Amerika und Wir: Ein Wink am Scheideweg [1 ed.] 9783428569144, 9783428169146


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Amerika und Wir: Ein Wink am Scheideweg [1 ed.]
 9783428569144, 9783428169146

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Amerika und Wir Ein Wink am Scheideweg

Von

Robert v. Scheller-Steinwartz

Duncker & Humblot reprints

Amerika und Wir Ein Wink am Scheideweg Von

Dr, v. Scheller-Steinwarfe

München und Leipzig Verlag von Duncker & Humblot 1919

Alle Rechte vorbehalten.

W

I.

enn der Krieg der Vater aller Dinge iH, fo wird er auch der Vater des ewigen Friedens fein. Wir haben Grund, zu hoffen, d a | diefe Zeugung erfolgt ift, und er, ein umge^ kehrter Saturn, von feinem Kind aufgefreffen werden wird. Der gro&e Gedanken des Völkerfriedens ilt in greifbare Form gefaxt und in greifbare Nähe gerückt. Nicht wird die Friedensgöttin fertig einem Haupt entfpringen wie einft die Göttin des Kriegs: die Geburt des Völkerfriedens fleht am Ende einer langen Entwicklungsreihe, wenn auch feine Grundgedanken fchon der europäifchen Kulturmenfchheit im frühen Dänl·* mern vorfchwebten und Ausdruck finden in ihrem erlten großen Geifteswerk: die Völkerbundsidee bildet den Grundgedanken der Ilias. Die Stufen der Entwicklung find die immer größeren Kreife, in denen fidi die Betätigung des Kriegsgedankens abfpielt. Mann gegen Mann, Sippe gegen Sippe, Stadt gegen Stadt, Ländchen Qegen Ländchen, Staat gegen Staat, Staatenbund gegen Staatenbund, Volk gegen V o l k , Völkerbund gegen Völkerbund find die Etappen auf dem Wege der Entwicklung, die 3

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jefet daher an ihrem Ende angekommen iff, weil größere Kreife nicht mehr denkbar find. Vielleicht auch wieder an ihrem Anfang, mögen Peffimiften Tagen, die einen Fortfchritt für aus-' gefchloffen und die göttliche Erziehung des Menfchengefchlechts für einen fruchtlofën Verfuch am untauglichen Objekt halten. Wohl geben ihnen leider die Vorgänge in deutfchen Städten redit, wo der Kampf Mann gegen Mann und Sippe gegen Sippe fchon wieder begonnen hat, und die Menfchheit alfo wieder auf ihre unterlte Stufe zurückgefunken iß, weil fich im Volk der Dichter und Denker Meinungsverfchiedenheiten über die Theorie der vollkommenlten Menfchenbeglückung und der höchlten Entwicklung des Dafeins gebildet haben. Optimiften werden glauben, da& dies nur die lebten Zuckungen einer fterbenden Plage find und zufehen, wie der Traum vom Friedenstag in die Wirklichkeit umgefefet, oder vielmehr wie beim legten Kind des Krieges Geburtshilfe ge^ leiftet werden kann. Kongreffe haben im allgemeinen den Be^ fähigungsnachweis zu rdiöpferifcher Arbeit nodi nicht geliefert. A u d i der, deffen Haupt die Friedensgöttin entfpringen foil, fcheint fchon in feinen Grundlagen unficher; Zwiefpältigkeit wird 4

vielleicht nur vermieden werden können, wenn er fich als Rumpfkongreis konftituiert und damit wieder jede Autorität aufgibt. Wie alle großen Dinge, kann auch der Völker^ bund, der der Hort des Weltfriedens fein foil, fidi nur organifch entwickeln. Mag es auch gelingen, ihn äußerlich zu konffruieren und mit Befugniffen auszuftatten, die den Frieden fichern : Macht wird er erhalten nicht durch Statuten und MajoritätsbefchlüfTe, fondern allein durch innere Kraft; und diefe wieder wird ihm erwachfen nicht durch ein labiles Gleichgewicht einiger Duftende von Gliedftaaten verfchiedenßer Be^ deutung und entgegengefefeter Intereffen, fondern d u r c h einen f t a r k e n Kern von m i n d e f t e n s zwei großen Völkern, die, d u r c h k e i n e n p o l i t i f c h e n I n t e r e f f e n g e g e n f a f c gefehlend e n , durch wirtfchaftliche Bande eng vereint, in natürlicher Gravitation die anderen an fich ziehen oder, um ein anderes Bild zu gebrauchen, das Rückgrat des neuen Körpers bilden. Mögen es die Eiferfucht und die Sonderintereffen der anderen feindlichen Staaten nicht zugeltehen oder hintertreiben wollen: A m e r i k a hat die Führung in der g a n z e n V ö l k e r ^ b u n d s b e w e g u n g und wird fie audi im Bunde behalten müffen, wie kollektiviftifch auch immer 5

er fich gebärden mag. Es wird die Führung fo lange behalten müffen, bis durch fukzeffive Angliederung, durch Ankriftallifation aus den einzelnen Gliedern eine kompakte Maffe geworden ift: eine Einheit, von einheitlichem Willen befeelt; nidit mehr eine auf das fchwanke Gleichgewidü wirkende arithmetifche Zufallsmehrheit von divergierenden Einzelßimmen. Dann wird die Frage belanglos fein, ob das Völkerrecht Gefefe oder Vertrag ift und wie man deffen Einhaltung erzwingen kann. Amerika in engfter Intereffengemeinfchaft mit einem großen europäifchen Volke wird ein Gewicht in der Wagfchale bilden, das kein böfer Wille anderer aufwiegen kann. D i e s e u r o p ä i f c h e V o l k k a n n n u r D e u t f c h l a n d f e i n , weil zwifchen ihm allein und Amerika eine Intereffen- und Gefühlsgemeinfdiaft möglich ift, wie fie fich audi im Völkerbund als eine machtvolle Einheit geltend machen könnte. D a s V e r h ä l t n i s zwifchen b e i d e n t o l l kein Bündnis fein u n d k e i n H a n d e l s v e r t r a g , fondern ohne Rückficht auf beftehende Formen e i n e n n e u e n I n h a l t h a b e n , eine Art p o l i t i f c h e r S y m b i o f e fein, die beiden zum Vorteil dient, ohne einen dritten zu verleben oder zu bedrohen. Prinz Max von Baden fagt im Hinblick auf 6

das jefeige Verhalten der Entente gegenüber Deutfchland mit Redit 1 }: »Der Völkerbund — nicht als bloßer Zweckverband zur Verhütung und Ahndung des Rechtsbruchs, fondern als einer Gemeinfchaft vertrauender Nationen mit einer fchöpferifchen Kraft, die heilt und hilft und aufbaut —, diefer Völkerbund ift für meine Generation tot.« Der einzige Weg, den Völkerbund lebendig zu machen, fcheint mir der, da6 zwei Völker zunächft eine »Gemeinfchaft vertrauender Nationen« mit heilender, helfender Kraft bilden gegenüber dem Zweckverband zur Vernichtung des einen. Diefe Gemeinfchaft wird durch ihre überlegene fittlidie Kraft die anderen, zunächft die neutralen Völker, in ihren Bann ziehen und durch eben diefe Kraft den Raubverband fprengen und angliedern. Wenn anders es dem Präfidenten Wilfon je ernlt war mit feinen großen Plänen — und man mu& das glauben —, liegt hier der Weg, fie auszuführen, nachdem ihn die Entente fo fchamlos im Stich gelaffen hat. »Völkerbund und Rechtsfriede«. Preufj. Jahrb., März 1919.

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G

II.

rundlage jedes künftigen Verhältniffes der Nationen zueinander mujs unter allen Umftänden die Gerechtigkeit fein, und deshalb ift das erfte Erfordernis, dafj in der Beurteilung Deutfchlands durch feine Feinde endlich die Wahrheit fiegt über die Einbildungen, die diefen kaltrechnende Politik einerfeits, glühender Ha& über die erlittenen Niederlagen andererfeits eingegeben haben. Nur die Amerikaner find frei davon, weil fie realpolitifch derartige Mittel zur Gewinnung des Übergewichtes nicht nötig hatten, und weil fie ihrem Charakter nach für derartige Leiden^ fchaßen oder doch für fo entfefeliche Formen ihrer Äußerung zu viel innere Vornehmheit und Selbftbeherrfchung befiften. Wir haben es während des ganzen Krieges erlebt, da& Frankreich fidi fowohl in der Behandlung der Gefangenen, befonders feitens der Bevölkerung, als in anderer Beziehung der raffiniertefien Graufamkeit und niedriger Leiden^ fdiafflichkeit fchuldig gemacht hat. Wir erleben es jefet tagtäglich, da& es in den befefeten Gebieten auf rohefte Weife fein Mütchen an Unfchuldigen kühlt und Schandtat auf Schandtat folgen lä&t. ö

Daneben fteht die durch keine Spur von politifcher Vernunft gezügelte Ma&lofigkeit der Forderungen für Waffenftillftand und Frieden, die fiait aller vernünftigen Erwägungen immer nur das vae victis des erften gallifchen Feldherrn wiederholen, mit dem diefer fchon den erften barbari^ fchenSieg der Gallier fchändete. Diefe beiden Erfdieinungen zeigen die Franzofen in einem Raufch und Taumel, der dadurch zu einem wahren Paroxysmus gefteigert worden ili, da& ihnen, die fchon am Rande des Abgrundes ftanden, der Sieg in vollkommen überrafchender Weife durch die Amerikaner gefchenkt wurde. Anders ftand es mit England. England war während des Krieges, trob der Hinterhältigkeit und Selbftfuchi feiner Politik, ftets von uns als ein anßändiger Gegner geachtet worden, deffen Kampfesart ehrlich und vornehm war und der diefelben Gefinnungen auch den Gefangenen gegenüber zur Geltung brachte. Erfi in neuefter Zeit fcheint auch in England Volk und Regierung von dem Wahnwifc ergriffen worden zu fein, den der überrafchende Sieg über den fo lange gefürchteten Gegner erzeugt hat: die Art, in welcher es die Rückfendung der doch vollkommen fchuldlos und unbeteiligten Internierten bewerkftelligt, die der fchlimmften Verbrecher kaum würdige 9

Behandlung, die es ihnen angedeihen liefe, fprechen jeder Menfchlichkeit und jedem fitt^ liehen Gefeft Hohn. Hier vermag nur Amerika eingreifend zu helfen und die Ehre der Menfch^ heit des 20. Jahrhunderts zu retten. Wir wiffen freilich, dafe die amerikanifche öffentliche Meinung während des ganzen Krieges vollkommen a t v hängig gewefen ift von dem, was die englifche Preffezentrale ihr mitzuteilen für gut fand ; durch diefe Abhängigkeit hat die verlogene Greuel" propaganda und die Entftellung der Vorgefchichte und Gefchichte des Krieges die öffentliche Meinung in Amerika ftark gegen Deutfchland zu beeinfluffen vermocht. A u d i die vielen tüchtigen und ehrlichen amerikanifchen Kriegskorrespondenten, die noch in den erflen zwei Jahren des Krieges durch eigene Anfchauung die Wahrheit erkannten und gegen die Fälfchung der amerikanifchen öffentlichen Meinung ritterlich ankämpften, waren fchlie&lich gegen die einfeitige, immer mächtiger werdende Northcliffefche Propaganda maditlos geworden. Wenn wir daher jefet in Amerika Berufung einlegen gegen die ungerechte Verurteilung, die das Verhalten unferes Volkes auf der ganzen Welt erlitten hat, fo müffen wir a populo male informato ad populum melius in^ formandum appellieren. Wie der vormalige

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Reichskanzler von Bethmann-Hollweg kürzlich erklärte, er lehne den Augenblick herbei, in dem er die Politik der deutfchen Regierung vor einem zultändigen vorurteilsfreien Gerichtshof darlegen könne, fo wünfcht das ganze deutfdie Volk, da& endlich von einer folchen Inffanz audi f e i n gefamtes Verhalten vor und während des Krieges geprüft werden möge. Obwohl Amerika auf feiten unferer Feinde Band, obwohl es ganz allein durch feine überlegene frifche Kraft unfere fchlie&liche Niederlage herbeigeführt hat, iftunfer Vertrauen in die Vornehmheit und Gerechtigkeit feiner Gefinnung, wie in die geiftige Unabhängigkeit feines Präfidenten fo groB, da£ wir es rückhaltslos als Richter anerkennen würden, wenn es nur erft möglich wäre, ihm Tatbeßand und die Elemente des Urteils zu unterbreiten. Wir braudien nicht um Gnade zu flehen, wir braudien nicht an Mitleid und Menfchlichkeit zu appellieren, wir braudien ihnen nicht vorzuhalten, da& eine vollkommene Vernichtung Deutfchlands ein Schaden für die Welt und vor allem für diejenigen felbft fein würde, die jefet nicht laut genug nach der Erdroffelung Deutfchlands fdireien können: was wir erbitten, ift lediglich Gerechtigkeit 1 ). Vgl. des Verfaflers »Offenen Brief an den amerikanifchen

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Die verdächtige Eile, mit der feit einiger Zeit die Franzofen und Engländer den Friedensfchlufe betreiben, damit deffen Diktierung noch unter dem Eindruck ßattfinden möchte, da& Deutfchland nicht ein durch Übermacht niedergerungener Feind, fondern ein auf jede Weife zu beftrafender und unfchädlich zu machender Verbrecher fei, zeigt, wie notwendig eine fchleunige Unterfuchung und Feßftellung der Wahrheit in diefer Richtung ift. Gerade weil die falfche, der ganzen Welt eingehämmerte Behauptung von der alleinigen deutfchen Schuld am Kriege und den deutfchen Barbareien die einzige Entfchuldigung für die Graufamkeit des beabfichtigten Friedens bildet, ift es unbedingt notwendig, da& nodi vor Zufammentritt der Friedenskonferenz, jedenfalls vor deren Wahrfpruch, die genauefte Untere fudiung und Feltßellung aller Tatfachen ßattfindet. Wir richten den dringenden Ruf an Amerika, diefe Unterfuchung audi gegen diejenigen feiner Verbündeten zu erkämpfen, die alles Intereffe daran haben, dafe die Wahrheit auch weiterhin unterdrückt und die öffentliche Meinung gefälfcht bleibe; denn auch d i e Tatfache darf von diefer Unterfuchung nicht abVertreter in München«, Dr. Fields, in der »München-Augsburger Abendzeitung« vom 15. und 16. Februar d. ).

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halten, da£ vielleicht die heftiglten Ankläger mindeltens als Mitfchuldige daraus hervorgehen könnten. Einmal w i r d die Wahrheit ans Licht kommen, fo oder fo; und wenn die Weltgefchichte das Weltgericht ift, fo mu& einmal der gro&e Freifpruch von den meiften und fchlimmften Anklagen erfolgen. Möge das gefchehen, ehe der völkerrechtliche juftizmord, den Frankreich und England vorbereiten, begangen wird und ehe Deutichland auch nur einen Teil der unverdienten Strafen verbüßt hat. Der Frieden würde der fittlichen Grundlage entbehren, wenn Deutfchland feine Unterfchriß nur mit einem »Exoriare« darunter fefeen könnte.

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II.

Δ

ber noch ein anderer Punkt bedarf der FeftHeilung, bevor in die Friedensverhandlungen eingetreten wird, weil er ihren Geift und ihren Inhalt ftark zu beeinfluffen geeignet ift. Namentlich die Franzofen bemühen fich unausgefegt, die Notwendigkeit der vollfländigen militärifchen Vernichtung Deutfchlands für alle Zeiten zu predigen und ihm Bedingungen aufzuzwingen, die einer Entmannung gleichkommen. Wie dies wieder beweilt, kam ihnen der Sieg fo unerwartet, da& Tie noch gar nicht recht daran glauben können und ganz von der Furcht des fchlechten Gewiffens beherrfcht find, er möchte ihnen eines Tages wieder entriffen werden, fobald fich der fo mühfam mit vereinten Kräften niedergeworfene deutfche K0I0& wieder zu regen vermöchte. Es zeigt dies aber vor allem, da& fie fowohl die Lage Deutfchlands wie feinen Geift vollfländig verkennen; und auch hier wäre es die Aufgabe des befonnenen, weder von Furcht noch von Leidenfchaft beeinflu&ten Amerika, der Vernunft zum Siege zu verhelfen. Sie verkennen die wirkliche Lage, weil Deutichland tatfächlich auf lange Zeit hinaus jeglicher militärifchen Kraftleiftung unfähig fein wird. Seine Er-

fchöpfung infolge des Riefenkampfes gegen die erdrückende Übermacht ift natürlich weit größer als die feiner Gegner, die diefe Übermacht bildeten. Die innere Zerfefeung durch die eigene Revolution und das von auijen eingedrungene bolfchewiftifche Gift ift zu gro&, als da& es eine auch nur zur Notwehr ausreichende militärifche Stärke wieder gewinnen könnte. Was aber vor allem von den Franzofen, und nicht von ihnen allein, verkannt wird oder nicht gefehen werden will, ift die tiefe innere Umwandlung, die in Deutfchland vor fich gegangen ift. Wir haben eine vollkommene Umwälzung unferer Gedankenwelt erlebt. Sie ilt nicht fo plöfelich gekommen — wie es wohl gefchienen haben mag —, da& fie audi plöfelich wieder vergehen könnte; unter der harten, aber immer dünner gewordenen Oberfläche des alten Staates, die in ihrer Starrheit undurchdringlich war, hatte fich die neue Geiftesrichtung längft eine neue Gedankenwelt gefchaffen; fie war fertig, fdion ehe fie die ftarre, aber morfche Decke durchßie& und zertrümmerte, die fie verborgen hielt. Kein Augenblicksprodukt ift diefe demokratifche Umwälzung; fie ift das Ergebnis einer Evolution, nicht einer Revolution, und das ist der Grund, weshalb ihre leitenden Ideen Beßand haben werden, audi wenn nidit 15

alle ihre Itaatsrechtlichen und wirtfchaftlichen Erfcheinungsformen von Dauer fein follten. Die Revolution hat eine politifche Umwälzung gebracht, die im Ausbau der neuen Verfaffung nodi am Werke ili und das Syftem der Staatsverwaltung von Grund aus verändern foli. Sie foli eine wirtfchaflliche Umwälzung bringen durch Neuformung des Syftems der Gütererzeugung und der Güterverteilung. Das erftere wird infoweit gelingen und Beftand haben, als der Ubergang vom abgetanen und überlebten Obrigkeitsltaat zum Volksßaat, von der allgemeinen Staatsautorität zur Selbftverwaltung in einer Weife vollendet wird, die die drohenden Extreme des Zuchthausftaates wie der Auflöfung des feiten Staatsorganismus in eine molluskenhaffe Räterepublik vermeidet. Es wird gelingen, ohne Rückficht auf die gegenfäfelichen Doktrinen, zwifchen denen der Staatsbegriff hin und her geworfen wurde, aus den lebendigen Kräften heraus, die in der ganzen Nation frei geworden find. Die fozialiflifche Theorie ift bisher am Staatsbegriff fcheu vorbeigefchlichen, und wo fie fich mit ihm befchäfiigte, gefchah es in widerfpruchsvoller Unklarheit der Anfchauungen und Ziele. Das deutfche 5ürgertum hat fidi von der An16

betung des Hegelfchen Staates als »lebendigen Gottes auf Erden«, wie von der alten bequemen Liebe zum »Nachtwächterftaat« frei gemacht, ohne doch der rein individualiftifchen Staatsauffaffung der Weltmächte zu verfallen, die durch Emile Boutroux und Denys Cochin ihre neuen Vertreter fand. Die metaphyfifche Verhimmelung des Staatsidols ift abgetan, und die neuen Anfchauungen werden den Staat als L e b e n s f o r m betrachten und geftalten, mit der jeder gemeingefährliche Abfolutismus, der von oben wie der von unten, ebenfo unvereinbar ift wie Klaffenherrfchaft von oben oder von unten, weil es in jenen Sphären kein oben oder unten gibt. So fchwer es hier fein wird, die werdenden und fließenden Kräfte alsbald zu erfaffen und durch Majoritätsbefchlu& in ftarre Form zu binden, fo leicht werden Schwankungen in der politifchen Neugeftaltung eintreten können. Viel mehr aber noch in der wirtfchaftlichen. Hier foil eine organifche Entwicklung des LohnfYftems unterbrochen und zerftört werden, von der ein ficherer Fortfchritt der Lage der arbeitenden Klaffe erwartet werden konnte, und mit der fich, mehr oder weniger eingeftandenerma&en, faft alle Führer der fozialdemokratifchen Partei ausScheller-Steinwarfe.

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geföhnt hatten, denen das praktifche Ziel wichtiger dünkte als die theoretifche Doktrin. Hier will die Revolution die Evolution jäh unterbrechen und dem längft veralteten Schibboleth der Marxfchen Theorien zuliebe die gefährlichften Experimente vornehmen. Hier m ü f f e n , wenn allzurafch vorwärts gegangen wird, ftarke Rückwärtsbewegungen eintreten. Aber was unbedingt bleiben wird, ift die ganze Gedankenwelt, die durch die Umwälzung zur Herrfchaft kam, die Auffaffung von der Stellung des einzelnen Menfchen in der Volksgemeinfchaft und des einzelnen Volkes in der Menfchheit; die Abkehr vom Imperialismus, die allgemeine Durchtränkung mit den Ideen vom Weltfrieden, die in den Geiftern d e u t f c h e r Denker fchon immer vorangeleuchtet haben. A u d i was die Feinde Militarismus nannten, wird das deutfche Volk gern aufgeben, wenn es nicht mehr durch ewig drohende Nachbarn gezwungen ift, die fchwere Rüftung zu fchleppen, die es fich immer ftärker fchmieden mu&te. Auch von der Abrüftung mu& man fagen: »que messieurs les assassins commencent«. L a f f e n d i e N a c h barn D e u t f c h l a n d l e b e n s f ä h i g und unv e r ft ü m m e l t a u s d e m F r i e d e n h e r v o r g e h e n , w e r d e n fie k e i n e R ü f t u n g e n je lö

w i e d e r z u f ü r c h t e n h a b e n , die über das zur Abwehr räuberifcher Einfalle öftlicher Nachbarn notwendige Ma& hinausgehen. Deutfchlands Volk ift militärifch gewefen, aber nie kriegerifch, wie die Franzofen, die beides, oder die Polen, die nur kriegerifch, nie militärifch waren. Es hat nie feines Nächften Haus und Hof begehrt. Es ift hier nicht der Ort, eine Apologie Deutfchlands im einzelnen zu geben, aber es mu&te vorweg betont werden, auf welcher Grundlage das neue Verhältnis einzig aufgebaut werden kann, das in Folgendem nicht nur zur Errettung Deutfchlands, fondern zum Vorteil Amerikas und zum Wohle der ganzen Kulturwelt angeregt werden foil.

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B

I.

is zum Ausbruch des Krieges hat Deutichland die ganze Welt mit vorzüglichen Gütern verfehen. Dank der Entwicklung feiner Wiffenfchaft, der vorzüglichen Arbeit feiner Arbeiter, der Höhe feiner Technik, der Organiration feiner Betriebe, vor allem aber dank der ganz einzigartigen Weife, in der alle diefe Elemente der Gütererzeugung zufammenarbeiteten, war es der deutfchen Volkswirtfchaft gelungen, Güter zu erzeugen von einer fo befonderen Qualität und in folcher Menge, da& fie auf dem ganzen Weltmarkt in immer fteigendem Ma&e anerkannt und gefucht wurden. Gerade durch die erwähnten Eigenarten der deutfchen Produktion war es zu erklären, da& ein bedeutender Teil der deutfchen Riefenausfuhr in Wahrheit mit der Gütererzeugung anderer Länder nur wenig in fchädlichen Wettbewerb trat, weil viele der ausgeführten Güter in keinem anderen Lande in gleicher Weife hergeftellt werden konnten. Der Krieg und die damit verbundene Unterbrechung der deutfchen Ausfuhr hat allen Abnehmervölkern gezeigt, wie notwendig fie viele deutfche Erzeugniffe brauchten und wie wenig fie in der Lage waren, felbft ausreichenden Erfafe dafür zu fchaffen. Trofe riefigfter

Kapitalaufwendung, allfeitigfter Anftrengung und rückfichtslofefter Spionage ift es nirgends gelungen, für die deutfchen Farbenerzeugniffe einen auch nur annähernd gleichwertigen Erfafe zu fchaffen. Das gleiche gilt von den Erzeugniffen unferer feinmechanifchen und unferer Mafchineninduftrie mit ihren vielfachen Spezialitäten, von unferen W e b - und Wirkwaren, die auf der ganzen Welt und ihren Märkten eine Klaffe für fidi bildeten. Andererfeits hat die englifche, franzöfifche und amerikanifche Ausfuhr einen ihrer ftärkften und beften Kunden in dem deutfchen Wirtfchaftsgebiet gehabt. Die immer fteigenden Ausfuhrzahlen bewiefen das. Zwifchen den vier Nationen, am meiften zwifchen Deutfchland und den drei anderen, waren die gegenfeitigen Handelsbeziehungen auf dem Wege, fidi dem weltwirt" fchaftlichen Idealzuftand einer internationalen Arbeitsteilung zu nähern, nach welchem jede Nation nur d i e Güter erzeugt, die der Eigenart, der Natur ihres Landes, der Fähigkeit ihrer Arbeiter und den Leiftungen ihrer Wiffenfchaft und Technik am meiften entfprechen und die Nationen fich dann untereinander aushelfen und ergänzen. Die hohe Entwicklung der Technik, der In21

duffrie und des Kunftgewerbes, fowie das vorzügliche Material an feefahrender Bevölkerung, das die deutfche Waterkant bot, hatte ferner einen Auffchwung der deutfchen Seefchiffahrt erzeugt, der ebenfalls anderen Nationen zugute kam. Für den Verkehr von Perfonen wie für die Verfrachtung wertvoller Güter, die befondere Sorgfalt, Sicherheit und Pünktlichkeit erforderten, bildeten die deutfchen Schiffe auf dem Weltmeer ebenfalls eine Klaffe für fich, ohne dabei der Blüte der fremden Seefchiffahrt Abbruch zu tun. Es gefchah das Ähnliche wie beim deutfchen Induftrieexport: Deutfchland nahm nicht einem anderen feinen bisherigen Verdienft weg, indem es fidi an feine Stelle fchob, fondern die Vorzüglichkeit und befondere Eigenart feiner Waren wie feiner Schiffe fchuf erft das Bedürfnis, das fie befriedigten. Jedenfalls hatte fich der Weltbedarf fortfchreitend ftärker vermehrt als die deutfche Gütererzeugung, fo da& ihr Anteil an deffen Befriedigung nie größer war, als Deutfchland gerechterweife zukam. Für England bedeutete er höchftens ein lucrum cessans. Deutfchland war mit feiner Indufirie und feiner Seefahrt ein Förderer der Kultur und ein Wohltäter der Menfchheit. 22

Dieter für alle Teile glückliche Zuftand wurde durch den Krieg unterbrochen. Die deutfche Induftrie hörte auf zu erzeugen, die Schiffe zu fahren. Aber die Länge des Krieges und fein für Deutfchland unglückliches Ende haben bewirkt, da& auch mit dem Frieden ein Wiederanknüpfen des Fadens da, wo ihn der Kriegsbeginn zerriffen hatte, nicht möglich ift. Die ungeheuren Laften, die der Verzweiflungskampf Deutfchland aufgebürdet hat, die nodi größeren Laften, die der Friede ihm aufzulegen droht, müflen die deutfche Produktionskraft lähmen. Auf viele Jahre hinaus wird der deutfche Wirtfchaftskörper fo blutleer und gefchwächt fein, da& er die alte Fruchtbarkeit und Erzeugungskraft fchwer wieder erlangen wird. Ein fo vollkommen verarmtes Land, wie es Deutfchland fein wird, wenn die Feinde alle ihre Drohungen wahr machen, kann nicht mehr das nötige Kapital aufbringen, um feine Exportinduftrie zur alten Leiftungsfähigkeit wiederherzuftellen. Gerade in dem Augenblick, wo es zu diefem Zwecke am nötigften Kapital brauchte, mufj es den legten Grofchen für Kriegskoften und Entfchädigungen hergeben. Eine blutige Ironie des Schickfals fügt es audi noch, da& gerade in diefem Augenblicke in feinem Innern gegen alles, was Kapital 23

hei&t, Sturm gelaufen wird, und da& die einzige dem deutfchen Wirtfchaftskörper verbliebene Kraft, die Arbeitsfähigkeit und der Arbeitswille feiner Menfchen, durch Mi&brauch und Mi&verftehen veralteter volkswirtfchaftlicher Theorien faft vollftändig gelähmt wird. Immerhin ift der deutfche Sinn gefund genug, um diefe Krankheit überwinden zu können, wenn die anderen Elemente wirtfchafilichen Schaffens, Kapital, Organifation und Exportmöglichkeit, wieder gegeben wären. Dies wieder zu fchaffen wäre zwingende Notwendigkeit, wenn nicht die Welt für alle Zeiten auf die Vorteile verzichten foli, die bisher die deutfche Arbeit ihr gefchaffen hat. Es gehört aber noch ein anderes dazu. Nur ein freies, glückliches, fiarkes Volk kann fruchtbar fein. Freudigkeit gehört zum Schaffen; damit fich, wie es früher in Deutfchland der Fall war, alle Kräfte in Wiffenfchaft, Gewerbe, Handel und Kunft voll betätigen und fidi die goldenen Eimer reichen können, mu& das Volk frei und froh fein. Der wahnfinnige Gedanke, der nur allzuhäufig bei unferen Feinden fein Haupt erhebt, Deutfchland zum Knecht der anderen Völker zu madien und zur Sklavenarbeit zu zwingen, ift wirtfchafilich ebenfo verkehrt, wie ethifch verwerflich. 24

Niemals wird ein geknechtetes Volk Großes fchaffen, Neues entwickeln können. Das gilt auch von der geiftigen Schöpferkraft. Die Feinde haben es oft genug gefagt, daß fie gnädig das Deutfchland Kants und Goethes am Leben laffen wollen. Das deutfche Volk foil nur noch in der Geifter- und Geifteswelt leben. Wenn man aber glaubt, daß es dann audi weiterhin die Welt mit den Erzeugniffen großer Geifter, Dichter, Denker und Künftler erfreuen und fördern wird, fo irrt man : ein Volk, das von folcher Höhe roh in den Abgrund geftoßen wird, findet nie mehr den feelifchen Schwung, der dem fchöpferifchen Geift unerläßlich ift.

25

E

Y.

s liegt alfo nicht im d e u t f eh e η Intereffe allein, da& die Gefahr des Unterganges Deutfchlands und der Erdroffelung der deutfchen Schaffenskraft befchworen werde ; d i e Nationen hätten das höchfte Intereffe daran, die am meiften Vorteil von der Ergänzung ihrer Eigenart durch die deutfche gehabt haben und in keiner Weife unter dem deutichen Wettbewerb audi nur vermeintlich gelitten haben. Diefe Gefahr zu befchworen, reicht es nicht aus, beim Friedensschlu& zu verhindern, da& Deutfchland vollfiändig geknechtet und ausgefogen werde. Es reicht nicht aus, zu verhindern, da& dem am Boden liegenden Feinde audi noch der Gnadenfto& gegeben werde. Was dazu notwendig ift, das ift, ihm Hand und Hülfe zu reichen für feine Wiederaufrichtung. Wie aber kann dies gefchehen? Kurz gefagt: durch Hergabe von Kapital gegen Beteiligung an der deutfchen Induftrie und Seefahrt. Durch S c h a f f u n g e i n e r I n t e r e f f e n g e m e i n f c h a f t , einer engen Verbindung zwifchen dem deutfchen und einem fremden Wirtfchaftsgebiet, welches das im Uberflufe hat, was Deutfchland fehlt, Geld und gewiffe Rohftoffe; das für feine eigene harmonifche Entwicklung und fein 26

Gedeihen aber das braucht, was ein blühendes Deutfchland einzig geben kann: die oben gefchilderten Spezialerzeugniffe der deutfchen lndußrie in Verbindung mit der deutfchen Wiffenfchaß. Wer aber kommt dafür in Betracht? Nicht die Gefamtheit der feindlichen Nationen, wie aus dem Gefagten hervorgeht. Diefe Art der Hülfeleißung, wie fie hier einzig förderlich fein kann für beide Teile, kann nur eine perfönliche, keine kollektive fein. Nur eine einzelne felbß kraflvolle, vorwärtsßrebende und nicht von perfönlichem Ha&- und Rachegefühl in ihrem wirtfchaßlichen Denken beeinflu&te Volkseinheit kann hier in Frage kommen. Damit fcheiden die unmittelbaren Nachbarn Deutfchlands aus. Alle haben felbß fchwere Wunden zu heilen. In F r a n k r e i c h wird der alte Ha&, der durch die leider kriegsnotwendig gewordenen Zerßörungen im eigenen Lande neu gereifet worden iß, noch lange lebendig bleiben. E n g l a n d ift durch fein Weltreich und die neuen Aufgaben, die es in den überfeeifchen Teilen diefes Reiches erwarten, genügend in Anfpruch genommen; vor allem aber wird es eher danach ßreben, den verhaften Mitbewerber ganz in den Abgrund zu flogen, als ihm die Hand 27

zur Erhebung zu reichen. R u t l a n d ift durch feinen Bolfchewismus derartig innerlich zerrüttet, da& es, wenn es erft wieder zu Verftande gekommen fein und ihn überwunden haben wird, fich felbft nur erholen kann, wenn ihm der inzwifchen wieder wirtfchaftlich gefundete deutfche Nachbar Hülfe leiftet. Von jedem Gefichtspunkt aus aber zeigt fich, alles überragend, eine Nation, die neben vielen großen welthiftorifchen Aufgaben audi für diefe, die Wiederaufrichtung eines neuen Deutfchlands mit neuem geläuterten Geilt, geradezu von der Vorfehung beffimmt erfcheint: d i e V e r e i n i g ten Staaten von A m e r i k a .

D

VI.

ie gro&e Republik jenfeits des Ozeans braucht nicht daran erinnert zu werden, da& fie felbft bei ihrem machtvollen Auffchwung Deutfchland manches zu verdanken hat: dafür bürgt der hiftorifche Sinn und das völkerpfychologifche Verftändnis, das einen Teil des tiefen und Γο berechtigten amerikanifchen Nationalgefühls bildet. Wir wollen uns nichts darauf zugute tun, das der preu&ifche Staat der erfte von allen war, der die neue amerikanifdie Republik anerkannte und ihr damit die Weihe als felbfiändige politifche Macht gab. Aber der Amerikaner wird es fo wenig wie wir je vergeffen und hört nicht auf, es tagtäglich zu empfinden, da& die gewaltige deutfche Einwanderung gute und zahlreiche Steine zu dem Riefenbau diefer Nation geliefert hat, da& deutfcher FleiB und deutfcher Genius bei der Schöpfung und dem Ausbau der amerikanifchen Landwirtfchaft und Indufirie einen Hauptanteil gehabt haben; und da&, wie Präfident Roofevelt felbft einmal Tagte, der amerikanifdie Nationalcharakter ftarke und gute Seiten durch die deutfchen Elemente, die ihn mitgebildet haben, erhalten hat. Von 1Ö21 bis 1914 find 5 1 /« Millionen Deutfcher

nach den Vereinigten Staaten ausgewandert, und zuverläffiger Schäfeung nach 1 ] beträgt die Zahl der eingewanderten Deutfchen und der erften, von ihnen gezeugten Generation 25 Millionen. Nach dem Zenfus von 1900 befanden fich noch 2,66 Millionen in Deutfchland Geborener unter den amerikanifchen Bürgern. Die Amerikaner deutfchen Blutes bilden 331/2°/o, die englifchen Blutes nur 16V2°/o der Gefamtbevölkerung. 90% der gefamten deutfchen Auswanderung ift nadi den Vereinigten Staaten gegangen. Es ift alfo nicht überrafchend für den, der die Gefchichte der amerikanifchen Induftrie und Finanz erforfcht, oft und gerade an den bedeutendften Stellen Beziehungen zu finden, die nach Deutfchland weifen: die riefigen Carnegie-Werke find aus dem Hammerwerk des Deutfchen Klomann entftanden, deffen vorzügliche gefchmiedete Wagenachfen den Ruf des Haufes begründeten. Die vor dem Kriege mächtiglte amerikanifche Schiffswerft in Philadelphia war gegründet und geleitet von Mr. Cramp, der urfprünglich Krampf hie& und aus Deutfchland ftammt; felblt der amerikanifchfte aller Finanzgewaltigen, PierpontMorgan, hatte in Göttingen Mathematik ftudiert 1 ) Mannhardt, Deutfch-Amerikanifche Gefchichtsblätter. Oktober 1903.

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und pries dankbar den Einflu& der deutfchen Wiifenfchaft auf feinen eigenen Werdegang. Bedeutfamer als diefe Stidiproben ift die Tatfache, da& deutfche Arbeitskraft und deutfche Eigenart dem Wirtfchaftsleben wie dem geiftigen Leben Amerikas ftarke Nahrung gegeben hat. Hier wäre jefet eine Gegenfeitigkeit angebracht. Viele morfche Seiten hat der deutfche Nationalcharakter in den Stürmen der legten Monate gezeigt: nicht nur bei den Trägern des alten Regimes. Was vielleicht am überrafchendften erfchien, war nicht die Schwäche der ehedem »ftaatserhaltenden« Klaffen — die vor dem erften Anftürmen einer kleinen Minderheit kapitulierten —, nicht die feltfame Lethargie des Bürgertums, das fich feiner Kraft nicht bewu&t werden kann und keinen Entfchlu& findet, fidi für die Rettung der deutfchen Exiftenz einzufetten; es ift die abfolute Unreife der Maffen für wahre Demokratie, die fidi mehr und mehr herausftellt und fchuld wird an der völligen Vernichtung Deutfchlands, wenn nicht von innen oder von au&en ein neuer Geift zur Macht gelangt. Gibt es e i η e η Amerikaner, der den kindlichen Wahnfinn hätte, zu glauben, da& mit der Erpreffung unfinniger Löhne für ein Minimum von Arbeit dauernd der Wohlftand der Maffen begründet 31

wird? Da|j das Zauberwort »Sozialifierung« die plumpfte Zerfförung des unendlidi feinen und künftlichen Organismus der Gütererzeugung und Güterverteilung rechtfertigt und goldene Zeiten für jeden Faulenzer herbeiführt? Da& die feige Überlieferung des fo lange ruhmvoll verteidigten Landes an den brutalen Feind Frieden, Brot und Glück bringt? Im deutfchen Volke gab es nicht nur vereinzelte folche irrende Schwarmgeifter ; eine ganze gefdiloffene Partei terrorifiert bereits gro&e Teile des ehemaligen Reichs mit diefem Wahnwife und richtet in Wochen zugrunde, was Jahrzehnte des Fleißes und der höchften geiftigen Anftrengung des ganzen Volkes gefchaffen hatten. Und nach gut deutfdiem Fehler, den audi die realpolitifdie Erziehung der legten 50 Jahre nicht auszulöfdien vermochte, wird der kraflvernichtenden Schandtat ein philofophifches Mantelchen umgehängt: die von einem an Hegelfcher Dialektik gefdiulten Grübler aus englifdien Verhältniffen längft vergangener Zeiten heraus deftillierten Theoreme, die von der gefunden Entwicklung der Dinge längft und gründlich widerlegt worden find, werden als Evangelium dem deutfchen Volke vorgehalten. Irrlehren gelten ihm immer noch höher als Erfahrung und Verftand, befonders wenn ihr tieferer Sinn unverftändlich bleibt, und 32

einige Trugfdilüffe bequeme Handhaben bieten, dem, was Begehrlichkeit und Faulheit eingibt, einen wiffenf