Anakreons auserlesene Oden und die zwey noch übrigen Oden der Sappho [Reprint 2021 ed.] 9783112460283, 9783112460276


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Anakreons auserlesene Oden und die zwey noch übrigen Oden der Sappho [Reprint 2021 ed.]
 9783112460283, 9783112460276

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A

N

A

K

R

E

AUSERLESENE

O

N

S

ODEN,

UND DIE

ZW E Y NOCH

ÜBRIGEN

ODEN

OER

S A P P H O. MIT

ANMERKUNGEN VON-

KARL

WILHELM

Fiir diesen slochne,

Titel

und für

beigelegte

das

mit einer

Preis: —

16 Gr. auf

wird

der

letzte

Blatt

Vignette,

IOH.

in Kupfer das

Preufsisch.

I

DAW. i 8 °

t

Thlr.

N, SANDER,

ge-

einzeln

eingeklebt.

Velinpapier

B E R L BEY

RAMLER.

V O R B E R I C H T ,

D em Auftrage des verstorbenen Dichters gemäfs, habe ich für den richtigen Abdruck seiner zurückgelassenen Handschrift eines Deutschen Anakreon gesorgt. Er hat bei der Übertragung derjeniggn Oden, die er auswählte, nicht genauer Ubersetzer sein wollen, sondern vielmehr freier Nachahmer. Eben so wenig machte er sichs zum Zweck, bei jeden; Stükk e , das etwa seine Aufmerksamkeit anz o g , eine kritische Untersuchung vorzunehmen, weder über einzele Stellen noch über die Echtheit des Ganzen. Unter denjenigen dieser kleinen Gedichte, welche in der Urschrift die unverkennbarsten Spuren eines spätem Ursprungs trag e n , giebt es manche so voll einzeler

feiner Gedanken

und

pfindungen,

dafs sie,

gleichförmig

edle,

anmuthiger

Em-

gekleidet in eine

Ramlerische,

Spra-

che, gefallen müssen, und dafs es Verlust w ä r e ,

sie ungenutzt zu lassen.

wird

unbefangene

der

Leser, nals,

So

geschmackvolle

und selbst der Kenner des Origibei

Wissen

dem das

unterdrückt

Gefühl nicht ist,

an

vom

manchem

Stück hier Wohlgefallen haben, das er im Griechischen Anakreon ausmerzen möchte. den,

A u c h hier wird Deutschland empfinwie viel es seinem Ramler schul-

dig ist,

für den reineren Geschmack am

Alterthum. Berlin, 31 Merz 1801.

Georg Ludewig Spalding

I N H A L T .

I. A S A H R E O IS". I.

Der

Liederdichter.

II.

Die

Weiber.

III. Amors



nächtlicher

IV.

Der

Gebrauch

V.

Auf

die Rose.

VI.

Der Schmaus.

VII.

Der

warnende









6



10



f/f



17

Besuch.

des Lebens.

S- 3











20





23

Traum.

VIII.

Der allzukurze

IX.

Die

Taube.



X.

Dir wächserne

XI.

Das



XII.

Bedrohung

XIII.

Der Vorsatz

zu

XIV.

Der Kampf

mit

XV.

Der

Vorsatz

zu

XVI. •

Die

Niederlage.

XVII.

An den Der

XIX.

Der Beruf Die

Die Hitze.

Wunsche,

Der Spatziergang

XXIII. XXIV.

Der beste

40.



43.

Aman



46.

trinken.



«9-



5«-

—•





Becher.



57-



61.



Trinken.

Mittel

XXVI.

An den

XXVII.

Ursachen

des

die

Sorgen.

Mundschenken. zum

den Mahler

XXIX.

An den

xxx.

Amor

Mahler

bey den

Tanzen. seiner seines Musen.

6.}. 68.



mit dem Bathyll.

Lebenslauf.

wider

Geliebte.



Unbrauchbarkeit

XXV.

3438-





Die

28.



an seine

XXII.



-«•

Vulcan.

XXI.

S. 26.

Schwalbe.

hochzeitliche zum



rasem

der

XX.

XXVIII. An



Amor.

Alter.

XVIII.

Traum.

Goldes.

70. 72.



74-



76. . 73-

— —

'

Geliebten. Bathyll. —

' 80. 82. 8894-

XXXI.

Der rasende

Trinker.



S. 97.

XXXII.

Die

Liebschaften.





101.

XXXIII.

An

die Schwalbe.





105.

XXXIV.

An

ein. sprödes

XXXV.

Auf

XXXVI.

An

XXXVII.

Loh

Mädchen.



108.



710.

der Redekunst.

112.

den Stier der Europa. einen

Lehrer

des Ffiihlings.

X X X V I I I . Der

alte

Trinker

XXXIX.

Rundgesang

XL.

Cupido,

heym

Lob

XLII.

Sein Lebenswandel.

des Bacchus.

XLIII.

Loblied

XLIV.

Der wahrsagende

XI,V.

Amors

auf die

Pfeile.

X L VI.

Schicksal

X L VII.

Der unveraltete

X L VIII.

Gebrauch Leyer.



Weine.



der



138.



132.



I

Traum.



«39-





.41.

-

M5-



'47-

Tänzer.



125.



Liebenden.

von der

IiJ. 120.

—»

Cikade.

—>

114.

lanzer.

von einer Biene gestochen.

XLI.

X L I X (*). Loblied

— und

54-

Homerischen —

auf die Rose. (53)



148-



151.

(*) Bey dieser und den noch folgenden Oden zeigt die Arabische Ziffer an, welche Stelle sie in Fischers Ausgabe haben.

L.

Kennzeichen

LI.

An

seinen

LII.

An

ein Mädchen.

LI1I. Amor

I.

An

II. An

im

der Liebenden. Knaben.

(60)

Weine,

(fö.)

II.

Sappho.

die Venus. die Geliebte.



(55)

(57.J — —

1C0.



162.



164.



166.







173'







175-

I. DER

LIEDERDICHTER.

V o n den Atriden wollt' ich, Vom Kadmus wollt' ich singen,, Und siehe I meine Seiten Ertönten nur von Liebe. Jüngst nahm ich andre Saiten, Nahm eine neue Leyer, Und sang die Thaten Herkuls: Doch auch die neue Leyer Ertönte nur von Liebe. So lebt denn wohl,

ihr Helden!

Ich sehe, meine Leyer Kann nur von Liebe singen.

Diese Ode ist eine Vorrede zu den gesammten

Oden Anakreons,

Liebesdichter Horaz in

ankündigt.

der sich hier Eben

als einen

so kündigt sich

den let2ten Versen seiner ersten Ode

als einen lyrischen Dichter a n ;

und Catull

in

seinem ersten Gedichte an den Nepos als einen Dichter leichter Tändeleyen. V . i. 2. Kadmus

Von den sllridcn

•wolle ich singen.)

wollt'

-vom

Unter den Atrideu

versteht Anakreon nicht blofs den Agamemnon und Menelaus, des Atreus,

sondern das

ganze

Geschlecht

am welchem melirentheils Helden

und Heldinnen für die Tragödie gewählt wurden.

Auch gaben Kadmus und seine unglückli-

che Nachkommen, Semele,

Ino,

Agave,

Pentlieus»

Aktion,

reichlichen Stoff zu Tragödien.

Kein anderer S i n n ,

als dieser,

scheint in den

beiden ersten Versen zu liegen. V. 5 — nahm

eine

Jüngst

nahm

neue Lej'er,

ten Herkuls.)

ich andre

und

sang

Unter den a n d e r n

Saiten,

die

Tha-

Saiten und

der n e u e n Leyer mufs r.ian natürlicher Weise eine andere Dichtungsart verstehen , ist die epische.

und dieses

Anakreon wollte (seinem Vorge-

ben nach) die Heldenthaten des Herkules besingen ,

besang aber nur die

seines Helden.

Liebesbegebenheiten

Horaz in der sechsten Ode des

ersten Buches sagt mit andern Worten eben dasselbe :

er könne weder eine lliade noch Odyssee

machen ,

anstatt,

Epopöe;

und anstatt zu sagen,

er

habe

kein Talent

nicht zur tragischen Dichtkunst,

zur

er schicke «ich sagt e r ,

dafs

er sich nicht an die Familie des Pelops wagen

möchte:

Pelops

aber w a r der Vater des Atreus,

dem eben so w o h l als seinen Nachkommen das Griechische

Theater

viele

Helden

zu

danken

hatte. V . 10 — 1 2 . den!

ich

Liebe

sehe,

singen.)

So lebt denn

wohl,

ihr

Hel-

meine

kann

nur

von

Ich entsage also den höhern Gat-

tungen der Poesie, besliedern.

Leyer

und bleibe bey leichten Lie-

Dieses letzte ist es eigentlich,

der Dichter ankündigen w o l l t e ;

was

und wie schön

hat er die Einleitung gemacht.' V o n seiner Schreibart überhaupt zu so weifs er der

allerleiclitesten

Sprache

einigen Anstrich von Poesie zu geben , sie

sich

von

der

Volkssprache

reden, immer

wodurch

unterscheidet:

welches in einer Gattung sehr nöthig w a r ,

die

so nahe an die gemeine R e d e gränzet. Noch setzung. Verse,

ein W o r t

von

der Deutschen Uber-

M a n hat kein Bedenken getragen, welche

setzt hatte,

Nikolaus

Götz

von ihm zu

glücklich

entlehnen.

die über-

Auch ist

diese Übersetzung eben so wenig eine ganz getreue Dolmetschung,

als es alle übrige s i n d ,

die

man vom Anakreon in Prose und in Versen gemacht

hat :

denn

bev

einer

allzu

wörtlichen

Übersetzung eines Dichters verliert derselbe mehr ,

als er gewinnt.

oft

II. D I E

W E I B E R .

Natur gab Stieren Hörner, D e n Rossen harte Hufe, D e n Hasen schnelle Fiifse, D e n L ö w e n einen Zahnschlund, 5 Den Fischen Kraft zu schwimmen,. Und Fittige den Vögeln, D e n Männern aber Weisheit. D e n Männern?

nicht den Weibern?

Was gab sie diesen? —

Schönheit,

io Statt aller unsrer Spiefse, Statt aller unsrer Schilde: Denn wider Weibesschönheit Besteht nicht Stahl, nicht Feuer. Den nicht

Schönen

können

widerstehen:

danke Anakreons;

wir

Männer

diefs ist der Hauptge-

aber wie weift er diesen ge-

meinen Gedanken zu veredeln .'

mit wie vielem

Scharfsinn macht er die Vorbereitung dazu ! — Man sehe hier eine Zergliederung der Ode. Thicre

bekamen

von

der Natur W a f f e n

Alle zur

V e r t e i d i g u n g tmd zum A n g r i f f : ner,

die Pferde h a r t e H u f e ,

die Stiere Hör-

die L ö w e n

einen

R a c h e n voll Z ä h n e .

D i e Hasen vertheidigen sich

durch eine

Flucht.

schnelle

Die Vögel

habe»

Flügel z u m V e r f o l g e n u n d zum Entfliehen ,

die

F i s c h e Flofsi'edern, n a c h ihrem R a u h e zu schwimn . e n oder dem F e i n d e auszuweichen. ¡e

Mensch

bekam

D e r nack-

zu seinen W a f f e n

Weisheit,

u n d dadurch herrscht er über alle diese T h i e r e . D e n Ochsen

spannt

er

vor

den

s c h l a c h t e t i h n zu »einer Speise. er Z a u m folgt

u n d Gebifs

damit die

an,

Pflug,

besteigt es und

schnellsten

und

D e m Pferde legt

Thiere.

Selbst

verdie

L ö w e n verjagt er mit brennenden P a c k e l n , ' oder tödtet

sie m i t den W a f f e n ,

erfunden

hat.

Pfeilen,

Die

Vögel

dl« seine K l u g h e i t höhlt

er bald

bald mit Schlingen aus der L u f t ,

mit und

die Fische m i t Netzen und Angelrutben aus dem Wasser.

Aber dieser m ä c h t i g e

n o c h einen Weib ; —

Uberwinder,

Mann

nehmlich

ein

hat

den-

schönes

diesem allein k a n n er n i c h t widerstehen.

Dieses

alles läl'st sich

bey

der kleinen

Ode

denken. V.

I.

nur Eine

Natur Art

gab

denn

ein lyrischer

nicht

erschöpfen

Adler m a c h e n ,

Stieren

von g e h ö r n t e n Dichter wollen,

Horner.)

E s wird

Thieren mufs

sondern

genannt:

seine Materie es

von w e l c h e m C o w l e v ,

wie

der

der E n s -

Iis che

Odendichter,

K ö n i g der

Vögel

singt;

nicht

„So

seine

verzehret

ganze

der

Beute;

er

begnügt sich das reineste B l u t z u s a u g e n :

trotzig

und

er

stolz

in

seinem

Hunger,

verachtet

die

überflüi'sige N a h r u n g , fliegt m u t h i g auf ein neues Wild,

u n d laist den R e s t der zerrissenen B e u t e

den G e y e r n u n d den V ö g e l n ,

die er v e r a c h t e t . "

V o n dem W o r t e N a t u r weiblichen

Artikel

den Artikel

weggelassen,

v o n Qvc-it, so

oft

unser L o g a u

bedient,

erlaubt

in

hier den

wie

Anakreon

dafs N a t u r

g e n n a h m e z u seyn scheint. r e n sich

hat m a n

ein E i -

Diese Freyheit.

de-

ähnlichen Fällen

sehr

man

denen

gern,

die

es

n u r selten tliun. V , 4. 5. Schlund nung,

Den

Löwen

einen

bedeutet ü b e r h a u p t

als:

Zahnschlund.) eine

grol'se

Öff-

der S c h l u n d des Ä t n a ; der S c h l u n d ,

in w e l c h e n sich C u r t i u s niit seinem Pferde stürzte ;

w e i l m a n aber a u c h einen tiefern l ' h e i l des

thierischen

Mundes

Schlund

nennt,

meinen,

man

in

der

Deutschen

so k ö n n t e n

habe

einige

dem L ö w e n

die Speiseröhre gesetzet.

die

Sprache Witzlinge

Zähne

an

D i e s e m ö g e n also lesen :

D e n Lö'wen w e i t e Rachen, Voll f ü r c h t e r l i c h e r Zähne. V. 8 — Weisheit. Was

gab

lo. Den

sie

Den

Männern

Männern?

diesen?

nicht

Schönheit..)

aber

(gab sie)

den

Weibern?

W e i l die N a -

tur das W e i b mehr bestimmt hatte Kinder zu gebären lind ihnen die erste .Nahrung zu reichen, als

neue

Künste zu

erfinden, so durfte ..diese

sparsame Mutter

ihm nicht eben das Mals von

Weisheit geben ,

welches sie dem Manne geben

mufste;

sie gab ihm aber zum Ersatz so viel

S c h ö n h e i t , dals der weise M a n n von ihm konnte überwunden, Erhaltung

und also ihre grofse Absicht,

des menschlichen

die

Geschlechtes,

da-

durch noch mehr befördert werden. Einige haben den Anakreon h i e r , Sitten und

seines Zeitalters, den Männern

wider die

galanter reden

anstatt der Weisheit

lassen, blofs

Tapferkeit oder Kühnheit beygelegt:

allein der

Löwe ist gleichfalls kühn und tapfer;

der Mann

hätte also keine

ganz verschiedene W a f f e n von

der N a t u r bekommen.

Uberdem wird durch die

blofse Erwähnung der Schönheit dem W e i b e der Verstand nicht abgesprochen. Noch ist von dieser Ode zu bemerken, dafs man nicht weifs,

wohin ihr Eingang (uns füh-

ren wird , welches eine angenehme Überraschung hervorbringt: ein Kunstgriff,

dessen sich unser

Dichter bey mehrem Oden bedient. die neunte, zwanzigste,

zwölfte,

dreyzehnte,

Man sehe fünfzehnte,

u n d drey u n d zwanzigste Ode.

III. AMORS

5

io

15

20

NÄCHTLICHER

BESUCH.

Nachts, als schon der Bär am Himmel An Bootes Hand sich drehte, Und, entlastet von der Arbeit, Alle Welt des Schlafes pflegte, Kam und pochte neulich Amor An die Thüre meines Hauses. Wer lärmt an der Thüre P rief ich, Und verjagt mir meine Träume? — Thu mir auf, war Amors Antwort: Fürchte nichts! ich bin ein Knabe, Welcher ganz von Regen triefet, Und im Finstern sich verirrt hat, — Dicfs bewegte mich zum Mitleid. Schnell ergriff ich meine Lampe, That ihm a u f , fand einen Knaben, Welcher Pfeil und Bogen führte Und am Rücken Taubenflügel. Hurtig setz' ich ihn zum Feuer, Wärme seine kalten Finger Zwischen meinen beiden Händen,

Und aus seinen gelben Locken DrücV ich ihm das Regenwasser. Als ihn nun der Frost verlassen, Spricht er: Lafs uns doch versuchen, ¿5 Ob die Sehne meines Bogens Nicht vom Regen schlaff geworden. Schon war sie gespannt die Sehne, Und gleich einem Weäpenstachel Safs der Pfeil mir in dem Herzen. So Hüpfend rief er aus, und lachte: Lieber Wirth, sey mit mir fröhlich ! Sieh., mein Bogen ist nicht schadhaft; Aber du wirst Herzweh fühlen.

V- I- 2.

Himmel

an

Nachts, JlooLcs

als Hand

schon sich

der

drehte.)

Bar

am

Dieses

heifst so viel als i a der Mitternacht.

Aus der

Stellung der Sterne kann man wissen,

wie viele

Stunden seit dem Untergange der Sonne verflossen s i n d : kannt ist,

eine S a c h e , die

Heerden hüten. xotte weils

die auch den Hirten be-

bey N a c h t auf

dem Felde die

In der Geschichte des D o n Qui-

Sancho Pansa aus der Stellung des

kleinen B ä r e n ,

dafs es schon Mitternacht ist.

Bey dem W o r t e N a c h ts scheint eine grammatische Anmerkung „Aus

Nachts,

nicht

welches,

iiberflüfsig zu seyn. als

ein

keinen Genitiv auf J haben k a n n , zu erhellen,

dafs

Femininum, scheint zwar

das s hier die adveibialische

Ableitungssylbe i s t ;

aber da die weiblichen G e -

nitive auch in der Zusammensetzung s gemacht w e r d e n : H ü l f s m i t t e l , eifer, der

Geburtstag;

Analogie,

nach

häufig auf Andachts-

so folgt auch N a c h t s welcher

ein

Femininum,

wenn es den Genitiv schlechterdings! an sich bezeichnen m u f s ,

denselben auf j

macht.

Es

ist

daher am sichersten, dafs man den grofsen Buchstab so lange behält ,

als der Begriff eines Sub-

6tantives noch merklich ist."

Adelungs

voll-

s t ä n d i g e A n w e i s u n g zur D e u t s c h e n thographie, V . 7. 8ich,

und

zweyte Auflage, Wer

verjagt

feiner Z u g !

lärmt

an

mir

meine

der

rief Ein

Träume.

die von heftigen Leidenschaften V . 13.

Tkiire?

Träume?)

Der unschuldige und sorglose Dich-

ter hat lauter angenehme werden,

Or-

S. 550.

Menschen,

herumgetrieben

haben dergleichen nicht. zum

Mitleid.)

Hätte Anakreon dem Amor nicht aus

Die/s

bewegte

Mitleid

die T h u r e g e ö f f n e t , verwundet worden.

mich

so wäre er nicht von ihm Hierbey läfst »ich

denken:

Mitleid mit Schönheit und Jugend macht»

dafs



i3

sich bald Liebe einfindet.

— Unter unsers Dichters

s

Der Mond

ist

und mauset sein blas-

„ s e s Licht der S o n n e . " — Das Folgende, nehmlich das Stehlen

des Meeres und der E r d e ,

bey

verschieden

ihm

etwa»

des Griechischen Dichters, »eyn.

ist

voii dem Trinken

und

muíste es auch

— 64 — XX. D I E An

W Ü N S C H E .

s e i n e

G e l i e b t e .

Z u m Stein ward Tantals Tochter Auf Phrygiens Gebirgen; Zur Schwalbe ward die Tochter Des Attischen Pandion: 5 Ich möcht' ein Spiegel werden, Dai's du mich oft beschautest; Ich möchte dein Gewand seyn, Dafs du mich immer trögest.' Zum Wasser möcht' ich werden, 10 Dafs ich dich baden dürfte; Zum Balsam, holde Nymphe, Dafs ich dich salben dürfte; Zum Flore deines Busens, Zur Perle deines Halses, 15 Zum Bande deiner Sohle, Dal's ich den Fufs dir küfste.

V. i. auf

Zum

Phrygiens

65

Stein

-

ward

Gebirgen.)

Tantals

Tochter

Dieses war

Niobe,

deren Söhne und Töchter Apollo und Diana mit Pfeilen erlegt hatten, worüber sie vor Gram zum Stein erstarrete.

Diese Fabel soll daher entstan-

den seyn, weil ein gewisser Stein auf einem Berge in Phrygien von. féru die Gestalt einet weinenden Frau hatte. des

V. 5. 4, Zur Schwalle

ward

Attischen

Dieses war Progne,

welche

Pandion.)

die

nach der unmütterlieben T h a t ,

Tochter da sie

den Itys, ihren und des Tereüs S o h n , ¡eer$tückt und dem Vater zur Speise vorgesetzet hatte, endlich in eine Schwalbe verwandelt ward. Warum

führt der Dichter,

ehe er wünscht

sich selbst verwandeln zu können, ein Paar Beyspiele Von Verhandlungen an? (Man merke: nur ein Paar ;

denn ein schwatzhafter Dichter hätte

mehr angeführt. )

E r thut es darum , damit die

Erfüllung seines Wunsches

der Geliebten oder

«einen Lesern nicht ganz Unwahrscheinlich kommen soll,

vor-

und auch damit er einigen Con-

trast anzubringen habe: denn sonst hätte er ßey«piele

von

angenehmerer Art

Da Verwandlungen,

wählen

körnten.

will er sagen, häufig ge-

schehen sind, so wünsche ich mich. auch verwandeln zu können, aber in etwas besseres, als der Aiiakteon.

j •

Fels und die Schwalbe s i n d ,

worein N i o b e und

Progne verwandelt wurden. V . 5 — 16. din,

dafs

Ich

du mich

mächt'

ein

Spiegel

oft beschautest,

weru. s. w-J

E r wünscht in einen Spiegel verwandelt zu werden, um seiner Geliebten so nahe zu aeyn, dafs er ihr liebreizendes Angesicht auffangen könne.

Ferner,

in ihr letztes G e w a n d , ihr noch näher zu s e y n ; u n d endlich

gar in W a s s e r ,

n e n K ö r p e r zti umfassen.

ihren ganzen schö-

W e i l aber seine Schö-

b e nicht immer im B a d e bleibt, so will er auch Balsam werden,

womit

sie sich nach dem B a d e

salbet; k u r z , er will in alles verwandelt werden, •was ihren Leib berühret: in ihren B u s e n f l o r , ihre Perlenschnur,

ja gar in ihre S a n d a l e ,

in 6ich

an ihre Füfse zu schmiegen. Dieses ist die verliebteste Ode, die Anakreon gemacht hat.

B e y vielen Liederdichtern

man ähnliche W ü n s c h e ,

faltige und so gut geordnete. hier

so

viele Gestalten

findet

aber nicht so mannichAnakreoil wünscht

annehmen

zu

können,

als ein Achelous oder Proteus. — Alle dergleichen W ü n s c h e sind auf die schwärmerische Einbildung gegründet, dafs die D i n g e , die den Leib der

schönen Gebieterinn

berühren,

einiges Vergnügen efopfinden müfsten, liebten

höthwendig Di« V e r -

beürtheilen. alle D i n g e nach sich selbst ;

wenigstens schmeicheln sie mit dergleichen V o r -

- 6y _ Stellungen ihren

Schönen,

ihre G e g e n l i e b e

da-

durch zu gewinnen.

Dieses Lied hat das Ansehen eines K l a g e l i e d e s v o r d e r T h ü r , welches die Alten nannten. Der unterscheidende Charakter dieser Lieder war eine übertriebene Demüthigungi vor den verschlossenen Thüren ' der Schönen. Anakreon wix4 e s dort gewifs nicht abgesungen h a b e n ; aber als ein erklärter Liebesdichter raufste er Proben von allen Arten solcher Gedichte liefern, seinem Werke Mannichfaltigkeit mitzutheilen.

XXI. D i e

H I T Z E.

Geht m i r , gebt mir doch, ihr Schönen, Bacchus Saft aus tiefen Bechern! Denn ich schmachte, denn ich lechze, Von der Hitze ganz entkräftet. Gebt m i r , gebt mir frische Blumen! Alle Kränze, die ich nehme, W e r d e n welk auf meiner Stirne; Und die gröfste Liebeshitze Heg' ich noch in meinem Herzen.

V. I. 2. Gebt mir, gebt mir doch, ihr Schönen, iBacchus Saft aus tiefen Bechern!) Der Dichter ändert ab mit seinen Mundschenken: Bald soll ihm Amor Wein reichen, bald sein eigener Knabe; und hier bittet er die schönen Frauen, die zur Gesellschaft gehörten, ihm fleifsig einzuschenken, wegen seines grofsen Durstes, den ihm die Hitze der'Jahreszeit verursacht.

69

-

V. 5 — 7- Geht mir, gebt mir frische Blumen! alle Kränze» die ich nehme, werden welk auf meiner Stirne.) Man wechselte be_v den Schmausen mit den firänzen ab, und nahm oft frische. Dafs Anakfeons Kränze so bald welk werden, sollte den grofsen Grad der Hitze anzeigen , die er fühlte. Diese Hitze steigt in den beiden letzten Versen noch höher: denn er rechnet sie für nichts gegen seine Liebeshitze. Hiedurch macht er seinen schönen Gesellschafterinnen auf die schmeichelhafteste Art eine Liebeserklärung, die er aber mit allgemeinen Worten und so lustig vorträgt, dafs ihre anwesenden Ehemänner nicht eifersüchtig darüber werden konnten.

XXII. DER

S P A T Z I E R G A N G MIT

DEM

BATHYLL.

Lafs dich, mein Bathyll, Dieses s c h ö n e n B a u m e s Sieh,

im Schatten nieder.

bis i n d e n d ü n n s t e n W i p f e l

Z i t t e r n seine z a r t e n B l ä t t e r . 5 H ö r e n e b e n ihm d e n

Giefsbach,

D e r u n s m u r m e l n d a n sich Kann

ein W a n d e r e r

locket!

vorbeygehn,

W a n n er solchen Lustort siehet?

Anakreon war ein Freund der schönen Natur,

w i e fast alle Dichter s i n d ;

er besingt sie

a u c h ; aber nie erschöpft er seine Materie. erwähnt er nur zweyer D i n g e :

Hier

eines schattigen

Baumes mit zitterndem Laube und einer murmelnden Quelle.

Ein P o e t , der alles ausmahlt,

hätte die ganze Gegend beschrieben.

Unser Dich-

ter setzet nicht mehr hin , als zu seiner Absicht

dienet. Er und sein junger Freund waren auf dem Wege müde und -warm geworden, und hier konnten sie sich bequem ausruhen und abkühlen.



72



XXIII. DIE UNBRAUCHBARKEIT GOLDES.

W e n n eine Menge Goldes Den Sterblichen das Leben Verlängerte, so spart' ichs, Dafs, wenn der Tod sich nahte, 5 Er's nahm' und weiter ginge. Allein da sich das Leben Durch nichts erkaufen lasset, Was seufz' ich denn vergebens Und quäle mich mit Sorgen? 10 Was helfen mir die Schätze, Wenn mir der Tod bestimmt ist? Nein, lieber trink' ich, trinke Den süfsen Saft der Reben, Bin mit den Freunden lustig, 15 Und scherz' auf weichem Lager Mit einer schönen Venus.

DES

Viele Dichter u n d Redner haben von dem Schaden geschrieben,

den

das Gold

anrichtet.

Horaz n e n n t es in einer Strafode summi riem sagt:

rnali.

und

Alles E l e n d ,

mate-

ein Philosoph beym

Lucian

was die Menschen

drückt,

K r i e g , Untreue, Verschwörungen , Meuchelmord Entspringen aus der Begierde nach diesem unseligen Metall.

Anakreon sagt

eben dieses in der

sechs u n d vierzigsten O d e ,

giebt aber als ein

erotischer Dichter

dem Gedanken

andere W e n d u n g .

Weil

Gold sehen,

sagt e r ,

zuletzt

eins

die Schönen n u r auf

so sind wir Liebenden

höchst unglücklich. In dieser Ode sieht er das Gold aus einem andern Gesichtspunkt

an:

er achtet es nicht,

weil es ihm das Leben nicht verlängert.

Doch

auch diesem Gedanken giebt er eine W e n d u n g , die dem Zweck mäls isti

eines scherzhaften Dichters ge-

er will n e h m l i c h ,

langes Leben

weil er sich kein

erkaufen k a n n ,

das kurze Leben

hindurch trinken und küssen. — Auch der Römische Odendichter ruft — Sapias! Sperrt longam

seiner

-vina liques!

Freundinn z u : et spatio

brevi

reseces:

ein G e d a n k e , den er in der Ode an den Dellius u n d ¡n der an den Postumus weitläufiger ausf ü h r t , aber auf

eine ganz verschiedene Weise,

wie es von einem V i r t u o s e n gefedert wird.

— 74

-

XXIV. DER

BESTE

LEBENSLAUF.

Sterblich kam ich an das Licht, ' Dieses Lebens Pfad zu wandeln. Und wie manches schöne Jahr Ich auf diesem Pfade wandle, 5 Weifs ich w o h l ;

doch weifs ich nicht,

Was ich noch zu wandeln habe. —



W e i c h t , ihr eiteln Sorgen, weicht! Was hab' ich mit euch zu schaffen? Ehe mich mein End* ereilt, 10 Will ich mit dem braven Bacchus Und der schönen Cypria Weidlich trinken, tanzen, lachen.

Diese O d e hat einen Eingang, der sehr ernsthaft ist,

den aber der Dichter plötzlich verläfst,

und den Vorsatz fafst, lustig

zuzubringen.

das kurze Leben

Dergleichen

recht

Wendungen

brauchen gute Dichter, der Abstechung und Überraschung chen sie.

wegen;

schlechte

Dichter

müsbrau-

— 75 — ,

V . io — 12.

Bacchus ken,

Will

ich

mit

dem

braven

und der schönen Cypria weidlich

tanzen,

lachen.)

trin-

Hier will der Dichter

nicht mit dem G o t t e Bacchus und der G ö t t i n n Venus,

sondern

mit einem tapfern Trin-

ker und einer liebenswürdigen Schönen trinken, tanzen und lachen. Der Griechische V e r s :

fttrx m s «»Ais K»-

S-iif«, m i t d e r s c h ö n e n C y t h e r e ,

ist von

dem kühnen Barnesius eingeschaltet worden: da dieser Vers aber nichts verderbt, und im Deutschen

dem Sylbenmafse zu statten kömmt,

so

hat man ihn beybelialten. Einige halten diese Ode nicht für Anakreons Arbeit, theils wegen Sylbenmal'ses,

des schlecht beobachteten

theils weil sie mit

der

vorigen

gleiches Inhalts ist; er will hier und dort nichts thun,

als trinken und lieben.

Allein dessen un-

geachtet ist die Anlage beyder Oden so verschieden,

wie wir es vom Anakreon gewohnt sind;

und was die Versart anbetrifft, so weifs man ja aus dem Horaz, dafs Anakreon sich an die Sylbenfüi'se nicht sehr gebunden hat.

Epod.

14, 12.

XXV. MITTEL

WIDER

DIE

SORGEN.

S o bald ich Wein getrunken/ Entschlafen alle Sorgen. Was hätt' ich denn mit Arbeit Zu schaffen? was mit Kummer? 5 Was täuscht' ich mich ums Leben? Denn sterben mufs ich leider! Drum lieber W e i n , des guten Lyäus W e i n ,

getrunken!

D e n n , Freunde, wenn man trinket, jo Entschlafen alle Sorgen.

V . 2-

Entschlafen

alle

Sorgen.)

Vers wird am Ende wiederhohlt, Liedchen eine artige Rundung giebt. Wiederhohlung

ist

von

unsern

Dieser

welches dem Dergleichen

Liederdichtern

häufig nachgeahmt worden. V. 5.

Was täuscht'

ich mich ums

Lehen})

Die gelehrte Dacier übersetzt diesen Vers : Pourquoi donc me tanl toiirmenter

dans

und s«gt dabey in einer Anmerkung,

celte

i'ie,

man hätte

d e n G e d a n k e n A n a k r e o n s n o c h besser a u s d r ü c k e n können,

w e n n m a n übersetzt

m'e/oigner nit

si fort

dans

du chemin

Pourquoi

hätte:

que

Von doit

ie-

cette sondern sie ganz einfältig als eine kleine geflügelte Schlange beschreiben. V . 13 — 16.

Macht

ne solche

Schmerzen:

schmerze,

wann

du,

der Stachel

der

wie meinst du. mein

Sohn,

dajs

Bieet

verwundest.)

Die Schmerzen vom Bienenstiche vergehen bald; die Schmerzeit der Liebe dauren sehr lange, und sind oft so heftig, dafs sie den Menschen i u r Verzweifekmg bringen. Lehre annehmen, folgt.

Diefs kann man iür eine

die aus der Rede der Venus

Beym Theokrit sogt sie mit Lachen, dafs

Cupido der Biene gleiche: denn so klein er sey,

— schlage

er

doch

127 die



gefährlichsten

Wunden.

Diese Yergleichung Einer Kleinheit nlit der andern ist lange nicht so schön, als der Gegensatz des körperlichen und de» geistigen Schmerzen«. Anakreon redet zyweilen einen Mahler

an,

dem er ein Gemähide aufgiebt, erklärt auch wohl ein schon vorhandenes Gemähide.

Ob er diese

O d e über ein solches Meisterstück eines Künstlers entworfen h a t , wissen wir nicht;

aber von

dieser O d e hat unser Bernhard R o d e folgendes Gemähide verfertigt.

Amor mit weinenden Ge-

berden liegt im Arm der Venus,

die ihm

mit

aufgehobenem Finger die W o r t e zu sagen scheint, die ihr Anakreon in den M u n d legt.

Im Hinter-

gründe sieht man einen Rosenstock. — Auch ist der Honignäscher Kupfer geätzt,

des

wo

Theokritus

von

ihm in

er anstatt des Rosenstockes

«inen umgestürzte» Bienenkorb angebracht hak



128



XLI. LOB

DES

BACCHUS.

W i r vergnügten. Brüder trinken, Und lobsingen unserm Bacchus, Ihm, dem Freunde süfser Lieder, Der den Pieihentanz erfunden, 5 Der sich wohl zu Amorn paaret, Den. Cytherens Göttinn liebet, Der die Grazien gezeuget, Und den Rausch zur Welt geboren; I h n , der allen Gram verscheuchet, 10 Und der Sorgen Heer verjaget. Denn kaum wird mir von den Knaben Der gemischte Trank gereichet, Als mein Kummer schon entHohn ist, Wie vom Wirbel hingerissen. 15 Auf denn! fafst mit mir den Bechers Und verjaget allen Unmuth. Schafft es Nutzen, seine T a g e Unter Sorgen hinzubringen? Weifs der Mensch sein künftig Schicksal?

2ö Sind nicht seine Lebenswege Vor -ihm her voll Finsternisse? T\+ün,

'

so lafst mich froh berauschet

T a n z e n , und von Salben

duftend

.§cherz mit jungen ScJlönen treiben: 25 Härme sich doch, wen es lüstet! Wir vergnügten Brüder trinken, Und lobsingen unserm Bacchus.

- y.. 6. 7. Den die

Grazien

Cylherens

gezaugel.)

Einiger Meinung Töchter

Gottinn

Usb&y

der

Dafs die Grazieri .nach der Venus

und des

(Rottes L i b e r sind, lehret uns Servius, bey dem .734. Verse des ersten Buchs der Äneide.

•Milton.

nutzet diese Meinung in einem artige« GedichtcheD,

welches

Addison

im

Zuschauer

führt.:

an-

...

Du aber, Gottinii, schon und Frey, Euphrösyne genannt im Himmel, Und. bey den Menschenkindern F r a u d e j Du von der holden Cypria, Mit beiden Sehwesfefgrazien Zugleich dem frohen Gott geboren, Der sich mit Weinbeerlaub umkränzt: A l i s z u g d e s E n g l i s c h e n Z u s c h a u e r 1J9 S t , Anakreon.

[9]

i5«



V. 8- Der den \Rausch zur Weh. «efroren- ) Der Rausch > der uns noch bey gesunder Vernunft läfst, (denn einen andern rühmt Anakreon nicht,) wird hier zu einer Person gemacht, •welches ein ganz neuer Gedanke ist. V . 13. 14. jii« 'mein Kumikcr Schbh entfiohn ist, wie vorn. Wirbel hingerissen.) ' Horaz sagt in der sechs und, zwanzigsten 0 & t des ersten Buches: Musis amicus tristitiam et mcins Tradam protervis in mare Crelicum Portare ventis. Baxtet meint, dieses sey ehie Nadialfmung der obigen Stelle Anakreöns : allein ähnliche AuSdriiki e scheinen wohl jedem Volke, bey welchem der Wind wehet , eben so gemein zu seyn, als Iths die sprichwörtliche Redensart ist: d i e G r i l l e n i n den W i n d s c h l a g e n . V. 17 21'. Scha fft es Nutzen, seine Tage unter Sorgen hinzubringen? Weifs der Mensch sein künftig Schicksal? Sind nicht seine Lebenswege vor ihm her voll Finsternisse?) Dieie fünf Verse enthalten eine wichtige Lehre» womit der Dichter am rechten Orte sein Trinklied kräftig zu machen wufste. Andere Dichter;, sagt Batteux, streuen Rosen über ihre Lehren, die Rauhigkeit derselben zu verstecken ; Anakreon, nach einer aufserordentlichen Feinheit im Ge-

s c h m a c k , w a r f L e h r e n m i t t e n u n t e r seine R o s e n . E r w u f s t e , dafs die schönsten P h a n t a s i e n , w i r nichts aus i h n e n l e r n e n , Iiaftes bey sich f ü h r e n ,

wenn

etwas U n s c h m a c k -

welches u n s bald

zum

Jikel w i r d ; . . . u n d dai's, eben so wie die W e i s heit n o t h i g h a t , geheitert

durch

au werden,

ein w e n i g T h o r h e i t aufdie T h o r h e i t

ihrer

Seits

gleichfalls m i t e t w a s W e i s h e i t gewüreet w e r d e n müsse. V. 2 J .

Harme

sich

doch,

wert es i testet!)

D u r c h diesen Vers erhält d e r D i c h t e r Gelegenheit, d e n A n f a n g seines L i e d e s :

Wir

vergnügten

B r ü d e r u . s. w . auf die u n g e z w u n g e n s t e W e i s e zu wiederhohlen, und G e d ä c h t n i f s zu n o m m e n haben»

uns den W e g wieder ins

bringen, :

den

wie

m i t i h m ge-



.



XLII. SEIN

LEBENSWANDEL»

W o h l behagen mir die Tänze Des vergnügten Dionysus, Und in junger Trinkgesellschaft Sing* ich gern in meine L e y e r : 5 Doch riiit Lilien gekränzet Spiel' und scherz' ich noch weit lieber tyüt den schönen Landestöchiein. Aber meine Seele kennet Keinen Neid, der Andre naget, «O Und mir ist der Lästerzunge Pfeil ein Gräuel, und ich hasse Der Berauschten tolle Zanksucht. Lafst mich denn mit jungen Mädchen An den Festen, wo man schmauset, 15 Nach dem Saitenspiele tanzend Ein geruhig Leben führen!

V. 8 — II. ¿bcr nen Neid,

meine Seele kennet

der Andre

naget,

kei-

u. s. w.)

Hier

vertheidigt der Dichter seine Lebensweise.

Zank-

sucht, N e i d , Verläumdung, will er sagen, sind w a h r e Laster, die ich nicht an mir habe: (denn noch gröbere Laster hatte er nicht nölhig zu nenn e n : ) meine Liebe tum Wein und 4u dem schönen Geschlecht ist keine Bosheit. W q k • an diejenigen,

Diefs war ein

die ihqi sein

Weintrin-

ken und seinen Umgang mit den Schönen vorwarfen. V . Ii. 1?. Zanksucht.)

Ich hasse der Berauschten

(olle

Und dieses desto mehr, weil sein

Rausch allemal ein fröhlicher oder auch ein verliebter Bausch war.

Der Wein entdeckt und

verstärkt die Leidenschaften der Menschen. V . 13 — 16. Lnfst mich denn . . . ein ruhig Glück der,

Lehen

führen.)

Diese R u h e ,

geniefsen die Lasterhaften Lästerer,

Menschen.

Zänker

nicht.

sind keine

ge-

dieses Nei-

glückliche

XLIII. LOBLIED

AUF DIE C J K A D E ,

Selig preis* ich dich, Cikade, Die du von des Ulmbaums Wipfel, . Durch ein Tröpflein Thau gelelzet, Als ein Meistersänger singest. 5 Dein ist alles, was du siehest, Auf den Ackern, auf den Auen, Und was jede Hora zollet. Dir ist unser Landmann günstig, Denn du trachtest nie zu schaden, 10 Du bist aller Menschen Wonne, Heroldinn des holden Sommers f. Du bist aller Musen Liebling', Du der Liebling von Apollen, Der den Silberton dir schenkte. 15 Nie beschweret dich das Alter, Weisheitsvolle Liederfreundinn, Erdgeborne, die du Schincrzen, Die du Fleisch und Blut nicht kennest Fast bist du den Göttern ähnlich.

Hier besingt Anakreon sogar ein Insekt. Dichter haben es ihm nachgemacht kleinere,

Viele

und theils

theils gröfsere Thiere besungen;

aber

ihr Gesang fallt oft ins Niedrige und Possenhafte : Anakreons Sprache hingegen bleibt ernsthaft und edel,

und seine Wahl

des Thieres ist die

glücklichste unter allen. V . 3.

Durch, ein Tropf lein

Thau

geletzet.)

Dafs man glaubte, die Cikaden lebten blols.vom Thau,

gründet sich auf die Geschichte Tiihons,

den seine Gemahlinn Aurora aus Mitleid wegen seines hohen und schwachen Alters in eine Cikade verwandelte, 111 einem Körbchen in die Luft hängte, und ihm das Leben mit Thau erhielt. r L

V. 4-

-'

Meistersänger

Alten hielten von dem ser Art Grillen sehr viel. Unterschiede Cikaden nicht,

Man nennt sie,

von den übrigen Arten,

oder auch Singer. wie

singest.)

Die

schwirrenden Tone die-

das Zirpen

Ihr

zum

singende

Gesang

wird

anderer Heuschrecken,

durch die Flügel verursacht.

Das Organ,

durch sie ihn hervorbringen,

sitzt ihnen unten

an der Brust.

wo-

Man sehe den neuen Schauplatz

der Natur unter dem Artikel

Heuschrecken-

grylle. V . 5 — 7. auf

den Ackern,

Horn zollet.)

Dein

ist alles,

was. du siehest,

auf den Auen, und was

jede

Anakreous Cikade betrachtet um

eich herum die Schätze der Jahreszeiten als ihr Eig?nihum,

weil sie ihre Augen daran .-meiden

kann.

Sie gleicht darin den zufriedenen Men-

schen,

denen alles Scluine,

Vergnügen gewahrt,

was sie sehen, ein

welches der

beste Besitz

davon ist: da im Gegentheii die Neidischen kein Vergnügen empfinden, wenn sie schöne Dinge sehen, die.Andern zug'hören. V . 8' 9denn, du

Dir

ist unser Landmann

trachtest

nie

zu

günstig,

schaden.)

Heuschrecken verfolgt der Landmann

Andre mit Feuer,

weil sie ihm die Feldfrüchte verwüsten.

Sie hal-

ten sich auf den Bäumen auf, daher sie von Einigen Baumgrillen genannt werden;

ihre Nah-

rung aber saugen sie aus den Blättern, Blüthen und Asten derselben. V . IO. I I . jie, Heroldinn

Du

Man sehe ebendaselbst. bist aller

Menschen

des holden Sommers.)

JVon-

Weil sie

die schöne Jahreszeit verkündigt, erfreut sie das Herz a l l e r Menschen, V . 1 3 — 14. ling.

du der

Silberton

dir

Du

Liebling

bist

aller

Musen

von slpallen,

schenkte.)

Lieb-

der

Die Cikadeu

den

waren

wegen ihres Gesanges den Musen und dem Apollo heilig, — Der Dichter steigert die Jdeen; Die Cikade schadet nich(; sie erfreut alle Menschen; sie wird von Göttern geliebt. V, 15.

Nie

beschweret

dich

das

Alter.)

— Dieser. Umstanfi

i57

ist aus

— der Fabel

vom- T i t h o n

g e n o m m e n , w e l c h e n Aurora der Schwachheit des Alters nicht entziehen k o n n t e ,

als d a d u r c h , dals

»ie i h n in eine C i k a d e verwandelte. V . l(i.

Weisheitsvolle.

Kunsterfahrene

J.iederfreundinn.)

Sängerinn!

G ' o f s e Dichter

S ä n g e r hielsen bey den Alten W e i s e .

und

B e y den

N e u e r n führen sie, v o n dem Lateinischen N a h m e n der T u g e n d , so gar den T i t e l V , 17.

Cikadenwiirmer.

Virtuosen.

Die

Erdgeborne!)

ausgekrochenen

w e l c h e sechs TüTse h a b e n ,

su-

chen sogleich die E r d e , u n d verbergen sich darin beynahe ein J a h r . — Sie scheinen also ihren sprung aus der E r d e V . 1 7 —• 19. Fleisch den

und

Gültern

Dir.

Blut

nicht

ähnlich.)

höchste getrieben;

Un

zu haben. du

Schmerzen,

kcn71e.1t .'

fast

dir.

du

bist

du

Hier w i r d das Lob aufs

doch b e k ö m m t es einen klei-

n e n scherzhaften Anstrich :

denn es bezieht sich

auf das B l u t , welches d6r Volksglaube den G ö t tern zuschrieb.

Als V e n u s

w u n d e t w a r d , sagt H o m e r :

vom Diomedes

ver-

t

Und die Lanze ritzete, durch den göttlichen Schleier, Von den Charitinnen gewebt,

ihr plötzlich die Haut auf:

Da rann über die Hand der Göttiiin nnsterbli. eher Ichor,



1'iS



Ein bhttHfmHclier Saft, w i e von I m « I i g e n Göttern r l e n f i t ; denn sie essen k e i n Brot, u n d t r i n k e » nicht purpurne W\nne, Darum sind sie blutlos, u n d leben ein ewiges Leben. M a n b e w u n d r e den schonen G a n g , den diese 0 reiche mif den Becher, Den Weiten Becher! ich •will trinken; Mit langen Zügen will ich trinken. — Doch Bacchus Übenriuth zu dämpfen, 5 Vermähl' ihm erst zWey Wassernymphen»

V. 1—3iher!

Auf'.

Knabe,

. . . ick •will trinken,

will ich trinken.)

reiche mir den Bemit langen

kreon übermässig trinken w o l l e ; er h i n z u ,

bald äbefc- setzt

dafs man ihm zwey Tlieile W e i n un-

ter einen Theil Wasser mischen soll. es für äul'serst ausschweifend, Wein

Zügen

Anfangs scheint es, als ob Arta-

ohne Wasser trank.

Man hielt

wenn man

den

Höiaz ervVährtt bey

seinem Weintrinken beständig des Wassers; und Martial

macht

satirische Epigrammeii

auf

die

T r i n k e r , die kein Wasser unter den Wfein gießen.

Die Griechischen l u d Italienischen W e i n *

sind hitzig, und man wollte sich doch satt trinken , und den Durst loschen, den die Hitze dieser Himmelsgegenden verursachte. Hesiodus befiehlt daher, im'Sommer drey Theile Wassir zu einem Theile Wein zu nehmen.



i64



LIL AN

EIN

MÄDCHEN.

W a s blickst du von der Seite Mich an, du Thracisch Füllen, Und fliehst sö spröde? glaubst du, Ich wisse nichts ? Gar artig 5 Wollt' ich den Zaum dir anthun, Dich an der Leine haltend Rings um die Rennbahn treiben. Jetzt weidest du noch hüpfend Und spielend auf den Wiesen, 10 Weil dir ein Reiter fehlet, Ein kunsterfahrner Reiter.

Dafs der Dichter, wie Einige glauben, hier mit öinem wirklichen jungen Pferdchen aus Polykrates Stalle reden sollte,

welches ihn als ei-

nen Menschen verachtet, der nichts von der Reiterkunst versteht, ist nicht wahrscheinlich.

Was

hätte er für eine Absicht gehabt, mit diesem Füllen zu reden?

Es hätte keine andere seyn kön-

— nen,

-i6s



als den Polykrates zu bitten,

dieses Füllen s c h e n k t möchte.

dafs er ihm

Allein so wie

wir den Anakreoa kennen, so erbittet er sich von dem Fürsten keine Geschenke:

aber ein Thraci

sches sprödes Mädchen so anzureden,

das ihre

Freylieit der Liebe zu einem Manne vorzieht, erklärt sjcb von selbst.

Auch Horaz scheint dieses

Liedchen eben so verstanden zu h a b e n ;

denn

auch er sagt von der spröden Lyde : Gleich dem jungen Füllen auf offner Wiese Spielt und springt sie, scheut sich vor jedem Angriff, Keiner Hochzeit kundig, gezähmt von keinem Rüstigen Manne.



i66.



im AMOR

IM

WEINE.

Neulich wollt' ich Kränze flechten, Und fand Amorn in den Rosen. Schnell erhascht' k h ihn beym Flügel, Stiefs ihn in den W e i n , und trank ihn 5 MiL dem Weine rasch hinunter. Jetzt erwecket er mir Armen I n dem Herzeil mit den Flügeln Einen Kitzel nach dem andern.

V . l — 5« Neulich ten,

und,' fand

Amorn

wollt!

ich Kränze

in den Rosen,

flech-

u. s. w.)

D e r Dichter erzählt auf eine sehr drollige Art, warum er uach dem W e i n e allezeit verliebt werde.

E r hatte einst ein Körbchen mit Rosen vor

sich stehen,

w o v o n er Kränze binden

Unter diesen Rosen lag A m o r , dichter in

wollte.

den der Liebes-

den W e i n warf und ihn verschlang,

wie Jupiter die AJetis: welches desto leichter anging, weil der Gott erstaunlich klein w a r ,

und

er ihn noch dazu mit W e i n hinunter spühlte.



167

D i e alten Künstler hiachten

sich ein

Ver-

dienst d a r a u s , die allerkleinsten Götterbilder Stein zu schneiden. auf,

in

Also fällt es uns nicht sehr

dafs Anakreon den Amor eben so klein be-

schreibt.

N a c h ihm habeh auch andere Poeten

kleine Liebesgöttexchen erdichtet.

Einer darunter

singt: Was -verklärt Sie Blicke schnell? Sind sie trunken von Entzücken? O, wie sieht mein Auge hell! Götter zeigen sich den B l i c k e n ; (Götter Voller Munterkeit, Klein, gleich kleinen Schmetterlingen» "Welche sich zur Frühlingszeit Um die jungen Blumen schwingen. O , wie scherzen so entzückt Hier der Buhlereyen Götter! W o ein Straufs die Mitte schmückt, Guckt ein Gott durch seine Blätter. Wann die Wange lacht, alsbald Hupft ein S c h e r z in ihre Grübchen; W o nur eine Locke wallt, Schaukelt sich ein Venusbübchen. R . L y r . B l u m e n l e s e , VI. Buch, a4 Öde.



,iCS



• Mit diesem Stücke wollen wif die auserlesenen Oden Anakreons beschließen. Der Dichter hat in dieser leichtesten Gattung der Poesie die Pflichten eines Meisters in der Kunst vollkommen erfüllt. In allen seinen Liedern, ob sie gleich raehrentheils von W e i n und Liebe handeln, herrscht dennoch die gröfseste Mannichfaltigkeit. Man bemerke n u r , auf wie verschiedene Weise er allein den Amor einzuführen gewufst hat. In der dritten Ode schleicht sich Amor bey Nacht mit List in sein Haus, ihn zu Verbunden. In der vierten soll er dem Dichter als Mundschenk dienen. In der fünften hat er sich mit Rosen gekrönt und tanzt mit den Grazien. In der sechsten will der Dichter mit dem Liebesgott bey dem Komas geschmauset haben, indem er einen Knaben aus der Gesellschaft für den Amor erklärt. In der siebenten führt Amor d e » Dichter im Traum an einem Lilienstängel, läfst ihn'von einer Schlange verwunden, und heilt ihn wieder. In der zehnten kauft sich Anakreon einen Amor von W a c h s , und dieser soll ihn zur Liebe reizen oder ins Feuer wandern. In der Vierzehnten hält er mit Amorn einen Zweykampl, bis ihm endlich der kleine Gott gleich einem Pfeile in den Busen Fährt. In der siebzehnten mufs Amor mit dem Bathyllus die Kelter treten.



lög



In der achtzehnten läfst er den Liebesgott nebst «einen Brüdern ohne W a f f e n erscheinen.

In der

dreyfiigsten wird er als ein Gefangener der Musen mit Blumenkränzen von ihnen gebutiden. In der