht nur aus dem Tatbestand, sondern auch aus der Höhe der Rückforderung ergeben, soweit diese in der Klausel angegeben wird. Wiederum ist diesbezüglich eine Differenzierung zwischen gesellschafts- und personenbezogenen Klauseln angezeigt. (1) Gesellschafsbezogene Klauseln Bei gesellschaftsbezogenen Klauseln, die lediglich die Rückzahlung aufgrund unrichtiger Daten ausgezahlter Vergütung anordnen, liegt auf der Hand: Der rückzuerstattende Anteil muss sich auf den Unterschiedsbetrag belaufen, der aus der Neuberechnung der Höhe der variablen Vergütung im Vergleich zur erfolgten Auszahlung resultiert.489 Wird eine darüberhinausgehende Zahlungsverpflichtung angeordnet, besteht hierfür kein berechtigtes Interesse der Gesellschaft; eine entsprechende Klausel wäre nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Schwieriger ist die Beurteilung bei gesellschaftsbezogenen Klauseln, die an eine dem Vorstandsmitglied zurechenbare Unternehmensentwicklung anknüpfen. Hier kann sich die Unangemessenheit einer Claw-Back-Klausel nach teilweise in der Literatur vertretener Ansicht auch aus der Höhe der Rückzahlung im Verhältnis zur Gesamtvergütung ergeben.490 Erwogen wird hierbei, dass die arbeitsgerichtlichen Rechtsprechungsgrundsätze zu Widerrufsvorbehalten, konkret: die Rückforderungsmöglichkeit von bis zu 25 – 30 % der Gesamtbezüge, als Indikator zur Bestimmung der Angemessenheit der Höhe des zurückzufordernden Anteils fungieren können.491 Man wird zweifelsohne annehmen können, dass diese Schwellenwerte Ausdruck des berechtigten Flexibilisierungsinteresses des Arbeitgebers sind.492 Wie Hanau/Hromadka schon vor etwa 15 Jahren zu Recht ausführten, hat die Flexibilität der Vergütung in Arbeitsverträgen einen anderen Stellenwert als in anderen Verträgen, die typischerweise vorformuliert werden. Beispielsweise bestehen in Kaufverträgen regelmäßig feste Konditionen. Änderungen ergeben sich hier nur in atypischen Sonderfällen und sind in der Konsequenz unter erschwerten Bedingungen 488

Löw, NZA 2017, 1365, 1369. Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, 813, 819; s. auch Lufthansa Group Geschäftsbericht 2019, S. 129. 490 Dzida/Naber, BB 2011, 2613, 2616; Schuster, FS Bauer, 2010, S. 973, 985. 491 So Dzida/Naber, BB 2011, 2613, 2616; Lindemann/Heim, JuS 2018, 1121, 1127; Schuster, FS Bauer, 2010, S. 973, 986; Thum, NZA 2017, 1577, 1579; ausführlich zu den Grundsätzen s. Gliederungspunkt H. III. 1. b). 492 So auch Schuster, FS Bauer, 2010, S. 973, 984. 489

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H. Einzelklauseln im ordnenden Zugriff

zuzulassen. Demgegenüber zählen Flexibilisierungsklauseln im Arbeitsrecht „zum Kernbestand, da die wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers und die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers eine kontinuierliche Veränderung und Anpassung erfordern“493. Gleiches gilt aber für den Vorstandsvertrag: Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft und die persönlichen Leistungen des Vorstandsmitglieds sind während des längerfristigen höchstpersönlichen Anstellungsverhältnisses dynamisch und machen Anpassungen regelmäßig notwendig. Ein berechtigtes Interesse der AG an einer beweglichen Vergütungsstruktur besteht also gleichermaßen. Angesichts dessen sind die Interessenlagen für den Arbeits- und den Anstellungsvertrag hier vergleichbar. Eine Rückforderung von bis zu 25 % der Gesamtbezüge wird man daher nicht nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB beanstanden dürfen;494 die arbeitsgerichtlichen Grundsätze zu formularvertraglich vereinbarten Widerrufsvorbehalten bilden insofern jedenfalls einen – vorbehaltlich atypischer Einzelfallumstände – AGB-festen Rahmen. Indes ist zu beachten, dass die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten, soweit ersichtlich, weder bereits abgelaufene Bezugszeiträume noch bereits ausgezahlte Gehaltsbestandteile erfasst,495 sodass zu Widerrufsvorbehalten in Kombination mit Rückzahlungsklauseln – wie Claw-Back-Klauseln zuweilen konstruiert sind – keine gefestigten Wertungen auszumachen sind. Zudem wird man unter zwei Aspekten ohnehin weitergehen dürfen: Auch in Bezug auf die Höhe einer möglichen Rückforderung spricht die besondere Vergütungsstruktur im Vorstandsrecht für eine großzügigere Betrachtung. Ausgehend von der Gesetzesbegründung zum VorstAG496 sowie den Empfehlungen der EU-Kommission497 kommt der Anreizgestaltung zur Gewährleistung einer langfristigen und nachhaltigen Unternehmensentwicklung im Aktienrecht erhebliches Gewicht zu, das das Interesse des Vorstandsmitglieds am Behaltendürfen einer einmal ausgezahlten Vergütung deutlich zurückdrängt.498 Zwar beschränkt das VorstAG seine Anwendbarkeit auf börsennotierte Unternehmen; der Rechtsausschuss hat jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Nachhaltigkeitsgedanke auch bei nichtbörsennotierten AGs Berücksichtigung finden sollte.499 Daran wird deutlich, dass bei Vorständen die Rückforderung eines höheren Anteils zugelassen werden muss. Dies deckt sich auch mit der Rechtsprechung des BAG, das bei der Inhaltskontrolle von Widerrufsvorbehalten nach der Position differenziert, die der Arbeitnehmer im Betrieb einnimmt: In einer Entscheidung aus dem Jahre 1997 ist das BAG exem493

Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73, 77; ähnlich Schuster, FS Bauer, 2010, S. 973, 984. Im Ergebnis allgemein für Führungskräfte auch Schuster, FS Bauer, 2010, S. 973, 986. 495 Thum, NZA 2017, 1577, 1579. 496 BT-Drucks. 16/12278, S. 5. 497 Empfehlung der Kommission v. 15. 05. 2009, 2009/384/EG, ABl. L 120, Abschnitt II, 3.4, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:120: 0028:0031:DE:PDF (zuletzt abgerufen am 19. 06. 2020). 498 In diese Richtung auch Schuster, FS Bauer, 2010, S. 973, 986. 499 BT-Drucks. 16/13433, S. 10. 494

III. Rückzahlungsklauseln am Beispiel sog. Claw-Back-Klauseln

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plarisch davon ausgegangen, dass ein Arbeitnehmer in einer leitenden Position eher Kürzungen seiner Bezüge hinnehmen muss als der durchschnittliche Arbeitnehmer mit durchschnittlichem Verdienst.500 Hieraus kann abgeleitet werden, dass die Vergütung von Vorstandsmitgliedern aufgrund ihrer Stellung noch stärkeren Kürzungen unterliegen darf. Zum anderen – und auch das wurde schon dargelegt501 – ist die gesellschaftsbezogene Claw-Back-Klausel als ausgleichende Entgeltregulierung zu begreifen, die eine zu Unrecht gewährte Belohnung zurückverlangt. Dann aber erscheint es sachgerecht, den Unterschiedsbetrag zwischen ausgezahltem Betrag und letztlich „verdienter“ Belohnung als rückforderungsfähig zu erachten. Konkret: Wurde ein bestimmtes Umsatzziel vereinbart, aber nicht erreicht, ist eine hierfür ausgezahlte Beteiligung prozentual um den Betrag zu schmälern, um den der tatsächliche Umsatz vom geplanten Ziel abweicht. Angesichts möglicher Bezifferungsschwierigkeiten verbieten sich hierbei aber pauschale Grenzen. Vielmehr ist dem Aufsichtsrat bei der Festsetzung der konkreten Höhe ein Ermessensspielraum zuzubilligen, wobei die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nach § 315 BGB überprüft werden kann. (2) Personenbezogene Klauseln Bezüglich personenbezogener Claw-Back-Klauseln wurde bereits die Nähe zur Vertragsstrafe erläutert: Sofern der sanktionierte Tatbestand eine auf persönlichem Fehlverhalten basierende Vertragsverletzung ist, und die verlangte Rückzahlung als Bestrafung unabhängig vom Einfluss auf die der variablen Vergütung zugrunde liegenden Parameter fungieren soll, sind die für die formularvertragliche Vereinbarung von Vertragsstrafen geltenden Maßstäbe anzulegen.502 Werden Vertragsstrafen, die eine Zahlung von zwei Bruttomonatsfestvergütungen für den Fall des Vertragsbruchs bzw. von drei Bruttomonatsfestvergütungen für den Fall eines einmaligen Wettbewerbsverstoßes anordnen, für angemessen gehalten, so wird man auch bei personenbezogenen Claw-Back-Klauseln die Zahlung eines entsprechend hohen Betrags – je nach Art des Verstoßes – nicht als unangemessen werten dürfen. Zur Exemplifizierung: Erhält das Vorstandsmitglied ein Bruttomonatsfixgehalt von 20.000 Euro, so ist die Höhe einer Vertragsstrafe auf 40.000 Euro bzw. 60.000 Euro zu deckeln. Eine Claw-Back-Klausel, die an vergleichbares Verhalten anknüpft, darf ebenfalls eine Rückforderung nur in dieser Höhe vorsehen – freilich mit dem (formalen) Unterschied, das lediglich an die Rückzahlung der variablen Vergütung und nicht des Festgehaltes angeknüpft wird. Dies führt dazu, dass der Gesamtbetrag ausgezahlter variabler Vergütung die natürliche Grenze bildet. Mit anderen Worten: Wurde dem Vorstandsmitglied während seiner Dienstzeit nur ein variables Gehalt von 30.000 Euro ausgezahlt, darf auch nur in dieser Höhe zurückgefordert werden.

500

BAG, Urt. v. 28. 05. 1997 – 5 AZR 125/96, NZA 1997, 1160. S. Gliederungspunkt H. III. 3. b) und d) aa) (1) (a). 502 S. ausführlich zur AGB-rechtlichen Zulässigkeit von Vertragsstrafenklauseln Gliederungspunkt H. II. 3. 501

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H. Einzelklauseln im ordnenden Zugriff

Wurde schon im Kontext der Vertragsstrafenhöhe betont, dass diese Werte schon wegen des Erfordernisses, gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB alle Einzelfallumstände zu berücksichtigen, nicht als starre Obergrenzen, sondern nur als dynamische Indizwerte begriffen werden können, so können sie auch bei personenbezogenen ClawBack-Klauseln nicht mehr als Richtlinien bilden. In diesem Rahmen ist dem Aufsichtsrat ein überprüfbarer Ermessensspielraum zuzubilligen. Gleichwohl wird man fordern müssen, dass bei Aufnahme einer Claw-Back-Klausel, die persönliches Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds sanktionieren soll, der rückforderungsfähige Anteil neben der Begrenzung auf den Betrag tatsächlich ausgezahlter variabler Vergütung – wie bei Vertragsstrafen – auf ein Bruttojahresgehalt zu begrenzen ist. Ohne eine solche „Deckelung“ läuft eine Klausel Gefahr, als unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB bewertet zu werden. cc) Eine zusammenfassende Ordnung der inhaltlichen Anforderungen Zusammenfassend ist bezüglich der inhaltlichen Anforderungen festzustellen: Da sowohl gesellschafts- als auch personenbezogene Claw-Back-Klauseln nicht als Vertragsstrafe per definitionem einzuordnen sind, kann das Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit nach § 309 Nr. 6 BGB schon tatbestandlich nicht einschlägig sein. Soweit sie als Widerrufsvorbehalte ausgestaltet sind, kommt aber ein Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB in Betracht, dessen Prüfung wertungsmäßig derjenigen des § 307 BGB nachgebildet ist. Erforderlich ist also eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen, die anhand bestimmter Faktoren konkretisiert werden kann. Claw-Back-Klauseln sind vor dem Hintergrund eines grundsätzlich anzuerkennenden Flexibilisierungsinteresses der Gesellschaft nicht per se unwirksam. So kann das Prinzip des Dienstvertragsrechts „verdient ist verdient“ noch keine generelle Unwirksamkeit der Klausel begründen, denn das Vergütungssystem im Vorstandsrecht stellt eine aktienrechtliche Besonderheit dar, aufgrund derer eine Übertragung der arbeitsrechtlichen Wertungen in dieser Hinsicht verschlossen bleibt. Zudem sind Entgeltbestandteile eben nicht als „verdient“ zu begreifen, wenn sie zu Unrecht ausgezahlt wurden. Bei ihrer Gestaltung sind jedoch verschiedene Aspekte zur Gewährleistung der Vertragsparität zu beachten. Gesellschaftsbezogene Klauseln müssen eine Konnexität insofern aufweisen, als Tatbestandsvoraussetzungen und zurückzuerstattende Vergütungsbestandteile so miteinander verbunden sind, dass sich die Rückforderung des jeweiligen Anteils als Ausdruck des berechtigten Flexibilisierungsinteresses der Gesellschaft darstellt. Als zweites, ebenfalls auf teleologischer Basis gründendes Kriterium muss der Eintritt des betreffenden Ereignisses dem Vorstandsmitglied jedenfalls insofern zurechenbar sein, als das Vorstandsmitglied eine Verantwortung in irgendeiner noch greifbaren Art treffen muss. Drittens bedarf es zur Vermeidung unbilliger Härten einer deutlichen und nicht nur vorübergehenden Verfehlung der aufgestellten Prognose hinsichtlich der unternehmerischen Entwicklung, wobei die Kriterien am Zuschnitt und der wirtschaftlichen

III. Rückzahlungsklauseln am Beispiel sog. Claw-Back-Klauseln

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Lage der konkreten Gesellschaft zu konkretisieren sind. Auch personenbezogene Claw-Back-Klauseln sind nicht schon ihrer Art nach unangemessen, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt nicht, dass sie – in Abweichung zu § 93 Abs. 2 AktG – auf das Vorliegen eines Schadens bei der Gesellschaft verzichten. Anders wird man aber urteilen müssen, wenn sie auf jedwedes Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds Bezug nehmen und auch solche Parameter der variablen Vergütung in den Blick nehmen, die durch die Pflichtverletzung nicht tangiert werden. In einem solchen Fall, in dem es an der Konnexität mangelt, müssen angesichts des hier im Vordergrund stehenden Sanktionscharakters der Klausel die für die Beurteilung der Zulässigkeit vorformulierter Vertragsstrafen geltenden Maßstäbe zugrunde gelegt werden. Dies gilt sowohl für die Einschränkung des Tatbestandes als auch für die Deckelung der Höhe. Die Unangemessenheit einer Claw-Back-Klausel kann sich auch aus der Höhe des zu erstattenden Anteils ergeben, sofern diese in der Klausel vorgesehen ist. Bei gesellschaftsbezogenen Klauseln, die die Rückzahlung auf unrichtiger Datengrundlage ausgezahlter Vergütung anordnen, muss sich der Betrag auf den Unterschiedsbetrag belaufen, der aus der Neuberechnung der Höhe der variablen Vergütung im Vergleich zur erfolgten Auszahlung resultiert. Auch bei gesellschaftsbezogenen Klauseln, die an die Unternehmensentwicklung anknüpfen, ist der Unterschiedsbetrag zwischen ausgezahltem Betrag und letztlich „verdienter“ Belohnung als rückforderungsfähig zu erachten. Ist hier oftmals vorab keine konkrete Bestimmung möglich, so muss man dem Aufsichtsrat einen überprüfbaren Ermessensspielraum zubilligen. Die Richtwerte zur Festlegung einer angemessenen Vertragsstrafenhöhe entfalten auch bei personenbezogenen Claw-Back-Klauseln insofern Geltung, als jedenfalls der rückforderungsfähige Anteil neben der Begrenzung auf den Betrag tatsächlich ausgezahlter variabler Vergütung auf ein Bruttojahresgehalt zu deckeln ist. e) Anforderungen des Transparenzgebotes gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB Besondere Probleme bei der AGB-sicheren Gestaltung von Claw-Back-Regelungen bestehen unter dem Gesichtspunkt des Transparenzgebotes.503 Zunächst ist offensichtlich: Damit eine Klausel als hinreichend präzise und klar eingeordnet werden kann, muss sie sowohl den sanktionierten Tatbestand als auch die Höhe und den zu erstattenden Anteil auf Rechtsfolgenseite so exakt wie möglich bezeichnen.504 Erforderlich dürfte dabei konkret sein, jedenfalls die exakten Parameter zu benennen, die die Höhe der Rückzahlung im konkreten Fall bestimmen – beispielhaft etwa für personenbezogene Klauseln die Art und Schwere der Pflichtverletzung, den Grad des Verschuldens des Vorstandsmitglieds, die Höhe des variablen Vergütungsbe503

So auch Löw, NZA 2017, 1365, 1370; Poelzig, NZG 2020, 41, 48 f.; Raitzsch, ZIP 2019, 104, 108; Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 148; Seyfarth, WM 2019, 569, 573. 504 Raitzsch, ZIP 2019, 104, 108; Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 148; Schuster, FS Bauer, 2010, S. 973, 982; für das Arbeitsrecht Dzida/Naber, BB 2011, 2613, 2616.

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standteils. Es sollte dabei deutlich gemacht werden, dass die dort genannten Parameter nicht nur Einfluss auf das Ob der Rückforderung haben, sondern auch auf die Höhe („ganz oder teilweise“). Dabei ist auch die Einräumung eines Ermessensspielraums des Aufsichtsrats nicht ausgeschlossen. Die Klausel muss aber im Hinblick auf die das Ermessen leitenden Maßstäbe konkretisiert werden muss.505 Dies bedingt zum einen, klarzustellen, dass hinsichtlich deklaratorischer Klauseln, die die Rückforderung im Falle fehlerhafter Berechnungsgrundlagen regeln, kein Ermessensspielraum des Aufsichtsrates besteht.506 Denn hierbei erscheint kein Fall denkbar, der eine Unterlassung der Rückforderung rechtfertigen könnte. Im Übrigen muss zur hinreichenden Klarheit auf konkrete Bemessungskriterien – wie etwa die Kriterien nach § 87 Abs. 1 AktG sowie Grundsatz 23 und Ziffern G1-G16 des DCGK, soweit anwendbar – verwiesen werden, an denen sich die pflichtgemäße Ermessensausübung ausrichten muss. Die darüber hinausgehende Konkretisierung fällt schwer, insbesondere im Hinblick auf die transparente Fassung personenbezogener Claw-Back-Klauseln. So erscheint eine Formulierung wie die Sanktionierung „schwerwiegender Verstöße“ oder „schwerer Pflichtverletzungen“ ohne nähere Präzisierung AGB-rechtlich intransparent. Dies entspricht auch den Äußerungen des gesellschaftsrechtlichen Schrifttums.507 Teilweise wird sogar angenommen, dass eine hinreichend transparente Fassung nur bei gesellschaftsbezogenen Klauseln möglich ist, denn allein hier lägen wirtschaftliche Daten als objektiver Tatbestand vor.508 Dies kann so pauschal nicht überzeugen. Vielmehr kann man zur Präzisierung wiederum auf die Rechtsprechung des BAG als Wertungsmaßstab zurückzugreifen.509 Zwar kann die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung aufgrund der Unterschiede zwischen Arbeitnehmer und Vorstandsmitglied nicht pauschal übertragen werden; insbesondere in Bezug auf die Grundsätze zum in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB niedergelegten Transparenzgebot bietet sich aber eine Orientierung an, da auch Claw-Back-Klauseln in Anstellungsverträgen klar und verständlich darzustellen sind.510 Für den Arbeitnehmer wertet das BAG streng: „,Schuldhaft vertragswidriges Verhalten‘ ohne nähere Konkretisierung enthält […] nicht die nötige Warnfunktion und entspricht […]

505

So auch Seyfarth, WM 2019, 569, 573; ähnlich Schuster, FS Bauer, 2010, S. 973, 982. So aber in Lufthansa Group Geschäftsbericht 2019, S. 129: „Die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs […] steht im pflichtgemäßen Ermessen des Aufsichtsrates“, was sich auch auf die Konstellation beziehen soll, dass variable Vergütungsbestandteile auf der Grundlage falscher Daten ausbezahlt wurden. 507 Dörrwächter/Wolff, AG 2020, 233, 236; Seyfarth, WM 2019, 569, 573. 508 Seyfarth, WM 2019, 569, 573 f.; Spindler, AG 2020, 61, 67. 509 BAG, Urt. v. 24. 08. 2017 – 8 AZR 378/16, NJW 2018, 418; Urt. v. 17. 03. 2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945; Urt. v. 23. 09. 2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89; Urt. v. 19. 08. 2010 @ 8 AZR 645/09, NJOZ 2011, 565; Urt. v. 04. 03. 2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 737. 510 Redenius-Hövermann/Siemens, ZIP 2020, 145, 148; Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, 813, 816; Thum, NZA 2017, 1577, 1579. 506

III. Rückzahlungsklauseln am Beispiel sog. Claw-Back-Klauseln

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auch nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen“511. Gleiches soll für den Fall eines „gravierenden Vertragsverstoßes“ gelten.512 Anders urteilt die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung jedoch, wenn eine Konkretisierung durch eine beispielhafte Aufzählung erfasster Pflichtverletzungen stattfindet. Denn in einem solchen Fall wird klargestellt, ob eine bestimmte Pflichtverletzung als „gravierender Vertragsverstoß“ einzustufen ist.513 Vorsichtig übertragen auf den Vorstandsvertrag stellen sich solche oder ähnliche Formulierungen („schwerwiegendes Fehlverhalten“) als nicht hinreichend transparent dar. Abhilfe kann aber auch hier durch die Nennung beispielhafter, wenngleich nicht notwendig abschließender Pflichtverletzungen geschaffen werden, die eine Präzisierung ermöglichen.514 Festzuhalten ist also, dass zur Wahrung des Transparenzgebotes stets eine präzise Bezeichnung von Tatbestand und Rechtsfolge vonnöten ist, was die Nennung der exakten Parameter, die die Höhe der Rückzahlung im konkreten Fall bestimmen, bedingt. Bei Klauseln zur Sanktionierung persönlichen Fehlverhaltens ist dies indes mit besonderen Schwierigkeiten behaftet; hier ist eine beispielhafte Aufzählung konkreten individuellen Fehlverhaltens zu empfehlen, wenngleich bestehende Rechtsunsicherheiten auch hierdurch nicht gänzlich aus dem Weg zu räumen sind. 4. Entwurf einer angemessenen Klausel Vor dem Hintergrund der vorstehenden allgemeinen Ausführungen könnte eine gesellschaftsbezogene Claw-Back-Klausel vorbehaltlich weiterer Ergänzungen wie folgt gefasst werden: Der Aufsichtsrat ist berechtigt, von dem Vorstandsmitglied bereits ausgezahlte variable Vergütungsbestandteile zurückzufordern, soweit die variablen Vergütungsbestandteile auf der Grundlage solcher objektiv fehlerhafter Daten oder Informationen ausgezahlt wurden, die für die Festsetzung der variablen Vergütung relevant waren. Dies gilt nur, soweit die Fehlerhaftigkeit der Daten und Informationen erst nach Auszahlung erkannt wurde. Der Aufsichtsrat ist ferner berechtigt, nach pflichtgemäßem Ermessen – insbesondere gemessen an den Kriterien nach § 87 AktG und Grundsatz 23 sowie den Ziffern G1-G16 des DCGK 2020, soweit anwendbar – von dem Vorstandsmitglied bereits ausgezahlte variable Vergütungsbestandteile zurückzufordern, soweit nach erfolgter Auszahlung solche unternehmensspezifischen Ereignisse eingetreten sind, die die nachhaltige Unternehmensentwicklung, gemessen an der vom Vorstand vorgelegten Planung und den für die Bemessung der variablen Vergütung relevanten Parametern, nicht unerheblich und nicht nur vorübergehend belasten. [Hier: Konkretisierung der Erheblichkeit in Abhängigkeit vom konkreten

511

BAG, Urt. v. 21. 04. 2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053, 1055; s. hierzu auch Urt. v. 18. 08. 2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34, 36 f., Rn. 20. 512 BAG, Urt. v. 18. 08. 2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34, 36 f., Rn. 20. 513 BAG, Urt. v. 18. 08. 2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34, 37, Rn. 21. 514 In diese Richtung auch Dörrwächter/Wolff, AG 2020, 233, 236; Poelzig, NZG 2020, 41, 48.

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Zuschnitt und der wirtschaftlichen Lage der AG beispielsweise durch die Nennung bestimmter Umsatzschwellen] Die Rückforderungsmöglichkeit besteht auch dann, wenn das Vorstandsmitglied zum Zeitpunkt der Geltendmachung nicht mehr Mitglied des Vorstands der Gesellschaft ist. Das Vorstandsmitglied kann sich nicht darauf berufen, dass der zu viel gezahlte Vergütungsbetrag nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden ist. Eine Herabsetzung nach § 87 Abs. 2 AktG sowie die Geltendmachung weiterer Ansprüche, insbesondere auf Schadensersatz, bleiben von dieser Regelung unberührt.

Die Aufnahme einer Klausel, die individuelles Fehlverhalten sanktionieren soll, erscheint angesichts der aufgezeigten AGB-rechtlichen Schwierigkeiten – insbesondere der Problematik hinreichend transparenter Formulierung – dagegen nicht empfehlenswert. 5. Rechtsfolgen unwirksamer Rückzahlungsklauseln Entspricht eine Claw-Back-Klausel nicht den Vorgaben des AGB-Rechts, so gelten die allgemeinen Grundsätze, die bereits ausführlich erläutert wurden:515 Die Klausel ist nach § 306 Abs. 1 BGB unwirksam, kann aber im Falle inhaltlicher Teilbarkeit nach den Grundsätzen des blue-pencil-Tests teilweise aufrechterhalten bleiben. Dies wird bei personenbezogenen Claw-Back-Klauseln jedoch nur in sehr seltenen Fällen möglich sein. Schwierig erscheint es insbesondere bei einer Klausel, die beispielsweise die Rückforderung von „schwerwiegenden Pflichtverletzungen“ des Vorstandsmitglieds abhängig macht,516 eine inhaltliche Teilbarkeit anzunehmen. Denn der Tatbestand muss – damit die Klausel teilweise aufrechterhalten bleibt – derart formuliert sein, dass bei Streichung des unwirksamen Teils noch eine lesbare und verständliche Rest-Klausel übrig bleibt. Dies erscheint allenfalls bei Klauseln denkbar, die die eine Rückforderung auslösenden Pflichtverletzungen konkret aufzählen. Dann aber läuft man Gefahr, einen Großteil möglicher Pflichtverletzungen mit der Regelung nicht zu erfassen. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsfolgen bestehen damit bei Claw-Back-Klauseln, die als Sanktionsinstrument fungieren, erhebliche Risiken. Nach allgemeinen Regeln besteht des Weiteren – bei Vorliegen der Voraussetzungen517 – die Möglichkeit der Ersetzung durch eine Regelung, die im Wege ergänzender Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB ermittelt wurde. Auch hier gilt aber, dass es regelmäßig an einem entsprechenden hypothetischen Parteiwillen mangeln wird. Insoweit bleibt es bei der strikten Unwirksamkeitsfolge ohne Eingreifen einer Ersatzregelung. 515

S. hierzu oben unter Gliederungspunkt H. I. 5. Hinzuweisen sei darauf, dass eine solche Klausel ohne beispielhafte Nennung bestimmter Pflichtverletzungen ohnehin die Gefahr der Intransparenz in sich trägt, hierzu Gliederungspunkt H. III. 3. e). 517 Ausführlich unter Gliederungspunkt H. I. 5. d). 516

IV. Freiwilligkeitsvorbehalte

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IV. Freiwilligkeitsvorbehalte In einem auf längere Zeit ausgerichteten Dauerschuldverhältnis wie dem Arbeitsoder Vorstandsvertrag ergibt sich infolge der Änderung externer oder interner Rahmenbedingungen oftmals die Notwendigkeit der Anpassung der Vergütung, der durch die Vereinbarung von Entgeltflexibilisierungsklauseln Rechnung getragen wird.518 Als Instrument der Entgeltflexibilisierung finden sich in Arbeits- und Anstellungsverträgen neben Widerrufsvorbehalten und Rückzahlungsklauseln auch Freiwilligkeitsvorbehalte in Bezug auf die Gewährung bestimmter geldwerter Leistungen,519 durch die der Dienstberechtigte hinsichtlich des Obs der Erbringung einer bestimmten Leistung seinen fehlenden Verpflichtungswillen zum Ausdruck bringt.520 Mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt will der Dienstberechtigte also bezwecken, dass für den Dienstverpflichteten auch bei mehrmaliger Gewährung einer Leistung kein Rechtsanspruch für die Zukunft entsteht.521 Anders als bei einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht soll also weder ein Anspruch auf das „Ob“ einer Gewährung noch ein Anspruch auf eine Ermessensentscheidung des Arbeitgebers bestehen.522 Der Freiwilligkeitsvorbehalt ist mithin strikt von der nachgelagerten Ermessensausübung, dem „Wie“ der Gewährung, welche sich nach dem Maßstab der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB richtet und mangels Relevanz im AGB-Recht nicht Gegenstand der hiesigen Untersuchung sein soll, zu unterscheiden.523

518 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 133; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1146; Raab, FS Birk, 2008, S. 659; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 258 ff. 519 S. etwa BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679; für das Arbeitsrecht Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 193 f. m.w.N. 520 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 74; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 143; Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 1154, 1157; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 267. 521 Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 193; ErfK/ Preis, 20. Aufl. 2020, § 310 BGB Rn. 68; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 74; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 143; Lembke, NJW 2010, 257, 260; Raab, FS Birk, 2008, S. 659, 682. 522 BAG, Urt. v. 16. 01. 2013 – 10 AZR 26/12, NJW 2013, 1020; ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 310 BGB Rn. 73a; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65 ff. 523 Exemplarisch BAG, Urt. v. 16. 01. 2013 – 10 AZR 26/12, NJW 2013, 1020; BGH, Urt. v. 21. 04. 1975 – II ZR 2/73, WM 1975, 761, 762; ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 310 BGB Rn. 73 f.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 78; allgemein zur Möglichkeit der Vereinbarung von Ermessenstantiemen im Vorstandsrecht Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 5 Rn. 112.

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1. Freiwilligkeitsvorbehalte im Arbeitsrecht: Der Ausgangspunkt Als „einer der problematischsten Bereiche der AGB-Kontrolle im Arbeitsvertrag“524 sind die Anforderungen an die AGB-rechtliche Zulässigkeit arbeitsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalte von einem nahezu undurchsichtigen Meinungsnebel in Rechtsprechung525 und Literatur geprägt,526 hinsichtlich dessen im Folgenden eine Ordnung der Positionen versucht werden soll. Während noch als Minimalkonsens Anerkennung findet, dass konkrete Freiwilligkeitsvorbehalte, also solche, die den fehlenden Rechtsbindungswillen in Bezug auf eine konkrete Einzelleistung ausdrücken, als Teil der Hauptleistung gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB von der Inhaltskontrolle ausgenommen sind,527 ist bezüglich pauschaler Freiwilligkeitsvorbehalte, die auch künftige, im Zeitpunkt der Vereinbarung noch unbestimmte Leistungen erfassen sollen, bereits umstritten, ob diese überhaupt anhand AGBrechtlicher Maßstäbe zu messen sind. Im Schrifttum wird teilweise schon der Charakter der Vertragsbedingung wegen der beabsichtigten Freiwilligkeit negiert – mit der Konsequenz, dass dem AGB-Recht von vornherein die Anwendbarkeit entzogen ist.528 Teilweise hält man die AGB-rechtlichen Vorschriften zwar grundsätzlich für anwendbar, nimmt aber die Klausel von der inhaltlichen Überprüfung aus, da auch eine pauschale Klarstellung, eine Bindung nicht eingehen zu wollen, als privatautonome Entscheidung gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht kontrollfähig sei.529 Andere erachten die Inhaltskontrolle mit der Begründung, dass formular524

Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 193. BAG, Urt. v. 30. 07. 2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173, 1174, Rn. 16; Urt. v. 25. 04. 2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853, wenn auch der Streit zwischen dem Fünften und dem Zehnten Senat des BAG mittlerweile behoben ist, s. zur Aufgabe der früheren Rechtsprechung des Zehnten Senats BAG, Urt. v. 19. 03. 2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, 598, Rn. 28; zur früheren Rechtsprechungsdivergenz auch Lembke, NJW 2010, 257, 260 f.; v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Arbeitsverträge Rn. 289. 526 S. exemplarisch Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 193; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 74 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 143 ff.; Bauer/v. Medem, NZA 2012, 894 f.; Bayreuther, BB 2009, 102 ff.; Bayreuther, ZfA 2011, 45 ff.; Bordet/Raif, ArbRAktuell 2011, 607 ff.; Heiden, RdA 2012, 225, 233 ff.; Kroeschell, NZA 2008, 1393 ff.; Lakies, ArbRAktuell 2012, 469 ff.; Lembke, NJW 2010, 257, 260 ff.; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400 ff.; Maaß, ArbRAktuell 2011, 59 ff.; Preis, NZA 2009, 281 ff.; Preis/Sagan, NZA 2012, 697 ff.; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 267 ff.; Ulrici, BB 2005, 1902, 1903 f.; Urban, ArbRAktuell 2010, 6 ff. 527 Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 194; Preis/Sagan, NZA 2012, 697, 698. 528 So etwa Hanau, ZIP 2005, 1661, 1666; Hromadka/Schmitt-Rolfes, NJW 2007, 1777, 1780; Ricken, DB 2006, 1372, 1374; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 268; Thüsing/Leder, BB 2005, 1563, 1567 f.; Ulrici, BB 2005, 1902, 1903 f.; a.A. Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 74; Lembke, NJW 2010, 257, 261; Preis/Sagan, NZA 2012, 697, 700. 529 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 146. 525

IV. Freiwilligkeitsvorbehalte

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vertraglich vereinbarte Freiwilligkeitsvorbehalte als Auslegungsregeln für (künftiges) Arbeitgeberverhalten von den §§ 133, 157 BGB abweichen, als eröffnet,530 oder gelangen zu demselben Ergebnis über eine europarechtskonforme Auslegung des § 307 BGB.531 Die höchstinstanzliche arbeitsgerichtliche Rechtsprechung erachtet den Anwendungsbereich des AGB-Rechts als eröffnet und bejaht eine Kontrollfähigkeit im Hinblick auf laufende Arbeitgeberleistungen nunmehr einheitlich mit der Begründung, derartige Regelungen würden vom Grundsatz pacta sunt servanda differieren und damit i.S.v. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB von Rechtsvorschriften abweichen.532 Die Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs zugrunde legend hält das BAG die formularvertragliche Vereinbarung von Freiwilligkeitsvorbehalten grundsätzlich für möglich, hat aber insbesondere im letzten Jahrzehnt derart hohe Hürden aufgestellt,533 dass in der Literatur schon „der langsame Tod des Freiwilligkeitsvorbehalts“534 prognostiziert wurde. Konkret stuft das BAG Freiwilligkeitsvorbehalte, die hinsichtlich laufender Zahlungen des Arbeitgebers vereinbart werden, als unwirksam gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein. Denn: Auf diese Weise werde dem Arbeitgeber ermöglicht, nachträglich in das synallagmatische Verhältnis von Leistung und Gegenleistung einzugreifen, was eine Gefährdung des Vertragszwecks mit sich bringe.535 Das Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers müsse in diesem Fall hinter das berechtigte Interesse des Arbeitnehmers an der Stabilität seines Lohnes zurücktreten. Anders könne dagegen ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der sich evident auf eine einmalige, nicht synallagmatische Leistung beziehe, zu beurteilen sein.536 In der Literatur stoßen die Grundsätze des BAG überwiegend auf Zustimmung: Bei synallagmatischen Leistungen sei ein besonders schützenswertes Erwartungsinteresse des Arbeitnehmers anzuerkennen, das der Arbeitgeber nicht durch 530

Preis/Sagan, NZA 2012, 697, 700; so auch Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 195; ähnlich bereits Mikosch, FS Düwell, 2011, S. 115, 124 ff. 531 Lembke, NJW 2010, 257, 261 f. 532 BAG, Urt. v. 14. 09. 2011 @ 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 85, Rn. 40; Urt. v. 25. 04. 2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853 f., Rn. 17; zust. Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 2017, 101, 106; kritisch MHdb ArbR/Krause, 4. Aufl. 2018, § 63 Rn. 11; v. Westphalen/Thüsing/ Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Arbeitsverträge Rn. 289; Raab, FS Birk, 2008, S. 659, 684. 533 BAG, Urt. v. 23. 08. 2017 – 10 AZR 376/16, NJW 2018, 967; Urt. v. 23. 08. 2017 – 10 AZR 97/17, BeckRS 2017, 133351; Urt. v. 03. 08. 2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; Urt. v. 19. 03. 2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595; Urt. v. 20. 02. 2013 – 10 AZR 177/12, NJW 2013, 2844; Urt. v. 14. 09. 2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81. 534 Preis, NZA 2009, 281; s. auch Preis/Sagan, NZA 2012, 697: „Chronik eines angekündigten Todes“. 535 BAG, Urt. v. 03. 08. 2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; Urt. v. 14. 09. 2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 85, Rn. 40; Urt. v. 25. 04. 2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853, 854 f. 536 BAG, Urt. v. 08. 12. 2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628, 630, Rn. 16; Urt. v. 30. 07. 2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173, 1174, Rn. 12.

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Ausnutzung einseitiger Gestaltungsmacht untergraben dürfe.537 So betont Thüsing, dass in Parallelität zu den Grundsätzen formularvertraglich vereinbarter Widerrufsvorbehalte Eingriffe in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses unzulässig seien.538 Erfasst seien hiervon insbesondere Klauseln, die – etwa in Form eines Zielbonus – verhaltenssteuernd wirken sollen. Denn soweit Leistungsanreize für den Arbeitnehmer gesetzt würden, befinde sich die Gewährung einer Sonderleistung im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Arbeitsleistung des Arbeitnehmers.539 Mit diesem synallagmatischen Charakter sei es nicht vereinbar, wenn sich der Arbeitgeber das Recht vorbehalte, trotz erbrachter Arbeitsleistung und auch dann, wenn der Arbeitnehmer die vereinbarten Ziele erreicht, den Vergütungsanspruch entfallen zu lassen.540 Damit ergebe sich für die Zulässigkeit vorformulierter Freiwilligkeitsvorbehalte nur ein sehr enger Anwendungsbereich, der ausschließlich außerhalb des Synallagmas stehende Einzelleistungen erfassen könne.541 Aus dem Blickwinkel des Transparenzgebotes bestehe darüber hinaus in verschiedener Hinsicht die Gefahr der Unwirksamkeit.542 Intransparent sei beispielsweise eine Klausel, die alle arbeitgeberseitigen Leistungen unabhängig von ihrer einmaligen oder laufenden Gewährung erfasse.543 Gleiches gelte nach der Rechtsprechung auch für solche Klauseln, die eine „freiwillige“ oder „ohne rechtliche Verpflichtung“ erfolgende Gewährung festlegen, denn auch hierbei werde nicht hinreichend klar, dass die Klausel auch zukünftige Leistungen erfassen respektive auch bei mehrmaliger Gewährung keinen Rechtsanspruch begründen solle.544 Es 537 So Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 199; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 76; Lembke, NJW 2010, 257, 262. 538 Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 269; v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Arbeitsverträge Rn. 292; gleichwohl seien Freiwilligkeitsvorbehalte nicht gänzlich Widerrufsvorbehalten gleichzustellen, denn eine Einstellung einer Leistung ohne sachlichen Grund sei gerade Kennzeichen des Freiwilligkeitsvorbehalts; zust. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 76. 539 BAG, Urt. v. 19. 03. 2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, 601, Rn. 52; König, NZARR 2012, 449, 450; v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Arbeitsverträge Rn. 292. 540 BAG, Urt. v. 19. 03. 2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, 601, Rn. 52. 541 Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 199; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 270; ähnlich auch Hromadka, DB 2012, 1037, 1041; Reiserer, FS Hoyningen-Huene, 2014, S. 425, 429. 542 Exemplarisch BAG, Urt. v. 20. 02. 2013 – 10 AZR 177/12, NJW 2013, 2844, 2846, Rn. 20; Urt. v. 14. 09. 2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82 f., Rn. 20 ff.; Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 75; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 144; Lembke, NJW 2010, 257, 262. 543 BAG, Urt. v. 14. 09. 2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 84, Rn. 35. 544 BAG, Urt. v. 23. 08. 2017 – 10 AZR 376/16, NJW 2018, 967, 968, Rn. 16; Urt. v. 23. 08. 2017 – 10 AZR 97/17, BeckRS 2017, 133351, Rn. 19; Urt. v. 13. 05. 2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992, 994, Rn. 22; Urt. v. 17. 04. 2013 – 10 AZR 281/12, NZA 2013, 787, 788, Rn. 16; Urt. v. 20. 02. 2013 – 10 AZR 177/12, NJW 2013, 2844, 2845, Rn. 17; Urt. v. 08. 12.

IV. Freiwilligkeitsvorbehalte

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bedürfe zur hinreichenden Präzision vielmehr einer „bestärkende[n] Formulierung“545 dahingehend, dass ein Rechtsanspruch auch bei mehrmaliger Gewährung ausgeschlossen sein soll. Ebenfalls mangelnde Transparenz sei bei einer Klausel, die einen Widerrufs- und einen Freiwilligkeitsvorbehalt kombiniere, anzunehmen. Dies sei angesichts der entgegengesetzten dogmatischen Grundlage der beiden Institute widersprüchlich und damit intransparent.546 Widersprüchlichkeit und aufgrund dessen mangelnde Transparenz wird ebenso für Klauseln angenommen, die Sonderleistungen des Arbeitgebers in einem Formulararbeitsvertrag betreffend Voraussetzungen und Höhe auch für die Folgejahre präzise formulieren sowie regeln, dass diese „gezahlt“ oder „gewährt“ werden, was typisch für die Begründung eines Entgeltanspruchs ist, zugleich aber diese Leistung einem Freiwilligkeitsvorbehalt unterwerfen.547 Als hinreichend deutlich, um die Entstehung eines Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation aus betrieblicher Übung zu verhindern, hat das BAG die Formulierung eingestuft, dass die Gewährung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum monatlichen Gehalt erbringt, freiwillig und mit der Maßgabe erfolgt, dass auch bei einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird.548 Mit Blick auf das Transparenzgebot ist also – wertet man diese Stellungnahmen aus – Vorsicht bei der Formulierung geboten; als hinreichend klar und präzise i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist eine Klausel, die eine einmalige, nicht im Synallagma stehende Sonderzahlung erfasst, nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen offenbar nur dann anzusehen, wenn neben der ausdrücklichen Benennung der Freiwilligkeit auch klargestellt wird, dass auch zukünftig die Entstehung eines Rechtsanspruchs ausgeschlossen sein soll. 2. Freiwilligkeitsvorbehalte im Vorstandsrecht: Der Status quo in Rechtsprechung und Literatur Den Meinungsstand zur Behandlung formularvertraglich vereinbarter Freiwilligkeitsvorbehalte in Arbeitsverträgen bewusst haltend bedarf es im Folgenden der Ermittlung der AGB-rechtlichen Wirksamkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten in 2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628, 630, Rn. 14; Urt. v. 21. 01. 2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310, 311, Rn. 14; zust. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 75; Lembke, NJW 2010, 257, 262. 545 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 144. 546 BAG, Urt. v. 14. 09. 2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 83, Rn. 24; Urt. v. 08. 12. 2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628, 631, Rn. 20; hierzu Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/ Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 75, 79; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 144; so auch Lembke, NJW 2010, 257, 262; Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 2017, 101, 106; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 271. 547 BAG, Urt. v. 20. 02. 2013 – 10 AZR 177/12, NJW 2013, 2844, 2845, Rn. 17; Urt. v. 24. 10. 2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40, 42, Rn. 19; Urt. v. 30. 07. 2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173, 1179, Rn. 45. 548 BAG, Urt. v. 14. 09. 2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 83, Rn. 23; Urt. v. 21. 01. 2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310, 312, Rn. 15.

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Vorstandsverträgen. Diesbezüglich ist zunächst der Status quo in Rechtsprechung und Literatur darzustellen, um im Folgenden in kritischer Auseinandersetzung mit diesen Erwägungen zu erörtern, ob und inwieweit eine Übertragung arbeitsrechtlicher Grundsätze zulässig und geboten ist. a) Das Urteil des BGH vom 24. 09. 2019 Einen wichtigen Ankerpunkt nimmt die Entscheidung des BGH vom 24. 09. 2019 ein, die bereits eingangs angesprochen wurde,549 und die höchstinstanzliche Positionierung in Bezug auf die Übertragbarkeit arbeitsgerichtlicher AGB-Rechtsprechung zu Freiwilligkeitsvorbehalten auf den Vorstandsvertrag mit sich bringt. Der Sachverhalt ist schnell wiederholt: Ein (ehemaliges) Vorstandsmitglied einer AG machte die Zahlung eines variablen Vergütungsbestandteils geltend, der ausweislich des vorformulierten Anstellungsvertrags vom Aufsichtsrat nach billigem Ermessen und in Einklang mit geltendem Recht, insbesondere § 87 AktG, zusätzlich zum Jahresbruttogrundgehalt einmalig oder wiederholt gewährt werden konnte. Diese zusätzlichen Leistungen stellten nach den Bestimmungen des Anstellungsvertrags in jedem Fall freiwillige Zuwendungen dar, sodass weder ein Rechtsanspruch auf Gewährung noch auf Ermessensentscheidung des Aufsichtsrates aus ihnen abgeleitet werden konnte. Darüber hinaus war vereinbart, dass es dem Aufsichtsrat auch möglich sein sollte, solche Sonderzuwendungen, Gratifikationen oder ähnliches für außerordentliche Leistungen des Vorstandsmitglieds festzulegen, die ebenfalls dem Vorbehalt der Freiwilligkeit unterliegen sollten. Die Vorinstanz, das OLG Frankfurt a. M., argumentierte, die Bestimmung stelle eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar, weil sie so auszulegen sei, dass sie sich auf jegliche leistungsabhängige Vergütungsbestandteile erstrecke, die zur Leistung des Vorstandsmitglieds in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stünden. Da diese aber das festgelegte Jahresbruttogrundgehalt des Vorstandsmitglieds um ein Vielfaches übersteigen könnten und ihnen insoweit eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung beizumessen sei, ergebe sich die Gefahr einer „willkürliche[n] Verschiebung der Größenordnung des Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung“550. Es könne hier nichts anderes als im Arbeitsrecht gelten, in dem eine mit der Dienstleistung im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Vergütung nach der Rechtsprechung des BAG nicht unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden könne.551 Nach diesen Maßstäben sei die gegenständliche Klausel als unwirksam zu qualifizieren; dem Vorstandsmitglied stehe daher ein Anspruch auf Ermessensentscheidung nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB zu, die durch das Gericht getroffen werden könne.552 549 550 551 552

S. schon Gliederungspunkt C. I. 4. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111, Rn. 40. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111, Rn. 40. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111, Rn. 27.

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Anders sah dies der BGH: Der Anspruch des Vorstandsmitglieds auf die begehrte Zahlung sei zu verneinen, da der betreffende Freiwilligkeitsvorbehalt einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB standhalte. Angesichts der Unterschiede zwischen Arbeitnehmer und Vorstandsmitglied bestünden schon erhebliche Bedenken, die Rechtsprechung des BAG auf den Vorstandsdienstvertrag zu übertragen. Insbesondere sei das Vorstandsmitglied als Organ der Gesellschaft persönlich unabhängig, leite diese gemäß § 76 Abs. 1 AktG unter eigener Verantwortung und unterliege damit keinem Direktionsrecht. Im Unterschied zur Rechtslage im Arbeitsrecht könnten Zielvereinbarungen mit Vorständen ohnehin nicht uneingeschränkt geschlossen werden, sondern nur insoweit, als sie nicht in unzulässiger Weise auf die Leitungsautonomie des Vorstands Einfluss nehmen würden; dies bedeute, dass eine Ausrichtung an anderen Kriterien stattfinden müsse. Als Überdies-Argument führt der BGH an, dass das Vorstandsmitglied im Unterschied zum Arbeitnehmer besonderen Treubindungen unterliege und angesichts dessen sogar unter Umständen nachträgliche Anpassungen seines Gehalts hinnehmen müsse. Damit sei eine gegenüber der Rechtslage im Arbeitsrecht abweichende Beurteilung angezeigt. Jedenfalls aber – und hierin lag vor allem der entscheidende Unterschied zu den Ausführungen des Berufungsgerichts – sei die Klausel dahingehend auszulegen, dass sie sich eben nicht auf synallagmatische Leistungen beziehe und damit auch keine nachträgliche Verschiebung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung zu besorgen sei. b) Meinungsstand im Schrifttum Eine allgemeine Auseinandersetzung mit unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gewährten variablen Vergütungsbestandteilen in Vorstandsverträgen hat im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum, soweit ersichtlich, nicht stattgefunden. In der Literatur werden lediglich sog. Ermessenstantiemen, die die Zahlung eines variablen Vergütungsbestandteils ausdrücklich ins pflichtgemäße Ermessen des Aufsichtsrates stellen,553 bzw. Sonderboni für außerordentliche Leistungen, deren Gewährung ebenfalls im Ermessen des Aufsichtsrates stehen soll,554 angesprochen. Im Gegensatz zum Freiwilligkeitsvorbehalt, nach dem jedwede Bindung ausdrücklich ausgeschlossen sein soll, wird hierbei aber regelmäßig – sofern nicht ausdrücklich auf die Freiwilligkeit der Gewährung hingewiesen wird555 – eine vertragliche Grundlage für 553

Hierzu GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 87 Rn. 190; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 29; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 87 Rn. 118 ff.; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 5 Rn. 112 f. 554 MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 87 Rn. 119 ff.; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 5 Rn. 39 f., 113, § 28 Rn. 15: „Mannesmann-Klausel“. 555 Andeutungsweise in Schelling, in: Beck’sche Online-Formulare Vertrag, 52. Edt., Stand: 01. 03. 2020, 2.3.4 Vorstandsdienstvertrag (ausführlich, mit Pensionszusage), § 5 Abs. 4: „Für besondere Leistungen des Vorstands für die Gesellschaft und bei entsprechendem besonderem wirtschaftlichem Erfolg der Gesellschaft kann der Aufsichtsrat durch Beschluss eine zusätzliche freiwillige Tantieme beschließen.“ (Hervorhebung durch die Verfasserin).

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einen Anspruch auf Ermessensentscheidung geschaffen.556 Das heißt, es besteht zwar kein Anspruch, dass eine bestimmte Leistung gewährt wird, aber regelmäßig ein Anspruch auf eine Ermessensentscheidung des Aufsichtsrates. Überdies beschränken sich die Ausführungen auf eine Auseinandersetzung mit den Kriterien der Ermessensausübung – also der zweiten Stufe, nachdem ein Anspruch auf Ermessensentscheidung anerkannt wurde. Die konkrete Ermessensausübung unterliegt jedoch nur der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und wird im Hinblick auf ihre Wirksamkeit nicht nach AGB-rechtlichen Bestimmungen beurteilt.557 Im Übrigen fehlen Publikationen. Eine Erörterung der Thematik vorstandsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalte aus dem Blickwinkel AGB-rechtlicher Schranken wurde erst durch die genannten Judikate in Gang gesetzt.558 Trotz des im Jahre 2019 ergangenen höchstinstanzlichen Urteils finden sich ausführliche Positionierungen bislang nur vereinzelt. Teilweise wird das Urteil des BGH als für die Praxis verbindlich hingenommen, ohne die aufgestellten Grundsätze kritisch zu hinterfragen.559 Vehementen Widerspruch in Bezug auf Begründung und Ergebnis äußert, soweit ersichtlich, lediglich Kort: So sei bereits die Vereinbarung eines pauschalen Freiwilligkeitsvorbehalts in einem Vorstandsvertrag nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.560 Zwar seien die arbeitsrechtlichen Grundsätze – insofern gebühre dem BGH-Urteil Zustimmung – nicht übertragbar. Denn der AGB-rechtliche Kontrollmaßstab von Freiwilligkeitsvorbehalten in Arbeitsverträgen einerseits und in Anstellungsverträgen mit Vorstandsmitgliedern andererseits richte sich nach unterschiedlichen Kriterien.561 Die Unwirksamkeit folge aber aus zwingenden gesellschaftsrechtlichen Prinzipien, die der BGH in seiner Entscheidung gänzlich ausblende. Vor dem Hintergrund der Vorgaben nach § 87 AktG sowie des im „Mannesmann“-Urteil562 des BGH entwickelten Grundsatzes, dass sich die Vorstandsvergütung nicht als Verschwendung von Gesellschaftsvermögen (waste of corporate property) darstellen dürfe, könne die Gewährung der Vorstandsvergütung schon per se nicht „freiwillig“ erfolgen.563 Überdies verstoße die bezüglich der Vergütungshöhe „völlig vage Regelung“ der variablen Vergütung gegen § 307 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB. Denn die Formulierung weiche von Formulierungsvorschlägen 556

BGH, Urt. v. 21. 12. 2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522, 525, Rn. 24. BGH, Urt. v. 21. 04. 1975 – II ZR 2/73, WM 1975, 761, 762; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 5 Rn. 112. 558 S. nur Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 726; Löw, AG 2018, 837, 839, der der Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. jedenfalls im Ergebnis zustimmt; das Flexibilitätsinteresse des Dienstberechtigten rechtfertige allenfalls die Vereinbarung einer Ermessensregelung. 559 So BeckOK-BGB/Baumgärtner, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 611 Rn. 42; Arnold, ArbRAktuell 2019, 619; Dittert/v. Mettenheim, DStR 2020, 295, 298; in vorsichtiger Zustimmung Stoffels, LMK 2020, 426472; Winzer/Launer/Schaaf, NZG 2020, 376 ff. 560 Kort, NZG 2020, 121, 123 f.; Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 722 f. 561 Kort, NZG 2020, 121, 124; Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 718, 722 ff.; in diese Richtung auch Stoffels, LMK 2020, 426472. 562 Grundlegend BGH, Urt. v. 21. 12. 2005 – 3 StR 470/04, NStZ 2006, 214. 563 Kort, NZG 2020, 121, 123 ff.; Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 723. 557

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der Kautelarpraxis erheblich ab, worin bereits eine unangemessene Benachteiligung zu erblicken sei. Hiermit gehe einher, dass sie sich nicht als hinreichend klar und verständlich i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB erweise.564 Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass sich das gesellschaftsrechtliche Schrifttum in Übereinstimmung mit der BGH-Rechtsprechung überwiegend gegen eine Übertragung arbeitsrechtlicher Maßstäbe bei der Beurteilung der AGB-rechtlichen Zulässigkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten in Vorstandsverträgen ausspricht. Welche Anforderungen stattdessen aus der Perspektive des AGB-Rechts zu formulieren sind, bleibt indes weitgehend unbeantwortet. 3. Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs: Der Freiwilligkeitsvorbehalt als Vertragsbedingung Basierend auf der Behandlung von Freiwilligkeitsvorbehalten in Formulararbeitsverträgen sowie dem Status quo in Rechtsprechung und Lehre bezogen auf Vorstandsverträge als Einstiegspunkt ist nunmehr eine systematische Prüfung AGBrechtlicher Anforderungen an ebensolche Klauseln vorzunehmen. Bevor sich der Frage nach der Übertragbarkeit arbeitsrechtlicher Maßstäbe zuzuwenden ist, muss zuerst denklogisch geklärt werden, ob es sich bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt überhaupt um eine Vertragsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB handeln kann. Dass ein Freiwilligkeitsvorbehalt schon per se nicht als Vertragsbedingung einzuordnen ist und damit von vornherein der Anwendungsbereich des AGB-Rechts mangels Vorliegens von AGB verschlossen ist, wird, wie angesprochen, im arbeitsrechtlichen Schrifttum zuweilen vertreten.565 Argumentiert wird damit, dass es sich dann nicht um eine Vertragsbedingung handeln kann, wenn der Verwender mit der Bestimmung ausdrückt, er wolle sich eben nicht vertraglich binden. Dann liege vielmehr ein rechtliches nullum vor.566 Der BGH beschäftigt sich mit dieser Problematik – wie die Vorinstanz, die lediglich das Merkmal des „Stellens“ problematisiert567 – mit keiner Silbe, wenngleich er die Klausel dahingehend auslegt, dass der Aufsichtsrat in seiner Entscheidung über das „Ob“ einer Gewährung frei sein 564

Kort, NZG 2020, 121, 124; Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 723 f. Hanau, ZIP 2005, 1661, 1666; Hromadka/Schmitt-Rolfes, NJW 2007, 1777, 1780; Quink, Inhaltskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten, 2010, S. 41 ff.; Ricken, DB 2006, 1372, 1374; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 268; Thüsing/Leder, BB 2005, 1563, 1567 f.; dieser Ansicht zuneigend auch noch BAG, Urt. v. 30. 07. 2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173, 1174, Rn. 16; a.A. ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 310 BGB Rn. 68; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 74; Lembke, NJW 2010, 257, 261; Preis/Sagan, NZA 2012, 697, 700; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl. 2019, § 35 Rn. 6. 566 Hanau, ZIP 2005, 1661, 1666; Hromadka/Schmitt-Rolfes, NJW 2007, 1777, 1780; Quink, Inhaltskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten, 2010, S. 42; Raab, FS Birk, 2008, S. 659, 684; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 268; Thüsing/Leder, BB 2005, 1563, 1567 f. 567 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111, Rn. 29. 565

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solle und ein Rechtsbindungswille daher nicht auszumachen sei.568 Im Gegenteil erschöpfen sich seine Ausführungen zum Anwendungsbereich des AGB-Rechts darin, dass es sich, wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt habe, bei dem betreffenden Freiwilligkeitsvorbehalt um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB handele.569 Angesichts dessen bedarf es eines genaueren Blicks auf die Definition der Vertragsbedingung: Eine Vertragsbedingung ist in jeder privatrechtlichen Regelung zu erblicken, die unabhängig von ihrem Charakter als Haupt- oder Nebenabrede den Inhalt des Rechtsgeschäfts betrifft, das der Verwender und sein Vertragspartner abschließen.570 Dabei ist zwar erforderlich, dass die Regelung eine bestimmte rechtliche Wirkung entfaltet; gleichwohl muss sie nicht unmittelbar vertragliche Rechte und Pflichten festlegen. Es genügt vielmehr, dass vertragliche Rechte oder Pflichten jedenfalls mittelbar durch die Bestimmung beeinflusst werden.571 Abzugrenzen ist die Vertragsbedingung von unverbindlichen Hinweisen, Bitten oder tatsächlichen Informationen ohne rechtlichen Regelungsgehalt.572 Mögen die Übergänge zwar fließend sein, so ist eine Vertragsbedingung ausgehend vom Empfängerhorizont der Verwendergegenseite aber bereits dann gegeben, wenn „ein allgemeiner Hinweis nach seinem objektiven Wortlaut bei den Empfängern den Eindruck hervorruft, es solle damit der Inhalt eines vertraglichen oder vorvertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden“573. a) Der rechtliche Regelungsgehalt arbeitsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalte Nach diesen Maßstäben ist eine Eröffnung des Anwendungsbereichs des AGBRechts jedenfalls im Arbeitsrecht bei sämtlichen Freiwilligkeitsvorbehalten dogmatisch zwingend. Dies zeigt – wie unter anderem Preis/Sagan574 für den Arbeitsvertrag zutreffend ausführen – ein näherer Blick auf die Rechtslage, die bei der 568

BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 680, Rn. 16. BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 680, Rn. 13. 570 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 305 BGB Rn. 7; s. auch BeckOKBGB/Becker, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 305 Rn. 12; MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 305 Rn. 9; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl. 2019, § 35 Rn. 6. 571 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 305 BGB Rn. 7. 572 BGH, Urt. v. 09. 04. 2014 – VIII ZR 404/12, BeckRS 2014, 9743, Rn. 24; Urt. v. 04. 02. 2009 – VIII ZR 32/08, NJW 2009, 1337, 1338, Rn. 11; Urt. v. 03. 07. 1996 – VIII ZR 221/95, NJW 1996, 2574, 2575; BeckOK-BGB/Becker, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 305 Rn. 16; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 305 BGB Rn. 7. 573 BGH, Urt. v. 09. 04. 2014 – VIII ZR 404/12, BeckRS 2014, 9743, Rn. 24; Urt. v. 04. 02. 2009 – VIII ZR 32/08, NJW 2009, 1337, 1338, Rn. 11; Urt. v. 03. 07. 1996 – VIII ZR 221/95, NJW 1996, 2574, 2575; BeckOK-BGB/Becker, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 305 Rn. 16. 574 Preis/Sagan, NZA 2012, 697, 700; zust. Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 195; ähnlich auch schon Mikosch, FS Düwell, 2011, S. 115, 124 f. 569

IV. Freiwilligkeitsvorbehalte

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Gewährung nicht geschuldeter Leistungen, die keinem Freiwilligkeitsvorbehalt unterliegen, gegeben ist: In einem solchen Fall muss im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont ermittelt werden, ob ein Verpflichtungswille des Dienstberechtigten auch bezüglich künftiger Leistungen auszumachen ist. Dies mag man insbesondere bei einer wiederholten Erbringung gleicher oder jedenfalls ähnlicher Sonderleistungen annehmen. Bei kollektivem Bezug kann sich hieraus eine betriebliche Übung entwickeln.575 Eine betriebliche Übung bezeichnet als ein für das Arbeitsrecht entwickeltes Rechtsinstitut die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen seine Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden.576 Dabei bezieht sie sich auf eine Vielzahl von Arbeitnehmern oder jedenfalls eine abgrenzbare Gruppe, ohne dass individuelle Besonderheiten die vertraglichen Beziehungen gestalten; insoweit weist die betriebliche Übung ein kollektives Element auf.577 Aber auch unabhängig vom kollektiven Element wird man ein solches Verhalten nach Treu und Glauben regelmäßig als konkludente Offerte des Arbeitgebers, sich dauerhaft zu verpflichten, auffassen müssen. Die Annahme eines derartigen Angebots durch den Arbeitnehmer erfolgt dann gemäß § 151 S. 1 BGB durch bloße Entgegennahme der Leistung mit der Konsequenz, dass eine konkludente Änderung des Arbeitsvertrages vorgenommen wird und ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf nochmalige Gewährung der Leistung in der Zukunft begründet wird.578 Dies zugrunde legend stellt sich ein Freiwilligkeitsvorbehalt nicht als unverbindlicher Hinweis auf den fehlenden Verpflichtungswillens dar.579 Im Gegenteil handelt es sich hierbei um „eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung, die eine dauerhafte Verpflichtung des Arbeitgebers entgegen einer möglicherweise erfolgten konkludenten Änderung des Arbeitsvertrags verhindern soll“580. Ins gleiche Horn bläst mittlerweile auch das BAG, das in einer Entscheidung im Jahre 2014 in Bezug auf einen Freiwilligkeitsvorbehalt grundlegend ausgeführt hat, dass eine Klausel, die darauf abzielt, die Entstehung einer 575 BAG, Urt. v. 17. 04. 2013 – 10 AZR 251/12, NJOZ 2013, 1705, 1706, Rn. 16; Urt. v. 21. 04. 2010 – 10 AZR 163/09, NZA 2010, 808, 809, Rn. 11; Urt. v. 11. 04. 2006 – 9 AZR 500/ 05, NZA 2006, 1089, 1090 f., Rn. 15; Urt. v. 06. 12. 1995 – 10 AZR 123/95, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 186. 576 BAG, Urt. v. 19. 08. 2015 – 5 AZR 450/14, BeckRS 2016, 65017, Rn. 20; Urt. v. 14. 09. 2011 @ 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, Rn. 12; Urt. v. 30. 07. 2008 – 10 AZR 606/07, BeckRS 2008, 56590, Rn. 27; Urt. v. 11. 10. 1995 – 5 AZR 802/94, NZA 1996, 718, 719; Urt. v. 14. 09. 1994 – 5 AZR 679/93, NZA 1995, 419, 420. 577 BAG, Urt. v. 17. 04. 2013 – 10 AZR 251/12, NJOZ 2013, 1705, 1706, Rn. 16; Urt. v. 21. 04. 2010 – 10 AZR 163/09, NZA 2010, 808, 809, Rn. 11; Urt. v. 11. 04. 2006 – 9 AZR 500/ 05, NZA 2006, 1089, 1090 f., Rn. 15; Urt. v. 06. 12. 1995 – 10 AZR 123/95, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 186. 578 Mikosch, FS Düwell, 2011, S. 115, 116; Preis/Sagan, NZA 2012, 697, 700; grundlegend zur betrieblichen Übung RAG, Urt. v. 19. 01. 1938 – 4 RAG 153/37, RAGE 19, 281. 579 Preis/Sagan, NZA 2012, 697, 700; zust. Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 195. 580 Preis/Sagan, NZA 2012, 697, 700.

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betrieblichen Übung zu verhindern, die Bedeutung eines späteren Erklärungsverhaltens bereits im Vertrag festlegt, und auf diese Weise eine Gestaltung des vertraglichen Inhalts vornimmt.581 Damit erweist sich die Klausel als verbindliche Vorgabe für den Inhalt künftiger konkludenter Vertragsgestaltung. Hierin liegt die für die Annahme einer Vertragsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche rechtliche Wirkung. Die Bestimmung muss auch nicht unmittelbar vertragliche Rechte oder Pflichten festlegen, sondern eine mittelbare Beeinflussung des Vertragsinhalts ist als ausreichend zu erachten. Eine solche Beeinflussung aber ist offensichtlich: Soweit die Gewährung künftiger Leistungen als konkludente Vertragsgestaltung auszulegen ist, wird dieser durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt „der Wind aus den Segeln genommen“, indem ein Rechtsanspruch für die Zukunft im Voraus ausgeschlossen wird. Ein pauschaler Freiwilligkeitsvorbehalt bewirkt also, dass ein künftiges Arbeitgeberverhalten in Abweichung von den allgemeinen Auslegungsregeln i.S.v. §§ 133, 157 BGB interpretiert wird. Letztlich ist er daher nicht mehr als eine Auslegungsregel, die zweifelsohne dem Anwendungsbereich des AGB-Rechts unterfällt.582 Ein arbeitsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt ist also, unabhängig davon, ob er sich auf echte Gratifikationen oder auf Entgeltbestandteile bezieht, richtigerweise als Vertragsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB einzuordnen. b) Der rechtliche Regelungsgehalt vorstandsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalte Damit ist freilich noch nicht geklärt, ob Gleiches für den Vorstandsvertrag gelten muss. Dies wäre jedenfalls dann der Fall, wenn die Gewährung von Sonderleistungen ohne Freiwilligkeitsvorbehalt auch beim Vorstandsvertrag nach den allgemeinen Auslegungsregeln gemäß §§ 133, 157 BGB auf einen Verpflichtungswillen der Gesellschaft auch für die Zukunft schließen lässt bzw. ob der Freiwilligkeitsvorbehalt auch hier die Bedeutung eines späteren Erklärungsverhaltens vorab festlegt, indem der Entstehung einer betrieblichen Übung respektive einer möglicherweise konkludenten Änderung des Vorstandsvertrags entgegengewirkt wird. Das wäre aber nur dann der Fall, wenn die mehrmalige Gewährung einer bestimmten Leistung auch gegenüber einem Vorstandsmitglied dahingehend auszulegen sein kann, dass ein Anspruch auf abermalige Gewährung in der Zukunft begründet werden soll.

581 BAG, Urt. v. 19. 03. 2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, 598, Rn. 28; zweifelnd noch BAG, Urt. v. 30. 07. 2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173, 1174, Rn. 16; ähnlich auch Mikosch, FS Düwell, 2011, S. 115, 125. 582 So zu Recht Preis/Sagan, NZA 2012, 697, 700; zust. Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 195.

IV. Freiwilligkeitsvorbehalte

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aa) Verhinderung der Entstehung einer betrieblichen Übung Eine dauerhafte Verpflichtung kann insbesondere aus einer betrieblichen Übung resultieren.583 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob auch beim Vorstandsvertrag ein Anspruch im Wege betrieblicher Übung begründet werden kann, die durch einen entsprechenden Freiwilligkeitsvorbehalt verhindert werden könnte. In seiner Entscheidung aus dem Jahr 2019 hat der BGH ausgeführt, die einmalige Gewährung eines Bonus könne in jedem Fall noch keine betriebliche Übung begründen; schon deswegen könne das Institut in dem betreffenden Fall nicht zur Entstehung eines Anspruchs führen.584 Auch unabhängig von den konkreten Einzelfallumständen erscheint die generelle Anerkennung des Instituts im Vorstandsrecht problematisch. Für den GmbH-Geschäftsführer hat der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 1969 ausdrücklich anerkannt, dass im Einzelfall ein Anspruch im Wege betrieblicher Übung begründet werden kann – ohne sich mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit dieses arbeitsrechtsspezifisch entwickelte Institut überhaupt auf andere Dienstverträge Anwendung finden kann.585 Der BGH räumt jedoch ein, ein Anspruch kraft Übung werde bei Organmitgliedern ohnehin nur selten in Betracht kommen. Denn: Es müsse sich in dem betreffenden Unternehmen der ständige Brauch gebildet haben, Organmitgliedern ohne ausdrückliche Zusage eine bestimmte Leistung zu gewähren, was eine „genügende Anzahl im wesentlichen gleich liegender Fälle“586 voraussetze. Bei der Anstellung von Organmitgliedern würden dagegen „aber weitgehend individuelle Gesichtspunkte eine Rolle zu spielen pflegen“587. In einem Urteil aus dem Jahre 1990 hat der BGH einen im Wege betrieblicher Übung begründeten Anspruch nur deswegen verneint, weil die Sonderzahlung im Sachverhalt nur zwei- und nicht dreimal gewährt worden war.588 Eine Begründung, warum das Institut überhaupt anwendbar sein soll, lässt der BGH jedoch vermissen.589

Für den Vorstandsvertrag ist zwar – auch vom BGH590 – anerkannt, dass eine betriebliche Übung für die Auslegung des Anstellungsvertrags relevant sein kann.591 Gleichwohl geht die ganz herrschende Meinung davon aus, dass eine Anspruchs-

583

BAG, Urt. v. 13. 05. 2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992, Rn. 11. BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 682 f., Rn. 36. 585 BGH, Urt. v. 17. 02. 1969 – II ZR 19/68, BeckRS 1969, 31368135. 586 BGH, Urt. v. 17. 02. 1969 – II ZR 19/68, BeckRS 1969, 31368135. 587 BGH, Urt. v. 17. 02. 1969 – II ZR 19/68, BeckRS 1969, 31368135. 588 BGH, Urt. v. 14. 05. 1990 – II ZR 122/89, NJW-RR 1990, 1313, 1314. 589 Hierzu kritisch Nebendahl, NZA 1992, 289, 290. 590 BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 682, Rn. 36; Urt. v. 19. 12. 1994 – II ZR 244/93, AG 1995, 188 f. 591 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 87 Rn. 24; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 41; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 87 Rn. 69; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 56; a.A. GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 280, 469; Kort, NZG 2020, 121, 125. 584

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begründung im Wege betrieblicher Übung im Vorstandsrecht nicht möglich ist.592 Eine Begründung hierfür unterbleibt indes überwiegend gänzlich; nur vereinzelt wird darauf verwiesen, dass das Institut unter Arbeitnehmerschutzgesichtspunkten entwickelt worden sei und daher nicht in anderen Rechtsbereichen herangezogen werden könne.593 Doch ist dem tatsächlich so? Den Schutzgedanken der betrieblichen Übung gilt es näher zu ergründen, wenngleich schon vorab einzuräumen ist, dass es trotz einer Vielzahl an Judikaten, Aufsätzen und Monographien bis heute nicht gelungen ist, abschließende Klarheit über den Geltungsgrund der anspruchsbegründenden Wirkung betrieblicher Übungen zu erlangen.594 (1) Geltungsgrund des Instituts Ein kurzer Blick auf die Entstehungsgeschichte mag zur Konturierung der teleologischen Grundlage einen ersten Zugriff ermöglichen: Vor über 80 Jahren ersann sich das RAG auf das Institut, das sich in der Folgezeit zum arbeitsrechtlichen Standardrepertoire entwickelte.595 Dabei zog das RAG noch die mittlerweile als überkommen angesehene normative Begründung heran, der Arbeitgeber schaffe durch seine tatsächliche Übung ein Gesetz des Betriebes, nach dem er zur Fortsetzung seines Verhaltens verpflichtet sei.596 In der Folgezeit etablierte sich in der Rechtsprechung und einem Teil des Schrifttums die sog. Vertragstheorie, nach der in der vorbehaltlosen Gewährung einer Leistung ein Angebot auf Vertragsänderung liege, das der Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB durch Entgegennahme der Leistung annehme,597 und im überwiegenden Teil der Literatur der Ansatz der Vertrauenshaftung, nach dem der Anspruch seine Grundlage in der Erwirkung habe, indem das Verhalten des Arbeitgebers ein schutzwürdiges Vertrauen des Arbeitnehmers auf

592 BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 632, Rn. 36; Hüffer/Koch/ Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 87 Rn. 24; GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 280, 469; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 41; Fleischer/Thüsing, Vorstandsrecht, 2006, § 4 Rn. 56; Kort, NZG 2020, 121, 125. 593 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 280, 469; Kort, NZG 2020, 121, 125. 594 Exemplarisch aus dem Schrifttum zu der Problematik Bepler, RdA 2005, 323 ff.; Bepler, RdA 2004, 226 ff.; Eberle, Die betriebliche Übung, 1971; Florig, Rechtsnatur und Abdingbarkeit betrieblicher Übungen, 1993; Füllkrug, Die betriebliche Übung, 1969; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999; Maties, DB 2005, 2689 ff.; Mengel, Die betriebliche Übung, 1967; Picker, Die betriebliche Übung, 2011; Preis, NZA 2009, 281 ff.; Reiter, ZfA 2006, 361 ff.; Ricken, DB 2006, 1372 ff.; Seiter, Die Betriebsübung, 1967; Thüsing, NZA 2005, 718 ff.; Ulrici, BB 2005, 1902 ff.; Walker, JuS 2007, 1 ff. 595 RAG, Urt. v. 19. 01. 1938 – 4 RAG 153/37, RAGE 19, 281; s. auch Thüsing, NZA 2005, 718. 596 RAG, Urt. v. 19. 01. 1938 – 4 RAG 153/37, RAGE 19, 281. 597 BAG, Urt. v. 19. 03. 2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, 598, Rn. 28; s. auch schon Urt. v. 09. 03. 1961 – 5 AZR 114/60, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 5; Urt. v. 13. 10. 1960 – 5 AZR 284/59, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 30; aus der Literatur Hueck, FS Lehmann II, 1956, S. 633, 636 f.; Säcker, Gruppenautonomie, 1972, S. 485 ff.

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Weitergewährung geschaffen habe.598 Unabhängig vom dogmatischen Ansatzpunkt lässt sich ein weitgehender Konsens dahingehend feststellen, dass das Leitmotiv der betrieblichen Übung die soziale Schutzbedürftigkeit des Leistungsempfängers ist.599 Aus sozialen Gründen sei es geboten, dem Arbeitnehmer einen Anspruch zu gewähren, da ihm ansonsten der überraschende Wegfall von Besitzständen drohe.600 Hinzu trete – so schon Hanau vor 55 Jahren – aus der besonderen Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers das Verbot, seinem Arbeitnehmer „zunächst während längerer Zeit Hoffnung auf bestimmte Leistungen zu machen, sich später jedoch auf die Freiwilligkeit der Leistung zu berufen“601. Dass dies ein Spezifikum des Arbeitsrechts sei, verdeutlicht Canaris an dem Exempel eines Mieters, der für bestimmte Zeit irrtümlich oder freiwillig eine höhere als die geschuldete Miete entrichte; ein solches Verhalten sei nicht als Offenbarung eines Bindungswillens zu erachten, weil der Vermieter nicht sozial schutzwürdig sei und der Erhalt einer höheren Miete typischerweise nicht seine Lebenshaltung beeinflusse.602 Auch – als zweites Beispiel – ein Postbote, der jedes Jahr vom Briefempfänger ein Geldgeschenk erhalte, erwerbe keinen Anspruch auf fortwährenden Erhalt, möge die Übung noch so lange dauern.603 Letztlich komme es also eben nicht lediglich auf die fortgesetzte gleichförmige Leistungsgewährung an, sondern zusätzlich auf die „wirtschaftliche und soziale Überlegenheit des Arbeitgebers und die damit zusammenhängende besondere Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers“604 und das besondere Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien, das entsprechende Erwartungshaltungen verursachen könne. (2) Schlussfolgerungen für den Vorstandsvertrag Dies zugrunde legend wäre eine Anwendung des Instituts auf den Vorstandsvertrag geboten, wenn der anerkannte Geltungsgrund des Rechtsinstituts, die soziale Schutzbedürftigkeit des Leistungsempfängers, gleichermaßen für das Vorstandsmitglied herangezogen werden könnte. Ein Blick auf den Charakter des Anstellungsvertrags vermag auf den ersten Blick zu einer Argumentation in diese Richtung zu leiten: Das Vorstandsmitglied befindet sich – wie der Arbeitnehmer – in einem 598 Canaris, Vertrauenshaftung, 1973, S. 386 ff.; Hanau, AcP 165 (1965), 220, 261; Hromadka, NZA 1984, 241, 244; Seiter, Die Betriebsübung, 1967, S. 92 ff.; Thüsing, NZA 2005, 718, 722 f. 599 So etwa Canaris, Vertrauenshaftung, 1971, S. 382, 386; Nebendahl, NZA 1992, 289, 292; ausführlich zum Ganzen Picker, Die betriebliche Übung, 2011, S. 117 ff. m.w.N. 600 Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 335; s. auch Hanau, AcP 165 (1965), 220, 261; Picker, Die betriebliche Übung, 2011, S. 117. 601 Hanau, AcP 165 (1965), 220, 261; ähnlich Canaris, Vertrauenshaftung, 1971, S. 386: „die das gesamte Arbeitsverhältnis beherrschende und prägende Fürsorgepflicht“. 602 Canaris, Vertrauenshaftung, 1971, S. 382; hierzu auch Picker, Die betriebliche Übung, 2011, S. 117. 603 Seiter, Die Betriebsübung, 1967, S. 68. 604 Canaris, Vertrauenshaftung, 1971, S. 386.

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längerfristigen entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis, in dem es hauptberuflich seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellt; mit der Vergütung sichert es im Regelfall seine Lebensgrundlage ab.605 Insofern kann regelmäßig von einer wirtschaftlichen Abhängigkeit ausgegangen werden, die der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers zwar nahesteht, aber ihr nicht gleichkommt.606 Anders gesagt: Auch das Vorstandsmitglied ist darauf angewiesen, dass es von der Gesellschaft Geld bekommt, damit es seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Dennoch wird man eine entsprechende soziale Schutzbedürftigkeit, die als primärer Geltungsgrund der betrieblichen Übung angeführt wird, beim Vorstandsmitglied verneinen müssen. Diesbezüglich ist auf die Erwägungen zu verweisen, die im Kontext der Abgrenzung zum Arbeitnehmerähnlichen angestellt wurden:607 Bei der Feststellung einer sozialen Schutzbedürftigkeit ist maßgeblich, ob „unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls und der Verkehrsanschauung das Maß der Abhängigkeit einen solchen Grad erreicht, wie er im Allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt, und die geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind“608. An diesem Kriterium, das neben der wirtschaftlichen Abhängigkeit als kumulatives Element die Ähnlichkeit zum Arbeitnehmer herstellt, mangelt es anerkanntermaßen insbesondere, wenn der Dienstverpflichtete hohe Einkünfte erzielt609 und im Wesentlichen Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt.610 Beides ist der Fall: Die Ausübung von Arbeitgeberbefugnissen ergibt sich insbesondere aus der Rolle des Vorstandsmitglieds als Vertretungsorgan der AG, die auch den Anstellungsvertrag charakterisiert. Insbesondere aber dürften die Einkünfte das Gehalt eines typischen Arbeitnehmers in erheblichem Maße überschreiten, sodass die bestehende wirtschaftliche Abhängigkeit nicht ein solches Ausmaß wie in einem durchschnittlichen Arbeitsverhältnis erreicht. Soweit unter Anführung der hohen Bezüge bereits die wirtschaftliche Abhängigkeit abgelehnt wird,611 so wird verkannt, dass die Höhe der Vergütung allein die Verneinung der sozialen Schutzbedürftigkeit zu begründen vermag; ein Argument gegen die wirt605

MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 60, 70; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 206; Henssler, RdA 1992, 289, 294 f.; Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 79. 606 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 278; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 60; Henssler, RdA 1992, 289, 294 f. 607 Ausführlich unter Gliederungspunkt A. III. 4. 608 St. Rspr., s. BAG, Beschl. v. 21. 01. 2019 – 9 AZB 23/18, NZA 2019, 490, 494 f., Rn. 36; Urt. v. 17. 01. 2006 – 9 AZR 61/05, NJOZ 2006, 3821, 3822, Rn. 14 m.w.N. 609 BAG, Beschl. v. 21. 02. 2007 – 5 AZB 52/06, NZA 2007, 699, 700, Rn. 12; Willemsen/ Müntefering, NZA 2008, 193, 199 unter Verweis auf BGH, Beschl. v. 04. 11. 1998 – VIII ZB 12/ 98, NZA 1999, 53; BAG, Urt. v. 02. 10. 1990 – 4 AZR 106/90, NZA 1991, 239; Urt. v. 23. 12. 1961 – 5 AZR 53/61, NJW 1962, 1125; so auch GMP/Müller-Glöge, ArbGG, 9. Aufl. 2017, § 5 Rn. 35. 610 BAG, Beschl. v. 21. 01. 2019 – 9 AZB 23/18, NZA 2019, 490, 495, Rn. 39; Beschl. v. 20. 08. 2003 – 5 AZB 79/02, NJW 2003, 3290, 3291; GMP/Müller-Glöge, ArbGG, 9. Aufl. 2017, § 5 Rn. 35. 611 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 31.

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schaftliche Abhängigkeit im Sinne eines Angewiesenseins auf den Erhalt einer Vergütung zur Sicherung der Existenzgrundlage ist das aber nicht. Geht man also davon aus, dass eine betriebliche Übung nur dann entstehen kann, wenn der Leistungsempfänger sozial schutzbedürftig ist, spricht dies gegen eine Anwendung des Instituts auf den Vorstandsvertrag. Eine Argumentation in die andere Richtung ergibt sich gleichwohl, wenn man das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien und die hieraus resultierenden Rücksichtnahmepflichten als maßgeblichen Ausgangspunkt sieht: Zwischen AG und Vorstandsmitglied besteht, wie bereits dargelegt, ein Treueverhältnis mit gegenseitigen Schutzpflichten.612 Dieses äußert sich zwar zumeist in besonderen Treubindungen insbesondere des Vorstandsmitglieds gegenüber der Gesellschaft.613 Jedoch sind Treupflichten des Vorstandsmitglieds „keine Einbahnstraße“614; im Gegenteil unterliegt auch die Gesellschaft rechtlichen Bindungen in Form bestimmter Schutzpflichten, was beispielsweise an der Voraussetzung des rechtlichen Grundes für die Abberufung eines Vorstandsmitglieds gemäß § 84 Abs. 3 S. 1 AktG deutlich wird.615 Die Treupflichten werden zwar korporationsrechtlich vermittelt, sind aber bei der Auslegung des Anstellungsvertrags zu berücksichtigen.616 Auf dieser Basis könnte man eine auf dem Treueverhältnis beruhende schützenswerte Erwartungshaltung des Vorstandsmitglieds in Bezug auf die Gewährung bestimmter, schon mehrmalig erbrachter Leistungen zugestehen. Hiergegen wird eingewandt, die Fürsorgepflichten zwischen Gesellschaft und Leitungsorgan und zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten unterschiedlichen Charakter und könnten aufgrund dessen nicht gleichgestellt werden: Während die Treuebeziehung des Geschäftsführers zur Gesellschaft durch die wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft geprägt sei, ergebe sich die Treupflicht des Arbeitgebers gegenüber seinem Arbeitnehmer aus einer besonderen Schutzbedürftigkeit, die insbesondere aus der Einbindung in eine Arbeitsorganisation resultiere.617 Dies ist zutreffend, sieht man die in verschiedenen Vorschriften ausgeprägte Pflicht des Arbeitgebers zur Rücksichtnahme vor allem als „Korrelat zu der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers“618, die sich aus der Einordnung des Arbeitnehmers in eine vom Arbeitgeber 612 S. zum Fürsorgeverhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied BGH, Urt. v. 18. 12. 1954 – II ZR 281/53, NJW 1955, 501; GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 279; KKAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 41; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 70; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 31, 76; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, 2. Aufl. 2014, Rn. 249 f.; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 199 ff., 207. 613 Hierzu BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 682, Rn. 27; Urt. v. 27. 10. 2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236, 1241, Rn. 52. 614 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 11. 615 Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 84 Rn. 11; s. auch GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 280; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 31. 616 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 279; 617 So Nebendahl, NZA 1992, 289, 293. 618 MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 901.

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gesteuerte Organisation ergebenden Gefährdungen entgegenwirken soll.619 Gleichwohl lässt sich die Treuebeziehung zwischen den Parteien auch daraus ableiten, dass der Dienstverpflichtete im Rahmen eines höchstpersönlichen Dauerschuldverhältnisses seine gesamte Arbeitskraft schuldet, im Gegenzug die Vergütung zur Sicherung seiner Existenzgrundlage erhält und sich daher ein besonderes Näheverhältnis der Parteien ergibt.620 Vor diesem Hintergrund gründet die Anerkennung des Rechtsinstituts teilweise auf Besonderheiten, die Arbeits- und Anstellungsvertrag gemein sind. Jedenfalls können diese aber angesichts der zu Recht von der herrschenden Meinung als Geltungsgrund des Instituts angeführten sozialen Schutzbedürftigkeit, die das Vorstandsmitglied nicht aufweist, nicht ausreichen, um eine anspruchsbegründende Wirkung der betrieblichen Übung auch im Vorstandsrecht anzuerkennen. Wenn aber kein Anspruch im Wege betrieblicher Übung begründet werden kann, geht mit der mehrmaligen Gewährung gleichartiger Leistungen auch keine konkludente Zusage einher. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt im Vorstandsvertrag wirkt dann keiner Entstehung einer betrieblichen Übung entgegen, denn eine solche kann für Vorstände ihrer Art nach gar nicht erwachsen. Die Argumentation zu arbeitsvertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalten ist insofern nicht übertragbar; der rechtliche Gehalt, der für die Annahme einer Vertragsbedingung erforderlich ist, kann nicht darin gesehen werden, dass die Entstehung einer betrieblichen Übung verhindert werden soll. Selbst wenn man die Geltung des Instituts im Vorstandsrecht anerkennt, so wird es oftmals – wie es der BGH für den GmbH-Geschäftsführer festgestellt hat621 – ohnehin am Vorliegen der Voraussetzungen scheitern. Denn der betrieblichen Übung wohnt, wie dargelegt, ein kollektives Element dahingehend inne, dass die Leistung an eine größere Anzahl an Personen erbracht wird, sodass auch hinsichtlich neu hinzutretender Gruppenmitglieder eine Anspruchsbegründung angenommen werden muss. Freilich gibt es auch mehrköpfige Vorstände, sodass der kollektive Bezug nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Auch wenn hier gesetzlich keine Höchstzahl vorgesehen ist, ist bei der Festlegung der Anzahl der Vorstandsmitglieder durch den Aufsichtsrat sicherzustellen, dass trotz einer mit steigender Anzahl von Vorstandsmitgliedern komplexer werdenden vorstandsinternen Unterrichtungs- und Abstimmungsvorgängen eine effiziente Arbeitsweise des Vorstands möglich ist.622 Insofern besteht eine faktische Begrenzung, die eine „Vielzahl“ oder „abgrenzbare Gruppe“ in den allermeisten Fällen ausschließen wird.

bb) Abweichung von der Grundauslegungsregel gemäß §§ 133, 157 BGB Auch wenn keine betriebliche Übung besteht, kann grundsätzlich für den Leistungsempfänger ein Anspruch entstanden sein, wenn aus dem tatsächlichen Ver619 MHdb ArbR/Reichold, 4. Aufl. 2018, § 91 Rn. 8; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 901; Reichold, Betriebsverfassung, 1995, S. 449, 512 ff. 620 Ähnlich GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 278. 621 BGH, Urt. v. 17. 02. 1969 – II ZR 19/68, BeckRS 1969, 31368135. 622 Hölters/Weber, AktG, 3. Aufl. 2017, § 76 Rn. 63.

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halten des Leistungserbringers auf ein Angebot geschlossen werden kann, das der Empfänger gemäß § 151 BGB durch schlüssiges Verhalten angenommen hat.623 Unabhängig von der Nichtgeltung des Rechtsinstituts der betrieblichen Übung im Vorstandsanstellungsrecht ist ein Freiwilligkeitsvorbehalt in Bezug auf bestimmte variable Vergütungsbestandteile jedoch seiner Art nach nicht als von §§ 133, 157 BGB abweichende Auslegungsregel zu verstehen. Denn dies wäre nur dann der Fall, wenn bei der (mehrmaligen) Gewährung eine Auslegung vom objektiven Empfängerhorizont darauf hindeuten könnte, dass ein entsprechendes Verhalten als individuelle konkludente Offerte der Gesellschaft, sich dauerhaft zu verpflichten, aufgefasst werden kann. Das aber ist schon unter Berücksichtigung der von § 87 AktG vorausgesetzten Vergütungsstruktur, die die Grundlage für die Bestimmung der Primärpflicht der Gesellschaft im Rahmen des Anstellungsvertrags bildet, fernliegend. Bereits im Kontext der Claw-Back-Klauseln wurde es dargelegt:624 Vorstandsmitglieder sollen in einem deutlich größeren Ausmaß an dem wirtschaftlichen Misserfolg des von ihnen geleiteten Unternehmens beteiligt werden können als Arbeitnehmer. Die Vergütung des Vorstands darf und soll zu einem erheblichen Anteil von seinen Leistungen und der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft abhängig gemacht werden.625 Insbesondere soll die Ausgestaltung der Vergütung langfristige Verhaltensanreize setzen – das ergibt sich für börsennotierte Gesellschaften aus § 87 Abs. 1 S. 2 und 3 AktG; für nichtbörsennotierte Gesellschaften folgt dies aus einem ungeschriebenen Grundsatz.626 Schon vor diesem Hintergrund kann die Gewährung einer individuellen Sonderleistung nicht auf einen dauerhaften Verpflichtungswillen schließen lassen, hat sich jede Form der Leistungsgewährung an das Vorstandsmitglied nach der aktienrechtlichen Konzeption doch stets an gesellschaftsbezogenen Kriterien zu orientieren. Eine Stütze erfährt dies auch durch einen systematischen Seitenblick auf § 87 Abs. 2 AktG. § 87 Abs. 2 AktG sieht ein Recht zur Herabsetzung der Bezüge in bestimmten Fällen vor. Hierbei handelt es sich um ein einseitiges Gestaltungsrecht der AG, das durch eine Gestaltungserklärung, die der Aufsichtsrat als Vertreter der Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied abgibt, ausgeübt wird.627 Hieran wird deutlich, dass der Vorstand in Bezug auf sein Entgelt besonderen Treubindungen unterliegt, was unter Umständen nachträgliche Gehaltsanpassungen oder sogar 623 Dies ist auch für das Arbeitsrecht anerkannt, s. BAG, Urt. v. 13. 05. 2015 – 10 AZR 266/ 14, NZA 2015, 992, Rn. 11; Urt. v. 14. 09. 2011 @ 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82, Rn. 13; Urt. v. 21. 04. 2010 – 10 AZR 163/09, NZA 2010, 808, 809 f., Rn. 17; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 15. 05. 2018 – 8 Sa 1/18, BeckRS 2018, 19156, Rn. 46; LAG Hessen, Urt. v. 11. 05. 2015 – 7 Sa 279/13, BeckRS 2016, 65748, Rn. 27. 624 S. oben unter Gliederungspunkt H. III. 3. d) aa) (1) (a). 625 S. BT-Drucks. 16/12278, S. 5; hierzu GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 87 Rn. 16. 626 So ausdrücklich die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 16/ 13433, S. 10. 627 BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236; s. auch Thüsing/Jänsch, FS Vetter, 2019, S. 803, 806.

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-kürzungen rechtfertigt.628 Auch Claw-Back-Klauseln, die die Rückforderung bestimmter variabler Vergütungsbestandteile unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen, sind zulässig.629 Wenn der Vorstand aber damit rechnen muss, dass er unter Umständen sogar einseitige Gehaltskürzungen oder Rückforderungsbegehren bestimmter Entgeltbestandteile hinzunehmen hat, dann kann er auf der anderen Seite nicht berechtigterweise davon ausgehen, dass eine auch mehrmalige Erbringung von Zusatzleistungen seitens der Gesellschaft einen entsprechenden dauerhaften Verpflichtungswillen enthält. Daher ist unabhängig von der Anzahl der erbrachten gleichförmigen Leistungen und ihrer Zulässigkeit anzunehmen, dass im Vorstandsrecht eine Auslegung dem Grunde nach keinen Verpflichtungswillen des Dienstberechtigten bezüglich einer dauerhaften Bindung in der Zukunft ergeben wird. Wenn aber eine Leistungserbringung nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht als konkludente Offerte zur Vertragsanpassung aufzufassen ist, bedeutet ein Freiwilligkeitsvorbehalt auch keine abweichende Auslegungsregel. Dieser erschöpft sich insoweit vielmehr in einem klarstellenden Hinweis auf die bestehende Rechtslage. cc) Abweichung vom Grundsatz pacta sunt servanda Ein vorstandsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt kann überdies nicht mit dem Argument als Vertragsbedingung eingeordnet werden, dass er vom Grundsatz pacta sunt servanda abweiche – wie es zuweilen für den Widerrufsvorbehalt vorgebracht wird.630 Denn der Freiwilligkeitsvorbehalt unterscheidet sich vom Widerrufsvorbehalt in seiner Rechtsdogmatik erheblich: Während sich der Dienstberechtigte bei einem Widerrufsvorbehalt das Recht einräumt, eine gewährte Leistung nachträglich wieder zurückzufordern, erlangt der Dienstverpflichtete bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt überhaupt keine Leistung, hinsichtlich deren Behaltendürfens er ein schutzwürdiges Vertrauen entwickeln könnte.631 Die AGB-rechtliche Einschränkung der Vereinbarung von Widerrufsvorbehalten rechtfertigt sich also aus dem Gedanken, dass die Verwendergegenseite in ihrem Vertrauen auf das Behaltendürfen einer erlangten Rechtsposition geschützt werden soll.632 Wenn nun nachträglich in diese vertraglich zugesicherte Rechtsposition eingegriffen wird, bedeutet dies zweifels628

BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 682, Rn. 27; Urt. v. 27. 10. 2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236, 1241, Rn. 52. 629 S. hierzu ausführlich Gliederungspunkt H. III. 3. 630 So insbesondere für eine Eröffnung der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle BAG, Urt. v. 14. 09. 2011 @ 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 85, Rn. 40; Urt. v. 25. 04. 2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853 f., Rn. 17. 631 Hromadka, DB 2012, 1037, 1038; Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 2017, 101, 105 f.; Quink, Inhaltskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten, 2010, S. 42; v. Westphalen/Thüsing/ Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Arbeitsverträge Rn. 289. 632 MHdb ArbR/Krause, 4. Aufl. 2018, § 63 Rn. 16; Quink, Inhaltskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten, 2010, S. 42.

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ohne eine Abweichung vom Grundsatz pacta sunt servanda.633 Anders ist in Bezug auf den Freiwilligkeitsvorbehalt zu urteilen, dem es eben schon an einer Vertragszusage, mithin einem pactum fehlt.634 Letztlich entfaltet er daher unter dieser Begründung keine, auch keine mittelbare rechtliche Wirkung.635 dd) Bestimmung des Umfangs dienstvertraglicher Pflichten bei „freiwillig“ gewährter Gegenleistung Gleichwohl ist eine Beeinflussung vertraglicher Pflichten – und damit die für die Annahme einer Vertragsbedingung erforderliche Regelungswirkung – darin zu sehen, dass ein Freiwilligkeitsvorbehalt Umstände zu bestimmen vermag, unter denen eine Hauptleistung überhaupt zustande kommt.636 Deutlicher: Soweit sich ein Freiwilligkeitsvorbehalt seiner Auslegung nach nicht auf Sonderzuwendungen ohne Entgeltcharakter bezieht, also solche, die sich beispielsweise in der Honorierung von Betriebstreue erschöpfen,637 sondern auf Vergütungsbestandteile, die sich als vertraglich geschuldete synallagmatische Gegenleistung darstellen, erfasst, bewirkt er unmittelbar die Möglichkeit einseitiger Bestimmung der Weite vertraglicher Pflichten des Dienstberechtigten.638 Denn der Dienstvertrag „ist ein auf den Austausch von Dienstleistung und Vergütung gerichteter schuldrechtlicher Vertrag“639. Wenn nun festgelegt wird, dass die Erbringung eines Vergütungsbestandteils, der als Teil der Hauptleistung das Gegenstück zur Dienstleistung bildet, freiwillig sein soll, verbleibt dem Dienstberechtigten hierdurch die einseitige Entscheidung über das „Ob“ der Erbringung jedenfalls eines Teils seiner vertraglichen Hauptpflicht. Hierin liegt eine Gestaltung der Umstände, die sich auf die Zusammensetzung der Vergütung auswirken – und damit ein rechtlicher Regelungsgehalt.640

633 Zu Recht BAG, Urt. v. 24. 01. 2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; Urt. v. 11. 10. 2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87, 89, Rn 18; Urt. v. 12. 01. 2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465, 467. 634 MHdb ArbR/Krause, 4. Aufl. 2018, § 63 Rn. 11; Ähnlich LAG Hamm, Urt. v. 09. 06. 2005 – 8 Sa 2403/04, NZA-RR 2005, 624, 625; Raab, FS Birk, 2008, S. 659, 682; a.A. Preis/ Deutzmann, NZA-Beilage 2017, 101, 106. 635 So auch für den Arbeitsvertrag Quink, Inhaltskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten, 2010, S. 58; Raab, FS Birk, 2008, S. 659, 682. 636 In diese Richtung ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 310 BGB Rn. 68; Schramm, NZA 2007, 1325, 1326. 637 Hierzu BAG, Urt. v. 18. 01. 2012 @ 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620, 621, Rn. 12 f.; LAG Düsseldorf, Urt. v. 05. 04. 2016 – 8 Sa 1222/15, BeckRS 2016, 120493, Rn. 20; LAG München, Urt. v. 20. 05. 2009 – 3 Sa 1089/08, BeckRS 2009, 67425; ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 611a BGB Rn. 532; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 684. 638 Diese Differenzierung vornehmend auch Preis/Lindemann, NZA 2006, 632, 636 f. 639 MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611 Rn. 7. 640 Ähnlich ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 310 BGB Rn. 68; Preis/Lindemann, NZA 2006, 632, 636 f.; Schramm, NZA 2007, 1325, 1326.

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Plakativ exemplifiziert: Wenn der Dienstberechtigte 90 % der Vergütung in sein freies Belieben stellt, so erklärt er zwar, sich hinsichtlich dieses Entgeltteils nicht binden zu wollen; aus dem Blickwinkel des fehlenden Verpflichtungswillens mag man diesem Hinweis die rechtliche Wirkung absprechen.641 Auch die Verhinderung der Entstehung einer betrieblichen Übung oder das Entgegenwirken individueller konkludenter Vertragsanpassungen wird man in diesem Fall nicht als Regelungsgehalt sehen können. Offensichtlich wird aber durch einen solchen Freiwilligkeitsvorbehalt die Festlegung des „Obs“ eines erheblichen Teils der Gegenleistung modifiziert. Zu Recht weist Preis darauf hin, dass eine Vereinbarung, nach der der Arbeitnehmer „Arbeit ohne Lohn“ leisten müsse, weil der Arbeitgeber die vollständige Gegenleistung unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt habe, zweifelsohne nach § 138 BGB sittenwidrig wäre. Und auch wenn die Gestaltung nicht so weit reicht, wäre es dem Verwender möglich, das Wesen des Arbeitsvertrags durch als freiwillig gekennzeichnete Leistungen auszuhöhlen.642 Einer solchen Regelung unter Verweis auf die Privatautonomie den Charakter der Vertragsbedingung abzusprechen, wäre vor diesem Hintergrund nicht nur paradox, sondern auch dogmatisch unzureichend different.

Dies gilt darüber hinaus zum einen umso deutlicher, als das Vorliegen einer Vertragsbedingung nach dem Empfängerhorizont beurteilt wird, namentlich, ob bei dem Empfänger der Eindruck hervorgerufen wird, durch den Hinweis solle der Inhalt des Rechtsgeschäfts gestaltet werden.643 Der Empfänger aber wird regelmäßig davon ausgehen, dass eine Klausel, die die Gewährung eines Leistungsteils als „freiwillig“ deklariert, eine Modifikation des Vertragsinhalts bedeutet. Zum anderen findet diese Beurteilung eine Stütze in teleologischer Hinsicht: Ausgehend vom Zweck des AGB-Rechts, ein umfassendes Schutzinstrument – insbesondere für Verbraucher – zur Verfügung zu stellen, muss das Merkmal der Vertragsbedingung weit verstanden werden. Dem würde ein genereller Ausschluss des Freiwilligkeitsvorbehalts vom Anwendungsbereich des AGB-Rechts entgegenstehen. Auch ergibt sich aus § 306a BGB, welcher die Geltung der Vorschriften für den Fall anordnet, dass sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden, dass Freiwilligkeitsvorbehalte nicht die Kontrollgrundsätze bei Leistungsbestimmungsrechten außer Kraft setzen dürfen.644 Letztlich handelt es sich also bei Freiwilligkeitsvorbehalten, die sich auf Leistungen, welche sich als Teil der vertraglichen Gegenleistung darstellen, beziehen, um Vertragsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, da sie die Modalitäten bestimmen, unter denen die Gegenleistung zustande kommt. c) Ein erstes Zwischenergebnis Bei einem formularvertraglich vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalt in Bezug auf synallagmatische Vergütungsbestandteile handelt es sich um eine Vertragsbedingung 641

In diese Richtung auch Bayreuther, BB 2009, 102, 106. ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 310 BGB Rn. 69. 643 BGH, Urt. v. 09. 04. 2014 – VIII ZR 404/12, BeckRS 2014, 9743, Rn. 24; Urt. v. 04. 02. 2009 – VIII ZR 32/08, NJW 2009, 1337, 1338, Rn. 11; Urt. v. 03. 07. 1996 – VIII ZR 221/95, NJW 1996, 2574, 2575; BeckOK-BGB/Becker, 54. Edt., Stand: 01. 05. 2020, § 305 Rn. 16. 644 So auch Preis/Lindemann, NZA 2006, 632, 636. 642

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i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, sodass er am Maßstab des AGB-Rechts zu messen ist. Denn solche Klauseln, die Vergütungsbestandteile als Teile der vertraglichen Gegenleistung unter Freiwilligkeitsvorbehalt stellen, enthalten die rechtliche Wirkung, dass dem Verwender die einseitige Entscheidung über das „Ob“ eines Teils seiner vertraglichen Pflichten eingeräumt wird. Insoweit bestimmen sie diejenigen Modalitäten, unter denen die Gegenleistung überhaupt zustande kommt. Zu Recht nimmt der BGH also in der betreffenden Entscheidung – wenn auch ohne die erforderliche Begründung – eine Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs an. Anders liegt der Fall jedoch, wenn der Freiwilligkeitsvorbehalt Sonderzahlungen erfasst, die sich nicht als Pendant zur Dienstleistung darstellen, sondern beispielsweise ausschließlich betriebliche Treue honorieren sollen. Die für das Arbeitsrecht angestellten Erwägungen können hier nicht fruchten; anders als im Arbeitsrecht, in dem der Charakter der Vertragsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB und damit die Eröffnung des AGB-rechtlichen Anwendungsbereichs auch bei Freiwilligkeitsvorbehalten betreffend echte Gratifikationen anzunehmen ist, weil ein Freiwilligkeitsvorbehalt in seiner Funktion der Verhinderung der Entstehung einer betrieblichen Übung rechtliche Wirkung entfaltet, lässt auch die mehrmalige Gewährung einer Sonderleistung im Vorstandsrecht nicht auf einen entsprechenden Verpflichtungswillens des Verwenders für die Zukunft schließen. Zum einen findet das Institut der betrieblichen Übung mangels übertragbarer teleologischer Grundlage keine Anwendung auf den Vorstandsvertrag, sodass ein Anspruch im Wege betrieblicher Übung erst gar nicht begründet werden kann – und damit auch seine Entstehung nicht verhindert werden muss respektive kann. Zum anderen lässt die mehrmalige individuelle Gewährung einer bestimmten Sonderleistung angesichts der Vorstandsvergütungsstruktur auch im Übrigen nicht auf einen entsprechenden Verpflichtungswillen der Gesellschaft für die Zukunft schließen. Daher beinhaltet die Vereinbarung eines solchen vorstandsvertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalts nicht die rechtliche Regelung, künftige konkludente Vertragsänderungen zu blockieren. Auch bedeutet er keine Abweichung vom Grundsatz pacta sunt servanda, da es am pactum fehlt. Da sich derartige Regelungen mithin nicht auf vertragliche Pflichten auswirken und ihnen auch aus den genannten anderen Gründen kein rechtlicher Gehalt zuzusprechen ist, sind sie keine Vertragsbedingungen – mit der Folge, dass sie nicht den AGB-rechtlichen Schranken unterliegen und daher nicht Gegenstand der folgenden Ausführungen sein sollen. 4. Inhaltliche Vorgaben zur Gewährleistung der Angemessenheit Hinsichtlich formularvertraglich vereinbarter Freiwilligkeitsvorbehalte in Bezug auf synallagmatische Vergütungsbestandteile stellt sich mithin die Frage nach den inhaltlichen Vorgaben der §§ 307 ff. BGB, soweit sie sich als kontrollfähig erweisen.

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a) Kontrollfähigkeit nach dem AGB-Recht Damit eine Klausel der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterfällt, muss sie gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Die Problematik, ob Freiwilligkeitsvorbehalte vor diesem Hintergrund überhaupt kontrollfähig sind, hat der BGH ebenfalls nicht einmal erwähnt.645 Zunächst gilt jedenfalls: Selbst wenn man solche Freiwilligkeitsvorbehalte, die Leistungen erfassen, die sich nicht als Teil der Gegenleistung darstellen (also etwa Gratifikationen zur ausschließlichen Honorierung von Betriebstreue), anders als hier vertreten als Vertragsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB erachtet, unterfallen sie nicht der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle.646 Denn indem sie die Freiwilligkeit dort hervorheben, wo ohnehin kein Rechtsanspruch entstehen kann, erschöpfen sie sich in einem bloß klarstellenden Hinweis auf die Rechtslage. Detaillierter: Da nicht im Wege betrieblicher Übung ein Anspruch begründet werden kann, dessen Entstehung durch den Freiwilligkeitsvorbehalt entgegengewirkt werden soll, sowie sich auch aus einer mehrmaligen Leistungsgewährung seitens der Gesellschaft vom objektiven Empfängerhorizont in aller Regel kein Verpflichtungswille ergibt, sodass ein individueller Anspruch entstehen könnte, handelt es sich der Rechtslage entsprechend um eine freiwillige Leistung. Sofern sich die Klausel in der Aussage erschöpft, die Leistung sei stets freiwillig und begründe keinen Rechtsanspruch, ist sie, soweit man ihr überhaupt Regelungsgehalt beimisst, deklaratorisch und daher nicht kontrollfähig. Freiwilligkeitsvorbehalte in Bezug auf synallagmatische Leistungen sind dagegen konstitutiv, da sie die Modalitäten bestimmen, unter denen die Gegenleistung zustande kommt. Damit geben sie nicht lediglich Gesetzesrecht wieder und sind unter diesem Gesichtspunkt nicht von der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle ausgenommen. Dennoch ist die Kontrollfähigkeit aus anderem Blickwinkel zu problematisieren: So sind auch solche Klauseln nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB kontrollfrei, die die vertraglichen Hauptleistungspflichten beschreiben. Dass Freiwilligkeitsvorbehalte den Umfang der geschuldeten Gegenleistung betreffen, ist ihrem Wesen immanent. Im Schrifttum wird daher argumentiert, wenn die Hauptleistungspflicht selbst nicht der Kontrolle unterfalle, könne eine Regelung, die über das Zustandekommen der Hauptleistungspflicht entscheide, erst recht nicht kontrollfähig sein.647 Dies verfängt jedoch nicht. Wie bereits dargelegt,648 ist die Norm zur Erhaltung eines umfassenden Schutzniveaus eng zu verstehen. Eine Beschreibung der vertraglichen Hauptleistungspflichten ist nach diesem engen Verständnis nur bei solchen Regelungen anzunehmen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts von einem wirksamen Vertrag 645

Kritisch auch Winzer/Launer/Schaaf, NZG 2020, 376, 378. So auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 75. 647 So Bieder, NZA 2007, 1135, 1137; MHdb ArbR/Krause, 4. Aufl. 2018, § 63 Rn. 11. 648 S. ausführlich unter Gliederungspunkt H. I. 3. b) aa). 646

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nicht mehr ausgegangen werden kann; demgegenüber sind Klauseln, die die Leistungspflicht des Verwenders lediglich einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, kontrollfähig.649 Ausgehend von diesem engen Verständnis wird man die Kontrollfähigkeit bejahen müssen. Indem die Freiwilligkeit bezüglich der Gewährung eines synallagmatischen Vergütungsbestandteils deklariert wird, behält sich der Verwender das Recht vor, den Umfang seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht einzuschränken. Hierin ist eine Ausgestaltung derjenigen Umstände zu sehen, die sich auf die Zusammensetzung der Gegenleistung auswirken.650 Maßgeblich ist dabei aber nicht die sich hieraus ergebende niedrigere Höhe der Gesamtvergütung, denn das AGB-Recht nimmt zu Recht keine Angemessenheitskontrolle des Äquivalenzverhältnisses vor.651 Vielmehr kommt es darauf an, dass sich der Verwender durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt in Bezug auf synallagmatische Entgeltbestandteile ein Recht einräumt, nach der Erbringung der Dienstleistung frei über eine Vergütungszahlung zu entscheiden, die die Größenordnung des Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung zu verschieben jedenfalls fähig ist.652 Die Kontrollfähigkeit eines solchen Freiwilligkeitsvorbehalts rechtfertigt sich also nicht daraus, dass bei Ausbleiben der spezifischen variablen Vergütung ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht im Sinne einer „unangemessenen“ Bezahlung. Würde man so argumentieren, liefe das in der Tat dem Konzept des AGB-Rechts, das Äquivalenzverhältnis nicht auf seine Angemessenheit zu überprüfen, zuwider. Jedoch bezieht sich die Kontrollfreiheit nur auf das bei Vertragsschluss festgelegte Äquivalenzverhältnis; eine Regelung, die dem Verwender das Recht einräumt, auf das ursprüngliche Äquivalenzverhältnis nachträglich einzuwirken, ist an den Maßstäben der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle zu messen.653 Entscheidend ist, dass die ausdrücklich freiwillige Gewährung eines zusätzlichen Entgelts, das sich auf die Zusammensetzung der Vergütung auswirkt, die nachträgliche Bestimmung des Umfangs der Gegenleistung einseitig in das Belieben des Verwenders stellt. Dies bedeutet eine Ausgestaltung der Leistungspflicht des Dienstberechtigten. Für Abreden, die die Voraussetzungen enthalten, unter denen

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BGH, Urt. v. 11. 07. 2019 – VII ZR 266/17, NJW 2019, 2997, 2998, Rn. 19; Urt. v. 14. 11. 2018 – VIII ZR 109/18, NZM 2019, 209, 211, Rn. 33; Urt. v. 05. 10. 2017 – III ZR 56/17, NJW 2018, 534, 535, Rn. 15; Urt. v. 06. 07. 2011 @ VIII ZR 293/10, NJW 2011, 3510, 3511, Rn. 10; Urt. v. 15. 11. 2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360, 362, Rn. 18; Urt. v. 24. 03. 1999 – IV ZR 90 – 98, NJW 1999, 2279, 2280. 650 Ähnlich ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 310 BGB Rn. 68; Preis/Lindemann, NZA 2006, 632, 636 f.; Schramm, NZA 2007, 1325, 1326. 651 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 308. 652 So zu Recht OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 911, Rn. 41. 653 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 308; ähnlich Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 77.

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Vergütungsansprüche im Einzelnen entstehen, ist das anerkannt.654 Letztlich kann für Freiwilligkeitsvorbehalte zu Bestandteilen der Gegenleistung nichts anderes gelten. b) Vereinbarkeit mit § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB Damit stellt sich die Frage, welche Anforderungen das AGB-Recht an die Angemessenheit von Freiwilligkeitsvorbehalten formuliert. Da keines der Klauselverbote ohne (§ 309 BGB) bzw. mit Wertungsmöglichkeit (§ 308 BGB) tatbestandsmäßig ist, ist zu klären, welche Gestaltungsmöglichkeiten offenstehen, damit das Vorstandsmitglieds nicht i.S.v. § 307 BGB unangemessen benachteiligt wird. Erfolgen muss also zunächst eine die beiderseitigen Interessen berücksichtigende Analyse und Gewichtung, die durch die Regelbeispiele der § 307 Abs. 2 BGB, welche die Vermutung der Unangemessenheit im Falle der Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, sowie im Falle der Einschränkung aus der Natur des Vertrags resultierender wesentlicher Rechte und Pflichten mit der Gefährdung der Erreichung des Vertragszwecks aufstellt, konkretisiert wird. aa) Übertragbarkeit arbeitsrechtlicher Maßstäbe Dabei können die arbeitsrechtlichen Maßstäbe nur dann Leitlinien bilden, wenn sie sich zur Übertragung eignen. Zuerst mag gegen die generelle Eignung, Grundsätze zum arbeitsrechtlichen Entgelt als Maßstab für die Vorstandsvergütung heranzuziehen, sprechen, dass arbeitsrechtliche Entgeltregelungen regelmäßig auf dem Gedanken des Schutzes persönlich Abhängiger beruhen: Das EFZG, das MiLoG, der Equal-Pay-Grundsatz und – wie schon gezeigt – auch das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung sind Hilfsinstrumente des sozial Schutzbedürftigen.655 Darüber hinaus ist die Vergütung des Arbeitnehmers in vielen Fällen von kollektiven Regelungen geprägt. Insofern findet sich keine Parallele zum Vorstandsrecht, sodass eine unbesehene Orientierung an sämtlichen arbeitsrechtlichen Entgeltbestimmungen und -wertungen wichtige Unterschiede außer Acht lassen würde.656 Dennoch: Es geht hier weder um das MiLoG noch um kollektive Regelungen, deren Übertragung in Frage steht, sondern um die Zulässigkeit von Vereinbarungen, die die Gewährung bestimmter Vergütungsbestandteile in das Belieben des Dienstberechtigten stellen. Entgeltregelungen im Arbeitsrecht dürfen nicht stets als arbeitsrechtsspezifisch 654 BGH, Urt. v. 12. 01. 1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060, 1064; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 323; v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Preis – Preisnebenabreden Rn. 17. 655 Exemplarisch für das MiLoG BT-Drucks. 18/1558, S. 2: „Durch die Einfu¨ hrung eines fla¨ chendeckenden gesetzlichen Mindestlohns werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor unangemessen niedrigen Lo¨ hnen geschu¨ tzt.“ S. auch BAG, Urt. v. 22. 10. 2019 – 9 AZR 532/18, NZA 2020, 513, 519, Rn. 56. 656 So zu Recht Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 718.

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„über einen Kamm geschoren“ werden. Vielmehr muss bei jeder Problematik, die Entgeltbestandteile betrifft, gesondert geprüft werden, ob hierzu ergangene Grundsätze sich als spezifisch arbeitsrechtlich im Sinne eines Schutzinstruments des persönlich Abhängigen respektive sozial Schutzbedürftigen darstellen und daher eine Anwendung zu versagen ist. (1) Der Schutz vor dem nachträglichen Eingriff ins Synallagma als dienstvertragliches Charakteristikum In Bezug auf den Freiwilligkeitsvorbehalt werden gleichwohl allgemein dienstvertragliche Erwägungen angestellt: Die Grundsätze der herrschenden Meinung in arbeitsrechtlicher Rechtsprechung und Literatur, dass sämtliche synallagmatische Leistungen nicht wirksam unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden könnten, weil dies als Möglichkeit nachträglichen Eingriffs in das Äquivalenzverhältnis eine Gefährdung des Vertragszwecks mit sich bringe,657 gründen teleologisch auf dem Charakter des Arbeitsvertrags als Austauschverhältnis in Kombination mit der für alle Dienstverträge geltenden Vorschrift des § 614 BGB, nach dessen S. 1 die Vergütung erst nach der Leistung der Dienste zu entrichten ist („Ohne Arbeit kein Lohn“). Deutlicher: Nach § 611 Abs. 1 BGB trifft den Dienstberechtigten die Verpflichtung, den Lohn zu entrichten; dabei ist der Dienstverpflichtete gemäß § 614 S. 1 BGB stets vorleistungspflichtig. Die nach Abschluss des Vertrags folgende einseitige Entscheidung des Arbeitgebers, ob überhaupt ein bestimmter Teil der vertraglich geschuldeten Vergütung gewährt wird, kann vor diesem Hintergrund dazu führen, dass trotz erbrachter Dienste kein oder ein geringeres Entgelt ausgezahlt wird. Auf diese Weise wird dem Arbeitgeber durch den Freiwilligkeitsvorbehalt die Befugnis eingeräumt, nachträglich in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung einzugreifen, was das wesentliche Recht des Arbeitnehmers – den Erhalt der Vergütung – so stark einschränkt, dass eine Gefährdung des Vertragszwecks – Tätigwerden gegen Vergütung – zu besorgen ist, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Ebendiese Charakteristika, das Tätigwerden gegen Vergütung als Vertragszweck und die Vorleistungspflicht des Dienstverpflichteten, sind solche des Dienstvertrags. Auch das Vorstandsmitglied hat aus seinem Anstellungsvertrag einen Anspruch auf Zahlung des vertraglich geschuldeten Entgelts; ebenso muss es gemäß § 614 S. 1 BGB zunächst tätig werden, bevor es die Gegenleistung erhält. Die Charakteristika, an die bei der Beurteilung der Wirksamkeit arbeitsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalte betreffend synallagmatische Leistungen angeknüpft wird, gelten also ungeachtet der Ausrichtung der konkreten Vergütungsfestlegung an aktienrechtlichen Kriterien grundsätzlich auch für den Vorstandsvertrag.

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BAG, Urt. v. 03. 08. 2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; Urt. v. 14. 09. 2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 85, Rn. 40; Urt. v. 25. 04. 2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853, 854 f.; Annuß, FS Picker, 2010, S. 861, 869 f.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 307 Rn. 199; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 76; Lembke, NJW 2010, 257, 262.

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(2) Die Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage als Gemeinsamkeit von Arbeits- und Anstellungsvertrag Dazu kommt die Überlegung, dass der Arbeitnehmer die Leistung im Hinblick auf den Erhalt der Vergütung erbringt; er stellt sein Leben hierauf ein.658 Die Wertung, dass das Gehalt nicht im Wege einseitiger Bestimmung durch den Arbeitgeber nachträglich eingeschränkt werden kann, hat ihren Ursprung also auch in dem Schutzgedanken existenzieller Absicherung im Sinne eines Ausgleichs der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Dass der Arbeitnehmer vorleistungspflichtig ist, verstärkt seine abhängige Position. Mit anderen Worten: Nachdem er einen ganzen Monat lang im Dienste einer anderen Person tätig war, ist er darauf angewiesen, dass er am Ende dieses Monats hierfür entlohnt wird, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können; denn in dieser Zeit konnte er keiner anderen Tätigkeit nachgehen. Auch dies ist ein Element, das sich gleichermaßen für den Vorstandsdienstvertrag anführen lässt: Das Vorstandsmitglied befindet sich in einem längerfristigen entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis, in dem es hauptberuflich seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellt und mit dem es regelmäßig seinen Lebensunterhalt bestreitet.659 In dieser Hinsicht kann eine wirtschaftliche Abhängigkeit im Sinne eines Angewiesenseins auf den pünktlichen Erhalt der vertraglich geschuldeten Gegenleistung angenommen werden, die zwar nicht der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers gleichsteht, ihr aber insoweit nahekommen kann.660 Wenn nun einseitig das Recht eingeräumt wird, nachträglich die Gegenleistung zu reduzieren oder gar entfallen zu lassen, konterkariert dies den Gedanken der wirtschaftlichen Absicherung im Rahmen eines langfristigen höchstpersönlichen Dienstverhältnisses, der dem Arbeits-, aber auch dem Anstellungsvertrag zugrunde liegt. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheinen die für die Arbeitnehmer getroffenen Wertungen grundsätzlich einer vorsichtigen Übertragung zugänglich. Soweit einer Orientierung an den Grundsätzen des BAG entgegengesetzt wird, beim Arbeitsentgelt und der Vorstandsvergütung handele es sich um „zwei verschiedene Paar Stiefel“661, so ist dies nur insofern zutreffend, als sich angesichts der unterschiedlichen Art und Weise der Festsetzung und ihrer Kriterien eine pauschale Heranziehung arbeitsrechtlicher Maßstäbe zur Feststellung der Wirksamkeit vorstandsvertraglicher Entgeltbestimmungen verbietet. Handelt es sich bei Wertungen, die der Beurteilung der Wirksamkeit einer spezifischen Klausel zur Gestaltung der Art und Weise der Vergütung zugrunde liegen, aber – wie hier – um solche, die allein an das synallagmatische Austauschverhältnis und bzw. oder an das längerfristige höchstpersönliche Dauerschuldverhältnis, im Rahmen dessen die Gegenleistung der wirtschaftlichen Absi658

BAG, Urt. v. 25. 04. 2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853, 854, Rn. 17. MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 60; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 206; Henssler, RdA 1992, 289, 294 f.; Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 79. 660 GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 278; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 60; Henssler, RdA 1992, 289, 294 f. 661 Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 718. 659

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cherung dienen soll, anknüpfen, ist ein Rückgriff möglich und kann sogar zur Gewährleistung angemessener Regelungen geboten sein. bb) Schlussfolgerungen für den Vorstandsvertrag Die arbeitsrechtlichen Grundsätze zugrunde legend bedarf es im Folgenden der Bestimmung vorstandsvertraglicher Grenzen, bei deren Überschreitung ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 BGB angenommen werden kann. (1) Eingriff in das Entgelt im engeren Sinne In behutsamer Übertragung der arbeitsrechtlichen Wertungen ist zunächst zu konstatieren, dass Eingriffe in das Entgelt im engeren Sinne, also Eingriffe in synallagmatische Zahlungen, die als unmittelbare Gegenleistung für die zu erbringende Dienstleistung vereinbart werden, im Wege „freiwilliger“ Versprechung unzulässig sind.662 Dies ergibt sich, wie dargelegt, aus der Natur des Dienstvertrages als Austauschverhältnis, in dem Dienstleistungen gegen Entgelt erbracht werden. Denn: Wo die Hauptleistungspflicht einer Vertragspartei durch eine bestimmte Regelung grundlos stark reduziert oder jedenfalls bezüglich dieser die einseitige Möglichkeit der erheblichen Minderung ohne berechtigtes Interesse eingeräumt wird, während die Gegenleistung unverändert aufrechterhalten bleibt, da kann nicht mehr von einem angemessenen Interessenausgleich ausgegangen werden. Dies gilt umso mehr, als ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis besteht. Könnte die Zahlung eines wesentlichen Teils der Vergütung durch nachträgliche Ausübung eines einseitigen Rechts verweigert werden, ohne dass ein Grund gefordert wird oder zumindest ein Anspruch auf Ermessensausübung geltend gemacht werden könnte, würde der Zweck des Dienstvertrags i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB vereitelt.663 En détail: Eine vertragszweckgefährdende Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt dann vor, „wenn der Kernbereich der vertragsspezifischen Interessen der anderen Vertragspartei, der nach der Eigenart des Vertrags für einen redlich denkenden Beurteiler notwendig beachtet werden muss, ohne angemessenen Ausgleich beeinträchtigt wird“664. Dass zu ebendiesem Kernbereich primär die vertraglichen Hauptrechte und -pflichten gehören, ist offenkundig.665 Eine Beeinträchtigung ist dabei auch bei der Erweiterung der Rechte des Verwenders anzunehmen, soweit hierin zugleich eine Einschränkung wesentlicher Rechte des 662 In diese Richtung auch Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, 2. Aufl. 2020, § 12 Rn. 197; so für das Arbeitsrecht v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGBKlauselwerke, 44. EL November 2019, Arbeitsverträge Rn. 292. 663 Insoweit zutreffend OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111, Rn. 40. 664 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 132. 665 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rn. 240, 248; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 142.

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Vertragspartners liegt.666 Diese muss den Vertragszweck gefährden, welcher aus der Natur des Vertrags herzuleiten ist; hierzu genügt schon die Möglichkeit, dass etwa ökonomische oder sonstige Vertragsziele ganz oder teilweise vereitelt werden.667 Nach diesen Maßstäben kann nicht ernstlich angezweifelt werden, dass eine Regelung, die im Wege kundenfeindlichster Auslegung gemäß § 305c Abs. 2 BGB so verstanden werden kann, dass es einseitig dem Verwender obliegt, das Gehalt bis auf ein Minimum herabzuschrauben, nicht als Aushöhlung des Wesens des Dienstvertrags zu begreifen ist. Die Vergütung im engeren Sinne muss also unangetastet bleiben, sie darf nicht zum Gegenstand eines Freiwilligkeitsvorbehalts gemacht werden. Doch was fällt unter das Entgelt im engeren Sinne? Richtigerweise ist zwischen festen und variablen Vergütungsbestandteilen zu differenzieren. (a) Fixvergütung Offensichtlich ist: Die fixen Vergütungsbestandteile als Kernbereich des Synallagmas können nicht als freiwillige Leistung deklariert werden. Für das Grundgehalt des Arbeitnehmers nimmt das BAG dies ganz selbstverständlich an.668 Für das Vorstandsmitglied ergibt sich gleiches aus dem Sinn und Zweck des Fixgehalts: Es dient der Deckung eines angemessenen Lebensunterhaltes669 und soll damit die Grundlage der wirtschaftlichen Existenzsicherung des Vorstandsmitglieds sicherstellen. Die Gewährung beruht auf der Vorstellung, dass der Vorstand fremdnützig tätig wird und hierfür einen Ausgleich erhalten muss.670 Auf dieser Basis handelt es sich bei dem Anspruch auf den Erhalt der Fixvergütung aus der Perspektive eines redlich denkenden Beurteilers ohne Zweifel um ein solches Recht, dessen nachträgliche Einschränkung eine derart immense Beeinträchtigung der Interessen des Dienstverpflichteten bedeutet, dass der Vertragszweck i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB gefährdet erscheint. Die Regelung des § 87 Abs. 2 AktG, die unter bestimmten Voraussetzungen die Gehaltskürzung bis zum Entfall ermöglicht, steht dem nicht entgegen. Diese statuiert zwar, dass der Vorstand einer besonderen Treupflicht gegenüber der Gesellschaft unterliegt, aufgrund derer er im Einzelfall das Wohl der Gesellschaft über sein persönliches Gehalt stellen muss,671 was im Einzelfall auch

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Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 146. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rn. 262; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, § 307 BGB Rn. 147. 668 BAG, Urt. v. 25. 04. 2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853, 854, Rn. 17; s. auch Lembke, NJW 2010, 257, 259. 669 Lutter/Krieger/Verse/Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Bestellung und Anstellung des Vorstands und die Organisation der Vorstandstätigkeit Rn. 407; Lindemann/Heim, JuS 2018, 1121, 1125; Semler/v. Schenck/Fonk, AR Hdb, 4. Aufl. 2013, § 10 Rn. 126. 670 Spindler, DStR 2004, 36. 671 BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 682, Rn. 27; Urt. v. 27. 10. 2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236, 1241, Rn. 52. 667

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eine Herabsetzung des Grundgehaltes bedeuten kann.672 Jedoch handelt es sich bei § 87 Abs. 2 AktG um eine Vorschrift mit Ausnahmecharakter, die eine Kürzung eben nur unter den dort genannten Voraussetzungen erlauben soll.673 Hieraus folgt die Wertung, dass das Festgehalt nur unter Beachtung strenger Vorgaben angetastet werden darf. Zugegeben: Dass ein Freiwilligkeitsvorbehalt auch bei kundenfeindlichster Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB so zu verstehen ist, dass er auch – und sei es auch einen noch so kleinen Teil – der Fixvergütung erfasst, mag man wohl als theoretischen Fall einordnen. In den meisten Fällen wird sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei freiwilligen Sonderzahlungen um Leistungen handelt, die zusätzlich zum Festgehalt gewährt werden können.674

(b) Variable Vergütung Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob und in welchem Umfang variable Bestandteile sich als Entgelt im engeren Sinne, also als synallagmatische Gegenleistung, darstellen. Diese sind nicht als Ausgleich fremdnütziger Arbeit zu sehen, sondern finden ihre teleologische Grundlage in der unternehmerischen Ausrichtung der Vorstandsvergütung.675 Dass die Stabilität des Lohns im Sinne einer Kontinuität der Höhe variabler Entgeltbestandteile kein Charakteristikum des Vorstandsanstellungsvertrags ist, wurde schon an verschiedener Stelle erwähnt. Die Entwicklung unterliegt einer Dynamik, was zwangsläufig zur fehlenden Beständigkeit der Gesamtbezüge führt. Dennoch: Ungeachtet ihrer Funktion können auch variable Vergütungsbestandteile ihrem Sinn und Zweck nach der Abgeltung der Vorstandstätigkeit dienen. Gegenstand der Prüfung muss dabei sein, inwieweit die spezifische Leistung nach ausdrücklicher oder konkludenter Parteivereinbarung ausschließlich der unmittelbaren Abgeltung einer in einem bestimmten Zeitraum erbrachten Dienstleistung dient und auf diese Weise Teil des vertraglichen Synallagmas ist.676 Dies ist insbesondere für verhaltenssteuernde Leistungen anzunehmen, denn soweit der Erhalt einer Zahlung Anreizwirkung entfaltet, befindet er sich im Gegenseitigkeitsverhältnis zum Tätigwerden.677 Ausgehend hiervon wird man individu672 MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 87 Rn. 187; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 4. Aufl. 2017, § 87 Rn. 67; Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 725. 673 Kort, NZG 2020, 121, 126; Kort, FS Schmidt 2019, S. 715, 726; s. zum Ausnahmecharakter der Norm auch Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 87 Rn. 49; MüKoAktG/ Spindler, 5. Aufl. 2019, § 87 Rn. 165; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 5 Rn. 155. 674 Ähnlich in BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679: „zusätzlich zum Jahresbruttogrundgehalt“. 675 Ähnlich MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 87 Rn. 1; Spindler, DStR 2004, 36. 676 Lembke, NJW 2010, 257, 259; ähnlich auch BAG, Urt. v. 07. 09. 2004 – 9 AZR 631/03, NZA 2005, 941, 943; Urt. v. 24. 10. 1990 – 6 AZR 156/89, NZA 1991, 318, 319; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl. 2019, § 35 Rn. 106. 677 Für das Arbeitsrecht BAG, Urt. v. 19. 03. 2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, 601, Rn. 52; König, NZA-RR 2012, 449, 450; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl. 2019,

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alleistungsbezogene variable Vergütungsbestandteile, so etwa Boni, die an die Erreichung individueller Ziele anknüpfen, oder Provisionen zweifelsohne als Entgelt im engeren Sinne einordnen müssen.678 Soweit die Gewährung vom Erreichen eines bestimmten Ziels abhängt, ist maßgeblich, ob das Erreichen des Ziels vom Vorstandsmitglied durch sein Tätigwerden überhaupt beeinflusst werden kann.679 Denn nur dann kann es das Pendant zur Dienstleistung bilden. Handelt es sich dagegen um Boni, die an Erfolgsziele anknüpfen, auf die das Vorstandsmitglied nicht zwangsläufig oder keinen erheblichen Einfluss hat – so etwa möglicherweise bestimmte Tantiemeregelungen im Konzern, insbesondere die Ausrichtung der Vergütung am Ergebnis der Konzernmutter680 – wird man Entgelt im weiteren Sinne annehmen müssen, das nicht im Synallagma steht.681 Testfrage muss also sein: Fungiert der konkrete variable Vergütungsbestandteil ausschließlich als Gegenstück zur vertraglich geschuldeten Dienstleistung des Vorstandsmitglieds oder nimmt er (auch) andere Parameter in den Blick? Konkret können schon angesichts der Vielgestaltigkeit variabler Vergütung hier keine abschließenden Aussagen getroffen werden. Vielmehr muss zur Ermittlung, welche variablen Vergütungsbestandteile sich als unmittelbare Gegenleistung darstellen – und damit nicht „freiwillig“ versprochen werden dürfen, sondern als aus dem Anstellungsvertrag folgende Gegenleistung geschuldet werden – stets der konkrete Vertrag und seine Vereinbarungen in den Blick genommen werden. Eine Beschränkung auf die Vergütung außerhalb des Synallagmas führt auch zur Sicherung der aktienrechtlichen Kompetenzordnung, die zuweilen als Problemfeld weitgehender Freiwilligkeitsvorbehalte angeführt wird. So ist Kort der Ansicht, ein pauschaler Freiwilligkeitsvorbehalt verstoße insofern gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung, als die Gefahr, dass das Vorstandsmitglied jederzeit mit der Einbuße eines erheblichen Teils seiner Vergütung rechnen müsse, dazu führe, dass der Aufsichtsrat entgegen seiner ausschließlich vorgesehenen Überwachungsfunktion imstande sei, auf die Geschäftsführung Einfluss zu nehmen.682 Indem, wie gezeigt, das Fixgehalt und die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden variablen Entgeltbestandteile, Freiwilligkeitsvorbehalten von vornherein verschlossen sein muss, ist insofern auch die Gefahr einer Verschiebung des Kompetenzgefüges minimiert.

§ 35 Rn. 104; v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 44. EL November 2019, Arbeitsverträge Rn. 292. 678 So für das Arbeitsrecht auch Lembke, NJW 2010, 257, 259; ähnlich für den Vorstandsvertrag Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, 2. Aufl. 2020, § 11 Rn. 160b: Es könnten „keinesfalls sämtliche variablen Vergütungsbestandteile unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden“. 679 Ähnlich für das Arbeitsrecht Lembke, NJW 2010, 257, 259. 680 Hierzu Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 5 Rn. 106, 108. 681 Ähnlich für das Arbeitsrecht Lembke, NJW 2010, 257, 259. 682 Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 726.

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(2) Kein Widerspruch zu den Claw-Back-Grundsätzen Dass Zahlungen im Gegenseitigkeitsverhältnis auch im Vorstandsvertrag nicht unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden dürfen, widerspricht auch nicht den Grundsätzen zu Claw-Back-Klauseln, die eine Rückforderung synallagmatischer Leistungen unter bestimmten Voraussetzungen erlauben. Zur Erinnerung: ClawBack-Klauseln, die die Rückzahlung bereits ausgezahlter variabler Vergütungsbestandteile regeln, sind nicht per se unwirksam. Jedoch müssen sie zu ihrer Vereinbarkeit mit §§ 308 Nr. 4, 307 BGB eine Reihe verschiedener Anforderungen erfüllen (Konnexität, Zurechenbarkeit, deutliche Prognoseverfehlung, Bestimmung der Höhe gesellschaftsbezogener Klauseln nach pflichtgemäßem Ermessen des Aufsichtsrates).683 Hieraus aber zu folgern, zu einem bestimmten Anteil könnten dann auch synallagmatische Entgeltbestandteile unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden, verkennt, dass eine Rückforderung eben nur unter den genannten Voraussetzungen möglich ist. Für den Freiwilligkeitsvorbehalt gilt das nicht; im Gegenteil kann dem Grunde nach eine Leistung unabhängig vom Vorliegen eines sachlichen Grundes als freiwillig versprochen werden. Um die Wertungen der Rückzahlungsvoraussetzungen nicht zu untergraben, ist es daher sogar zwingend erforderlich, den Kreis der Leistungen, die als freiwillig deklariert werden können, zum Schutz des Synallagmas enger zu fassen. Wie es Thüsing schon für das Arbeitsrecht formuliert hat: „Was nicht unter Widerruf gestellt werden kann, das kann erst recht nicht „freiwillig versprochen“ werden.“684 Dass die Rückforderung ausgezahlter variabler Vergütung unter bestimmten Voraussetzungen möglich bleibt, bildet mithin keinen Widerspruch dazu, dass die Zahlung variabler Bestandteile im Gegenseitigkeitsverhältnis nicht von vornherein als freiwillig deklariert werden kann. (3) Kein Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung Dies bildet auch bei genauer Betrachtung keinen Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH. Vielmehr basiert die Feststellung des BGH, die betreffende Klausel sei wirksam, auf einer von der Berufungsinstanz abweichenden Auslegung des erfassten Vergütungsbestandteils. Anders als das OLG Frankfurt hat der BGH die freiwillig gewährte Vergütung als nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehend erachtet; vielmehr ergebe sich aus der Formulierung, dass das Vorstandsmitglied das Jahresbruttogehalt „für seine Tätigkeit“ erhalte, dass Sonderleistungen „zusätzlich“ gewährt werden können.685 Die fehlende Verzahnung dieser möglichen zusätzlichen variablen Vergütung mit dem Jahresbruttogrundgehalt zu einer vertraglich vereinbarten Gesamtvergütung werde – so ausdrücklich der BGH – auch dadurch deutlich, dass die Sonderleistung ausweislich der Klausel auch nur „einmalig“ gezahlt werden könne.686 Etwas anderes folge auch nicht daraus, dass eine Zahlung auch für au683 684 685 686

Ausführlich zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen s. Gliederungspunkt H. III. 3. d). Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 270. BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 19. BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 19.

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ßerordentliche Leistungen des Vorstandsmitglieds erfolgen könne. Denn „der mögliche Leistungsbezug der in das Ermessen des Aufsichtsrats gestellten variablen Vergütungsbestandteile führt nicht ohne Weiteres dazu, dass diese Teil einer im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Gesamtvergütung werden.“687 Angesichts dessen könne der konkrete Freiwilligkeitsvorbehalt gar keine nachträgliche Einschränkung der Gegenleistung bedeuten.688 Ob eine Klausel, die sich ihrer Auslegung nach auf synallagmatische Vergütungsbestandteile bezieht, in Abweichung zu den arbeitsrechtlichen Maßstäben in Vorstandsverträgen AGB-rechtlich wirksam sein kann, hat der BGH dagegen gar nicht entschieden – denn im konkreten Fall wurde der fehlende Gegenseitigkeitsbezug eindeutig herausgestellt. cc) Ein zweites Zwischenergebnis Zusammengefasst ist die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle für solche Freiwilligkeitsvorbehalte eröffnet, die sich auf Leistungen im Gegenseitigkeitsverhältnis beziehen, denn die ausdrücklich freiwillige Gewährung eines zusätzlichen Entgelts stellt die nachträgliche Bestimmung des Umfangs der Gegenleistung einseitig in das Belieben des Verwenders – was eine Ausgestaltung der Leistungspflicht des Dienstberechtigten und keine bloße Beschreibung der vertraglichen Hauptleistungspflicht i.S.v. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB bedeutet. Hinsichtlich der Vereinbarkeit eines Freiwilligkeitsvorbehalts mit § 307 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 BGB gilt: Solche nachträglichen Eingriffe in synallagmatische Leistungen sind unzulässig. Denn: Wo bezüglich der Hauptleistungspflicht des Dienstberechtigten die einseitige Möglichkeit der erheblichen Minderung ohne das Erfordernis eines wichtigen Grundes eingeräumt wird, während die Gegenleistung unverändert aufrechterhalten bleibt, da wird der Zweck des Dienstvertrags i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB vereitelt. Hinzu kommt, dass die Unangemessenheit einer Klausel umso eher anzunehmen ist, je relevanter der erfasste Entgeltbestandteil für die ökonomische Existenzgrundlage des Vertragspartners ist. Bei der Formulierung näherer Anforderungen kann hierbei insoweit auf arbeitsrechtliche Grundsätze zurückgegriffen werden, als diese auf den Charakteristika des Tätigwerdens gegen Vergütung zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage im Rahmen eines längerfristigen höchstpersönlichen Austauschverhältnisses in Verbindung mit der Vorleistungspflicht beruhen. Hiervon ausgehend können fixe Vergütungsbestandteile nicht als freiwillig deklariert werden, denn das Fixgehalt bildet den Ausgleich zum fremdnützigen Tätigwerden und soll die Grundlage der wirtschaftlichen Existenzsicherung des Vorstandsmitglieds sicherstellen. Bei variablen Vergütungsbestandteilen ist stets die Testfrage zu stellen, ob diese zur Abgeltung der Dienstleistung gewährt werden, was beispielsweise bei individualleistungsbezogenen Boni regelmäßig der Fall ist. Dass synallagmatische Zahlungen nicht unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden können, bildet auch keinen Widerspruch zu den Claw-Back-Grundsätzen, die eine Rückforderung aus687 688

BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 20. BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681 f., Rn. 28.

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gezahlter Vergütung unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen. Im Gegenteil ist eine stärkere Eingrenzung des Flexibilisierungsgegenstandes beim Freiwilligkeitsvorbehalt geboten, um die Rückzahlungsvoraussetzungen nicht zu unterlaufen. Auch das dargelegte Urteil des BGH aus dem Jahre 2019 steht dem nicht entgegen, denn in dem betreffenden Fall erfasste die Klausel ihrer Auslegung nach keine Leistungen im Gegenseitigkeitsverhältnis. dd) Beschränkungen aus dem Blickwinkel des § 87 Abs. 1 AktG Sind damit formularvertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte betreffend die vertraglich geschuldete Gegenleistung als unwirksam zu erachten, so stellt sich darüber hinaus die Frage, welche weitergehenden Beschränkungen der Vereinbarung in Vorstandsverträgen aus der Perspektive des § 87 Abs. 1 AktG folgen. Dabei ist der Blick im Rahmen dieser Arbeit allein auf das AGB-Recht und seine Schranken zu richten. Zu fragen ist also nicht, inwieweit Freiwilligkeitsvorbehalte generell nach § 87 AktG unwirksam sein können,689 sondern vielmehr, inwieweit sie sich – unter Berücksichtigung der Vorgaben in § 87 Abs. 1 AktG – als unangemessene Benachteiligung des Vorstandsmitglieds i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB erweisen können. Dabei handelt es sich bei § 87 Abs. 1 AktG nicht um dispositives Vertragsrecht,690 sodass § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB schon tatbestandlich nicht zu greifen vermag. Damit stellt sich die Frage, ob die „freiwillige“ Gewährung einer Leistung sich vor dem Hintergrund des § 87 Abs. 1 AktG als Einschränkung wesentlicher Rechte des Vorstandsmitglieds mit der Möglichkeit der Vertragszweckgefährdung gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB darstellen kann. Das wäre nur anzunehmen, wenn § 87 Abs. 1 AktG vertragsspezifische Rechte einräumen würde, die durch den Freiwilligkeitsvorbehalt ausgehöhlt würden. Dies ist gleichwohl nicht der Fall: Schon der Anspruch der Vergütung der Vorstandstätigkeit folgt nicht aus § 87 Abs. 1 AktG, sondern aus dem Dienstvertrag; ob und in welcher Höhe eine Vergütung geschuldet ist, ist im Falle fehlender ausdrücklicher Vereinbarung nach allgemeinem Dienstvertragsrecht gemäß § 612 BGB zu bestimmen.691 Bei § 87 AktG handelt es sich vielmehr um eine reine Aufsichtsnorm, die den Ermessensspielraum des Aufsichtsrates begrenzt und keine individuellen Ansprüche schafft.692 Sie ist alleiniges Schutzinstrument für die

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Zu dieser Frage ausführlich Kort, NZG 2020, 121, 125 f.; Kort, FS Schmidt, 2019, S. 715, 725 f. 690 BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 682, Rn. 33. 691 OLG Stuttgart, Urt. v. 13. 03. 2002 – 20 U 59/01, BeckRS 2002, 30246665, Ls. 4; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 5 Rn. 22. 692 BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 682, Rn. 33; s. auch Hüffer/ Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 87 Rn. 1; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 4; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 87 Rn. 1 f.; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 5 Rn. 22.

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Gesellschaft, ihre Aktionäre und ihre Gläubiger.693 § 87 AktG soll nicht der positiven Feststellung der Angemessenheit der Vergütung dienen, sondern ausschließlich unangemessene Vergütungen ausschließen.694 Insoweit enthält die Norm ein „Verbot eklatant unangemessener Vergütungen“695, räumt aber keinen Leistungsanspruch ein. Sinn und Zweck ist überdies ausweislich der Gesetzesbegründung die Deckelung nach oben und nicht die Gewährung eines „Mehr“.696 Vergütungsexzesse sollen vermieden werden. Ein individueller Anspruch auf eine „angemessen hohe“ Vergütung kann folglich aus § 87 Abs. 1 AktG gar nicht hergeleitet werden, sodass – vice versa – ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der die Gefahr einer unangemessen niedrigen Vergütung bewirkt, nach den Vorgaben des § 87 Abs. 1 AktG i.V.m. § 307 BGB keine vertragszweckgefährdende Einschränkung wesentlicher Rechte und damit keine unangemessene Benachteiligung nach AGB-Recht darstellen kann. c) Anforderungen des Transparenzgebotes gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB Weitere Schranken können sich aber aus dem Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ergeben. Einigkeit besteht, dass, selbst wenn man Freiwilligkeitsvorbehalte nicht als Vertragsbedingungen einordnet, diese dennoch einer Transparenzkontrolle i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu unterziehen sind.697 Dies muss also auch für solche Freiwilligkeitsvorbehalte, die allein Sonderleistungen ohne Entgeltcharakter erfassen, gelten – was dogmatisch inkonsequent, zur Verwirklichung des AGB-rechtlichen Schutzzwecks aber als erforderlich zu erachten ist. Zur Präzisierung der Transparenzanforderungen kann wiederum die Rechtsprechung des BAG vorsichtig herangezogen werden. Diese zeichnet sich, wie schon angesprochen, insbesondere dadurch aus, dass der Freiwilligkeitsvorbehalt deutlich hervorheben muss, dass ein Anspruch auf die benannte Leistung ausgeschlossen ist. So hat das BAG hat eine Klausel, die zum einen regelte, dass hinsichtlich der Zahlung bestimmter betrieblicher Sondervergütungen einschließlich einer Weihnachtsgratifikation „in jedem Einzelfall“ ausgeschlossen sein sollte, dass deren Zahlung einen Rechtsanspruch für die Zukunft begründete, zum anderen aber einen Anspruch auf Weihnachtsgeld statuierte, als intransparent i.S.v. § 307 Abs. 2 S. 1 BGB einge-

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Hüffer/Koch/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 87 Rn. 1; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 2, 4; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 87 Rn. 2; Seyfarth, Vorstandsrecht, 2016, § 5 Rn. 43. 694 KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 4. 695 KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 7. 696 BT-Drucks. 16/12278, S. 5; s. auch GK-AktG/Kort, 5. Aufl. 2015, § 87 Rn. 1; KKAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 2; MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 87 Rn. 1 f. 697 BAG, Urt. v. 30. 07. 2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173, 1174, Rn. 16; Reinecke, BB 2008, 554, 555; Sprenger, BB 2007, 1902, 1903.

IV. Freiwilligkeitsvorbehalte

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ordnet.698 Auch für den Vorstandsvertrag folgt hieraus: Zu vermeiden sind Formulierungen, die sich dahingehend auslegen lassen, dass ein Anspruch bestehen soll, zugleich aber die Freiwilligkeit anordnen. Dies kann man etwa annehmen für Klauseln, die freiwillige Sonderleistungen in Bezug auf Voraussetzungen und Höhe sehr präzise regeln.699 Soweit das BAG allerdings darlegt, dass bei einer „freiwilligen“ oder „ohne rechtliche Verpflichtung“ erfolgenden Gewährung nicht hinreichend klar werde, dass auch bei mehrmaliger Gewährung keinen Rechtsanspruch begründet werden soll,700 so kann dies für das Vorstandsmitglied, dem weder im Wege betrieblicher Übung noch – vorbehaltlich atypischer Sonderkonstellationen – im Wege eines konkludenten individuellen Angebots auf Vertragsänderung ein Anspruch erwachsen wird, nicht gelten. Vielmehr wird man hier die Latte niedriger anlegen und es auch als zulässig erachten dürfen, wenn lediglich auf die Freiwilligkeit hingewiesen wird. Eine zusätzliche – deklaratorische – Formulierung, dass auch für die Zukunft ein Rechtsanspruch ausgeschlossen sein soll, schadet jedoch freilich nicht. Der Freiwilligkeitsvorbehalt muss darüber hinaus klar von verwandten Entgeltflexibilisierungsinstrumenten unterschieden werden: So hat das BAG mangelnde Transparenz für eine Klausel angenommen, die die Freiwilligkeit in Bezug auf die Gewährung einer bestimmten Leistung betonte, gleichzeitig aber auf ihre Widerruflichkeit hinwies; die Kombination aus einem Freiwilligkeits- und einem Widerrufsvorbehalt sei wegen der Unterschiede der Rechtsinstitute widersprüchlich und damit ein Verstoß gegen das Transparenzgebot.701 Hieran wird man auch bei der Beurteilung der Wirksamkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten in Vorstandsverträgen festhalten können: Angesichts der unterschiedlichen dogmatischen Ansatzpunkte ist die Wahl einer Formulierung wichtig, die die Unterschiede der beiden Rechtsinstitute nicht verwischt. Konkret verbietet sich also in einem Freiwilligkeitsvorbehalt der Hinweis, dass die Leistung widerruflich sein soll.

698

BAG, Urt. v. 20. 02. 2013 – 10 AZR 177/12, NJW 2013, 2844, 2846, Rn. 20. Ähnlich BAG, Urt. v. 20. 02. 2013 – 10 AZR 177/12, NJW 2013, 2844, 2845, Rn. 17; Urt. v. 24. 10. 2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40, 42, Rn. 19; Urt. v. 30. 07. 2008 – 10 AZR 606/ 07, NZA 2008, 1173, 1179, Rn. 45. 700 BAG, Urt. v. 23. 08. 2017 – 10 AZR 376/16, NJW 2018, 967, 968, Rn. 16; Urt. v. 23. 08. 2017 – 10 AZR 97/17, BeckRS 2017, 133351, Rn. 19; Urt. v. 13. 05. 2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992, 994, Rn. 22; Urt. v. 17. 04. 2013 – 10 AZR 281/12, NZA 2013, 787, 788, Rn. 16; Urt. v. 20. 02. 2013 – 10 AZR 177/12, NJW 2013, 2844, 2845, Rn. 17; Urt. v. 08. 12. 2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628, 630, Rn. 14; Urt. v. 21. 01. 2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310, 311, Rn. 14; zust. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 75; Lembke, NJW 2010, 257, 262. 701 BAG, Urt. v. 14. 09. 2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 83, Rn. 24; Urt. v. 08. 12. 2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628, 631, Rn. 20; hierzu Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/ Bieder, 12. Aufl. 2016, Anh. § 310 BGB Rn. 75, 79; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, 6. Aufl. 2013, ArbR Rn. 144; so auch Lembke, NJW 2010, 257, 262; Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 2017, 101, 106; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 271. 699

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H. Einzelklauseln im ordnenden Zugriff

Für die AGB-rechtliche Beurteilung maßgebliche Transparenzanforderungen ergeben sich indes nicht – auch nicht mittelbar – aus dem am 01. 01. 2020 im Zuge des ARUG II in Kraft getretenen § 87a Abs. 1 S. 1 AktG, wonach der Aufsichtsrat einer börsennotierten AG „ein klares und verständliches System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder“ zu beschließen hat. Dies folgt schon aus dem Sinn und Zweck der Norm: Ausweislich der Gesetzesbegründung soll das Vergütungssystem „klar und verständlich“ abgefasst sein, um den Aktionären eine informierte Entscheidung im Hinblick auf die Billigung des Vergütungssystems zu ermöglichen.702 Nicht dagegen geht es um die Verhinderung einer möglichen Benachteiligung des Vorstandsmitglieds. Daher ist „klar und verständlich“ originär aktienrechtlich zu verstehen, was eine Übertragung der zu § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ergangenen Grundsätze – so ausdrücklich der Gesetzgeber – verbietet.703 Andersherum kann auch bei der Konkretisierung des AGB-rechtlichen Transparenzgebots nicht auf die Vorgaben des § 87a Abs. 1 S. 1 AktG verwiesen werden.

5. Entwurf einer angemessenen Klausel Vor dem Hintergrund der vorstehenden allgemeinen Ausführungen bietet sich die folgende Fassung eines Freiwilligkeitsvorbehaltes an: Der Aufsichtsrat kann zusätzlich zu im Synallagma stehenden Vergütungsbestandteilen freiwillige Sonderleistungen, Gratifikationen oder ähnliches einmalig oder wiederholt gewähren. Ein Anspruch für die Zukunft wird hierdurch auch durch mehrmalige Gewährung nicht begründet, sondern es bleibt im freien, unbeschränkten Ermessen des Aufsichtsrates, die Gewährung einer ähnlichen Leistung zukünftig zu bestimmen. Hat der Aufsichtsrat über die Gewährung einer Leistung entschieden, so hat die Ausführung im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens und im Einklang mit geltendem Recht (insbesondere § 87 AktG, soweit anwendbar) zu erfolgen.704

6. Rechtsfolgen unwirksamer Freiwilligkeitsvorbehalte Zuletzt stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen unwirksamer Freiwilligkeitsvorbehalte. Dem Grundsatz des § 306 Abs. 1 BGB zufolge ergibt sich auch hier der ersatzlose Fortfall bei gleichzeitigem Wirksambleiben des übrigen Vertrags. Bei Freiwilligkeitsvorbehalten, bei denen die Unwirksamkeit daraus resultiert, dass sie sich auf synallagmatische Vergütungsbestandteile beziehen, ist dies ebenso simpel wie sachgerecht: Entfällt lediglich der Freiwilligkeitsvorbehalt, bleiben die übrigen Vergütungsregelungen unberührt; die Klausel ist lediglich im Umfang ihrer Einschränkung unwirksam, sodass der Anspruch auf Erhalt der Gegenleistung uneingeschränkt besteht.705 Ein Anspruch auf Zahlung der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Vergütung ergibt sich dann nach allgemeinen Grundsätzen aus dem 702

BT-Drucks. 19/9739, S. 72. BT-Drucks. 19/9739, S. 73. 704 Teilweise in Anlehnung an die Klausel in BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679 und Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 271. 705 In diese Richtung Preis/Sagan, NZA 2012, 697, 706. 703

IV. Freiwilligkeitsvorbehalte

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Dienstvertrag. Im Übrigen käme eine Teilaufrechterhaltung nach den Grundsätzen des blue-pencil-Tests706 in Betracht, wenn verschiedene, voneinander zu trennende Leistungsarten enumerativ aufgelistet werden und von diesen ein Leistungsteil etwa als Eingriff ins Synallagma auszulegen ist. Es erscheint möglich, diesen Teil im Wege geltungserhaltender Klauselabgrenzung wegzustreichen, ohne dass zulässig unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellte Leistungen – so etwa Gratifikationen, die ausschließlich der Honorierung von Betriebstreue dienen – ebenfalls von der Unwirksamkeit erfasst werden. Ergibt sich die Unwirksamkeit jedoch aus einem Verstoß gegen das Transparenzgebot, etwa aus einer Kombination eines Freiwilligkeits- mit einem Widerrufsvorbehalt, kann jedoch nicht auf die Grundsätze des blue-pencil-Tests zurückgegriffen werden, denn zusammengehörige Klauselteile müssen als Gesamtregelung transparent sein.707 Vor diesem Hintergrund wird insbesondere in Bezug auf Klauseln, die allein wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam sind, Kritik an der strikten Rechtsfolge nach § 306 Abs. 1 BGB geäußert.708 Handelt es sich um tatsächliche Sonderleistungen, kann – wie der BGH zutreffend ausführt – ein Anspruch auf die Gewährung des betreffenden Vergütungsbestandteils eben nicht, auch nicht in Form eines Anspruchs auf Ermessensentscheidung entstehen.709 Denn in diesem Fall hat der Verwender – materiell-rechtlich zulässig – seinen fehlenden Bindungswillen zum Ausdruck gebracht. Ist die Klausel, dass eine bestimmte Leistung freiwillig ist und kein Rechtsanspruch besteht, unwirksam, so kann aus dem Dienstvertrag also nicht als direkte Folge i.S.v. § 306 Abs. 2 BGB ein Rechtsanspruch hergeleitet werden.710 Zuweilen wird dies als unbillig empfunden und auf die Möglichkeit der Leistungsbestimmung durch das Gericht gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB verwiesen.711 Das verfängt aber schon dogmatisch nicht: Bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt hat der Vertragspartner keinen Anspruch auf Ermessensentscheidung. Vielmehr betrifft, wie dargelegt, ein Freiwilligkeitsvorbehalt die erste Stufe, indem der Verwender bereits die Entscheidung über das „Ob“ einer Zahlung in sein Belieben stellt. Ist die Regelung unwirksam, kann daher nicht als gesetzliche Regelung gemäß § 306 Abs. 2 BGB die gerichtliche Festsetzung nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB greifen; denn dies wäre nur dann der Fall, wenn der Verwender schon an erster Stelle nach billigem – und nicht nach freiem – Ermessen über die Gewährung hätte entscheiden müssen. Auch unter teleologischen Gesichtspunkten ist keine abweichende Beurteilung angezeigt: Zwar soll der Vertragspartner bei Fortfall der Klausel nicht schlechter gestellt werden, als er mit der Klausel stünde. Es ist aber anders706 707

2. 708

Ausführlich unter Gliederungspunkt H. I. 5. c). So auch BAG, Urt. v. 14. 09. 2011 @ 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, Orientierungssatz

Kort, NZG 2020, 121, 126. BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 22. 710 Ähnlich BGH, Urt. v. 24. 09. 2019 – II ZR 192/18, NJW 2020, 679, 681, Rn. 22. 711 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111, Rn. 43; Kort, NZG 2020, 121, 126. 709

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herum auch nicht Aufgabe des AGB-Rechts, ihn besser zu stellen, als er bei Geltung der Rechtslage ohne die Klausel stünde. Gleichwohl bietet die ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB hier eine Möglichkeit der Abmilderung der strikten Rechtsfolge, sofern die Voraussetzungen vorliegen. Geprüft werden muss dabei im Einzelfall, ob der ersatzlose Wegfall der Regelung zu einer angemessenen, den typischen Interessen des Klauselverwenders und der Verwendergegenseite Rechnung tragenden Lösung führt, oder ob sich ein hypothetischer Parteiwille dahingehend gebildet hat, dass im Falle der Kenntnis der Unwirksamkeit der Verwender nach billigem Ermessen hätte entscheiden sollen. Auf diese Weise kann mithin etwa auch bei intransparenten Klauseln, die freiwillige Sonderzahlungen regeln, die ergänzende Vertragsauslegung im Einzelfall dazu führen, dass jedenfalls ein Anspruch des Vertragspartners auf Ermessensentscheidung anzuerkennen ist.712

V. Ein letztes Zwischenergebnis Nach ausführlicher Erörterung der Zulässigkeit exemplarischer Klauseln, die sich typischerweise sowohl in Arbeits- als auch Vorstandsvertrag finden, offenbart sich als letztes, grundlegendes Fazit: Wertungen, die die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung im Bereich des AGB-Rechts aufgestellt hat, gründen in vielen Fällen auf Besonderheiten der auf Dauer angelegten höchstpersönlichen dienstvertraglichen Beziehung, die das Arbeitsverhältnis, aber auch das Anstellungsverhältnis des Vorstandsmitglieds charakterisiert. Sie können aber dort nicht als Leitlinie für die Feststellung der Unangemessenheit einer spezifischen Regelung fungieren, wo Besonderheiten des Vorstandsrechts – konkret etwa die gesteigerte Treupflicht des Vorstandsmitglieds gegenüber seiner Gesellschaft oder das aktienrechtliche Vergütungssystem – abweichende Maßstäbe erfordern. Als groben Richtwert mag man für den Regelfall festhalten: Was gegenüber einem Arbeitnehmer angemessen ist, kann gegenüber einem Vorstandsmitglied nicht unangemessen sein. Oftmals wird man dem Vorstandsmitglied aber höhere Einschränkungen zumuten dürfen, die aus seiner Schlüsselfunktion im Gefüge der AG resultieren. Wo die konkreten Grenzen für Wettbewerbsverbote, Vertragsstrafen, Claw-Back-Klauseln und Freiwilligkeitsvorbehalte liegen, wurde in dieser Arbeit dargelegt. Wo sie für weitere gängige Klauseln zu ziehen sind, kann stets anhand der genannten Formel ermittelt werden. Summa summarum konnte damit dem AGB-rechtlichen Angemessenheitsbegriff für vorstandsvertragliche Vereinbarungen eine Kontur gegeben werden – und auf diese Weise ein praktisch verwertbarer Beitrag zur Gewährleistung angemessener Vertragsbedingungen geleistet werden.

712 Zu dieser Möglichkeit OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 04. 2018 – 4 U 120/17, BeckRS 2018, 9111, Rn. 42.

I. Thesen 1. Das Vorstandsmitglied einer AG schließt keinen Arbeitsvertrag, sondern einen freien Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter gemäß §§ 611, 675 BGB mit der Gesellschaft ab. Arbeitsrechtliche Normen finden daher auf den Vorstandsvertrag keine unmittelbare Anwendung, sondern können allenfalls analog und aufgrund der erheblichen Unterschiede zwischen Vorstandsmitglied und Arbeitnehmer nur mit Bedacht herangezogen werden. In Bezug auf das AGB-Recht bedeutet dies, dass § 310 Abs. 4 S. 2 BGB keine direkte Anwendung findet, mit der Konsequenz, dass nach gesetzlicher Konzeption eine uneingeschränkte AGB-Kontrolle vorformulierter anstellungsvertraglicher Regelungen erfolgt. 2. Vorstandsverträge sind keine Verträge „auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“ i.S.v. § 310 Abs. 4 S. 1 BGB. Sie werden von der Bereichsausnahme dem gesetzgeberischen Willen und dem Telos der Vorschrift nach nicht erfasst. Denn Vorstandsverträge erschöpfen sich, wenngleich sie einen gesellschaftsrechtlichen Charakter insofern aufweisen, als sie eine rechtliche Beziehung zwischen dem Vorstandsmitglied und der Aktiengesellschaft schaffen und der Dienstvertrag inhaltlich durch das Aktienrecht geprägt wird, in einer schuldrechtlichen Austauschbeziehung, für deren Überprüfung sich die auf schuldrechtliche Austauschverhältnisse zugeschnittene AGB-Kontrolle grundsätzlich eignet. 3. Ein „Aushandeln“ gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB, das die Grenze zur Individualabrede markiert, ist gegeben, wenn die Gesellschaft den gesetzesfremden Kerngehalt der Allgemeinen Geschäftsbedingung inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Vorstandsmitglied Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingung zu beeinflussen. Eine Absenkung dieser hohen Anforderungen, die die Rechtsprechung an ein „Aushandeln“ i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB stellt, ist beim Vorstandsvertrag nicht geboten. Eine Anpassung der Grenze der Individualabrede an den Vertragsgegenstand oder die individuelle Verhandlungsstärke des Vertragspartners würde zu einer erheblichen Ausweitung der ohnehin schon bestehenden Einzelfallkasuistik und damit der Verstärkung rechtsunsicherer Zustände führen und widerspräche darüber hinaus dem Systemkonzept des AGB-Rechts, das die Eröffnung seines Anwendungsbereichs bewusst nicht vom Vorliegen eines persönlichen Machtungleichgewichts abhängig macht.

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I. Thesen

4. Das Vorstandsmitglied handelt wie der GmbH-Geschäftsführer bei Abschluss seines Anstellungsvertrags unabhängig von einer Beteiligung an der Gesellschaft als Verbraucher i.S.v. § 13 BGB. Es wird fremdnützig für die Gesellschaft, die gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 AktG alleiniges Haftungssubjekt ist, und damit nicht selbständig tätig. Die Weisungsfreiheit gemäß § 76 Abs. 1 AktG vermag an dieser Einordnung nichts zu ändern, denn diese stellt zum einen lediglich ein Charakteristikum der Organstellung dar, welche nach der Trennungstheorie vom Anstellungsvertrag zu unterscheiden ist. Zum anderen können in Konzernkonstellationen durchaus Weisungsbindungen bestehen, sodass der pauschale Verweis auf die Leitungsautonomie zur Begründung unternehmerischen Tätigwerdens nicht verfängt. 5. Dass das Vorstandsmitglied weder als Arbeitnehmer noch als Beschäftigter i.S.d. Sozialversicherungsrechts einzuordnen ist, steht dieser Beurteilung nicht entgegen, denn die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Bestimmung der Unselbständigkeit durch die Kriterien der persönlichen Abhängigkeit und der sozialen Schutzbedürftigkeit kann vor dem Hintergrund einer autonomen Bestimmung des Selbständigkeitsbegriffs im Verbraucherrecht nicht übertragen werden. 6. Die Einordnung des Vorstandsvertrags als Verbrauchervertrag führt zu den Modifikationen des Kontrollmaßstabs nach § 310 Abs. 3 BGB. Dies erweitert den AGB-rechtlichen Anwendungsbereich gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf vorformulierte Individualbedingungen. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB verlangt die Ergänzung des abstrakt-generellen Prüfungsmaßstabs durch individuell-konkrete Aspekte. Als berücksichtigungsfähig kommen dabei nicht nur begünstigende, sondern auch benachteiligende Umstände in Betracht, sodass auch eine unter Umständen vorhandene Geschäftserfahren- und -gewandtheit oder juristische Qualifikation des Vorstandsmitglieds durch dieses Einfallstor in die Angemessenheitsprüfung einzubeziehen ist. 7. Eine darüber hinausgehende Anpassung des AGB-rechtlichen Kontrollmaßstabs zur Berücksichtigung vorstandsvertraglicher Besonderheiten kann lediglich im Rahmen der Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit gemäß § 309 BGB erwogen werden, da es sich bei diesen Vorschriften ihrer Konzeption nach um zwingende Verbotsnormen handelt, die nicht durch eine Interessenabwägung im Einzelfall ersetzt werden können. Im Rahmen der Inhaltskontrolle nach den §§ 308, 307 BGB bedarf es keiner Anpassung des Prüfungsmaßstabs, da Besonderheiten des Vorstandsrechts bereits bei der Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe hinreichend Berücksichtigung finden können. 8. Eine Modifikation des AGB-rechtlichen Kontrollmaßstabs kann mangels Planwidrigkeit der Regelungslücke nicht im Wege einer analogen Anwendung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB erfolgen. Ebensowenig eignet sich zur Anpassung

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die Anerkennung eines Vorrangs des Gesellschaftsrechts gegenüber dem Dienstvertragsrecht. 9. Es verbleibt hierzu aber nach allgemeinen Grundsätzen die Möglichkeit der teleologischen Reduktion einzelner Klauselverbote, soweit dies geboten ist, um zwingende Wertungen des Vorstandsrechts im AGB-Recht durchzusetzen. 10. Angesichts der Unterschiede zwischen Arbeitnehmer und Vorstandsmitglied darf keine pauschale Übertragung arbeitsgerichtlicher Rechtsprechungsgrundsätze erfolgen. Von den Arbeitsgerichten aufgestellte Wertungen können vielmehr nur dann Leitlinien für den AGB-rechtlichen Kontrollmaßstab von Vorstandsverträgen bilden, wenn in Bezug auf die spezifische Problematik eine hinreichende Ähnlichkeit von Arbeits- und Vorstandsvertrag anzuerkennen ist. Hierzu ist notwendige Bedingung, dass der betreffende Grundsatz an Elemente anknüpft, die Arbeits- und Vorstandsvertrag gemein sind. Als hinreichende Bedingung dürfen der Übertragung keine vorstandsrechtlichen Wertungen entgegenstehen, die eine abweichende Beurteilung erfordern. 11. Formularvertragliche Verbote, die das gesetzliche Wettbewerbsverbot gemäß § 88 AktG für die Dauer der Vertragslaufzeit erweitern oder präzisieren, sind als ergänzende Vorschriften kontrollfähig nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Sie sind wegen des gewichtigen Interesses der Gesellschaft an der Unterlassung wettbewerbsrelevanter Handlungen grundsätzlich zulässig, können aber abhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung bei hoher Eingriffsintensität in die Berufsfreiheit des Vorstandsmitglieds nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sein. 12. Die arbeitsrechtlichen Grundsätze zu vertraglichen Wettbewerbs- oder Nebentätigkeitsverboten können nicht als Leitlinien für die Reichweite der Gestaltungsmöglichkeiten vorstandsvertraglicher Wettbewerbsverbote während der Vertragslaufzeit fungieren, denn aus der besonderen Vertrauens- und Verantwortungsposition des Vorstandsmitglieds resultiert eine gesteigerte Treupflicht gegenüber der Gesellschaft, die für den Regelfall eine stärkere Beschneidung der Berufsfreiheit des Vorstandsmitglieds erlaubt, als es gegenüber einem Arbeitnehmer möglich ist. 13. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote in Vorstandsverträgen sind als AGB nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB kontrollfähig. Mangels Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB handelt es sich weder um deklaratorische Regelungen noch kann die AGBrechtliche Inhaltskontrolle durch leges speciales verdrängt werden. Bei nachvertraglichen Wettbewerbsklauseln handelt es sich auch nicht um die kontrollfreie Festlegung der vertraglichen Hauptleistungspflichten. 14. Wegen des hohen Interesses der Gesellschaft an der Unterlassung wettbewerbsrelevanter Handlungen auch nach Ende der Vertragslaufzeit sind sie

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grundsätzlich zulässig, können aber – wie vertragliche Wettbewerbsverbote – abhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung bei hoher Eingriffsintensität nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sein. 15. Den arbeitsrechtlichen Grundsätzen zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten kommt insofern Indizwirkung zu, als Klauseln, die den §§ 74 ff. HGB standhalten, jedenfalls auch gegenüber Vorstandsmitgliedern angemessen sind. Da aus der Stellung des Vorstandsmitglieds aber eine erhöhte Gefährdung der Unternehmensinteressen resultiert, ist es auch möglich, diesem strengere Wettbewerbspflichten aufzuerlegen. 16. Ein Wettbewerbsverbot hat sich sachlich eng am Aufgabenbereich des Vorstandsmitglieds zu orientieren, örtlich darf es nicht weitergehen als der tatsächliche Tätigkeitsbereich der Gesellschaft, zeitlich muss es befristet sein. Darüber hinaus sind als abwägungsrelevante Umstände das unter gewöhnlichen Umständen zu erwartende Ausmaß eines Schadens bei Missachtung des Verbots, das Alter des Vorstandsmitglieds im Zeitpunkt seines Ausscheidens, die Dauer des Anstellungsverhältnisses, die Höhe der Gesamtbezüge während der Vertragszeit sowie ein etwaiger Erwerb von Ruhegeld und Versorgungsanwartschaften zu berücksichtigen. 17. Verstößt eine Wettbewerbsklausel gegen AGB-Recht, so ist sie gemäß § 306 Abs. 1 BGB unwirksam. Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes wegen der Prognoseschwierigkeit ist vor dem Hintergrund des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion als tragendem Prinzip des AGB-Rechts abzulehnen. Eine teilweise Aufrechterhaltung nach den Grundsätzen des blue-pencil-Tests wird in der Regel an der durch die Wechselwirkung der Kriterien Gegenstand, Ort und Zeit bedingte mangelnde inhaltliche Teilbarkeit der Regelung scheitern. In Betracht kommt für nachvertragliche Wettbewerbsverbote jedoch eine Schließung der durch die insgesamt unwirksame Regelung entstandene Lücke im Vertrag durch ergänzende Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB. Anders liegt der Fall bei Ergänzungen des gesetzlichen Wettbewerbsverbotes nach § 88 AktG; hier liegt bereits eine hinreichend konkrete Vorschrift zur Schließung der Lücke vor, sodass ein Rückgriff auf das Mittel der ergänzenden Vertragsauslegung von vornherein verschlossen ist. 18. Formularvertragliche Vertragsstrafen, die den Vertragsbruch sanktionieren, sind nicht unwirksam nach § 309 Nr. 6 Var. 4 BGB. Anders als in den Konstellationen, die der Gesetzgeber bei der Einführung des Klauselverbotes vor Augen hatte, weist die Gesellschaft wegen der Nichtvollstreckbarkeit der Dienstleistung gemäß § 888 Abs. 3 ZPO sowie der erschwerten Beweisverhältnisse in Bezug auf Kausalität und konkrete Höhe eines Schadens im Falle des Vertragsbruchs ein berechtigtes Interesse auf, sodass die ratio legis der Norm, die Übervorteilung des Verwenders im Sinne einer unverhältnismäßigen Berei-

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cherung zu vermeiden, eine teleologische Reduktion der Vorschrift im Vorstandsrecht gebietet. 19. Vorstandsvertragliche Vertragsstrafen sind nicht grundsätzlich unwirksam nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie müssen zu ihrer Angemessenheit aber an die schuldhafte Verwirklichung eines Tatbestandes anknüpfen, der mit einem nicht unerheblichen Schadensrisiko für die Gesellschaft belastet sowie sich typischerweise ergebenden Beweisschwierigkeiten in Bezug auf Schadenseintritt und/oder -höhe verbunden ist. 20. Die Unangemessenheit kann sich aus der Höhe der Vertragsstrafe ergeben. Ausgehend von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung, die die Bruttovergütung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist als dynamische Obergrenze im Falle des Vertragsbruchs begreift, wird man bei einem Vorstandsmitglied auch Klauseln, die die Zahlung des Zweifachen der Bruttomonatsfixvergütung statuieren, als angemessen erachten müssen. In Bezug auf die Vertragsstrafenhöhe bei der Sicherstellung von Wettbewerbsverboten kann der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung nur die Tendenz entnommen werden, dass ein einmaliger Wettbewerbsverstoß härter sanktioniert werden kann als ein Vertragsbruch. Angesichts dessen wird man Vertragsstrafen, die die Zahlung des Dreifachen der vertraglich vereinbarten Bruttomonatsfixvergütung für eine einmalige Zuwiderhandlung gegen ein Wettbewerbsverbot statuieren, nicht beanstanden dürfen. Die Verwirkung mehrerer Vertragsstrafen ist zur Vermeidung einer unangemessenen finanziellen Belastung des Vorstandsmitglieds auf eine Höhe eines Bruttojahresfestgehalts zu deckeln. 21. Verstößt eine Vertragsstrafenklausel gegen AGB-Recht, so ist sie nach § 306 Abs. 1 BGB unwirksam. Bei hinreichender inhaltlicher Teilbarkeit verbleibt die Möglichkeit der geltungserhaltenden Klauselabgrenzung nach dem blue-pencilTest. Konkret kann dies Bedeutung erlangen, soweit nur einzelne von mehreren Tatbeständen unangemessen benachteiligend sind. Zudem erscheint ein Rückgriff auf das Institut der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB denkbar, um die durch die Unwirksamkeit der Regelung entstandene Lücke zu schließen. 22. Claw-Back-Klauseln sind kontrollfähig nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB, soweit sie die Rückforderung nicht ausschließlich auf eine formal fehlerhafte Berechnungsgrundlage stützen und sich damit lediglich als Wiedergabe des bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruchs nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB darstellen. 23. Claw-Back-Klauseln sind nicht unwirksam nach § 309 Nr. 6 BGB, da sie keine Vertragsstrafen qua definitionem sind und damit tatbestandlich nicht von dem Verbot erfasst werden.

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24. Sie sind ihrer Art nach auch nicht grundsätzlich als unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB zu werten; die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, die eine Rückforderung ausgezahlter Vergütungsbestandteile verbietet, ist wegen der vorstandsrechtlichen Besonderheit des Vergütungssystems nach § 87 AktG nicht übertragbar. Die Unangemessenheit kann sich aber aus der konkreten Gestaltung ergeben. Die Kriterien der Konnexität zwischen den Voraussetzungen der Rückforderung und der zu erstattenden Vergütung, der Zurechenbarkeit des auslösenden Tatbestandes sowie der deutlichen Verfehlung aufgestellter Prognosen können Anhaltspunkte für eine AGB-feste Gestaltung bieten. 25. Nehmen personenbezogene Claw-Back-Klauseln auf jedwedes Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds Bezug und auch solche Parameter der variablen Vergütung in den Blick, die durch die Pflichtverletzung nicht tangiert werden, müssen angesichts des Sanktionscharakters einer solchen Klausel die für die Beurteilung der Zulässigkeit vorformulierter Vertragsstrafen geltenden Maßstäbe zugrunde gelegt werden. 26. Die Unangemessenheit einer Claw-Back-Klausel kann sich auch aus der Höhe des zu erstattenden Anteils ergeben, sofern diese in der Klausel vorgesehen ist. Bei gesellschaftsbezogenen Klauseln, die die Rückzahlung auf unrichtiger Datengrundlage ausgezahlter Vergütung anordnen, muss sich der Betrag auf den Unterschiedsbetrag belaufen, der aus der Neuberechnung der Höhe der variablen Vergütung im Vergleich zur erfolgten Auszahlung resultiert. Bei gesellschaftsbezogenen Klauseln, die an die Unternehmensentwicklung anknüpfen, ist der Unterschiedsbetrag zwischen ausgezahltem Betrag und letztlich „verdienter“ Belohnung als rückforderungsfähig zu erachten. Ist hier keine konkrete Bestimmung möglich, muss man dem Aufsichtsrat einen überprüfbaren Ermessensspielraum zubilligen. Die Richtwerte zur Festlegung einer angemessenen Vertragsstrafenhöhe entfalten auch bei personenbezogenen Claw-BackKlauseln insofern Geltung, als jedenfalls der rückforderungsfähige Anteil neben der Begrenzung auf den Betrag tatsächlich ausgezahlter variabler Vergütung auf eine Bruttojahresvergütung zu deckeln ist. 27. Verstößt eine Claw-Back-Klausel gegen AGB-Recht, so ist sie nach § 306 Abs. 1 BGB unwirksam, kann aber im Falle inhaltlicher Teilbarkeit nach den Grundsätzen des blue-pencil-Tests teilweise aufrechterhalten bleiben. Nach allgemeinen Regeln besteht des Weiteren die Möglichkeit der Ersetzung der Klausel durch eine Regelung, die im Wege ergänzender Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB ermittelt wurde. 28. Bei einem vorstandsvertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt in Bezug auf synallagmatische Vergütungsbestandteile handelt es sich als Regelung der Modalitäten der vertraglich geschuldeten Gegenleistung um eine Vertragsbedingung

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i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, sodass er am Maßstab des AGB-Rechts zu messen ist. Soweit sich ein Freiwilligkeitsvorbehalt seiner Auslegung nach auf Sonderzuwendungen ohne Entgeltcharakter bezieht, ist er mangels Regelungswirkung nicht als Vertragsbedingung zu qualifizieren und unterfällt angesichts dessen lediglich den allgemeinen zivilrechtlichen Schranken. 29. Freiwilligkeitsvorbehalte, die sich auf synallagmatische Leistungen beziehen, sind als die Leistungspflicht der AG ausgestaltende Regelungen kontrollfähig nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. 30. Sie sind jedoch nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB unwirksam, soweit sie das Entgelt im engeren Sinne erfassen. Denn wo hinsichtlich der unmittelbaren Hauptleistungspflicht des Dienstberechtigten die einseitige Möglichkeit der erheblichen Minderung ohne das Erfordernis eines wichtigen Grundes eingeräumt wird, während die Gegenleistung unverändert aufrechterhalten bleibt, da wird der Zweck des Dienstvertrags i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB vereitelt. Eine stärkere Eingrenzung des Flexibilisierungsgegenstandes verglichen mit den Claw-Back-Grundsätzen ist beim Freiwilligkeitsvorbehalt geboten, um die Rückzahlungsvoraussetzungen nicht zu unterlaufen. 31. Freiwilligkeitsvorbehalte, die gegen AGB-Recht verstoßen, sind gemäß § 306 Abs. 1 BGB im Umfang ihrer Einschränkung unwirksam, sodass der Anspruch auf Erhalt der Gegenleistung uneingeschränkt besteht. Ein Anspruch auf Zahlung der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Vergütung ergibt sich nach allgemeinen Grundsätzen aus dem Anstellungsvertrag. Handelt es sich um Sonderleistungen ohne Gegenleistungscharakter, kann ein Anspruch auf die Gewährung des betreffenden Vergütungsbestandteils nicht, auch nicht in Form eines Anspruchs auf Ermessensentscheidung entstehen. Eine ergänzende Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB kann aber im Einzelfall dazu führen, dass ein Anspruch des Vorstandsmitglieds auf Ermessensentscheidung anzuerkennen ist.

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Stichwortverzeichnis Abhängigkeit – persönliche 29 ff., 43, 48, 81, 104 ff., 143 ff., 162 f., 211, 240, 263, 272 ff., 282 ff. – wirtschaftliche 36, 144 f., 156, 163, 272 f., 284 f. Analogie 30, 125 ff., 157 Arbeitnehmerbegriff – nationaler 29 ff. – unionsrechtlicher 32 ff. Arbeitnehmerähnlicher 35 ff., 123, 129, 131, 133, 138, 272 ARUG II 223 f., 294 Aufsichtsrat 23 ff., 31 f., 47, 97, 149, 159 f., 202, 223 f., 241, 251, 253 ff., 262 ff., 274 f., 288, 290 f., 294 Aushandeln 57 ff., 114, 297 Bereichsausnahme 22, 53 ff., 128 ff., 138, 203, 297 Berufsfreiheit 39, 151 f., 163, 165, 172, 299 betriebliche Übung 261, 267 ff., 273 ff., 278 ff., 293 blue-pencil-Test 183 ff., 188, 221, 156, 295, 300 ff. business judgement rule 208 Claw-Back-Klausel 296, 301 f.

222 ff., 276 f., 289 f.,

Dauerschuldverhältnis 182, 190, 257, 274 DCGK 149 f., 223, 254 f. Differenzhypothese 208 Direktionsrecht 48, 263 Entgeltflexibilisierung 26, 257 Ermessen 47, 194, 216, 234, 251 ff., 257, 262 ff., 285, 289 ff., 294 ff., 303

Freiwilligkeitsvorbehalt 148, 227, 257 ff.

47 ff., 142, 146,

Gegenseitigkeitsverhältnis siehe Synallagma geltungserhaltende Reduktion 153 ff., 182 ff., 221 Generalklausel 78, 123, 169, 205 GmbH-Geschäftsführer 21 f., 27 ff., 37, 46, 50 f., 71 f., 84 ff., 134, 157, 174, 269, 274, 298 Gratifikation 222, 225 f., 240, 261 f., 268, 279, 294 f. Hauptleistungspflicht 153, 167, 191, 197 ff., 206, 213, 231, 237 f., 280, 285, 290, 299, 303 Hauptversammlung 23 f., 31, 46, 97 höchstpersönlich 125, 143, 145, 147, 163, 165, 170, 200, 206, 210, 250, 274, 284, 290, 296 Höhe der Claw-Back-Klausel 249 ff. Höhe der Vertragsstrafe 209 ff. Individualvereinbarung 22, 57 ff., 113, 177, 182 Informationsdefizit 74 f. Karenzentschädigung 154 f., 158, 167 f., 176 f., 181, 195, 215 Konnexität 242, 247, 252 f., 302 Kontrahierungszwang 64 Kontrollfreiheit 153, 162, 166 ff., 231, 235, 281 Konzern 32, 42, 92, 98 ff., 104, 107, 109, 173, 233, 288 Kopplungsklausel 45, 148 Kündigung – außerordentlich 192, 212, 218 – ordentlich 192, 210 ff., 217, 301 Kündigungsfrist 129, 144, 192 ff., 210 ff., 301

324

Stichwortverzeichnis

Leistungsbestimmungsrecht 257, 278 Leitungsmacht 22, 28, 37, 50, 70, 86, 97, 103, 105, 107, 146, 214, 246 Nebentätigkeitsverbot

92, 159 ff., 165

Pflichtverletzung 151, 194, 200 ff., 208, 218, 223, 230, 236 f., 244, 246, 253 ff. Privatautonomie 39, 55, 66 f., 152, 278 Rationalisierungsgedanke 69 ff. Regelungslücke 127 ff., 137, 186, 298 Richtigkeitsgewähr 19 Richtlinie 33, 35, 78, 82 ff., 107, 111, 114, 224 Rückzahlungsklausel 26, 148, 187, 222 ff. Schadensersatz 118, 138, 199 ff., 230, 234, 244, 246 ff. Schadenspauschale 204 Schutzzweck 66, 70, 73 f., 76, 83, 104, 106 f., 168, 170, 292 selbständig 46, 79 ff., 136, 172 f., 179 f., 216, 298 Sittenwidrigkeit 22, 39 f., 57, 77, 176 Synallagma 153, 167, 226, 228 f. 259 ff., 277 ff., 287 ff., 294 f., 303 Tantieme 26, 233, 263, 288 teleologische Reduktion 51, 125, 136 ff., 154, 198, 203 ff., 238, 299, 301 Transparenzgebot 111, 122, 152, 161, 178 f., 218 ff., 230, 253 ff., 260, 292 ff. Trennungstheorie 25, 91, 101, 103, 135, 146, 148, 298 Treupflicht 144, 149 ff., 157, 160, 163 ff., 170 f., 177 f., 243, 245, 273, 286, 296

Unterlegenheit – intellektuell 67, 75 – persönlich 75 – situativ 55, 67 ff., 75, 83, 110, 182 – strukturell 82 Unternehmervertrag 46, 60, 65, 68, 76 Verbrauchervertrag 22, 35, 41, 46, 61, 63, 77 f., 94, 102 f., 107, 110, 114 ff., 121 f., 298 Verschulden 201, 209, 220, 235, 244, 246, 253 Vertragsbruch 43, 126, 190, 192, 196, 200, 202, 210, 213 ff., 220, 245, 300 f. Vertragsparität 66 ff., 74, 76, 183, 239, 252 Vertragsstrafe 43, 50, 118, 126, 136 148, 189 ff., 235 ff., 246 ff., 296, 300 ff. VorstAG 241, 243, 250 Weisungsgebundenheit 29 ff., 33 f., 81, 86, 91 ff., 96, 98, 100 f. Wettbewerbsverbot – nachvertraglich 26, 50, 149 ff., 166 ff., 189 f., 193, 195 ff., 205, 207, 210, 215, 217, 219 f., 221, 296, 299 ff. – vertraglich 26, 50, 149 ff., 159 ff., 189 f., 193, 195 ff., 205, 207, 210, 215, 217, 221, 296, 299 Widerrufsvorbehalt 119, 224, 227 ff., 238, 249 f., 252, 257, 260, 276 Zurechenbarkeit 234, 242 ff., 249, 252, 289, 302 Zustimmungsvorbehalt 149, 151, 160, 165, 173